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Vollversion (8.77) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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6<br />

Editorial<br />

wanderten Ausländer gilt derselbe Mechanismus,<br />

der im vorigen Jahrhundert für die Industriearbeiterschaft<br />

als ,vaterlandslose Gesellen'<br />

und die Katholiken als mangelhafter nationaler<br />

Treue verdächtige ,Ultramontane' in<br />

einem protestantisch dominierten Preußen galt:<br />

Erst auf der Grundlage eines weitverzweigten<br />

Netzwerkes von Vereinen und Initiativen im<br />

eigenen Milieu gelingt die Integration in Staat<br />

und Gesellschaft. Im übrigen werden bürgerschaftliche<br />

Aktivitäten im Bereich der Zuwanderer<br />

- ebenso wie der Hinweis auf die wachsende<br />

Bedeutung von Zuwanderern für die<br />

ökonomische Entwicklung der Bundesrepublik<br />

- ein wirksames Gegenmittel gegen stereotype<br />

Klischees von den seltsam reduzierten<br />

sozialen und kulturellen Traditionen der Zuwanderer<br />

bilden und unser Ehrenamts- und<br />

bürgerschaftliches Leben bereichem.<br />

Ahnliches gilt für die noch ausstehende Situationsanalyse<br />

in den neuen Bundesländern. Hier<br />

gab es vormals zwei nunmehr untergegangene<br />

Formen von Solidarität: die staatlich verordnete<br />

,real existierende' Systemsolidarität als<br />

sozial kontrollierte Freiwilligenarbeit an Feierabenden<br />

und an Sonn- und Feiertagen einerseits,<br />

und die auf kreativer Nachbarschaftshilfe<br />

beruhende Solidarität bei der Uberwindung<br />

des Mangels andererseits. Vor diesem Hintergrund<br />

fällt es in den neuen Bundesländern<br />

besonders auf, wie schwer man sich hier sowohl<br />

mit dem klassischen Begriff des Ehrenamts<br />

als auch neuen Formen bürgerschaftlichen<br />

Engagements tut.<br />

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,<br />

dass es vor allem zwei Gründe sind, warum die<br />

Politik sich bislang noch eine selbstverordnete<br />

Zurückhaltung in Sachen Bürgerengagement<br />

auferlegt. Wollte sie emsthaft z.B. nur die Förderrichtlinien<br />

für Freiwilligenarbeit den jeweiligen<br />

spezifischen Bedürfnissen vor Ort<br />

angleichen, müsste sie zugleich eine Diskussi­<br />

<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 13, Heft 2, 2000<br />

on über die Neubewertung gesellschaftlicher<br />

Arbeit in ihrem Verhältnis von bezahlten zu<br />

unbezahlten Teilen führen. Damit verbunden<br />

wäre eine Auseinandersetzung mit dem Begriff<br />

ehrenamtlicher Tätigkeit, der seit geraumer<br />

Zeit in einer Krise steckt. Bisher sieht sich<br />

niemand in der Lage, die Heterogenität des<br />

Gemeinten sowohl inhaltlich als auch begrifflich<br />

zeitgemäß zu definieren.<br />

Noch wesentlicher aber scheint, dass die Neuorientierung<br />

der Politik auf eine moderierende<br />

Rolle in der Zivilgesellschaft als Anfang vom<br />

Ende gefürchtet sein könnte. Es scheint die<br />

Sorge umzugehen, realen Machtverlust dort<br />

zu erleiden, wo bisher ein staatliches Definitions-<br />

und Informationsmonopol der Politik die<br />

Vorherrschaft über die Welt der Vereine, Gmppen<br />

und Initiativen sicherte. Beides - eine<br />

klare Vorstellung über bürgerschaftliches Engagement<br />

und die Akzeptanz einer neuen Rolle<br />

- wird der Politik auf Dauer jedoch nicht<br />

erspart bleiben<br />

Einige Beiträge dieses Heftes gehen zurück<br />

auf Vorträge und Diskussionen einer Veranstaltung<br />

vom 3. Dezember 1999 der Staatskanzlei<br />

Rheinland-Pfalz zum Thema »Modernes<br />

Ehrenamt heute. Symposium zu den gesellschaftlichen<br />

Grundlagen, aktuellen Erscheinungsformen<br />

und Zukunftsperspektiven bürgerschaftlichen<br />

Engagements'. Das <strong>Forschungsjournal</strong><br />

dankt an dieser Stelle der<br />

Staatskanzlei für die gute Kooperation.<br />

Frank Heuberger und Gerd Mielke, Mainz/<br />

Ansgar Klein und Peter Kuleßa, Berlin.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

„Jeder dritte der ehrenamtlich bzw. freiwillig<br />

Engagierten bezeichnet die ausgeübte Tätigkeit<br />

als ,Ehrenamt' (32 Prozent). Häufiger wird<br />

die Bezeichnung ,Freiwilligenarbeit' als zu-

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