MEHR ALS EINE MODEERSCHEINUNG - portfolio institutionell
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Der Klimawandel wandelt auch die Port<br />
folien der Investoren. ESGFaktoren werden<br />
immer öfter zum Bestandteil der Anlage<br />
entscheidung. Altruismus ist hier nicht<br />
gefragt, sondern Pragmatismus.<br />
Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage<br />
Mehr als eine<br />
Modeerscheinung<br />
Juni 2013 <strong>portfolio</strong> plattform
Christian Mosel,<br />
Direktor und Leiter Institutional<br />
Clients Deutschland,<br />
Bank Sarasin<br />
2 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
Florian Sommer,<br />
Senior Strategist<br />
für Aktien und Nachhaltigkeit,<br />
Union Investment<br />
Dieter Lehmann,<br />
Geschäftsführer,<br />
VolkswagenStiftung
Jens Güldner,<br />
Leiter Vermögensmanagement,<br />
Evangelisches Johannesstift<br />
Moderation:<br />
Kerstin Bendix<br />
<strong>portfolio</strong> Verlagsgesellschaft<br />
Clemens Quast,<br />
Leiter Treasury,<br />
SpardaBank München<br />
AnnGrit Schulze,<br />
Referentin für Finanzen,<br />
Stiftung „Erinnerung,<br />
Verantwortung Zukunft“<br />
Michael Dittrich,<br />
Abteilungsleiter Verwaltung,<br />
Deutsche Bundesstiftung Umwelt<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 3
4 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
Michael Dittrich<br />
Deutschland hinke beim thema nachhaltigkeit hinterher, so hört man im-<br />
mer wieder. Woran könnte das liegen? fehlt vielleicht eine klare Definition,<br />
was nachhaltigkeit in der <strong>institutionell</strong>en Kapitalanlage überhaupt ist?<br />
Christian mosel: Wir als Sarasin brauchen das, ehrlich gesagt, nicht. Wir haben<br />
unseren Ansatz und unser Weltbild dazu. Ob es für die gesamte Gemeinschaft der<br />
Anleger fehlt, mag ich nicht beurteilen. Wir brauchen keine Definition, wir haben unsere<br />
eigene gefunden.<br />
florian Sommer: Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist schon sehr alt, den gibt es seit<br />
bereits über 100 Jahren. In der Investorenwelt ist er noch nicht so alt, aber es hat sich auch mit den Principles<br />
for Responsible Investment zunehmend durchgesetzt, dass man darunter die ESG-Dreiteilung, also Umwelt,<br />
Soziales und Governance, versteht. Ich finde, damit kann man sehr gut arbeiten.<br />
Wie sieht das die investorenseite?<br />
Clemens Quast: Eine klare Definition halte ich für sehr schwierig, weil man Einzelinvestments damit ein Etikett<br />
umhängen würde, das in vielen Fällen gar nicht sinnvoll wäre. Der eine findet ein Unternehmen wie BP nachhaltig,<br />
weil es Best in Class ist. Für den Nächsten ist es nicht nachhaltig und er vermeidet diesen Titel. Es wäre natürlich<br />
denkbar, dass es eine Rating-Agentur gäbe, die offizielle Nachhaltigkeits-Ratings verhängt. Aber das würde<br />
viele Investoren in arge Bedrängnis bringen. Wir sind beispielsweise so radikal, dass wir selbst Währungsspekulationen<br />
in US-Dollar unterlassen. Ich halte eine klare Definition für sehr schwierig, nicht sinnvoll und nicht<br />
möglich.<br />
michael Dittrich: Es hat auch einen großen Vorteil, wenn der Begriff so offen ist und verschiedensten Investoren<br />
den Zugang ermöglicht. Wenn Nachhaltigkeit ganz eng ausgelegt wäre im Sinne einer Einzelselektion von Titeln,<br />
die vom Werkstor bis zum Vertriebsprospekt durchgängig nachhaltig sind, und wir ein Universum haben, das<br />
ähnlich wie im Naturaktienindex nur aus wenigen Titeln besteht, wird man damit wahrscheinlich einen großen Teil<br />
der Investorenschaft abschrecken. Umgekehrt kann man sagen, ein breiter Dow Jones Sustainability eröffnet<br />
fast jedem Investor den Zugang, weil der Ausschlussmechanismus nur sehr partiell greift. Insofern muss jeder<br />
Investor für sich überlegen, ob er einen dunkelgrünen, hellgrünen oder mittelgrünen Ansatz verfolgen möchte.<br />
ann-Grit Schulze: Hinsichtlich der Notwendigkeit, dass jeder Investor für sich persönlich den Begriff der Nachhaltigkeit<br />
definieren muss, bin ich ganz bei Herrn Dittrich. Jeder <strong>institutionell</strong>e Investor sollte sich in seiner Strategie<br />
selbst wiederfinden. Allerdings würde ich unsere Nachhaltigkeitsstrategie gar nicht als grün definieren.<br />
Bedingt durch die Historie der Stiftung EVZ liegt unser Fokus auf dem Thema der modernen Form der Zwangsarbeit<br />
und Menschenrechtsverletzung. Ökologische Aspekte finden bei uns in der Strukturierung der Allokation<br />
primär keine Berücksichtigung. Wir als Stiftung EVZ tun alles dafür, dass unsere Investments im Einklang mit<br />
dem Stiftungszweck stehen.<br />
Was halten Sie davon, das magische Dreieck zum Viereck umzufunktionieren?<br />
Jens Güldner: Schon allein das magische Dreieck ist sehr schwer zu managen und zu optimieren. Bei einem<br />
Viereck oder Tetraeder wird es noch schwieriger. Man sollte versuchen, in diesen Modellen keine Komponente<br />
zulasten der anderen zu optimieren, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erhalten. Wichtig hierbei für das<br />
Evangelische Johannesstift ist, dass die Substanzstärke und Leistungsfähigkeit über Generationen hinweg<br />
gewährleistet wird – das ist die oberste Ebene der Nachhaltigkeit der Stiftung. Wenn man dann zurück zu<br />
diesen Modellen kommt, sind wir angehalten, bestimmte Parameter zu optimieren. Das kann sein, dass wir die<br />
Themen „Ethik“ und „Ökologie“ in einer anderen Gewichtung sehen als die der Ökonomie, wobei die Ökonomie<br />
hierbei niemals außer Kraft gesetzt werden darf. Das hieße im Umkehrschluss, wenn wir kein Geld mehr<br />
verdienen, verletzen wir Nachhaltigkeitskriterien auf oberster Stiftungsebene. Wir wollen aber auch keinen
Ertrag zulasten Dritter erwirtschaften. Es ist aber natürlich schwierig, in einer extremen Niedrigzinsphase einen<br />
fairen Ertrag zu verdienen. Da muss man in der Wirkung der Anlage der Stiftungsmittel ganz genau hinschauen.<br />
lässt sich rendite und nachhaltigkeit überhaupt unter einen Hut bringen?<br />
Schulze: Für die Stiftung EVZ kann ich sagen, dass wir 2012 mit 9,5 Prozent eine gute Performance generieren<br />
konnten. Positive Performance-Treiber waren Corporate-Investments und Aktien. Beide Anlageklassen werden<br />
bei uns nachhaltig gemanagt. Unsere Prämisse ist, durch Nachhaltigkeit keine schlechtere Performance zu<br />
generieren.<br />
Dittrich: Wir können uns über das letzte Jahr auch nicht beschweren, wir lagen im zweistelligen Bereich, was<br />
die Performance anging. Wir gehen davon aus, dass wir so investieren, dass das Thema Nachhaltigkeit nicht die<br />
Performance verringert. Wir sagen, bei gleichem Chancen-Risiko-Profil würden wir eher nachhaltig als nicht<br />
nachhaltig investieren. Aber wir würden niemals in nachhaltige Titel investieren, wenn wir absehen können, dass<br />
unsere Performance in diesen Titeln geringer wäre.<br />
Schulze: Für uns als Investor ist im Bereich der Nachhaltigkeit nicht nur die Performance ausschlaggebend,<br />
sondern auch der Aspekt des Risikomanagements. So ist es auch ein Ziel der Stiftung EVZ, durch nachhaltiges<br />
Agieren zum Beispiel Reputationsrisiken zu vermeiden.<br />
apropos risiko: Durch einen nachhaltigkeitsfilter schränkt man das anlageuniversum<br />
ein. ist diese Einschränkung zu groß und erhöht das risiko?<br />
mosel: Sie müssen das Universum immer einschränken. Trotzdem kriegen sie immer noch genügend<br />
Diversifikation hin. Ich möchte noch einen Aspekt zum Thema Risikomanagement ansprechen. Wir haben<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Private Equity November 2012 5
Christian Mosel<br />
Kunden, die teilweise zehn bis 20 Portfoliomanager haben und es als Diversifikation betrachten, wenn sie neben<br />
ihren Value-Managern und Growth-Managern auch einen nachhaltigen Manager haben. Diese Investoren sind<br />
nicht unbedingt weltbildgetrieben, sondern gehen aus einem ganz anderen Gesichtspunkt an das Thema<br />
Nachhaltig keit heran. Sie diversifizieren über Managementstile. Wir sehen das bei großen Firmen, die auch<br />
davon leben, ein Nachhaltigkeitslabel zu bekommen. Nehmen wir die Konsumgüterbranche, für die es tatsächlich<br />
ein Reputationsthema ist. Diese Unternehmen fangen an, ihre Pensionsgelder – wenn auch nur partiell –<br />
nachhaltig managen zu lassen. Das geschieht aus dem Gesamtkontext heraus.<br />
Haben Sie den Eindruck, dass es das thema nachhaltigkeit gerade im derzeitigen<br />
niedrigzinsumfeld besondes schwer hat, weil dieses alle anderen themen überschattet?<br />
Sommer: Im Gegenteil, wir sehen weiterhin starke Nachfrage und ein Momentum beim Thema Nachhaltigkeit.<br />
Die Performance-Frage ist natürlich eine ganz wichtige. Unsere Erfahrung ist, dass Nachhaltigkeit die Performance<br />
nicht negativ beeinflusst. Und wir sehen auch, dass Nachhaltigkeit<br />
das Risikomanagement verbessert. Die Analyse von ESG-Faktoren<br />
führt zu einem umfassenderen Verständnis von Unternehmen und auch<br />
Staaten und deren Investmentrisiken, sprich Regulierungsrisiken, Reputationsrisiken<br />
und Ereignisrisiken. Insofern sehen wir das nicht nur aus<br />
einer wertgetriebenen oder ethischen Perspektive, sondern auch aus<br />
Kapitalmarktperspektive. Und weil die Performance-Frage so wichtig ist,<br />
haben wir eine Studie in Auftrag gegeben. Die Steinbeis-Universität hat<br />
sämtliche wissenschaftlichen Studien zu dem Thema untersucht. Insgesamt<br />
wurden 195 Studien zur Performance-Frage ausgewertet. Dabei<br />
ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass Nachhaltigkeit sich nicht<br />
negativ auf Performance auswirkt.<br />
ist ein Extra-alpha möglich?<br />
Sommer: Soweit lehnen wir uns nicht aus dem Fenster. Wir würden<br />
nicht sagen, dass man mit Nachhaltigkeit garantiert eine bessere Performance<br />
erzielen kann als mit herkömmlichen Fonds. Wir haben diesen<br />
Anspruch, aber wir können das nicht vorab versprechen. Allerdings können wir mit nachhaltigen Investmentlösungen<br />
einen zusätzlichen gesellschaftlichen Mehrwert generieren, der den Wertvorstellungen von Kunden<br />
entspricht, und den wir auch in Zahlen messen können.<br />
Dieter lehmann: Auch wir haben die Erfahrung gesammelt, dass der Einsatz von nachhaltigen Investments<br />
nicht nachteilig ist. Aber es gibt meines Wissens keine Erhebung, die genau das Gegenteil beweist, also dass<br />
sich Nachhaltigkeit positiv auf den Ertrag auswirkt. Insofern muss man die Dinge sachlich nüchtern betrachten.<br />
Der Investor muss sich zunächst fragen, in wessen Auftrag er das tut. Ist es das eigene Geld? Dann bin ich nur<br />
mir selbst verpflichtet. Verwaltet man das Kapital für andere? Dann muss man zunächst sehen, was derjenige,<br />
der das Geld zur Verfügung gestellt hat, für Ziele verfolgt. Bei Stiftungen gilt ganz pauschal, das Vermögen möglichst<br />
ertragreich anzulegen. Wenn man dabei nachhaltige Anlagen einbauen kann, ist das sehr schön. Dann<br />
sollte und kann man das natürlich tun. Der andere Punkt ist der: Wir sprachen schon über Diversifizierung. Wir<br />
wissen alle, dass sich Nachhaltigkeit nach wie vor auf Aktien fokussiert. Es beginnt sich langsam auf den Bereich<br />
der Anleihen zu transferieren. Aber das entwickelt sich erst. Wenn wir über ein diversifiziertes Portfolio sprechen,<br />
können wir uns aber nicht nur auf Aktien konzentrieren. Insofern muss man sich auch von der euphorischen oder<br />
glorifizierten Welt verabschieden. Man muss schauen, was für eine Diversifizierung möglich ist und wie sich der<br />
nachhaltige Aspekt einbauen lässt.<br />
6 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013
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8 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
ist es schwierig, nachhaltigkeit auf die komplette asset allocation zu übertragen?<br />
lehmann: Ja.<br />
Güldner: Wir versuchen, es auf alle Assets zu übertragen. Ich finde, dass die Niedrigzinsphase und Nachhaltigkeit<br />
am aktuellen Markt vor allen Dingen im Bereich Staatsleihen problematisch ist. Wir lassen unser Portfolio von<br />
Oekom Research screenen und raten und versuchen, die hohen selbst gesetzten Standards in unserem<br />
gesamten Portfolio aufrechtzuerhalten. Das heißt, möglichst viele Aktien und Rentenwerte im Stiftungs<strong>portfolio</strong><br />
sollten Oekom-Prime-Status erzielen. Was passiert zurzeit im Staatsanleihenbereich? Es gibt so gut wie keine<br />
Staatsanleihen im Prime-Bereich. Wenn wir in deutsche Staatsanleihen investieren, schaffen wir in bestimmten<br />
Laufzeitenbändern nicht mal mehr nominal unseren Substanzerhalt, geschweige denn real. Die Frage ist: Gehen<br />
wir in der Anlage unter anderem nach Spanien in entsprechende Staatsanleihen und eine Stufe unter Prime? Es<br />
ist momentan viel leichter, im Aktienbereich Nachhaltigkeit mit einem hohen Maßstab durchzusetzen.<br />
Haben Sie noch Staatsanleihen?<br />
Güldner: Wir haben noch Staatsanleihen im Portfolio, wir haben sie aber zurückgefahren und die Aktienquote<br />
auf 35 Prozent hochgefahren. Tendenziell dürfen wir bis zu 50 Prozent in Aktien investieren, wobei das selbst<br />
gesetzte Risikobudget dies momentan nicht zulassen würde.<br />
Solche aktienquoten sind ein luxus, den sich eine Bank nicht leisten kann, oder?<br />
Quast: Wir betrachten den Nachhaltigkeitsfaktor tatsächlich als eine sehr wirksame Maßnahme zur Risikobegrenzung.<br />
Bei uns muss man ganz klar sagen, sogar zulasten einer noch besseren Diversifizierung. Wir<br />
nehmen ganz bewusst in Kauf, dass wir schlechter diversifiziert sind, als wir sein könnten. Wir glauben aber,<br />
dass man die Großrisiken dadurch wirksam vermeiden kann. Wir sind beispielsweise der Auffassung, dass ein<br />
Unternehmen, das sein Geschäftsmodell auf fragwürdige Geschäftspraktiken zurückführt, eines Tages auch<br />
performancemäßig sehr stark abgestraft wird. Wir sind da sehr konsequent. Wir investieren zum Beispiel schon<br />
deshalb nicht in Hedgefonds, weil wir vermeiden wollen, dass irgendein Hedgefondsmanager auf die Idee<br />
kommt, BMW zu kaufen, dann ein Drittel der Belegschaft rauszuschmeißen und das Ganze mit hohem Gewinn<br />
zu verkaufen. Mit solchen Geschäftspraktiken wollen wir nicht in Verbindung gebracht werden.<br />
aber wie überträgt man nun nachhaltigkeit auf die komplette asset allocation?<br />
ist das überhaupt zu machen?<br />
mosel: Wahrscheinlich nur schrittweise, aber man kann es nicht erzwingen.<br />
Wenn es geht, geht es. Und dort, wo es sinnvoll im Portfolio<br />
umsetzbar ist, sollte man es tun. Nur wenn es partout nicht<br />
geht, geht es eben nicht. Am schlimmsten ist es, wenn man versucht,<br />
ein Thema in eine Box zu zwingen, und damit Schiffbruch<br />
erleidet, weil es nicht zum Anspruch oder zur Aufgabe passt. Damit<br />
tut man dem Thema keinen Gefallen. Ich glaube, das Thema Nachhaltigkeit<br />
muss man auch etwas entmystifizieren. Es muss praktikabel<br />
sein, das ist das A und O für uns.<br />
Dittrich: Wir haben das auch Schritt für Schritt entwickelt. Wir<br />
haben 2005 mit Aktien und Unternehmensanleihen angefangen, 80<br />
Prozent aller Titel im Bereich Corporates und Aktien müssen in<br />
einem von uns beobachteten Nachhaltigkeitsindex enthalten sein.<br />
Dann ist das Thema Staatsanleihen hinzugenommen. Ähnlich wie<br />
das Evangelische Johannes stift arbeiten wir mit Oekom Research.<br />
Wir schauen uns jetzt auch die nichtbörsennotierten Finanzinstitute<br />
Jens Güldner
an. Beim Thema Immobilien berücksichtigen wir Green-Building-<br />
Standards, wobei das in der Praxis schwierig ist, weil nur ein Bruchteil<br />
aller Immobilien tatsächlich zertifiziert ist.<br />
Sommer: Auch wir haben das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen<br />
Jahren Schritt für Schritt ausgebaut. Es hat mit Aktien und Unternehmen<br />
angefangen. Darüber kann man relativ einfach auch Unternehmensanleihen<br />
abdecken. Bei anderen Asset-Klassen wird es schwieriger,<br />
wie Wandelanleihen und Pfandbriefen. Wandelanleihen werden von den<br />
konventionellen Nachhaltigkeits-Agenturen zum Teil nicht abgedeckt.<br />
Deswegen haben wir dazu ein eigenes Research aufgebaut. Auch das Thema Pfandbriefe decken wir selber ab.<br />
Auf Infrastruktur und Immobilien kann man selbstverständlich auch Nachhaltigkeitsansätze anwenden, bei Rohstoffen<br />
ist es dagegen schwierig. Ich denke, es ist eine ganz wichtige Entwicklung, dass man Nachhaltigkeit in<br />
allen Anlageklassen anwenden kann. Es ist nicht konsistent, wenn man sagt, bei Aktien sind wir nachhaltig und<br />
in einer anderen Anlageklasse nicht.<br />
„Das Thema Nachhaltigkeit muss man etwas entmystifizieren. Es muss<br />
praktikabel sein, das ist das A und O.“<br />
Christian Mosel, Sarasin<br />
lehmann: Ich bin nicht der Meinung, dass man das auf die gesamten Anlagen anlegen kann. Ich traue mir<br />
beispielsweise nicht zu, in einer zunehmend globalisierten Welt für jeden einzelnen Aktienwert die Hand ins Feuer<br />
zu legen, dass nicht in irgendeiner Zulieferfirma Dinge passieren, die ich aus ethisch-moralischen Gründen nicht<br />
gut finde. Dafür kann heutzutage keiner die Garantie übernehmen. Wenn solche Informationen ans Tageslicht<br />
kommen, kann man selbstverständlich reagieren. Das tun wir auch. Aber wir machen uns illusionsfrei und sagen:<br />
Wir tun, was wir können. Aber wir können nicht über Nacht in einer Hauruckaktion mit unserem Vermögen die<br />
ganze Welt verändern. Man muss schauen, wo man ansetzen und vielleicht auch Zeichen setzen kann. Nehmen<br />
wir Immobilien. Es ist natürlich interessant, über Passivhausstandards bei neuen Projekten nachzudenken. Aber<br />
das kostet viel Geld. Da muss man schon sehr genau abwägen, ob man mit dem Auftrag der Vermögensverwaltung<br />
im Rücken bewusst auf Rendite verzichtet, weil man die teuren Passivhausstandards in einem Projekt<br />
umsetzt, oder doch lieber auf herkömmliche Gebäudetechniken setzt. Das ist eine Entscheidung, die der Vermögensverwalter<br />
für sich treffen muss.<br />
Wie setzen Sie das thema nachhaltigkeit in der asset allocation der Volkswagen-<br />
Stiftung um?<br />
lehmann: Wir sollen ein möglichst ertragreiches Vermögensmanagement auf die Beine stellen. Das erfolgt über<br />
eine breite Diversifizierung, erst recht in der heutigen Zeit. Das ist der Auftrag, der erfüllt werden muss. Dann<br />
kann man sich die Frage stellen, welche Instrumente man wo sinnvoll einsetzen kann. Man muss weg von dieser<br />
Schwarz-Weiß-Malerei. Und man muss auch weg davon, Anleger, die keine Nachhaltigkeitszertifizierung haben<br />
oder sich nicht in irgendwelche Korsette zwängen lassen, zu kriminalisieren. Das stört mich in der Diskussion<br />
oftmals. Wenn man nicht alles lupenrein nachweisen kann, kann man sofort an eine Art Pranger gestellt werden.<br />
Das ist der Sache absolut nicht dienlich.<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 9
10 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
Es gibt zahlreiche ansätze für nachhaltigkeit. Welche sind am praktikabelsten?<br />
Güldner: Im Johannesstift haben wir uns ein ganzes Jahr Zeit genommen, um uns zu fragen und zu bestimmen:<br />
Was ist eigentlich nachhaltig, und mit welcher Strategie wollen wir als Stiftung vorwärtsgehen? Verändern wir die<br />
Welt ein klein wenig, indem wir bewusst Werte vermeiden? Oder passt es besser zu uns, wenn wir gezielt<br />
fördern und Positivkriterien einsetzen? Können wir das gegebenenfalls durch Engagement ergänzen? Wir haben<br />
uns schwerpunktmäßig auf Positivkriterien geeinigt. Es gibt bei uns wenige Ausschlusskriterien. Unmittelbare<br />
Investments in Agrarrohstoffe sind für uns unter anderem ein hartes Ausschlusskriterium, ansonsten ver suchen<br />
wir, in einem absoluten Best-in-Class-Ansatz zusammen mit Oekom Mindeststandards zu diskutieren und festzulegen,<br />
die weltweit gelten.<br />
„Engagement“ ist ein gutes Stichwort. frau Schulze, Sie haben<br />
einen solchen prozess in ihrer Stiftung aufgesetzt. Was haben Sie<br />
für Erfahrungen gemacht?<br />
Schulze: Wir haben im vergangenen Jahr einen Engagementprozess implementiert,<br />
bei dem eine Rating-Agentur unsere Bond- und Equity-Bestände<br />
regelmäßig hinsichtlich der von uns definierten Ausschlusskriterien – moderne<br />
Form der Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzung, Kinderarbeit, Arbeitsrechtsverletzung<br />
– screent. Auf der Grundlage dieser Portfolioanalyse haben<br />
wir weltweit Engagementbriefe versendet, um so proaktiv den Dialog mit den<br />
Unternehmen zu fördern. Die Ergebnisse waren recht unterschiedlich. Es gab<br />
persönliche Gespräche. So führten wir beispielsweise in der Stiftung ein persönliches<br />
Gespräch mit einer Delegation eines südamerikanischen Minenbetreibers,<br />
um die Kontroversen bilateral zu diskutieren. War ein persönliches<br />
Treffen nicht möglich, wurden Telefonkonferenzen organisiert oder es gab den<br />
klassischen Schriftwechsel. Bei strukturellen Problemen forderten wir weitere<br />
Informationen an, um zu prüfen, ob das Unternehmen Maßnahmen oder<br />
Prozesse implementiert, die diese Kontroversen perspektivisch mindern oder<br />
gar verhindern. Es war ein sehr interessanter Prozess, den wir perspektivisch<br />
fortführen werden. Nur ein geringer Teil der Unternehmen hat den Dialog mit uns nicht führen wollen. Hier zogen<br />
wir entsprechende Konsequenzen und deinvestierten öffentlichkeitswirksam.<br />
Florian Sommer<br />
Wie ist das bei ihnen? Bieten Sie investoren an, für sie das Sprachrohr zu sein?<br />
mosel: Wir sind etwas scheuer, wenn ich das so sagen darf. Wir nutzen natürlich die direkten Research-<br />
Meetings, wenn wir mit Firmen sprechen. Dann spiegeln wir das Unternehmen unter der Nachhaltigkeitsebene<br />
wider. Wir vertreten auch die Stimmrechte. Aber Engagement in dem Sinne, wie es Frau Schulze beschrieben<br />
hat, betreiben wir nicht. Wir sind der Meinung, wenn uns ein Investment aus Sicht der Nachhaltigkeit nicht mehr<br />
gefällt, dann lösen wir uns davon. Es sei denn, der Kunde besteht drauf, dann geht der Kundenwunsch natürlich<br />
vor. Uns drängt es da nicht so sehr in die Öffentlichkeit. Wir gehen nach sehr reiflicher Überlegung in diesem<br />
Punkt einen etwas leichteren Weg, das will ich zugeben. Aber der ist für uns besser. Das muss jeder für sich<br />
entscheiden.<br />
Güldner: Beim Thema Engagement kann man direkt mit den Firmen kommunizieren, man kann seine Stimmrechte<br />
bündeln, was sehr erfolgreich praktiziert wird in Deutschland. Wir selber nutzen einen anderen Weg, weil<br />
wir ganz bewusst keine Einzeltitel im Aktienbereich im Portfolio zulassen. Wir haben nur Zielinvestmentfonds,<br />
und da nutzen wir das Thema Engagement gegenüber den Asset Managern. Zweimal im Jahr prüfen wir unseren<br />
Investmentfonds mit all seinen Einzeltiteln, und wenn es Probleme gibt, kommunizieren wir das auf Zielinvestmentfonds-Ebene<br />
gegenüber dem Zielfonds-Asset-Manager.
lehmann: Ich möchte einen anderen Aspekt einflechten. Ich finde das sehr gut, was die Stiftung EVZ macht.<br />
Wir selber sind da sehr vorsichtig, und zwar aus rein gesetzlichen Gründen, weil man als gemeinnützige Einrichtung<br />
darauf achten muss, dass man keinen unternehmerischen Einfluss ausübt. Sonst bekommt man gegebenenfalls<br />
gewerbliche Tätigkeit unterstellt, was den steuerbefreiten Status gefährden kann. Insofern wäre hier<br />
sicher lich ein Punkt für den Gesetzgeber, Klarheit zu schaffen, um solche begrüßenswerten Aktivitäten gefahrloser<br />
ermöglichen zu können.<br />
Sommer: Wir haben als Asset Manager keine Scheu vor dem Thema Engagement, ganz im Gegenteil. Es ist bei<br />
uns ein ganz wichtiger Bestandteil, um die Interessen unserer Anleger wahrzunehmen und Unternehmen aktiv<br />
zu beeinflussen. Wir führen 4.000 Meetings mit Unternehmen pro Jahr, 200 gezielt zum Thema Nachhaltigkeit.<br />
Wir gehen auf Hauptversammlungen und bringen Themen zu Corporate Governance oder Umwelt zur Sprache.<br />
Unsere Erfahrung ist, dass man sehr<br />
wohl Unternehmen beeinflussen kann.<br />
Wenn man sich mit Vorständen unterhält,<br />
fühlen wir uns gehört und auch<br />
verstanden. Wir sehen, dass Unternehmen<br />
dann auch in die Richtungen<br />
steuern, für die wir uns eingesetzt<br />
haben. Ich denke, gerade beim Thema<br />
Engagement ist auch Kooperation mit<br />
anderen Investoren wichtig.<br />
Dittrich: Wir haben keinen systematischen<br />
Prozess wie die Stiftung EVZ. Ich<br />
bin auch etwas zurückhaltend. Wir haben<br />
als Stiftung einen klaren Auftrag,<br />
was wir tun sollen, nämlich Projekte im<br />
Bereich der Umwelttechnik, Umweltforschung,<br />
Naturschutz und der Umweltbildung<br />
unter Berücksichtigung mittelständischer<br />
Unternehmen zu fördern. In unserer Satzung steht nicht, dass wir unser Stiftungskapital bei der<br />
Kapitalanlage dazu nutzen sollen, gesellschaftspolitische Prozesse anzustoßen. Ich finde das Engagement der<br />
EVZ prinzipiell sehr gut, aber wir sind wie Herr Lehmann zurückhaltend.<br />
Schulze: Wir sind eine Bundesstiftung öffentlichen Rechts und hatten per Gesetz zwei Aufgabenschwerpunkte.<br />
Das war zum einen die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter. Dieses Projekt wurde 2007 abgeschlossen.<br />
Wir sind jetzt eine international tätige Förderstiftung, die sich im Bereich der Völkerverständigung, Demokratie<br />
und Menschenrechte engagiert. Heute prüfen wir nach Möglichkeit alle Investments darauf, ob diese in<br />
Einklang mit der historischen Verantwortung Deutschlands beziehungsweise mit dem Vermächtnis der NS-<br />
Zwangsarbeiter stehen. Wir wollen als Bundesstiftung Verantwortung als aktiver Investor für die Gelder wahrnehmen,<br />
die uns anvertraut wurden. Unsere Gremien tragen diesen Weg auch mit.<br />
Clemens Quast<br />
Welcher ansatz ist in Deutschland unter investoren am weitesten verbreitet?<br />
Sommer: Am weitesten verbreitet ist in Deutschland der Ausschlussansatz. So hat ethisches und nachhaltiges<br />
Investment vor 20 Jahren angefangen. Mittlerweile kommen aber Best-in-Class- und Engagementansätze<br />
vermehrt zum Einsatz. Alle Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung, wir sehen sie als Bausteine. Wir haben die<br />
Bausteine im Sortiment und setzen diese für unsere Kunden ein, oft in Kombination. Man kann alle sinnvoll und<br />
zielführend miteinander kombinieren. Es kommt letztendlich auf die Ziele an. Man muss aufpassen, dass man<br />
keine Bausteine einsetzt, die sich gegenseitig widersprechen.<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 11
12 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
Wie sollten neulinge, die sich dem thema nachhaltigkeit nähern, beginnen?<br />
Über ausschlüsse?<br />
lehmann: So haben wir es gemacht. Wir haben lange Zeit die Anlagen gemieden, die wir nicht haben wollten,<br />
ganz konkret Rohstoffe, Agrarrohstoffe. Wir hatten eine Zeit lang auch Hedgefonds im Portfolio. Dort haben wir<br />
Distressed-Strategien per Definition ausgeschlossen, weil wir nicht die sogenannten Müntefering'schen<br />
Heuschrecken bedienen wollten. Wir haben auch im Immobilienbereich ein Einzelobjekt nicht erworben, obwohl<br />
die Renditeaussichten günstig waren, weil es im Zusammenhang mit Rüstungs unternehmen stand. Insofern<br />
halte ich dieses Ausschlusskriterium, das wir nach wie vor stark bedienen, für ein geeignetes Mittel. Wenn uns<br />
zu Ohren kommt, dass ein Fonds, in dem wir investiert sind, Titel von Unternehmen hält, die nach unseren<br />
moralischen oder ethischen Empfindungen nicht passen, bekommt der Fondsmanager unmittelbar die<br />
„Innerhalb der OECDStaaten hat Mexiko den höchsten Korruptionslevel,<br />
gefolgt von Griechenland und Italien. Wir nutzen also auch<br />
Korruption als zusätzlichen Risikoindikator.“<br />
Florian Sommer, Union Investment<br />
Anweisung, diesen Titel zu verkaufen. Das ist auch eine Art Ausschluss. Alle anderen Ansätze haben sicherlich<br />
ihre Daseinsberechtigung, aber sie zeigen aus meiner Sicht, dass man sich ein Stück weit desillusionieren muss.<br />
Der weitverbreitete Best-in-Class-Ansatz ist ein Gebot der Machbarkeit. Man kann die Welt nicht von Vornherein<br />
von Schwarz zu Weiß bringen. Man muss die Realitäten anerkennen.<br />
Bei deutschen investoren dominiert ganz klar der rentenbereich. mit welchem<br />
ansatz komme ich hier am besten klar?<br />
mosel: Das Thema ist deutlich anspruchsvoller. Wir haben vor fast 20 Jahren natürlich mit Aktien angefangen<br />
und dann das Thema Bondmanagement über Corporates oder teilweise über Wandler abgebildet. Das Thema<br />
Staatsanleihen ist noch relativ jung, das ist bei uns ungefähr vier Jahre alt. Ich finde es ziemlich anspruchsvoll,<br />
weil es sehr viele und individuelle Kriterien sind. Wir haben versucht, uns dem Thema zunächst akademisch zu<br />
nähern. Aber wir müssen immer auch die Brücke zur Machbarkeit schlagen. Denn ich muss es nachher in Portfolien<br />
gießen. Wenn ich vom Ansatz eines reinen Researches wegkommen will, muss ich also mit den Portfoliomanagern<br />
sprechen. Wie machen wir das? Denn sonst ende ich vielleicht mit Portfolien, in denen<br />
drei Emittenten sind. Außerdem muss es zum Kunden passen. Ich finde das Thema Bondmanagement<br />
bei Staaten auch deshalb schwierig, weil sie schnell in politischen Diskussionen sind. Sind<br />
französische Staatsanleihen angesichts des hohen Atomkraftanteils in Frankreich eigentlich akzeptabel?<br />
Die Todesstrafe ist auch ein solches Thema. Wie geht das in China et cetera vor sich? Oder<br />
wie hoch ist der Rüstungsanteil in Deutschland? Das lässt sich beliebig ausweiten. Sie enden<br />
letztlich wieder bei der Machbarkeit. Am Ende des Tages ist es eine Modellbildung und eine Annäherung<br />
an die Wirklichkeit. Sie können versuchen, sich in kleinen Schritten dem Thema anzunähern<br />
und es greifbar und umsetzbar zu machen. Aber auch da gibt es nicht die perfekte Lösung.<br />
Sommer: Es ist auf jeden Fall ein politischeres Thema. Das liegt in der Natur der Sache, es geht<br />
um Staaten. Bei Staaten hat man den Vorteil, dass es nicht so viele sind. Und die Daten gibt es alle<br />
frei verfügbar von öffentlichen Institutionen. Zum Beispiel beim Thema demokratische Rechte gibt
Die Rentenhausse<br />
ist vorbei.<br />
Können Alter natives<br />
die Zinslücke füllen?<br />
Die Hausse bei festverzinslichen Wertpapieren macht aus Gleichgesinnten Leidensgenossen.<br />
Schließlich hat es nicht jeder <strong>institutionell</strong>e Investor primär auf Kursgewinne abgesehen.<br />
Insbesondere bei der Assekuranz sucht man mit zunehmender Verzweiflung nach Kupons,<br />
die auch nur annähernd mit den Zinsversprechen vergangener Tage mithalten können.<br />
Wie jede Medaille hat auch diese eine zweite Seite. Sobald aus der Rentenhausse eine Baisse wird,<br />
sind zwar wieder höhere Kupons drin. Wenn die Duration im Fixed-Income-Portfolio aber nicht<br />
rechtzeitig reduziert wurde, drohen am langen Ende empfindliche Kursverluste. In dieser Gemengelage<br />
bieten sich alternative Investments als Beimischung an. Wie so etwas aussehen kann und was<br />
man dabei beachten muss, erfahren Sie auf dem <strong>portfolio</strong> masters in Düsseldorf.<br />
Von Investoren für Investoren. In diesem Jahr schaffen namhafte deutsche und angelsächsische<br />
Praktiker mit Impulsvorträgen und auf Podiumsdiskussionen genau das richtige Ambiente,<br />
das Sie suchen, um die Herausforderungen der Gegenwart mit der erforderlichen Sorgfalt und<br />
Tiefe diskutieren zu können.<br />
Die Redaktion von <strong>portfolio</strong> wird 2013 unter anderem den Rentenspezialisten Christophe Frisch von<br />
Talanx Asset Management fragen, wo sich heute noch auskömmliche und stetige Cashflows generieren<br />
lassen. Erfahren Sie außerdem, welche Aussichten die Credit-Segmente und daran anknüpfende<br />
Strategien zu bieten haben. Zur Abrundung bringen die Referenten Licht ins Dunkel der neuesten<br />
regulatorischen Herausforderungen in der Administration und der Verwahrung von Wertpapieren.<br />
11. September 2013<br />
Denkanstöße für die neue Anleihenwelt<br />
10. September 2013<br />
Alternatives: Auswahl,<br />
Anleitung und Administration<br />
und Custody und Administration<br />
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<strong>portfolio</strong>-masters.de
AnnGrit Schulze<br />
es den Freedom-House-Index. Beim Thema Korruption gibt es den Corruption Perceptions<br />
Index von Transparency International. Das wird alles ehrlich veröffentlicht, das ist einsehbar und<br />
hat eine relativ hohe Glaubwürdigkeit. Das gibt es bei Unternehmen nicht. Wir haben auch<br />
unser eigenes Nachhaltigkeits-Rating für Staaten, wo klar definierte ökologische, soziale und<br />
politische Indikatoren einfließen. Ein sehr interessantes Thema ist auch die europäische Schuldenkrise<br />
und der Faktor Korruption. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass es eine sehr<br />
hohe Korrelation zwischen den südeuropäischen Staaten und den Korruptionslevels in den Staaten gibt, die sich<br />
über die letzten fünf Jahre noch verschlechtert haben. Innerhalb der OECD-Staaten hat Mexiko den höchsten<br />
Korruptionslevel, gefolgt von Griechenland und Italien. Wir nutzen also auch Korruption als zusätzlichen Risikoindikator.<br />
Wie gehen Sie im fixed-income-Bereich vor?<br />
Schulze: Unsere Fixed-Income-Mandate durchlaufen alle das bereits dargestellte Screening. Die Portfolioanalyse,<br />
die die Grundlage für den Engagementprozess darstellt, enthält keine Informationen, in welcher Asset-Klasse<br />
und in welcher Höhe die Stiftung bei den jeweiligen Emittenten investiert ist. Das gewährleistet eine gewisse<br />
Neutralität, da man bei einer möglichen Deinvestition nicht insgeheim den Tracking Error berücksichtigt. Für uns<br />
stellt der Bereich Fixed Income kein Problem dar, unsere Ausschlusskriterien umzusetzen.<br />
Sie bekommen also individuelle auswertungen zu ländern, wer zum Beispiel<br />
gegen menschenrechte verstoßen hat und deswegen als investment wegfällt?<br />
Schulze: Ja, da wir aber zurzeit nur in europäische Government Bonds investieren, wurde noch nie ein Verstoß<br />
gemeldet. Wir werden ab diesem Jahr unser Engagement dahingehend ergänzen, dass wir unsere Partner in der<br />
Kapitalanlage hinsichtlich kontroverser Geschäftspraktiken screenen: Darunter fällt Korruption, Geldwäsche und<br />
so weiter. Wir werden den Prozess auch bei unseren Partnern umsetzen und gegebenenfalls vertragsrechtliche<br />
Konsequenzen ziehen.<br />
Welche Bedeutung haben themeninvestments bei ihnen im <strong>portfolio</strong>? Wie passen<br />
solche themeninvestments in die klassische asset-allokation?<br />
Dittrich: Bei uns laufen diese Investments ein bisschen außen vor. Wir sind im Moment beim Thema „Wasser<br />
und Smart Energy“ engagiert. Auch Micro Finance ist bei uns ein wichtiger Aspekt. Wir haben fast zwei Prozent<br />
unseres Stiftungskapitals in Micro-Finance-Produkte investiert, weil wir das für eine sehr wichtige und wertvolle<br />
Finanzierungsform, gerade in Schwellen- und Entwicklungsländer, halten. Agrarinvestments machen wir nicht,<br />
und mit dem Thema Wald beschäftigen wir uns im Moment. Wir investieren in diese Themen nicht nur in der<br />
Direktanlage, sondern meist über Fondsprodukte.<br />
Quast: Als Bank stehen wir ganz konkret vor der Problematik, dass solche Investments derzeit nur äußerst<br />
schwer in ein Controlling zu integrieren sind. Wir haben keinerlei valide Risikoansätze, geschweige denn valide<br />
Zeitreihen.<br />
laut einer Studie des Bundesverbandes für Stiftungen könnten Stiftungen um 300<br />
prozent wirksamer sein, wenn sie zweckbezogen investieren würden. ist mission<br />
investing ein thema, dem Sie sich bereits angenommen haben?<br />
Güldner: Es gibt einige Studien, die sagen, es gibt einen Impact. Sofern es die Satzung der Stiftung zulässt,<br />
solche Investments zu tätigen, hat man mit Mission Related Investing oder Social Impact Investing quasi eine<br />
„doppelte Dividende“. Ob die Dividende immer so hoch ist wie die am Kapitalmarkt, stelle ich mal infrage. Was<br />
bei diesem Thema nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist das Risikomanagement. Das Investment gleicht<br />
dem einer klassischen Venture-Capital-Finanzierung – ergänzt um die Komponente „Social“. Bin ich als Stiftung<br />
14 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013
ereit, diese Risiken zu tragen? Es ist ein sehr lohnendes Gebiet. Und im Bundesverband Deutscher Stiftungen<br />
gibt es jetzt auch eine Arbeitsgruppe, die sich intensiv diesem Thema widmet, um es voranzubringen.<br />
Dittrich: Ich bin da auch vorsichtig. Wir fördern Unternehmen, die risikobehaftete Innovationen im Umweltbereich<br />
voranbringen. Wenn ich dort im Bereich der Vermögensanlage agiere, ist das etwas anderes. Was<br />
würden wir tun? Wir würden diesem Unternehmen Geld geben, beispielsweise in Form einer Anleihe oder eines<br />
Darlehens. Dann ist die Frage: Machen wir das zu einem marktgerechten Zins? Wenn wir das zu einem marktgerechten<br />
Zins machen würden, könnte das Unternehmen im Grunde auch zu einer Bank gehen. Die Erwartungshaltung<br />
an uns wäre, wir sollten einen niedrigeren Zins anbieten. Das wäre dann aber eine Förderung. Wir gehen<br />
dann ein nicht marktgerechtes Risiko ein und würden gegen unseren ersten Grundsatz verstoßen. Hinzu kommt:<br />
Wir sind keine Bank. Wenn es Liquiditätsschwierigkeiten gibt, möchte das Unternehmen vielleicht den Kredit<br />
verlängert bekommen oder eine Stundung der Zinsen. Wir bräuchten also so etwas wie eine Kreditabteilung. Wir<br />
würden uns auf ein neues Feld begeben, das nicht unsere Kernkompetenz ist. Und das Letzte ist: Wenn das<br />
Ganze schiefgeht, habe ich Stiftungskapital verloren. Das ist nicht Sinn der Anlage von Stiftungskapital. Wir<br />
trennen also sehr streng zwischen dem Förderzweck der Stiftung und der Kapitalanlage.<br />
lehmann: Das würde ich 100 Prozent unterstreichen. Auch wir trennen Vermögensanlage und Förderpolitik<br />
voneinander. Außerdem ist das Thema Kreditvergabe eine gewerbliche Tätigkeit. Da muss man als Stiftung<br />
aufpassen. Die Grundidee ist sicherlich gut, aber die Umsetzung ist nicht so einfach, wie das im ersten Augenblick<br />
erscheint.<br />
Wie stehen Sie zu den un pri? ist das ein Gedanke, mit dem Sie gespielt haben,<br />
dort auch zu unterzeichnen?<br />
lehmann: Wir haben uns damit auseinandergesetzt. Aber ich sehe das nicht als vorteilhaft an, weil das eines<br />
dieser Korsetts ist, von denen ich vorhin sprach. Ich möchte doch lieber Herr meiner Entscheidung bleiben, was
Dieter Lehmann<br />
16 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
ich gut und was ich nicht gut finde. Und ich habe mir auch von einem gewissen Aufwand<br />
berichten lassen, den man als Mitglied betreiben muss.<br />
Wie sind ihre Erfahrungen als un-pri-unterzeichner?<br />
Dittrich: Wir haben im letzten Jahr die UN PRI unterzeichnet. Uns steht die erste Runde<br />
des Fragebogenausfüllens noch bevor. Uns ist versprochen worden, dass alles sehr<br />
gestrafft würde und einfacher zu handeln sein soll als in der Vergangenheit. Die Initiative<br />
an sich ist begrüßenswert.<br />
Quast: Ich muss gestehen, dass wir von der ersten Grace Period Gebrauch gemacht<br />
haben, nachdem mir ein 88 Seiten langer Fragebogen vorlag. Ich vermute aber auch, dass es relativ viel Arbeit<br />
wird. Wir fühlen uns sehr gut unterstützt durch die UN PRI. Wir erleben das Korsett nicht ganz so intensiv wie<br />
Herr Lehmann.<br />
Welche Erfahrungen haben Sie von der asset-manager-Seite gemacht?<br />
Sommer: Wir waren einer der ersten deutschen Asset Manager, der die PRI unterzeichnet hat. Wir begrüßen die<br />
Initiative und empfinden es für uns als klaren Mehrwert, dass wir da mit dabei sind. Zum einen sind wir in den<br />
PRI-Foren und Gremien sehr aktiv, zum Beispiel in der Arbeitsgruppe zu Staatsanleihen. Das ist sehr interessant,<br />
weil man voneinander sehr viel lernen kann, gerade durch die globale Vernetzung. Und das andere ist die interne<br />
Weiterentwicklung: Der PRI-Standard gilt für die gesamten Anlagen von Union Investment. Das hat natürlich<br />
auch interne Weiterentwicklungen ausgelöst: Wie definieren wir verantwortliches Investieren? Wie hängt man<br />
das intern auf? Wer ist dafür verantwortlich? Wie kommen wir aus der Nische Nachhaltigkeit in den Mainstream?<br />
Insofern war es für uns auf jeden Fall von Vorteil, dass wir da mitgemacht haben.<br />
mosel: Wir betreiben das in der Tat schon ziemlich lange. Bei uns ist es irgendwann in den genetischen Code<br />
übergegangen. Es kommt auch eine Routine rein, wenn man das x-te Mal den Fragebogen ausgefüllt hat. Für<br />
uns ist es mittlerweile Normalität, aber es ist Aufwand. Es ist nicht so, dass man schaut, wie man die Häkchen<br />
beim letzten Mal gesetzt hat. Ich glaube, wenn ich mich in die Lage einer Stiftung versetze und mich frage, was<br />
will ich damit erreichen, dann komme ich vielleicht auch zu dem Schluss: Kann ich nicht über die Satzung meine<br />
eigenen Gedanken einfließen lassen und unterwerfe mich meinen eigenen Maximen? Das ist genauso legitim.<br />
Das muss jeder für sich entscheiden. Bei uns war es eine andere Gemütslage vor vielen Jahren.<br />
Zum abschluss: ist es nachhaltig, nicht nachhaltige unter nehmen zu shorten?<br />
Quast: Das ist natürlich nicht nachhaltig, weil wenn Sie durch ein Short gehen, automatisch jemanden auf der<br />
anderen Seite dazu animieren, long zu gehen. Zweitens stellen Sie dem Markt Liquidität in diesem Titel zur Ver-<br />
fügung, das macht ihn handelbarer und attraktiver für weitere Investoren.<br />
Güldner: Die Frage ist: Bringt man das Thema nachhaltiges Investment damit voran? Das glaube ich nicht. Es<br />
gibt aber immer mehr Angebote am Markt zum Thema Nachhaltigkeits-Overlay, das gezielt diese Strategien in<br />
das Portfolio implementiert. Der Nachhaltigkeits-Overlay-Markt ist in seiner Entwicklung noch am Anfang. Wir<br />
nutzen so eine Systematik in der Stiftung nicht, betrachten aber die Marktentwicklungen diesbezüglich sehr<br />
genau in ihrer Wirkungsweise.<br />
Vielen Dank für diese aufschlussreiche und anregende Diskussion. festzuhalten<br />
bleibt wohl, dass es keinen Königsweg gibt, um nachhaltigkeit in der Kapitalanlage<br />
umzusetzen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden.
Im Bild zu sehen von links nach rechts:<br />
Christian Mosel, Bank Sarasin<br />
Dieter Lehmann, VolkswagenStiftung<br />
Florian Sommer, Union Investment<br />
AnnGrit Schulze, Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“<br />
Michael Dittrich, Deutsche Bundesstiftung Umwelt<br />
Clemens Quast, SpardaBank München<br />
Jens Güldner, Evangelisches Johannesstift<br />
Kerstin Bendix, <strong>portfolio</strong> Verlagsgesellschaft<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 17
nachhaltigkeit reduziert anlagerisiken<br />
Von Florian Sommer,<br />
Senior Strategist für Aktien und Nachhaltigkeit von Union Investment<br />
Brennende Ölplattformen, Proteste wegen schlechter Arbeitsbedingungen oder<br />
Korruptionsermittlungen gegen Vorstände: Solche und ähnliche Vorwürfe an Unter-<br />
nehmen kann man immer häufiger in den Zeitungen lesen. Auch und gerade an den<br />
Finanzmärkten werden entsprechende Nachrichten aufmerksam verfolgt. Denn<br />
neben den ethischen Gesichtspunkten haben Anschuldigungen dieser Art auch eine<br />
betriebswirtschaftliche Komponente. Sie führen häufig zu einem Imageverlust, mög-<br />
lichen Absatzeinbußen und im Extremfall gar zu Strafzahlungen. In jedem Fall aber<br />
belasten sie die Ertragsbasis des betroffenen Unternehmens und damit auch des-<br />
sen Investoren. Das frühzeitige Erkennen und Einordnen insbesondere von Reputa-<br />
tionsrisiken gewinnt daher bei der Kapitalanlage an Bedeutung.<br />
Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist die Funktion von Nachhaltigkeits-<br />
faktoren als zusätzlichen Risikoindikatoren bei Investitionsentscheidungen. Denn:<br />
Investoren haben die langfristige und nachhaltige Steigerung des Unternehmens-<br />
wertes sowie die Verbesserung des Risiko-Rendite-Profils ihres Investments im<br />
Blick. Durch eine richtig verstandene Einbettung von Nachhaltigkeitskonzepten in<br />
den Anlageprozess werden mögliche Gefährdungen bei der Titelauswahl berück-<br />
sichtigt, die ansonsten möglicherweise außen vor blieben.<br />
nachhaltigkeitsanalyse unterstützt risikomanagement<br />
Risikotypen<br />
Beispiele<br />
Risikoanalyse<br />
Handlung<br />
18 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
So gewinnen die sogenannten ESG-Aspekte schon aus rein pragmatischen Über-<br />
legungen des Risikomanagements immer stärkeren Einfluss auf die Investmentent-<br />
scheidung <strong>institutionell</strong>er Investoren. Im Einzelnen geht es um die Berücksichtigung<br />
von ökologischen (Environment), sozialen (Social) und Aspekten der Unternehmens-<br />
kontrolle (Governance). Diese drei Säulen des modernen Nachhaltigkeitsverständ-<br />
nisses sind dabei nicht isoliert zu betrachten, sondern greifen ineinander.<br />
corporate governance als zentrales Kriterium<br />
Ereignisrisiken Reputationsrisiken Regulierungsrisiken<br />
• Olympus<br />
• Fukushima<br />
• BP/Transocean<br />
• Parmalat<br />
• Enron<br />
• Foxconn<br />
(Selbstmorde der Arbeiter)<br />
• Freepor t<br />
(Menschenrechte)<br />
• W ilmar<br />
(Regenwaldabholzung)<br />
• Hershey<br />
(Kinderarbeit)<br />
Identifikation<br />
Beurteilung<br />
Wesentliche Säule ist die Corporate Governance, denn eine verantwortungsvolle<br />
Unternehmensführung strahlt auf das gesamte Unternehmen ab, kann eine lang-<br />
fristig erfolgreiche Wertentwicklung und somit den Fortbestand des Unternehmens<br />
sichern. Studien zeigen, dass gut entwickelte Aufsichtsstrukturen einen direkten<br />
Anleger nutzen stiften. Beispielsweise kommt eine Studie der Universität St. Gallen<br />
zu dem Ergebnis, dass eine ausgeprägte Corporate Governance mit einer höheren<br />
Unternehmensbewertung einhergeht. Zu einem ähnlichen Schluss kommen weitere<br />
Studien, wie die der IE Business School. Zudem zeigen Analysen der UBS Investment<br />
Bank, dass die Schwankungsintensität von Aktienkursen stark vom Stellenwert der<br />
• CO 2-Regulierung<br />
• Nuklearausstieg<br />
• Glühlampenverbot<br />
• Tabakindustrie und<br />
US-Klagen<br />
• Asbestverbot und Klagen<br />
Ausschließen Verringern Verändern<br />
Quelle: Union Investment
Corporate Governance im Unternehmen abhängt. Heutzutage erfordert deshalb<br />
eine sorgfältig getroffene Investmententscheidung die detaillierte Analyse der zu-<br />
grundeliegenden Corporate Governance des jeweiligen Unternehmens, um Risiken<br />
und damit Vermögensverluste zu vermeiden, die aus fehlerhafter oder unzureichender<br />
Kontrolle durch den Aufsichtsrat resultieren. Der Komplexitätsgrad in den Unterneh-<br />
men und die rechtlichen Anforderungen haben deutlich zugenommen, so dass dem<br />
Aufsichtsrat zukünftig eine noch verantwortungsvollere Aufgabe zukommen wird.<br />
Nachhaltige Inhalte helfen dabei, Risiken frühzeitig zu identifizieren und eine wirk-<br />
same Kontrollfunktion auszuüben.<br />
Grundsätzlich ist die Corporate-Governance-Kultur in Deutschland noch deutlich<br />
weiterzuentwickeln. Der mittlerweile etablierte Deutsche Corporate-Governance-<br />
Kodex war hierzu ein wichtiger erster Schritt, berücksichtigt aber die Nachhaltigkeit<br />
noch nicht in gebührender Weise. Der Rat für nachhaltige Entwicklung der Bundes-<br />
regierung hat mit der Einführung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex nun zwar<br />
einen eigenständigen Kodex geschaffen, doch sollten Nachhaltigkeit und Corporate<br />
Governance nicht getrennt behandelt, sondern nach Möglichkeit miteinander ver-<br />
woben werden.<br />
Titelauswahl erfordert differenzierte risikoanalyse<br />
Bei der Titelauswahl gilt es vor allem drei Risikotypen zu analysieren: Ereignis-,<br />
Regulierungs - und Reputationsrisiken. Im Gegensatz zu den durch Regulierungs-<br />
maßnahmen bedingten Risiken treten Ereignisrisiken plötzlich auf. Dabei kann es<br />
sich um Unfälle, gefährliche Fehler in der Warenproduktion oder Bilanzskandale han-<br />
deln. Regulierungsrisiken – etwa die Einführung des CO2-Emissionsrechtehandels<br />
oder schärfere Gesundheitsstandards – kündigen sich hingegen meist mit einer<br />
Korruption in oECD-Staaten nach dem Corruption perception index<br />
niedrig<br />
Korruption (CPI 2012)<br />
hoch<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
Italien<br />
Dänemark<br />
Schweden<br />
Island Niederlande<br />
Tschechische Republik<br />
Slowakei<br />
Deutschland<br />
Großbritannien<br />
Belgien<br />
USA<br />
Frankreich<br />
Österreich Irland<br />
Spanien<br />
Portugal<br />
Israel<br />
Ungarn Südkorea<br />
längeren Vorlaufzeit an, allein schon wegen der Dauer gesetzgeberischer Prozesse.<br />
Wie das Beispiel der Kohlendioxidthematik zeigt, liegen ökologische und ökonomi-<br />
sche Interessen mitunter eng beieinander. So ist davon auszugehen, dass zahlrei-<br />
che Unternehmen aufgrund der verschärften Regelungen zum Ausstoß von Kohlen-<br />
dioxid zukünftig Wettbewerbsnachteile bis hin zu Ertragseinbußen haben werden,<br />
wenn auf Unternehmensebene nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Die Energie-<br />
versorger haben in diesem Zusammenhang erst kürzlich auf eine zukünftig signifi-<br />
kant geringere Profitabilität weiter Geschäftsbereiche hingewiesen. Die Frage der<br />
Luftreinhaltung und des Klimaschutzes rückt damit in den Blickpunkt der Aktionäre.<br />
Ökologie und Ökonomie lassen sich dabei nicht voneinander trennen.<br />
Die Regulierung beeinflusst neben den Energieversorgungsunternehmen auch die<br />
Ertragslage von Unternehmen der Bau-, Chemie- und Luftfahrtbranche erheblich. In<br />
Einzelfällen, beispielsweise im Versorgersektor, kann für Unternehmen der Zukauf an<br />
Kohlendioxidrechten zu massiven Ergebniseinbußen führen. Entsprechend stark ist<br />
der negative Einfluss auf Unternehmenswert und Aktienkurs.<br />
ganzheitliche Betrachtung von reputationsrisiken<br />
Da sich Ereignis- und Regulierungsrisiken auf die Reputation eines Unter nehmens<br />
auswirken, ist es wichtig, Reputationsrisiken ganzheitlich zu betrachten.<br />
Dabei sind zwei Punkte für die Höhe eines Reputationsrisikos ausschlaggebend:<br />
das Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz beziehungsweise Ächtung und die mediale<br />
Aufmerksamkeit. Je stärker ein Sachverhalt in der Gesellschaft abgelehnt wird,<br />
desto höher ist das mögliche Reputationsrisiko für das betreffende Unternehmen,<br />
Davon zu unterscheiden ist die Berichterstattung in den Medien, denn nicht immer<br />
sind beide Komponenten deckungsgleich.<br />
Türkei<br />
OECD-Durchschnitt: 6,8<br />
3<br />
Griechenland<br />
Mexiko<br />
-25 % -15 % -5 % 5% 15% 25 % 35 %<br />
schlechter Veränderung des CPI in % (2007–2012)<br />
besser<br />
Polen<br />
Quelle: Union Investment, Transparency International, Corruption Perceptions Index (CPI)<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 19
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie man mit dem Faktor eines poten-<br />
ziellen Imageverlusts umgeht. Am Anfang steht ein sorgfältiger Analyseprozess, bei<br />
dem die Unternehmen auf mögliche Reputationsrisiken hin untersucht werden. Auf<br />
dieser Stufe steht die Identifikation eines Risikos im Vordergrund. Sind entsprechende<br />
Gefährdungen erkannt, erfolgt die Beurteilung: Wie wahrscheinlich ist ein Schadens-<br />
eintritt? Mit welchen Folgen muss gerechnet werden? Abschließend werden die<br />
notwendigen Schritte unternommen, um etwaige negative Auswirkungen auf die<br />
Fondsvermögen zu reduzieren. Dabei stehen grundsätzlich drei Optionen zur Aus-<br />
wahl: Zunächst wird versucht, durch einen Dialog mit dem Unternehmen den Zu-<br />
stand tiefer zu analysieren und aktiv auf Veränderungen hinzuwirken. Damit soll dem<br />
Risiko die Grundlage entzogen werden. Sind die Maßnahmen nicht zielführend, wird<br />
das Risiko durch Abbau des Aktienbestandes im Portfolio verringert. Als letzte Mög-<br />
lichkeit verbleibt der Ausschluss des Titels aus dem Anlageuniversum. Dann erfolgt<br />
grundsätzlich keine Investition mehr in das Unternehmen (siehe Abbildung; S.18).<br />
auch staatsanleihen auf dem Prüfstand<br />
Traditionell assoziieren viele Investoren ESG-Aspekte mit Aktieninvestments, doch<br />
Nachhaltigkeit ist inzwischen auch bei Investitionen in Staatsanleihen relevant. Bei<br />
der ESG-Analyse von Staatsanleihen steht insbesondere der Governance-Aspekt<br />
der Korruption im Vordergrund. So ist bei Staaten mit hoher Korruption für Investo-<br />
ren besondere Vorsicht geboten. Manipulationen der staatlichen Bilanzen können,<br />
wie beispielsweise die Entwicklung in Griechenland gezeigt hat, zu bösen Über-<br />
raschungen führen. Hinzu kommt, dass die Steuereinnahmen in Staaten mit verbrei-<br />
teter Korruption oft niedriger ausfallen – auch wegen einer Tendenz zur Schatten-<br />
wirtschaft. Gleichzeitig ist das Vertrauen der Bevölkerung in korrupte Regierungen<br />
nachweislich geringer und schränkt im Krisenfall den politischen Spielraum bei<br />
Gegen maßnahmen deutlich ein.<br />
Beim Corruption Perception Index von Transparency International, der die Korruption<br />
von Staaten weltweit bewertet, schneiden die südeuropäischen Krisenstaaten nicht<br />
nur verhältnismäßig schlecht ab, sondern haben sich in den vergangenen fünf<br />
Jahren gar weiter verschlechtert – vor dem Hintergrund der europäischen Schulden-<br />
krise eine signifikante Entwicklung (siehe Abbildung; S.19).<br />
Dieses Beispiel zeigt, dass Nachhaltigkeit inzwischen ein anlageklassenübergreifen-<br />
des Thema ist und die Analyse von ESG-Aspekten für ein umfassendes Verständnis<br />
von Kapitalmarktrisiken unerlässlich ist. ESG-Indikatoren stellen daher eine wichtige<br />
Ergänzung der modernen Risikosteuerung von Kapitalanlagen dar. Zwar bleibt die<br />
fundamentale und an Finanzkennziffern ausgerichtete Analyse weiterhin im Zentrum<br />
der Anlageentscheidung. Sie wird jedoch zunehmend flankiert von Nachhaltigkeits-<br />
überlegungen, die vor allem der langfristigen Bewertung von Chancen und Risiken<br />
eines Investments zugutekommen. So kann neben einem finanziellen zusätzlich ein<br />
gesellschaftlicher Mehrwert für den Anleger generiert werden.<br />
20 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
Nachgefasst bei Florian Sommer<br />
der Begriff „nachhaltigkeit“ ist recht schwammig.<br />
Braucht es eine klare definition, damit in deutschland<br />
mehr investoren nachhaltig investieren?<br />
Natürlich gibt es unterschiedliche Auslegungen des<br />
Begriffs „Nachhaltigkeit“. Im Portfoliomanagement gibt es<br />
inzwischen aber sehr klare Konzepte und Definitionen,<br />
was unter Nachhaltigkeit respektive ESG zu verstehen ist.<br />
Ich glaube vielmehr, dass das Thema noch immer keine<br />
klare Durchdringung erreicht hat und hier weiter Aufklärung<br />
vonnöten ist. Allerdings ist es gerade im <strong>institutionell</strong>en<br />
Asset Management erforderlich, dass Anleger<br />
auch ihre ganz eigenen Wertvorstellungen einbringen und<br />
im Anlageuniversum berücksichtigen können.<br />
engagement ist ein ansatz, der unter investoren an<br />
Beliebtheit gewinnt. Wir groß ist der einfluss, den<br />
investoren auf unternehmen tatsächlich nehmen?<br />
Wir verfolgen Engagement zum einen über unseren konstruktiven<br />
Unternehmensdialog in zahlreichen Investorengesprächen<br />
zu Nachhaltigkeitsthemen als auch über<br />
Abstimmen und Redebeiträgen bei Hauptversammlungen<br />
als aktiver Aktionär. Dabei fordern wir Korrekturen ein, um<br />
Firmen zum Nutzen der Anteilseigner nachhaltig erfolgreich<br />
zu machen. Denn dies dient einerseits der Verbesserung<br />
der Rendite, andererseits vermindert es Risiken.<br />
Unsere Erfahrung zeigt, dass diese aktive Einflussnahme<br />
auf Unternehmen häufig Wirkung zeigt.<br />
Welche auswirkung hat nachhaltigkeit auf ren dite<br />
und risiko? lässt sich damit extra- alpha erzeugen?<br />
Das Verständnis von Nachhaltigkeitsaspekten ist als<br />
zusätzlicher Risiko-Insight wertvoll, weil dadurch Regulierungs-,<br />
Reputations- und Ereignisrisiken umfassender<br />
verstanden und somit reduziert werden können. Unsere<br />
Erfahrung zeigt, dass Nachhaltigkeit auch keineswegs die<br />
Performance der Kapitalanlage ausbremst. Eine kürzlich<br />
erschienene Metastudie der Steinbeis-Hochschule bestätigt<br />
übrigens, dass nachhaltige Anlagen gegenüber<br />
traditionellen kein schlechteres Risiko-Rendite-Profil aufweisen<br />
und sich die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten<br />
über alle Asset-Klassen hinweg sogar eher<br />
positiv auswirkt.<br />
Florian Sommer, Union Investment
Ausgabe 03_ Juli 2013 _ Preis 9,90 Euro<br />
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3
Dank fundierter nachhaltigkeitsanalyse weniger risiken im <strong>portfolio</strong><br />
Von Christian Mosel,<br />
Direktor und Leiter Institutional & Wholesale Clients Deutschland, Bank Sarasin<br />
Weltweit nehmen die Risiken für die Gesellschaft, Ökologie und Wirtschaft<br />
aufgrund fundamentaler Entwicklungen in Demografie, Technologie sowie<br />
Ressourcenverfügbarkeit zu. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit<br />
und den Betriebserfolg von Unternehmen. Je besser<br />
diese auf die steigenden Herausforderungen vorbereitet sind, desto<br />
größer sind ihre Wettbewerbsvorteile im Markt. Gerade die Finanzmarktkrise<br />
von 2008 und die darauf folgenden Schuldenkrisen verschiedener<br />
Staaten haben deutlich gemacht, dass keine Gemeinschaft und keine Organisation<br />
dauerhaft über ihre Verhältnisse leben kann. Wird diese simple<br />
Wahrheit zu lange ignoriert, türmen sich hohe Kosten auf, die sich schlagartig<br />
als untragbar erweisen können.<br />
Daher setzt sich mittler weile bei einer zunehmenden Anzahl von Anlegern<br />
und Fonds managern die Überzeugung durch, dass es sich bei<br />
Anlageentscheidungen lohnt, neben klassischen finanziellen Kriterien<br />
auch nicht-finanzielle Faktoren zu berücksichtigen. Hier setzen nachhaltige<br />
Geldanlagen an, indem soziale und ökologische Aspekte in die jeweiligen<br />
Analyseprozesse und letztlich bei der Portfoliokonstruktion Eingang<br />
finden. Dabei sind die primären Ziele sowohl die Identifikation von Gewinnern<br />
der Megatrends als auch die Vermeidung von Risiken, denn gerade<br />
Dreiklang in der nachhaltigen Kapitalanlage<br />
Ökonomie<br />
Nachhaltige<br />
Kapitalanlagen<br />
Ökologie Gesellschaft<br />
22 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
in unsicheren Zeiten sind Investoren gut beraten, die Risiken in ihren Portfolios<br />
möglichst genau zu kennen und sie entsprechend zu beherrschen.<br />
Warum soziale risiken finanziell relevant sind<br />
Ein klassisches soziales Risiko, mit dem sich viele Unternehmen konfrontiert<br />
sehen, ist das Funktionieren der Lieferketten. Ein Zulieferer, der nicht<br />
davor zurückschreckt, durch mangelhaften Arbeitnehmerschutz, schlechte<br />
Entlohnung oder Kinderarbeit Kostenvorteile zu suchen, stellt für seine<br />
Auftraggeber ein großes Nachhaltigkeitsrisiko dar. Dieses kann schleichend<br />
oder schlagartig zu einem handfesten finanziellen Schaden führen.<br />
Allein der Umstand, dass aufgrund prekärer Arbeits bedingungen die Produktivität<br />
von Mitarbeitern deutlich abnimmt, generiert auf die Dauer substanzielle<br />
Verluste. Weiter können häufige Proteste und Streiks zu Lieferengpässen<br />
und letztlich Einnahmeausfällen führen. Ganz zu schweigen<br />
von den Reputationsschäden, die entstehen können, wenn solche Fälle<br />
publik werden und zu negativer Presse bis hin zu einem Kundenboykott<br />
führen. Anhand der oben erwähnten Nachhaltigkeitsanalyse gilt es, jene<br />
Unternehmen herauszufiltern, die diese und andere soziale Themen vorbildlich<br />
handhaben. Am Beispiel der Zuliefererbeziehungen bedeutet dies,<br />
Quelle: Bank Sarasin
dass Unternehmen einen engen, nachweisbaren Austausch mit den<br />
Zulieferern pflegen und regelmäßig kontrollieren müssen , ob die ab ge-<br />
geb enen Garantien eingehalten werden. Weitere Anspruchsgruppen, die<br />
im Rahmen einen Nachhaltigkeitsanalyse berücksichtigt werden, sind<br />
beispielsweise die Mitarbeiter, Kunden, Kapitalgeber sowie der Staat.<br />
Öko-effizienz senkt Kosten und erhöht Wettbewerbsfähigkeit<br />
Ein dominierendes Thema im Zusammenhang mit ökologischen<br />
Nachhaltig keitsrisiken ist die material- und energieeffiziente Produktion.<br />
Aufgrund der zunehmenden Weltbevölkerung und des zugleich steigenden<br />
Wohlstandes nimmt die Nachfrage nach nicht erneuerbaren Rohstoffen<br />
zu, was langfristig zu deren Verteuerung führt. Analog lässt sich eine Verknappung<br />
und Verteuerung der fossilen Energieträger erwarten, auf<br />
denen unser gesamtes Wirtschaftssystem fußt. Diese Trends kombiniert<br />
mit politischen Initiativen gegen den Klimawandel stellen Unternehmen<br />
hinsichtlich Material- und Energieeffizienz vor Herausforderungen.<br />
Durch eine Nachhaltigkeitsanalyse können nun jene Firmen eruiert werden,<br />
die in diesen Bereichen zu den Besten in ihrer Branche gehören.<br />
Oftmals zeichnen sich diese nicht nur durch eine hohe Kosteneffizienz<br />
hinsichtlich Ressourcen und Energie aus, sondern verfolgen insgesamt<br />
eine vorausschauende Geschäftsstrategie. Ein Unternehmen, das eine<br />
sich anbahnende CO2-Steuer früh antizipiert oder als Erstes seine<br />
Angebots palette hinsichtlich Energieeffizienz überarbeitet, steigert seine<br />
Chancen, auch in Zukunft im Markt vorteilhaft positioniert zu sein. So<br />
haben sich zum Beispiel viele Automobilkonzerne lange Zeit kaum mit<br />
diesen Trends beschäftigt, obwohl einzelne Anbieter durchaus bewiesen<br />
haben, dass ein entsprechender Markt existiert. In den kommenden Jahr-<br />
Sarasin Substainability-matrix<br />
hoch<br />
y<br />
x<br />
y<br />
tief<br />
tief<br />
x<br />
hoch<br />
analysierte<br />
Wertpapieremittenten<br />
Anlageuniversum<br />
Unternehmen: Nachhaltigkeit des Unternehmens<br />
Länder: Ressourceneffizienz<br />
Institutionen: Nachhaltigkeit bei der Umsetzung<br />
Unternehmen: Nachhaltigkeit der Branche<br />
Länder: Verfügbarkeit von Ressourcen<br />
Institutionen: Nachhaltigkeit des Leistungsauftrages<br />
zehnten könnte die öffentliche Akzeptanz für übermotorisierte Fahrzeuge<br />
mit hohem Benzinverbrauch und CO2-Ausstoß weiter abnehmen. Daher<br />
dürfte der Druck auf die Automobilhersteller, emissionsarme und zukunftsfähige<br />
Antriebstechnologien zu entwickeln und anzubieten, weiter steigen.<br />
In ein nachhaltiges Portfolio gelangen konsequenterweise nur jene<br />
Unternehmen, die solche Trends aufnehmen und die Vermeidung von<br />
Umsatz- sowie Gewinneinbußen aufgrund ökologischer und sozialer<br />
Risiken in ihrem Geschäftsmodell verankert haben. Die Ermittlung geeigneter<br />
Unternehmen erfolgt anhand der eigens hierfür entwickelten Nachhaltigkeitsanalyse<br />
der Bank Sarasin.<br />
systematische und breit anwendbare analyse<br />
Das Sustainability Research der Bank Sarasin versteht unter nach haltigem<br />
Wirtschaften die ressourcenschonende Herstellung von Gütern und<br />
Dienstleistungen mit breiter gesellschaftlicher Akzeptanz anhand möglichst<br />
konfliktarmer Produktionsmethoden. Damit geht eine Nachhaltigkeitsanalyse<br />
weit über die rein klassische Finanzanalyse (Liquidität, Sicherheit,<br />
Rendite) hinaus. Anhand dieser systematischen Analyse lassen<br />
sich heute gleichermaßen Unternehmen, Länder und Institutionen prüfen.<br />
In Bezug auf Unternehmen erfolgt die Analyse zunächst auf Branchenebene<br />
und danach auf Unternehmensebene. Ziel der Branchenanalyse ist<br />
es, zum einen die spezifischen Risiken und Chancen zu identifizieren und<br />
zum anderen die ökologischen und sozialen Auswirkungen des jeweiligen<br />
Sektors zu bewerten und sie zueinander in Relation zu setzen. Dieses<br />
Vorgehen erlaubt ein Feintuning aufgrund der teilweise substanziellen<br />
Unter schiede zwischen den verschiedenen Branchen. Bei der Analyse<br />
werden beispielsweise folgende Fragen beantwortet: Wie hoch ist der<br />
Quelle: Bank Sarasin<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 23
durchschnittliche Ressourcenverbrauch? Wie hoch sind die Emissionen?<br />
Welches sind die Konfliktpotenziale? Je tiefer das Branchen-Rating ausfällt<br />
und je höher also die ökologischen und sozialen Auswirkungen und<br />
somit die potenziellen Risiken sind, desto höher liegt die Eintrittsschwelle<br />
für das Portfolio (siehe Abbildung; S. 23). Aufbauend auf den Erkenntnissen<br />
der Branchenanalyse wird in einem zweiten Schritt das konkrete Verhalten<br />
der Unternehmen analysiert: Wie hoch ist die Energie- und<br />
Material intensität des Unternehmens? Setzt das Unternehmen auf<br />
erneuer bare Ressourcen? Wie managt ein Unternehmen seine Beziehungen<br />
zu Lieferanten, Öffentlichkeit und Mitarbeitern? Die Kombination aus<br />
Branchen- und Unternehmens-Rating führt zu einer Positionierung in der<br />
eigens hierfür entwickelten Sustainability-Matrix.<br />
Keine abstriche bei der Wertentwicklung<br />
Es gibt Anleger, die befürchten, dass Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage<br />
Rendite kostet. Zwar lassen sich in der Theorie hierfür Argumente finden,<br />
in der Praxis haben diese jedoch wenig Relevanz. So weist gemäß Markowitz<br />
jedes weitere Wertpapier, das mit den anderen nicht zu 100 Prozent<br />
korreliert, eine risikomindernde Wirkung auf. Doch angesichts der<br />
Tatsache, dass der Grenznutzen zusätzlicher Wertpapiere ab 25 Aktien<br />
stark zurückgeht und ab 60 Titeln gegen null tendiert, ist dieses Argument<br />
theoretisch richtig, in der Praxis jedoch nicht relevant. Entsprechend analysieren<br />
und halten die meisten Fondsmanager nur eine begrenzte Anzahl<br />
Aktien. Je nach Fonds beträgt diese zwischen 50 und 100. Das heißt, in<br />
der Praxis schränkt ein Fondsmanager das Anlageuniversum ohnehin<br />
massiv ein. Es kommt also darauf an, wie er dies tut. Eben hier zeigen<br />
sich die Vorteile der nachhaltigen Geldanlage, denn ein risikoarmes Portfolio<br />
lässt sich besser aus einem nachhaltigen Anlageuniversum erstellen<br />
als aus dem Gesamtuniversum. Hierfür gibt es mittlerweile auch immer<br />
mehr empirische Evidenz. Erst im Februar 2013 hat das Research Center<br />
for Financial Services der Steinbeis-Hochschule in Berlin eine Metastudie<br />
zur Analyse der Performance-Unterschiede zwischen nachhaltigen und<br />
traditionellen Kapitalanlagen publiziert. Die Autoren kamen zum Schluss,<br />
dass nachhaltige Geldanlagen kein schlechteres Rendite-Risiko-Profil<br />
aufweisen als traditionelle Anlagen. Dies ist derselbe Befund, der zuvor<br />
schon aus den Metastudien des Investment-Consultants Mercer und der<br />
schwedischen Pensionskasse AP7 hervorging.<br />
Doch auch jenseits akademischer Auswertungen leuchtet es ein, dass<br />
nur jene Unternehmen (respektive Aktien), die Rohstoffe effizient nutzen,<br />
umweltverträglich produzieren, ordentlich mit Menschen umgehen und<br />
keine unkalkulierbaren finanziellen Risiken eingehen, eine vielversprechende<br />
und damit ertragreiche Zukunft haben.<br />
24 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
Nachgefasst bei Christian Mosel<br />
der Begriff „nachhaltigkeit“ ist recht schwammig.<br />
Braucht es eine eindeutige und klare definition,<br />
damit in deutschland mehr investoren nachhaltig<br />
investieren?<br />
Diese Kritik hören wir immer wieder. Aber Nachhaltigkeit<br />
muss etwas „schwammig“ sein, weil wir uns zwar alle auf<br />
dieses gemeinsame Ziel einigen können, doch die konkrete<br />
Bedeutung und der Weg dorthin auch in Politik,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft erst noch erarbeitet und ausgehandelt<br />
werden müssen. Die gleiche Bedeutungs vielfalt<br />
haben ja auch solche Begriffe wie „Freiheit“ oder „Gerech-<br />
tigkeit“. Gerade die Vielfalt erlaubt es, dass Anleger das<br />
für sie passende Konzept aussuchen können.<br />
engagement beziehungsweise stimmrechtsausübung<br />
ist ein ansatz, der unter investoren an Beliebtheit<br />
gewinnt. Wir groß ist der einfluss, den investoren<br />
auf unternehmen tatsächlich nehmen?<br />
Wenn der Investor nicht gerade der norwegische Ölfonds<br />
ist, ist der Einfluss natürlich eher begrenzt. Dieses Bild<br />
ändert sich aber sehr schnell, wenn verschiedene<br />
<strong>institutionell</strong>e Investoren bei der Analyse von öko logischen,<br />
sozialen und Governance-Themen zum gleichen Ergebnis<br />
kommen und entsprechend abstimmen. Gerade dann<br />
kann sich das Blatt entsprechend schnell wenden.<br />
Beispiele für diesen zunehmenden Einfluss liefern verschiedene<br />
Generalversammlungen in der Schweiz, bei<br />
denen die Vergütungssysteme des Managements abgelehnt<br />
wurden. Hilfreich ist hier zum Beispiel auch die<br />
Plattform der UN Principles for Responsible Investments.<br />
Welche auswirkung hat nachhaltigkeit auf die<br />
rendite und das risiko? lässt sich damit extraalpha<br />
erzeugen? und wirkt dieses extra-alpha eher<br />
nach unten oder nach oben?<br />
Diese Frage wurde in den letzten Jahren intensiv untersucht,<br />
und das Ergebnis ist – für solche statistischen<br />
Unter suchungen am Finanzmarkt – recht eindeutig: Sicher<br />
ist, dass Nachhaltigkeit keine Rendite kostet. Ein beachtlicher<br />
Teil der Studien kommt sogar zu dem Schluss, dass<br />
sich Nachhaltigkeit positiv auf die Rendite auswirkt und<br />
sogar Risiken senken kann.<br />
Christian Mosel, Bank Sarasin
Der Weg des Evangelischen Johannesstift Berlin<br />
zu einer risikoadjustierten nachhaltigen investmentpolitik<br />
Voraussetzung für den risikoadjustierten ethisch-nachhaltigen Investmentansatz<br />
ist eine umfassende Definition dessen, was die Stiftung unter<br />
einem nachhaltigen Investment versteht. Die Begrifflichkeit „Nachhaltigkeit“<br />
wird in diesem Kontext für das Evangelische Johannesstift grundsätzlich,<br />
und das auf verschiedenen Ebenen beleuchtet. Die Hauptebene<br />
stellt hierbei die Arbeit der Stiftung in ihrer Gesamtheit dar. Abgeleitet davon<br />
wird Nachhaltigkeit in Bezug auf den verantwortungsvollen Umgang<br />
mit den anvertrauten Stiftungsmitteln definiert.<br />
Nachhaltiges Handeln ist fest in den Leitsätzen der Stiftung verankert und<br />
wird im täglichen Leben und den konkreten Anlageentscheidungen umgesetzt.<br />
Es wird besonderen Wert auf einen schonenden Ressourcenumgang<br />
innerhalb der Stiftung und ihrer Tochtergesellschaften bis hin zur<br />
Energienutzung, Produktion und Transport gelegt.<br />
aufgabe des Vermögensmanagements: Zukunftssicherung<br />
Hinsichtlich der Investments der Stiftung wurde in einem breiten Kreis der<br />
Konsens erarbeitet, dass nachhaltige Investments die gleichen Renditen<br />
bei einer vergleichbaren Risikostruktur erzielen sollen wie klassische<br />
magisches tetraeder<br />
Sicherheit/Risiko<br />
(Sicherheit)<br />
Von Jens Güldner,<br />
Leiter Vermögensmanagement, Evangelisches Johannesstift Berlin<br />
Ethik/Nachhaltigkeit<br />
Rendite/Ertrag<br />
(Rentabilität)<br />
Liquidität<br />
Investments. Darüber hinaus sollen sie die stete Gewähr bieten, dass die<br />
Arbeit der Stiftung in ihrer Gesamtheit dauerhaft gesichert ist. Zur nachhaltigen<br />
Sicherung der Stabilität der Stiftung wird dem Vermögensmanagement<br />
die Aufgabe der Zukunftssicherung der Stiftung sowie der<br />
Refinanzierung der Stiftungsaufgaben zugeordnet.<br />
nicht nur finanztechnisch optimieren<br />
In einem breiten Diskussionsprozess wurden zunächst die Grundbegrifflichkeiten<br />
für eine nachhaltige Anlagepolitik (ethisch, sozial und ökologisch)<br />
definiert. Dann entschloss sich die Stiftung, die Vermögensverwaltungsstruktur<br />
nicht ausschließlich finanztechnisch zu optimieren, sondern sie<br />
auf ein neues Fundament zu stellen. Neben quantitativen Finanzkennziffern<br />
sollten nun qualitative, das heißt wertegetriebene Faktoren, Berücksichtigung<br />
finden.<br />
Auf Basis unserer Begriffsbestimmung von Nachhaltigkeit galt es einen<br />
Weg zu definieren, um eine entsprechende ethisch-nachhaltig geprägte<br />
Investmentphilosophie umsetzen zu können. Das bezieht sich sowohl auf<br />
die Ebene der Investmentstruktur als auch auf die Produktebene.<br />
integriertes Zukunftsmodell<br />
Quelle: Evangelisches Johannesstift<br />
<strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013 25
Die Umsetzung eines streng risikoadjustiert geführten nachhaltigen<br />
Investment prozesses hat zunächst mit dem einfachen Vergleich von konventionellen<br />
mit nachhaltigen Anlagen einer vergleichbaren Asset-Klasse,<br />
Kategorie und Risikostruktur begonnen. Es folgte eine ausführliche Testphase<br />
zur Schaffung eines einheitlichen Standards des nachhaltigen<br />
Managements der eigenen Investmentlösung „EJS Stiftungsfonds“, einschließlich<br />
des umfassenden, laufenden und zweimal pro Jahr durchgeführten<br />
Ratings durch eine anerkannte Nachhaltigkeits-Rating-Agentur:<br />
Oekom Research.<br />
Schließlich ist die Stiftung nun in der Lage, eine ausführliche Aussage in<br />
Bezug auf die Einhaltung nachhaltiger Kriterien auf Einzeltitelebene zu erhalten.<br />
Der EJS Stiftungsfonds ist ein Spezialfondsmandat, das für die<br />
strategische Anlage der Liquidität des Evangelischen Johannesstifts<br />
sowie seiner Tochtergesellschaften aufgelegt wurde. Der Fonds wurde für<br />
weitere Stiftungen des Stiftungszentrums Evangelisches Johannesstift<br />
sowie Stiftungen und gemeinnützige Vereine darüber hinaus für ein Investment<br />
geöffnet – Pooling von Stiftungsvermögen nach Nachhaltigkeitskriterien.<br />
Produktauswahl<br />
Um die anvertrauten Stiftungsmittel möglichst optimal anzulegen, stellt<br />
sich die Stiftung vor jedem Investment folgende Fragen:<br />
– sicherheit: Wie geht das investierte Geld möglichst nicht verloren?<br />
– liquidität: Ist das investierte Geld auch verfügbar, wenn es im Prozess<br />
des Liqui ditäts managements der Stiftung als Zahlung benötigt wird?<br />
– rendite: Welche Rendite kann die Stiftung bei der Geldanlage<br />
kalkulieren?<br />
26 <strong>portfolio</strong> plattform: Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage Juni 2013<br />
– ethik und nachhaltigkeit: Wie kommt die geplante Rendite der Geldanlagen<br />
zustande? Welche Aktivitäten werden mit der Geldanlage<br />
unterstützt? Wird die Rendite realwirtschaftlich oder durch bloße<br />
Spekulation erreicht? Sind die Unternehmen und/oder Staaten, in die<br />
die Stiftung Stiftungsmittel investiert, nachhaltig orientiert beziehungsweise<br />
aufgestellt?<br />
Um diese Kriterien gut zu beurteilen und auch in Einklang zu bringen, hat<br />
das Vermögensmanagement der Stiftung alle Kategorien in Beziehung<br />
zueinander gesetzt. So entsteht aus dem klassischen, magischen Dreieck<br />
– Risiko, Rendite und Liquidität – unser „magisches Tetraeder“ (siehe<br />
Abbildung; S. 25). Bei jeder Kapitalanlage gewichtet die Stiftung die Kriterien<br />
„Sicherheit“, „Liquidität“ und „Rendite“ risikoadjustiert so zueinander,<br />
dass das mit der Anlage der Liquidität der Stiftung verbundene Ziel bestmöglich<br />
erreicht wird.<br />
Zusammenfassung<br />
Bei der Anlage der anvertrauten Vermögenswerte der Stiftung besteht der<br />
Zielkonflikt im klassischen Sinn in einer Abwägung des Risikos zur erwarteten<br />
Rendite, bei Beachtung der Liquiditätserfordernisse der Stiftung zur<br />
Ausübung der Stiftungstätigkeit. Bei Einbeziehung der Komponente<br />
„Ethik und Nachhaltigkeit“ in den Prozess des Vermögensmanagements<br />
der Stiftung verändert sich die bisherige zweidimensionale Betrachtung<br />
im magischen Dreieck zur drei dimensionalen Betrachtung im magischen<br />
Tetraeder. Die Einbeziehung von Ethik und Nachhaltigkeit in das Modell<br />
darf letztendlich aber nicht dazu führen, dass sich die Ergebnisse aus der<br />
Optimierung in der zwei dimensionalen Welt sichtlich verschlechtern.
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ISSN 1613-6772<br />
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am 30. August 2013.