28.10.2013 Aufrufe

slow.ch Spezialausgabe No. 6/2011 - Messe Stuttgart

slow.ch Spezialausgabe No. 6/2011 - Messe Stuttgart

slow.ch Spezialausgabe No. 6/2011 - Messe Stuttgart

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Presidio<br />

Furmagin da Cion<br />

Der «Käse vom S<strong>ch</strong>wein» ist eine fast vergessene Pus<strong>ch</strong>laver Spezialität.<br />

In der Macelleria Scalino wird sie als Slow Food-Produkt hergestellt.<br />

Jede Familie<br />

hatte ihr eigenes<br />

Rezept. Und das<br />

war geheim.<br />

Kontakt<br />

Macelleria Scalino<br />

Sandro Mar<strong>ch</strong>esi<br />

7745 Li Curt<br />

Tel. 081 844 02 67<br />

www.scalino.<strong>ch</strong><br />

W<br />

eit ist die Reise ins Pus<strong>ch</strong>lav,<br />

den äussersten Zipfel der<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Aber es lohnt si<strong>ch</strong>,<br />

ni<strong>ch</strong>t nur wegen der atemberaubenden<br />

Bergwelt, sondern au<strong>ch</strong> aus ganz profanen<br />

kulinaris<strong>ch</strong>en Gründen. Die Kü<strong>ch</strong>e<br />

des italienis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Bündnerlandes<br />

bietet alles, was Bau<strong>ch</strong> und Seele<br />

nährt. S<strong>ch</strong>on der Furmagin da Cion ist<br />

allein eine Reise wert.<br />

Die Kü<strong>ch</strong>e des Südgraubündens war<br />

eine Cucina povera; man liess ni<strong>ch</strong>ts<br />

verlorengehen. Vor allem wurde ni<strong>ch</strong>ts<br />

vers<strong>ch</strong>wendet. Aus dieser <strong>No</strong>twendigkeit<br />

heraus entstand au<strong>ch</strong> der «Käse<br />

vom S<strong>ch</strong>wein» – eine Pastete, die früher<br />

der Restenverwertung diente.<br />

vor dem vergessen bewahrt<br />

«Min<strong>ch</strong>a trat ha sia sas<strong>ch</strong>un», lautet ein<br />

rätoromanis<strong>ch</strong>es Spri<strong>ch</strong>wort: Jede<br />

Speise hat ihre Jahreszeit. So au<strong>ch</strong> der<br />

Furmagin da cion. Wenn eimal im Jahr<br />

der Störmetzger von Hof zu Hof ging,<br />

war das immer ein grosses Fest für die<br />

ganze Familie. Nebst den traditionellen<br />

Metzgete-Geri<strong>ch</strong>ten wie Blutwurst<br />

oder S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tplatte wurden in einigen<br />

Pus<strong>ch</strong>laver Familien au<strong>ch</strong> Resten, zum<br />

Beispiel Magen und Backen, mit Leber,<br />

Zwiebeln, Wein und Gewürzen<br />

gemis<strong>ch</strong>t und in einer grossen Holzform<br />

für Käse gebacken. Jede Familie<br />

hatte ihr eigenes, streng gehütetes<br />

Rezept.<br />

Der grosse Fleis<strong>ch</strong>ku<strong>ch</strong>en hielt dann<br />

au<strong>ch</strong> eine gute Wo<strong>ch</strong>e. Und wenn man<br />

si<strong>ch</strong> gegenseitig besu<strong>ch</strong>te, nahm man<br />

immer ein paar «tast» mit, etwas zum<br />

Probieren. So ass man ni<strong>ch</strong>t nur einmal<br />

im Jahr fris<strong>ch</strong>e Leberwürste oder<br />

Furmagin da Cion, sondern konnte si<strong>ch</strong><br />

über mehrere Wo<strong>ch</strong>en mit immer<br />

wieder fris<strong>ch</strong>en Köstli<strong>ch</strong>keiten die<br />

Seele wärmen. Am besten s<strong>ch</strong>meckte<br />

28<br />

der Furmagin da Cion no<strong>ch</strong> lauwarm.<br />

Für die Kinder war es immer eine<br />

besondere Belohnung, wenn sie davon<br />

ein Stück abkriegten.<br />

Mit dem Vers<strong>ch</strong>winden der Bauernbetriebe<br />

geriet au<strong>ch</strong> der Furmagin da<br />

Cion fast in Vergessenheit. Zwar gab es<br />

den einen oder anderen Metzger, der<br />

diese Pastete herstellte, aber eher mit<br />

mässigem Erfolg.<br />

Vor ein paar Jahren nahm si<strong>ch</strong> der<br />

junge Sandro Mar<strong>ch</strong>esi dieser alten<br />

Spezialität an. Zusammen mit Reto<br />

Raselli, der in Le Prese S<strong>ch</strong>weine in<br />

Bioqualität zü<strong>ch</strong>tet, und Mi<strong>ch</strong>ele<br />

Bran<strong>ch</strong>i, dem S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ter, hat er die<br />

Rezeptur lei<strong>ch</strong>t überarbeitet. Die<br />

früher verwendeten Hausweine waren<br />

für das heutige Ges<strong>ch</strong>macksempfinden<br />

zu säuerli<strong>ch</strong>. Die drei haben intensiv<br />

na<strong>ch</strong> den besten lokalen Zutaten<br />

gesu<strong>ch</strong>t – ausser dem Pfeffer kommt<br />

alles aus der Region –, um aus dieser<br />

traditionell eher rustikalen Spezialität<br />

eine wahre Delikatesse zu ma<strong>ch</strong>en,<br />

eine rustikale Delikatesse.<br />

Hergestellt werden die Pasteten<br />

au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> in aufwändiger<br />

Handarbeit. Sie wiegen rund 300<br />

Gramm und sind somit einiges kleiner,<br />

als die ursprüngli<strong>ch</strong>en es waren. Vor<br />

dem Backen werden sie jedo<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

wie vor in ein S<strong>ch</strong>weinsnetz eingewickelt.<br />

Genossen wird der Furmagin da<br />

Cion heute meistens kalt, am besten<br />

dünn aufges<strong>ch</strong>nitten, mit einem<br />

fris<strong>ch</strong>en Stück Pus<strong>ch</strong>laver Ringbrot<br />

(mit Anis) und einem Glas Pus<strong>ch</strong>laver<br />

Rotwein. Die dünnen S<strong>ch</strong>eiben passen<br />

aber au<strong>ch</strong> bestens zu einem Risotto<br />

verde mit Krautstiel.<br />

Erhältli<strong>ch</strong> ist der Furmagin da Cion<br />

nun aber das ganze Jahr über, au<strong>ch</strong><br />

wenn er vermutli<strong>ch</strong> im Herbst und<br />

Winter am besten s<strong>ch</strong>meckt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!