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Claude Bitot

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Stunden an alle Ecken der Erde fliegen, grandiose Stadien und ein<br />

Informationsnetz, mit dem man in Sekundenschnelle den Kontakt mit der<br />

Rückseite des Planeten herstellt und sich via Internet, diesem phantastischen<br />

Spielzeug, über alles informieren kann. Wäre unter diesen Bedingungen das<br />

marxistische Ziel des Kommunismus auf der Basis der vollen Entwicklung der<br />

Produktivkräfte nicht endgültig auf die Tagesordnung zu stellen?<br />

Vom Moment an, wo es ganz offensichtlich wurde, dass der Kapitalismus nun<br />

den Produktivkräften einen neuen aufsehenerregenden Impuls gab, der bis zur<br />

Einführung der Automation im Produktionsprozess ging, glaubten viele, die sich<br />

für die Avantgarde hielten, es eröffne sich eine neue Perspektive.<br />

Herbert Marcuse war einer der ersten, der das erfasste. In seinem Buch „Der<br />

eindimensionale Mensch“, 1964 erschienen, schrieb er: „Die industrielle<br />

Gesellschaft ist nahe am Punkt, wo, wenn der Fortschritt weitergeht, Richtung und<br />

Organisation des gegenwärtigen Fortschritts eine gewaltige Umwälzung erfahren<br />

werden. Dieser Zeitpunkt wird eintreten, sobald die materielle Produktion und die<br />

notwendigen Dienstleistungen in einem Grade automatisiert sein werden, dass alle<br />

vitalen Bedürfnisse mit minimalem Zeitaufwand befriedigt werden können. Auf<br />

dieser Ebene übersteigt der technische Fortschritt den Bereich der Notwendigkeit,<br />

wo man aus ihm ein Herrschafts- und Ausbeutungsmittel machen konnte und<br />

damit seine Rationalität beschränkte. Die Technologie wird dem freien Spiel der<br />

Möglichkeiten im Kampf für die Befriedung von Natur und Gesellschaft anheim<br />

gestellt sein.“ 35 Marcuse sah in dem, was er „fortgeschrittene Industriegesellschaft“<br />

nannte, einen „explosiven Katalysator“ und schloss, dass „wenn es eine<br />

vollständige Automation im Bereich der Notwendigkeit gäbe, der Mensch<br />

Nutzniesser von Freizeit in einem Masse würde, dass er endlich seinem privaten<br />

und gesellschaftlichen Leben eine Form geben könnte“.<br />

In derselben Zeit konnte man in Nr. 1 der „Internationale situationniste“<br />

(1958) aus der Feder von Asger Jorn lesen „Die Automation steht nun im Zentrum<br />

des Problems der sozialistischen Herrschaft über die Produktion und der<br />

Vorherrschaft der Freizeit über die Arbeitszeit“. Einige Zeit danach setzte ein<br />

anderer Situationist, R. Vaneigem, „die Forderung nach einer Gesellschaft in den<br />

Vordergrund, in der die Phantasie des Traumes über die ganze technische<br />

Gerätschaft verfügt, die es heute gibt, um ihn zu verwirklichen“. Dazu sollte es an<br />

nichts fehlen: „Recht auf die materielle notwendige Ausstattung zur Verwirklichung<br />

seiner Wünsche, Recht auf Kreativität, Recht auf die Eroberung der Natur“; ein<br />

solches Programm präsentierte sich als die „neuen Menschenrechte“. 36<br />

1981 betonte die englische Gruppe „Weltsozialismus“, dass „dank des<br />

Kapitalismus die Technologie und die Produktion ein Niveau erreicht haben, das<br />

erlaubt, Überfluss für alle zu produzieren. Eine Gesellschaft des Überflusses ist seit<br />

langem technologisch möglich und sie bildet die materielle Grundlage zum Aufbau<br />

35 „Der eindimensionale Mensch“; Übersetzung nach der französischen Ausgabe des Buches, 1964, S. 40-41<br />

36 Zitiert von J.M. Mandosio, in „Dans le chaudron du négatif“, Paris, Edition de l’Encyclopédie des nuisances“,<br />

2003, Seite 42<br />

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