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Integrationsjournal Mai 2013 - Lehrerweb

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I-JOURNAL<br />

Der Stadtschulrat für Wien informiert<br />

<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

2


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Inhalt<br />

Vorwort ...................................................................................................................................................5<br />

Erinnerung an eine einmalige Wegbegleiterin ........................................................................................6<br />

Friedrichsplatz - inklusive Zeitreise ........................................................................................................8<br />

Bericht über die Integration von hörbehinderten Kindern<br />

im BRG 7 in der Zeit von 2005 bis <strong>2013</strong>...............................................................................................10<br />

„Mädchen lesen Pferdebücher,<br />

Buben lesen Bücher über Fußball?“ .....................................................................................................14<br />

„Mama, der Radfahrer hat auch PFADE gemacht.“<br />

„Du Papa, gell, der Opa kennt PFADE aber nicht.“ ..............................................................................16<br />

Autismus und Arbeit am Pferd ..............................................................................................................22<br />

Besser könnt es nicht laufen ................................................................................................................26<br />

Das Projekt „Schneetiger“ der Laureus Stiftung ..................................................................................28<br />

HOPE (Hospital Organisation of Pedagogues in Europe) .......................................................................31<br />

Roundup of Project 123 .......................................................................................................................34<br />

Die erste Bilderausstellung ...................................................................................................................37<br />

Erfolgreicher Berufseinstieg von Michael Zobl .....................................................................................41<br />

Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung....................................................................44<br />

Migrationshintergrund und Berufswahl –<br />

sind das Themen in einer 4. Volksschulintegrationsklasse? ................................................................50<br />

Wie das I-Journal zu seinem neuen Namen kam ... .............................................................................53<br />

Leserbriefe............................................................................................................................................54<br />

Liebe Leserin! Lieber Leser! .................................................................................................................55<br />

3


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

4


Sehr geehrter Leser!<br />

Sehr geehrte Leserin!<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Vorwort<br />

Herzlich willkommen in unseren neuesten Ausgabe des I-Journals. „I“ steht für Integration, Inklusion und<br />

für individuelle Verbundenheit. Diese Begriffe bilden die Basis für eine grundsätzliche ethische Haltung im<br />

Umgang mit Mitmenschen.<br />

Zum Begriffspaar Integration und Inklusion: Es ist müßig, hier eine Unterscheidung zu treffen, auch wenn<br />

theoretische Überlegungen immer wieder Unterschiede konstruieren wollen. Ein typisches Muster solch<br />

theoretischer Auseinandersetzungen ist das Kritisieren von Integration als Form der Eingliederung von behinderten<br />

Menschen in die Gesellschaft der Normalität und die Gegenüberstellung von Inklusion mit dem<br />

Ziel, eine gesamtheitliche Gesellschaft zu formen, in der jeglicher Unterschied im Zeichen der Individualität<br />

steht. Aus diesem, sehr frei nach G.H.F. Hegel gedachten dialektischen Zirkelschluss kommt man nicht<br />

heraus. Eine weitere diskursive Entwicklung ist, so lange die Dialektik von Integration und Inklusion nicht<br />

überwunden werden kann, nicht möglich. Philosophisch betrachtet ist kaum etwas schwieriger zu beschreiben<br />

als jene Regeln, nach denen Normalität funktioniert. Für den interessierten Leser und die interessierte<br />

Leserin möchte ich hier auf Michel Foucault verweisen, der in seinen bahnbrechenden Arbeiten zu den<br />

„Normalitätsrichtern“ in seinem Buch „Überwachen und Strafen“ 1 viele Überlegungen dazu angestellt hat.<br />

Für die Wiener Schulen gilt jedenfalls, dass wir allen Kindern, gleich unter welchem Titel, die Förderung im<br />

Rahmen angemessener Möglichkeiten zukommen lassen, die sie brauchen und benötigen. Dafür stehen<br />

u. a. die Sonderpädagogischen Zentren. Gesamtvereinnahmende Prinzipien und Schlagwörter wie z.B. „Individualisierung“<br />

sind eher Fetische einer Pädagogik des Zeitgeistes – absolut gut gemeint, absolut richtig<br />

in der Zielvorstellung, klingen hervorragend, sind aber dafür unklar im praktischen Vollzug.<br />

„Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit<br />

zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ 2 Diese Festlegung von Immanuel Kant kann als<br />

universelle Vorgabe für ethisches Handeln betrachtet werden. Der Mensch ist als Zweck seiner selbst zu<br />

sehen. Mit dieser philosophischen Basis ist Individualität, unter Beachtung grundsätzlicher Freiheitsrechte,<br />

als Maßstab der Ethik anzulegen. In diesem Sinne ist der Begriff der Individualität philosophisch klar und<br />

kann jederzeit in der „Metaphysik der Sitten“ immer wieder aufs Neue entdeckt werden.<br />

Neu und diskussionswürdig ist auch die Studie von John Hattie, die am 23. April <strong>2013</strong> in deutscher Sprache<br />

veröffentlicht wurde: „Lernen sichtbar machen“. 3 Darin hat der neuseeländische Bildungsforscher in einer<br />

Arbeit, die über ein Jahrzehnt andauerte, sämtliche, in englischer Sprache verfügbaren Studienergebnisse<br />

zum Thema „Was macht guten Unterricht aus?“ analysiert und Schlussfolgerungen angestellt. Mehr als<br />

50.000 wissenschaftliche Einzeluntersuchungen wurden so auf Systemebene bearbeitet. Im Original heißt<br />

die Arbeit „Visible Learning“ und ihr wurde in den letzten vier Jahren im englischen Sprachraum höchste<br />

Beachtung geschenkt. Es ist zu erwarten, dass auch bei uns Diskussionen starten und andauern werden.<br />

Zum Diskurs bereit ist jedenfalls dafür auch das I-Journal.<br />

5<br />

Rupert Corazza<br />

Landesschulinspektor für Inklusion<br />

1 Michel Foucault, Überwachen und Strafen, die Geburt des Gefängnisses, suhrkamp taschenbuch wissenschaft.<br />

2 Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe Kant Werke IV, Walter de Gruyer 1968, S. 429, 10-12.<br />

3 John Hattie, Wolfgang Beywl, Klaus Zierer, Lernen sichtbar machen, Schneider Verlag Gmbh.<br />

Auflage: Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“ (23. April <strong>2013</strong>).


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Erinnerung an eine einmalige Wegbegleiterin<br />

Es war der ausdrückliche Wunsch Irenes, dass ich als ihr langjähriger Chef und<br />

pädagogischer Wegbegleiter nach ihrem Ableben auch etwas sage bzw. schreibe.<br />

Alle, die mich kennen, können sich vorstellen, dass mir das, betroffen vom „nicht<br />

mehr Dasein Irenes“, nicht leicht fällt, ich mache das aber im Sinne der Erfüllung<br />

eines Wunsches eines mir lieben Menschens natürlich trotzdem gerne.<br />

Ich möchte mit meinen persönlichen Eindrücken beginnen, bevor ich zu der Darstellung<br />

der beruflichen Verdienste Irenes komme.<br />

Ich nehme an, dass viele der LeserInnen, genau so wie ich, Irene als einen außergewöhnlich<br />

humorvollen, freundlichen und positiven Menschen erleben durften.<br />

Ich gehe noch weiter und wage zu sagen, dass sie einer der fröhlichsten, ja<br />

sprühendsten und auch angenehmsten Menschen war, mit denen ich je zusammen arbeiten durfte. Dazu<br />

kommt, dass sie diese positive Stimmung, wie einen Zauber, immer wieder auch auf ihr Umfeld zu übertragen<br />

vermochte. Sie verstand es, in ihrem Umfeld eine „Aura“ der Fröhlichkeit und Wärme zu schaffen. Alle,<br />

die etwa an unseren LeiterInnenseminaren teilnahmen, werden sich an solche Situationen sicherlich gut<br />

erinnern und dieses Phänomen auch bestätigen.<br />

Ja, das war eine wunderbare Eigenschaft, die sie als Mensch ganz einfach wirklich einzigartig und unverwechselbar<br />

machte.<br />

Eine weitere, ganz bedeutende Eigenschaft von ihr war, dass sie ihre schulischen, dienstlichen Aktionen<br />

vor der Umsetzung immer vorerst daran gemessen hat, in wie weit diese Maßnahmen auch bei den Kindern<br />

wirklich sinnvoll und nutzbar ankommen werden. Diese Kindzentriertheit war eine besondere Sichtweise,<br />

die sie in ihrer täglichen Arbeit deutlich von vielen anderen Leiterinnen und Leitern wohltuend unterschied.<br />

Alle von uns kennen die Bezeichnung „hilflose Helfer“ für Menschen, die in Sozialberufen tätig sind. Eine<br />

Zuordnung, die für Irene so gar nicht zutreffend war. In ihrer Person vereinte sich eine sehr hohe Fach-<br />

und Sachkenntnis, kombiniert mit der vorher erwähnten Fokussierung auf die betroffenen, hilfsbedürftigen<br />

Kinder.<br />

Dazu kam noch die ganz besondere Begabung, auch sehr komplizierte Fakten sachlich richitg, aber wirklich<br />

einfach und damit auch für Laien gut verständlich darzustellen. Mit Laien meine ich hier auch die „BranchenkollegInnen“<br />

aus der Volkschule, den Mittelstufenschulen und natürlich auch die Kolleginnen/Kollegen<br />

der Schulaufsicht, die immer wieder staunend, manchmal mit offenem Mund ihren Ausführungen gelauscht<br />

haben. Wobei bei jedem, der das einmal erleben durfte, sofort ein Bild aufsteigen wird, wie das ablief, wenn<br />

Irene eine Sprachstörung wirklich plastisch und damit leicht verständlich darstellte. In einer Form, die wirklich<br />

allgemein zugänglich war und trotzdem die Würde des betroffenen Kindes nie verletzte.<br />

Über 35 Jahre war Irene Bauer im sonderpädagogischen Bereich in Wien tätig, wobei sie zuerst als Sprachheillehrerin<br />

und seit dem Jahre 2000 als Leiterin der Wiener Sprachheilschule wirkte.<br />

Damit hatte sie das Steuer eines pädagogischen Schiffes über, das sich dank ihrer Leitung auf einem guten,<br />

sicheren Kurs bewegte. Sie war für die größte Mann- (bzw. Frauschaft) mit mehr als 140 Pädagoginnen/<br />

Pädagogen verantwortlich. Das ist übrigens die höchste LehrerInnenzahl, die man an Wiener Pflichtschulen<br />

finden kann.<br />

Die Wiener Sprachheilschule entwickelte sich unter ihrer Leitung zu einem voll inklusiven Modell. Das ging<br />

nicht immer ohne Widerstände, und bei der Überwindung dieser zeigte sich eine weitere menschliche Qualität<br />

Irenes. Sie erfüllte in solchen Situationen all jene Komponenten, die man sich bei Führungspersönlich-<br />

6


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

keiten oft nur erhofft. Sie hatte ein hohes Sachwissen, das als Grundlage zur Erläuterung der Gegebenheiten<br />

für alle Beteiligten diente, sie sammelte alle Argumente, versuchte alle Möglichkeiten zu Kompromissen<br />

auszuloten und bereitete damit alles für eine möglichst gemeinsam getragene Entscheidung vor.<br />

In der Rückschau gab es einige schwierige Situationen in ihrer Laufbahn, ich möchte da nur exemplarisch<br />

auf die extreme Personalknappheit vor einigen Jahren im sonderpädagogischen Bereich hinweisen, die<br />

zum temporären Einsatz von KurslehrerInnen der Wiener Sprachheilschule in anderen Funktionen führte<br />

und von Frau Direktorin Bauer organisatorisch, besonders aber menschlich hervorragend gelöst wurde.<br />

Trotz dieser Turbulenzen gelang es Irene, Schulter an Schulter mit mir, das bewährte und qualitätvolle duale<br />

System der sprachheilpädagogischen Betreuung in Wien in Form der ambulanten Betreuung und der<br />

Integrationsklassen weiterhin aufrecht zu erhalten.<br />

Erfreulicherweise konnte sie ihr Fachwissen durch ihre langjährige umfangreiche Lehrtätigkeit an den Wiener<br />

Pädagogischen Akademien bzw. Hochschulen auch in breiterem Rahmen an zukünftige SprachheillehrerInnen<br />

weitergeben.<br />

Mir erscheint es aber noch wichtiger, dass sie in dieser Funktion neben zahlreichen Fakten auch ihre Einstellung<br />

zur Situation behinderter und benachteiligter Kinder an die Studierenden weitergeben konnte und<br />

damit eine solide, tragfähige Grundlage zur Weiterentwicklung ihrer zutiefst humanen Anliegen geschaffen<br />

hat.<br />

Ich möchte hier noch einmal ganz klar festhalten:<br />

Ich habe in all den Jahren meiner Tätigkeit selten einen Menschen getroffen, der so kompromisslos die Idee<br />

des Nicht-Ausschließens (also der Inklusion im ursprünglichen Sinne) vertreten hat, und das bei Bedarf<br />

auch in sehr emotioneller Form, weil sie Ungerechtigkeiten gegenüber benachteiligten Kindern ungemein<br />

empörten. Ich bin ganz sicher, dass in diesem Zusammenhang die spürbare Empörung ein sehr gutes Vehikel<br />

war, diese Anliegen zielgerichtet voran zu treiben.<br />

Dass es ihr über diese in Wien erzielte, enorme gesellschaftspolitische Wirkung hinaus, auch noch gelungen<br />

ist, weitere Kreise zu erreichen, ist aus meiner Sicht wirklich bedeutend und erfreulich.<br />

So gestaltete sie im Rahmen der Österreichischen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik insgesamt elf<br />

Kongresse, deren Wirkung immer wieder weit über die Grenzen Österreichs hinausging. Wer das Vergnügen<br />

hatte, an einem dieser Kongresse teilzunehmen, der hat sicher die hohe fachliche Qualität erleben<br />

können und hatte dazu auch die Möglichkeit, sich mit Kolleginnen/Kollegen aus dem Ausland fachlich und<br />

auch menschlich auszutauschen.<br />

Weiters wurde die sprachheilpädagogische Arbeit in den Schulen durch regelmäßig erscheinende Fachzeitschriften<br />

begleitet. Frau Dir. Bauer arbeitete bei der Zeitschrift der Sprachheilpädagoginnen/-pädagogen<br />

als verantwortliche Redakteurin jahrelang mit.<br />

Wer diese Aufzählung der zahlreichen Tätigkeiten und Funktionen Revue passieren lässt, kann unschwer<br />

ablesen, wie ungemein fleißig die Kollegin über viele, viele Jahre im Sinne der Kinder, aber auch der Wiener<br />

SonderpädagogInnen tätig war.<br />

Ich bin überzeugt, dass diese Anliegen und Ideen weiterleben werden, trotzdem:<br />

Irene wird uns allen und mir besonders sehr, sehr fehlen.<br />

7<br />

Gerhard Tuschel


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Friedrichsplatz - inklusive Zeitreise<br />

Es begann vor vielen, vielen Jahren in der Kienmayergasse. Dort traf ich erstmals auf junge Menschen<br />

mit Downsyndrom und wusste sofort, dass sie und ihre besonderen Begabung zum „Glücklichsein“ mein<br />

Schicksal sind.<br />

Gedacht – getan, ich wurde Lehrerin. Allerdings geriet ich in die Übergangsphase von Lehrerbildungsanstalt<br />

auf Pädagogische Akademie und verlor ein Jahr. In dieser Umbruchsphase pendelte man zwei Jahre<br />

lang stundenweise zwischen Burggasse und Neustiftgasse hin und her. War das die Urform des „Bewegten<br />

Lernens“? Mein Ziel, mit von der Umwelt behinderten Menschen zu arbeiten und lernen, ließ mich bewegungsfeindlichen<br />

Menschen aber trotzdem durchhalten.<br />

Endlich, als „fertige“ Lehrerin, kam ich – um zu bleiben – in meinem ersten Berufsjahr als „Springerin“ an<br />

die Volksschule Friedrichsplatz, und ich blieb dort 40 Jahre lang - bis heute!<br />

Bereits in meinem ersten Jahr als Lehrerin brach ich einige Regeln des damaligen Schulwesens.<br />

Beispiel: Kinder sollten damals in der Stunde unbewegt sitzend an ihrem Platz verweilen. „Meine“ Kinder<br />

dagegen durften sich bewegen und sich ein gemütliches Platzerl zum Lernen und Lesen suchen, auch wenn<br />

sie dieses unter dem Tisch fanden. Welch ein Glück, dass es schon vor 40 Jahren SchulinspektorInnen gab,<br />

die meine Sichtweise teilten. Bestärkt durch eine Auszeichnung für meine damals noch unkonventionellen<br />

Methoden machte ich unkonventionell weiter. Dadurch wurde ich bald Anlaufstelle für „unkonventionelle“<br />

Kinder. An das erste erinnere ich mich besonders deutlich. Es war ein Bub, rothaarig, sommersprossig und<br />

hinreißend spitzbübisch. Sein Problem war, dass er nicht still sitzen konnte und es sogar wagte, während<br />

der „Stunden“ auf dem Sessel zu knien. Aus diesem Grund wurde er zu einem Problemkind, das in vielen<br />

Schulen scheiterte und schließlich in meiner Klasse landete. Diese bestand aus 36 Kindern und mir. Alle<br />

kamen aus „geordneten“ Familienverhältnissen und alle hatten Deutsch als Muttersprache. Die meisten<br />

Mütter waren zu Hause und hatten Zeit, ihren Kindern bei den Aufgaben zu helfen. So war es auch kaum<br />

ein Problem, Arbeitsblätter auf Matrizen zu schreiben und für alle (die gleichen) im von Spiritusduft durchtränktem<br />

Lehrerzimmer „abzuziehen“.<br />

Einige Jahre später hörte ich, dass Gerhard Tuschel, seines Zeichens Inspektor für „Sonderschulen“, Integrationsklassen<br />

einrichtete. Das war DIE Chance für mich, mein ursprüngliches Ziel, mit diesen ganz<br />

besonderen (Downsyndrom-) Kindern arbeiten zu dürfen, zu erreichen. Dank meines damaligen Inspektors<br />

Rudlof durfte ich eine der ersten Integrationsklassen Wiens übernehmen. Logisch, dass sie zu einer Anlaufstelle<br />

für ganz besondere Kinder wurde. Für Kinder, die in anderen Klassen aneckten. Für Kinder, durch<br />

die ich ungemein viel lernte. Dieser erste Durchgang einer Integrationsklasse war eine ganz besondere<br />

Herausforderung – und eine große Quelle der Freude.<br />

Der nächste Jahrgang war allerdings (für mich) von langweiliger Konstellation – lauter brave, angepasste<br />

Kinder! Zeit für mich, nach neuen Herausforderungen zu suchen und Platz für „herausfordernde“ Kinder zu<br />

schaffen. Für Kinder, die sich nicht in standardisierte Schulstufen-Kästchen pressen ließen.<br />

Im Zuge einer Reformpädagogik-Ausbildung bei Dr. Harald Eichelberger und Dr. Marianne Wilhelm und<br />

einer Hospitationsreise durch Holland fand ich eine Lösung: eine Mehrstufenklasse musste her! Eine Mehrstufenklasse,<br />

in der Kinder aller „Begabungsarten“ an gemeinsamen Vorhaben (bei uns „Lernnetz“ genannt)<br />

arbeiten dürfen, aber jedes auf seinem individuellen Niveau.<br />

Dr. Eichelberger meinte damals zwar, dass ich das nicht schaffen werde. Aber nur drei Tage, nachdem<br />

ich diesen Wunsch ausgesprochen hatte, war es geschafft. Ich durfte zu meinen ViertklässlerInnen sechs<br />

ErstklässlerInnen aufnehmen und somit eine Mehrstufenklasse eröffnen! Dafür bin ich heute noch meiner<br />

damaligen Direktorin Ilse Jung, BSI Mag. Pinterits und LSI Dr. Gröpel dankbar! Sie bewiesen, dass Schule<br />

auch ohne komplizierte Bürokratie funktionieren kann – oder gerade deswegen?<br />

8


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Nach einigen beglückenden Jahren in Mehrstufenklassen mit vielen Kindern, die sich in keinen (Jahrgangs-)<br />

Raster pressen ließen, wurden mir die Fallen der Nahtstelle zur Mittelstufe immer bewusster. Manche<br />

(viele?) Kinder waren zu einem vom Geburtsdatum bestimmten Zeitpunkt einfach noch nicht in allen<br />

Bereichen/Fächern so weit, Schule und Schulform zu wechseln.<br />

Was tun? Da kam nur eines in Frage: Ich musste das (Jahrgangs-)Schulsystem ändern. Und siehe da, auch<br />

das klappte unglaublich schnell! Fast schien es, als hätte „der Stadtschulrat“ darauf gewartet, dass jemand<br />

die Initiative ergreift, das System von unten her zu ändern. Dem Start unserer inklusiven Lerngemeinschaft<br />

wurden daher keine Steine in den Weg gelegt – im Gegenteil! Wir wurden nicht nur von unserer, damals<br />

neuen, Direktorin Silvia Schmeilzl unterstützt, sondern auch von den Direktorinnen der Partnerschulen unserer<br />

schulartenübergreifenden Lerngemeinschaft:<br />

▪ SDn Helga Hutterer, SPZ 15, Kröllgasse 20<br />

▪ HDn Gabriele Kaiblinger, NMS 15, Selzergasse 25<br />

▪ Dr. Eva Mersits, BRG 1170, Geblergasse 56-58<br />

Die Lerngemeinschaft Wien 15 besteht nun seit 2005. Unterstützt durch die Errungenschaften der neuen<br />

Technologien ist es heute nicht mehr so aufwändig wie früher, Unterricht anschaulich und nachhaltig zu<br />

gestalten und zu individualisieren. Nicht nur deswegen finden sich immer mehr Schulen, die mit uns gemeinsam<br />

den Weg in Richtung inklusiver Lerngemeinschaften/Schulen gehen wollen. Schön!<br />

Mittlerweile haben uns etliche Jahrgänge verlassen. Die meisten SchülerInnen besuchen nun weiterbildende<br />

Schulen und sind unsere BotschafterInnen. Sie machen es den nachfolgenden Jahrgängen leicht, in<br />

weiterführenden höheren Schulen Aufnahme zu finden. Ja, unsere Lerngemeinschaft hat sich einen Namen<br />

gemacht!<br />

Wenn jemand mehr über das Ergebnis unserer „inklusiven Zeitreise“ wissen will, dann gelangt er über einen<br />

Klick auf www.lerngemeinschaft15.at auf die Homepage unserer Lerngemeinschaft.<br />

9<br />

Ingrid Teufel<br />

pädagogischer Maulwurf mit dem Ziel,<br />

das Schulsystem von „unten“ her zu ändern.


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Bericht über die Integration von hörbehinderten Kindern<br />

im BRG 7 in der Zeit von 2005 bis <strong>2013</strong><br />

Vorgeschichte:<br />

Zu Beginn des Schuljahres 2003/04 fragte mich Herr Direktor Salomon,<br />

ob ich mir vorstellen könnte, eine Integrationsklasse mit<br />

hörbehinderten Kindern zu führen und ob ich wohl ein KlassenlehrerInnenteam<br />

auf die Beine stellen könne. Vor allem wegen des<br />

LehrerInnenteams machte er sich Sorgen, aber ich beruhigte ihn<br />

und war überzeugt, dass eher Kolleginnen/Kollegen beleidigt sein<br />

würden, wenn sie bei diesem Projekt nicht mitmachen konnten.<br />

Das Team war bald weitgehend nominiert. Nun konnten wir mit der<br />

Planung beginnen.<br />

Die I-Klasse sollte in enger Zusammenarbeit mit der Volksschule<br />

Lange Gasse auf die Beine gestellt werden. Es gab Bedingungen für die Führung einer solchen Klasse. Der<br />

Stadtschulrat war zwar sehr interessiert am Zustandekommen, aber es mussten verschiedene Auflagen für<br />

diesen Schulversuch eingehalten werden:<br />

▪ Der Schulversuch musste bis Oktober 2004 eingereicht werden<br />

▪ In der Klasse mussten mindestens vier, höchstens fünf hörbehinderte Kinder sein<br />

▪ Die Klasse musste nach dem Lehrplan der Neuen Mittelschule geführt werden – mit allen Konse-<br />

quenzen, sowohl für die LehrerInnen als auch für die Kinder ohne Behinderung. Das musste auch<br />

den Eltern verständlich gemacht werden.<br />

Erste Schritte:<br />

Zuerst nahm ich Verbindung mit der Volksschule Lange Gasse auf.<br />

Frau Direktorin Berka und die KlassenlehrerInnen der 3. Klassen<br />

waren sehr interessiert und sehr kooperativ. Herr Dir. Salomon und<br />

ich stellten das Projekt auf einem Elternabend der 3. Klassen vor.<br />

Es ging darum, möglichst viele Eltern davon zu überzeugen, dass<br />

dieser Schulversuch für ihre Kinder sinnvoll ist, damit möglichst<br />

viele Kinder nach der 4. Klasse nicht in eine Schule in der Umgebung<br />

im 8. Bezirk wechseln, sondern sich im BRG 7 anmelden.<br />

Wir wollten mindestens 15 Kinder aus der Lange Gasse beschulen,<br />

damit die Klassengemeinschaft erhalten bliebe und nicht eine<br />

völlig neu zusammen gewürfelte Klasse die Arbeit erschweren würde. Dabei galt es auch Begehrlichkeiten<br />

von verschiedenen Seiten abzuwehren, die gerne Kinder mit anderen, z. B. sozialen Problemen, ebenfalls<br />

in dieser Klasse sehen wollten.<br />

Dann hospitierte ich und in der Folge auch Kolleginnen/Kollegen des zukünftigen Teams in der Volksschule,<br />

um einen ersten Eindruck zu gewinnen, wie die Arbeit mit hörbehinderten Kindern vor sich geht. Ich<br />

besuchte noch weitere Elternabende, um für unser Projekt zu werben. Dabei wurde ich intensiv von den<br />

Lehrerinnen/Lehrern und der Direktorin unterstützt. Diese waren sehr interessiert daran, ihren Schülerinnen/Schülern<br />

diese neue Art der Schullaufbahn in einem Gymnasium zu ermöglichen. Hier brachte sich<br />

erstmals auch Koll. Ulreich ein, die als Schwerhörigen-Lehrerin ihren Schützlingen eine optimale Ausbildung<br />

zukommen lassen wollte.<br />

Im September/Oktober 2004 wurde es spannend, als die Anmeldungen für die zu gründende I-Klasse stattfanden.<br />

Würden sich genügend Eltern aus der VS Lange Gasse für das Projekt entscheiden? Wir erreichten<br />

letztendlich die von Dir. Salomon geforderte Zahl und konnten den Schulversuch einreichen.<br />

10


Die Vorbereitungsphase:<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Für uns als KlassenlehrerInnenteam begann nun eine Zeit der intensiven<br />

Vorbereitung. Wir hatten ja keine Ahnung von der Arbeit<br />

mit hörbehinderten Kindern. Auch das Modell der Neuen Mittelschule,<br />

wie wir es führen sollten, war uns völlig fremd. Hier gab es<br />

hilfreiche Begleitung durch Expertinnen/Experten aus dem Stadtschulrat,<br />

v.a. durch Koll. Klemun, der uns während der vier Jahre<br />

der Unterstufe bei anfallenden Fragen und Problemen immer zur<br />

Seite stand.<br />

Wir absolvierten etliche Seminare. U.a. wurden wir mit der Arbeit<br />

mit einer FM-Anlage vertraut gemacht, wie sie zur Unterstützung<br />

der hörbehinderten Kinder eingesetzt werden sollte. Wir überlegten, wo der Klassenraum sein sollte, und<br />

entschieden uns für eine Klasse im 3. Stock, weil hier am ehesten die nötige Ruhe gewährleistet war. Ein<br />

kleiner Raum, der bisher als Werk- und Zeichenkabinett gedient hatte, wurde zum Therapieraum umgestaltet.<br />

Am Ende des Schuljahres machten wir ein zweitägiges Teamfindungs-Seminar in Siegendorf, bei dem<br />

wir u.a. die Planung für das kommende Schuljahr erarbeiteten. Hier stieß auch die Sonderschullehrerin,<br />

Koll. Claudia Montag, zu unserem Team. Sie sollte die hörbehinderten Kinder in der Unterstufe im Ausmaß<br />

von 20 Wochenstunden begleiten.<br />

Das Projekt:<br />

Im September 2005 starteten wir mit 25 Kindern, davon vier hörbeeinträchtigte.<br />

Außer den Kindern aus der VS Lange Gasse gab<br />

es vor allem Kinder aus der VS Zinkgasse. Sehr schnell stellte sich<br />

heraus, dass es in der Klasse nicht nur Kinder mit Hörbehinderung<br />

gab, sondern auch Kinder mit diversen anderen Problemen, die<br />

vielleicht in einer Regelklasse erhebliche Schwierigkeiten gehabt<br />

hätten. Hier machte sich die Arbeit von Koll. Montag besonders<br />

positiv bemerkbar. Da sie jeden Tag mehrere Stunden anwesend<br />

war, wurde sie nicht nur für die hörbehinderten Kinder zur ersten<br />

Ansprechpartnerin, sondern für alle.<br />

Außerdem war Koll. Ulreich im Ausmaß von acht Wochenstunden als mobile Schwerhörigenlehrerin für die<br />

Kinder tätig. So erhielten sie auch nach dem Regelunterricht noch eine spezielle Förderung.<br />

Für uns KlassenlehrerInnen war vieles neu und anfangs nicht alles angenehm. Wir mussten plötzlich im<br />

Team unterrichten, was für ausgemachte EinzelkämpferInnen wie AHS-LehrerInnen mit erheblichen Ressentiments<br />

und instinktiven Abwehrmechanismen verbunden war. Erst mit der Zeit lernten wir die Form des<br />

Team-Teachings schätzen.<br />

In Mathematik und Deutsch waren je drei Wochenstunden eine Kollegin und ein Kollege aus der mit uns<br />

kooperierenden HS Kauergasse als zweite Lehrkraft eingesetzt. Daraus ergaben sich neue methodische<br />

Formen, z. B. viel Projektarbeit, Gruppenarbeiten, etc. Auch damit umzugehen mussten wir erst lernen.<br />

Da wir nach dem System der Neuen Mittelschule arbeiteten, musste kein Kind eine Klasse wiederholen.<br />

Bei Problemen mit der Abstufung lernschwacher Kinder war stets Koll. Klemun mit Rat und Tat zur Stelle.<br />

Als manchmal hilfreich, oft mühsam empfanden wir die vorgeschriebenen Teamsitzungen. Da wir ohnehin<br />

ständig über die Klasse kommunizierten, erschien uns diese Pflicht des öfteren lästig.<br />

Außerdem stellte sich bei der täglichen Arbeit in der Klasse schnell heraus, dass die Unterstützung durch<br />

eine/n zweite/n LehrerIn oft besonders in den Fächern notwendig gewesen wäre, in denen sie nicht stattfand:<br />

in LÜ, ME, Bio, WE… , nach der Devise: drei LehrerInnen in Deutsch sind ein angenehmer Luxus,<br />

eine/ein Lehrerin/Lehrer in Musik oder Turnen eine Zumutung. Koll. Montag hat hier sehr viel aufgefangen,<br />

aber ihre 20 Wochenstunden waren da zu wenig.<br />

11


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Bei den Elternabenden trat ein anderes Problem zutage. Manche Eltern waren eifersüchtig auf die spezielle<br />

Förderung der hörbehinderten Kinder und forderten eine ähnliche Förderung ihrer Kinder. Es war schwierig<br />

ihnen klar zu machen, dass das in dem Ausmaß nicht möglich war. Im Allgemeinen muss man aber sagen,<br />

dass die Eltern in dieser Klasse besonders interessiert und kooperativ waren, in einem Ausmaß, wie wir es<br />

uns sonst nur wünschen, aber nicht oft erleben.<br />

Natürlich gab es klasseninterne Probleme und Reibereien, wie sie in jeder Klasse zu finden sind. Aber: Wir<br />

konnten als MS-Klasse die Unterstützung von Schulpsychologinnen/-psychologen anfordern. Das ist für<br />

AHS-Klassen nicht möglich, obwohl es auch für sie oft sehr notwendig wäre. Die intensive und professionelle<br />

Förderung trug natürlich ihre Früchte! Die Lernergebnisse waren äußerst erfreulich, die Kinder wurden<br />

sehr selbständig und lernten eigenständiges Lernen und Arbeiten. Die Verhaltensprobleme hielten sich im<br />

Rahmen, auch wenn wir (vorübergehend) sehr schwierige Kinder in die Klassengemeinschaft integrierten.<br />

Am Ende der 4. Klasse mussten uns die Kinder verlassen, die im Lauf der Unterstufe abgestuft worden waren.<br />

Sie fanden alle in weiterführenden BMS Plätze. Viele, auch drei von den hörbehinderten Schülerinnen/<br />

Schülern, stiegen in die Oberstufe auf.<br />

Die Oberstufe:<br />

Da drei hörbehinderte Kinder nun die Oberstufe besuchten, gab<br />

es auch weiterhin ein paar Privilegien für die SchülerInnen. Sie<br />

erhielten in den Hauptfächern zusätzliche Förderstunden, da die<br />

Betreuung durch die mobile Schwerhörigenlehrerin wegfiel. Sie<br />

konnten weiterhin im Unterricht ihre FM-Anlage verwenden. Sie<br />

blieben im vertrauten Klassenraum.<br />

Darüber hinaus sehe ich es als außerordentlichen Glücksfall, wie<br />

sich am Anfang der 5. Klasse die Zusammensetzung der SchülerInnen<br />

erneut veränderte. In die Klasse kamen ein paar Jugendliche,<br />

die sehr leistungsfähig und auch -willig sind. Manche haben<br />

Eigenarten, die in einer anderen Klasse auf Unverständnis stoßen könnten. Für die sozial geschulte Klassengemeinschaft<br />

der I-Klasse gab es keinerlei Probleme, diese SchülerInnen zu integrieren. Dadurch hob<br />

sich das Niveau der Klasse.<br />

Auch ihre Art, wie sie den Lehrern begegnen, wird als angenehm empfunden. Sie haben gelernt, dass sie<br />

eine besondere Klasse sind, und diesem Ruf werden sie mittlerweile gerne gerecht.<br />

Resümee:<br />

Ich sehe dieses Projekt als Erfolgsgeschichte. Das hat meiner Ansicht nach mehrere Gründe:<br />

▪ Das LehrerInnenteam<br />

Die Kolleginnen/Kollegen haben sich freiwillig auf dieses Projekt eingelassen und dem ent-<br />

sprechend eingebracht. Alle KollegInnen/Kollegen waren stets kooperativ, die Zusammenarbeit<br />

kann ich nur als geglückt bezeichnen.<br />

▪ Die Integrationslehrerin<br />

Koll. Montag, nach ihrer Verehelichung Koll. Urban, ist eine äußerst engagierte und auch sehr<br />

fähige Lehrerin. Ihre Arbeit hat sich nicht nur für die hörbehinderten Kinder sondern für alle enorm<br />

positiv ausgewirkt.<br />

▪ Die Ressourcen<br />

Von Anfang an standen dem Projekt wesentlich mehr Ressourcen zur Verfügung als jeder<br />

normalen Klasse. Wir waren mehr LehrerInnen, was sich auf die Betreuung, auf die Sozialisierung<br />

der SchülerInnen und auf die Methodenvielfalt enorm positiv auswirkte. Auch die finanziellen<br />

Mittel, die uns zur Verfügung standen, erlaubten immer wieder kleine Extras.<br />

12


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

▪ Die Unterstützung<br />

Im Gegensatz zu Lehrerinnen/Lehrern im Regelunterricht erhielten wir Unterstützung in Form von<br />

fachlicher Beratung und psychologischer Hilfe. Auch die Anerkennung durch die vorgesetzte Be-<br />

hörde und durch die Eltern trug zur positiven Entwicklung bei.<br />

▪ Die Klassengemeinschaft<br />

Die Zusammensetzung der Klasse, sowohl in der 1. als auch in der 5. Klasse hat sicher dazu bei<br />

getragen, dass sich die Klasse so entwickelt hat, wie wir sie nun sehen. Diese Zusammen-<br />

setzung kann man nur bedingt steuern bzw. weiß man ja am Anfang nicht, wie sich das Ganze<br />

entwickeln wird. Hier haben wir auch einfach Glück gehabt.<br />

13<br />

OSTR Mag. Ilse Bauer<br />

von 1978 bis 2011 am BRG 7.<br />

Sie führte die Integrationsklasse für hörgeschädigte Kinder<br />

von 2005 bis 2011 als Klassenvorstand<br />

(Studien- und Unterrichtsfächer Deutsch, Geschichte).


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

„Mädchen lesen Pferdebücher,<br />

Buben lesen Bücher über Fußball?“<br />

Ein Projekt der VS 10, Neilreichgasse zum Thema<br />

Geschlechtsspezifische Vorlieben von Mädchen und Buben beim Lesen<br />

Bei den wöchentlichen Besuchen unserer Schulbibliothek beobachteten wir, dass Burschen und Mädchen<br />

oftmals unterschiedlichen Lesestoff auswählten. Neugierig geworden, stellten wir uns die Frage: „Lesen alle<br />

Mädchen Pferdebücher, lesen Buben nur Bücher über Fußball?“<br />

Das Gender-Thema wurde für uns sowohl Inhalt des Projektes als auch Forschungsaufgabe.<br />

Auf vier verschiedenen Schulstufen (Vorschulklasse, 1A, Integrationsklasse 2B, 2D, 3C) untersuchten wir,<br />

ob und wie sich die Auswahl des Lesestoffes bei Burschen und Mädchen unterscheidet.<br />

14<br />

„Die Buben und Mädchen aus unserer Klasse<br />

durften getrennt voneinander ihre Lieblingsbücher<br />

aussuchen. Das haben wir mit bunten Glassteinen<br />

gemacht.“ (Cagri, 2B Integrationsklasse)<br />

Bewertet wurden Bücher aus der Schulbibliothek:<br />

Unsere Bibliothekarin stellte für jede teilnehmende<br />

Klasse eine thematisch möglichst breit gefächerte<br />

Bücherbox zusammen.<br />

Das Ergebnis wurde von den SchülerInnen als Plakat mit Diagramm dargestellt und präsentiert.<br />

Außerdem entwarfen wir einen Fragebogen zum Leseverhalten, der von allen SchülerInnen/Schülern der<br />

teilnehmenden Klassen ausgefüllt und von uns ausgewertet wurde. Vorschulkinder und Integrationskinder,<br />

die nicht lesen konnten, wurden mündlich befragt.


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

„Auf einem Fragebogen konnte ich ankreuzen, welche Themen mich interessieren. So konnte ich mitbestimmen,<br />

welche Bücher neu für die Schulbibliothek gekauft wurden.“<br />

(Ömer, 2B)<br />

Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass<br />

• 36% der Mädchen am liebsten ein Buch über Prinzessinnen lesen (Buben 0%).<br />

• 54 % der Buben am liebsten ein Buch über Sport lesen (Mädchen 20%).<br />

• 36% der Mädchen sich am meisten für Tierbücher interessieren (Buben 13%).<br />

• 27% der Burschen einen goldenen Bucheinband wählen würden (Mädchen 12%).<br />

• jeweils 20% der Mädchen sich für die Farbe Rosa bzw. Lila beim Einband entscheiden.<br />

Ein vertrautes Bild?<br />

Im weiteren Verlauf des Projekts wählte jede Klasse Lesestoff,<br />

der sich mit dem Gender-Thema beschäftigte.<br />

Die Buchhandlung „Buchlandung“ unterstützte uns dabei<br />

großzügig. Ein Bilderbuchkino - Lesung im KinderLiteraturHaus<br />

(„Ein Schaf fürs Leben“) - wurde als gemeinsame<br />

Aktion aller beteiligten Klassen durchgeführt.<br />

Lesen wurde als Erlebnis mit allen Sinnen vermittelt, was<br />

sowohl den schwächeren SchülerInnen als auch den Integrationskindern<br />

besonders entgegenkam.<br />

Durch mündliche Darbietungsformen (Vorlesen, Erzählen,<br />

Bilderbuchkino und Lesungen) stieg auch die Lesemotivation<br />

für Kinder mit besonderen Bedürfnissen.<br />

Märchen wurden in Deutsch, Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Englisch vor/gelesen und die<br />

geschlechtsspezifischen Rollen im Stationenbetrieb hinterfragt.<br />

Neben den Klassenlehrerinnen waren vom Schulteam<br />

noch die Sonderschullehrerin der Integrationsklasse, die<br />

Lehrerinnen für Leseförderung und für Muttersprachlichen<br />

Unterricht in Türkisch und Bosnisch, Kroatisch,<br />

Serbisch einbezogen. Ehemänner und Lebensgefährten<br />

wurden als Vorleser gewonnen. Auch LesepatInnen<br />

(verschiedene Generationen und beiderlei Geschlechts)<br />

und Eltern waren sowohl an der Planung als auch an der<br />

Durchführung des Projekts beteiligt.<br />

41 Mädchen (38 davon hatten eine andere Erstsprache als Deutsch) und 59 Buben (51 davon mit anderer<br />

Erstsprache als Deutsch) nahmen an unserem Projekt teil.<br />

Wir arbeiteten klassen-, schulstufen- und generationsübergreifend<br />

und ermöglichten dadurch auch SchülerInnen mit besonderen<br />

Bedürfnissen die aktive Teilnahme.<br />

Unsere Begeisterung bei der Planung und Durchführung dürfte<br />

spürbar geworden sein und so hatten wir die große Freude am<br />

28. November 2012 für unser Projekt den Philipp Lese-Award<br />

im Bereich Volksschule zu gewinnen.<br />

15<br />

Volksschule Neilreichgasse 111, 1100 Wien


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

„MAMA, „Mama, DER der RADFAHRER Radfahrer hat HAT auch AUCH PFADE PFADE gemacht.“ GEMACHT.“<br />

„DU PAPA, „Du Papa, GELL, gell, DER der OPA Opa KENNT kennt PFADE aber ABER nicht.“ NICHT.“<br />

Diese beiden Sätze haben ehemalige Schüler von mir zu ihren Eltern gesagt. Für die Kinder bedeutete<br />

PFADE zusammengefasst wohl: respektvoller, wertschätzender, rücksichtnehmender, gleichwertiger Umgang<br />

miteinander.<br />

PFADE ist die Abkürzung von Programm zur Förderung Alternativer DEnkstrategien und ist ein aus den<br />

USA kommendes Programm, das die sozialkognitiven Kompetenzen (Denken), die sozialen Fertigkeiten<br />

(Tun), die emotionalen Kompetenzen (Fühlen) und die Wertorientierungen (Wollen) fördern und Verhaltensproblemen<br />

vorbeugen soll.<br />

Das Programm wurde von Dr. Carol Kusché und Dr. Mark Greenberg entwickelt, von Dr. Rahel Jünger von<br />

der Universität Zürich (www.pfade.ch) aus dem Englischen (PATHs Curriculum) ins Deutsche übersetzt und<br />

erstmals im deutschsprachigen Raum 2004 in Züricher Grundschulklassen eingesetzt.<br />

Am ersten Wochenende des Schuljahres 2007/08 waren mein Direktor OSR Josef Reichmayr und ich gemeinsam<br />

in Zürich auf dem Pädagogischen Institut und haben bei Dr. Rahel Jünger eine Kurzschulung zum<br />

PFADE Curriculum gemacht. Nur unter der Bedingung, das Programm mit einer ganzen Klasse zu machen,<br />

wobei eine „Klassenlehrerin“ das Programm durchzuführen hat, wurde es mir in unserer Stammgruppe<br />

und uns in der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau als erster Schule in Österreich ermöglicht, mit diesem<br />

Programm zu arbeiten.<br />

Schon 2004 wurde ich in dem Buch von Daniel Goleman „Dialog mit dem Dalai Lama - Wie wir destruktive<br />

Emotionen überwinden können“ auf das PATHs-curriculum aufmerksam, und seine vier Regeln – klar verständlich<br />

und prägnant – beeindruckten mich gleich.<br />

1. Regel: Gefühle sind wichtige Signale!<br />

(Alle Gefühle sind okay, aber nicht jedes Verhalten ist okay.)<br />

2. Regel: Gefühle und Verhalten sind auseinander zu halten!<br />

(Welches Verhalten ist okay und welches nicht?)<br />

3. Regel: Man kann nur denken, wenn man ruhig ist!<br />

(Erst einmal beruhigen, um klar zu sehen, was los ist, dann überlegen, was man tun wird.)<br />

4. Regel (= Goldene Regel): Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest!<br />

Mir war es stets wichtig, den mir anvertrauten Schülerinnen und Schülern in einer wertschätzenden Haltung<br />

(als Transaktionsanalytikerin würde ich sagen: in einer +/+ (ich bin okay / du bist okay) – Haltung) zu<br />

begegnen. Ich gehe davon aus, dass Kinder das beste Verhalten, zu dem sie im Moment in der Lage sind,<br />

zeigen. Die Frage, die mich lange beschäftigte, lautete: „Wie am besten umgehen mit einem Verhalten, das<br />

nicht akzeptierbar ist, weil dadurch das Kind sich selbst oder anderen Schaden zufügt? Wie gleichzeitig<br />

vermitteln, dass das Kind in seinem Sein sehr wohl in Ordnung ist, dass manche Verhaltensweisen nicht<br />

in Ordnung sind und dass vor allem jedes der Handlung vorangegangene Gefühl wie Wut, Enttäuschung,<br />

Empörung, etc. schon in Ordnung ist?“ Das PFADE-Programm kam mir da gerade recht.<br />

16


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Im PFADE-Programm, das ein Präventions- und kein Interventionsprogramm ist, wird zu folgenden Schwerpunkten<br />

immer wieder und sehr ausführlich gearbeitet.<br />

• Gefühle<br />

• Gesundes Selbstwertgefühl<br />

• Selbstkontrolle<br />

• Problemlösungsfertigkeiten<br />

• Umgang mit Freundschaften, Beziehungen<br />

• Regeln des Zusammenlebens<br />

Beim Schwerpunkt „Gefühle“ geht es um das Wahrnehmen der eigenen Gefühle, das Benennen der Gefühle,<br />

das Erkennen der Gefühle bei anderen (am Gesichtsausdruck, der Körperhaltung), die Einsicht, dass<br />

verschiedene Menschen bei ein und derselben Situation verschiedene Gefühle empfinden können (so z.B.<br />

freuen sich manche Kinder, wenn sie endlich allein zu Hause sind, manche haben Angst), das Anerkennen,<br />

dass alle authentischen Gefühle okay sind und um die Einteilung der Gefühle in angenehme und unangenehme.<br />

Es ist von großer Wichtigkeit, Gefühle nicht mit moralischen Begriffen wie „gut“ und „schlecht“ in<br />

Verbindung zu bringen, weil das leicht dazu führen kann, dass zum Beispiel das „schlechte“ Gefühl Zorn<br />

nicht zugelassen und durch das Gefühl der Trauer überdeckt wird. Alle authentischen Gefühle sind aber<br />

wichtige Signale, und Zorn ist ein authentisches Gefühl, wenn die eigene (Schmerz-)Grenze überschritten<br />

wird. Gerade durch das Wutgefühl kann schließlich auch die Kraft mobilisiert werden, die eigenen Grenzen<br />

zu zeigen und eventuelle Übergriffe abzuwehren.<br />

Ein bei den Kindern sehr beliebter Part des PFADE-Programms zum Schwerpunkt „Gesundes Selbstwertgefühl“<br />

ist das KIND DER WOCHE.<br />

Die Schülerinnen und Schüler der ersten Stammgruppe, in der ich vor nunmehr fast sechs Jahren mit PFA-<br />

DE begonnen habe, waren davon so angetan, dass durch deren Erzählungen etliche Kolleginnen/Kollegen<br />

meiner Schule mehr von PFADE wissen wollten. Ich habe daraufhin, unterstützt von unserem Inspektor,<br />

im Oktober 2009 eine Fortbildungsveranstaltung mit Dr. Rahel Jünger in unserer Schule organisiert, an der<br />

mehr als zwanzig LehrerInnen (und auch eine sehr interessierte Mutter) teilgenommen haben. Etliche Kolleginnen/Kollegen<br />

haben sich danach entschieden, ebenfalls mit ihrer Stammgruppe PFADE zu machen.<br />

Foto von einem<br />

„Kind der Woche“<br />

aus dem ersten PFADE-Jahr<br />

Schuljahr 2007/08)<br />

Ein Foto des KINDES DER WOCHE ist in unserer Stammgruppe gut sichtbar angebracht. Wichtig: JEDES<br />

Kind kann KIND DER WOCHE werden. Es darf sich immer als erstes anstellen, darf bei Lehrausgängen<br />

die Gruppe anführen, wird immer als erstes gefragt, ob es den LernbegleiterInnen helfen will, darf bei der<br />

morgendlichen Begrüßungsrunde beginnen – kurz es steht im Mittelpunkt des Geschehens und ist Assis-<br />

17


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

tent/Assistentin der LernbegleiterInnen. Seit ich in meiner Stammgruppe „pfade“, gibt es keine Rangeleien<br />

mehr beim Anstellen oder ums „Vorne gehen“, und da das Kind der Woche immer als erstes gefragt wird,<br />

wird deutlich, dass ALLE Kinder gleich wichtig sind.<br />

Eine Komplimenteliste wird für das KIND DER WOCHE aufgehängt, und die Kinder können im Laufe der<br />

Woche Komplimente drauf schreiben. Es versteht sich von selbst, dass die Komplimente ehrlich und passend<br />

sein sollen. Nach einer Woche wird dann eine mündliche Komplimenterunde gemacht. Es ist immer<br />

wieder beeindruckend, wie genau die Kinder ihre Mitschüler und Mitschülerinnen beobachten und kennen,<br />

und welch treffende Komplimente sie machen! Das KIND DER WOCHE sucht sich zum Abschluss drei<br />

Komplimente aus, die auf eine farbige Komplimenteliste geschrieben werden. Danach macht es sich noch<br />

selbst ein Kompliment.<br />

Die Komplimenteliste wird dann verziert und mit nach Hause gegeben, denn auch die Eltern sollen ihrem<br />

Kind Komplimente drauf schreiben. Beim Überreichen der Komplimenteliste bekommt das Kind der Woche<br />

einen Abschlussapplaus und darf dann das Namenskärtchen vom neuen KIND DER WOCHE ziehen. Es<br />

ist also dem Zufall überlassen, wer das neue KIND DER WOCHE wird.<br />

Zuvor frage ich allerdings noch jedes Kind, das noch nicht dran war, ob es KIND DER WOCHE werden will.<br />

In den sechs Jahren, in denen ich „pfade“, habe ich nur wenige Kinder erlebt, die auf meine Frage mit „Nein“<br />

geantwortet haben: ein paar wenige wollten sich die Enttäuschung ersparen, falls sie nicht gezogen werden<br />

und haben die Strategie verfolgt, bis zuletzt zu warten.<br />

Für einen Burschen mit autistischer Wahrnehmung war nicht nur das KIND DER WOCHE, sondern überhaupt<br />

jede Gruppensituation zu herausfordernd. Das „Problem“ hat die Gruppe damals so gelöst: Ohne<br />

sein Beisein wurden seine Stärken genannt, und wir haben ihm eine Komplimenteliste erstellt und mitgegeben.<br />

Auch heuer ist in unserer Stammgruppe ein Bursche mit autistischer Wahrnehmung, der auf die Frage,<br />

ob er KIND DER WOCHE werden wolle, bis zu dem Zeitpunkt, wo er das einzige Kind war, das noch nicht<br />

dran gewesen ist, immer mit „nein“ geantwortet hat. Da das Kind der Woche bei uns auch das Recht hat,<br />

auf einem ganz besonderen Stuhl zu sitzen, und da dieser Bursche auch gerne auf diesem Stuhl sitzen<br />

wollte, hat er dann doch zugestimmt, Kind der Woche werden zu wollen. Was für ein großer Lernschritt für<br />

ihn, bei der Komplimenterunde im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, Komplimente zu bekommen<br />

und diese Gruppensituation zu meistern!<br />

Ganz anders war heuer die Situation bei einem Mädchen mit Down-Syndrom: Sie wollte immer KIND DER<br />

WOCHE werden und hat über das ganze Gesicht gestrahlt, als ihr Namenskärtchen gezogen wurde. Sie<br />

genießt es sehr, im Mittelpunkt zu stehen. Sie bekam auch heuer wieder viele Komplimente, denen sie sehr<br />

aufmerksam und stolz lauschte (siehe Foto unten).<br />

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I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Ein Bursche (4. Lernjahr, 3. Schulstufe), der erst heuer in unsere Stammgruppe gekommen ist, und der<br />

daher erst einmal KIND DER WOCHE war, hat nach der Komplimenterunde freudestrahlend zu mir gesagt:<br />

„Christa, mein Herz ist jetzt sooo weit.“ - und hat dabei die Arme ausgestreckt.<br />

Wenn ich mir DAS KIND DER WOCHE vom Inklusionsstandpunkt her anschaue, komme ich zu dem<br />

Schluss, dass gerade dieses Tool für ALLE Kinder (mit nur ganz wenigen Ausnahmen) sowohl physische,<br />

als auch kognitive und emotionale Teilhabe ermöglicht.<br />

Exkurs: Als Transaktionsanalytikerin schätze ich DAS KIND DER WOCHE auch aus folgenden Überlegungen:<br />

Es ist ein wunderbares Gegenmittel gegen das, was Claude Steiner unter dem Begriff „Stroke-Ökonomie“<br />

in der Transaktionsanalyse bekannt gemacht hat. (Steiner ist der Ansicht, dass fast alle Menschen an<br />

einem Mangel an „Streicheleinheiten“ bzw. an einem Zuwendungsmangel leiden. Er meint, dass dies durch<br />

einschränkende gesellschaftliche „ungeschriebene“ Regeln hervorgerufen wird.)<br />

Ich zitiere aus Stewart/Joines: Die Transaktionsanalyse:<br />

• Gib keine Strokes, auch wenn du gerne möchtest!<br />

• Bitte nicht um Strokes, wenn du welche brauchst!<br />

• Nimm keine Strokes an, wenn du welche willst.<br />

• Lehne keine Strokes ab, wenn du sie nicht willst!<br />

• Stroke dich nicht selbst!<br />

In der Übersetzung von Schlegel lauten sie so:<br />

• Schenke niemandem ausdrücklich Äußerungen positiver Beachtung außer den nächsten Familienangehörigen,<br />

auch wenn du die Möglichkeit hättest und den Impuls verspürst, einem nur oberflächlich<br />

Bekannten oder gar einem Fremden etwas Nettes zu sagen oder deine Sympathie zu<br />

zeigen!<br />

• Bitte niemanden darum, dich dir zuzuwenden, denn damit würdest du deine Schwäche zeigen!<br />

• Genieß nicht offen und mit gutem Gewissen, wenn dir jemand eine positive Anerkennung zukommen<br />

lässt!<br />

• Weise nie eine positive Zuwendung zurück, selbst wenn du sie nicht magst!<br />

• Freue dich nie über etwas, was du kannst oder an dir magst, denn sonst bist du eitel und eingebildet!<br />

Zur Erklärung: STROKES<br />

Ein STROKE ist die kleinste Einheit menschlicher Kommunikation, in der die Gegenwart eines Menschen<br />

anerkannt wird. Jeder Mensch braucht diese Stimulation. Jede Transaktion stellt einen Austausch von<br />

STROKES dar. Jede Art von STROKE ist besser als gar keine! Erhaltene Zuwendung, sei sie auch noch so<br />

negativ, ist immer noch besser als überhaupt keine! STROKEN verstärkt jenes Verhalten, das gestrokt wird!<br />

Ein Kernstück des PFADE-Programms zum Schwerpunkt „Selbstkontrolle“ ist die Geschichte von Benjamin<br />

und seinen Wutausbrüchen. Sie handelt von einem Burschen (ich sage den Kindern immer, es könnte<br />

genauso gut ein Mädchen sein) im Altern von sechs bis acht Jahren, der ein großes Problem hat: Wutausbrüche,<br />

bei denen er nicht nur schreit und mit den Füßen aufstampft, sondern manchmal auch mit Sachen<br />

um sich wirft, was die Situation nur noch verschlimmert. Im Traum kommt ein Zaubervogel zu ihm, der ihm<br />

erklärt, wie es zu seinem Wutausbrüchen kommt und was er dagegen tun kann. Er nennt ihm das wichtige<br />

Wort „STOPP“, das Benjamin daran erinnern soll, sich zu beruhigen, bevor er handelt (schreit, mit Sachen<br />

um sich wirft, etc.). Zur Illustration gibt es in unserer Stammgruppe einen ZAUBERVOGEL, eine besonders<br />

schön verzierte, große Handpuppe.<br />

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I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Eines der Bilder zur Geschichte:<br />

Benjamin und seine Wutausbrüche<br />

Wir nehmen uns immer wieder Zeit, mit den SchülerInnen die Bauchatmung zu üben. Ich erinnere mich<br />

daran, dass in meiner ersten PFADE-Stammgruppe ein Mädchen mit Down-Syndrom war, das die Bauchatmung<br />

wunderbar beherrschte. Als mir einmal eine Kollegin von ihren großen Sorgen um den gesundheitlichen<br />

Zustand ihres Vater erzählte (ihr stiegen beim Erzählen Tränen auf), kam das Mädchen mit<br />

Down-Syndrom zu uns dazu, umarmte meine Kollegin, stellte sich dann vor sie hin, und machte ihr die<br />

Bauchatmung vor, indem sie die Hände auf den Bauch legte und langsam ein- und ausmatmete. Beim Einatmen<br />

wurde ihr Bauch kugelrund, beim Ausatmen wurde er flach.<br />

Ampelposter für jüngere SchülerInnen<br />

(durch die bildliche Darstellung der Schildkröte)<br />

Rot: STOPP - BERUHIGEN<br />

Gelb: NACHDENKEN - ENTSCHEIDEN<br />

Grün: TUN - REFLEKTIEREN<br />

Das Ampelposter ist eine große Hilfe beim Erlernen der Problemlösungsfertigkeiten. Wenn Probleme<br />

auftauchen, nehmen wir das oft zum Anlass, gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für das Problem zu suchen.<br />

Ein stehender Satz bei uns ist: „Zuerst suchen wir einmal zumindest vier verschiedene Lösungsmöglichkeiten.“<br />

Wie ja bekannt ist, ist die Lösungsmöglichkeit, die einem als erstes in den Kopf kommt, meist<br />

nicht die beste. Daher heißt es zuerst noch weitere suchen. Danach wird abgewogen (welche Lösungsstrategie<br />

führt zum gewünschten Ziel, verletzt keine Regel und ist für das weitere Zusammenleben förderlich)<br />

und entschieden. Nach der vollzogenen Lösungsstrategie wird reflektiert, ob sie eine stimmige war. Ist das<br />

Problem noch nicht gelöst, heißt es wieder eine neue Lösungsstrategie suchen und ausprobieren.<br />

Zum Schwerpunkt Umgang mit Freundschaften, Beziehungen gibt es etliche Lektionen, die Verhaltensweisen<br />

aufzeigen, die für eine Beziehungsanbahnung, für eine gute Beziehung förderlich sind, aber es kommen<br />

auch solche Lektionen vor, die sich mit Gerüchten, mit Schuldzuweisungen und Missverständnissen<br />

auseinandersetzen. Was wir heuer in der Gruppe gemacht haben (was zwar nicht im PFADE-Programm<br />

genannt wurde, was bei den SchülerInnen aber sehr gut angekommen ist): geheimer Freund/geheime<br />

Freundin. Die SchülerInnen haben ein Namenskärtchen eines Mitschülers/einer Mitschülerin gezogen und<br />

sollten sich ihr bzw. ihm gegenüber so verhalten, dass er/sie draufkommt, wer ihr/sein geheimer Freund<br />

bzw. ihre/seine geheime Freundin war. Wir sprachen dann auch darüber, an welchem Verhalten es erkannt<br />

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I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

wurde, bzw. wenn es nicht erkannt worden war, wurde nach der Ursache gesucht: Der geheime Freund/die<br />

geheime Freundin hatte darauf vergessen, hatte ein so schwaches Zeichen gesetzt, dass es schwerlich zu<br />

erkennen war, bzw. hatte ein klares Zeichen gesetzt, es wurde aber nicht wahrgenommen.<br />

Ebenfalls nicht direkt im PFADE-Programm behandelt, aber mir sehr wichtig ist es, mit den Kindern den<br />

entscheidenden Unterschied zwischen PETZEN und HILFE HOLEN zu erarbeiten. Dass gerade in diesen<br />

Stunden dann unter Umständen auch Übergriffe im familiären Bereich von den Kindern angesprochen werden,<br />

führt uns LernbegleiterInnen oft dazu, schwierige Entscheidungen treffen zu müssen (z.B.: ob wir das<br />

in einem Gespräch mit den Eltern ansprechen sollten oder ob das Amt für Jugend und Familie eingeschaltet<br />

werden sollte oder nicht), und dennoch halten wir daran fest, weil es den Kindern und Jugendlichen eine<br />

Chance gibt, sich mit ihren Problemen nicht alleingelassen fühlen zu müssen.<br />

Zu Beginn jedes Schuljahres (aber natürlich nicht nur dann) ist der Schwerpunkt „Regeln des Zusammenlebens“<br />

von großer Bedeutung. Die neu hinzukommenden SchülerInnen müssen die in der Stammgruppe<br />

geltenden Regeln kennenlernen. Dass Regeln nicht etwas Naturgegebenes sondern Vereinbartes und<br />

Veränderbares sind, und dass Regeln in der Gemeinschaft entwickelt werden, sind wichtige Erkenntnisse<br />

aus der Beschäftigung mit diesem Thema. Eine allerdings unverhandelbare Regel bei uns ist die „goldene<br />

Regel“: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Dass gerade diese Regel einzuhalten<br />

nicht immer leicht ist, wissen auch wir Erwachsene nur allzu gut. Zum Glück gibt es die Kinder, die uns<br />

bisweilen darauf aufmerksam machen: Ich erinnere mich an eine Szene, wo ich meine auftauchende Wut<br />

nicht so früh bemerkte wie ein Mädchen, das nahe bei mir saß. Es stand auf, holte den Zaubervogel und<br />

sagte zu mir: „Christa, ich glaube, du brauchst den Zaubervogel.“ – Und sie hatte recht!<br />

Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Kinder auf dem PFADE begleiten zu dürfen ist für mich äußerst<br />

sinnvoll und lohnend. Sowohl Martin Bubers Satz: „Das Ich lernt am Du“ als auch das Motto, das beim<br />

Eingang unserer Schule hängt: MITEINANDER LEBEN - VONEINANDER LERNEN werden durch PFADE<br />

bekräftigt und bestätigt.<br />

Verwendete Literatur:<br />

Auszug aus meinem Beitrag „ICH BIN OK – DU BIST OK (+/+) - TRANSAKTIONEN, einmal anders gesehen“<br />

im <strong>Integrationsjournal</strong> 2007<br />

Leonhard Schlegel: Die Transaktionale Analyse, 4. Auflage, UTB für Wissenschaft, Francke Verlag Tübingen<br />

und Basel<br />

Ian Stewart/Vann Joines: Die Transaktionsanalyse, 7. Auflage, Herder Freiburg-Basel-Wien<br />

Infomappe PFADE von www.gewaltprävention-an-schulen.ch<br />

21<br />

Dipl.Päd. in Christiana Pock-Rosei<br />

(geboren 1955, VS-Lehramt 1976)<br />

seit 1992 Volksschullehrerin in Integrationsklassen<br />

Lernbegleiterin der ersten Stunde (also seit September 1998 – genauer gesagt seit September 1997<br />

durch aktive Mitarbeit bereits in der Vorlaufphase) in der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau<br />

www.lernwerkstatt.or.at - und derzeit noch immer mit Freude hauptsächlich im Eingangsbereich (0. – 3.<br />

Schulstufe) - mit PFADE aber auch im Übergangsbereich (4. – 6. Schulstufe) - ebendort tätig<br />

Montessoripädagogin seit 1992<br />

seit 2005 zertifizierte Transaktionsanalytikerin im Bereich Pädagogik und Erwachsenenbildung (CTA-E)


Vorspann:<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Autismus und Arbeit am Pferd<br />

Christopher (ein Bub mit Autismus-Spektrum-Störung) schreibt für den Jahresbericht des Vereins Pferde-<br />

Stärken 2012 ein paar Zeilen.<br />

Seine Therapeutin beim Voltigieren (auch Mentorin) hat diese Geschichte gelesen und an die Integrationsberatungsstelle<br />

geschickt, weil sie diese kurze Erzählung so berührend fand.<br />

In der Folge lesen Sie die kurze Erzählung des Buben, die Sichtweise des Vaters und seiner Therapeutin.<br />

Pferde Stärken - gestärkt durch das Pferd<br />

22<br />

Brigitte Mörwald<br />

Ich gehe zu den drei Therapiepferden reiten auf dem Reiterhof in Moosbrunn. Ich reite auf den drei Therapiepferden.<br />

Ich wohne in Ebreichsdorf. Die drei Pferde sind sehr süß. Die drei Pferde fressen Gras und<br />

Karotten und Heu und noch viele andere Sachen, glaube ich zumindest. In der Hütte auf dem Reitplatz wird<br />

Tee getrunken und ich glaube, manchmal Suppe gegessen. Ich bin kein Pferd. Obelix, Navajo und Sippin<br />

sind die drei Therapiepferde, denn das sind ja nicht fünf Therapiepferde das erkennt man ja an der Zahl von<br />

der Schrift. Der Film „Das Pferd auf dem Balkon“ war im Kino. Ich habe ihn angeschaut. Das Pferd war ja<br />

tatsächlich auf dem Balkon. Der Therapiepferdereiterhof ist beim sehr großen Fluss namens Neubach. Ich<br />

bin ein Autistenmenschenkind.<br />

Christopher


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Als ich Christopher erzählte, dass sein Beitrag noch in einer anderen Zeitschrift veröffentlicht wird, meinte<br />

er dazu: „Das ist aber peinlich“. Als Außenstehender würde man jetzt meinen, es sei für ihn unangenehm<br />

und er will es nicht, als Elternteil sage ich einmal, dass es eher die Bedeutung in Richtung „es ist zwar etwas<br />

komisch, aber es ist okay“ hat.<br />

Nachdem Christopher bei der Pferde-Therapie mit Andrea Ackerer über die kuriosesten Dinge redet, kam<br />

die Idee auf, ob er eventuell für den Jahresbericht des Vereins Pferde-Stärken ein paar Zeilen schreiben<br />

möchte, sofern wir ihn dazu bewegen können. Dazu war keine Überredung notwendig, er tat dies von sich<br />

aus. Wir wollten ihn aus seiner Sicht, unbeeinflusst schreiben lassen. Die Rechtschreibung ließ natürlich<br />

einiges zu wünschen übrig. Also kam ich auf die Idee, ihn den Text am Computer eintippen zu lassen, was<br />

er auch begeistert annahm. Große Schrift, damit er es selber gut lesen kann und gleichzeitig lernt er ein<br />

wenig, mit dem Computerschreibprogramm umzugehen. Und jetzt kommt der springende Punkt. „Warum<br />

sind die Wörter rot unterwellt?“ – „Weil sie falsch geschrieben sind!“ Das machte ihn ehrgeizig, jedes Wort<br />

wurde solange korrigiert, bis es nicht mehr unterwellt war. Es war interessant, ihm dabei zuzuschauen. Problematisch<br />

wurde es dann bei den Pferdenamen und seinen selbst erfundenen Wörtern, die das Schreibprogramm<br />

natürlich nicht kennt. Langer Rede kurzer Sinn, ich musste diese Wörter dem Wörterbuch hinzufügen,<br />

damit sie nicht mehr rot unterwellt waren!<br />

Wenn ich mir überlege, wie meine Schüler schreiben – naja, das ist eine andere Geschichte.<br />

Christopher ist über 9 Jahre alt. Die Geburt brachte einige Komplikationen mit sich. Im Kindergarten eckte<br />

er überall an. Zuerst wurde unsere Erziehung in Frage gestellt. Nach und nach kam dann doch die Idee auf,<br />

ihn psychologisch anschauen zu lassen. Das Ergebnis war noch nicht sehr aussagekräftig. Wir begannen<br />

mit Ergotherapie und Cranio-Sacral-Therapie und hatten oder haben das Glück, wirklich gute Therapeutinnen<br />

gefunden zu haben. Im Kindergarten gelang es uns leider erst im letzten Jahr, ihn in die Integrationsgruppe<br />

zu versetzen – welche Hintergründe auch immer gegen ein früheres Versetzen gesprochen haben<br />

– und das tat ihm gut, da die Betreuerinnen aufgrund ihrer Zusatzausbildung besser mit ihm umgehen<br />

konnten. Die Ergotherapeutin hat uns dann das Ambulatorium Sonnenschein in St. Pölten für eine genauere<br />

Diagnose empfohlen. Das war auch gut so, hier wurde dann endlich schwarz auf weiß bestätigt, dass<br />

er Asperger-Syndrom hat.<br />

In der Kindergartenzeit und in den ersten beiden Schuljahren nahm er an der musikalischen Früherziehung<br />

in der Musikschule teil. Hier ging es nicht darum ein Musikinstrument zu lernen, sondern eher darum der<br />

Musik zuzuhören und Feinheiten herauszufinden.<br />

Irgendwann dazwischen kamen wir zu Andrea Ackerer und begannen mit dem heilpädagogischen Voltigieren,<br />

was nach wie vor wie ein Wunder wirkt und sich für uns ideal anbietet, da es in der Nachbargemeinde<br />

liegt.<br />

Das Thema Schule trat mehr und mehr in den Vordergrund. Ein Autist mit 20 oder mehr Kindern in einer<br />

Klasse, ob das gut geht, wie sieht der Lernerfolg aus, wie ist das Verständnis der anderen Eltern? Mit Eingliederungshilfe?<br />

Kommt eine Integrationsklasse überhaupt zustande?<br />

Schulische Vorbereitung für Christopher, aber wie? Über Empfehlung der Psychologin im Ambulatorium<br />

Sonnenschein kamen wir nach Wiesen ins Burgenland und fanden dort eine Therapeutin, die spezialisiert<br />

ist auf die Therapie von Autisten und die Eingliederung in die Schule. Meine Aussage dazu: „Genial!“ Tipps<br />

und Tricks und Hilfestellungen, wie man sie sich als Elternteil nur wünschen kann. Somit konnten wir vor<br />

Schulbeginn schon einiges vorlernen (so ca. ein halbes Schuljahr) und der Einstieg in die Schule war nur<br />

mehr ein kleiner Schritt.<br />

Christopher befindet sich nun in der 3. Klasse, aber nicht in der Volksschule, sondern in der benachbarten<br />

Sonderschule mit derzeit fünf Kindern in der Klasse und hat einen ganz normalen Volksschullehrplan! Etwas<br />

Besseres denke ich, hätten wir nicht finden können, es geht ihm ausgezeichnet, er macht tolle Fortschritte<br />

und versetzt manchmal die Lehrerinnen in Erstaunen. Hausübungen zu machen, Gedichte zu lernen, o. Ä.<br />

ist Gott sei Dank kein Problem.<br />

23


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Therapeutin aus Wiesen setzte sich schon vor Schulbeginn mit Christophers Lehrerin in Verbindung,<br />

um spezielle Infos und Ideen weiter zu geben, was die Lehrerin dankend annahm. Ein weiteres Glück hatten<br />

wir, nicht ohne persönlichem Einsatz und Gesprächen mit dem Bürgermeister, dass wir die Stützkraft,<br />

die ihn im Kindergarten bereits begleitet hatte, in die Sonderschule „mitnehmen“ konnten. Christopher<br />

kennt sie schon sehr lange, sie ist ihm vertraut und er akzeptiert es, dass sie als Stützkraft nicht nur für ihn<br />

alleine sondern für die ganze Klasse bzw. auch andere Klassen in der Schule da ist.<br />

Wie es mit der Schule weiter aussieht, das wird dann nächstes Schuljahr für uns ein neues Thema sein…<br />

Unser Therapieschwerpunkt mit Christopher geht momentan in Richtung Gruppenverhalten, welchen wir<br />

u.a. auch in Wien in der Autistenhilfe durchführen.<br />

Durch Andrea Ackerer kam dann immer mehr das Thema auf, Infos an andere weiter zu geben, bzw. selbst<br />

an Schulungen teilzunehmen. Nach zwei Vorträgen von Frau Dr. Brita Schirmer sitze ich nun selber im PH-<br />

Seminar Integration von Schülern und Schülerinnen mit autistischer Wahrnehmung. Man wird sehen, was<br />

die Zukunft so alles mit sich bringt.<br />

Auf Hufen zur richtigen Kommunikation?<br />

Gar nicht einfach, so ein Gespräch!<br />

24<br />

Helmut Weiss,<br />

Lehrer an der HTL Wien 10<br />

Seit drei Jahren kommt Christoph zum Heilpädagogischen Voltigieren.<br />

Für ihn ist das Pferd nie so wirklich im Vordergrund gestanden.<br />

Ich glaube, die Gesamtheit von Pferden, Bewegung,<br />

Hof und der Therapie, aber auch alle Kabeln und Schläuche und<br />

natürlich der lange Elektrozaun der Koppeln, den wir immer reitend<br />

kontrollieren müssen, sind eine gute Motivation. All diese für<br />

Christoph so interessanten Dinge helfen, dass er meist freudig zu<br />

seiner Therapieeinheit erscheint und gleich voller Tatendrang ist.<br />

Anfangs wurde ich von Fragen von ihm nur so überrollt, sodass<br />

es mir gar nicht auffiel, wie sehr seine Kommunikationsfähigkeit<br />

eingeschränkt war. Sprechen diente für ihn dazu, dass er seine<br />

offenen Fragen beantwortet bekam. Ich wurde als Auskunftsquelle<br />

benutzt. Wichtig war es ihm auch, dass er wenig von sich preisgab.<br />

So bemühte er sich bewusst, wenig Mimik zu zeigen. Nur<br />

beim Galoppieren gelang ihm nicht. Lauthals lachte er vor Freude.<br />

Christoph scheint es wichtig zu sein, dass er möglichst viel<br />

Kontrolle über seine Gefühle nach außen hin hat. Sehr schnell<br />

sind ihm Situationen „peinlich“.<br />

Um die Aufmerksamkeit auf gleiche Dinge zu lenken und darüber zu sprechen (Joint Attention), spielten wir<br />

„Ich seh, ich seh, was du nicht siehst“ und ich führte ihn dabei am Pferd. Die gleichmäßige Bewegung des<br />

Pferdes ließ ihn trotz der Aufregung ruhiger und konzentrierter werden. Am Pferd sitzend ist Christoph eher<br />

gezwungen sich auch unangenehmen Gesprächsanbahnungen meinerseits zu stellen und nicht einfach


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

„abzutauchen“. Da ihm das Reiten wirklich großen Spaß macht, geht er öfter in der Kommunikation an bzw.<br />

über seine persönlichen Grenzen. Doch sind diese einmal überschritten versucht er es mit Vermeidungsstrategien.<br />

Wir hatten z. B. die Regel: Eine Frage darf Christoph stellen, ich muss antworten dann darf ich<br />

eine stellen und er muss antworten. Das ging eine Zeit lang gut, doch dann antwortete er mit „Das weiß ich<br />

nicht!“. Ich musste eine neue Regel aufstellen: Ich weiß es nicht – ist keine Antwort.<br />

Um seine auditive Merkfähigkeit zu trainieren spielten wir das Kofferpackspiel – für Christopher natürlich<br />

abgewandelt: Ich hänge auf ein Kabel … Damit ist die Motivation gleich viel größer und dadurch auch seine<br />

Konzentration.<br />

An Christoph schätze und liebe ich besonders, dass er eines der wenigen von mir betreuten Kindern ist, das<br />

sich auch Gedanken ums Wohl des Pferdes macht. Tut ihm das auch nicht weh? Mag das der Navajo auch?<br />

Diese und ähnliche Fragen sind für ein Kind mit einer autistischen Störung schon sehr außergewöhnlich<br />

und machen die Therapie zu einem besonderen Erlebnis für mich. Wir beobachten die klare Pferdekörpersprache<br />

(Kopf-, Ohr- und Körperhaltung). Aber auch die Spannung und Entspannung von Muskeln ist sehr<br />

aussagekräftig. Christoph ist im „Pferdeflüstern“ schon ein kleiner Meister, und so gelingt es ihm oft, dass<br />

er diese Fragen schon selber beantworten kann.<br />

Dank seiner großen Fortschritte in der Kommunikation, weil er Erlerntes sehr schnell auch anwenden kann,<br />

sind wir nun bei schon wirklich kleinen Gesprächen angelangt. Wenn das Thema nicht unbedingt aus seinen<br />

Spezialgebieten stammte, dann konnten seine verbalen Reaktionen fast verletzend sein. Dadurch,<br />

dass das Pferd sehr schnell auf Körperan- und entspannung reagiert, bekommt Christoph sehr schnelle<br />

Rückmeldung auf seine Körpersprache. Das viele Training zeigt erste Erfolge. Inzwischen kann er auch Gespräche<br />

schon lenken. Und das ganz höflich! Wer mit autistischen Kindern arbeitet weiß, welche Leistung<br />

das ist. Um ein Gespräch lenken zu können, muss man schon einige Kompetenzen der Kommunikation<br />

kennen und anwenden können.<br />

Auch das für Menschen mit ASS typische „Wortwörtlich nehmen“ betrifft Christophs Sprache. Nach einem<br />

Kinobesuch (Das Pferd auf dem Balkon) sprachen wir natürlich über diesen Film, worin es um einen Jungen<br />

mit Asperger-Syndrom und seine Beziehung zu einem Pferd geht. Ich meinte, dass ich vieles sehr ähnlich<br />

wie bei Christoph empfand und zählte die Ähnlichkeiten auf. Danach fragte ich: „Isst du auch gerne pünktlich?“<br />

Seine Antwort: „Pünktlich kann man nicht essen, nur Brot und Käse.“<br />

Zum Abschluss möchte ich noch einige Wesenszüge des Pferdes erwähnen: Das Pferd ist nicht nachtragend,<br />

nimmt vorbehaltlos an, und trotz seiner Größe ist es sehr bemüht und an Menschen interessiert. Das<br />

sind ideale Voraussetzungen für ein „Gespräch“.<br />

Wenn man Christophs Beitrag für den „Jahresrückblick <strong>2013</strong>“ (jährliches Vereinsjournal) liest, spürt man,<br />

dass er einerseits in der Welt der „Neurotypischen“ (so werden „Normale“ von Menschen mit Asperger-<br />

Syndrom benannt) noch nicht angekommen ist, sich aber andererseits schon sehr gut in ein Pferd hineinfühlen<br />

kann.<br />

„Ich bin kein Pferd – ich bin ein Autistenmenschenkind“<br />

Diese Aussage hat mich sehr berührt. Ich hoffe, dass wir daran arbeiten können, dass er sich irgendwann<br />

nur als Menschenkind spürt. Dafür wünsche ich Christoph alles Gute.<br />

25<br />

Dipl. Päd. Andrea Ackerer<br />

Mentorin für SchülerInnen mit Autismus-Spektrum-Störung,<br />

Sprachheilpädagogin,<br />

Heilpädagogische Voltigiertherapeutin


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Besser könnt es nicht laufen<br />

Ideale Voraussetzungen für die Förderung eines Jungen mit<br />

Autismus-Spektrum-Störung mit Hilfe der Heilpädagogischen Voltigiertherapie<br />

Ich begleite Kenan nun schon das dritte Jahr als Mentorin für SchülerInnen<br />

mit Autismus-Spektrum-Störung und seit einigen Wochen<br />

nun auch als Voltigiertherapeutin. Seine Lehrerin klagt besonders<br />

über seine Zornausbrüche und seine Schwierigkeiten sich an Regeln<br />

zu halten. Diese Probleme erschweren seinen Schulalltag<br />

und so wurde er sogar von der Möglichkeit des Heilpädagogischen<br />

Voltigierens an der Schule ausgeschlossen. „Leider“, sagt seine<br />

Lehrerin, „denn das hat ihm sehr gut getan!“ Die Kolleginnen und<br />

Kollegen wollten aber die Verantwortung für ihn nicht mehr übernehmen.<br />

Bei meinen Besuchen in der Klasse merkte ich, dass Kenan trotz<br />

meiner eng gesetzten Regeln nie böse wurde und nach anfänglichem<br />

Murren gut mitarbeitete. Nach der intensiven Arbeitszeit mit<br />

mir erschien er mir sogar sehr ausgeglichen.<br />

Da ich selber seit fünf Jahren im Verein PFERDE STÄRKEN ehrenamtlich<br />

als Voltigiertherapeutin arbeite, war es naheliegend,<br />

dass Kenan fürs Voltigieren zu mir kommt. Viele Menschen haben<br />

sich große Mühe gemacht, dass dies möglich wurde. Nun kommt<br />

er alle 14 Tage für zwei Einheiten mit seiner Mama zu mir nach<br />

Moosbrunn/NÖ.<br />

Wir arbeiten mit Navajo, einem Knabstrupperwallach, der ein wirklicher Autismusexperte ist und genau<br />

fühlt, woran man noch arbeiten muss. Erst letzten Freitag zeigte er durch seine Körpersprache (Anspannung,<br />

Ohren anlegen), dass er Kenans Regelausbrüche gar nicht schätzt. Als ich Kenan auf diese Körpersprache<br />

hinwies, beobachtete er sein eigenes Verhalten und Navajos Reaktionen sehr genau und ich<br />

konnte ihm auch erklären warum Navajo Regeln so wichtig findet. Wenn eine Wildpferdeherde nicht gut<br />

zusammen hält, können schlimme Dinge passieren (Raubtiere können angreifen, Teile der Herde verlaufen<br />

sich, Jungtiere gehen verloren…) Regeln haben einen Sinn! So konnte es nun Kenan auch gut verstehen.<br />

Sich daran zu halten ist noch eine andere Sache.<br />

Auch Kenans Mama kämpft mit seinem Verhalten. Begonnene Handlungen<br />

sind für ihn schwer zu stoppen. So drückt er ständig am Halteknopf<br />

im Bus und nervt damit den Fahrer und die Fahrgäste. Um<br />

beide in Einklang zu bringen, habe ich Kenan mit Mama auf das Pferd<br />

gesetzt. Beide saßen gemeinsam strahlend hintereinander am Pferd<br />

und hatten den gleichen Rhythmus. Das tut der Bindung sehr gut.<br />

Kenan versucht auch in der Therapie ständig, alles nach seinen Regeln<br />

zu verändern. Damit die Therapie aber ohne gröbere Vorkommnisse<br />

ablaufen kann ist es wichtig, dass einer der „Chef“ ist, dafür<br />

aber auch die ganze Verantwortung tragen muss – wie auch in einer<br />

richtigen Pferdeherde. Das akzeptiert Kenan nach dem dritten Mal<br />

nun schon viel besser.<br />

26


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Seine körperliche Unruhe wirkte sich besonders durch ein ständiges Fußklopfen am Pferdebauch aus, was<br />

das Pferd ziemlich nervös und unruhig werden ließ. Ich zeigte Kenan an seinem Körper (seitlicher Rippenbereich),<br />

wie unangenehm das für das Tier sein muss und warum das Pferd versucht, aus dieser Situation<br />

„davonzulaufen“. Mit diesem Verständnis bemüht Kenan sich nun sehr, nimmt auf das Pferd Rücksicht und<br />

reagiert nun auf Hinweise sehr schnell. Er wird zunehmend immer ruhiger und ausgeglichener.<br />

Seine Oma aus der Türkei war vier Wochen auf Österreichbesuch<br />

und kam mit der Familie zur Therapie nach Moosbrunn. Wir nehmen<br />

uns immer genügend Zeit, um uns über die letzte Zeit auszutauschen<br />

und den Ablauf der Einheiten zu planen. Kommt die Mama<br />

auch auf das Pferd? Wer striegelt das Pferd wo? Was werden wir<br />

spielen? Kenan wünschte sich, dass auch seine Oma auf das Pferd<br />

solle und überraschender Weise tat sie das auch: Das erste Mal<br />

in ihrem Leben fand sie sich hoch zu Ross wieder! Sie lachte und<br />

wirkte gar nicht ängstlich und ließ sich stolz von ihrem Enkel führen.<br />

Herzlich und mit einer Umarmung verabschiedete sie sich beim letzten<br />

Mal. Ich konnte spüren, dass sie trotz fehlender Deutschkenntnisse<br />

sehr gut spürte, wie gut Kenan die Arbeit mit dem Pferd tut.<br />

Kenan genießt die Zeit bei uns am Hof mit seiner Familie und den<br />

Pferden.<br />

Ich versuche mich mit Kenans Lehrerin über sein Verhalten regelmäßig auszutauschen. Ein Glücksfall ist,<br />

dass die Lehrerin im Zuge ihrer Sprachheilpädagoginnenausbildung bei uns am Hof war und Führübungen<br />

mit den Pferden, aber auch Erfahrungen auf dem Pferd machen konnte. Das ist natürlich ideal, weil sie nun<br />

weiß, was Kenan so mit den Pferden macht und wie es sich auswirkt.<br />

Kenan bekommt bei schnelleren Gangarten des Pferdes Stimuli an das Vestibulärsystem, die er so braucht<br />

und liebt, ohne dass er aber selbst unruhig sein muss – im Gegenteil, ruhig und gelassen lässt er sich im<br />

Trab tragen.<br />

Die Voraussetzungen für Kenans Voltigiertherapie sind sehr ideal. Die enge Zusammenarbeit und der Austausch<br />

zwischen Mutter, Schule und mir zeigen erste Erfolge. Ich hoffe daher, dass wir Kenans Blickkontakt,<br />

Aufmerksamkeit und Empathiefähigkeit mit Hilfe von Navajo ebenso gut trainieren können, wie Regelverständnis,<br />

Lösungsfindungen und Kommunikation.<br />

Ich möchte mich herzlich bei all jenen, besonders bei Frau Brigitte Mörwald (Integrationsberatungsstelle<br />

des Stadtschulrates für Wien) und Herrn HR Mag. Dr. Rupert Corazza (Landessschulinspektor für Inklusion)<br />

für die Unterstützung bedanken, dass es überhaupt zu diesen Einheiten kommen konnte. Ein Kind auf<br />

so vielen Ebenen begleiten zu können, ist ein echter Glücksfall!<br />

27<br />

Dipl. Päd. Andrea Ackerer<br />

Mentorin für SchülerInnen mit Autismus-Spektrum-Störung,<br />

Sprachheilpädagogin,<br />

Heilpädagogische Voltigiertherapeutin


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Das Projekt „Schneetiger“ der Laureus Stiftung<br />

in Zusammenarbeit mit den Schulen GTKMS/GTNMS<br />

Anton-Sattler Gasse 93 in Wien 22 und der Waldschule in Wiener Neustadt<br />

„Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er hat die Kraft,<br />

zu inspirieren. Er hat die Kraft, Menschen zu vereinen, wie es<br />

sonst nur weniges kann. Sport kann Hoffnung erwecken, wo<br />

vorher nur Verzweiflung war.“<br />

Nelson Mandela, Laureus World Sports Awards, Monaco 2000<br />

Die Laureus Stiftung<br />

Mit all ihrer Kraft und dem weitreichenden Einfluss ihrer prominenten BotschafterInnen setzt sich die Laureus<br />

Sport for Good Stiftung Deutschland/Österreich seit ihrer Gründung 2001 für den sozialen Wandel ein.<br />

Mithilfe von inzwischen zehn Projekten wurden mehr als 50.000 Kinder in Deutschland und Österreich erreicht,<br />

deren Leben und soziale Umstände durch Sportprojekte signifikant verbessert wurden.<br />

Das Ziel der Laureus Sport for Good Stiftung ist es, für möglichst<br />

viele Kinder in Deutschland und Österreich die Welt kontinuierlich<br />

ein kleines Stück besser zu gestalten. Mithilfe der<br />

Universalsprache Sport, gekoppelt mit sozialpädagogischer Unterstützung,<br />

wird den Kindern und Jugendlichen vermittelt, dass<br />

sie etwas Besonderes sind. Ihr Selbstwertgefühl wird dadurch<br />

gestärkt und sie können auf eine bessere Zukunft hoffen.<br />

Unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, sozialer<br />

Schicht oder gesundheitlichen Einschränkungen nehmen die<br />

ProjektleiterInnen und die prominenten Patinnen/Paten die Kinder<br />

an der Hand und begegnen mit ihnen gemeinsam den heutigen<br />

gesellschaftlichen Herausforderungen.<br />

Ob Eishockey, Boxen, Golf oder Fußball: Die teilnehmenden Kinder entdecken ihre Talente und Fähigkeiten<br />

und entwickeln Werte wie Disziplin und Zielstrebigkeit – Eigenschaften, die ihnen auch im alltäglichen<br />

Leben weiterhelfen.<br />

Das Projekt „Schneetiger“<br />

28<br />

(vgl. www.laureus.de)<br />

Das Laureus Projekt „Schneetiger“ ist ein Pilotprojekt, welches sich zum Ziel gesetzt hat, Schülerinnen<br />

und Schüler mit Benachteiligungen (finanziell, sozial, körperlich, kognitiv, …) nachhaltig für den Wintersport<br />

zu begeistern.<br />

Um dieses Ziel erreichen zu können, werden kontinuierlich und über das ganze Jahr hinweg Aktivitäten<br />

angeboten. Das „an einem Strang ziehen“ – von den Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und<br />

Lehrern bis hin zu den Laureus Trainerinnen und Trainern – ist der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg.


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Das Laureus Projekt „Schneetiger“ befindet sich derzeit schon im zweiten Jahr und hat schon einen ereignisreichen<br />

Winter hinter sich, da das Projekt in drei Phasen gegliedert ist:<br />

1. Das Ganzjahresprogramm „Fit für den Schnee" bildet die Grundlage. Hierbei werden über das<br />

ganze Schuljahr verteilt einmal wöchentlich Workshops mit geschulten Trainerinnen und Trainern<br />

abgehalten, in denen eine aktive und spielerische Vorbereitung auf den Wintersport erfolgt. Die<br />

Übungen innerhalb dieser Workshops wurden gezielt auf die Schneetage und die Wintersportwoche<br />

im Kaunertal abgestimmt. Im Rahmen der Turnstunden am Donnerstag werden vom Laureus<br />

Schneetiger Projekt zwei Trainerinnen oder Trainer zur Verfügung gestellt, die die Schülerinnen<br />

und Schüler auf den Schnee vorbereiten und das ganze Schuljahr in einer Turnstunde begleiten.<br />

2. Als Saisonprogramm werden zusätzlich fünf einzelne „Schneetage" angeboten, an denen Kinder<br />

und Jugendliche erste Erfahrungen im Schnee machen. Für die 39 Schülerinnen und Schüler<br />

(1c, 1d, 4c) der NMS Anton-Sattler Gasse 93, 1220 Wien, davon 14 Kinder mit sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf, standen an diesen Tagen Schier oder Snowboards zur Auswahl. Ein Kind,<br />

das aufgrund einer angeborenen Myelomeningozele mit Harninkontinenz, Spitzfuß und einem<br />

Shunt körperlich beeinträchtigt ist, fährt mit einem Schibob. Im Rahmen der Schneetage verbringen<br />

die Schülerinnen und Schüler fünf Mal einen Tag am Semmering (Skigebiet Stuhleck). Die<br />

Anreise zum Stuhleck erfolgte jeweils in der Früh ab 8:00 Uhr, die Rückkehr nach Wien am späten<br />

Nachmittag.<br />

3. Das zentrale Event jedoch ist die „Schneewoche" vom 14.4.<strong>2013</strong> bis 19.4.<strong>2013</strong> im Kaunertal, bei<br />

der Trainerinnen und Trainer von Laureus Schneetiger und Teilnehmende gemeinsam eine Woche<br />

im Schigebiet Kaunertaler Gletscher verbringen werden. Um die Teilnahme an diesem Projekt<br />

wirklich allen Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, werden zusätzlich zu den Geldern der<br />

Laureus Stiftung noch Privatsponsoren und Firmensponsoren gesucht und auch Aktivitäten wie<br />

z.B. ein Modeschmuckflohmarkt veranstaltet.<br />

Bei diesem Projekt sollen keine LeistungssportlerInnen<br />

geschult werden, so meint der Leiter des Laureus Projekts<br />

Thorsten Gegenwarth, MBA, in einem Interview mit der<br />

Tiroler Tageszeitung:<br />

„Manche der gesunden Kinder holten wir schlichtweg vom<br />

Fernseher weg. Sie haben derart wenig Bewegung im Alltag,<br />

dass ihnen selbst banale Dinge wie auf einem Bein zu<br />

stehen oder rückwärts zu gehen schwerfallen.“<br />

Den Kindern soll laut Franz Klammer auf spielerische<br />

Weise Zugang zum Sport vermittelt werden:<br />

„Es geht nicht nur um Bewegung, sondern auch um soziale<br />

Hintergründe. Durch das Gruppenerlebnis lernen sie<br />

Teamgeist, Disziplin, Respekt, sich Ziele zu setzen und<br />

diese zu erreichen.“<br />

(vgl. http://www.tt.com/Freizeit/4657929-2/28-schneetiger-im-kaunertal.csp)<br />

Das Projekt Laureus Schneetiger hat es sich zum Ziel gesetzt, bei den partizipierenden SchülerInnen zum<br />

einen nachhaltige Begeisterung für den Wintersport zu entwickeln, zum anderen auch integrativ auf das<br />

gesellschaftliche Miteinander einzuwirken. Im Laufe des Projekts sollen sich mentale und motorische Fähigkeiten<br />

der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verbessern, wie auch der soziale Aspekt stetig im Auge<br />

behalten werden.<br />

29


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Nachhaltigkeit kann nur entstehen, indem die Arbeit<br />

im Schnee intensiviert wird. Eine Kombination aus vereinzelten<br />

Schneetagen und ganzen Schneewochen<br />

erscheint sinnvoll, wenn man Menschen den Wintersport<br />

auf Dauer schmackhaft machen möchte.<br />

Es gilt, ein Jahresprogramm an Aktivitäten für Kinder<br />

und Jugendliche anzubieten.<br />

Die unmittelbare Vernetzung von Bewegungslernen,<br />

Freude am Tun und dem Erwerb sozialer Kompetenzen<br />

intensiviert das Spektrum „Wintersport" und wird<br />

als ganzheitlicher Ansatz als Mittel zum langfristigen<br />

Erfolg gesehen.<br />

Ausgehend von den individuellen Möglichkeiten werden die Handlungsfelder unter Einbeziehung aller Beteiligter<br />

so gestaltet, dass die Gruppenprozesse und die Wechselwirkungen zwischen physischen Aktivitäten<br />

und psychosozialen Prozessen durch Verstärkung des individuellen und gemeinsamen Erfolges optimal<br />

genutzt werden können.<br />

(vgl. www.schneetiger.at)<br />

Mag. a Michaela Opferkuh, BEd<br />

Integrationslehrerin an der NMS Anton-Sattler-G. 93, 1220 Wien<br />

Christoph Schöch<br />

Fotograf<br />

Quellenangabe:<br />

www.laureus.de<br />

http://www.tt.com/Freizeit/4657929-2/28-schneetiger-im-kaunertal.csp<br />

www.schneetiger.at<br />

30


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

HOPE<br />

(Hospital Organisation of Pedagogues in Europe)<br />

ist eine internationale Vereinigung der Spitalspädagoginnen/-pädagogen in<br />

Europa mit Partnern aus Australien, Neuseeland, Amerika und Asien mit wissenschaftlicher<br />

und pädagogischer Zielsetzung. Eine Tagung findet alle 2 Jahre statt.<br />

Eine Krankheit reißt Menschen oft aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld, aus ihrem Arbeitsleben, Schulalltag,<br />

häufig auch aus ihrem Familien- und Freundeskreis heraus. Durch diese Entwurzelung erfahren die<br />

Betroffenen eine gravierende Einschränkung ihrer Lebensqualität. Besonders tragisch ist das, wenn Kinder<br />

oder Jugendliche betroffen sind, die noch am Anfang ihres Lebensweges stehen.<br />

Kinder und Jugendliche mit einer chronischen oder einer lebensbedrohenden Erkrankung beispielsweise<br />

Krebs, aber auch aggressive, depressive, drogenabhängige, schul- und leistungsverweigernde oder sich<br />

selbst verletzende Kinder und Jugendliche brauchen im Spital menschliche Nähe, Aufmerksamkeit, Professionalität<br />

und verlässliche vertrauensvolle Beziehungen mit ehrlicher Anteilnahme. Sie benötigen die<br />

Ärztin/ den Arzt, weil sie krank sind und die Pädagogin/ den Pädagogen, weil sie ein Recht auf Erziehung<br />

und Bildung haben. Der Unterricht gibt neben der Wissensvermittlung den Kindern und Jugendlichen während<br />

der Krankheit ein Stück Normalität zurück. Lernen erzeugt Glücksgefühle, lenkt von der Krankheit ab,<br />

unterstützt das kranke Kind und den Jugendlichen beim Verarbeitungsprozess seiner Krankheit und sichert<br />

die Schullaufbahn. Zudem muss die pädagogische Betreuung auch, falls nötig, bei der Vorbereitung auf<br />

den Tod behilflich sein.<br />

Diese spezielle Unterrichtstätigkeit verlangt nach ständiger Fortbildung und bundes- bzw. weltweiten Praktika<br />

/ Tagungen / Kongressen, um fachgerecht auf den neuesten Stand zu gelangen, das heißt neueste Unterrichtstechniken<br />

kennenzulernen, einzuüben, Erfahrungen auszutauschen, Innovationen auf dem Gebiet<br />

der speziellen Erziehungsbedürfnisse kennenzulernen und eventuell gemeinsame Projekte in Angriff zu<br />

nehmen. Diesen wichtigen Austausch ermöglicht HOPE.<br />

GESCHICHTE<br />

1988 fand auf Initiative des Kinderarztes Prof. Dr. PAVLE KORNHAUSER in Ljubliana (SLOWENIEN) der<br />

1. Kongress der europäischen Spitalspädagoginnen/Spitalspädagogen statt. Nach diesem Ereignis knüpften<br />

die Pädagogen/Pädagoginnen ihre Verbindungen mittels eines Newsletters (erscheint zurzeit viermal<br />

im Jahr) enger und begannen mit einem regen internationalen Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch per<br />

E-<strong>Mai</strong>l, Fax und Videokonferenzen.<br />

1992 fand der 2. Kongress in Wien (ÖSTERREICH) statt; er endete mit dem Aufbau der Vereinigung. Wenige<br />

Monate später wurde in Paris ein Komitee gewählt. Es traf sich in regelmäßigen Intervallen in Brüssel,<br />

Amsterdam, Birmingham und Lörrach um die Statuten und die Geschäftsordnung der Vereinigung zu entwerfen.<br />

1994 wurden in Brüssel (BELGIEN) die Statuten veröffentlicht.<br />

1995 entwickelte die Vereinigung Pläne für die Zukunft und öffnete sich für Verbindungen nach draußen.<br />

1996 während des 3. Kongresses in Uppsala (SCHWEDEN) bestätigte die erste Generalversammlung die<br />

Statuten der Vereinigung und organisierte einen ersten Erfahrungsaustausch über das Leitthema: „Lernen<br />

im Krankenhaus”.<br />

1998 gaben die Europäischen Tage in Paris (FRANKREICH) den Mitgliedern die Gelegenheit, Arbeitsmethoden<br />

auszutauschen, über ihre Aktivitäten seit 1996 zu berichten und erste Ergebnisse aus Krankenhausschulen<br />

in Europa zu diskutieren. 15 Workshops starteten. Das Hauptziel ist, für das kranke Kind einen<br />

Unterricht zu sichern, der verständlich und von höchster Qualität ist und den individuellen Bedürfnissen des<br />

Kindes entspricht.<br />

31


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

2000 fand der 4. Kongress in Barcelona (SPANIEN) unter dem Thema „Arbeiten für die Rechte der kranken<br />

Kinder“ statt. Im Rahmen dieses Kongresses wurde von der Generalversammlung eine europäische Charta<br />

über das Recht der kranken Kinder auf Bildung und Erziehung im Krankenhaus und zu Hause verabschiedet.<br />

DIE CHARTA DER SCHULRECHTE DES KRANKEN KINDES 1<br />

1. Jedes kranke Kind und jeder Jugendliche hat das Recht auf Unterricht im Krankenhaus oder zu<br />

Hause.<br />

2. Ziel des Unterrichts für kranke Kinder und Jugendliche ist die Fortführung von Bildung und Erziehung<br />

und die Erhaltung ihrer Stellung als Schüler.<br />

3. Die Krankenhausschule fördert die Gemeinschaft von Kindern und Jugendlichen und normalisiert<br />

den Alltag. Krankenhausunterricht kann als Klassen-, Gruppen- und Einzelunterricht organisiert<br />

werden.<br />

4. Krankenhaus- und Hausunterricht müssen, in Abstimmung mit der Heimatschule, den Bedürfnissen<br />

und Fähigkeiten kranker Kinder oder Jugendlicher entsprechen.<br />

5. Lernort, Lernumwelt und die Lernhilfen müssen den Bedürfnissen kranker Kinder und Jugendlicher<br />

angepasst sein. Kommunikationstechnologien sollen auch für die Vermeidung von Isolierung<br />

genutzt werden.<br />

6. Der Inhalt des Unterrichts umfasst mehr als den formalen Stoffplan und enthält auch Themen,<br />

die aus besonderen Bedürfnissen durch Krankheit und Krankenhausaufenthalt erwachsen. Eine<br />

Vielzahl von Unterrichtsmethoden und -quellen sollen genutzt werden.<br />

7. Die Kliniklehrer und die Lehrer für Hausunterricht müssen voll qualifiziert sein und ständig Fortbildung<br />

erhalten.<br />

8. Die Lehrer kranker Kinder und Jugendlicher sind als schulische Fachleute vollwertige Mitglieder<br />

des multidisziplinären Pflegeteams. Sie sind die Verbindung zwischen der Krankenhauswelt des<br />

Kindes oder Jugendlichen und seiner Heimatschule.<br />

9. Die Eltern werden über das Recht ihres kranken Kindes oder Jugendlichen auf Schulunterricht<br />

und über das Unterrichtsprogramm informiert. Sie sind als aktive und verantwortliche Partner zu<br />

betrachten.<br />

10. Der Schüler wird als ganzheitliche Person betrachtet. Das schließt das Arztgeheimnis und den<br />

Respekt vor der Privatsphäre und dem religiösen Bekenntnis ein.<br />

2002 fanden die Europäischen Tage in Rom (ITALIEN) statt. Mitglieder einzelner Workshops konnten weiterarbeiten<br />

bzw. Kontakte zu Kolleginnen/ Kollegen anderer Workshops aufnehmen.<br />

2004 erfolgte ein Treffen der Komiteemitglieder in Brüssel (BELGIEN)<br />

2006 wurde beim 5. Kongress in London (GROßBRITANNIEN) erstmals die aktuelle interaktive Webseite:<br />

www.hospitalteachers.eu präsentiert.<br />

2008 lautete das Motto des 6. Kongresses in Tampere (FINNLAND) „Balance zwischen Realität und Traum“.<br />

Zwei perfekt ausgestattete Spitalsschulen (neue Computer, Küche, Holzwerkstatt, Töpferei mit Brennofen)<br />

konnten besucht werden und das finnische Schulsystem wurde vorgestellt.<br />

2010 wurde der 7. Kongress in München (DEUTSCHLAND) von der Staatlichen Schule für Kranke und<br />

der Schule an der Heckscher-Klinik veranstaltet. Medizinerinnen/Mediziner und Pädagoginnen/Pädagogen<br />

analysierten das Kongressthema „Das kranke Kind – aufgehoben im Netz von Pädagogik und Medizin“.<br />

Sie zeigten ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Bekämpfung schwerer Erkrankungen und der<br />

Erhaltung von Lebensqualität auf.<br />

1 http://www.hospitalteachers.eu/download/who%20we%20are/hopecharter_de.pdf<br />

32


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

2012 fand der 8. Kongress in Amsterdam (NIEDERLANDE) statt. E-twinning http://www.e-twinning.org und<br />

das niederländische Schulsystem wurden vorgestellt. Eine von vier vorgegebenen Spitalsschulen konnte<br />

besucht werden. Den Kongressabschluss bildeten Vorträge über die Vor-, Nachteile und die latenten Gefahren<br />

des Internets.<br />

2014 noch kein Gastgeberland bekannt<br />

Die Pädagoginnen/Pädagogen aller Schultypen benötigen eine spezifische Fachkompetenz. Im Spitalsbereich<br />

kommen noch im hohen Ausmaß Geduld, Motivation, Ausdauer, Aushalten, Vertrauen, Zutrauen,<br />

Verständnis, Hoffnung, Fröhlichkeit, Humor und Güte hinzu. Die Spitalspädagoginnen/-pädagogen sind Teil<br />

eines Teams aus Ärztinnen/Ärzten, Pflegepersonen, Therapeutinnen/Therapeuten, Psychologinnen/Psychologen,<br />

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter, das mit Wertschätzung, Toleranz und Respekt bei Krankheit,<br />

Verletzung, Angst, Schmerz, Verlust, Trauer und Tod zum Wohl der Patientinnen/Patienten agiert.<br />

Haben Sie Interesse an einem regen internationalen weltweiten pädagogischen Erfahrungsaustausch,<br />

dann werden Sie Mitglieder! Ich würde mich freuen!<br />

MITGLIEDSBEITRAG:<br />

15 Euro für Einzelmitglieder<br />

30 Euro für Kollektivmitglieder<br />

33<br />

LANDESVERTRETERIN IN ÖSTERREICH<br />

DIPL. PÄD. MAG. DR. BRIGITTE GRUBER, BEd<br />

WILHELMINENSPITAL, PAV. 18<br />

LEHRBEAUFTRAGTE AN DER KRANKENPFLEGESCHULE<br />

UND FORTBILDUNGSAKADEMIE AKH-WIEN


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Roundup of Project 123<br />

The end of the year is coming at such a fast pace. Everyone is in the annual rush to get things finished for<br />

the end of the school year and a well-deserved summer break. Time really has gone quickly, and as I am<br />

now coming to the end of my third year in Project 123, I thought it would be a great time to give an update<br />

on how things have been progressing.<br />

In the last article we spoke of how the project works, various fun and interesting lessons we did, and the<br />

challenges involved in delivering an informative but fun lesson to students with special needs.<br />

Just a Quick Recap<br />

How are things running?<br />

34<br />

Project 123 is the brainchild of Mr. Stuart Simpson,<br />

who wanted to introduce the benefits of having<br />

a Native Speaker Teacher to classes with<br />

special needs or to integration classes. Vienna<br />

has a fantastic Native Speaker Teacher infrastructure,<br />

and through this project, we can now<br />

reach these specialised classes as well. The<br />

project is also specifically meant for First Grade<br />

high school age groups or SPZ classes and students.<br />

I took over from him in 2011, and since<br />

then have had many wonderful experiences as<br />

I myself have learnt, adapted and progressed.<br />

Each year within the project different schools<br />

are involved, as needs and timetables change<br />

and classes move on, so there are always many<br />

new faces at the beginning of each school year.<br />

This year I have four schools (as opposed to<br />

last years six) and I move between the four,<br />

changing schools once a day.<br />

In the last two years, I have managed to find<br />

a rhythm with regards to the daily running of<br />

the project. Once I have built up a good communication<br />

with each of the class teachers, the<br />

lessons run very smoothly. As I have mentioned<br />

in previous articles, I do not teach according<br />

to a syllabus, but rather discuss with the class<br />

teacher what approach would be best for his<br />

or her particular students. Sometimes I take a<br />

whole class, sometimes just a few of the integration<br />

students. Most classes I prepare my own<br />

lessons, and in some the teacher prefers that I<br />

follow the themes of the syllabus. So you could<br />

say that the lessons are tailored for each class.


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

35<br />

Why we do it<br />

As a Native Speaker Teacher, the aim is verbal<br />

communication. The English teachers here are<br />

quite capable of delivering well prepared, informative<br />

English lessons. It is our job as Native<br />

Speakers to bring to the class the smooth flowing<br />

expression of the language. To hear and understand<br />

a natural English accent. With that in<br />

mind, lessons are structured mainly around talking.<br />

Talking with a lot of actions, pictures and<br />

other media aids that are needed to express the<br />

point of the lesson. We do not speak German.<br />

In this way the children are immersed in the language<br />

and are “forced” into attempting to communicate<br />

with the Native Speaker in English. At<br />

first the task seems daunting, as many students, no matter what their level of English, are ultimately too<br />

shy to speak. But as the weeks go by, it is amazing to see the transformation as the children become more<br />

comfortable and start coming out of their shells. It is very satisfying when the children approach me during<br />

breaks to tell me their personal news in English. You know that the child has sat and really thought about<br />

what they want to say, and how to construct their sentences before coming to you. It is at these times when<br />

I know the Project is a success.<br />

I would like to share what was something of a personal land<br />

mark for me. In 2011 I had the fantastic opportunity to join some<br />

teachers and students from the JOBFIT program SPZ Holzhausergasse<br />

on a trip to Brno, Czech Republic for a few days.<br />

The Viennese students were welcomed and introduced to some<br />

wonderful projects that the boarding school was offering, most of<br />

which corresponded to their own projects at home. Everyone had<br />

a chance to plant vegetables and tend to the garden with lessons<br />

in growing and caring for plants. There were also cooking classes<br />

where we had the opportunity to make our own delicious pancake<br />

lunches, as well as decorate some ginger biscuits for Easter. We<br />

had some great crafts lessons, where we made our own Easter<br />

baskets to take home as gifts for the family. All these lessons<br />

are aimed at providing the children with skills to enter the job<br />

market after leaving school. Special Needs children unfortunately<br />

do have a limited choice in terms of careers, and these projects<br />

are specifically developed to help them find their niche, and to<br />

create an environment where these children can hone their skills<br />

in a particular sector, and even have the opportunity to excel at<br />

something. It gives them a chance to contribute to society.<br />

An Enlightening Trip<br />

It was not all hard work and learning though. We were treated to a tour of the historic city, with a much awaited<br />

stop for ice-cream. One of our evenings was spent around a bonfire, chatting and cooking sausages<br />

over the fire. We also had the wonderful opportunity to hear some songs from the Czech students. What<br />

made this trip even more inspiring, was seeing how Special Needs students from two different cultures who<br />

also had to deal with a huge language barrier, came together almost immediately and simply found a way<br />

to get on and communicate. As their English teacher I was especially proud hearing them attempt to find<br />

common ground by using the English that they had learnt.


Personal Progress<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

36<br />

It is in situations like these where one can really<br />

reflect on your own situation, your own problems,<br />

and really be inspired by these children.<br />

In the four years or so that I have been in the<br />

country, I have been confronted many times<br />

with the problem of communication and cultural<br />

barriers, as I struggle along to find my place<br />

within Austrian society, and for me to also integrate<br />

into a culture that was at first totally foreign<br />

to me. In many ways I can empathise with my<br />

integration students, trying to find their place in<br />

a new world. These children have shown me<br />

the importance of accepting the situation you<br />

are given, and using whatever talents you may<br />

have to be a part of society, without succumbing<br />

to the myriad excuses that can show their ugly<br />

heads and ultimately leave you lagging behind.<br />

What these children do takes huge amounts of courage. Knowing first -hand how difficult it can be (and that<br />

is without any disabilities to challenge me) they have really given me the inspiration and courage I have<br />

needed to find my own place – to integrate – and to really start calling Austria my home.<br />

Genevieve Gombert<br />

comes from Durban, Kwa-Zulu Natal, South Africa.<br />

She was principal of her own kindergarten,<br />

until coming to Austria and teaching English as a Native Speaker all over the country.<br />

She then joined the Special Needs English Project 1-2-3 in October 2010.<br />

She has been living in Gablitz, on the border of Vienna, for the last four years.


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Die erste Bilderausstellung<br />

Die Einladung eigene Bilder im SSR auszustellen war für die SchülerInnen des SPZs 3 gleichzeitig<br />

schmeichelhaft und erschreckend. Viele schöne Bilder haben sie zu Stande gebracht, aber was möchte<br />

man wirklich ausstellen? Das war eine Herausforderung!<br />

Zuerst wurde eine kleine mutige Gruppe gebildet, deren Aufgabe darin bestand, die möglichst beste Auswahl<br />

an Bildern zu treffen, die sowohl die breite Palette an angewandten Techniken als auch die Vielfalt an<br />

Ideen präsentieren wird. Jeder Vorschlag musste natürlich gut durchdacht und begründet werden, was den<br />

Jurymitgliedern nicht nur solide Deutschkenntnisse sondern auch argumentatives Durchsetzungsvermögen<br />

abverlangt hat. Zum Schluss wurde demokratisch gewählt und die Arbeiten mit den meisten Stimmen<br />

wurden stolz der zweiten Gruppe überreicht.<br />

Ob man sich bei der Oscar Verleihung auch so mit Leib und Seele ins Zeug legt?<br />

Die zweite Gruppe wurde mit einer kreativen Tätigkeit beauftragt: die ausgewählten Bilder für die bevorstehende<br />

Ausstellung im SSR in die richtige Schale zu werfen, d.h. den passenden Hintergrund vorzubereiten,<br />

die genaue Position abzumessen, sauber zu kleben und bei Bedarf eine schöne Verzierung zu gestalten.<br />

Das war die Gelegenheit zu zeigen, was man sich im GZ-Unterricht angeeignet hat! Die Schulglocke unterbrach<br />

die tiefe Konzentration. Ob die Zeit fliegen kann?<br />

Die dritte Gruppe begutachtete wertschätzend die geleistete Arbeit. Man erinnerte sich an die gemeinsamen<br />

Museumsbesuche, bekannte Maler und ihre berühmten Werke. Da fiel auf, dass unsere kleinen Kunstwerke<br />

weder einen Namen noch eine richtige Beschriftung hatten. Sehr schnell trafen die SchülerInnen ihre<br />

Entscheidungen, und so entstanden klangvolle Titel wie: „Die Nachteule“, „Die Wüste lebt“ oder „Afterwork<br />

party bei den Ameisen“, die man schnell am Computer ausdruckte. „Es war leicht,“ meinte eine Schülerin.<br />

„Die Bilder sprachen zu uns!“<br />

Nun waren die kleinen Kunstwerke transportbereit. Das übernahmen die LehrerInnen, und die SchülerInnen,<br />

aufgebaut durch erfolgreiche Zusammenarbeit und positive Rückmeldungen, widmeten sich neuen<br />

Lebensherausforderungen.<br />

Die Wüste lebt, Bild 1, Sandpapier und Mischtechnik<br />

37<br />

SPZ 3, Petrusgasse 10<br />

Svijetlana Simicevic,<br />

Muttersprachliche Lehrerin<br />

Corina Mayer, Sobln


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Afterwork-Party bei den Ameisen, Mischtechnik<br />

Die Schöpfung, Bild 1, Wasserfarbe und Bleistift<br />

Die Wüste lebt, Bild 2, Sandpapier und Mischtechnik<br />

38


Die gesunde Jause, Aquarell - Collage<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Schöpfung, Bild 2, Wasserfarbe und Bleistift<br />

39<br />

Kommunikation, Drucktechnik


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Vielfalt der Arten, Wasserfarbe und Fineliner Blumenpracht, Crashtechnik<br />

Nachteule in der Großstadt, Mischtechnik Blumenvase, Collage und Pastellkreide<br />

40


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Erfolgreicher Berufseinstieg von Michael Zobl<br />

Michi Zobl wurde am 2. Juli 1993 in Rumänien geboren und kam in ein Kinderheim.<br />

Maria und Adi kamen dorthin und fanden Michi, der in seinem Bett saß, Türme baute und umwarf,<br />

besonders reizend. Er streckte nicht, wie die anderen Kinder, den Besuchern die Arme entgegen, sondern<br />

spielte mit seinen Bausteinen.<br />

Nach einem langen Behördenweg war Michi am 4. Oktober 1994 endlich bei seinen Adoptiveltern in<br />

Wien. Durch die veränderte und abwechslungsreiche Umwelt merkten die Eltern bald, dass Michi anders<br />

war. Er weinte, tobte und hatte Angst. Nach diversen Untersuchungen erhielt Michi die Diagnose<br />

Autismus. Im Kindergarten hatte Michi Schwierigkeiten, wechselte ein paar Mal, bis er schließlich im<br />

Institut Keil landete.<br />

1999 wurde Michi in die Volksschule eingeschrieben und als unbeschulbar eingestuft. Daher wurde er<br />

ein weiteres Jahr im Institut Keil betreut.<br />

Im Herbst 2000 begann seine Schullaufbahn in der Volksschule Diesterweggasse im 14. Bezirk, mit<br />

Philipp Wuscher als Lehrer und Irmi Güttner als Lehrerin. Michi war sehr aktiv und es dauerte einige<br />

Zeit bis er lernte, ruhig sitzen zu bleiben. Er rechnete im Liegen und sprang bei jeder Rechnung auf,<br />

um das Ergebnis mitzuteilen.<br />

Das Lernen an sich machte ihm keine Probleme, vielmehr fiel es ihm schwer das zu tun, was gerade<br />

verlangt wurde. In einer Klasse muss man warten, bis man an die Reihe kommt, das war für ihn schwierig.<br />

Wenn man in einer Gruppe arbeitet, muss man Kompromisse schließen. Wenn ich als Lehrerin über<br />

den Stephansdom erzählte, wollte ich nichts über Frühlingsblumen hören. Michi lernte nicht nur damit<br />

umzugehen, sondern auch konstruktiv in einer Gruppe mitzuarbeiten: Er stellte sich in der Reihe an<br />

ohne unbedingt Erster sein zu wollen – die Kinder hatten mit ihm vereinbart, dass er das nur an den<br />

D-Tagen, Dienstag und Donnerstag, sein durfte. Er schrieb einen Aufsatz genau dann, wann Deutschschularbeit<br />

am Programm stand und nicht dann, wann er es wollte.<br />

Zwischendruch bekam Michi immer wieder ein Timeout, er durfte kurze Zeit Musik hören, worüber er<br />

heute sehr lachen muss.<br />

Michi machte kaum Probleme, wenn wir LehrerInnen nicht da waren. Er lag auf dem Sofa in der Klasse<br />

und machte einfach nichts. Das aber ließen wir nicht durchgehen, er sollte arbeiten und sein Potential<br />

nutzen. Wir haben sehr viel von ihm gelernt, denn Michi hat alles hinterfragt und wir mit ihm.<br />

Seit damals bemühe ich mich umso mehr, den Kindern zu sagen, was wir in der nächsten Zeit machen,<br />

was das Ziel ist und wie lange dafür Zeit ist. Die Strukturen, von denen wir eigentlich dachten, dass nur<br />

Michi sie braucht, haben allen Kindern gut getan.<br />

Als ich Michi fragte, woran er sich erinnert, konnte er mir alle Namen seiner Mitschüler/innen aufzählen.<br />

Er kann sich an seine Pausen mit dem Kassettenrecorder erinnern, und dass wir auf einem Parkplatz<br />

ein Verkehrstraining gemacht haben.<br />

In der 4. Klasse Volksschule begann die Suche nach einer weiterführenden Schule. Michi war ein ausgezeichneter<br />

Schüler, doch in den umliegenden AHS gab es keine Integrationsklassen und auch keine<br />

Schule, die es mit Michi und einer Assistenz probieren wollte. In der privaten KMS Friesgase wurde<br />

eine 1. Integrationsklasse installiert, und Michi fand dort seinen Platz.<br />

Die beiden jungen Lehrerinnen waren sehr engagiert, aber durch das Zusammenspiel von mehreren<br />

Lehrerinnen/Lehrern war es nicht so leicht für Michi.<br />

Beispielsweise war er schon in der Volksschule kaum zu motivieren eine Zeichnung zu machen. Aber<br />

letztendlich malte Michi mit Wasserfarben, und es machte ihm Spaß. In der KMS gab es LehrerInnen,<br />

die das nicht so locker sehen konnten, und daher gab es viele Gespräche mit der Mutter und mir, da ich<br />

von da an die Rolle als Michis Mentorin übernommen hatte.<br />

41


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

In der Volksschule hatte Michi immer wieder verschiedene Interessen, wie Schlüssel, Schlösser, Werkzeug<br />

oder Waschmittel. Es zeichnete sich eine eindeutige Neigung zur Technik ab, und es wurde schwierig, ihn<br />

für andere Themen zu interessieren. Seine Mutter bereitete mit ihm detaillierte Referate vor, doch er zeigte<br />

kein Interesse.<br />

Michi erinnert sich außer an die LehrerInnen in der KMS auch an die Frau Direktor und den EDV – Saal.<br />

Seine Lieblingsgegenstände waren Physik und Chemie. So wurde ich bei jedem Treffen geprüft und schnitt<br />

gar nicht gut ab, weil ich die Formel für Zement nicht wusste /weiß. Im Rucksack führte Michi eine Autobatterie<br />

mit sich und einen CD – Player, damit er mir Musik vorspielen konnte.<br />

Schwierig war es für ihn auf seine Hygiene zu achten. Einen 12-jährigen Burschen badet man nicht mehr,<br />

und er wollte es nicht selbst tun. Das war eine harte Zeit für seine Mutter. Einerseits wurde sie für den Hygienezustand<br />

ihres Sohnes verantwortlich gemacht, andererseits stand sie vor der versperrten Badezimmertür<br />

– ein Kampf in alle Richtungen.<br />

Zu Beginn der 4. Klasse KMS begann die Überlegung – in welche weiterführende Schule sollte Michi nun<br />

gehen? So ein technisches Talent sollte nicht brachliegen. Angeboten wurde die HTL für Lederverarbeitung,<br />

aber das war für ihn undenkbar. So wandte sich Michis Mutter an die HTL Donaustadt. Michi sollte dort die<br />

Fachschule für Elektrotechnik besuchen. Er wurde nach Gesprächen mit Herrn Abteilungsleiter Kerbl aufgenommen<br />

und erhielt zehn Stunden Assistenz von Kristian Markovic. Im <strong>Integrationsjournal</strong> 2009 haben<br />

wir darüber geschrieben.<br />

Nach der 2. Klasse HTL machte er ein Praktikum bei der Firma Frühwald, was ihm nicht besonders gefiel,<br />

da er zu wenig Struktur hatte. Nach der 3. Klasse HTL durfte er ein Praktikum bei Siemens machen, bei<br />

dem ihm wieder Kristian beim Einstieg zur Seite stand - ein Neubeginn ist immer schwierig für Michi und<br />

seine Umwelt.<br />

Ab der 3. Klasse HTL war keine Assistenz mehr notwendig. Michi war einer der besten Schüler seiner<br />

Klasse. Er lernte in der Schule und probierte zu Hause viel aus. So stellte er Videos auf youtube, in denen<br />

er den Herd seiner Großmutter erklärt oder wie er mit seinem Scooter und einer Autobatterie Licht erzeugt.<br />

Sein Zimmer beleuchtete er mit Leuchtstoffröhren, mittlerweile mit LED – Lampen.<br />

Im Frühjahr 2012 beendete Michi die Fachschule für Elektrotechnik in der HTL Donaustadt mit Auszeichnung<br />

und er wurde bei einer schönen Feier geehrt.<br />

Schon vorher hatte die Suche nach einem Job begonnen. Herr Mag. Waldbauer von der Arbeitsassistenz<br />

Wuk war Michi behilflich, Bewerbungsschreiben zu formulieren. Er bewarb sich bei mehreren Firmen, erhielt<br />

aber nur Absagen. Auf Grund seines tollen Zeugnisses erhielt Michi ein Angebot aus Kärnten und eines<br />

aus der Schweiz, doch für den Schritt weg aus Wien ist er noch nicht bereit.<br />

Im Juli bekam Michi zunächst auch eine Absage von Siemens, nach einigen Telefonaten erhielt Michi noch<br />

eine Chance und wurde auf Herz und Nieren geprüft. So eine lange Wartezeit war nicht einfach für ihn und<br />

seine Mutter, Tage ohne Struktur sind schwierig.<br />

Am 2. Jänner <strong>2013</strong> war es soweit... sein erster Arbeitstag bei Siemens. Michi arbeitet nun in der Arbeitsvorbereitung.<br />

Er macht Zeitableitungen für verschiedene Geräte in U – Bahnen. Er arbeitet mit SAP, worauf er<br />

sehr stolz ist. Michi hofft bald im Änderungsmanagement tätig sein zu können. Ich verstehe nicht sehr viel<br />

von dieser Materie, aber es beeindruckt mich, dass er konkrete Ziele in diesem Bereich im Auge hat.<br />

Einer von Michis Arbeitskollegen ist sein Mentor, das Mentoring wurde von der Arbeitsassistenz angeregt<br />

und Herr Mag. Waldbauer hat den Antrag an den FSW (Fond Soziales Wien) verfasst. Die Prüfung, ob der<br />

Antrag auf Arbeitsassistenz genehmigt wird oder nicht, übernimmt dann im Auftrag des FSW das Projekt<br />

Integrationsfachdienst Jobwärts von JAW (Jugend am Werk).<br />

Michi beginnt um 6 Uhr 30 zu arbeiten und fährt mit der U-Bahn oder mit dem Fahrrad zur Arbeit, wobei er<br />

sich mit drei Dynamos sein Handy und sein Tablet auflädt.<br />

42


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Er hat nette Mitarbeiter, ca. 10 bis 15 Personen. Mit einer Gruppe von ihnen geht er zu Mittag in die Kantine,<br />

wo Michi das Essen gut schmeckt. In Begleitung darf er in die Montagehalle, wo die Theorie in die Praxis<br />

umgesetzt wird.<br />

Es gefällt Michi bei Siemens so gut, dass er bis zur Pension dort bleiben möchte. Seine Probezeit beträgt<br />

sechs Monate, wenn er die übersteht, dann steht einer Pensionierung bei der Firma Siemens in 45 bis 50<br />

Jahren nichts mehr im Wege.<br />

Im Sommer 2012 hat Michi mit dem Führerschein begonnen. Die theoretische Prüfung hat er bereits geschafft,<br />

vor dem praktischen Teil stehen noch einige Untersuchungen beim Amtsarzt an.<br />

Ich bat auch Michis Mutter um einen kurzen Rückblick auf die Schulzeit.<br />

Sie meinte, es war ein mühsamer Kampf an drei Fronten:<br />

Erstens mit Michi, weil es oft schwer war, ihn zu motivieren und mit ihm zu üben.<br />

Zweitens mit der Gesellschaft, den Lehrerinnen/Lehrern in der Schule, den Leuten in den Geschäften,<br />

wenn Michi etwas unbedingt wollte und tobte, den Leuten in der U-Bahn, die sich mokierten, wenn Michi die<br />

Stationen aufsagte, den Nachbarinnen/<br />

Nachbarn, wenn Michi zu laut war, usw.<br />

Drittens mit sich selbst, ob es auch das<br />

Richtige ist, was sie macht.<br />

Michi hat einen tollen Weg gemacht.<br />

Noch möchte er bei seiner Mutter wohnen<br />

bleiben, aber bald wird er bestimmt<br />

auch in diesem Bereich selbständig<br />

werden.<br />

Ich freue mich, dass ich seinen Weg<br />

begleiten durfte und ich habe viel von<br />

ihm gelernt, als Mensch allgemein und<br />

in meiner beruflichen Funktion als Lehrerin.<br />

Alles Gute, Michi!<br />

Irmi Güttner<br />

Lehrerin an der<br />

GTVS Diesterweggasse<br />

Mentorin<br />

Interview mit Michael Zobl<br />

am 27. März <strong>2013</strong><br />

43


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung<br />

Aus dem Leben einer Sonderschullehrerin<br />

Wie facettenreich der Beruf einer Lehrerin sein kann, ist den meisten Menschen nicht bewusst. Es spielt<br />

natürlich die Persönlichkeit der Lehrperson eine große Rolle, wie sie ihren Beruf auffasst, wie ihre Haltung<br />

gegenüber den Schüler/innen und vor allem gegenüber den Veränderungen ist, die sich auf den unterschiedlichen<br />

Ebenen im Lauf eines Lehrer/innenlebens ergeben.<br />

Was ändert sich nicht alles in 10, 20, 30 und mehr Jahren: Betreffend Gesellschaftspolitik, Umwelt, Arbeitswelt,<br />

ökonomische Gegebenheiten, Massenkommunikationsmitteln, usf.<br />

Lehrer/innen sind aufgefordert, auf alle Veränderungen adäquat zu reagieren.<br />

Das kann frustrieren und müde machen. Es kann aber auch lebendig und fit halten. Gerade der Lehrer/<br />

innenberuf ist weit davon entfernt, ein gleichförmiger Beruf zu sein. Es hängt aber –wie immer- von den<br />

einzelnen Persönlichkeiten ab, was man aus den verschiedenen Gegebenheiten macht, wie man auf unterschiedliche<br />

Anforderungen und Veränderungen reagiert.<br />

Dass das nicht leicht ist, liegt auf der Hand, dass es Phasen gibt, die belastend und mühsam sind, gehört<br />

wohl dazu, aber mit der entsprechenden Einstellung kann der Beruf ein über lange Arbeitsjahre erfüllender<br />

und spannender sein.<br />

Im vorliegenden Beitrag wird die berufliche Laufbahn einer Sonderschullehrerin über mehr als 30 Jahre<br />

hinweg skizziert, um zu zeigen, wie vielfältig der Beruf sein kann, welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten<br />

für Veränderungen es gibt und wie man mit der entsprechenden Einstellung dazu auch nach so vielen<br />

Jahren immer noch gerne Lehrerin sein kann.<br />

Die kursiv gedruckten Textstellen stammen aus dem Interview mit der Kollegin.<br />

1981<br />

Der Entschluss, Lehrerin zu werden hatte mehrere Gründe: Die Beeinflussung<br />

von zu Hause, die Vielseitigkeit des Berufs, die Arbeit mit<br />

Kindern und die Möglichkeit der kreativen, praktischen Umsetzung, mit<br />

dem Bewusstsein, dass „Theorie“ nicht der Schwerpunkt des Berufs<br />

sein würde.<br />

Abschluss der Ausbildung an der Pädagogischen Akademie in Vorarlberg.<br />

Die Ausbildung an der Päd. Ak. vermittelte die Basis für die Arbeit als Lehrerin, selbst gewählter Fokus lag<br />

auf der Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern (SSO); ist auch jetzt Schwerpunkt.<br />

Die Ausbildungszeit habe ich (rückblickend) als mehr oder weniger gute Basis für die Arbeit erlebt. Ich war<br />

sehr zielgerichtet, auch mit dem Focus, möglichst bald „auf eigenen Beinen“ stehen zu wollen (zu müssen).<br />

Im Rahmen der Ausbildung zur Sonderschullehrerin konnte der Schwerpunkt „schwerstbehinderte<br />

Kinder“ gewählt werden – das entsprach meinen Vorstellungen und hier liegt auch heute noch der Schwerpunkt<br />

in meiner Arbeit mit Kindern und jetzt Jugendlichen. Die Zusammenarbeit mit Studienkolleginnen und<br />

-kollegen während der Ausbildung war intensiv und wurde von mir als sehr positiv erlebt (Arbeitsgruppen,<br />

Seminare, diverse Schwerpunkte).<br />

44<br />

Heraklit


1981-1985<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Einsatz in einer SSO Klasse an einer Sonderschule (2 SSO-Klassen plus mehrere ASO-Klassen) in Vorarlberg.<br />

Parallel Ausbildung in rhythmisch-musikalischer Früherziehung am Konservatorium.<br />

Einerseits stand sehr bald vor allem die autonome Arbeit mit den Kindern in der eigenen S- Klasse (SchülerInnenanzahl<br />

damals zehn) im Vordergrund. Andererseits wurde der intensive fachliche und menschliche<br />

Austausch mit den anderen Kolleginnen/Kollegen an der Schule von mir sehr geschätzt und als außerordentlich<br />

hilfreich erlebt. Es war ein guter Grundstein für die praktische Umsetzung des Erlernten während<br />

der Ausbildung. Die Erfahrungen an dieser Schule möchte ich nicht missen und viele andere schwierige<br />

Situationen mit Kindern haben sich später im Rückblick auf diese Schuljahre relativiert.<br />

1985-1986<br />

Übersiedlung nach Wien, Studium an der Universität.<br />

Zu Beginn habe ich etliche Jahre im 18. Bezirk gewohnt und anschließend<br />

durchgehend im 9. Bezirk. Meine Tätigkeiten als Pädagogin waren<br />

im 22., 19., 18., 8., 17., und 2. Bezirk. So habe ich Wien nicht<br />

nur geografisch gut kennengelernt und die Erfahrung gemacht, dass<br />

(schon damals) alles gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen<br />

war (im Gegensatz zu Vorarlberg), sondern auch erkannt, dass es,<br />

schon damals, große regionale Unterschiede gab.<br />

1986-1987<br />

Ein Jahr Tätigkeit an einer privaten Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder in Wien.<br />

Bei der Jobsuche in Wien hat sich herausgestellt, dass dies nicht so einfach war und das Angebot eines<br />

„Einjahresvertrags“ an einer privaten Sonderschule hat sich als gute und einmalige Chance ergeben. Es<br />

war ein guter Einstieg für mich. Trotzdem war der Wunsch da, in das öffentliche Schulsystem zu wechseln<br />

und diesen Wunsch verfolgte ich auch zielgerichtet und es gelang.<br />

1987-1988<br />

Ein halbes Jahr in der Supplierreserve für Sonderpädagoginnen/-pädagogen tätig und ein halbes Jahr als<br />

„MDL-Lehrerin“ an einer Sonderschule.<br />

Mein Jahr in der Supplierreserve könnte man in der Summe als „spannend“ und „lehrreich“ zusammenfassen.<br />

Der Einsatz erfolgte ausschließlich an Sonderschulen (es gab in diesem Schuljahr erst 4 I-Klassen<br />

in Wien)und es war für mich eine große Herausforderung in jeder Hinsicht. Da ich keinerlei Erfahrungen<br />

an der ASO (Allgemeinen Sonderschule) hatte, war für mich die erste Hürde die intensive Auseinandersetzung<br />

mit dem Lehrplan der ASO (ich war in 1. – 8. Klassen tätig). Es war wirklich der „Sprung ins kalte<br />

Wasser“. Um ehrlich zu sein: Ich war teilweise überfordert und stieß immer wieder an Grenzen. Einmal mit<br />

mehr und das andere Mal mit weniger Hilfe (sei es von Direktorinnen/Direktoren oder Kolleginnen/Kollegen)<br />

konnte ich Situationen gut oder weniger gut meistern. Einfach war das nicht. Ich brauchte entsprechende<br />

Nervenstärke, um den Unterricht (Klassenschülerzahl lag damals bei durchschnittlich sechzehn bis achtzehn<br />

SchülerInnen) vor allem disziplinär, aber auch methodisch didaktisch gut zu bewältigen.<br />

45


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

In dieser Zeit hatte ich erste Kontakte zu einem „ambulantem System“ – nämlich das der Sprachheil-<br />

lehrerInnen. Es war damals das zweite ambulante System neben jenem der BeratungslehrerInnen und<br />

Psychagogischen BetreuerInnen. Diese Kolleginnen/Kollegen waren allerdings ausschließlich im Volksschulbereich<br />

tätig.<br />

Das 2. Halbjahr in diesem Schuljahr als MDL-Lehrerin (LehrerInnen, die nur einige Stunden in unterschiedlichen<br />

Klassen an Sonderschulen unterrichten) erlebte ich schon eher „gefestigt“ (so schnell konnte mich<br />

nichts mehr aus der Ruhe bringen) und ich konnte mich wieder intensiver mit Kolleginnen/Kollegen austauschen.<br />

1988-1992<br />

Arbeit als Sonderpädagogin in einer der ersten Volksschulintegrationsklassen in Wien (zu diesem Zeitpunkt<br />

gab es 12 Integrationsklassen).<br />

Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in einer I-Klasse zu<br />

arbeiten. Die ersten Teamerfahrungen zeigten, dass die Welten einer<br />

„straighten“ Volksschullehrerin mit der Welt einer „bedächtigen“ Sonderschullehrerin<br />

(das war ich, mit einer gewissen Entspanntheit, Ruhe<br />

und Geduld ausgestattet) aufeinanderprallten. Wir starteten mit vielen<br />

Diskussionen und „Holprigkeiten“, hatten aber das Glück, eine Volksschuldirektorin<br />

zu haben, die, meiner Meinung nach, in Ihrem Führungsstil<br />

eine gute Mischung aus Empathie und Mut zur Entscheidung<br />

hatte. Trotzdem brauchte es zwei Jahre an intensiven Bemühungen<br />

unsererseits, bis endlich jeder sein „Terrain“ abgesteckt hatte und wir letztendlich recht harmonisch und<br />

zielgerichtet gemeinsam arbeiten konnten.<br />

Ein anderer „Belastungsfaktor“ trat für uns Beide in den Vordergrund: Neidverhalten der anderen Kolleginnen/Kollegen.<br />

„Die sind zu zweit… das ist ja einfach“, war eine der vielen Aussagen. Dass zwei Kinder<br />

mit SSO Lehrplan und zwei Kinder mit ASO-Lehrplan nicht so „nebenbei mitlaufen“, sondern es anderer<br />

Organisationsformen bedarf (neben dem Frontalunterricht), mussten wir erst kommunizieren. Unsere Besprechungsstunden<br />

waren etwas Außergewöhnliches und die Überlegungen zur Differenzierung waren<br />

erklärungsbedürftig. Damals gab es für die Kolleginnen/Kollegen, die in einer I-Klasse unterrichteten, Wien<br />

weit regelmäßige Treffen, an denen wir selbstverständlich immer teilnahmen, und auch Fortbildungsveranstaltungen<br />

waren zu besuchen und so gut wie „obligatorisch“. Diese Seite der Medaille sahen die anderen<br />

Kolleginnen/Kollegen weniger.<br />

1992-1996<br />

Arbeit als Sonderpädagogin in einem anderen Bezirk an einer KMS – Integrationsklasse<br />

Gegen Ende meiner vierjährigen Tätigkeit in dieser I-Klasse überlegte ich mir einerseits, dass ich gern auch<br />

wieder mit älteren Kindern arbeiten würde und andererseits sich durch einen Wechsel auch möglicherweise<br />

mein Fahrweg (über eine Stunde von zu Hause in die Schule mit Straßenbahn, zwei verschiedene<br />

U-Bahnen und ein Bus) verkürzen könnte. Ich meldete mich bei der Integrationsberatungsstelle des Stadtschulrats<br />

für Wien, da meine zuständige SPZ-Leiterin diesbezüglich keine Möglichkeit sah. Es wurde mir<br />

die Möglichkeit geboten, in eine 1.HS-Integrationsklasse einzusteigen und mein Fahrweg verkürzte sich<br />

dadurch wesentlich. Einerseits hatte man mich für diese Arbeit ausgesucht, weil ich Erfahrung mit SSO Kindern<br />

hatte (es gab drei davon in dieser Klasse) und andererseits, weil ich schon Erfahrung in einer I-Klasse<br />

hatte und es an dieser Schule diesbezüglich noch keinerlei Erfahrungen gab. Es war die allererste I-Klasse<br />

an dieser Hauptschule. Die Herausforderungen waren vielfältig: ein großes Team, wobei die Kolleginnen/<br />

Kollegen der Hauptschule bemüht waren, aber doch eher den Unterricht „im herkömmlichen Sinn“ gestalteten.<br />

Die Unterrichtsstile waren sehr unterschiedlich und die Kolleginnen/Kollegen waren es auch nicht<br />

gewohnt, mit einer zweiten Pädagogin ständig zusammenzuarbeiten (Teamarbeit).<br />

46


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Dafür hatten wir ein unglaublich gutes räumliches Angebot: Zwei große Klassenräume mit einem Durchgang.<br />

Es bedurfte natürlich einiger Erfahrungen, Besprechungen und Überlegungen, dass der zweite Raum<br />

nicht ausschließlich für die Kinder mit „I-Status“ zur Verfügung stehen muss, sondern dieses räumliche<br />

Angebot allen Kindern zu Gute kommen soll. In diesen Jahren habe ich viel von einer Kollegin, die Bildnerische<br />

Erziehung unterrichtete, gelernt, hatte mit ihr einen intensiven Erfahrungsaustausch und bekam viele<br />

Anregungen für neue Inhalte. Eine tolle Bereicherung.<br />

Als Ausgleich zu all diesen neuen Herausforderungen begann ich, Tai Chi Kurse zu besuchen und startete<br />

mit einer Gesangsausbildung.<br />

1996-1997<br />

Die Kollegin nimmt ein unbezahltes Jahr Karenz.<br />

Am Ender der vier Jahre in der Hauptschule habe ich gemerkt, dass<br />

meine Energiereserven doch sehr aufgebraucht waren und entschied<br />

mich für ein Jahr Karenz. Ich verbrachte einen Teil in Italien und vertiefte<br />

meine Italienischkenntnisse. Dass ich nebenbei auch einen Kochkurs<br />

machte, ergab sich durch einen Zufall und ich habe das sehr genossen,<br />

in jeder Hinsicht.<br />

Nach dieser Auszeit und dem völligen Tapetenwechsel hatte ich genug<br />

Kraftreserven und war wieder offen für alles. Mir war klar, dass mein<br />

Karenz Jahr eine neue Schule bedeuten würde, da keiner das Recht<br />

auf dieselbe Schule gepachtet hat.<br />

1997-2001<br />

Der Wiedereinstieg erfolgte in der Supplierreserve und nach zwei Monaten Einstieg in eine 1. I-Klasse KMS<br />

(Sonderschullehrerin war dort ausgefallen)<br />

Die Suppliertätigkeit am Beginn hat mir wieder vor Augen geführt, wie unterschiedlich die Schullandschaft<br />

in Wien sein kann. Nach zwei Monaten wurde ich einer KMS zugeteilt, wo bald klar war, dass sich dieser<br />

Einsatz auf die nächsten dreieinhalb Jahre beziehen würde.<br />

Die Integrationskinder waren eine bunte Gruppe und ich wurde mit einer, für mich neuen Art der Beeinträchtigung<br />

konfrontiert. Ein Schüler mit schwerer Körperbehinderung (Rollstuhl, Spastiker, sprachlich kaum<br />

verständlich, Hauptschullehrplan), zwei SchülerInnen mit Lehrplan SSO, ein Schüler mit Lehrplan ASO und<br />

eine Schülerin mit teilweise ASO-Lehrplan. Es waren meine ersten Erfahrungen mit Körperbehinderung<br />

und ich lernte viel von der Kollegin vom mobilen Motorik Team. Durch die besondere Konstellation (der<br />

Schüler mit Körperbehinderung benötigte permanente Unterstützung im Alltag (WC-Begleitung, Arbeitsmaterialien<br />

herrichten, Arbeit mit Computer über Spezialtastatur…) wurde dieser Klasse auch ein Zivildiener<br />

zugeteilt. Eine weitere neue Form der Kooperation im Unterricht.<br />

Zu Beginn war die Teamkonstellation eine sehr schwierige und es waren daher viele Orientierungsgespräche<br />

in den unterschiedlichsten Konstellationen notwendig. Abgesehen von Gesprächen innerhalb der<br />

LehrerInnengruppe, zwischen dem Zivildiener und der Kollegin vom Mobilen Motorik Team, gab es auch<br />

Gesprächsrunden mit dem Direktor und der SPZ-Leiterin, unter Einbeziehung einer Vertreterin der Integrationsberatungsstelle.<br />

Was die Arbeit nicht einfacher machte war, dass es keine Form von Besprechungsstunden gab, das wurde<br />

seitens der HauptschullehrerInnen bzw. der Direktion als nicht notwendig erachtet. Da es damals keinerlei<br />

Verbindlichkeiten diesbezüglich gab, konnten sie von mir auch nicht eingefordert werden. Das machte die<br />

Arbeit nicht einfacher.<br />

47


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Während dieser Zeit war für mich „Coaching“ ein aktuelles Thema und ich ließ mich nach einigen Überlegungen<br />

gerne darauf ein. Die Finanzierung erfolgte privat, und es war in vielerlei Hinsicht für mich sehr<br />

hilfreich und unterstützend.<br />

Bereichernd war der Musikschwerpunkt an der Schule, der mir sehr entgegenkam.<br />

2001-2004<br />

Wiedereinstieg in die Volksschulintegration. Allerdings in eine 2. Klasse, da die Sonderschullehrerin in<br />

Karenzurlaub gegangen war.<br />

Da in der Hauptschule keine Integrationsklasse mehr etabliert wurde, war für mich wieder, nach dreieinhalb<br />

Jahren, eine Neuorientierung notwendig. Durch Zufall wurde ich wieder einer Volksschule zugewiesen. Dort<br />

war eine Sonderschullehrerin ausgefallen und ich stieg in eine 2. I-Klasse ein. Die Zusammenarbeit mit der<br />

Volksschullehrerin hat von Beginn an einfach gepasst, und es war eine tolle Zusammenarbeit. Ich habe<br />

viel gelernt über „offenen Unterricht“ und unsere regelmäßigen (beinahe täglichen) Besprechungen waren<br />

für uns beide selbstverständlich und haben die Arbeit unglaublich erleichtert. Erstmals lernte ich auch die<br />

alternative Leistungsbeurteilung für Volksschüler/innen kennen – wieder eine neue Erfahrung. Es war eine<br />

stimmige, ausgewogene, gleichberechtigte Zusammenarbeit. Regelmäßige Supervision war für uns beide<br />

sehr unterstützend. Bei einem Kind war es notwendig, tägliche Rückmeldungen ins Mitteilungsheft zu<br />

schreiben, nur so klappte die Kooperation Schule-Kind-Eltern. Ich habe das gerne übernommen, und in der<br />

4. Klasse war es dann möglich, diese „Unterstützungsform“ wegzulassen. Bei der Verabschiedung hat das<br />

Kind zu mir gesagt: „M., du hast mich gerettet. Ich hätte dir ja auch scheißegal sein können!“<br />

2004-2006<br />

Einstieg in eine 3. Integrationsklasse (ebenfalls Karenzvertretung), die an einem Sonderpädagogischem<br />

Zentrum als Expositur- klasse einer Volksschule geführt wurde.<br />

2006-2009<br />

Da nach Auslaufen dieser Klasse am Standort keine I-Klasse eingerichtet<br />

wurde, schlug mir die SPZ-Leiterin vor, an ihrem Standort in<br />

eine 3. I-Klasse (die Sonderschullehrerin war zu ersetzen) einzusteigen.<br />

Wieder ein Wechsel, aber immerhin dieselbe Leiterin des Sonderpädagogischen<br />

Zentrums. Also wusste ich nun auch, dass es Integrationsklassen<br />

am SPZ als Expositur Klassen einer Volksschule gab<br />

und auf Grund der Örtlichkeit des SPZs war der neue Schwerpunkt<br />

auch „Migration“. Wieder eine neue Herausforderung, die mit der neuen<br />

Teampartnerin gut zu bewältigen war. Unsere Schwerpunkte legten<br />

wir auf Gesundheit und Selbstbestimmung.<br />

Arbeit in einer Familienklasse an einem Sonderpädagogischen Zentrum (Erfahrung mit einem sehr schwierigen<br />

Autisten).<br />

Am Ende der 4. Klasse wurde ich von der SPZ Leiterin gefragt, ob ich nicht eine Familienklasse am SPZ<br />

übernehmen würde. Wieder Neuland, aber ich erkannte, dass Veränderungen offensichtlich für mich auch<br />

gut und wichtig waren.<br />

In dieser Klasse sammelte ich intensive Erfahrungen mit einem wirklich sehr herausfordernden jungen<br />

Mann mit Autismus Spektrum Störung. Somit lag mein eindeutiger Schwerpunkt in der Fortbildung beim<br />

48


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Thema „Autismus“. Sowohl die tägliche Arbeit mit dem Schüler mit ASS als auch die Inhalte der Fortbildungen<br />

helfen mir bis jetzt in der täglichen Arbeit mit allen Schülerinnen/Schülern. Meine Kollegin und ich<br />

legten besonders viel Wert auf einen gut differenzierten und kreativen Unterricht. Ich konnte viele neue<br />

Unterrichtsmaterialien und Möglichkeiten der Leistungsdokumentation kennenlernen. Auch hier war es für<br />

uns beide selbstverständlich, den Unterricht gemeinsam zu planen und zu reflektieren.<br />

2009-2010<br />

Die Kollegin nimmt wieder ein unbezahltes Jahr Karenz.<br />

Ich hatte wieder den Wunsch, ein Jahr für mich persönlich etwas zu tun. Familie, Reisen und Gesang waren<br />

die Schwerpunkte. Außerdem begann ich mit einer Chi Kung-Ausbildung, das ist für mich noch immer<br />

aktuell und ein wichtiger Bestandteil meines Lebens.<br />

2010-<strong>2013</strong><br />

Arbeit als Sonderpädagogin bei Jobfit – SPZ Holzhausergasse.<br />

Beim Wiedereinstieg nahm ich rechtzeitig mit der Integrationsberatungsstelle Kontakt auf und ließ mich<br />

„beraten“ – ich wusste so gar nicht, was ich wollte. Der Vorschlag war Jobfit. Da gab es noch etwas, was<br />

ich nicht kannte? Es wurde mir die Gelegenheit gegeben, mir das Vorort anzuschauen und dann fiel die<br />

Entscheidung, wenn auch von Unsicherheit und Spannung begleitet.<br />

Dass mich das erste Jahr vor so große Herausforderungen stellen würde, hatte ich mir nicht gedacht. Nach<br />

einem Jahr hatte ich mich eingearbeitet und begann mich sicher und wohl zu fühlen.<br />

Es war eine völlige Neuorientierung notwendig. Die Arbeit mit den Jugendlichen gefiel mir von Anfang an,<br />

dafür erwartete mich ein völlig neues System. Neue Inhalte und wöchentliche, mehrstündige Teamsitzungen<br />

(dreizehn Kolleginnen/Kollegen) und ganz intensive Elternarbeit – das war auch für mich Neuland. Ich<br />

hatte erstmals Kontakt zu Jugendcoaching und Arbeitsassistenz und musste Firmenkontakte knüpfen. Die<br />

Schule hat den Schwerpunkt „European Arts Education“.<br />

Mein Resümee nach beinahe drei Schuljahren: Gut, dass ich mich zu diesem Schritt entschlossen habe.<br />

Der kreative Schwerpunkt der Schule kommt mir sehr entgegen. Ich finde mich eher in der Rolle der Mentorin<br />

als in der Rolle der Lehrerin – das ist spannend und entspricht mir. Die Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen<br />

passt sehr gut für mich.<br />

Persönliches Schlusswort der Kollegin:<br />

Rückblickend kann ich sagen, dass die Arbeit an so vielen Schulen mit den verschiedensten Schwerpunkten,<br />

Altersstufen und Lehrplänen eine große Herausforderung war, die mich in meiner beruflichen und persönlichen<br />

Entwicklung sehr bereichert hat. Sich immer wieder auf neue Menschen und Arbeitsbedingungen<br />

einzulassen erforderte viel Flexibilität und Offenheit und war gleichzeitig für mich die beste Weiterbildung.<br />

49<br />

Vorwort:<br />

Mag. Judith Stender<br />

Interview und Zusammenfassung:<br />

Brigitte Mörwald<br />

Die Bilder haben Kinder aus der Familienklasse im SPZ 17, Leopold Ernst Gasse 37<br />

im Rahmen eines Van Gogh Projektes gemalt


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Migrationshintergrund und Berufswahl – sind das Themen<br />

in einer 4. Volksschulintegrationsklasse?<br />

Im September übernehme ich als Sonderschullehrerin<br />

eine 4. Klasse Integrationsklasse in der VS Gaullachergasse.<br />

Die kleine Schule im Herzen Ottakrings ist mir gleich<br />

sympathisch, ein bunt gemischtes LehrerInnenkollegium<br />

nimmt neue Kolleginnen/Kollegen freundlich auf. Das<br />

frisch renovierte, aber über hundert Jahre alte Schulhaus<br />

wirkt angenehm auf mich, ruhig und betriebsam zugleich,<br />

man merkt, hier sind schon viele, viele SchülerInnen ein-<br />

und ausgegangen. Die Idee der Integrationsklasse ist hier<br />

fest verankert. Es gibt in jedem Jahrgang eine Integrationsklasse<br />

und das schon mehrere Durchgänge (1. bis<br />

4. Klasse) hindurch. Dies und viele andere kleine Details wirken positiv auf mich. Aber am allerglücklichsten<br />

bin als ich meine Teamkollegin kennenlerne und am ersten Schultag allen meinen, neuen SchülerInnen die<br />

Hand schüttle. „Eine ganz liebe Klasse“ ist mein erster, wunderbarer Eindruck.<br />

Nach und nach lerne ich die SchülerInnen und natürlich insbesondere die IntegrationsschülerInnen besser<br />

kennen. Alle haben Migrationshintergrund und neben<br />

Deutsch eine weitere Sprache in ihrer Lebenswelt. Manche<br />

kommen aus Familien mit vielen Geschwistern und/<br />

oder haben Eltern, die sehr viel arbeiten und wenig zuhause<br />

sind. Manche Eltern scheinen ehrgeizig zu sein<br />

und haben große Pläne für ihre Kinder, andere treten<br />

kaum in Erscheinung oder scheinen wenig Interesse zu<br />

haben. Schnell lerne ich, ein Kind, eine Familie individuell<br />

zu betrachten und zu verstehen. Es ist eine 4. Klasse,<br />

die unheimlich vielfältig und bunt ist. Und doch verbinden<br />

die SchülerInnen einfache Tatsachen: Sie wohnen alle in<br />

Wien, sie sprechen alle mehr oder weniger gut Deutsch,<br />

zwei der Integrationsschülerinnen erst in 1- oder 2-Wort Sätzen, es ist ihr letztes gemeinsames Jahr an<br />

dieser Schule und alle müssen gemeinsam mit ihren Eltern eine passende, weiterführende Schule suchen.<br />

Wir folgen Einladungen von Mittelschulen mit bestimmten<br />

Schwerpunkten. Erstmals setzen wir uns mit verschiedenen<br />

Berufen auseinander und für manche unserer<br />

SchülerInnen ist es ein „Aha“-Erlebnis, dass verschiedene<br />

Berufe unterschiedliche Ausbildungen erfordern<br />

und Erwachsene unterschiedlichste Werdegänge haben.<br />

Nachdem wir einen kurzen Artikel, der das Projekt Xchange<br />

vorstellt, im Kleinen Volk gelesen haben, beschließen meine<br />

Kollegin und ich, auch mit unserer Klasse an diesem<br />

Projekt teilzunehmen. Es ist uns ein Anliegen die Thematik<br />

des Migrationshintergrundes, den alle unsere SchülerInnen<br />

in 1., 2., oder auch 3. Generation haben, aufzugreifen.<br />

Das Projekt Xchange scheint dieses Anliegen mit der Thematik „Berufswahl, Ausbildung, beruflicher<br />

Erfolg“ zu vereinen. So lautet die Kurzbeschreibung auf der Website von Projekt Xchange:<br />

„Persönlichkeiten mit Migrationshintergrund tauschen mit SchülerInnen ihre persönlichen Erfahrungen aus.<br />

Mehr als 150 Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft, Sport, Wissenschaft, Medien und Unterhaltung<br />

berichten in Österreichs Schulen über ihren Background, ihre Migration und Integration, ihre<br />

persönlichen Konflikte und Lösungen – als BotschafterInnen der Integration.“<br />

50


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Wir laden Herrn Ibrahim Beyazit ein, als solch ein Botschafter in unsere Klasse zu kommen. Er kam als<br />

9-Jähriger aus der Türkei nach Österreich, besuchte dann Volksschule, Sonderschule und Polytechnischen<br />

Lehrgang. Danach machte er eine Schlosserlehre. Heute hat er seine eigene Firma und ist in der<br />

Wirtschaftskammer aktiv. Sein Werdegang klingt sehr interessant und ich finde es äußerst passend, über<br />

diesen in unserer Integrationsklasse zu sprechen. Das<br />

Projekt sieht vor, dem Botschafter ein „Gastgeschenk“<br />

zu überreichen. Meine Kollegin und ich überlegen, welches<br />

Geschenk wir für Herrn Beyazit vorbereiten sollen.<br />

Herrn Beyazits Beruf Schlosser bringt uns zurück zu der<br />

Sage „Stock im Eisen“, die wir zu Beginn des Schuljahres<br />

kurz mit der Klasse besprochen haben. Es ist eine lange,<br />

komplizierte Sage, die viele Teilabschnitte und handelnde<br />

Personen hat. In unserer Klasse gibt es einige SchülerInnen,<br />

die mit dieser sprachlich anspruchsvollen Sage eigentlich<br />

überfordert waren. Dennoch war es für die Kinder<br />

spannend, eine echte Wiener Sage zu hören, zu der es<br />

gleich neben dem Stephansplatz den Stock im Eisen Platz<br />

gibt. Dort steht ein mit Nägeln zugepflasterten Baumstamm umgeben von einem breiten Band mit großem<br />

Schloss.<br />

Wir beschließen es zu wagen und diese Sage für uns und auch Herrn Beyazit aufzubereiten. Wir lesen<br />

und erzählen die Sage. Die meisten SchülerInnen stellen<br />

rasch einen Bezug her zu dem Lehrbuben Martin Mux,<br />

der lieber mit anderen Kindern spielen will, als für seinen<br />

Meister Lehm zu holen. Die Abschnitte, in denen der Teufel<br />

vorkommt, finden die Kinder schaurig, spannend, cool.<br />

Wir teilen die Sage in Sinneinheiten, kurze Abschnitte und<br />

bitten immer drei SchülerInnen diesen Teil der Sage zu illustrieren.<br />

Ich bespreche noch einmal den Abschnitt mit jedem<br />

Integrationskind und alle können ihre Zeichnung fertigstellen,<br />

manche können die Sage oder Teile der Sage<br />

nacherzählen. Meine Kollegin und ich bemerken, wie<br />

unsere SchülerInnen diese umfangreiche Wiener Sage<br />

durch die eigenen Zeichnungen, wiederholtes Nacherzählen und Vorlesen für sich erobern. Wir besuchen<br />

den Stock im Eisen Platz, besprechen noch einmal, machen Fotos.<br />

Der Tag des Besuchs rückt näher und die SchülerInnen bereiten Fragen vor, die sie Herrn Beyazit stellen<br />

wollen. Es sind viele interessante Fragen dabei. Wir<br />

beschäftigen uns auch mit unserer eigenen Herkunft und<br />

Familie. Mit Hilfe von Post-it Zettelchen stellen wir Balkendiagramme<br />

her, die verdeutlichen welche Kinder unserer<br />

Klasse in Wien geboren wurden, welche in einem anderen<br />

Land geboren wurden, welche Sprachen gesprochen werden.<br />

Ebenso ein Diagramm wieviele Eltern in Wien bzw.<br />

woanders geboren wurden.<br />

Mitte Jänner ist es dann endlich soweit! Herr Beyazit und<br />

Frau Lendl vom ÖJRK verbringen zwei Stunden in unserer<br />

Klasse. Die illustrierte Sage wird in einem langen Streifen<br />

ausgerollt und mehrere SchülerInnen erzählen abwechselnd<br />

die Stock im Eisen Sage. Herr Beyazit ist beeindruckt und gibt zu, dass er diese Wiener Sage nicht<br />

so detailliert kannte. Allerdings berichtet er sofort, dass er nach seiner Meisterprüfung auch einen Nagel<br />

in den Baumstamm im 8. Bezirk bei der Innung der Schlosser und Metallverarbeiter eingeschlagen hat. In<br />

der Vorstellrunde sind viele SchülerInnen noch zurückhaltend, aber bald ist der Bann gebrochen und die<br />

SchülerInnen stellen ihre vorbereiteten und auch viele andere Fragen. „Warum waren Sie in der Sonderschule?“<br />

„Ich war in der Sonderschule, weil ich nicht so gut Deutsch konnte und nicht mitgekommen bin.“<br />

51


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Eine Aussage, die mich und auch viele SchülerInnen berührt. Einige wundern sich sehr, andere bringen<br />

zum Ausdruck, dass das unfair ist und heute nicht mehr möglich ist. Ich bin kurzfristig entsetzt über eine<br />

solche Tatsache und dann erleichtert, dass diese Zeiten vorbei sind. Herr Beyazit sagt mehrmals, dass er<br />

großes Glück hatte und nicht nur einmal zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war oder von verständnisvollen<br />

Menschen für ihn passende Empfehlungen oder Ratschläge bekommen hat. Am eindringlichsten<br />

versucht er aber unseren Schülerinnen/Schülern zu vermitteln, dass es wichtig ist, seinen Beruf mit Freude<br />

auszuüben. „Egal was ihr später einmal machen werdet,<br />

es soll euch Spaß machen. Du machst es nur gut, wenn<br />

du es gerne machst.“<br />

Ja, ich stimme ihm zu und schon beginne ich über einzelne<br />

SchülerInnen nachzudenken, wo genau ihre Stärken<br />

liegen und was ihnen besonders Spaß macht. Zu schade,<br />

dass für diese Dinge in unserem Schulalltag oft zu wenig<br />

Zeit bleibt. Er schließt aber auch gleich an, dass er viel<br />

und hart gearbeitet hat, um dahin zu kommen, wo er jetzt<br />

als erfolgreicher Unternehmer ist. „Ihr müsst lernen und<br />

gute Noten haben. Ihr habt sonst keine Chance.“ Innerlich<br />

stimme ich wieder zu, bin aber auch gleichzeitig betrübt,<br />

dass viele unserer SchülerInnen – gleichgültig ob Volks- oder Integrationsschüler – es so schwer haben<br />

und bereits jetzt als 9- und 10-Jährige viele, viele Frustrationen in Zusammenhang mit Schule und Lernen<br />

erlebt haben. Besonders von einem Standort wie unserem scheint es im Moment schwierig zu sein, den<br />

beruflichen Erfolg zu schaffen – es überhaupt „nach oben<br />

zu schaffen“. Ich hoffe, dass sich das sehr bald ändert und<br />

möchte mich für eine bessere Durchmischung der SchülerInnen<br />

einsetzen.<br />

Eine Schülerin fragt: „Wie haben Sie Deutsch gelernt?“<br />

„Ich habe mit allen geredet, nicht nur mit meinen türkischen<br />

Freunden. Ich wollte überall dabei sein.“ „Aber<br />

türkisch...?“ „Ja, ich spreche natürlich auch türkisch. Mit<br />

meinen Eltern, meinen Freunden, manchmal mit anderen<br />

Geschäftsleuten. Aber, wenn nur eine Person dabei ist,<br />

die nicht türkisch spricht, dann spreche ich deutsch. Diese<br />

Person versteht doch sonst nichts, das ist doch unhöflich,<br />

oder?“ Manche SchülerInnen nicken, stimmen zu, anderen kann ich ansehen, dass sie noch über das Gehörte<br />

nachdenken, ihre Meinung innerlich dazu formulieren. „Fahren Sie in die Türkei?“ „Ja natürlich. Ich<br />

fahre immer wieder mal in die Türkei. Ich besuche Familienmitglieder oder mache Urlaub. Manchmal fliege<br />

ich beruflich hinunter. Ich bin sehr gerne dort. Ich reise überhaupt sehr viel und habe schon viele Länder<br />

besucht. Aber nach spätestens zwei Wochen möchte ich wieder nach Wien. Ich vermisse Wien dann. Hier<br />

bin ich zuhause, hier fühle ich mich am wohlsten.“ Nach dieser Aussage fühle ich mich plötzlich stolz,<br />

warum wohl? Ich blicke in die Runde unserer SchülerInnen und sehe bei einigen wieder Zustimmung, bei<br />

anderen, dass sie sich noch nie darüber Gedanken gemacht haben, wo sie sich zuhause fühlen, wieder bei<br />

anderen, dass sie sich in dem Herkunftsland ihrer Eltern am wohlsten fühlten. So viele Denkanstöße und<br />

Aussagen, die von jemanden ausgesprochen werden, zu dem viele unserer SchülerInnen schnell einen<br />

Bezug herstellen konnten. Unheimlich wertvoll und bereichernd, finden meine Kollegin und ich. Vieles, was<br />

Herr Beyazit in den zwei Stunden gesagt hat, hat viel mehr Bedeutung als, wenn meine Kollegin oder ich<br />

es gesagt hätten.<br />

Somit stelle ich abschließend fest, dass der Besuch des Botschafters der Integration im Rahmen von<br />

Projekt Xchange sehr erfolgreich war und unsere Erwartungen erfüllt hat. Dieses Projekt ermöglichte den<br />

Schülern und auch uns Tatsachen und Gefühle anzusprechen, die zwar Realität in unserem Schulalltag<br />

sind, aber selten mit dieser Deutlichkeit ausgesprochen werden.<br />

www.projektxchange.at<br />

Veronika Votava<br />

Sonderschullehrerin in einer 4. Klasse Integrationsklasse in der VS Gaullachergasse<br />

52


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Wie das I-Journal zu seinem neuen Namen kam ...<br />

Immens viele interessierte Leser und Leserinnen fanden die Beiträge des <strong>Integrationsjournal</strong>s<br />

interessant<br />

ideenreich<br />

innovativ<br />

idealistisch<br />

integrativ<br />

inklusiv<br />

improvisatorisch<br />

imaginativ<br />

individualisierend<br />

intelligent<br />

informativ<br />

interdisziplinär<br />

illustrativ<br />

initiativ<br />

initialisierend<br />

… und so kam das I-Journal zu seinem neuen Namen.<br />

Mögen weiterhin viele Irgendjemands irgendwann irgendwie irgendetwas Interessantes im<br />

I-Journal finden und für das I-Journal schreiben.<br />

Das Redaktionsteam<br />

53


Liebe Brigitte!<br />

I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Leserbriefe<br />

Ich gratuliere dir/euch zu den 20 Jahren INTEGRATIONSJOURNAL! Ich finde es beeindruckend, dass es<br />

diese Plattform für die schulische Integration/Inklusion gibt – und ich lese das Journal immer wieder gerne<br />

und lerne was daraus.<br />

Dem <strong>Integrationsjournal</strong> wünsche ich noch ein langes Fortbestehen!<br />

Christiana Pock-Rosei<br />

(Lernbegleiterin und Leitungsteammitglied der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau)<br />

Wien, Jänner <strong>2013</strong><br />

Seit mehr als zehn Jahren erhalte ich das <strong>Integrationsjournal</strong> des Stadtschulrates für Wien. Dieses besondere<br />

Service ermöglicht mir über die Bundesländergrenzen hinweg vielseitige Einblicke in die zahlreichen<br />

Initiativen und Umsetzungsmodelle schulischer Integration in Wien zu bekommen. Während sich aus<br />

den Erfahrungsberichten Modelle und Konzepte gelungener Praxis ableiten lassen, geben die fachwissenschaftlich<br />

orientierten Beiträge Einsichten in aktuelle Forschungsbefunde und Erkenntnisse der Sonder-<br />

und Inklusionspädagogik. Ich möchte mich auf diesem Weg für das breite Spektrum an unterschiedlichen<br />

Beiträgen sehr herzlich bedanken.<br />

Mag. Dr. Andrea Holzinger<br />

Pädagogische Hochschule Steiermark<br />

54


I-JOURNAL <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Liebe Leserin! Lieber Leser!<br />

Wir freuen uns, Ihnen die neueste Ausgabe des <strong>Integrationsjournal</strong>s präsentieren zu dürfen.<br />

Unser herzlicher Dank gilt auch diesmal wieder allen Autorinnen und Autoren, ohne deren Beiträge es uns<br />

nicht möglich wäre, dieses Journal herauszugeben. Die Qualität und die Vielfalt der Artikel sind immer<br />

wieder beeindruckend und bringen sehr deutlich auch die Vielfältigkeit der Arbeit mit den uns anvertrauten<br />

Kindern zum Ausdruck.<br />

Wir planen, die nächste Ausgabe im Herbst <strong>2013</strong> erscheinen zu lassen und freuen uns über Ihre Beiträge.<br />

Die Auswahl der Artikel, die publiziert werden, trifft das Redaktionsteam.<br />

• Beiträge inklusive Angabe der Autorin/des Autors bitte als Word-Dokument (Standard, 11pt, Arial) mittels<br />

E-<strong>Mai</strong>l oder CD an eine der unten angeführten Adressen senden.<br />

• Fotos bitte im jpg Format mitschicken. Bitte unbedingt das Einverständnis der Erziehungsberechtigten<br />

zur Veröffentlichung der Fotos einholen.<br />

• Alle Autorinnen und Autoren sind eigenverantwortlich für den Inhalt der Artikel.<br />

Wir bitten alle Autorinnen und Autoren um geschlechtergerechtes Formulieren, wie es in der Broschüre des<br />

bm:ukk (vormals bm:bwk) erläutert wird: www.bmukk.gv.at/medienpool/15104/2002_22_beilage.pdf<br />

Die Beiträge senden Sie bitte an:<br />

Stadtschulrat für Wien – Integrationsberatungsstelle ...................brigitte.moerwald@ssr-wien.gv.at<br />

Brigitte Mörwald, Mag. Judith Stender, Gerda Kargl ..........................judith.stender@ssr-wien.gv.at<br />

1010 Wien, Wipplingerstraße 28, bzw. per E-<strong>Mai</strong>l an: ........................... gerda.kargl@ssr-wien.gv.at<br />

Abgabeschluss für Beiträge:<br />

31.10.<strong>2013</strong><br />

Online finden Sie unser Journal unter der Internetadresse:<br />

www.lehrerweb.at<br />

Wir freuen uns auf Ihre Mitarbeit!<br />

Das Redaktionsteam:<br />

Brigitte Mörwald Mag. Judith Stender Gerda Kargl Renate Dirnberger, MA<br />

(Redaktion) (Redaktion) (Redaktion, Layout) (Lektorat)<br />

55


Herausgegeben von der Integrationsberatungsstelle<br />

im Stadtschulrat für Wien<br />

Verantwortliche Herausgeberinnen:<br />

Brigitte Mörwald, Mag. Judith Stender, Renate Dirnberger, MA, Gerda Kargl<br />

Für den Inhalt verantwortlich:<br />

Alle Autorinnen und Autoren sind eigenverantwortlich für den Inhalt der Artikel.<br />

Layout: Gerda Kargl<br />

Druck: Eigendruck

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