Ausgabe April/Mai 2010 - Martin-Luther-Kirche
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THEMA<br />
My world is blue<br />
Über meine Lieblingsfarbe<br />
„Blue blue, my world is blue“ so lautete der Titel eines alten Eurovisionsbeitrages.<br />
Eine blaue Welt? Im englischen Sprachgebrauch steht „blue“<br />
für einen traurigen, depressiven Umstand und schon Elvis sang „Blue<br />
Christmas“. Eine Weihnacht ohne die geliebte Person und wahrscheinlich<br />
waren die Plätzchen angebrannt, der Baum nadelte und der Truthahn<br />
passte nicht in den Backofen. Selbst der Mond ist in „Blue moon“ melancholisch<br />
gefärbt.<br />
In unserer Umgangsprache wird mit „Der<br />
war mal wieder blau“ zwar auch ein eher<br />
trauriger Zustand beschrieben, der aber mit<br />
dem übermäßigen Genuss von Alkohol zu<br />
tun hat. Da aber die Redaktion nicht das<br />
Trinken zum Thema gemacht hat, will ich<br />
hier auf Assoziationen dazu verzichten.<br />
Als nächstes fallen mir die Blue Jeans ein.<br />
Lange Zeit waren sie die Arbeitshosen<br />
der Amerikaner, wegen ihrer Robustheit<br />
geschätzt. In den Fünfziger und Sechziger<br />
Jahren übernahmen Jugendliche sie in ihr<br />
Outfit und wie der Bürstenhaarschnitt und<br />
der Kaugummi wurde auch in Deutschland<br />
diese amerikanische Spezialität gerne übernommen.<br />
Die Älteren waren skeptisch bis<br />
empört: ein „anständiger“ Mann trug Stoffhose<br />
mit ordentlicher Bügelfalte. (Frauen<br />
hatten Röcke oder Kleider zu tragen … )<br />
Folgerichtig wurde in einem Schlager die<br />
Bilanz gezogen: „Bye bye blue jeans – bye<br />
bye Teenagerzeit“. Aber so wie meine Mutter<br />
vergeblich hoffte, ich würde schnell wieder<br />
der Pop- und Rockmusik entwachsen, so<br />
setzten sich die Blue Jeans mehr und mehr<br />
als Universalbekleidung durch. Sie war wichtiges<br />
Pendant zu T-Shirt oder Batikhemd und<br />
dem unvermeidbaren Parka! Bald kleidete<br />
sich auch die Generation 40 Plus zumindest<br />
in der Freizeit mit Jeans ein (passend dazu<br />
trugen alle jetzt auch Turnschuhe statt der<br />
sonst üblichen Lederware). Die Farbe musste<br />
auch nicht immer blau sein und die Form<br />
(Röhre z. B. oder Schlaghose) sagte etwas<br />
über die jeweilige Mode und Träger/in aus.<br />
Als Kind dieser Zeit wird man mich auch<br />
heute noch überwiegend in Blue Jeans<br />
gekleidet finden, so wie ich allen Haarmoden<br />
und -längen getrotzt habe. Ob auch deshalb<br />
4 Gemeindezeitung <strong>April</strong>|<strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />
blau schon immer meine Lieblingsfarbe<br />
war? Farben werden bestimmte Wirkungen<br />
nachgesagt (wirkt eine beruhigend, bewirkt<br />
eine andere das Gegenteil) und sie sagen so<br />
etwas über Charakter und Zustand einer Person<br />
aus. Wer nicht so gut drauf ist, wird eher<br />
dunkle, gedeckte Farben in der Kleidung tragen;<br />
wer auf sich aufmerksam machen will<br />
oder muss, wählt wohl schrillere, auffälligere<br />
Farbtöne. Das Blau gilt als ein Mittelwert,<br />
drückt eine gewisse Ausgeglichenheit aus<br />
und ist gut kombinierbar. Bei mir am liebsten<br />
mit dem weißen Hemd – den Kontrast blauweiß<br />
mag ich eben besonders.<br />
Womit auch schon der Übergang zum<br />
Berliner Fußballverein geschafft ist, dem ich<br />
nun bald schon ein halbes Jahrhundert die<br />
Treue halte. Angefangen hatte es mit einem<br />
Besuch im Olympiastadion mit meinem<br />
Vater, wo neben Tasmania (sorry, ich weiß als<br />
Neuköllner hätte ich die unterstützen müssen<br />
– und ja, bei der Gründung der Bundesliga<br />
hätte man auch Tasmania statt Hertha<br />
auswählen können!) noch der 1. F.C. Köln,<br />
eine afrikanische Mannschaft (die barfuß<br />
spielte!) und die Blau-Weißen antraten (also<br />
Hertha und nicht die Emporkömmlinge von<br />
Blau Weiß 90). Von da an war die Sympathie<br />
verteilt und es wurde und wird durch Erfolge<br />
(selten) und viele „blaue“ Stunden mitgefiebert.<br />
Und kaum zu glauben – seit dem<br />
Umbau des Olympiastadions zur Fußballweltmeisterschaft<br />
2006 ist die Tartanbahn dort<br />
… na klar: sie ist blau.<br />
Michael Kania<br />
Foto: ©Rainer Sturm/ Pixelio