28907 Seiten - Museen in Bayern
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BERICHTE/AKTUELLES 47<br />
me<strong>in</strong>sam ist, nämlich unser Bekenntnis zum Dienst an der<br />
Öffentlichkeit, der jetzigen wie der künftigen. 3<br />
Dieses Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong> ist von größter Bedeutung.<br />
So sollte z. B. jedes Museum se<strong>in</strong>e Politik im<br />
H<strong>in</strong>blick auf Sammlungen und Neuerwerbungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
für die Öffentlichkeit zugänglichen Dokument fixieren.<br />
(Aber welches von Ihren <strong>Museen</strong> hat das getan? Sie brauchen<br />
nicht die Hand zu heben!) E<strong>in</strong> solches Schriftstück<br />
ist wichtig für Schenkungen und Leihgaben, aber auch<br />
ganz e<strong>in</strong>fach zur Verdeutlichung unseres eigenen Selbstverständnisses.<br />
Hier noch e<strong>in</strong> anderes Beispiel: Als das amerikanische<br />
naturgeschichtliche Museum vor zwei Jahren se<strong>in</strong> neues<br />
Planetarium eröffnete, räumte es dem Willamette Meteoriten,<br />
e<strong>in</strong>em 15 Tonnen schweren Geste<strong>in</strong>sbrocken, der<br />
vor mehr als 10.000 Jahren auf der Erde e<strong>in</strong>schlug, den<br />
absoluten Ehrenplatz e<strong>in</strong>. Heute weist der Meteorit an der<br />
Oberfläche e<strong>in</strong>e glatte Stelle auf, die entstand, als die Kuratoren<br />
des Museums e<strong>in</strong> 13 Kilo schweres Geste<strong>in</strong>sstück<br />
abtrennten, um es bei e<strong>in</strong>em privaten Sammler gegen<br />
e<strong>in</strong>e halbe Unze Mars e<strong>in</strong>zutauschen. Marsmeteoriten<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Seltenheit und werten folglich die Sammlung<br />
e<strong>in</strong>es Museums auf. Derselbe Sammler erlöste z. B.<br />
vor kurzem 11.000 US$ bei e<strong>in</strong>er Versteigerung für e<strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>es Stück dieses Marsmeteoriten. Wie der wissenschaftliche<br />
Leiter des amerikanischen naturgeschichtlichen<br />
Museums sagte, ist es seit langem üblich, kle<strong>in</strong>e<br />
Stücke von Meteoriten abzutrennen und bei privaten<br />
Sammlern gegen neue seltene Meteoriten e<strong>in</strong>zutauschen.<br />
Diese Praxis, so me<strong>in</strong>te er, diene letztlich e<strong>in</strong>em wissenschaftlichen<br />
Zweck.<br />
Nun aber sehen die Clackamas, e<strong>in</strong> Indianerstamm des<br />
Staates Oregon, <strong>in</strong> dem Meteoriten die spirituelle Vere<strong>in</strong>igung<br />
von Himmel, Erde und Wasser. Sie forderten deshalb<br />
se<strong>in</strong>e Rückgabe, e<strong>in</strong>igten sich <strong>in</strong>dessen letztlich mit<br />
dem Museum darauf, dab der Meteorit <strong>in</strong> New York verbleibt,<br />
die Stammesmitglieder jedoch e<strong>in</strong>mal jährlich dort<br />
e<strong>in</strong>e Feier veranstalten dürfen. 5<br />
Bei diesem Beispiel stellen sich gleich drei ethische Fragen<br />
auf e<strong>in</strong>mal:<br />
– Darf e<strong>in</strong> Museum die physische Integrität e<strong>in</strong>es Exponats<br />
verletzen?<br />
– Darf e<strong>in</strong> Museum Exponate austauschen?<br />
– Durfte das Museum all dies tun ohne vorherige Rücksprache<br />
mit den Clackamas, denen es doch das Recht<br />
auf e<strong>in</strong>e Zeremonie zugesprochen hatte?<br />
In dem (revidierten) ICOM-Kodex heißt es, dass die<br />
Wahrung der kulturellen und physischen Integrität und<br />
Authentizität e<strong>in</strong>zelner Objekte und ganzer Sammlungen<br />
e<strong>in</strong> grundlegendes Gebot der Konservierungstätigkeit ist<br />
und dass dies für Objekte, die bestimmten Geme<strong>in</strong>wesen<br />
heilig s<strong>in</strong>d, auch die Achtung vor deren Kultur und Traditionen<br />
mit e<strong>in</strong>bezieht.<br />
Daraus ergibt sich e<strong>in</strong>deutig, daß der Meteorit hätte <strong>in</strong>takt<br />
bleiben und die Clackamas zum<strong>in</strong>dest hätten gefragt<br />
werden müssen. Aber muss e<strong>in</strong> 15 Tonnen schwerer Geste<strong>in</strong>sbrocken<br />
wirklich unbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>takt bleiben? Legen<br />
wir hier tatsächlich dieselben Maßstäbe an wie an e<strong>in</strong><br />
D<strong>in</strong>osaurierskelett?<br />
Zu der Veräußerungsproblematik heibt es im Kodex: „Der<br />
Erlös aus Veräußerungen von Objekten e<strong>in</strong>er Sammlung<br />
sollte ausschließlich für die Aufwertung dieser Sammlung,<br />
d. h. im Normalfall für ihre Erweiterung verwendet<br />
werden.“ Also war doch alles <strong>in</strong> Ordnung. Aber im Kodex<br />
ist auch an verschiedenen Stellen von der Zurückhaltung<br />
die Rede, die sich <strong>Museen</strong> bei Veräußerungen auferlegen<br />
sollten. Nichtsdestoweniger me<strong>in</strong>t der wissenschaftliche<br />
Leiter, dass Veräußerungen bei naturhistorischen Sammlungen<br />
häufiger s<strong>in</strong>d als bei Kunstsammlungen. Aber<br />
stimmt das wirklich? Manches Museum <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten<br />
Staaten hält es z. B. für völlig normal, e<strong>in</strong> Gemälde zu<br />
verkaufen, um e<strong>in</strong> sehr viel besseres erwerben zu können,<br />
genauso wie e<strong>in</strong> Stück Meteorit gegen e<strong>in</strong> anderes getauscht<br />
wird. Indessen er<strong>in</strong>nere ich mich noch gut an die<br />
lange Debatte, die der Direktor des Museums der Modernen<br />
Kunst <strong>in</strong> Amsterdam, Rudi Fuchs, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Land<br />
auslöste, als er e<strong>in</strong>en Picasso aus se<strong>in</strong>er Sammlung veräußern<br />
wollte, um e<strong>in</strong> Kunstwerk erwerben zu können,<br />
das besser <strong>in</strong> die Sammlung passte. E<strong>in</strong> solches Ans<strong>in</strong>nen<br />
wurde als skandalös bezeichnet angesichts des<br />
damals ganz besonders betonten ethischen Pr<strong>in</strong>zips der<br />
Integrität der Sammlung.<br />
Es lässt sich lange darüber streiten, wer recht hat und wer<br />
nicht. Für mich ist bereits e<strong>in</strong>iges gewonnen, wenn e<strong>in</strong><br />
Museum se<strong>in</strong>e Ziele im H<strong>in</strong>blick auf Sammlungen und<br />
Neuerwerbungen klar def<strong>in</strong>iert und schriftlich fixiert. In e<strong>in</strong>em<br />
solchen Dokument könnten dann auch gegebenenfalls<br />
triftige Gründe für eventuelle Ausnahmen von dem<br />
Gebot der Integrität bei bestimmten Objekten genannt<br />
werden. Dann brauchte man sich nicht mehr über E<strong>in</strong>zelfälle<br />
zu ereifern, sondern könnte sich bei der Debatte auf<br />
die grundsätzlicheren Fragen der Verwendung der Objekte<br />
<strong>in</strong> naturhistorischen Museum konzentrieren.<br />
Ich erwähnte bereits den Wandel der Ethik im Zuge der<br />
Zeit und die Herausforderungen der virtuellen Welt. Man<br />
braucht nur an die Integrität virtueller Kunstwerke zu denken.<br />
Und was tun, wenn die für das Kunstwerk erforder-