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A k t u e l l Sozialrecht<br />

Spezialisierung auf Suchterkrankungen rentiert sich für<br />

Berufsbetreuer nicht mehr.<br />

Für die Suchthilfeeinrichtungen kommt verschlechternd hinzu, dass<br />

der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Betreuungspauschalen von<br />

einer Mischkalkulation bei Betreuern ausging. Er legte den Zeitberechnungen<br />

ein unrealistisch heterogenes Betreutenportfolio der<br />

Betreuer zugrunde. In der Praxis entwickelten sich aber mannigfaltige<br />

Spezialisierungen, darunter eben auch jener Berufsbetreuertyp,<br />

der aufgrund Ausbildung und Erfahrung hauptsächlich suchtkranke<br />

Menschen betreut. Einerseits förderte häufig die Bestellungspraxis<br />

der Richter eine solche Spezialisierung, um die Betreuungsqualität<br />

zu sichern. Andererseits konnte sich eine Spezialisierung für einen<br />

Berufsbetreuer rentieren, da er für den konkreten Aufwand bezahlt<br />

wurde. Unter den oben kalkulierten Vergütungsbedingungen kann<br />

sich aber ein Berufsbetreuer eine Schwerpunktsetzung beispielsweise<br />

auf Alkoholiker spätestens dann nicht mehr leisten, wenn diese<br />

länger als zwölf Monate in einer Suchthilfeeinrichtung leben (vgl.<br />

Abb. 6).<br />

"Jetzt klingeln die roten Glocken. Wir sind in Gera 30<br />

Berufsbetreuer und drei Vereinsbetreuer. Alle wollen 30<br />

Prozent mehr Fälle, um ähnlich zu verdienen wie jetzt.<br />

Aber wo sollen die Betreuten plötzlich herkommen? Ich<br />

richte mich darauf ein, zukünftig ein Drittel weniger zu<br />

verdienen. Tragisch ist, dass ich viele schwere Fälle habe.<br />

Was mir bis jetzt richtig Spaß gemacht hat, gilt jetzt als<br />

schlechte Mischung. Ich bräuchte auf Anhieb zwölf neue<br />

Fälle, um auf meinen Schnitt zu kommen. Die bekomme<br />

ich aber nicht bis zum 1. Juli. Zudem haben wir die<br />

Situation, dass die Fördermittel für Querschnittsarbeit um<br />

40 bis 60 Prozent reduziert werden. Jetzt wird es also hart,<br />

aber es muss gehen. Ich bin 57 Jahre alt und habe keine<br />

Alternative."<br />

Lothar Schubert, Betreuungsverein Gera<br />

Abb. 6: Suchthilfeeinrichtungen werden vermehrt mit überlasteten<br />

Betreuern konfrontiert, Bundesverband der Berufsbetreuer (BdB) aspekte<br />

55/2005.<br />

Mit der Pauschalierung wurde also die bewährte qualitätssichernde<br />

Spezialisierung der Betreuungsarbeit zugunsten einer Verwaltungsvereinfachung<br />

und Kosteneinsparung aufgegeben (Förter-Vondey<br />

2005).<br />

Neue Betreuungsplanung wird ein „Papiertiger“<br />

Mit dem 2. BtÄndG wurde die vielfache Forderung der Betreuungspraktiker<br />

und -verbände nach Einführung einer Betreuungsplanung<br />

grundsätzlich aufgegriffen: „Wird die Betreuung berufsmäßig<br />

geführt, hat der Betreuer in geeigneten Fällen auf Anordnung des<br />

Gerichts zu Beginn der Betreuung einen Betreuungsplan zu erstellen.<br />

In dem Betreuungsplan sind die Ziele der Betreuung und die<br />

zu ihrer Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen darzustellen“ (§<br />

1901 Abs. 4 BGB). Im Gesetzesentwurf lag die Verpflichtung zur<br />

selbständigen Erstellung eines Betreuungsplanes noch beim<br />

Betreuer. In der Umsetzung wurde aus dem Instrument zur<br />

Qualitätsverbesserung aber eine Sanktion zur Verhinderung von<br />

KoNTUREN<br />

– 26 1-2006<br />

Qualitätsverschlechterung im Betreuungswesen. Die ursprüngliche<br />

Idee wurde durch die Gleichzeitigkeit von Zwang und Unverbindlichkeit<br />

in ihr Gegenteil verkehrt. Die Betreuungsplanung muss vom<br />

Gericht erst in geeigneten Fällen ‚angeordnet‘ werden, sie ist also<br />

als Reaktion auf Betreuerversagen gedacht. Mit dem unbestimmten<br />

Rechtsbegriff ‚geeigneter Fall‘ hat das Gericht noch dazu einen<br />

weiten Beurteilungsspielraum (Bundestag Ds 15/2494). Deshalb<br />

wird befürchtet, dass die Betreuungsplanung eher als bürokratisches<br />

Hindernis, statt als Chance zur Qualitätsverbesserung gesehen wird.<br />

Es fehlen die Kriterien und Standards zur Beurteilung der Betreuungsplanungen.<br />

Außerdem wird die Betreuungsplanung nur für<br />

berufliche Betreuer gefordert und dort nur zu Beginn der Betreuung<br />

(Zander 2005). Für die bereits laufenden Betreuungen wird es also<br />

keine Planung geben. Die mehr als 700.000 ehrenamtlich Betreuten<br />

haben von diesem Instrument auch in Zukunft nichts. Sollte es<br />

doch einmal zu einer Betreuungsplanung kommen, besteht keine<br />

Verpflichtung zur Integration des Betreuten. Eventuell steht er einem<br />

gerichtsfähigen Planungsprozess sogar im Wege. Aus der systemtheoretischen<br />

Ecke wird bereits gefrotzelt: Wer Betreuungsplanung<br />

sät, wird mit Betreuungserfolgen bestraft. Aus agenturtheoretischer<br />

Sicht ist zu erwarten, dass zur Planung verpflichtete Betreuer die<br />

Betreuungsziele möglichst niedrig hängen werden, um in jedem Fall<br />

Erfolge zu erzielen (Adler 2005).<br />

Der Betreuer muss seine Planung nicht mit der Therapieplanung<br />

abstimmen.<br />

Der Berufsbetreuer wird vom Gesetz nicht angehalten, seine Betreuungsplanung<br />

in vorhandene Planungssysteme zu integrieren. Neben<br />

der Hilfe-, Pflege-, und Therapieplanung wird es also die zusätzliche<br />

Betreuungsplanung geben. Der Leiter der Suchthilfeeinrichtung<br />

Laufer Mühle, Michael Thiem, fordert deshalb eine Verpflichtung<br />

der Berufsbetreuer, sich in das Qualitätsmanagement der Suchthilfeeinrichtungen<br />

zu integrieren (Thiem 2003). Wer Herr des Planungsverfahrens<br />

ist, bleibt nach dem Gesetz unklar. Hier sollten die<br />

Suchthilfeeinrichtungen die eigene Professionalität und Erfahrung<br />

in der Hilfe- bzw. Therapieplanung einbringen und ‚Grundsätze zur<br />

Kooperation bei Betreuungsplanungen‘ formulieren: Das Vormundschaftsgericht<br />

sollte die Suchthilfeeinrichtung über die Anordnung<br />

der Betreuungsplanung informieren. Bei einem erstmaligen Kontakt<br />

mit dem Betreuer ist abzufragen, ob eine Betreuungsplanung<br />

angeordnet wurde. Die Beweggründe des Vormundschaftsgerichts<br />

für die Planungsanordnung sind zu klären, da sich daraus Hinweise<br />

auf Probleme in der Betreuungsqualität ergeben. Der Berufsbetreuer<br />

sollte sich bereit erklären, seine Betreuungsplanung der Einrichtungsplanung<br />

anzupassen, wenn nicht sogar unterzuordnen. Die<br />

Suchthilfeeinrichtung darf auch keine Scheu haben, das Vormundschaftsgericht<br />

bei Betreuerwechsel oder Aufgabenkreisveränderung<br />

ggf. um eine Anordnung der Betreuungsplanung zu bitten.<br />

Gesetzliche Betreuung in Suchthilfeeinrichtungen nach<br />

dem Minimalprinzip<br />

Die Pauschalierung erzwingt von Vereins- und Berufsbetreuern, alle<br />

Möglichkeiten zur Rationalisierung der Betreuungsarbeit zu nutzen.<br />

Der Gesetzgeber erwartet nicht, dass ein Berufsbetreuer die Ergebnisse

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