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"ich nannte ihn Krawatte"<br />
Milena Michiko Flasar<br />
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.<br />
Vielleicht erzähle ich erst, worum es geht. In Japan<br />
lebt ein junger Mann, der sich scheinbar schon jahrelang<br />
nur in seinem Zimmer aufhält, ein Hikikomori,<br />
wie sie in Japan genannt werden. Er vermeidet den<br />
Kontakt zu seinen Eltern, ist vollkommen abgeschnitten<br />
vom täglichen Leben. <strong>Das</strong> Buch beginnt, als er<br />
sich an einem Tag in den Park begibt, einem Ort,<br />
der vor Anonymität wimmelt und deshalb perfekt für<br />
seinen Ausflug ist.<br />
Eher zufällig kommt es nach Wochen zu einem<br />
Gespräch mit dem um Längen älteren Mann, der<br />
schlicht „Krawatte“ genannt wird. Beide Männer<br />
sind nicht so wie die Norm es verlangt, sie lehnen<br />
sich durch das Nichtstun auf. <strong>Das</strong> Buch erzählt die<br />
Geschichten dieser beiden Personen und konzentriert<br />
sich vor allem auf den jungen Taguchi Hiro.<br />
Milena Michiko Flašar ist, nicht fern von Krems,<br />
in St. Pölten zur Welt gekommen, hat einen österreichischen<br />
Vater und eine japanische Mutter. „Ich<br />
nannte ihn Krawatte“ ist nicht ihr erstes Werk. „Ich<br />
bin“ und „Okaasan – Meine unbekannte Mutter“<br />
gingen schon voraus. Eine Nominierung für den<br />
Klaus-Michael-Kühne-Preis, ein dritter Platz beim<br />
Litarena-Literaturwettbewerb und zwei erste Plätze,<br />
einen beim Poetry Slam des Diskokombinats und<br />
einen beim 3. Litarena Litges Lounge, zeigen von<br />
ihrem Können.<br />
Ich möchte sagen, dass das Buch vermutlich nicht<br />
jedermanns Sache ist, wie es bei allen Dingen so ist,<br />
aber dass es für diejenigen ein Vergnügen ist, es zu<br />
lesen, die etwas von einer Geschichte davontragen<br />
möchten.<br />
Es gibt viele Aspekte dieses Buches, die man beleuchten<br />
könnte, wie zum Beispiel die einzelnen Geschichten<br />
der beiden Antihelden mit ihren Fehlern<br />
und Faszinationen oder die wunderbare Geschichte<br />
von „Krawattes“ Klavierlehrer.<br />
Aber ich möchte hier die Stelle erwähnen, die mir<br />
vom Buch am besten gefällt:<br />
„Pass auf, welches Alter du dir aussuchst. Es<br />
klebt an einem. Es klebt einen zu. <strong>Das</strong> Alter, das<br />
du dir aussuchst, ist wie Klebstoff, der sich um<br />
dich herum verhärtet.“<br />
Ich bin begeistert von dieser Stelle. Denn sie<br />
stimmt. Jeder/jede sucht sich ein Alter aus, in welchem<br />
er/sie feststeckt, sein/ihr ganzes Leben lang.<br />
Wichtig ist nur, sich das richtige auszusuchen. Ich<br />
liebe es zu sagen, dass ich gleichzeitig fünf und fünfzig<br />
bin.<br />
Stephanie Tastel<br />
BILD: http://www.danteconnection.de/milena-michiko-flasar-ich-nannte-ihn-krawatte/2012/03/