Programmheft als PDF - Staatskapelle Dresden
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4. aufführungsabend<br />
SAISON 2012 2013
Zum prOgramm<br />
Radikalität des Ausdrucks<br />
Witold Lutosławskis »Trauermusik«<br />
»Selbstverständlich sehe ich in Bartók eine Schlüsselfigur der Musik des 20. Jahrhunderts«,<br />
betonte Witold Lutosławski, der in diesem Jahr, am 25. Januar, seinen 100. Geburtstag<br />
gefeiert hätte. Was der große polnische Komponist an Béla Bartók bewundert haben<br />
dürfte, war sicher nicht nur die Kompromisslosigkeit, mit der der ungarische Kollege seinen<br />
eigenen Stil entwickelt und den Weg in die musikalische Moderne beschritten hatte,<br />
sondern auch das unbedingte Streben Bartóks nach Ordnung, Perfektion – und Ausdruck.<br />
»Vielleicht«, so Lutosławski, »war Bartók unter seinen Zeitgenossen der einzige, der die<br />
Beethoven’schen Höhen des menschlichen Denkens und Fühlens erklommen hat.«<br />
Bereits mit seinem 1954 vollendeten »Konzert für Orchester« erwies Lutosławski dem<br />
Vorbild Bartók seine Reverenz. Das Werk war der großartige Abschluss einer Phase, in<br />
der Lutosławski, ähnlich wie Bartók, die heimische Folklore kompositorisch fruchtbar<br />
gemacht hatte. Seine erste Symphonie war 1949 noch <strong>als</strong> »formalistisch« gebrandmarkt<br />
worden – ein vernichtendes Urteil, das in der Stalin-Ära all jene Musik traf, die nicht den<br />
Maximen des »Sozialistischen Realismus«, der Forderung nach Verständlichkeit, Volksverbundenheit<br />
und optimistischer Haltung, zu entsprechen schien.<br />
Lutosławskis Trauermusik »à la mémoire de Béla Bartók« markierte den Auftakt einer<br />
neuen Periode seines Schaffens, das Werk war für ihn wie »das erste Wort in einer ganz<br />
neuen Sprache«. Die Partitur sollte 1955 zum zehnten Todestag Bartóks fertiggestellt sein,<br />
doch dauerten die Arbeiten bis 1958 an. Parallelen zu Bartóks »Musik für Saiteninstrumente,<br />
Schlagzeug und Celesta« lassen sich in dem Gedenkstück ausmachen, ohne dass<br />
dies die Eigenständigkeit Lutosławskis in Frage stellen würde. Grundlage der vierteiligen<br />
»Musique funèbre« ist eine Zwölftonreihe, d.h. ein Thema, das alle zwölf Töne des Tonsystems<br />
umfasst und noch dazu ausschließlich aus den Intervallen des Tritonus und der<br />
kleinen Sekunde gebaut ist: Klangsymbole der Trauer, des Schmerzes, des Unheils. In<br />
herber Kontrapunktik entspinnt sich der eröffnende »Prolog«, dessen Spiegelbild der<br />
»Epilog« ist: Die Trauermusik beginnt und endet mit dem solistischen Celloklang. Den<br />
Höhepunkt bildet, nach den verwickelten »Metamorphosen«, der kurze dritte Abschnitt<br />
mit seinen zum Teil 12-tönigen Klangballungen. Überschrieben ist dieser »Satz« mit »Apogäum«,<br />
womit in der Astronomie der erdfernste Punkt in der Umlaufbahn eines Himmelskörpers<br />
bezeichnet wird – Sinnbild für das avancierte Komponieren Lutosławskis.<br />
Besetzung: Streicher (Violinen aufgeteilt in vier Gruppen, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe<br />
in jeweils zwei Gruppen) // Dauer: ca. 14 Minuten<br />
Musik im Zeitalter der »Empfindsamkeit«<br />
C.Ph.E. Bachs Flötenkonzert Wq 169<br />
Bald drei Jahrzehnte diente Carl Philipp Emanuel Bach, dessen 300. Geburtstag im<br />
nächsten Jahr bevorsteht, <strong>als</strong> Kammercembalist in der Hofkapelle des Preußenkönigs<br />
Friedrichs des Großen, ehe er 1768 <strong>als</strong> Nachfolger Telemanns nach Hamburg ging. Der<br />
zweite Sohn Johann Sebastian Bachs galt <strong>als</strong> einer der berühmtesten »Clavieristen«<br />
Europas, sein »Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen« gehört zu den wich-
tigsten Schriften über das Musizieren im 18. Jahrhundert, und <strong>als</strong> Komponist übertraf<br />
er zu Lebzeiten bei weitem den Ruf seines Vaters, dem allein er seine Fertigkeiten<br />
verdankte: »In der Composition und im Clavierspielen habe ich nie einen anderen Lehrmeister<br />
gehabt <strong>als</strong> meinen Vater«, bekannte Carl Philipp Emanuel.<br />
Am preußischen Hof befand sich der junge Bach in bester Gesellschaft, auch der aus<br />
<strong>Dresden</strong> abgeworbene Johann Joachim Quantz, Franz Benda und die Graun-Brüder standen<br />
auf der Gehaltsliste Friedrichs II. Das Flötenkonzert in G-Dur Wq 169 entstammt den<br />
1750er Jahren, eine Einrichtung für Cembalo und Streicher hat sich ebenfalls erhalten.<br />
Der packende Orchesterbeginn im langen ersten Satz ist von symphonischem Glanz und<br />
hätte den »Mannheimern« alle Ehre gemacht, der Solopart fordert vom Flötisten höchste<br />
Virtuosität. Melancholisch, verhalten dramatisch gibt sich der langsame Satz, in dem die<br />
Flöte, oft in tiefer Lage, in die abwärtsstrebenden Motive der Orchesterstimmen eingebettet<br />
ist. Mit einem brillanten, lebendigen Finale schließt das Konzert.<br />
Besetzung: Flöte solo, Streicher, Basso continuo // Dauer: ca. 25 Minuten<br />
Die »Tragische«<br />
Franz Schuberts Symphonie Nr. 4<br />
Dass auch die Symphonie zu den Gattungen gehörte, die Franz Schubert das gesamte<br />
Schaffen hindurch beschäftigten, geriet bei aller Wertschätzung, die man seit jeher dem<br />
»Liederfürsten« entgegenbrachte, nicht selten aus dem Blick. Für einen ambitionierten<br />
»Tonkünstler« seiner Epoche aber war die Symphonie kaum zu umgehen. Die »grosse,<br />
vollstimmige Orchestersinfonie«, resümierte 1806 ein Zeitungsartikel, vermutlich von<br />
E.T.A. Hoffmann, müsse <strong>als</strong> »der höchste und glänzendste Gipfel der neuern Instrumentalmusik«<br />
angesehen werden. Mindestens 13 Symphonie-Projekte listet Schuberts<br />
Werkverzeichnis auf, zu Ende geführt wurden allerdings nur sieben: die sechs frühen<br />
Symphonien, die Schubert in fast gleichmäßigen Abständen zwischen 1813 und 1818<br />
komponierte, sowie die »Große« C-Dur-Symphonie von 1825/1826.<br />
Ist jede von Schuberts frühen Symphonien auf ihre Weise ein Experiment des noch<br />
auf der Suche befindlichen Komponisten, so gilt dies für die 1816 geschriebene Vierte in<br />
besonderem Maße, stellte sie doch seine erste Symphonie in Moll dar. Schuberts Wahl war<br />
auf eine Tonart gefallen, die es sprichwörtlich in sich hatte: c-Moll, die Tonart von Beethovens<br />
schicksalhafter Fünfter und von dessen düsterem dritten Klavierkonzert. »Liebe,<br />
Zärtlichkeit, Schmeicheley, Traurigkeit« verheißt diese Tonart, schrieb Johann Joachim<br />
Quantz, aber auch eine »wütende Gemüthsbewegung« oder »Verwegenheit, Raserey und<br />
Verzweifelung«. Diese Umschreibungen dürften erklären, warum Schubert seiner Vierten<br />
den Beinamen »Tragische« gab. Tatsächlich ist die Symphonie gerade an ihrem Beginn<br />
von einem ausgesprochen ernsten, leidenschaftlichen Ton durchzogen, der dritte Satz stellt<br />
weniger ein traditionelles Menuett dar <strong>als</strong> ein Scherzo Beethoven’scher Prägung, und das<br />
Finale arbeitet sich erst allmählich aus seiner gespannten Unruhe in festliche Sphären vor.<br />
Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner,<br />
2 Trompeten, Pauken, Streicher // Dauer: ca. 32 Minuten<br />
torsten blaIch
David Afkham DIrIgent<br />
gehört zu meistgefragten jungen Dirigenten aus Deutschland. Kürzlich erst wurde er<br />
zum neuen Chefdirigenten des Spanischen Nationalorchesters in Madrid ab der Saison<br />
2014 / 2015 ernannt. Noch in diesem Sommer gibt David Afkham sein Debüt in<br />
New York beim Mostly Mozart Festival und kehrt zu Los Angeles Philharmonic und dem<br />
Cleveland Orchestra zurück, mit denen er Konzerte in der Hollywood Bowl bzw. beim<br />
Blossom Festival gibt. Der aus Freiburg im Breisgau stammende Künstler dirigierte längst<br />
eine Vielzahl weiterer bedeutender Orchester, darunter das Koninklijk Concertgebouworkest<br />
Amsterdam, die Wiener Symphoniker, das Orchestra dell’Accademia Nazionale<br />
di Santa Cecilia, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und das Mahler Chamber<br />
Orchestra. Er war Assistenzdirigent des Gustav Mahler Jugendorchesters und des London<br />
Symphony Orchestra, erhielt <strong>als</strong> erster Preisträger den »Nestlé and Salzburg Festi val<br />
Young Conductors Award« und wurde <strong>als</strong> erster Stipendiat des »Bernard Haitink Fund<br />
for Young Talent« gefördert. Mit seinem Mentor Bernard Haitink, dem früheren Dresdner<br />
Kapellchef, arbeitet David Afkham weiterhin eng zusammen, u.a. assistierte er ihm bei<br />
Konzertzyklen in Amsterdam, Chicago und London.<br />
Andreas Kißling Flöte<br />
absolvierte sein Studium an der Universität der<br />
Künste in Berlin. Im schwäbischen Göppingen<br />
geboren, verzeichnet seine Vita eine Reihe von<br />
Auszeichnungen und Stipendien, u.a erhielt er 2006<br />
den dritten Preis beim Aurèle-Nicolet-Wettbewerb<br />
in Peking. Schon während seines Studiums spielte<br />
Andreas Kißling <strong>als</strong> Soloflötist bei den Stuttgarter<br />
Philharmonikern und der Deutschen Radio Philharmonie<br />
Saarbrücken Kaiserslautern sowie <strong>als</strong> Stellvertretender<br />
Soloflötist an der Staatsoper Stuttgart.<br />
Seit Februar 2011 gehört er <strong>als</strong> Soloflötist der Sächsischen<br />
<strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong> an.
VOrsChau<br />
27.9. – 29.9.13<br />
kurort gohrIsch,<br />
sächsIsche schweIz<br />
4. InternatIOnale<br />
sChOstakOwItsCh<br />
tage gOhrIsCh<br />
» Dmitri Schostakowitsch<br />
meets Benjamin Britten«<br />
Mit der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong>,<br />
Michail Jurowski, Natalia Gutman,<br />
Igor Levit, Tatjana Masurenko,<br />
dem Vocal Concert <strong>Dresden</strong>,<br />
dem Dresdner Streichquartett,<br />
dem Regisseur Tony Palmer u.a.<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.schostakowitsch-tage.de<br />
montag 30.9.13 20 uhr<br />
semPeroPer DresDen<br />
1. aufführungsabend<br />
Michail Jurowski Dirigent<br />
Igor Levit Klavier<br />
Tatjana Masurenko Viola<br />
Evelina Dobračeva Sopran<br />
Maxim Mikhailov Bass<br />
Arvo Pärt<br />
»Cantus in Memory of Benjamin Britten«<br />
Benjamin Britten<br />
»Lachrymae« für Viola und<br />
Streichorchester op. 48a<br />
»Young Apollo« für Klavier, Streichquartett<br />
und Streichorchester op. 16<br />
(Zum 100. Geburtstag des Komponisten)<br />
Dmitri Schostakowitsch<br />
Symphonie Nr. 14 g-Moll op. 135<br />
Kammermusik der Sächsischen<br />
<strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />
Gegründet 1854 <strong>als</strong> Tonkünstler-<br />
Verein zu <strong>Dresden</strong><br />
Verantwortlich:<br />
Friedwart Christian Dittmann,<br />
Ulrike Scobel und Christoph Bechstein<br />
Impressum<br />
Sächsische <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />
Chefdirigent Christian Thielemann<br />
Spielzeit 2012 | 2013<br />
herausgeber<br />
Sächsische Staatstheater –<br />
Semperoper <strong>Dresden</strong><br />
© Juni 2013<br />
reDaktIon<br />
Dr. Torsten Blaich<br />
bIlDnachweIs<br />
David Afkham: Felix Broede;<br />
Andreas Kißling: Die Hoffotografen, Berlin.<br />
text<br />
Der Einführungstext von Dr. Torsten Blaich<br />
ist ein Originalbeitrag für dieses Heft.<br />
gestaltung unD satz<br />
schech.net<br />
Strategie. Kommunikation. Design.<br />
Druck<br />
Union Druckerei <strong>Dresden</strong> GmbH<br />
Private Bild- und Tonaufnahmen<br />
sind aus urheberrechtlichen Gründen<br />
nicht gestattet.<br />
www.staatskapelle-dresden.de