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Ausstellung Angelika Zwarg Malerei und Grafik - Galerie Laterne

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LaTerneVernissage am<br />

29.08.2011 19.30 Uhr;<br />

Laudatio: Fritz Schönfelder<br />

Musik: Strings and Brass Duo<br />

<strong>Ausstellung</strong> <strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong> <strong>Malerei</strong> <strong>und</strong> <strong>Grafik</strong><br />

vom 29.8.-30.09. 2011<br />

Mo. - Fr. 10 - 16 Uhr<br />

<strong>Galerie</strong> <strong>Laterne</strong><br />

Chemnitz<br />

Nr. 4 20 1


Garten von <strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong> zum offenen Atelier 2008 Foto: <strong>Zwarg</strong><br />

<strong>Angelika</strong><br />

Z WA RG<br />

A u s s t e l l u n g s g e s p r ä c h<br />

<strong>Laterne</strong>: Du bist in diesem Jahr die einzige Ausstellerin,<br />

die neben den vielen Männern in der<br />

<strong>Laterne</strong> eine Einzelausstellung bekommen hat.<br />

Du erfüllst sozusagen unsere Quote. Spaß beiseite<br />

– aber hat bei dir deine Fraulichkeit für deine<br />

<strong>Malerei</strong> eine Rolle gespielt? Mit anderen Worten:<br />

glaubst du, dass diese Art des Daseins auf deine<br />

<strong>Malerei</strong> einen Einfluss hat, oder sind es eher andere<br />

Dinge wie Erinnerungen, Träume, Kompositionen,<br />

Farbklänge, Rhythmen, die die Art deiner<br />

Bilder bestimmen?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich war noch nie Quote…dass ich das<br />

mal erleben darf… Aber ernst haft: Für Kompositionen, Farbklänge<br />

<strong>und</strong> Rhythmen gibt es meiner Meinung nach zuerst<br />

andere Kategorien als männlich oder weiblich. Bei den Träumen<br />

<strong>und</strong> Erinnerungen ist es aber sicher so, dass diese von<br />

der Persönlichkeit des Menschen bestimmt werden <strong>und</strong> die<br />

wird auch vom Geschlecht beeinflusst. Sicher würde ich als<br />

Mann anders malen. Aber ich würde auch anders malen,<br />

wenn ich zehn Jahre jünger oder zehn Jahre älter wäre, wenn<br />

ich nicht aus dem Erzgebirge, sondern von der Ostsee käme,<br />

wenn ich nicht in Dresden, sondern in Berlin studiert hätte,<br />

wenn ich…. usw. usf.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du sagst selbst, dass Malen für dich etwas<br />

Persönliches ist, wenn man aber <strong>Ausstellung</strong>en,<br />

offene Ateliers etc. annimmt <strong>und</strong> sich öffentlich<br />

zeigt, hat man sich doch fast zwangsläufig den<br />

Kommentaren, Meinungen, Kritiken <strong>und</strong> dem<br />

überschwänglichen, irritierenden Lob zu stellen -<br />

auch wenn es einem so nicht gefällt oder am Zentrum<br />

seines inneren Denkens vorbeigeht. Siehst<br />

du diese Spanne auch <strong>und</strong> wenn ja, wie versuchst<br />

du sie zu überbrücken?


Abb. links: „Aber der Kirschbaum“<br />

Abb. rechts: Szenen aus<br />

dem Garten <strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>s<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Diese<br />

Spanne gibt es <strong>und</strong> sie<br />

ist eben spannend. Immer<br />

wieder ein Sprung ins kalte<br />

Wasser, sicher. Wobei – am<br />

Anfang wärmt man sich das<br />

Wasser schon etwas an, indem<br />

man, was man gemacht<br />

hat, zunächst denen zeigt,<br />

die einem am nächsten sind.<br />

Raus aus dem eigenen Arbeitszimmer<br />

räumt man die<br />

Bilder ja auch aus Gründen<br />

der Neugier, der Spannung.<br />

Da kann das Wasser schon<br />

mal kalt sein <strong>und</strong> die Wellen<br />

stürmisch, aber dann muss<br />

man halt schwimmen <strong>und</strong> sehen,<br />

dass man unbeschadet<br />

rauskommt.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du magst besonders<br />

Günter Kunert,<br />

der wohl für die Kompliziertheit<br />

des menschlichen<br />

Wesens steht,<br />

sich hauptsächlich in<br />

Beziehung zur Umgebung<br />

- allgemein Politik<br />

benannt - sieht <strong>und</strong> der<br />

sich auf diesem Gebiet<br />

immer wieder neu orientiert<br />

hat, ausgehend<br />

von einem anfänglichen<br />

Fortschrittsglauben hin<br />

zu einem Skeptizismus.<br />

Kannst du das benennen,<br />

was dich an Günter<br />

Kunert besonders anzieht?<br />

Welche Texte<br />

haben dich am meisten<br />

beeindruckt?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: In den<br />

letzten Jahren immer häufiger<br />

die Gedichte. Und davon<br />

immer mehr die, in denen ein<br />

„trotzdem“ formuliert wurde.<br />

Ich finde in Literatur, nicht<br />

nur bei Kunert, Wortkombinationen,<br />

Satzfetzen, die<br />

sich im Kopf einnisten <strong>und</strong> zu<br />

Bildanlässen werden können.<br />

Das ist natürlich nicht der einzige<br />

Gr<strong>und</strong>, Bücher zu lesen.<br />

Meist habe ich den Zusammenhang<br />

zum Gesamttext<br />

auch bald wieder vergessen.<br />

Durch die Verdichtung <strong>und</strong> Abstraktion der Sprache fallen<br />

mir Gestaltungsprobleme, Kompositionen ein, die ich dann<br />

packen will. Z. B. „der Abend stumm“ – wie kann ich das<br />

malen? Oder „der Rest, der verschwiegen wird“? Oder Sarah<br />

Kirschs „Das Haus, als fiele Licht aus seinem Fenster“?<br />

<strong>Laterne</strong>: Sarah Kirsch gehört auch zu deinen Favoriten<br />

unter den Schriftstellern <strong>und</strong> auch hier findet man die aktive<br />

Anteilnahme an der Politik - man denke nur daran,<br />

dass sie Erstunterzeichnerin der Protesterklärung gegen die<br />

Ausbürgerung Wolf Biermanns war, genauso wie Kunert.<br />

Es scheint, als würde sich künstlerisches Wirken hauptsächlich<br />

über politische Aktivität definieren. Dagegen sind deine<br />

Bilder erst auf dem zweiten Blick politisch zu verstehen.<br />

Wie erklärst du dir das?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich war etliche Jahre im Kreistag,<br />

im Jugendhilfeausschuss, Schulausschuss,<br />

Krankenhausausschuss….. Das waren prägende<br />

praktische Erfahrungen. Was ich in den Jahren<br />

<strong>und</strong> danach wie gemalt habe, wurde aber auch<br />

davon mit beeinflusst. Nicht illustrierend <strong>und</strong><br />

vordergründig sicher, aber eben auf den zweiten<br />

Blick. Man hat ne ganze Menge darüber erfahren,<br />

wie die Gesellschaft funktioniert, man<br />

hat sich selber von einer Seite kennen gelernt,<br />

die man so noch nicht wahrgenommen hat <strong>und</strong><br />

so weiter.<br />

<strong>Laterne</strong>: Hierher gehört wohl auch die Frage,<br />

was würden Schriftsteller schreiben <strong>und</strong> Maler<br />

malen, die politisch denken, wenn die Politik<br />

ausnahmsweise keine Reibungsfläche bietet?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich kann mir nicht vorstellen,<br />

dass Politik einmal keine Reibungsfläche bieten<br />

würde.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du warst einige Jahre als Stadträtin aktiv<br />

<strong>und</strong> auch jetzt scheint es dir immer noch in<br />

den Fingern zu jucken am Mittun. Vor der Staffelei<br />

kann man sich beruhigen, aber was zwingt<br />

dich, immer wieder mit zu streiten - öffentlich?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Nun ja, ein schlimmer Zwang ist‘s<br />

nicht – sonst wäre ich wohl noch aktiv mit Mandat <strong>und</strong><br />

allem Drum <strong>und</strong> Dran. Dass ich es nicht mehr bin, hat viel<br />

mit Resignation auf diesem Gebiet zu tun <strong>und</strong> auch mit der<br />

Einsicht, dass der Tag nur 24 St<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> man, wie<br />

es so schön heißt, nicht auf allen Hochzeiten tanzen kann.<br />

Aber richtig, ab <strong>und</strong> an juckt es noch, denn Demokratie lebt<br />

ja davon, dass Menschen sie ausüben <strong>und</strong> wenn es zu wenige<br />

gibt, die sich aktiv einbringen, bleibt sie unter ihren<br />

Möglichkeiten. Das ist ärgerlich.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du bist in Zschopau geboren <strong>und</strong> zur<br />

Schule gegangen, aber es scheint, wie eine<br />

<strong>Ausstellung</strong> in Grünhainichen zeigt, dass sich


dieser Ort tiefer eingeprägt hat in dein Unbewusstes<br />

als dein Geburtsort, zumal du behauptest, dass dieser<br />

Ort Grünhainichen, die Gegenstände dieses Ortes,<br />

die Verhältnisse dieses Ortes, die Gespenster dieses<br />

Ortes sich eingeschlichen haben in deine Bilder - damit<br />

scheint mir das Geschehen auf deinen Bilder einer<br />

Deutung durchaus zugänglich. Es sind wohlmöglich<br />

Erinnerungsbilder, Spuren, die sich damals erstmal in<br />

das Kindergedächtnis eingeprägt haben, tiefe Furchen<br />

bildeten <strong>und</strong> nun aus der Verwehung nach <strong>und</strong> nach<br />

wieder auftauchen. Was hat es auf sich mit der Spanziehmühle<br />

in Grünhainichen, biographisch <strong>und</strong> nun<br />

auch künstlerisch?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Dieses „Einschleichen“ trifft zwar nur<br />

auf einige Bilder zu, aber ja: Der Ort ist ein Kindheitsort, meine<br />

Mutter stammt von da, meine Großmutter wohnte dort.<br />

Da war Idylle, so mit Wald, Wiese, Schwimmbad, aber auch<br />

Grusel: Bedrohliches, Nichtverstandenes, Ablehnung. Das ist<br />

das eine. Es hat vor allem deshalb Spuren hinterlassen, weil<br />

dieses Dorf fast der einzige Ort neben meiner Heimatstadt<br />

war, den ich bis so gegen mein 12. Lebensjahr überhaupt<br />

kannte. Ich war Halbwaise, wir sind nie in Urlaub gefahren<br />

oder so. Das andere: Ich habe als jüngeres Schulkind da von<br />

einer alten Spielzeugmacherin sehr viel Zuspruch <strong>und</strong> Anregung<br />

für alles Gestalterische bekommen. Nur ihretwegen<br />

bin ich bis in Ende 80er Jahren noch nach Grünhainichen gefahren.<br />

Danach war der Ort eigentlich abgehakt für mich.<br />

Erst, nachdem ich durch Ursel Grimm in die Spanziehmühle<br />

„gelockt“ wurde, ist mir klar geworden, dass ich ohne all<br />

das nicht da wäre, wo ich bin. Und dass das Dorf noch in<br />

mir „spukt“. Und auch weil eine der früheren Müllerinnen<br />

der Spanziehmühle die Patentante meiner Mutter war, fand<br />

ich’s nicht ohne Reiz, da meine Bilder hinzuhängen, als Ursel<br />

Grimm mich darum bat. Das hat gut gepasst <strong>und</strong> es sind<br />

dann jahrelang immer zwei, drei Sachen von mir in der Gaststube<br />

geblieben. Ursel hatte eine lockende Art, sich selbst<br />

auf diese Weise wechselnd mit Bildern zu umgeben, die sie<br />

mochte <strong>und</strong> wollte.<br />

<strong>Laterne</strong>: Wenn wir in dieser Richtung bleiben, dann<br />

scheinen deine Arbeiten wie wehmütige Erinnerungsbilder<br />

zu sein, die einem verlorenen Paradies nachtrauern. Etwa<br />

wie der Abstieg vom Goldenen Zeitalter zum Eisernen. Man<br />

kann in der Konsequenz nur zwei Tendenzen ausmachen,<br />

die des ewigen Abstiegs <strong>und</strong> die des erhofften Fortschritts<br />

wie beim ganz frühen Kunert. Wie würdest du dich <strong>und</strong> deine<br />

Arbeiten einordnen?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich sehe gar kein verlorenes Paradies,<br />

aber es ist schön, wenn es andere so sehen. Ich sehe eher<br />

Zweifel <strong>und</strong> Zwiespalt, male aber eigentlich immer noch ein<br />

„Trotzdem“ in meine Bilder, das ist einfach so. Wäre auch<br />

schlimm, wenn es anders wäre.<br />

Abb. rechts: Szenen vom offenen Atelier 2008 <strong>und</strong> Aufnahme aus dem<br />

Atelier von <strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>; Foto: Matthias <strong>Zwarg</strong>


<strong>Laterne</strong>: Gibt es noch mehrere Orte <strong>und</strong> Ereignisse<br />

in deiner künstlerischen Biografie wie die der Spanziehmühle?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: In der Arbeitskammer meines Vaters, der<br />

früh verstorben ist, lagerte verstaubt, vergessen <strong>und</strong> teilweise<br />

auseinander gerissen vieles, was einmal zum Malen, Zeichnen<br />

<strong>und</strong> Schnitzen <strong>und</strong> Modellieren genutzt wurde. Ich wollte als<br />

Kind gern mit diesen Materialien <strong>und</strong> Werkzeugen umgehen<br />

können. Die Kleinstadt Zschopau mit ihrer Enge, dem Verwinkelten,<br />

den vielen Stützmauern <strong>und</strong> Treppen kann ich rein von<br />

den Formen, die sich da immer wieder aufdrängen, schlecht<br />

wegschieben. Dresden als Studienort hat mein ohnehin schon<br />

enges Verhältnis zur Farbe festgezurrt.<br />

<strong>Laterne</strong>: Mit welchen Techniken arbeitest du<br />

hauptsächlich, reizt es dich, in verschiedenen Materialien<br />

zu experimentieren oder bevorzugst du<br />

bestimmte spezielle Methoden zum Entwickeln<br />

deiner Bilder?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Alles, was mit Farbe zu tun hat, hat es<br />

bei mir leicht, Öl <strong>und</strong> Aquarell sind mir am liebsten. Ich gehe<br />

aber auch immer mal wieder ganz altmodisch raus, zeichnen.<br />

Das gibt dann eine Art Vorratshaltung an Notizen zu Formen<br />

<strong>und</strong> Orten. Ich versuche auch, Radierungen <strong>und</strong> Aquarell zu<br />

verknüpfen, das ist spannend.<br />

<strong>Laterne</strong>: Was mir immer wieder aufgefallen ist,<br />

welche Rahmen du für deine Oelbilder verwendest.<br />

Ich glaube eigentlich nicht so recht, dass sie<br />

deine Bilder unterstützen, ich denke fast eher, mit<br />

ihrer Breite, Farbe <strong>und</strong> Form weisen sie auf eine<br />

erzgebirgische Tradition. Durch eine andere Art<br />

von Rahmen, die einer anderen Tradition entnommen<br />

ist, würden deine Bilder, so denke ich, viel<br />

mehr Aufmerksamkeit bekommen <strong>und</strong> mehr mit<br />

den frühen Kubisten in Beziehung gebracht werden.<br />

Sicher siehst du das nicht so, aber fällt dir das<br />

auf?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich habe dem bisher gar nicht so viel Bedeutung<br />

beigemessen. Die meisten Bilder, die fertig zu Hause<br />

stehen, haben ohnehin keine Rahmen. Es gibt dazu sicher verschiedene<br />

Ansichten. Selbst bin ich da gar nicht so festgelegt.<br />

Rahmen kann man austauschen.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du bist ausgebildete Kunsterzieherin <strong>und</strong><br />

arbeitest am Zschopauer Gymnasium. Das ist bestimmt<br />

kein leichter Job. Ich bin sowieso der Meinung,<br />

dass Lehrer, wenn sie es wollen, 10 Jahre<br />

eher in den Ruhestand treten sollen als sonst üblich.<br />

Bei ihnen bleibt viel liegen, was andere erledigen<br />

müssten. Wie sind deine Vorstellungen<br />

davon, vielleicht auch mal einigen unwilligen, un-


konzentrierten oder am Sinn der Kunst zweifelnden<br />

Kindern künstlerische Ideen verständlich zu<br />

machen?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich habe in den 80ern hier in Chemnitz,<br />

damals Karl – Marx – Stadt, Kunst auch schon ab Klasse 1<br />

unterrichtet. Unwillige oder am Sinn der Kunst zweifelnde<br />

Kinder gibt es so nicht, sie werden es leider manchmal – im<br />

Laufe Ihrer Schullaufbahn. Mit der Unkonzentriertheit ist es<br />

etwas schwieriger. Auf jeden Fall helfen Begeisterung, Humor<br />

<strong>und</strong> Geduld.<br />

<strong>Laterne</strong>: Was sind Bühnenbilder aus Tausend <strong>und</strong><br />

einer Nacht?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ein Projekt der Theaterpädagogik Chemnitz<br />

anlässlich der Aufführung des Balletts Sheherazade. Das<br />

Theater lieferte große Wände – die Schüler bemalten sie. Ich<br />

habe mit einer Gruppe des künstlerischen Profils teilgenommen,<br />

viele andere Schulen auch. Leider war die riesengroße<br />

Collage aus ca 30 Wänden nur zum Schülerkonzert auf der<br />

Opernhausbühne zu sehen. Ein Erlebnis für unsere Mädchen,<br />

die ihre musikalische Improvisation an diesem Tag aufführen<br />

konnten: Auf denselben Brettern wie die Robert – Schumann<br />

– Philharmonie spielen <strong>und</strong> das vor einem Bühnenbild, das<br />

sie mit gestaltet hatten.<br />

<strong>Laterne</strong>: Wie gestaltet sich der Profilunterricht im<br />

Fach Kunst heutzutage im Gymnasium Zschopau?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Als eine Kombination von Musik, Bild,<br />

Theater. Mit einem guten Musiklehrer im Team zu arbeiten<br />

kann die reine Freude sein.<br />

<strong>Laterne</strong>: Deine Lehrer in Dresden haben gesagt,<br />

man muss selbst künstlerisch tätig sein, um jungen<br />

Leuten Kunst beibringen zu wollen - nach<br />

dem lebst du. Aber ist es nicht ausreichend <strong>und</strong><br />

sogar wichtiger in der Vermittlung von Kunst<br />

stark zu sein ohne selbst die künstlerische Spitzenleistung<br />

zu erbringen? Leute wie Picasso sind<br />

pädagogisch gewiss Nullen. Sie werden schnell<br />

übellaunig <strong>und</strong> gar stinkig, wenn es nicht so<br />

läuft, wie sie sich das vorstellen. Ein Trainer für<br />

irgendeine Sportart muss ja die Dinge auch nicht<br />

ausführen, aber er muss sie so organisieren, dass<br />

am Ende die gute oder die beste Leistung steht.<br />

Übernimmt man sich nicht, wenn man beides zugleich<br />

will? Höchste pädagogische Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig höchste künstlerische Kraft?<br />

Abb. links: „Winterlicht“ Abb. rechts: „Zschopaumärchen“


<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Mir kam diese Forderung damals sehr<br />

entgegen <strong>und</strong> ich fand das so im jugendlichen Überschwang<br />

auch völlig richtig. Es wurde uns auch vorgelebt: Künstlerische<br />

Praxis z. B. lehrte zu meiner Zeit unter anderem Johannes Zepnick,<br />

er malte <strong>und</strong> stellte seine Bilder aus, die sich mir stark<br />

einprägten. Dass es stressig ist, beides zu wollen, ahnt man<br />

zunächst nur von außen <strong>und</strong> denkt, dass man es selber natürlich<br />

packen wird. Nach dem ersten Schuljahr - mit Kind, war<br />

mir klar, dass es so einfach nicht wird. Ich wollte das eine<br />

so wie das andere, es ging oft gar nicht, es schlauchte, aber<br />

ich konnte irgendwie auch nicht wieder zurück. Mir haben die<br />

Bilder, die ich in den ersten Arbeitsjahren malte, nicht gereicht.<br />

Ich war ziemlich unzufrieden, ich wollte es besser <strong>und</strong><br />

bin drangeblieben. Ob man sich dabei übernimmt? Man zahlt<br />

schon seinen Preis…Es ist aber generell nicht zwingend, als<br />

Kunstlehrer künstlerische Spitzenleistungen zu vollbringen. Es<br />

ist vor allem Fachkompetenz wichtig, geduldig sollte man sein<br />

<strong>und</strong> vor allem Kinder mögen.<br />

<strong>Laterne</strong>: Das ist vielleicht auch wieder ein Frauenthema,<br />

dass sie, die Frauen, wie du meinst, auf<br />

3 verschiedenen Hochzeiten tanzen müssen: die<br />

Kinder - die Familie - die Lehrtätigkeit - die <strong>Malerei</strong>,<br />

die Kreisrätin - das sind doch 5? Bei Männern<br />

sind es eher, der Beruf, die Familie, der Verein, die<br />

Schreiberei <strong>und</strong> die Hausmeistertätigkeiten, also<br />

auch 5, nun doch kein Frauenthema?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Die Frage ist doch auch, wie freiwillig<br />

ich auf welche Hochzeit gehe…<strong>und</strong> welche in der Öffentlichkeit<br />

als die wichtigere gilt.<br />

<strong>Laterne</strong>: Wenn man die Liste der <strong>Ausstellung</strong>en<br />

anschaut, dann sind seit 1994 fast in jedem Jahr<br />

<strong>Ausstellung</strong>en verzeichnet. In den Jahren davor<br />

werden Orte wie Berlin <strong>und</strong> Rüsselsheim genannt.<br />

Ich könnte mir vorstellen, dass dein Terminkalender<br />

auch durch die anderen Beschäftigungen voll<br />

ist <strong>und</strong> in deinem Erledigungsrucksack viel rumort.<br />

Ist dir wichtig, dass dieser immer voll ist, oder<br />

könntest du dir vorstellen, nur für die <strong>Malerei</strong> zu<br />

leben oder ausschließlich für eine Sache?<br />

0<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich bin erstmal nicht der Typ, der drei<br />

St<strong>und</strong>en auf der Gartenbank sitzen <strong>und</strong> geradeaus gucken<br />

kann. Wenn ich das versuche, habe ich spätestens nach 10 min<br />

die Gartenschere in der Hand. Klar kann weniger auch mehr<br />

sein. Aber zur Zeit steht die Frage nicht.<br />

<strong>Laterne</strong>: Die Liste deiner illustrierten Bücher ist<br />

sehr lang. Eins habe ich selbst im Besitz, das ist<br />

der „Angstverkäufer von Wolkenstein“. Das sind<br />

neue Märchen aus Sachsen von Matthias <strong>Zwarg</strong>.<br />

Wie gehst du an eine Illustration heran, was sind<br />

die zentralen Eckpunkte, an denen du deine Bilder<br />

aufbaust?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Das ist verschieden. Ein Satzfetzen, ein<br />

Bild, ein beschriebener Ort, eine Atmosphäre können der Anstoß<br />

sein. Bei den Sachbüchern ist es einfach die Örtlichkeit,<br />

um die es geht.<br />

<strong>Laterne</strong>: Gibt es für dich in der Illustration aber<br />

auch in der <strong>Malerei</strong> solche Vorbilder, wo du sagen<br />

würdest, da will ich hin <strong>und</strong> genau dort will ich<br />

noch besser werden? Anders ausgedrückt - gibt es<br />

etwas, was dir vorschwebt, wenn du deine Bilder<br />

machst, sei es nun andere Kunstobjekte, sei es nun<br />

bestimmte Vorstellungen?


<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich habe<br />

meist ein Bild oder eine Bildwirkung<br />

in mir (<strong>und</strong> in etlichen<br />

Skizzen festgehalten),<br />

die ich gerne sichtbar machen<br />

möchte. Das Streben oder die<br />

Anstrengung besteht dann<br />

darin, dem möglichst nahe<br />

zu kommen, oder wenn’s so<br />

nicht will, dann etwas anderes<br />

draus zu machen, das<br />

auch vor mir Bestand hat.<br />

Vorbilder in dem Sinne „Ich<br />

will so werden wie….“ habe<br />

ich nicht. Ich bew<strong>und</strong>ere Leute,<br />

die können, was ich nicht<br />

so kann – manche <strong>Grafik</strong>er<br />

zum Beispiel.<br />

<strong>Laterne</strong>: Wie entstehen<br />

bei dir die Ideen zur<br />

Komposition, welche<br />

Bewegung steckt dahinter?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Eigentlich<br />

kann ich das zweiteilen.<br />

Es gibt Anlässe/ Ideen, die<br />

vom Gestalterischen ausgehen,<br />

von einer Form, einer<br />

Abb. links oben: „Abendlicher<br />

Zaun“; Abb.: Mitte<br />

links: „Nebenab“; Abb<br />

rechts unten: „Mondscheinhäuser“;<br />

Abb. rechts<br />

oben: „Kirschen sind<br />

fertig“<br />

Farbstimmung, einer Komposition, die ich realisieren will. Oder<br />

ich habe ein Wort, einen Satz oder auch ein Stück Lied, die<br />

zum Ausgangspunkt für eine Idee werden, dann übersetzte ich<br />

das sozusagen in eine andere Sprache.<br />

<strong>Laterne</strong>: Was sind im Nachhinein gesehen, wenn<br />

du Rückschau hältst, deine bevorzugten Themen<br />

<strong>und</strong> welche Themen, welche Bilder interessieren<br />

dich, um sie einmal zu gestalten?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Orte, Räume, Häuser, Musik…was mit<br />

dem Mensch passiert.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du hast eine sehr schöne Webseite, wo<br />

man einen guten Überblick bekommt, mir sind<br />

dazu die Worte eingefallen: gläserne Schachtelungen.<br />

Halbdurchsichtig - halb nicht. Die Abbildungen<br />

des Menschen selbst spielen kaum eine<br />

Rolle, eher der Raum, in denen dieser hantiert.<br />

Aber es ist ein magischer Raum. Haben diese Räume<br />

Einfluss auf das menschliche Handeln oder erzeugt<br />

der Mensch mit seiner Handlung diese geisterhaften<br />

Räume?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Ich sehe, dass Menschen Räumen eine<br />

ganz bestimmte Prägung geben, dass sie Bauten <strong>und</strong> Örtlichkeiten<br />

im Laufe der Zeit ein Gesicht geben. Insofern kann ein<br />

altes, baufälliges Haus zwar manchmal leer sein, muss aber<br />

nicht menschenlos sein. Der Mensch macht also den Raum<br />

letztendlich zum „magischen Raum“.<br />

<strong>Laterne</strong>: Eine Ausnahme in der Menschendarstellung<br />

finde ich bei deinen Radierungen, hier tau-


chen rhythmisch mumifizierte, grabkammermäßig<br />

zusammengelegte Figuren in der halbgläsernen<br />

Welt auf. Sie stellen eigentlich kein anderes Element<br />

dar, man weiß auch so, in den anderen Bildern,<br />

dass solche Typen da sein müssen. Hier wirkt<br />

diese Ergänzung wie eine Überbestimmung, ein<br />

Überverdeutlichen deiner Absicht. Wie siehst du<br />

das selbst, weist der menschlose Raum stärker auf<br />

die Beziehung des Homo sapiens untereinander<br />

hin als die Ergänzung durch ihn selbst?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Der menschenlose Raum wirkt vielleicht<br />

stärker, weil er offener ist für die Erfahrungen der Betrachter.<br />

Es gibt aber auch nicht nur menschenlose Bilder, ab <strong>und</strong> zu ist<br />

da schon eine Figur. Dann wollte ich genau diese eine Haltung<br />

in dieser einen Figur….wobei da vielleicht auch wieder noch<br />

mehr solche Typen mit rumgeistern – hinter den Farben. Bei<br />

diesen Radier – Aquarellen hat es mich aber gereizt, das Verwobene,<br />

sich Durchdringende zu sichtbar zu machen, wie sich<br />

im Leben so viel überlagert, durchdringt, berührt <strong>und</strong> nicht<br />

mehr auseinander zu trennen ist. Es legt sich eine Schicht über<br />

z. B. Vergangenes, aber sie deckt nicht dick ab, sondern viertel,<br />

halb, dreiviertel. Das andere ist dann nicht mehr vollkommen<br />

sichtbar <strong>und</strong> bestimmend, aber es ist noch da, ist Teil des<br />

Ganzen. Manchmal wird die Haut eben dünn <strong>und</strong> dann wird<br />

sichtbar, was vielleicht lieber nicht verdeckt geblieben wäre.<br />

<strong>Laterne</strong>: Wie stellst du dir ein selbstbestimmtes<br />

Leben vor?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Aus den äußeren <strong>und</strong> inneren<br />

Gegebenheiten das Beste machen <strong>und</strong> dabei sowenig<br />

wie möglich Schaden bei anderen anrichten.<br />

<strong>Laterne</strong>: Wer war Ursula Grimm, es gab dazu eine Gedächtnisausstellung<br />

in der Turmgalerie. Kannst du sie aus deiner<br />

Sicht beschreiben?


Abb. oben: <strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong> in ihrem Atelier; Abb rechts: „O.T.“ 2008; Fotos: Matthias <strong>Zwarg</strong>


Abb. „Licht“ Öl, 2001; Foto: <strong>Zwarg</strong>


<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Wenn Ursel Grimm nicht die Spanziehmühle<br />

zu diesem Ort der Begegnung <strong>und</strong> Anregung gemacht<br />

hätte, hätte ich mich nicht mit Grünhainichen „versöhnt“. Das<br />

war aber eher ein Nebeneffekt der Tatsache, dass ich durch<br />

ihre herzliche Art, die Gaststätte <strong>und</strong> vor allem durch ihren<br />

Wunsch, Bilder von mir in der Gaststube aufzuhängen, wieder<br />

häufiger ins Dorf kam. Ursel Grimm selbst habe ich kennen<br />

gelernt als jemand, der sich begeistern konnte: An Menschen,<br />

an der Natur, Bildern, Musik. An sie muss ich heute noch denken,<br />

wenn ich Rilkes „die Dinge singen hör ich so gern“ lese<br />

oder etwas über die Poetisierung der Welt, wie sie sich die<br />

Romantiker dachten. Menschen wie Ursel Grimm, die nicht nur<br />

ihre Welt poetisieren, sondern das alles auch noch mit anderen<br />

teilen können, sind selten. Rein praktisch hat sie uneigennützig<br />

meine Bilder regelrecht „beworben“ <strong>und</strong> Kontakte hergestellt.<br />

Ich verdanke ihr viel. Sie hatte eine Art, auf Menschen<br />

zuzugehen, die ich bew<strong>und</strong>ernswert fand – ich kann das so<br />

nicht.<br />

<strong>Laterne</strong>: Du bist jetzt in den Chemnitzer Künstlerb<strong>und</strong><br />

aufgenommen worden. Wie wichtig ist dir<br />

das?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Nach dem Tod von Ursel Grimm habe ich<br />

relativ schnell gemerkt, dass ich mich bewegen muss, wenn ich<br />

nicht vereinzeln will. So habe ich gesucht, was möglich wäre.<br />

<strong>Laterne</strong>: Was sagst du deinen Schülern, wenn sie<br />

den beruflichen Weg eines Maler <strong>und</strong> <strong>Grafik</strong>ers gehen<br />

wollen?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Wenn ich spüre, der/die kann etwas,<br />

sporne ich an, biete meine Hilfe an, schicke sie in einen Zirkel.<br />

Ich sage aber auch immer, dass ihnen von vornherein klar sein<br />

muss, dass alles seinen Preis hat: das freiberufliche Arbeiten<br />

genau so wie das angestellte.<br />

<strong>Laterne</strong>: Was wirst du in der <strong>Laterne</strong> zeigen, wird<br />

es eine thematische <strong>Ausstellung</strong>?<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>: Eher eine Art Querschnitt.<br />

Abb. oben: Szene aus dem Atelier von<br />

<strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>, Abb rechts unten:<br />

„Baumhaus“ Abb. links unten: Szene<br />

aus dem Atelier von <strong>Angelika</strong> <strong>Zwarg</strong>;<br />

Fotos Matthias <strong>Zwarg</strong>

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