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Claude Bitot

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Gemäss Dézamay sollten „industrielle Armeen“ aufgestellt werden, um überall<br />

Gemeinschaften, sogenannte „palais sociaux“, materiell auszustatten. Diese sollten<br />

aus 10000 Personen bestehen, hätten also menschliches Mass, und wären<br />

landwirtschaftlich und industriell tätig, wodurch der Gegensatz zwischen Stadt und<br />

Land aufgehoben würde. Dieses Projekt hatte wahrlich nichts mit dem<br />

nachmaligen „sozialistischen Aufbau“ der Stalinisten zu tun, der auf eine<br />

Verstädterung des Landes nach dem Vorbild der westlichen Grosstädte hinauslief.<br />

Fourier, welchen Dézamy viel zitiert, war der erste gewesen, der<br />

„Phalanstères“ 12 errichten wollte, die solche industriellen Arbeiten verrichten<br />

sollten. Fourier bedauerte, dass „während Millionen von Jahren, seit die Menschen<br />

die Erde bevölkern, diese so nackt, so menschenleer (sie haben seither aufgeholt!)<br />

geblieben sei. Er sah die Aushebung einer Million industrieller Athleten aus 50<br />

unitären Republiken vor, deren jede 20000 Menschen stellen sollte. Dézamy greift<br />

diese Idee zur Errichtung des Kommunismus auf: „Industrielle Armeen werden“,<br />

schreibt er, „überall auf der Welt organisiert werden, um gewaltige Kulturarbeiten<br />

zu verrichten: Aufforstungen, Bewässerungen, Kanalisationen, Eisenbahnbauten,<br />

Eindämmungen von Flüssen und Gewässern usw.“ Ein immenses Unternehmen<br />

also. Doch spielt das keine Rolle, Hauptsache ist, es werde sich in Heiterkeit<br />

abspielen, da man es nicht mit Sklaven und Lohnabhängigen zu tun hat, die nur<br />

daran denken, der Arbeit auszuweichen“.<br />

„Mit Hilfe der industriellen Armeen werden gigantische Arbeiten zum Spiel,<br />

zum Vergnügen“, sagt Dézamy, der sich da von Fourier hinsichtlich der<br />

Festlichkeit der Atmosphäre beeinflussen lässt. „Der ganze Feldzug verläuft ebenso<br />

sehr in Zerstreuung, wie in anstrengender Arbeit ab; es gibt Zeiten starker<br />

Beanspruchung, die aber mit ebenso grossen, rauschenden Festen nach Massgabe<br />

des Fortschritts des Werkes abwechseln.“ Nun, diese idyllische Vision der<br />

Errichtung der materiellen Grundlagen des Kommunismus, die wie im Traum<br />

ablaufen soll, ist bei Dézamy Teil einer Verführungsstrategie: Er möchte für sein<br />

kommunistisches Projekt die damalige grosse Masse der Kleinproduzenten<br />

gewinnen, er möchte sie glauben machen, es sei alles leicht zu verwirklichen, und<br />

verspricht mit seinem Kommunismus weiss was für Wunder, ja eine Vorahnung<br />

des Paradieses auf Erden. 13 Der stalinistische „Sozialismus“ schlug zur Belebung<br />

der Perspektive einer „strahlenden Zukunft“ ähnliche Töne an, nur ging es ihm um<br />

12 Diese „Phalanstères“ hatten wenig mit dem Kommunismus zu tun. Fourier konzipierte sie in Form von<br />

Aktiengesellschaften, worin jeder Gesellschafter als Eigentümer am guten marktlichen Florieren der sogenannten<br />

Phalanstères interessiert wäre: 4/12 des Profites sollte an das Kapital gehen, 5/12 an die Gesellschafter der<br />

Aktiengesellschaft, 3/12 werden zur Belohnung ihrer verschiedenen besonderen Talente vergeben. So würde<br />

jedermann pro rata der Beteiligung am Kapital und, gemäss saint-simonistischer Idee, für seine „Werke“ und<br />

„Fähigkeiten“ entschädigt. Über eine blosse „sozialistische Utopie“ hinaus hat Fouriers Projekt einen<br />

verführerischen Anstrich. So schlägt er vor, in jeder Phalanstère 1620 Gesellschafter (Fourier ist da immer sehr<br />

präzis) zu vereinen, welche die verschiedenen leidenschaftlichen Hingezogenheiten repräsentieren, welche das<br />

menschliche Geschlecht ausmachen: in der Folge Kitzel genug, für eine Vielzahl von „anti-konformistischen“<br />

Intellektuellen und Künstlern vom Typ „Surrealisten“ und „Situationisten“. . .<br />

13 „Bei solchen Ergebnissen, so fühlbaren, wunderbaren und erfreulichen, ist es da nicht vorstellbar, dass sich viele<br />

Menschen, viele Arbeiter, Kleinkrämer, Kleinbauern und sogar kleine Unternehmen finden, die nicht mehr einfach<br />

„Utopie!“ rufen und an der Verwirklichung zweifeln? Wird sich diese Masse nicht eher ganz auslöschen lassen, als<br />

auf dieses irdische Paradies einhellig verzichten, an dem sie einen Moment lang hätte teilhaben können? . . .“ „Code<br />

de la communauté“, o.c., Seiten 291-292<br />

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