risikowahrnehmung und dialogbereitschaft ausgabe ... - transparent
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Sie kennen die Bilder. Als vor r<strong>und</strong> einem Jahr ein Tsunami am<br />
zweiten Weihnachtstag unvorbereitet auf die Küste Thailands trifft,<br />
steht die Welt kopf. R<strong>und</strong> eine viertel Million Menschen in acht<br />
asiatischen Staaten werden von den meterhohen Wassermassen getötet.<br />
Dieses Ereignis löst eine bis dahin nie da gewesene kollektive<br />
Spendenbereitschaft aus. Fast jeder, der in den Medien darüber<br />
gehört oder gelesen hat, will irgendwie helfen.<br />
Wenige Monate nach der Tsunami-Katastrophe steigen die Aktienwerte<br />
des Pharmakonzerns Roche sprunghaft an. Roche ist Produzent<br />
eines Neuraminidase-Hemmers, der für die Therapie der<br />
echten durch Influenza-A- oder Influenza-B-Viren ausgelöste Virusgrippe<br />
(Influenza) zugelassen ist. Der Markenname des Medikaments:<br />
Tamiflu. ® Und obwohl es in Deutschland der ärztlichen<br />
Verschreibungspflicht unterliegt, findet quasi ein Ausverkauf dieses<br />
Arzneimittels statt. Der Gr<strong>und</strong> für die Hamsterkäufe:Viele haben<br />
persönlich Angst vor der Vogelgrippe (H5N1) <strong>und</strong> wollen sich <strong>und</strong><br />
ihre Familie gegen die drohende Seuche wappnen.<br />
Millionenspenden <strong>und</strong> Panikkäufe sind letztlich die Folgen einer<br />
umfassenden <strong>und</strong> allgegenwärtigen medialen (Nachrichten-)Berichterstattung,<br />
die auch, gewollt oder ungewollt, an Sehnsüchte <strong>und</strong><br />
Ängste appelliert. Daran besteht kaum Zweifel. Sie sind aber auch<br />
Belege dafür, wie verzerrt die Welt unter Einfluss des medialen<br />
Dauerbeschusses wahrgenommen wird.Wer hat schon vor Augen,<br />
Wer schreibt in <strong>transparent</strong>?<br />
Alles begann im November 1996. Damals lud die Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Konfliktberatung Jakubowski einen<br />
sehr heterogenen Kreis von Wissenschaftlern, Politikern,<br />
Journalisten, Umweltschützern <strong>und</strong> Industrievertretern<br />
dazu ein, in einem Dialogprozess kritisch-konstruktiv<br />
über die Zukunftsfähigkeit des Kunststoffes<br />
PVC zu streiten. Als Sponsor trat die Arbeitsgemeinschaft<br />
PVC <strong>und</strong> Umwelt e.V. (AgPU) auf, die Moderation<br />
hatte Gerhard Jakubowski. Der Versuch glückte. Er gebar<br />
nach einem über zweijährigen Sitzungsmarathon u.a.<br />
eine gemeinsam mit Prognos erarbeitete Studie mit dem<br />
komplizierten Titel „PVC <strong>und</strong> Nachhaltigkeit – Systemstabilität<br />
als Maßstab/Ausgewählte Produktsysteme im<br />
Vergleich“, vor allem aber eine Art des Disputs, die als<br />
vorbildlich für die Bewältigung gesellschaftlich strittiger<br />
<strong>transparent</strong> 03<br />
dass viele der Spendengelder die Tsunami-Opfer nicht erreichen,<br />
weil korrupte Politiker <strong>und</strong> unkoordinierte Hilfsmaßnahmen effektive<br />
Rettungs- <strong>und</strong> Wiederaufbau-Aktionen verhindern? Dass die<br />
Vogelgrippe noch immer eine Tierkrankheit ist, die sich nicht von<br />
Mensch zu Mensch überträgt – <strong>und</strong> jede „normale“ Grippewelle<br />
vergleichsweise um ein Vielfaches bedrohlicher ist?<br />
Was verloren zu gehen droht, ist das rechte Augenmaß. Unsummen<br />
werden an die Tsunami-Opfer gespendet, während ein<br />
Großteil der Bevölkerung sich zu wenig um die eigene Altersversorgung<br />
kümmert. In Kühlschränken stapelt sich Tamiflu, ® deren<br />
Besitzer ohne Helm mit dem Fahrrad fahren.<br />
Wer in schwierigem Gelände Orientierung finden will, braucht<br />
angemessene Zeit – für das Aufarbeiten von Eindrücken <strong>und</strong><br />
Informationen. Wer heutzutage seine Position finden möchte,<br />
braucht ebenfalls Zeit – um Meinungen <strong>und</strong> Lebensmodelle zu<br />
überdenken <strong>und</strong> den täglichen Informationsfluss an Neuigkeiten<br />
mit eigenen Erfahrungen <strong>und</strong> Erinnerungen zu vergleichen. Um<br />
Nach-Denken zu können <strong>und</strong> vor allem: um nachzufragen. Bei<br />
Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten, bei Autoren <strong>und</strong> Redaktionen. Die<br />
„Macher“ von <strong>transparent</strong> wollen zum Nach-Denken anregen <strong>und</strong><br />
stehen für Nach-Fragen gerne zur Verfügung.<br />
Thomas Kamp<br />
Fragen gelten darf. Deshalb lebt die Klausurenreihe fort<br />
<strong>und</strong> arbeitet inzwischen eine Themenvielfalt auf, die längst<br />
über den ursprünglichen Rahmen hinausgeht. Der Verband<br />
Kunststofferzeugende Industrie (VKE), die Deutsche Gesellschaft<br />
für Kunststoff-Recycling mbH, der Verband der<br />
Backmittel- <strong>und</strong> Backgr<strong>und</strong>stoffhersteller (BVB) e.V. sowie<br />
die Vattenfall Europe Waste to Energy GmbH haben sich<br />
inzwischen in eigenen Klausurreihen ebenfalls auf diese Art<br />
des Dialogs eingelassen. Die AgPU sponsert die Her<strong>ausgabe</strong><br />
des vorliegenden Heftes, das Referenten <strong>und</strong> Teilnehmer<br />
der Klausurenreihen abseits des medialen Mainstreams<br />
zu Wort kommen lässt <strong>und</strong> mehr als 2.000 Meinungsbildner<br />
aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Medien <strong>und</strong><br />
NGO`s erreicht. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> fast schon eine<br />
Selbstverständlichkeit: Die Beiträge der Autoren decken<br />
sich nicht immer mit der Meinung der Herausgeber...