Schwerter Event Kirschblütenfest - Ergste und Wir im Ruhrtal
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ERGSTE . . . UND WIR IM RUHRTAL! Das Bürgermagazin für die Bürger des <strong>Ruhrtal</strong>s Mai 2011<br />
Sau´n biettken wat van Düet <strong>und</strong> Dat in Haugdüütsch un in <strong>Ergste</strong>r Platt<br />
Vielfältig sind die Geschichten die auf einem Dorf entstehen. Manche sind nach ein paar Tagen wieder vergessen andere halten<br />
länger <strong>und</strong> wieder andere werden von Generation zu Generation weitergetragen <strong>und</strong> erfahren so manche Veränderung. Einige<br />
Geschichten sind lustig, aber auch ernste Begebenheiten werden wir <strong>im</strong> Bürgermagazin veröffentlichen.<br />
Die Gasstätte Schneider<br />
Die beliebte Gasstätte Schneider „Auf dem Hilf“ in <strong>Ergste</strong> sollte -<br />
wie es in anderen <strong>Wir</strong>tshäusern gelegentlich auch geschah - zum<br />
Schauplatz männlicher Streiche werden. Diesmal handelte es sich<br />
um eine Wette des Gastwirts Heinrich (Gen. Heini) Schneider mit<br />
einem gemütlichen <strong>und</strong> humorvollen, aber oft auch etwas wichtigtuerischen<br />
Gast mit Namen Alex. Er bekleidete bei der <strong>Ergste</strong>r<br />
Feuerwehr einen höheren Rang <strong>und</strong> prahlte oft <strong>und</strong> gern von sich<br />
<strong>und</strong> seinem vielen Geld: (pld: met Geld schmi‘ eck ink alle daut).<br />
Dieser Alex hatte in den ersten Jahren nach Kriegsende 1945 in<br />
der feuchten <strong>Ergste</strong>r Ruhrebene diesseits des Bahndammes eine<br />
Wiese, auf der er seinen Hengst weiden ließ. Einige <strong>Ergste</strong>r Bauern<br />
wie auch Heini Schneider nutzten diese günstige Lage ebenfalls<br />
für den Austrieb ihrer Pferde. Häufig blieben die Tiere auch Nachts<br />
auf den fest umzäunten Weiden, aber bei nächtlicher Dunkelheit<br />
kam es <strong>im</strong>mer wieder zu Diebstählen der Tiere. Polizeiliche Ermittlungen<br />
verliefen fast <strong>im</strong>mer ohne Ergebnis.<br />
Und hier beginnt unsere wahre Geschichte.<br />
Der gezähmte Hengst <strong>und</strong><br />
die verlorene Wette<br />
von Walter Höher<br />
Als der besagte Alex eines Abends nach etlichen Schnäpsen wieder<br />
einmal in Schneiders <strong>Wir</strong>tschaft prahlt <strong>und</strong> arg aufschneidet, kommt<br />
auch das Thema Viehdiebstahl zur Sprache. Sofort mischt sich Alex<br />
ein <strong>und</strong> posaunt mit Nachdruck: „Das könnte mir nie passieren. Mein<br />
brauner Hengst, der lässt keinen an sich ran. Wer das versucht, den<br />
beißt er <strong>und</strong> der kriegt‘n gehörigen Tritt, dass er übern Zaun fliegt.“<br />
„Na - na, du Windbüül (Windbeutel)!“ entgegnet Heini Schneider, „Gib<br />
nich‘ so ‘ne Welle an! Deinen Hengst, den hole ich dir ohne Mühe von<br />
der Weide <strong>und</strong> bring ‘ne dir heute noch bis hier vor de <strong>Wir</strong>tschaft.“ -<br />
„Waas! Du? Ha-haa!“ platzt Alex raus <strong>und</strong> lacht, dass sich die Balken<br />
biegen. „Da mach ich mit dir ‘ne Wette, dass schaffst du nie <strong>im</strong> Leben!“<br />
- „Gut“, sagt Schneider: „Was ist dir die Wette wert, wenn ich sie<br />
gewinne?“ Lauthals <strong>und</strong> absolut siegessicher erwidert Alex: „Wenn du<br />
das hinkriegst, gehört der Hengst dir <strong>und</strong> du kannst mit ihm machen<br />
was du willst, ha-ha-haa! Wenn nicht, darf ich den ganzen Abend frei<br />
saufen. Bist Du einverstanden?“ „Einverstanden!“ entgegnet der pfiffige<br />
Gastwirt. - Heinis Plan steht fest. Gemeinsam mit dem hauseigenen<br />
Kneipengast Otto, genannt Lehmann, begibt er sich nach draußen<br />
ins Dunkel. Sie nehmen ein Kopfstück (Halfter) zur Hand <strong>und</strong> trotten<br />
los in Richtung Bahndamm, wo sich der Weideplatz des Alex mit dem<br />
„unbezwingbaren“ Hengst befindet. Aber zunächst begeben sie sich<br />
zu einem benachbarten Weidegehege <strong>im</strong> <strong>Ruhrtal</strong>, nämlich dahin, wo<br />
Heinis Pferd, die Stute Bella (ein Belgier/Voss) friedlich grast. Dort angekommen,<br />
holen sie wie vorher ausgemacht die überraschte Stute<br />
aus ihrer Umzäunung heraus <strong>und</strong> führen sie an Alexens Gehege mit<br />
dem „wilden“Hengst. Dieser stutzt, schnauft, wird neugierig <strong>und</strong> trottet,<br />
offenbar von anregenden weiblichen Ausdünstungen berauscht,<br />
schnüffelnd an den Zaun. Von Abwehrreaktionen keine Spur! - Das<br />
schneidersche Duo lässt nun den Hengst eine Zeitlang Bellas Aroma<br />
genießen, was ihn völlig gefügig macht. Dann öffnen sie die Umzäu-<br />
nung <strong>und</strong> führen die Bella zum He<strong>im</strong>weg dicht hinter dem Hengst her.<br />
Ihr Plan geht auf: Die Stute lässt sich leiten, ist zahm wie ein Lamm<br />
<strong>und</strong> der verliebte Hengst folgt ihr verzückt in dichtem Abstand bis<br />
zum Ziel: die <strong>Wir</strong>tschaft Schneider auf dem Hilf. Hier angekommen,<br />
bindet Lehmann die schneidersche Stute unbemerkt auf der Dehle an,<br />
während Heini seinen Plan zuende führt. Da er den Hengst unterwegs<br />
durch häufiges Streicheln <strong>und</strong> Klopfen ganz gefügig machen konnte,<br />
gelingt ihm ein Meisterstück: Er führt den zahm gewordenen Hengst<br />
die Steintreppe vor der <strong>Wir</strong>tschaft hoch <strong>und</strong> zieht ihn zum Erschrecken<br />
der Gäste durch die Tür bis vor die Theke. Lähmendes Entsetzen<br />
bei Alex, der in der Vorfreude über die vermeintlich gewonnene Wette<br />
reichlich an Alkoholitäten zu sich genommen hatte. - „So, Alex“, sagt<br />
Schneider, „ich habe gewonnen <strong>und</strong> darf mit deinem Hengst machen<br />
was ich will. Du hast zugeschlagen. <strong>Wir</strong> werden ihn schlachten. Und<br />
zwar sofort. Köbes „Hinkelmann“ (ein Gast <strong>und</strong> ausgebildeter Schlächter)<br />
hat schon alles vorbereitet.“ Jegliches Zetern <strong>und</strong> Winseln des erschrockenen<br />
Verlieres Alex nützt nichts. Der Gewinner Gastwirt Heini<br />
Schneider klopft <strong>und</strong> streichelt den Hengst, balanciert ihn halsbrecherisch<br />
aus der Gaststube wieder hinaus <strong>und</strong> bindet ihn auf der Dehle<br />
an. - Auf diesen Schock braucht Hengstbesitzer Alex ein paar Beruhigungsschnäpse.<br />
Er leistet nur geringen Widerstand, er ist völlig überwältigt<br />
<strong>und</strong> versteht die Welt nicht mehr. Dann kommt Heini zurück<br />
<strong>und</strong> gibt das vorher ausgemachte Kommando: „Köbes, walte deines<br />
Amtes“ Hau ne vor‘n Kopp‘ <strong>und</strong> schneide de besten Stücke raus! Meine<br />
Gäste sollen sich heute mal richtig satt essen!“ Der Verlierer Alex<br />
versucht zwar noch, das Vorhaben des <strong>Wir</strong>tes abzuwehren, aber sein<br />
ohnehin schweres <strong>und</strong> vom Alkohol geschwächtes Körpergewicht lässt<br />
das nicht zu. - Es vergeht eine ganze Weile, in der die Erwartunshaltung<br />
der informierten lausbübischen Gäste bis auf den Höhepunkt<br />
steigt. Dann ereignet sich der Schlussakt, über den sich seinerzeit ganz<br />
<strong>Ergste</strong> amüsierte: Katzof Köbes Hinkelmann betritt das Lokal mit aufgekrempelten<br />
Ärmeln. Er hat eine weiße mit roten Flecken betupfte<br />
Schürze vor, schwingt ein Schlächtermesser <strong>und</strong> sagt mit Nachdruck<br />
(pld.): „Alex, vi hett ne daut un in Stücke schniën. Wosse ne noch mol<br />
di seihn (Alex, wir haben ihn tot <strong>und</strong> in Stücke geschnitten, willst‘e ihn<br />
nochmal sehen?“) „Waaat? Nä, nää, bloß nich! Dat draff doch nit wohr<br />
sin (das darf doch nicht wahr sein), winselt Alex jetzt, der den letzten<br />
Funken Hoffnung aufgeben muss <strong>und</strong> fast in Ohnmacht fällt. „Dann<br />
daut mi doch wenigstens en paar Stückskes met för de Füëwehr“ (Dann<br />
gebt mir doch wenigstens ein paar Stückchen mit für die Feuerwehr),<br />
sein letzter verzweifelter, aber <strong>im</strong>merhin fürsorglicher Wunsch.<br />
Tatsache ist, dass Köbes Hinkelmann in Irma Schneiders Küche zur<br />
nächtlichen St<strong>und</strong>e eine Flasche H<strong>im</strong>beersaft fand, mit deren Inhalt er<br />
rote Flecken auf die Schürze färbte, um den Schlachtungsakt glaubhaft<br />
zu machen. - Noch vor Morgengrauen bringen die Sieger, selbst<br />
verkatert, aber auf dem selben Weg <strong>und</strong> auf gleiche Weise die gefügigen<br />
Tiere wieder auf ihre Weiden zurück. Ihren Brummschädel verkneifen<br />
sie. Es bleibt ihnen die Genugtuung, den Schwadroneur Alex<br />
einmal richtig „be<strong>im</strong> Bock“ getan zu haben.-<br />
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