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Band 51 . 2008 - Baarverein.de

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CHRIFTEN<br />

DERB<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . <strong>2008</strong>


Schriften<br />

<strong>de</strong>s<br />

Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

<strong>51</strong>. <strong>Band</strong> <strong>2008</strong><br />

Schriftleitung: H elmut Gehring, Hugo Siefert<br />

Die Autoren si nd für <strong>de</strong>n Inha lt ihrer Beiträge sel bst verantwortlich<br />

Selbstverlag <strong>de</strong>s Vereins für Ge chichte und aturgeschi chte <strong>de</strong>r Baar<br />

78166 Donaueschingen . <strong>2008</strong>


ichnis<br />

Vorwort ...... .. ......... . ..................... ... . .... . . . . Seite 4<br />

Abhandlungen<br />

H ARRY K UNTE & CI-IRJSTA K N ÖPE'LE<br />

Linachtalsperre und Kraftwerk - Von <strong>de</strong>r Tradition zur Mo<strong>de</strong>rne ....... . .. . 7<br />

H UGO SI EFERT<br />

»Es grüne bay rn und <strong>de</strong>m nichts gleich das höchste haus von öesterreich« -<br />

Mit Donauesch inger Hilfe kommt 1745 <strong>de</strong>r Füssener Frie<strong>de</strong>n zustan<strong>de</strong> .. .. .. 17<br />

] OACHIM STURJVI<br />

Zur Lenkung <strong>de</strong>s Transportwesens in Krieg und Nachkriegszeit­<br />

Die Fahrbereitschaften ViJlingen und Donaueschingen vor, wä lLrend<br />

und nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg ... . ...... . ... ... . ... .. . . . ........ 31<br />

GERHARD FI GERLI<br />

Vom Oberrhein zur jungen Donau - Die Straße durch <strong>de</strong>n südlichen<br />

Schwarzwald in keltischer, römischer und früh mittelalterlicher Zeit ..... . ... 47<br />

H UGO SI EE'ERT<br />

Denk ma l an Elisabeth! -<br />

Spuren <strong>de</strong>r Fürstenbergischen " Fürstin teutscher Frauen ...... . . . ........ 59<br />

BERNHARD KLEISER<br />

Der Barockbildhauer Adam Winterhalter in <strong>de</strong>r Baar. ....... ...... . .... . 77<br />

Der Vertrag zwischen Fürstenberg und Villingen<br />

vo n 150111<strong>51</strong>6 - ein gebun<strong>de</strong>n in Pergamentfragmente ... . . .. . .......... 83<br />

H EIN RIC H MAULH ARDT<br />

Der Vertrag zwischen Fürstenberg und Villingen von 1501/1<strong>51</strong>6 ..... .. 83<br />

EDITH B OEWE-K oOB<br />

Lithurgische Fragmente al Einbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Vertrages zwischen<br />

Fürstenberg und <strong>de</strong>r Stadt Villingen von 1501 . ... . ... . .. ......... 86<br />

K A RL KWAS IT C HKA<br />

Das aturschutzge biet Unterhölze rwald - seine Geschi chte ..... . . .... . ... 95<br />

W OLF H OCKENJOS<br />

Auf <strong>de</strong>m Warten berg - ein Z eitsprung ................... . . ... ..... . 115<br />

G ü THER R EICHELT<br />

Längerfristige Entwicklungen bei Kalk-Magerrasen <strong>de</strong>r Baar . ....... ... . . 129<br />

MARKus R Ö H L & R EIN HHA RD B Ö C KER<br />

Florenwan<strong>de</strong>l im Schwenninger Moos -<br />

Än<strong>de</strong>rungen im Arteninventar ei nes gestörten Moorkomplexes .. . . . ... . .. 159<br />

3


Mitteilungen<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

M ARIELUISE CLAR<br />

Eine beinahe historische Romanze -<br />

Aus <strong>de</strong>m ach lass meiner Urgroßmutter . . .... . ............... . . .... 173<br />

Gü THER R EICH ELT<br />

achtrag - Den Abgeordneten Max Liebermann von Sonnen berg<br />

hat auch Scheffel gekannt .............. . ......... . ........... .. .. 177<br />

H ELMUT G EHRI G<br />

Stabile Braunkehlchenpopulation im aturschutzgebiet Birken-Mittelmeß .. 178<br />

Vereinschronik . . .... . .... . ........ ... ............... . ....... 180<br />

Buchbesprechungen .......... .. . . .. . ... ........... ...... . ... 191<br />

Hinwei e für unsere Autoren .............. . ...... .. ..... . ... .. ... 206<br />

4


Braunkehlchen: noch ein charakteristischer Brutvogel <strong>de</strong>r Feuchtwiesen auf <strong>de</strong>r Baar<br />

(Foto: Helmut Gehring).<br />

5


Vorwort<br />

Der vorli egen<strong>de</strong> Ba nd <strong>de</strong>s Jahres <strong>2008</strong> ist <strong>de</strong>r <strong>51</strong>. unse rer Schriftenreihe, das halbe<br />

Hun<strong>de</strong>rt ist al 0 überschritten. Ein e stolze Bila nz.<br />

Die Beiträge a us <strong>de</strong>n Bereichen Kunst- und Literaturgeschichte, Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Hause Für tenberg, industrie und Gesellschaft, Waldba u, Botanik und Ornithologie<br />

zeigen erneut das breite Spektrum <strong>de</strong>r Themen, mit welchen sich unsere<br />

Autoren a useinan<strong>de</strong>rsetzen. Diese Arbeit trägt wesentlich zum Verständnis <strong>de</strong>r<br />

Geschichte lind aturgeschichte unserer Heima t bei und leistet einen Beitrag zum<br />

Erhalt be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Kultur- und aturgüter a uf <strong>de</strong>r Baar. Dafür vielen Da nk.<br />

Der kulturgeschichtliche und hi storische Bogen spannt sich weit von <strong>de</strong>r keltischen<br />

Zeit über Mittelalter und euzeit bis ins 20. Ja hrhun<strong>de</strong>rt. Da bei haben die<br />

Autoren sich mit Gegenstän<strong>de</strong>n, Stoffen und Personen beschäftigt, di e Kenner und<br />

Liebhaber von Kunst, Kultur und Geschichte gleichermaßen interessieren und mitunter<br />

ve rgnügt o<strong>de</strong>r nach<strong>de</strong>nklich stimmen können.<br />

Das die Baar a uch be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Wäl<strong>de</strong>r beheimatet, zeigen zwei Beiträge in di esem<br />

<strong>Band</strong>. Dies be tä ti gt das Titelbild, welches ein en ungewöhnlichen Blick auf <strong>de</strong>n<br />

Wa rten berg zeigt. Die naturkundlichen Beiträge befassen sich überwiegend mit Verä<br />

n<strong>de</strong>rungen im Bereich unserer heimischen arur. Die sachlichen Analysen führen<br />

zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass wir uns leid er a uf ein em Weg zur Verarmung <strong>de</strong>r natürlichen<br />

Vielfalt befi n<strong>de</strong>n.<br />

Oberstudiendirektor a. D. Hugo Siefert aus Rottweil ha t kurzfristig die redaktionelle<br />

Überarbeitung <strong>de</strong>r geschichtlichen Beiträge übernommen. Wir ve rda nken<br />

ihm zu<strong>de</strong>m zwei Beiträge und ein e Reih e von Buchbesprechungen. Er ha t also<br />

<strong>de</strong>n vorli egen<strong>de</strong>n <strong>Band</strong> maßgeblich mitgestaltet. Professor Dr. Günther Reichelt hat<br />

uns bei <strong>de</strong>r Hera usgabe di ese <strong>Band</strong>es beson<strong>de</strong>rs unterstützt. Bei<strong>de</strong>n gilt dafür ein<br />

beson<strong>de</strong>rer D ank.<br />

6<br />

Die Schriftleitung: Helmut Gehring


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Linachtalsperre und Kraftwerk -<br />

von <strong>de</strong>r Tradition zur Mo<strong>de</strong>rne<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> · Seite 7 - 16<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Harry Kunte und Christa Knöpfle<br />

Vor 10 Jahren hat es noch kaum jemand für möglich gehalten: Vom kontrollierten<br />

Zerfall zur Reakti vierung nach <strong>de</strong>r Dl 19700. ach erfolglosen Anl ä ufen in <strong>de</strong>r<br />

Vergangenheit verfolgt die Stadt Vöhrenbach das Sanierungsprojekt Linachtalsperre<br />

seit 1998 mit achdruck, so da diese in 2006/2007 rea lisiert wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Die Vision <strong>de</strong>s Zu ammenw irkens von Denkmalschutz, Erzeugung regenerative<br />

r Energie, Klimaschutz (C0 2-Vermeidung), aherholung, Ökologie und sanftem<br />

Tourismus wur<strong>de</strong> und wird unter Einsatz von großem bürgerschaftlichem Engagement,<br />

hohem technischem und wissen chaftlichemKn ow-how und entsprechen<strong>de</strong>m<br />

bürokra ti schen und fin anziellem Aufwa nd, Finanzmitteln von Bund, Land, Stiftungen,<br />

Spon oren und ni cht zuletzt <strong>de</strong>r kleinen Schwarzwaldstadt Vöhrenbach Wirk­<br />

I ichkeir.<br />

Die Linachtalsperre - ein einmaliges Bauwerk<br />

Die gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong> 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts einsetzen<strong>de</strong> Industrialisierung, <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong><br />

Ein atz von Maschinen in H a ndwerksbetrieben und <strong>de</strong>r Ei nzug von<br />

Beleuchtung und H a ushaltsgeräten in Pri va thaushalten bewirkten einen ständig<br />

steigen<strong>de</strong>n Strombedarf, mit <strong>de</strong>m die Erzeugung bald nicht mehr Schritt ha lten<br />

konnte. Der durch Repara tionsleistungen - als Folge <strong>de</strong>s 1. Weltkrieges - mitverursachte<br />

Ko hl enmangel beei nträchtigte die Stromversorgung und ve rteuerte di ese<br />

um ein Vielfaches, weshalb große Anstrengungen zur Erschließung <strong>de</strong>r a uch als<br />

"weiße Ko hle" bezeichneten Wasserkraft unternommen wur<strong>de</strong>n.<br />

Die in <strong>de</strong>r Folge verordnete Rati onierung von Stromlieferungen und sich häufen<strong>de</strong><br />

Totala usfä lle <strong>de</strong>s Stromnetzes hatten schwerwiegen<strong>de</strong> Konsequenzen für di e<br />

Existenz <strong>de</strong>r örtlichen Wirtschaft, weshalb <strong>de</strong>r Ruf nach einer geregelten und<br />

sicheren Stromversorgung durch ein Kraftwerk vor Ort immer la uter wur<strong>de</strong>.<br />

Zum Wo hle sein er Bürger, das heißt zum sicheren Broterwerb <strong>de</strong>r meisten<br />

Vöhrenbacher, chlug <strong>de</strong>r junge, dynamische Bürgermei ter Kar! Kra ut (mit 29 Jahren<br />

jüngster Bürgermeister Deutschla nds) <strong>de</strong>n Ba u eines Speicherkraftwerkes vor.<br />

Mit einer beeindrucken<strong>de</strong>n Re<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Bürgerversammlung am 6. ovember 1921<br />

überzeugte er die Bevölkerung:<br />

"Anda uern<strong>de</strong> Kohl ennot und die fast unerschwinglichen Preise für die Brennstoffe<br />

einerseits, das Bestreben, unser Wirtschaft leben wie<strong>de</strong>r in Gang und unsere<br />

Industrie wie<strong>de</strong>r hoch zu bringen an<strong>de</strong>rerseits, brachten es mit sich, dass in <strong>de</strong>n letzten<br />

Wochen und Monaten überall im <strong>de</strong>utschen Vaterlan<strong>de</strong> die Möglichkeit <strong>de</strong>s Ausbaus<br />

<strong>de</strong>r Wasserkräfte ei frig besprochen wur<strong>de</strong> und dieser Gedanke bereits zum Allgemeingut<br />

gewor<strong>de</strong>n ist. Bei uns ko mmen a ls weitere Momente hinzu, dass das<br />

7


von <strong>de</strong>r Tradition zur Mo<strong>de</strong>rne<br />

Den Einsparungen bei Mauervolumen und Bauzeit stehen <strong>de</strong>r Aufwand für Bewehrung<br />

und Schalung sowie di e hohen Qualitätsanfor<strong>de</strong>runge n <strong>de</strong>r mit großer<br />

Sorgfalt vorzunehmen<strong>de</strong>n Bauausfü hrung gegenüber. Die angestellten Berechnungen<br />

ließen jedoch eine ichere wirtschaftliche Überl egenheit dieser Bauart gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Massivbauweise erwarten, weshalb letztlich die Entscheidung für dieses damal<br />

wahrhaft innovati ve Projekt po itiv ausfie l.<br />

Mit <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r Linachtalsperre entsta nd ein geglie<strong>de</strong>rtes Bauwerk, das <strong>de</strong>n<br />

Wasserdruck über schräg liegen<strong>de</strong> Gewölbe auf Pfeilerscheiben überträgt, welche<br />

ihrerseits die Lasten in <strong>de</strong>n Felsuntergrund weiterleiten. Die Pfeilerscheiben sind<br />

durch ein System von Querriegeln horizontal untereinan<strong>de</strong>r versteift. Um <strong>de</strong>n Zutritt<br />

von Wasser zu <strong>de</strong>n Tonnengewölben zu verhin<strong>de</strong>rn, wur<strong>de</strong> eine drahtbewehrte<br />

Torkretschicht mit Inertolüberzug aufge bracht.<br />

Die Sperre hat eine Kronenl änge von 143 m und eine H öhe über Ta lsohle vo n<br />

25 m. Die insgesamt 13 Gewölbe mit einer eigung von 50° gegen di e H orizontale<br />

ha ben Dicken von 40 bis 60 cm und liegen auf 120 cm starken Pfeilern im Abstand<br />

vo n 10,40 m auf.<br />

Die Errichtung <strong>de</strong>r Wasserkraftanlage begann im Januar 1922 und war trotz<br />

widriger Witrerungsverhälrnisse bis En<strong>de</strong> 1923 bereits so weit fortgeschritten, das<br />

Strom für Vöhrenbach und di e Baustell e produziert wer<strong>de</strong>n konnte. Die im Jahr<br />

1923 herrschen<strong>de</strong> Inflati on erschwerte die Finanzierung immer mehr, so dass letzt-<br />

Betonsanierung <strong>de</strong>r Luftseite (Stadtarchiv Vöhrenbach).<br />

9


Linac talsp<br />

lich otgeld mit Genehmigung <strong>de</strong> Innenmini teriums gedruckt wer<strong>de</strong>n musste,<br />

welches als Motiv die Ansicht <strong>de</strong>r Sta uma uer a ufwies. Die Schul<strong>de</strong>nlast konnte nur<br />

durch Son<strong>de</strong>rholzhi ebe im Stadtwald getilgt wer<strong>de</strong>n.<br />

Am 7. ovember 1925 wur<strong>de</strong> di e Sta uma uer vo llen<strong>de</strong>t und am 31. M ai 1926<br />

wa r <strong>de</strong>r Vo llsta u erreicht. Das Werk konnte im ersten Jahr nach <strong>de</strong>r vollen Inbetriebnahme<br />

72 % <strong>de</strong>s Stromve rbra uchs <strong>de</strong>r Stadt Vöhrenbach ab<strong>de</strong>cken. In <strong>de</strong>n Ja hren<br />

1937/38 fan<strong>de</strong>n erste Repa ratura rbeiten statt, 19<strong>51</strong> w ur<strong>de</strong> die Dichtungsschi cht<br />

<strong>de</strong>r Gewölbe erneuert, J 966 im unteren Drittel ein e zu ätzliche Dichtung chicht<br />

a us Spritzbeton a ufgebracht. Bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 60er Jahre versa h <strong>de</strong>s Kraftwerk sein en<br />

Dienst, bis e a u Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Un wirtscha ftli chkeit (a llgemein e Umorientierung in<br />

<strong>de</strong>r Energiegewinnung, unübersehba re Sa ni erung ko ten) stillgelegt wur<strong>de</strong>. Der<br />

Sta usee wur<strong>de</strong> 1988 a bgelassen. Behö rdliche Zweifel a n <strong>de</strong>r ta ndsicherheit mün<strong>de</strong>ten<br />

1994 in <strong>de</strong>r Schließung <strong>de</strong>r M a uerbrüstung. Der " kontro llierte Zerfa ll " w ur<strong>de</strong><br />

a ngeordnet. Sanierung bestre bungen scheiterten a n <strong>de</strong>r Kostenfrage. 1996<br />

gela ng di e Verpachtung <strong>de</strong>s stillgelegten Kra ftwerks, 1997/98 erfolgte die Sani erung<br />

<strong>de</strong>s M aschinenha uses und die Inbetriebna hme eine La ufwasserkraftwerkes. Im<br />

Jahr J 997 wur<strong>de</strong> die Gründung <strong>de</strong>s Fö r<strong>de</strong>rve reins " Rettet die Linachtalsperre e.Y. "<br />

rea lisiert. Die Vi ion <strong>de</strong>r Erhaltung <strong>de</strong>s Ba ukultur<strong>de</strong>nkmals und schrittweisen Reaktivierung<br />

<strong>de</strong>s Kraftwerks na hm Gesta lt a n. Bereits im Oktober 2001 konnte zumin<strong>de</strong>st<br />

di e provisori sche Begehba rkeit <strong>de</strong>r M a uerbrüstung umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Aufgrund<br />

sein er hera usragen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung, di e das Bauwerk a l Konstruktion und<br />

Zeugni s für di e An fä nge <strong>de</strong> Eisenbetonba us hat, w ur<strong>de</strong> es in die Liste <strong>de</strong>r Denkmale<br />

von na ti onaler Be<strong>de</strong>utung a ufgeno mmen. Der Eintrag in das Denkmalbuch<br />

Ba<strong>de</strong>n-Würtremberg erfolgte im Frühja hr 2002.<br />

Die Reaktivierung<br />

Nach über 5 Jahren inten iv ten Einsa tzes a ller Beteiligten mit <strong>de</strong>m Erfolg, dass die<br />

Fi na nzierung zu rund 90% al gesichert betrachtet wer<strong>de</strong>n konnte, gin g die Stadt<br />

Vöhrenbach im April 2003 in di e sehr umfa ngreiche Genehmigungspla nung. Hier<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stadt a ls Ba uherrin immer wie<strong>de</strong>r von neuem die später auch vom<br />

Regierungspräsidi u m F rei burg beton te Ko m plexitä t <strong>de</strong>r gepla nten Sta uma uera<br />

ni erung bewusst. Folgen<strong>de</strong> Fachgebiete waren durch Fachpla nungen und Gutachten<br />

a bzu<strong>de</strong>cken:<br />

10<br />

H ydro logie<br />

Limnologie<br />

Betontechno logie, Instand etzungskonzept<br />

Konze pt wasserseitige Abdichtung<br />

sta tische Bea nspruchung <strong>de</strong>r Ha ngro hrleitung<br />

Berechn ungsgru nd lagen <strong>de</strong>r Frei bord beme Sll ng<br />

Sta ndsicherheit berechnung, Prü fberi chte<br />

geotechni ches G utachten<br />

La ndschaftsbegleitplanung<br />

achweis 2.500-jährliche Erdbebensicherh eit<br />

eorada runtersuch ung


Energiewirtschaft<br />

h yd ra u I i che Berech n ung zu <strong>de</strong>n Betriebseinrichrungen<br />

Speicherinhalt, peicherfläche<br />

Zusammenstellung Fein ve rme sung seit 1925.<br />

Des Weiteren wur<strong>de</strong> zum Sa nierung konzept ein Fachgutachten <strong>de</strong>r TU Graz<br />

erstellt. Ein behö rdlicherseits gefor<strong>de</strong>rtes weiteres staatliches Gutachten brachte<br />

<strong>de</strong>nnoch erhebliche Umpla nungen, insbeson<strong>de</strong>re im Bereich <strong>de</strong>r H ochwasserentlastu<br />

ng, mit sich.<br />

Aufgrund di eser und weiterer un vorhersehba rer ho her Anfo r<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Genehmigungspl anung (erstma lige Anwendung <strong>de</strong>r neuen, erst im Entwurf vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Dr 19 .700, Alter <strong>de</strong>r Anl age, hohe Sicherheitsanfo r<strong>de</strong>rungen a n Betonqualität,<br />

Gründung icherheit, achweis 2.500-jährliche Erdbebensicherheit, ökologische<br />

Begleit- und Ausgleichsmaßnahmen) schl os die Vergabe <strong>de</strong>r Bauarbeiten<br />

mit rd. 4,44 Mio . Euro a b.<br />

Fö rd ermittel konnten in mühsa men Verh andlungen und Antragsverfahren bei<br />

<strong>de</strong>n beteiligten Geldgebern (La n<strong>de</strong>sstiftung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Lan<strong>de</strong>samt für<br />

Denkmalpflege Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Denkma lfö r<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, Touri musfö<br />

r<strong>de</strong>rung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Deut che Stiftung Denkma lschutz, Landkreis<br />

Schwa rzwa ld-Baar, Ba<strong>de</strong>nova AG Freiburg und För<strong>de</strong>rverein " Rettet di e Linachtalsperre<br />

e.Y. ") bereit ge teilt wer<strong>de</strong>n. Dennoch belief sich <strong>de</strong>r städtische Eigenanteil<br />

zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s eigentlichen Ba ubeginns auf 731.000 Euro. M an darf sich<br />

somit <strong>de</strong>n mutigen Schritt <strong>de</strong>s Vöhrenbacher Gemein<strong>de</strong>rats bewusst machen, <strong>de</strong>r in<br />

nbetracht <strong>de</strong>r ohnehin sehr kritischen Fina nzl age <strong>de</strong>r kleinen Stadt <strong>de</strong>m Sa nierungs-<br />

und Finanzierungskonzept weiterhin vertra ute und <strong>de</strong>n Ba ubeschluss fasste.<br />

Man sa h a bso lut realisti sch di e letzte, einmalige und historische Cha nce, das Baukultur<strong>de</strong>nkma<br />

l von na ti onaler Be<strong>de</strong>utung seiner ursprüngli chen Bestimmung<br />

zurückzuführen. Damit ergibt sich di e M öglichkeit <strong>de</strong>r Gewinnung erneuerbarer<br />

Energie sowie <strong>de</strong>r utzung <strong>de</strong>r Anl age fü r kulturelle, touristische und damit a uch<br />

wirtschaftliche Z wecke <strong>de</strong>r Stadt und <strong>de</strong>r Region.<br />

ach achtjä hriger eno rmer Anstrengung und breitem bürger cha ftlichen<br />

Engagement konnte di e Umsetzung <strong>de</strong> Sa nierungsprojektes in 2006 tatsächlich a ngegangen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Von ein em " Zurücklehnen " <strong>de</strong>s Ba uherrn konnte jedoch keine Re<strong>de</strong> sein!<br />

W ä hrend <strong>de</strong>r intensiven Ba uphase in 2006 erga b sich eine erhebliche Kostensteigerung<br />

insbeson<strong>de</strong>re im Gewerk <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Denkmal sowie <strong>de</strong>n hohen Anfo rd erungen<br />

<strong>de</strong>r Betontechnologie gerechten Betonsa ni erung <strong>de</strong>r lu ftseitigen M auergewölbe.<br />

Ein e weitere Fina nzierungslücke von 1,95 M io. Euro ta t sich a uf. Glü ckli cherweise<br />

konnten die wasserseitige Abdichrung mittel Geomembran sowie die Anpassungsmaßnahmen<br />

im Bereich Sta hl wa serba u im vorgegebenen Kostenra hmen a bgewickelt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Desha lb konnten a uch das übera us a ufwä ndige Genehmigungsverfahren, di e<br />

Beachtung a ller üblicherweise zu treffen<strong>de</strong>n Vorkehrungen, fac hlich schlüssige Vora<br />

usberechnungen und di e Erkenntnisse <strong>de</strong>r a nerkanntesten Fachleute <strong>de</strong>n Bauherrn<br />

nicht vor einer Kostensteigerung in <strong>de</strong>r G rößenordnung von über 30% bewahren.<br />

11


e<br />

Die Schädigungen <strong>de</strong>s Betons <strong>de</strong>r Talsperre gehen teils a uf Witterungseinflüs e,<br />

im Bereich <strong>de</strong>r wa erberübrten Gewölbe hauptsächlich a uf die nicht vollständige<br />

Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zutritts von Wasser zurück. Die zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r H erstellung<br />

und <strong>de</strong>r Sanierungsver uche verfügbaren Abdichtung m etho<strong>de</strong>n waren in ihrer<br />

Fähigkeit, Verformungen zu überbrücken, begrenzt.<br />

Dementsprechend kommt <strong>de</strong>r wa sersei ti gen Abdichrung <strong>de</strong>r Tal peue eine<br />

zentrale Funktion und ein e wesentliche Be<strong>de</strong>utung zu. ie erfo lgt mit einem bei vergleichbaren<br />

M aßnahmen bewährten, drainierten Geomembranabdichrungs ystem.<br />

Dadurch wer<strong>de</strong>n die Durchfeuchtung <strong>de</strong>r Ta lsperre und die da mit einhergehen<strong>de</strong>n<br />

Frost chä<strong>de</strong>n nachhaltig ve rhin<strong>de</strong>rt. Das Verfa hren gewährleistet di e problemlose<br />

Überbrückung <strong>de</strong>r zum Teil statisch bedingten Risse und erl aubt eine verl ässliche<br />

Kontroll e <strong>de</strong>r Funktio nalität.<br />

Das System a n <strong>de</strong>r Wasserseite <strong>de</strong>r Tal perre umfas t a lle 13 Gewölbe und<br />

erstreckt sich von <strong>de</strong>r Kro ne bis in frostfreie Tiefe, um die a uf Durchfeuchrung<br />

empfindlichen Bereiche da uerhaft von Wasser freizuha.lten. Die Abdichtung besteht<br />

aus einem PVC-Geoko mposit Sibelon CNT 3750 welches a uf ein em Drainage-Geogitter<br />

Tenax CE 750 au HDPE vollfl ächi g verlegt, untereinan<strong>de</strong>r lückenlos verschweißt<br />

und mittels rostfreier Pro fil e und Anker mechanisch lin ienfö rmig a m Untergrund<br />

befesti gt wird. An <strong>de</strong>n überfluteten Rä n<strong>de</strong>rn erfo lgt ein dichter Anschlu s<br />

Linachtalsperre Luftseite - Somme r 2007 (Stadtarchiv Vöhrenbach).<br />

12


mit ei ner Kl emmverbindung als Pres dichtung, a m oberen Rand entla ng <strong>de</strong>r Krone<br />

wird ein ni e<strong>de</strong>rschlagsdichter Abschluss mit rostfreien Flachstahlprofilen und elasti<br />

scher Zwischenlage ausgeführt. Das Drai nagesystem setzt sich a us 5 voneinan<strong>de</strong>r<br />

getrennten Abschnitten zusammen, die in ihrem Tiefpunkt jeweils in einen lufrseiti<br />

gen Ausleitungsschacht mün<strong>de</strong>n und eventuell eintreten<strong>de</strong>s Wasser, welches im<br />

Geogitter a bfließt, dorthin ableiten.<br />

Das Drainagesystem dient <strong>de</strong>r Kontrollierbarkeit <strong>de</strong>r Abdichtung, begünsti gt<br />

in Verbindung mit <strong>de</strong>n Lü ftungsöffnungen oberhalb <strong>de</strong>s Stauziels die Austrocknung<br />

<strong>de</strong>s Sperrenkörpers und verhin<strong>de</strong>rt im Scha<strong>de</strong>nsfa ll <strong>de</strong>n Aufbau von Wasserdruck<br />

zwischen Membran und Sperrenbauwerk.<br />

Dieses System erlaubt die Loka lisierung von Leckagen und <strong>de</strong>ren rasche<br />

Behebung. Die Standsicherheit ist in solch ei nem Fa ll nicht gefähr<strong>de</strong>t.<br />

Das ve rwen<strong>de</strong>te PVC-Geokomposit besteht aus einer 2,5 mm dicken PVC­<br />

Geomembran und einem thermi sch a ufkaschierten Geotextil mit einem Flächengewicht<br />

von 500 glqm. Die Aufgabe <strong>de</strong>r Geomembra n ist Wasserdichtheit zu gewährleisten,<br />

während das Geotextil die Geomembran vor Durchstoßen schützt, ihr<br />

entsprechen<strong>de</strong> Formsta bilität gibt, Durchlässigkeit für Drainagezwecke besitzt und<br />

ein e a usreich en<strong>de</strong> Reibung zwischen <strong>de</strong>m Geokomposit und einer Unterlage<br />

gewährleistet. Die Fügung <strong>de</strong>r Membran erfolgt durch H eißluftschweißung, bei<br />

Linachtalsperre Wasserseite - Probestau Sommer 2007 (Stadtarchiv Vöhrenbach).<br />

13


err und .(ra<br />

welcher di e Plastifi zierung <strong>de</strong>s Thermoplasts PVC im a htbereich ein e vo llständige<br />

Verbindung <strong>de</strong>r Ba hnen schafft. Die lü ckenl ose Prüfung <strong>de</strong>r Nähte gewährleistet die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Zuverläs igkeit <strong>de</strong>r Verbindungen.<br />

Der Anschluss <strong>de</strong>r Membran a n das Bauwerk erfolgt in Form ein er Pressdichtung,<br />

die sich seit über 25 Jahren in ein er Vi elza hl von Projekten hervorragend<br />

bewährt hat, bi lang bei Wasserdrücken bis zu ] 74 m Wassersäule. Die Überprüfung<br />

im Labor von [ MES/ßergamo bestätigte die Dichtheit bis 25 bar.<br />

Die Membran ist UV-beständig, resi tent gegenüber Abbau durch organi che<br />

o<strong>de</strong>r bakterielle Wachstumsvorgänge und ausreichend w id er ta ndsfä hi g im alkalischen<br />

Milieu von feuchtem Beton. Die embra na uskleidung bes itzt genügend<br />

Wi<strong>de</strong>rstand gegenüber Durchstoßen und Reißen während Manipulatio n, Einbau<br />

und Betrieb und hat ich auch bei Frost-Tau-Wech ein und Eis bewährt.<br />

Z usammenfassend kann gesagt wer<strong>de</strong>n, dass die Da uerhaftigkeit und H a ltbarkeit<br />

<strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>ten Membranmaterialien nachwei lich bei über 30 Jahren liegt.<br />

Eine Extrapolati o n von Laborergebni sen wLir<strong>de</strong> ein e Lebensdauer von mehr al<br />

100 Ja hren ergeben.<br />

Vor <strong>de</strong>m Ei nbau <strong>de</strong>r Abdichtung w ur<strong>de</strong> die Wasserseite mit mo<strong>de</strong>ratem H ochdruckwasser<br />

tra hl gereinigt um 10 e Teile und Schmutz zu entfernen. Bereiche mit<br />

ausgeprägten Unebenheiten wur<strong>de</strong>n mit Repararurmö rtel aufgefüllt, und übermäßig<br />

hervorstehen<strong>de</strong> charfe teilen w ur<strong>de</strong>n entfernt. Um das Geokomposit in seiner<br />

Lage zu halten und Windsogkräfte sicher abzuleiten wur<strong>de</strong> e zwischen benachbarten<br />

Gewölben in <strong>de</strong>r Falllinie fixiert.<br />

Die vom Befestigungs- und Verankerungssy tem zu übernehmen<strong>de</strong>n Kräfte<br />

sind relativ klein, zumal die Wa erseite <strong>de</strong>r Sperre geneigt ist und das ehr geringe<br />

Eigengewicht schon über die Reibung a uf <strong>de</strong>n Untergrund übertragen wird. Im Falle<br />

<strong>de</strong>r vorge ehenen Stauhaltung treten - a usgenommen <strong>de</strong>r Bereich über Stauzieldaher<br />

nur im Montagezustand und im Fa lle <strong>de</strong>r Entleerung Windkräfte a uf, die<br />

eine Z ugbean pruchung auslösen.<br />

Für di e luftseitige Sa ni erung <strong>de</strong>r Ta lsperre wur<strong>de</strong> ein Sanierungskonzept erarbeitet<br />

das ich am Be tand orienti ert. Dabei w ur<strong>de</strong>n in einer umfangreichen Analyse<br />

<strong>de</strong>s Bauwerkes unterschi edliche Scha<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>r festgehalten:<br />

Ausblühungen und Sinterungen<br />

Witterungsschä<strong>de</strong>n<br />

H o hlliegen<strong>de</strong> Betonrandzonen<br />

Fugen und Risse<br />

Abpbtzungen<br />

Freiliegen<strong>de</strong> Bewehrung.<br />

Dem Sanierungsziel "Vermeidung <strong>de</strong>r Durchfeuchtung und weiterer frostbedingter<br />

Schä<strong>de</strong>n' wur<strong>de</strong> hier zusätzli ch durch Austausch von Beton mit zu<br />

geringer Festigkeit und zu ho hem chädi gungsgrad ent prochen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Ko nze pt <strong>de</strong>r "<strong>de</strong>nkllla igerechten" ö rtlichen Beron a ni erung wur<strong>de</strong>n<br />

a lle Schwachstellen <strong>de</strong>r Konstruktion beseitigt. D a mit wer<strong>de</strong>n die bereichsweise<br />

abgestuften Anfor<strong>de</strong>rungen an da Verfo rmungsverh alten <strong>de</strong> Betons und an die<br />

14


von <strong>de</strong>r TraditIOn zur M <strong>de</strong>me<br />

Dauerhaftigkeit <strong>de</strong>r Oberflächen sichergesteLlt. Durch speziell abgestimmte Rezepruren<br />

wur<strong>de</strong>n Farbe, Eigenschaften und Struktur <strong>de</strong>r Reparaturmörtel <strong>de</strong>m Bestand<br />

a ngepas t. Darüber hinaus wur<strong>de</strong>n mit Hilfe <strong>de</strong>s Georadarverfahrens die Pfeiler in<br />

a usgewählten Bereichen auf herstellungsbedingte Schwachstellen im Innern untersucht.<br />

Bei großen Schä<strong>de</strong>n erfolgte ein e Erneuerung <strong>de</strong>r Bauteile. So wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Fußgängersteg gänzlich a bgetragen und neu errichtet. Bauteile <strong>de</strong>r Enrlastung anlagen<br />

wur<strong>de</strong>n ergänzt.<br />

Auslaufbauwerke <strong>de</strong>s Grundablas es und Zwischenauslasses sowie die<br />

zugehörige Tosbeckenendschwelle wur<strong>de</strong>n erneuert und <strong>de</strong>n hydraulischen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

angepa sr.<br />

Die Hochwasserenrlasrung erfolgt über <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Grundablass und <strong>de</strong>n<br />

pilzförmigen Entlasrungsturm. Diese erhi elten a ls Verschlüsse zeitgemäße, verl ässliche<br />

Flachschi eber, um eine sichere Betriebsführung unter klaren hydraulischen<br />

Bedingungen zu gewährleisten.<br />

Grundablass und Zwi chenauslass erhielten Grobrechen und <strong>de</strong>r Einla uf <strong>de</strong>s<br />

Grundablasses wur<strong>de</strong> a ls Trichter 3U geformt. Zur Ermitrlwlg <strong>de</strong>r WeIlenauflaufhö<br />

be a uf <strong>de</strong>m vielfach gewölbten Rücken <strong>de</strong>r Staumauer waren Mo<strong>de</strong>llversuche<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Auf Grund <strong>de</strong>r Versuchsergebnis e w ird <strong>de</strong>r Stauspiegel künftig etwas<br />

ni edriger li egen als ursprünglich. Zur Abgabe <strong>de</strong>r Pflichtwassermenge di ent eine<br />

RegeJeinrichtung, über die eine gezielte Entnahme möglich ist. Sie wird auch zur<br />

Feinregulierung <strong>de</strong>s Überwa sers herangezogen.<br />

Der Stau wird künftig im Toleranzbereich von 10 cm konstant geha lten. Eine<br />

neue Regelungs-, Steuer- und Überwachungseinrichtung unterstützt ein en sicheren<br />

und ra tionellen Betrieb. Di e Beobachrungseinrichtungen konzentrieren sich a uf<br />

Feinvermess ung und Sickerwassererfassung im Zusammenhang mit Temperaturund<br />

Nie<strong>de</strong>rschlagswerten.<br />

Zusammenfassung<br />

Denkmalgerechte Betonin ta ndsetzung, angemessene Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>r was erbaulichen<br />

Anl agenteile und ein zei tgemäßes und verlässliches Abdichtungssystem<br />

im Zusa mmenspiel mit einem adäquaten Betriebs- und Überwachungskonzept<br />

wer<strong>de</strong>n Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit <strong>de</strong>r Gesamtanlage<br />

gewährleisten.<br />

Dem gesetzten Ziel <strong>de</strong>r Erhaltung und Revita lisierung diese ei nmaligen<br />

Kultur<strong>de</strong>nkmales, eines be<strong>de</strong>uten <strong>de</strong>n Zeugnisses beson<strong>de</strong>rer Ingeni eurbaukunst a us<br />

<strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ei enbetonba ues, wur<strong>de</strong> unter Einsatz neuzeitlicher<br />

Metho<strong>de</strong>n und Erkenntnisse entsprochen.<br />

Es stellt sich <strong>de</strong>m Bauherren nach diesem jahrelangen Marathonlauf von<br />

Behör<strong>de</strong> zu Behör<strong>de</strong>, unzä hligen Fachgesprächen, Projekt- und Finanzierungsrun<strong>de</strong>n<br />

di e Frage, ob <strong>de</strong>r Aufwand, <strong>de</strong>r sich aus einem übera us hohen Sicherheits<strong>de</strong>nken<br />

auf allen <strong>de</strong>nkbar betroffenen Ebenen entwickelte noch mit <strong>de</strong>n tatsäch lichen<br />

Gegebenheiten korrespondiert und sich nach <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>s gesun<strong>de</strong>n Menschenversta<br />

n<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r sich durchaus a uch a m technischen Wissen und Verständnis orienti<br />

eren möge, noch a m Ergebnis bzw. a m erkl ärten Ziel orientiert.<br />

15


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

»Es grüne bayrn und <strong>de</strong>m nichts gleich<br />

das höchste haus von öesterreich«<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 17 - 30<br />

März <strong>2008</strong><br />

Mit Donaueschinger Hilfe kommt 1745 <strong>de</strong>r Füssener Frie<strong>de</strong>n zustan<strong>de</strong><br />

von Hugo Siefert<br />

" Bis zu einem frohen Wie<strong>de</strong>rsehen"·telegrafiert' Max Egon 11. Fürst zu Fürstenberg<br />

am 4. ovember 1908 von Donaueschingen aus <strong>de</strong>m österreichischen Grafen<br />

Rudolf Colloredo-Mannsfeld jun. und rät ihm, die "Kugelbüchse für je<strong>de</strong>n Fall"<br />

mitzubringen, um so für die Treibjag<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Kaiser Wilhelm II. im<br />

Unterhölzer Wald und am Amtenhauser Berg gerüstet zu sein.<br />

Bayern contra Österreich<br />

un trifft nicht zum ersten Mal ein Graf Colloredo auf einen Fürstenberg. lm Frühjahr<br />

1745 nämlich begegnen sich Max Egons wohl bekanntester Vorgänger, Joseph<br />

Wilhelm Ernst, und Colloredo sen. Allerdings unter ganz an<strong>de</strong>ren Voraussetzungen<br />

und in vö llig unterschiedlicher Mission: Der Fürstenberg 2 o ll in bayerischem<br />

Auftrag einen Frie<strong>de</strong>n mit einem Vertreter Österreichs aushan<strong>de</strong>ln, das gera<strong>de</strong><br />

einen Abschn itt <strong>de</strong>s österreich ischen Erbfolgekrieges gegen Bayern gewonnen hat.<br />

Ba yern contra Österreich. Eine Z ei tlang geisterte die klischeehafte Vorstellung<br />

einer ba yeri sch-österreichischen "Erbfeindschaft" durch die Geschichtsbücher (und<br />

weniger di e einer preußisch-bayerischen). Aber waren die Wittelsbacher nicht dreihun<strong>de</strong>rt<br />

Jahre lang, seit Karl V. bis zu apoleon vor a llem in Gegensatz zu Habsburg,<br />

Seit' an Seit' mit <strong>de</strong>n Gegnern Habsburgs? Und hat nicht Ludwig XlV. mit<br />

einer bayerisch-französischen Allianz Kurfürst Ferdinand Maria <strong>de</strong>n Österreich ern<br />

abspenstig gemacht?<br />

In <strong>de</strong>m a m 17. Februar 1670 besiegelten Tractatus sinceri et secreti 3 kann sich<br />

Bayern für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>s Aussterbens <strong>de</strong>r österreich ischen Ha bsburger glatt die französische<br />

Unterstützung seiner Erbansprüche sichern, ei ner vom kurbayerischen<br />

Kanzler Caspar von Schmid in einem geheimen Separatartikel formulierten Absicht,<br />

di e gute Bezieh ungen zwischen Wien und München zunichte macht. An frankophilen<br />

Aktionen maßgeblich beteiligt ist daneben Hermann Egon von Fürstenberg,<br />

<strong>de</strong>r Graf mit Heiligenberger Wurzeln. Mit 25 in kurbayerische Dienste getreten und<br />

ra eh zum Obersthofmarschall aufgestiegen, übt er zuletzt das Amt <strong>de</strong>s Obersthofmeisters<br />

aus und ist Direktor <strong>de</strong>s geheimen Rats: Der Gegner Habsburgs schlechthin<br />

.<br />

och ein Vierteljahrtausend später wird festgestellt, dass Bayern und Österreich<br />

als unmittelbare achbarn seit Jahrhun<strong>de</strong>rten beson<strong>de</strong>re Beziehungen haben<br />

- eine Vielzahl von Bündnissen miteinan<strong>de</strong>r seien dafür ebenso ein Beleg wie zahlreiche<br />

Kriege gegeneinan<strong>de</strong>r. " Das Gegeneinan<strong>de</strong>r war spätestens dann vorbei, als<br />

1955 in München die Österreichisch-bayeri ehe Gesellschaft ÖBG gegrün<strong>de</strong>t und<br />

achbarn Freun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n. "4<br />

17


Im September 2000 reibt sich halb Mitteleuropa die Augen und sieht zu, wie<br />

sich Bayern und Österreich, Edmund Sroiber und Wolfgang Schüssel, (nicht<br />

Deutschl a nd und Österreich) gegenseitig loben und preisen: "Du hast uns Mut<br />

gemacht", jubelt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skanzler, " uns trotz <strong>de</strong>r bösen Vorwürfe a us <strong>de</strong>r EU­<br />

Zentrale Brü seI nicht unterkriegen zu lassen und unseren gemeinsamen Weg weiterzugehen.<br />

"5 Und einma l ist vom" Bru<strong>de</strong>rvolk" die Re<strong>de</strong>, ja von" uns Brü<strong>de</strong>rn im<br />

Alpenglühen (um einen wichtigen Buchtitel zu zitieren)", di e Gott sei Da nk jetzt<br />

weni gsten einen gemein a men Feind hätten, <strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>r Kernkra ft verdankten 6 .<br />

Als di e ÖBG dann ihr fünfzigste Bestehen fe iert, wird <strong>de</strong>r Freistaat Ba yern<br />

auf eine Stufe gestellt mit ei nem a n<strong>de</strong>ren, ganz und ga r echten Staat und " nicht bloß,<br />

sagen wir mit Tirol" 7. Mei tens sei das Verhältnis <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Alpenvölker von Hilfsbereitschaft<br />

geprägt gewesen; vor zwölfhun<strong>de</strong>rtja hren hätten di e Bayern <strong>de</strong>n Kärntnern<br />

geholfen, di e Slawen zurückgedrängt und das La nd christianisiert. An die österreich<br />

ischen Übelta ten in <strong>de</strong>r Send linger Mordweihnacht 1. 705 wird nebenbei erinnert,<br />

nicht a ber a n di e bayeri sch-österreichi sche Auseinan<strong>de</strong>r etzung, die 1745 <strong>de</strong>r<br />

Füssener Frie<strong>de</strong>n been<strong>de</strong>n o llte.<br />

Der al junger "Graf vo n Wittelsbach" in Österreich inhaftierte bayerische<br />

Kurfürst Ka r! Albrecht hatte schon 1726 vergebens das habsburgische Erbe anzutreten<br />

ve rsucht und fünf Jahre da nach eigens <strong>de</strong>n Geheimrat ka nzler und KonfereIlZminister<br />

Franz UnertlS a ngewiesen, die bayeri schen Erbansprüche gegenüber<br />

<strong>de</strong>m H a us H a bsburg auszuarbeiten und zu vertreten, obwohl dieser 1699 <strong>de</strong>r heimlichen<br />

Kollaboration mit <strong>de</strong>n Österreichern verdächtigt wor<strong>de</strong>n war.<br />

1741 nimmt <strong>de</strong>r in zwi ehen zum König von Böhmen gekrönte und einstimmig<br />

zum Kaiser gewählte Wittelsbacher 9 , nach<strong>de</strong>m ein Jahr zuvor nach <strong>de</strong>m Tod Kaiser<br />

Ka rl s VI. <strong>de</strong>r bayeri sche Gesandte Maximilia n Graf von Peru a <strong>de</strong>m Wiener Hof<br />

gegenüber nachdrücklich di e ichta nerkennung <strong>de</strong>r weibli chen rbfolge bekräftigt<br />

hat, mit fra nzösischeri o, spanischer und preußischer Hilfe einen neuen An la uf.<br />

Damit beginnt <strong>de</strong>r siebenj ä hrige österreichi sche Erbfolgekrieg. Wir, so argumentieren<br />

die Wittelsbacher, wer<strong>de</strong>n da nn <strong>de</strong>n H a bsburgern, die "sichtlich a uf<br />

ab olute und <strong>de</strong>spotische Herrscha ft im Reiche a us sind" ", nachfolgen wenn<br />

" mä nnliche" (bayeri ehe) o<strong>de</strong>r "eheli be" (ö terreichische) Nachkommen a ussterben.<br />

Sie lehnen neben Sachsen weiter und nachdrückli ch di e Pragmatische Sanktion<br />

ab, die von <strong>de</strong>n europäi ehen Mächten längst a kzeptiert i t und durch die Maria<br />

Theresia, von ihren Fein<strong>de</strong>n geringschä tzig di e "Großherzogin von Toskana"<br />

genannt, ihrem Va ter nachfo lgt.<br />

Annus horribilis 1743<br />

»Je souhaitte du fo nd <strong>de</strong> 1110n ame, que la paix eil resulte, puisqu'elle est absolu ­<br />

ment necessaire pour le vrai bien <strong>de</strong> votre V.M.l. « 12 Wer schreibt solches? Wann<br />

und In welcher Absicht und Mission? Wer ist <strong>de</strong>r Adressat? Am 31. Mai 1743<br />

schickt " <strong>de</strong>r EI. Fürst Jo eph Wilhelm Ernst" zu FLirstenberg ein e Botschaft l 3 an<br />

Ka iser Ka rl VII. nach Frankfurt. Vo n M ä rz a n wer<strong>de</strong>n ihm ver chie<strong>de</strong>ne<br />

"Commiss iones und Lega ti ones" a ufgetragen mal in Augsburg, ei ner Geburtsstadt,<br />

ma l in Fürth, Differenzen zwischen " Kayser Ka r! <strong>de</strong>m König von England und <strong>de</strong>r<br />

Königin von Ungarn" beilegen zu helfen.<br />

18


So re<strong>de</strong>t er " M ylord Stairs" 14 ins Gewissen mit <strong>de</strong>m Ziel, Großbritannien für<br />

einen Frie<strong>de</strong>nsschluss zu interessieren - vergebens. Im Gegenteil , di e Briten können<br />

ihren Sieg über die Franzosen feiern, ihn vo n Georg Fri edrich Hän<strong>de</strong>l im Dettinger<br />

Te<strong>de</strong>um besingen lassen und im September soga r ihren Bund mit Österreich festi ­<br />

gen.<br />

Zur seI ben Z eit sucht <strong>de</strong>r Für t Sachsen davon abzubringen, aus <strong>de</strong>r anti österreichischen<br />

Koalition auszuscheren o<strong>de</strong>r wenigstens neutral zu bleiben; er diktiert<br />

und schreibt eigenhändig einen Brief nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren 15 an Freund und Feind. Vergebens.<br />

Tatsächlich sind die pra ktischen Probleme schwierig und komplex, so dass<br />

e je<strong>de</strong>r Vermittler schwer hat, auch wenn er wie j oseph Wilhelm Ernst intensiv und<br />

mit Eifer die Rechte in Straßburg und UtI-echt studiert hat, stets betont' 6, dass es<br />

ohn e Gespräche zu keiner Einigung ko mmen könne.<br />

Lorbeeren als Gesandter zu erwerben o<strong>de</strong>r als Frie<strong>de</strong>nsstifter immerhin in die<br />

Regionalgeschichte einzugehen, das war vor langer Zeit <strong>de</strong>m Stammvater <strong>de</strong>r<br />

Dona ueschinger Linie <strong>de</strong>s H a uses Fürstenberg, <strong>de</strong>m Grafen Friedrich IV. von<br />

Fürstenberg, Heiligenberg und Werd enberg, Landgraf in <strong>de</strong>r Baar noch ve rgönnt<br />

gewesen. Wur<strong>de</strong> doch di e friedliche Lösung eines Grenzstreits im Jahr 1606 mit <strong>de</strong>r<br />

Landgrafschaft ellenburg-Tengen ni cht nur im Kommingen-Riedösdtinger Kompromi<br />

ss bach, son<strong>de</strong>rn a uch im "ältesten numismatischen Z eugnis <strong>de</strong>r Fürstenberger"1<br />

7 ve rewigt, einer M edaillei s mit <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>nsengel.<br />

Freilich muss <strong>de</strong>n Fürsten etwas an<strong>de</strong>res mehr geschmerzt haben als sein letztlich<br />

glückl oses Vermittlungs bemühen, so <strong>de</strong>r Vorwurf' 9, eigennützig familiäre Ziele<br />

zu verfo lgen, zum Beispiel die von M a ri a Theresia beschlagnahmten Güter seiner<br />

Ehefra u Maria Anna ge bo rene von Wa ldstein wie<strong>de</strong>r zurückzubekommen, sich <strong>de</strong>shalb<br />

bei <strong>de</strong>n Österreichern ei nzuschmeicheln 20 und damit die "chur baierisch "kaiserliche<br />

Sache zu verraten21.<br />

Tatsächlich unterzeichnen die Grafen Schaffgotsch 22 und Collowrath ein<br />

Deaetum ex commissione regia aulica Drago die 27ma ]anuarii 1743, " <strong>de</strong>s Fürstens<br />

] osephi Wilhelmi bayeri sche Dien te und hierwegen erfo lgte kayßerliche<br />

ungena<strong>de</strong>" betreffend 23 . Di e österreich ische Administrati on teilt Maria Ann a<br />

Fürstin von Fürstenberg mit, dass ersten ihre Güter in Böhmen besch lagt seien, sie<br />

sich zweitens nicht " noch länger in 1hro M ajestät <strong>de</strong>s Königreichs Böhmen aufhalten"<br />

dürfe und drittens " binnen acht Tägen .. . nichts<strong>de</strong>stoweniger aber aus bloßer<br />

a llerhöchster gnad ... auf 14 Täge" verl ängerten Frist das Land ve rl assen müsse.<br />

Hintergrund dieser Sequestrati on - "Cherchez la femme!" - ist Maria Theres<br />

ias Verärgerung und Wut darüber, dass nach <strong>de</strong>m Tod<br />

ihres Vaters, Kaiser Karls VI. , sich die Stern -Creuz-O r<strong>de</strong>ns­<br />

Dame M aria Anna auf die Seite <strong>de</strong>s Bayern Ka r! Albrecht<br />

schlägt, ga nz bestimmt mit <strong>de</strong>r Zustimmung ihres Ehemannes<br />

] oseph Wilhelm Ernst, <strong>de</strong>n 1723 die damals erst<br />

Sec hzehnjährige, "eine <strong>de</strong>r re ichsten böhmischen Erbinnen<br />

ih rer Zeit"24, geheiratet hat. Die Königin von Gottes Gna<strong>de</strong>n<br />

rächt sich für die Unbotmäßigkeit <strong>de</strong>r Fürstin. Wie<strong>de</strong>r<br />

einmal müssen Gna<strong>de</strong> und Ungna<strong>de</strong> als H errschaftsinstrumente<br />

herhalten. Maria Theresia 1745.<br />

19


Da und wie die Ka iserin ebenso lieben ka nn , bewei t ihre Ehe mit Franz von<br />

Lothringen. Seinetwegen hatte a Lich <strong>de</strong>r kühne Plan <strong>de</strong> Prinzen Eugen von Savoyen<br />

bei ihr und ihrem Vater keine Chance, verwirklicht zu wer<strong>de</strong>n, kurz gesagt <strong>de</strong>n -<br />

überdie zehn Jahre jüngeren - ba ye ri schen Kronprinze n Max ]oseph (':' 1717) zu<br />

heiraten. Fraglich <strong>de</strong>nn och, ob Bayern und Ö sterreich mit dieser Verbindung aus<br />

Staatsräson a usgesöhnt wor<strong>de</strong>n wären?<br />

Kaiserdämmerung 1744/45<br />

Inzwischen ist <strong>de</strong>r ehrgeizige " bayerische Schattenka iser"25 H aupt einer <strong>de</strong>r ersten<br />

und mächtigsten <strong>de</strong>utschen Fürstenfa milien, <strong>de</strong>r Herr eines weitausge<strong>de</strong>hnten rein<br />

<strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>s 26 , jetzt da "Opfer französischer Ränke und Treul osigkeit" 27,<br />

nicht mehr H err <strong>de</strong>r Lage.<br />

Während es <strong>de</strong>r ra ffinierte Preuße Friedrich 11 . ve r teht, <strong>de</strong>n bayerisch-österreichi<br />

schen Zwist für sich zu nutzen, wüten schon ö terreichi che Truppen in <strong>de</strong>r<br />

eben eroberten baye ri schen H a upt radt München. " Der Zusammenbruch Bayerns",<br />

heißt es später 28 , hätte schlimmer kaum sein kö nnen", <strong>de</strong>r ie<strong>de</strong>rgang eines<br />

Lan<strong>de</strong>s das nach Leopo ld vo n Rankes Urteil "damals an <strong>de</strong>r größten Finanznot"<br />

litt und "gar nicht mi li tä ri sch organi iert" 29 wa r.<br />

A L1ch di e Frankfurter Uni on aus Ka iser, Preußen, Pfalz, H essen-Kassel (1744)<br />

und das um Frankreich erweiterte Versa il ler Bündnis im sei ben Jahr können Bayern<br />

ni cht retten. ach <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s achtundvierzigjährigen, physisch und psychi sch<br />

gebrochenen Ka r! VII . Albrecht JO am 20. Januar 1745 müssen a lle Karten neu gemi<br />

cht, müssen Tagesordnung, Termin und Ort für Frie<strong>de</strong>n ve rhandlungen gesucht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Für gut befun<strong>de</strong>n wird Fü sen im Allgä u 31 . Die Stadt liegt auf neutralem Bo<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Hochstifts Aug burg, an <strong>de</strong>r Grenze zum Kurfürstentum Ba yern und zur<br />

gefürsteten Grafschaft Tirol, ha bsburgischem Gebiet 32 a lso. Das " internatonale"<br />

Dreil än<strong>de</strong>reck ist für die Unterhändler gut erreichba r und bietet brauchbare Verhandlungsrä<br />

ume und einigermaßen vernünftige M öglichkeiten <strong>de</strong>r Unterkunft und<br />

Verpflegung, so das <strong>de</strong>r ge bürtige Augsburger Fürst Joseph die Tagungsstätte mit<br />

<strong>de</strong>n Prädikaten " bequemlichst" und "anständigst" au zeichnet 33 .<br />

M a n trifft sich wohl nicht im H ohen Schlos, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r " Alten Post" mit<br />

ihrer Einrichtung als ö terreichi che Poststation 34 so, w ie man sich in Dona ueschingen<br />

wohl in <strong>de</strong>r " Falkenpost" ni e<strong>de</strong>rgelassen hätte.<br />

Erster im Füssener Quartett: Rudolf Colloredo<br />

Mit etwas Fantasie kann man sich Folge n<strong>de</strong>s vorstellen: In <strong>de</strong>n ovembertagen <strong>de</strong>s<br />

Jahres 1908 kommen Fürst Max Egon H. und Rudolf Gra f Co lloredo jun. auf<br />

einem Jagdgang o<strong>de</strong>r beim a bendlichen Bankett auf ihre pro minenten Vorfa hren zu<br />

prechen, die am Do nner tag nach stern 3s, a lso am 22. April 1745, in Füssen einen<br />

Frie<strong>de</strong>n unterzeichnet ha ben.<br />

Der Gra f verweist scherzend auf <strong>de</strong>n berühmteren Collo redo, <strong>de</strong>n So hn <strong>de</strong>s<br />

"Füssener ' Rudolf sen.: Musikkenner und -liebhaber tutlten bei <strong>de</strong>r Erwähnung<br />

seines Namens Hieronymus. H abe <strong>de</strong>nn nicht Wolfgang Ama<strong>de</strong>us Mozart 1774 die<br />

o ll oredo-Serena<strong>de</strong> KV 203 für diesen Fürsterzbi chof geschrieben, sei mit ihm aber<br />

20


Mirtelstaats mit fürstlicher Resi<strong>de</strong>nz<br />

Donaueschingen, sind mit Augenmaß,<br />

Verantwortungsgefühl und Lei<strong>de</strong>nschaft<br />

(Max Weber) erbrachte staatsmännische<br />

Leisrungen53, di e allgemein Anerkennung<br />

fin<strong>de</strong>n, ihm einmal a ber auch das<br />

wenig chmeichelh afte Prädikat "Wühler"54<br />

eintragen.<br />

Der dritte Mann<br />

1742 muss er <strong>de</strong>m Pravinzialkommissar<br />

Fürst Ernst Quartier im sicheren Fra nkfurt<br />

besorgen, wohin wegen <strong>de</strong>s Krieges<br />

<strong>de</strong>r (Immerwähren<strong>de</strong>) Reichstag von<br />

Regensburg zeitweilig, bis 1745, verl egt<br />

wird. 4 500 Gu l<strong>de</strong>n legt er <strong>de</strong>m Vermieter<br />

auf <strong>de</strong>n Tisch, auf dass sein adliger<br />

H err ja recht unterkommt: Er, " F.<br />

H o frath Bra ndtner"55. Jetzt, im April<br />

1743 w ird er mit <strong>de</strong>r Aufgabe betraut,<br />

<strong>de</strong>m Fürstenberger bei <strong>de</strong>r Ausha ndlung Erste Seite <strong>de</strong>s Vertrags (HStA München).<br />

<strong>de</strong>s Füssener Frie<strong>de</strong>ns56 beizustehen.<br />

In Fürstenbergs Wo hnung w ird Coll oredo dienstbefli ssen von Brandtner<br />

begrüßt 5 ? Im Konferenzra um selbst sitzt er ihm gegenüber, und erweist sich als ein<br />

sehr aufrichtiger Subunterhändler, <strong>de</strong>r möglicherweise die Ta lleyrand zugeschriebene<br />

M ahnung beachtet: "Surrout pas trap <strong>de</strong> zele!" , ni cht zu viel Eife r zeigt.<br />

Aber auch a ls ein "Subjectum", das unter an<strong>de</strong>rem inkompetent wie sein<br />

Dienstherr und nicht imstan<strong>de</strong> sei, " <strong>de</strong>m sonsten arglisten Sec kendorff genügsa hme<br />

bericht zu erstatten' . Brandtner scheint mehr o<strong>de</strong>r wenige r Luft zu sein für Austrias<br />

Unterhändler, <strong>de</strong>r nur bedauert, dass Fürst Joseph in <strong>de</strong>r bayerisch-kaiserlichen<br />

Delegati on " ni emand zugegeben wor<strong>de</strong>n" sei 58 .<br />

Der Vierte im Bun<strong>de</strong>: Feldmarschall Friedrich von Seckendorff<br />

In Hissen ve rsammeln sich nun " unverweilet: die Bevollmächtigten ... bayerscher<br />

Seits Fü rst von Fürstenberg, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Feldmarscha ll Seckendo rf beygeordnet" ist,<br />

heißt es 1825 59 . Auch zwanzig Jahre später 60 liest man da vo n, <strong>de</strong>r 71-jä hrige " Greis<br />

(sei) <strong>de</strong>m Fürsten als Rathgeber zur Seite gestellt" . ach <strong>de</strong>m Tod Ka iser Karls VII.<br />

soll er zum Frie<strong>de</strong>n von Füssen geraten und diesen abgeschlossen haben, wird 1883<br />

geschrieben 6 1 • och En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19.Jahrhun<strong>de</strong>rts62 wird fes tgestellt, Fürstenberg sei<br />

"von Seckendorff unterstützt" wor<strong>de</strong>n, während 1983 BOSLS Bayeri sche Biographie<br />

63 <strong>de</strong>n Generalfeldmarschallleutnant zum "Leiter <strong>de</strong>r Verhandlungen für <strong>de</strong>n<br />

Frie<strong>de</strong>n von Füssen" beför<strong>de</strong>rt, Fürst Josephs Rolle jedoch nicht erwähnt. D er Hissen<br />

er R EINHoLD BÖHM64 dagegen hält Seckendorff "zweife lsohne ' für "die H auptperson<br />

<strong>de</strong>r ganze n Frie<strong>de</strong>nbemühungen"; er gehö re zu <strong>de</strong>n " hervorragendsten<br />

Persönlichkeiten <strong>de</strong>r 1. H älfte <strong>de</strong>s 18. Jh.", als Kriegsherr und als Diplomat.<br />

23


1745<br />

Man staunt bei genauerem Hin ehen, mit welcher Selbstverständlichkeit <strong>de</strong>r<br />

H au<strong>de</strong>gen und Hofmann immer wie<strong>de</strong>r in kaiserliche Dienste tritt und mit <strong>de</strong>rselben<br />

unmittelbar vorher <strong>de</strong>monstrierten Tatkraft ehrgeizig, stets loya l, aber auch mit<br />

" heiße Ruhmgier"65 für se ine neuen H err chaften ficht.<br />

So mal für Sachsen, di e ie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>/Großbritannien, mal für <strong>de</strong>n Kaiser, dann<br />

für Ansbach/Bayreuth, erneut für <strong>de</strong>n Kaiser, für die ie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>, gemei nsam mit<br />

Sachsen/Polen, für <strong>de</strong>n Kaiser zum dritten, mit Po len, für <strong>de</strong>n Kai er, für Bayreuth<br />

und zuletzt für Kaiserin und Kaiser. Da er ich <strong>de</strong>shalb mit <strong>de</strong>m sei t <strong>de</strong>ssen Kronprinzenzeit<br />

bekannten Friedrich <strong>de</strong>m Großen überwirft, wie Fo TANE66 und B15-<br />

MARCK67 bezeugen, ist verständlich. Ebenso, dass <strong>de</strong>r Nachfolger als bayerischer<br />

Oberbefehlshaber, 19naz Graf von Törring-Jettenbach, von ihm ei nst elbst ausgebootet,<br />

<strong>de</strong>m mittlerweile wie<strong>de</strong>r Kaiserfreund Gewor<strong>de</strong>nen keine Träne nachwei nt.<br />

Einem an<strong>de</strong>ren Soldaten und Diplomaten ähnelt Seckendorff darüber hinaus,<br />

einer Per önlichkei t aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s 30-jährigen Krieges, die öfters mit einem<br />

Ahnen .Maria Annas zu Fürstenberg, Albrecht von Wallenstein, am Verhandlungs<br />

ti sch 68 si tzt: Der Bran<strong>de</strong>nburger Konrad von Burgsdorff 69 ist nicht nur draufgängeri<br />

cher Obrist eines Rei terregiments und Festungskomman<strong>de</strong>ur, son<strong>de</strong>rn<br />

gestaltet später al Mitglied <strong>de</strong>s Geheimen Rates und als Oberkammerherr maßgeblich<br />

die Politik <strong>de</strong>s Großen Kurfürsten mit. Der gewiefte Unterhändler und<br />

Staatsmann70 soll aber fress- und spielsüchtig, agenhaft arroga nt und gewissenlo<br />

sein, dabei selbst überempfindlich. Kein Wun<strong>de</strong>r, dass er e zuletzt mit allen verdirbt<br />

und wohl auf Betreiben <strong>de</strong>r Kurfürstin kurzerhand aus sämtlichen Ämtern verjagt<br />

wird - ein Schock, <strong>de</strong>r ihn vermutlich da Leben kostet.<br />

"Es jauchzet Österreich bei diesem neuen <strong>Band</strong>,<br />

<strong>de</strong>n es mit dir gemacht, beglücktes Bayerland"<br />

Bayern, das so viel Krieg und Blut gesehen habe, frohlocke nun, weil endlich Frie<strong>de</strong><br />

sei . Im Beitext eines Kupferstichs 7 1 klingt Johann ebastian Bachs Weihnachtsoratoriulll<br />

an, als nach zehntägigen Verhandlungen am 22. April 1745 die bei<strong>de</strong>n<br />

feindlichen Nachbarn, die Allerdurchlauchtigste, Großmächtigste Für tin und Frau,<br />

MARlA THERESIA, zu Ungarn und Böheim Königin u.s.f. Erz-Herzogin von<br />

Oesterreich &c. und <strong>de</strong>r Durchlauchtigste Fürst und H err, MAXIMJLlA jOSEPH,<br />

in Ober- und ie<strong>de</strong>r-Bayern ... Chur-Fürst &c.", die Frie<strong>de</strong>nspräliminarien 72 von<br />

j oseph Fürst zu Fürstenberg und Rudo lf Graf von Colloredo unterschreiben lassen.<br />

Außer<strong>de</strong>m könne Europa das "Freu<strong>de</strong>n Lied" singen, das <strong>de</strong>r Maler Johan<br />

Jacob Gei enhoff unter sein Erinnerungsbi ld im Füssener Hohen chloss setzt.<br />

"Hier wurd <strong>de</strong>r Tapferen guelphen haus", reimt er weiter, "mit öesterreich gesöhnet<br />

aus"73, welches <strong>de</strong>s Ereignisses ge<strong>de</strong>nkt, ei ne Silbermünze74 prägt und mit ihrer<br />

Umschrift, <strong>de</strong>m "Erdkrei die Ruhe und <strong>de</strong>m Zeitalter seinen Frie<strong>de</strong>n zu geben"<br />

(DARE ORBI QUIETEM / SECULO PACEM SUO), <strong>de</strong>m Abkommen eine dauerhafte<br />

und globale Be<strong>de</strong>utung verlei ht. 17 H a upt-, zwei Separat- und ein Geheimartikel<br />

umfasst das Vertragswerk 75 , <strong>de</strong>m beim Austausch <strong>de</strong>r Texte am 2. Mai 1745<br />

in alzburg je eine Erklärung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Spitzenunterhändler beigefügt wird.<br />

Zuerst wird Maria Theresia <strong>de</strong>n verstorbenen Kurfürsten Karl Albrecht<br />

nachträglich "als Kayser erkennen". Zweitens akzeptiert <strong>de</strong>r Bayer die weibliche<br />

25


Erbfolge in Österreich und ve rzichtet "für bestä ndig a uf di e damit nicht zu verein ­<br />

ba ren<strong>de</strong>n Rechte". Drittens w ird er bei <strong>de</strong>r künftigen Ka iserwahl für Maria<br />

Theresias Ehema nn, Fra nz Stepha n von Lothringen, stimmen. Bayern bleibt in <strong>de</strong>n<br />

Grenzen von 1741; e bra ucht <strong>de</strong>mnach kein La nd a bzutreten, keine Reparati onskosten<br />

zu bezahl en und kommt so da nk ein em Fürstenberg mit ein em blauen Auge<br />

davon.<br />

Trotz <strong>de</strong> neuen Ba n<strong>de</strong>s mit Österreich ist es aus mit einer Großmachtstellung,<br />

w ie ie das H a us Wittelsbach hin und w ie<strong>de</strong>r angestrebt ha t. Dies be<strong>de</strong>utet ebenso<br />

wenig ein Grund zum Feiern wie die Tatsache, dass Preußen und Frankreich keineswegs<br />

in <strong>de</strong>n Füssener jubel mit einstimmen. Im Gegenteil: Beid e sehen durch di e<br />

Vereinbarung ihre Positi on geschwächt. Der fra nzösische Kö ni g büß t mit Bayern<br />

ein e Plattform ein , von <strong>de</strong>r a u " Reichspolitik" hätte gemacht wer<strong>de</strong>n können, und<br />

Friedrich <strong>de</strong>r Große verli ert ein en wichtigen Pa rtner in <strong>de</strong>r Front gegen H a bsburg.<br />

" Besser ein mittelmäßiger Frie<strong>de</strong> als ein glücklicher Krieg": Was Maria There ia viel<br />

spätel·- 6 schreibt, trifft a uch auf di e Füssener Einigung, a uf di eses Bündnis, zu.<br />

Am dringlichsten ist es zu m Beispiel für M aximilia n 1[1. joseph mit <strong>de</strong>m späteren<br />

Beina men "<strong>de</strong>r Vi elgeliebte"--, einen gra usa men Krieg zu been<strong>de</strong>n-s. Der Frie<strong>de</strong>n<br />

wird durch die Erinnerung an <strong>de</strong>n Krieg ge tiftet; das Letzte, wa bei<strong>de</strong> Län<strong>de</strong>r<br />

im Augenblick bra uchen, ist ein weiterer Konflikt. ach <strong>de</strong>n Schrecken <strong>de</strong>s Krieges<br />

erwa rtet ma n von <strong>de</strong>n FLissener Verha ndlungen zuer t Waffenstillsta nd, da nn die<br />

Sicherung ein es gerechten und be tä ndigen Frie<strong>de</strong>ns.<br />

Gewi ss schweigen die Waffen. Dennoch sind di e Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n<br />

H ä usern Ha bsburg und Fürstenberg ziemlich gestört. Gena uer, die zwi chen M ari a<br />

Theresia und Für t j osephs zweiter Gema hlin M a ri a Anna 79. Die "elen<strong>de</strong> Fürstenberg,<br />

die zwa r ni cht hässlich i t, doch zu viel Rot a ufträgt" SO, schimpft die Kaiserin<br />

176 1/62 in Briefen a n ihre Muhme, die Kurfürstin M a ri a Antonia von Sach en,<br />

jenes "elen<strong>de</strong> Weib" sei eine üble lnrriga ntin. Was ist geschehen?<br />

a ri a Anna hat wohl , die strenge Etikette missachtend, H o fkl atsch möglichst<br />

a us <strong>de</strong>m Wege zu gehen, "nichtswürdige" Bemerkungen über di e ächsische Kurfürstin<br />

gemacht, die M a ri a Theresia zu Ohren kommen. ach <strong>de</strong>r Abka nzelung<br />

erhält Ma ri a Anna Audienzverbot; di ese Lügnerin dürfe sich in \"X1i en ni cht mehr<br />

sehen lassen. Und Fürst Jo eph? Ersta unlicherweise wird er a u <strong>de</strong>r Sache einigermaßen<br />

hera usgeha lten. Für ihn hat die Ka iserin nur Mitleid übrig: mit einem so<br />

"elen<strong>de</strong>n Weib"81 ve rheira tet zu sein ...<br />

Obst-Scharmützel<br />

Gera<strong>de</strong> mal 23 Ja hre nach FLissen fl ammt mit <strong>de</strong>r in Bayern "Karto ffe lkrieg" -<br />

H a uptbeute eien Erdä pfe l gewesen, sagt ma n - o<strong>de</strong>r in Österreich "Z wetschgenrummel"<br />

(" icht einmal ein en Thronfo lger bringen die impotenten Wittelsbacher<br />

zuwege!") genannten Ausein an<strong>de</strong>rsetzung <strong>de</strong>r Streit wie<strong>de</strong>r auf.<br />

Diese M al schielen di e Ha bsburger nach München, um <strong>de</strong>n dortigen Thron<br />

zu besetzen; sie konkurrieren dabei mit <strong>de</strong>n pfälzischen Wittelsbachern , welche di e<br />

besseren Ka rten, da heißt die wasserdichteren Erbve rträge zu ha ben gla uben. 1778<br />

ma r chi eren österreichi sche Truppen in Bayern ein. Das La nd hat ve rhältnismäßig<br />

Glück. Denn di eser Bayerische Erbfo lgekrieg ve rl ä uft so unblutig wie im juni 163 1<br />

26


1745<br />

jener " Kirschenkrieg", <strong>de</strong>m Feld zug <strong>de</strong>s ka iserli chen H eere unter Generalfe ld ­<br />

ze ugmeister Graf Egon von Fürstenberg gegen Württemberg o<strong>de</strong>r Gottlieb Raus<br />

Rottweiler " Zwetschgenfeldzug" nach Balinge n im revolutionären September 1848.<br />

Jetzt will <strong>de</strong>r Preußenköni g Friedrich II., <strong>de</strong>r stets für antihabsburgische Un ­<br />

ternehmungen zu haben i t, ebenso wenig wi e Russland und Frankreich eine mögliche<br />

M achterwei terung Wiens hinnehmen. Am En<strong>de</strong> wird 1779 im Teschener Frie<strong>de</strong>n<br />

die pfä lzische Erbfolge anerkannt; Bayern verliert das Innviertel, unter an<strong>de</strong>rem<br />

mit Braunau, das für kurze Zeit wie<strong>de</strong>r bayeri sch, endgültig dann ha bsburgi eh<br />

und somit österreichischer Geburtsort Ad olf H itl ers wird, <strong>de</strong>ssen Parteigenossen<br />

ihm später mit Mühe eine <strong>de</strong>utsche Staat bürgerschaft zurechtzimmern .<br />

Fried lich stirbt Fürst Joseph fe rn <strong>de</strong>r H eimat. In Wien, <strong>de</strong>r Stadt seines Verhandlungsgegners.<br />

Am 1. M ai 1762 wird er in <strong>de</strong>r Waldsteingruft 82 <strong>de</strong>r dortigen Augustinerkirche<br />

am Jo efsplatz beigesetzt. Wer weiß, ob nicht im ovember 1908,<br />

a ls <strong>de</strong>r dama li ge Fürstenberg und <strong>de</strong>r dama lige Colloredo über die Donaueschinger<br />

Jo ef traße gehen, davon und von <strong>de</strong>r PAX FVESSE SIS <strong>de</strong>s Jahres 1745 di e Re<strong>de</strong><br />

war.<br />

Anschrift <strong>de</strong>s Verfassers:<br />

H ugo Sieferr<br />

Am Skibuckel 2<br />

78628 Rottwe il<br />

Anmerkungen<br />

Fü r freundliche Mithilfe bei <strong>de</strong>r Materi a lbeschaffung<br />

danke ich M a rrhias Tha lma ir (H istorischer<br />

Verein Alt Füssen), Thomas Ri edmiller (Kulrura<br />

mt <strong>de</strong>r Stadt Hissen) und Dr. Andreas Wilts (F.F.<br />

Archiv).<br />

Fürstlich Fii rstenbergisches Archiv Hofverwalrung:<br />

Audienzen, Be uche-<br />

Vol a ll fase. 4; zir. FFA.O<br />

2 EDuARD J OI-l NE ( ] 938): Fürst ] oseph Wilhelm<br />

Ernst zu Fürstenberg - Seine Be<strong>de</strong>utung<br />

für die staatl ic hen und kulturellen Verhältnisse<br />

in <strong>de</strong>n fürstenbergischen Lan<strong>de</strong>n, in:<br />

Badische Heimat - Die Baa ,., Freiburg,<br />

S. 291-'04. - Ein Reichsvizekanzler, <strong>de</strong>r spätere<br />

Koadjutor von Konstanz und Bisrumsverweser<br />

in H il<strong>de</strong>sheim, nä mlich Balthasar<br />

M erklin , ha t 1526 <strong>de</strong>n Do na ue chinger Hof<br />

be uchr; siehe: Heinrich Feurstein ( 1920):<br />

Schriften <strong>de</strong>s Verein für Geschichte und Naturgeschichte<br />

<strong>de</strong>r Baa r, Heft 14, S. 143-136<br />

3 Ba)'H tA, Kurbayern Urk. 9308; zir. Aus<br />

1200 Jahren: Das Ba ye ri sche Hauptstaatsarchi<br />

v zeigr sein e Schätze, Ausstellungskatalog<br />

München 1979, S. 92f.<br />

4 J OHA;-.JN PÖR, BACHfR: 40 Jahre Österreichbayerische<br />

Gesellschaft, in: üd<strong>de</strong>utsche<br />

Zeirung SZ, 16.05.1 995.<br />

5 SZ,08.09.2000.<br />

6 H ERBEIn R IEHL- H EY E, in: SZ 12 .05.200 I.<br />

7 SZ, 13.06 .2005.<br />

8 Am 11. J uli 174 1 vermittelt Unertl über <strong>de</strong>n<br />

"Sohn eines in München ansässigen israe li tischen<br />

Bankiers amens Wol f Wertheimer"<br />

zwischen Bayern und Österreich, nach Alfred<br />

Ritter von Arneth (1863): Maria T here ia's<br />

erste Regierungsjahre, Ba nd .I , Wien, S. 237;<br />

Friedrich Battenberg (2002 ): Ein Hof ju<strong>de</strong> im<br />

Schatten eines Vaters - Wolf Werthei mer<br />

zwischen Wirrelsbach und H absburg, in:<br />

Hof ju<strong>de</strong>n - Ökonomie und Inrerkultura lität,<br />

Hg. Ro tra ud R ies, Ha mburg, S. 240-255.<br />

9 KARL Bo L und H ER.\lAN, SCHREIR:\ tVLLER<br />

(1955): Geschichte Baye rns, Ba nd 11,<br />

München, S. 37.<br />

10 Seit 1727 besteht ein bayerisch-franzö ischer<br />

Vertrag, <strong>de</strong>r 1738 erneuert wird.<br />

I I "Durch <strong>de</strong>n M angel männli cher Nachkommen<br />

scheint es Ilun Gott dafür strafen zu<br />

wollen", Sigmund Ri ezler (19 14 ): Geschichte<br />

Baiern , <strong>Band</strong> 8, Gotha, S. 380.<br />

12 " Au tiefer Seele wünsche ich, dass es<br />

Frie<strong>de</strong>n gibt, isr er doch für Euer Maje rä t<br />

Wohl a b o lm nötig »<br />

.13 Fürstlich Fürstenbergische Archiv: OB I 1 B<br />

27


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Zur Lenkung <strong>de</strong>s Transportwesens<br />

in Kriegs- und Nachkriegszeit<br />

Die Fahrbereitschaften Villingen und Donaueschingen<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 31 - 46<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Joachim StuI111<br />

Der Begriff <strong>de</strong>r "Fahrbereitschaft" bezeichnet an sich einen Wagenpark samt <strong>de</strong>m<br />

dazugehören<strong>de</strong>n Personal für die Dienste <strong>de</strong>r Verwaltung, <strong>de</strong>s Mil itärs o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

W irtscha ft. Neben dieser bis heute unter <strong>de</strong>n Bezeichnungen "persönlicher Fahrer<br />

<strong>de</strong>s ... " o<strong>de</strong>r "öffentlicher Fuhrpark" anzutreffen<strong>de</strong>n Einrichtung firmierte jedoch<br />

bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1940er Jahre ei ne Verwaltungsstelle eigener Art.<br />

Recht hä ufi g stößt man in <strong>de</strong>r Kriegszeit und unmittelbaren Nachkriegsgeschichte<br />

auf diese weitgehend <strong>de</strong>m Vergessen anheim gefallene und durchgängig als<br />

"Fahrbereitschaft " bezeichnete Organi sa ti onsei nheit, di e für Landkreise und Städte<br />

wie auf Anfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Besatzungsbehör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r für ve rsc hleppte Auslän<strong>de</strong>r<br />

("displaced persons", DPs) zuständigen U RRA, danach <strong>de</strong>r OIR/IRO, Personen-<br />

und Warentransporte <strong>de</strong>r unterschiedlichsten Art auszuführen hatte und <strong>de</strong>r<br />

weitere Kompetenzen im Transporrv"esen zugeeignet waren. Ihre Anfänge reichen<br />

dabei zeitlich zurück in di e zweite Hälfte <strong>de</strong>r 1930er Jahre als <strong>de</strong>m Beginn einer<br />

gelenkten und für Kriegsvorbereitungen wie Kriegführung non'v'endigen Bewirtschaftung<br />

a ller Transportkapazitäten.<br />

Die organi satorischen Grundlagen für di e Einrichtung von Fa hrbereitschaften<br />

wur<strong>de</strong>n bereits 1936' nach <strong>de</strong>r fachlichen und beruflichen Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Verkehrsgewerbes<br />

gelegt 1 .<br />

D ie ursprünglich mit Run<strong>de</strong>rl ass vom 31.8.1936 nur im Bereich <strong>de</strong>s Reichsverkehrsministeriums<br />

(RVM) noch ohne ressortübergreifen<strong>de</strong> Befugni s auf <strong>de</strong>r Ebene<br />

<strong>de</strong>s Wehrkrei es eingerichtete Position 3 eines Bevollmächtigten für ahverkehr<br />

(Nb v) wur<strong>de</strong> durch Erlass vo m 2 7.1.1 940 vom RVM in Absprache mit <strong>de</strong>m OKW<br />

erneuert und erweitert, um auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r (Reichs-) Nlittelbehör<strong>de</strong>n eine<br />

adäquate Umsetzung <strong>de</strong>r Verkehr lenkung zu gewä hrleisten. 4 In Karlsruhe na hm<br />

<strong>de</strong>r Bevollmächtigte für ahverkehr in Ba<strong>de</strong>n seinen Sitz, während <strong>de</strong>r bisherige<br />

bv <strong>de</strong>s Wehrkrei es V in StLIttgart zuständ ig für Württemberg wur<strong>de</strong>.<br />

Gleich ze itig wur<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Scbienenverkehr "Bahnbevollmächtigte (Bbv)",<br />

für Wasserstraßen " Wasserstraßenbevollmächtigte (Wbv)" und für die Seeschjffahrt<br />

"Seeschiffahrtsbevollmächtigte (Sbv)" eingesetzt. Der "Nbv" war somit nur Koordinator<br />

eines vo n mehreren Transportbereichen.<br />

Seine Aufgabe war die Vorbereitung <strong>de</strong>r gewerblichen Wirtschaft auf <strong>de</strong>n Mobilisierungsfall<br />

sowie die Be tellung von Fahrbereitschaftsleitern in <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Mobilisierungsbezirken, welche die Deckung <strong>de</strong>s Transportbedarfs <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />

und Zivilbevölkerung im ahverkehr Zll organisieren hatten.';<br />

Zuvor war bereits mit Verfügung <strong>de</strong>s Reichsverkehrsministeri ums (RVM)<br />

vom 13. M ärz 1939 die Organisa ti onsstruktur dahingehend geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n, dass<br />

31


ur Lenkung <strong>de</strong>s Tr<br />

nun Fahrbereitschaften a uf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Landkreise zu bil<strong>de</strong>n waren, wobei di e<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>s Zusammenschlus e mehrerer Landkreise unter <strong>de</strong>r Führung ei nes<br />

geschäftsführen<strong>de</strong>n Landrate gegeben war.<br />

Die Fahrbereitschaften wur<strong>de</strong>n damit in Gruppen zusammengefasst, um im<br />

Einzelfall Anfor<strong>de</strong>rungen zu bewältigen, die über di e Lei rungsbereitschaft einer einze<br />

ln en Fahrbereitschaft bei kreisübergreifen<strong>de</strong>r Verkehrslenkung hina usgingen. 0<br />

gehörte die Fahrbereitschaft Villingen zusammen mit <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>r Landkreise<br />

Freiburg, Emmendingen und eustadt zur Gruppe Freiburg. Die Fahrbereitschaft<br />

Donaue chingen wie<strong>de</strong>rum war Teil <strong>de</strong>r Gruppe Konstanz, zu <strong>de</strong>r a uch die Fahrbereitschaften<br />

<strong>de</strong>r Kreise Konstanz, Überlingen und tockach gehörten.<br />

Die Ausstattung <strong>de</strong>r einzelnen Fahrbereitschaft mit umfas en<strong>de</strong>n Kontrollund<br />

Lenkungsbefugnissen außerhalb <strong>de</strong> militärischen Bereiches war eine Folge <strong>de</strong>r<br />

im Zuge <strong>de</strong>r Su<strong>de</strong>tenkrise und <strong>de</strong>r ersten Kriegserfahrungen 1939 als notwendig<br />

erachteten Zusammenfa sung und Straffung <strong>de</strong>r bwicklung <strong>de</strong>s Personen- und<br />

Güterverkehrs. 6 Dazu gehörte die Sicherstellung von La tkraftwagen und, wenn<br />

notwend ig <strong>de</strong>ren Ein a tz bei Großvorhaben, aber a uch <strong>de</strong>r Einsatz von Personen<br />

und <strong>de</strong>r Einzug von Ersatzteilen. Ge etzliche Ba i für die Heranziehung von<br />

traßenfahrzeugen war dabei das Reich leistungsgesetz von 1939. Keine Verfügung<br />

gewalt besaß die Fahrbereitschaft über das rollen<strong>de</strong> Material von Wehrmacht,<br />

<strong>de</strong>r bewaffneten SS und <strong>de</strong>r Po li ze i.<br />

Die Fahrbereitschaftsleiter entstammten zunächst überwiegend <strong>de</strong>r Führungsebene<br />

<strong>de</strong>s Tra n portgewerbes o<strong>de</strong>r waren oft selb t Eigentümer von Verkehrsunternehmen.<br />

Es waren somit Koordinatoren (mit Weisungsbefugni ) a uf <strong>de</strong>r kommunalen<br />

Verwaltungsebene, <strong>de</strong>ren Aufgabe di e Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s kriegs- und<br />

leben wichtigen Straßenverkehrs war.<br />

Unproblematisch war di e Ernennung von Personen <strong>de</strong>s Verkehrsgewerbe<br />

ni cht. Schon kurz nach Kriegsbegi nn, als man zahlreiche Eingriffe in das pri va te<br />

Tra n portwesen vornahm, erging ein e Fülle von Denunziationen und Verdächtigungen<br />

gegen die Fahrbereitschaftsleiter, <strong>de</strong>nen zumei t grundlos Vorteilsnahme<br />

durch Abzweigung von Betriebsstoffen und Zuteilung von Aufträgen an die eigene<br />

Firma vorgeworfen 'v ur<strong>de</strong>nJ<br />

Die Fahrbereitschaftsleiter erhielten ihre sachlichen Weisungen durch die<br />

jeweiligen territorial zuständigen Bevollmächtigten für ahverkehr. Gehalt und<br />

sächliche usgaben übernahm das Ministerium. Da bei oblag <strong>de</strong>m Landkreis die<br />

Haushalt führung, wobei di e zu tändige Kasse für die Vergütung <strong>de</strong>r Fahrbereitchaft<br />

die Reich wasserstraßen kasse - hi er die Dienststelle Zirkel 8 Karlsruhe - war.<br />

Ab 1. Januar 1943 erhielt <strong>de</strong>r Landrat zur Vergütung <strong>de</strong>r hauptamtlich beim<br />

Landratsamt tätigen Angestellten <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft die Anordnungsbefugnis für<br />

diese Kas e. Bei sächlichen Ausgaben o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Entschädigung ehrenamtlich tätiger<br />

Fahrbereitschaft leiter trat die Kreiskasse in Vorschuss.<br />

UnterZLIbringen war <strong>de</strong>r Fahrber it chaft leiter mit sei nem Büro im Landra tsamt<br />

o<strong>de</strong>r in unmittelbarer ä he. Auch war er <strong>de</strong>r Dienstauf icht <strong>de</strong>s Landrats<br />

unterstellt, ein im Dritten Reich häufig anzutreffen<strong>de</strong>r dualer Befehl weg. Aus di eser<br />

DoppelsteIlung - Fachaufsicht <strong>de</strong> b und Dien tauf icht <strong>de</strong> Landrates - sollte<br />

im Folgen<strong>de</strong>n bis Kriegse n<strong>de</strong> ein e <strong>de</strong>utlich mit Konfliktpotential behaftete Amts-<br />

32


"egszeit<br />

führung entstehen. Die teil weise in <strong>de</strong>r Anfa ngspha e ernannten, an selbständige<br />

Entscheidungen gewohnten Fuhrunternehmer wie später di e oftmals pro blemati ­<br />

schen Charaktere aus <strong>de</strong>m Verwa ltungsdi enst ließen sich äußerst ungern vo n einem<br />

Landrat beaufs ichtigen und es kam gelegentlich zu heftigen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen.<br />

Im September 1940 verfügte das Ministerium eine personelle Verstärkung <strong>de</strong>r<br />

Fahrbereitschaften. Aufgrund <strong>de</strong>r steigen<strong>de</strong>n Aufga benfülle war je<strong>de</strong>m FB-Leiter<br />

weni gsten ein hauptamtlicher Angestellter beizuge ben.8<br />

Auch waren a lle mit Straßenverkehrsaufga ben betra uten Kräfte in diesen<br />

Behör<strong>de</strong>n ebenfa lls räumlich und orga ni satorisch unter <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>r unteren Verwaltungs<br />

behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Stell vertreter zusammenzufassen. Wenngleich so am<br />

En<strong>de</strong> nicht sämtl iche Verkehrsangelegenheiten <strong>de</strong>r Landkreisverwa ltung schließlich<br />

<strong>de</strong>m Fahrbereitschaftsleiter unterstan<strong>de</strong>n, so war durch di e Konzentrierung <strong>de</strong>r Aufga<br />

ben und <strong>de</strong>s Persona l in ein em Bereich doch eine Führung ohne weitere<br />

Abstimmungen möglich. 9<br />

In Donaueschingen beispiel weise w ur<strong>de</strong> ein Teil <strong>de</strong>r Aufga ben zunächst noch<br />

vom Wirtschaftsamt <strong>de</strong>r La ndkreisselbstverwaltung wahrgenommen. Die hi er in<br />

Teil ze it eingesetzte Angestellte hatte seit M itte Juni 1940 Dieselkraftstoff- und Benzinbezugsscheine<br />

auszugeben wie auch für di e Zuteilung von Er atzreifen zu sorgen. 1O<br />

Mit Hilfe zu bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaften und <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>s Landrates<br />

sollten Verkehrsbeziehungen rasch bereinigt und Transportgemeinschaften<br />

überprüft o<strong>de</strong>r wei tere Betriebe zu Tra nsportgemeinscha fren zusammengeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. 11<br />

Z um Ausgleich zwischen <strong>de</strong>n Verkehrsmitteln (Schiene, Straße, Wasserstraße)<br />

w ur<strong>de</strong>n Bezirksverkehr leitungen gebil<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>nen di e Bevollmächtigten für di e einzelnen<br />

Verkehrsarten angehö rten . Die Fahr bereitschaft als Vertreterin <strong>de</strong>s Straßenverkehrs<br />

han<strong>de</strong>lte <strong>de</strong>mnach nur bedingt selbständig und musste innerhalb <strong>de</strong>r Bezirksverkehrsleitung<br />

stets auch di e Zwänge an<strong>de</strong>rer Verkehrsa rten mit berücksichtigen.<br />

Sie war damit nur ein Teilbereich <strong>de</strong>r verwaltungsmäßigen Reorgani sa ti on <strong>de</strong><br />

Verkehr - und Transportwe en unter Kriegsbedingungen. Sie gewann jedoch in <strong>de</strong>n<br />

Landkreisen Villingen und Do na ueschingen, mit einem di e Region wenig a ufschließen<strong>de</strong>n<br />

Schi enennetz und ohne \'Vasserstraßen, ein ni cht zu unterschätzen<strong>de</strong>s<br />

Gewicht bei <strong>de</strong>r Lenkung <strong>de</strong>r Transpo rte.<br />

Wur<strong>de</strong>n di e Fahrbereitschaften D onaueschingen und Villingen zu m einen in<br />

kreisü bergreife n<strong>de</strong> Gruppen fa hrbereitschaften o<strong>de</strong>r Bezirksverkehrsleitungen einbezogen,<br />

so konnten umgekehrt bei Bedarf innerha lb <strong>de</strong>s Kreises Untereinheiten,<br />

sog. "Stützpunkte" errichtet wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Landkreisen Donaueschingen und<br />

Villinge n scheint di es vor Kriegsen<strong>de</strong> jedoch nicht mehr <strong>de</strong>r Fa ll gewesen zu sein.<br />

Die Verschärfung <strong>de</strong>s Krieges bewirkte einen erneuten Aufga ben- und VerfLi ­<br />

gungszuwachs. Hierzu wur<strong>de</strong>n die Fa hrbereitschaftsleiter a ls Tran portbea ufrragte<br />

unter an<strong>de</strong>rem durch das Rüstungs kommando Villingen/Freiburg über die otwendigkeiten<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Transportbedürfnisse <strong>de</strong>r Rüsrungsindustrie in <strong>de</strong>n<br />

Kre isen instrui ert und zu d iesem Zweck im Laufe <strong>de</strong>s Monats März 1943 in die<br />

Industri e- und H an<strong>de</strong>lskammern in Freiburg o<strong>de</strong>r Konstanz einbestellt, wo ihnen<br />

di e umgehen<strong>de</strong> Einrichtung eines otstandsfahrdienstes bei Rüsrungsbetrieben a uferlegt<br />

wur<strong>de</strong>. 12<br />

33


Anfang 1944 wur<strong>de</strong> die Anordnungs-, d.h. M achtbefu gni s <strong>de</strong>s Bevo ll mächtigten<br />

für <strong>de</strong>n a hverkehr ( bv) - noch einmal beträchtlich erweitert, wa ich wie<strong>de</strong>rum<br />

in erweiterten Befugni en <strong>de</strong>r Fahrbereitscha ftsleiter ni e<strong>de</strong>rschlug. 13<br />

Gegenüber <strong>de</strong>r gewerbl.ichen Wirtscha ft konnten nun Tra nsporte verboten o<strong>de</strong>r für<br />

ihre Durchfü hrung bestimmte Verkehr wege vorgeschrieben wer<strong>de</strong>n. Transporte<br />

konnten a uf a n<strong>de</strong>re Verkehrsmittel ve rl agert und Anordnungen zur <strong>de</strong>ren Auslastung<br />

auf <strong>de</strong>r Straße getroffen wer<strong>de</strong>n. Wie weit <strong>de</strong>r Einsatz im Einzelfa ll dabei gehen<br />

und sich mit <strong>de</strong>n Unrecht - und Gewaltmaßnahmen auch eines Reichsfiihrer<br />

SS und <strong>de</strong>ssen Ämtern ve rbin<strong>de</strong>n konnte, zeigt bei pielswei e die Anordnung <strong>de</strong>s<br />

Nbv für Salzburg, im do rtigen Kreis Omnibu se und LKWs für die blitzartig durchgeführt<br />

K[ ä rnten-] Aktion zur Deporta ti o n (April] 944) von Angehörigen slowenischer<br />

Pa rti anen und Sympathisanten zur Verfügung zu stell en. Auch Katastrophen<br />

insätze nach Bombena ngriffen in Großstädten o<strong>de</strong>r di e Rä umung von Bahnhö<br />

fen fi elen in <strong>de</strong>n Aufgabenbereich <strong>de</strong>r Fahrbereitscha ft.<br />

Geschmälert wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Handlungsspielraum und di e Effizienz jedoch d urch<br />

<strong>de</strong>n immer mehr zunehmen<strong>de</strong>n Kompetenzwirrwa rr und <strong>de</strong>n Versuch <strong>de</strong>r Aus<strong>de</strong>hnung<br />

<strong>de</strong>s eigenen Machtbereiches von Pa rtei- und Verwaltungsstell en. So zerfiel di e<br />

relativ schwache Stellung <strong>de</strong> bv bereits gegen En<strong>de</strong> 1944 unter <strong>de</strong>m Zugriff auf<br />

<strong>de</strong>ssen Tra n po rtmittel o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Vorenthaltung. Die Anweisung von Gauleiter<br />

Robert Wagner En<strong>de</strong> Okto ber ·' 944, im innerö rtlichen Verkehr <strong>de</strong>r Städte und<br />

Gemein<strong>de</strong>n a uf kraft toffbetriebene Tra nsportmittel zu ve rzi chten und diese <strong>de</strong>m<br />

bv zur Verfü gung zu stellen 14, war a ugenscheinlich die Bemäntelung eigener 1nteressen,<br />

befa hl er di esem doch kurz darauf in se in er Eigenschaft als Reichsverteidigungsko<br />

mmissar, ihm LKW für Schanzarbeiten zur Verfügung zu stell en.<br />

Während<strong>de</strong>ssen grün<strong>de</strong>te das Rü tungskommando für d ie Rückverlagerung von<br />

Fir men aus <strong>de</strong>m Elsass einen eigenen Tra nsportstab iS, über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Nbv nicht verfü<br />

gen konnte. Di eser <strong>de</strong>n ati o na lsozia lismus kennzeichnen<strong>de</strong> Polykratismus wan<strong>de</strong>lte<br />

sich a uf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>s Krei e Villingen zum Kriegsen<strong>de</strong> hin in ein unkoordiniertes<br />

sel bständiges H a n<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r a m a hverkehr Beteiligten. Man überging di e<br />

Kompetenzen <strong>de</strong>r Fahrbereit chaft und na hm a uch a uf <strong>de</strong>ren Weisungen keine<br />

Rücksicht mehr. Sowohl die Kreisleitung a ls a uch die großen Rüstungsfirmen wie<br />

Kienzle und ABA organisierten ihre Tra n porte eigenstä ndig und o hne Absprache.<br />

Damit w ur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r Fa hrbereitscha ften a uf ein gelenktes Transportwesen<br />

zum Kriegsen<strong>de</strong> hin immer stä rker a usgehöhlt und zurückgedrä ngt.<br />

Was das Personal <strong>de</strong>r Fahrbereitschaften Vi ll ingen und Dona ueschingen<br />

betraf, so wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anspruch, Personen aus <strong>de</strong>r freien Tra nsportwirtschaft ins Amt<br />

zu berufen, nur teilwei e erfüllt und kriegsbedingt zunichte gemacht. Eingesetzt in<br />

di e Leitung wur<strong>de</strong>n zuletzt nicht zum Kriegsdi enst gezogene, eher fachfrem<strong>de</strong> ältere<br />

Per onen mit, wie im Fa lle eine Villinger Leiters, zuweilen zweifelhafter und<br />

bewegter Vergangenheit.<br />

Kennzeichnend für diejenigen Leiter, di e nicht a us <strong>de</strong>m engeren Ra um sta mmten,<br />

i t zugleich ein beruflich unstete Vorleben, wie man e a uch a uf <strong>de</strong>r mittleren<br />

Verwaltungsebene <strong>de</strong>r in d n Kreisen befi ndlichen Umsiedlerl ager <strong>de</strong>r Volks<strong>de</strong>utschen<br />

Mittelstelle feststell en ka nn, welche a uf da gleiche Rekrutierungspotential<br />

zurückgreifen mussten.<br />

34


- und N chkriegsz it<br />

Leiter <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft <strong>de</strong>s Mobilisierungsbezirkes 25 Triberg (Krei e Dona<br />

ue chingen, eustadt und Villingen) wur<strong>de</strong> 1938 Josef H irt, Di rektor <strong>de</strong>r Firma<br />

Speditio ns-AG vormals Seegmüller & e ie. in Triberg mit Büro in <strong>de</strong>r Gerwigstr. 16 .<br />

Er blieb zunächst FB-Leiter <strong>de</strong>s Landkreises Villingen nach <strong>de</strong>r Reorga nisati on 1940.<br />

Ihm wur<strong>de</strong> a b 25. Juli] 942 <strong>de</strong>r gebürtige Lö rracher Albert M eier l 6 zur Seite<br />

gestellt, <strong>de</strong>r gleich darauf, Anfa ng Augu t, Hirt a blöste und bis zum Kriegsen<strong>de</strong> (?)<br />

Leiter <strong>de</strong>r Fa hrbereitschaft in Villingen blieb.<br />

Der Dona uescbinger Fahrbereitscba ft l 7 sta nd bis zu m 5 . April 1945 <strong>de</strong>r noch<br />

a m 5.7.1 939 vom bv in St un gart a uf Vorsc blag <strong>de</strong>s Donaue chinger Landrates<br />

verpfli chtete Kohlenhä ndler Albin Meister l 8 vor. Er w ur<strong>de</strong>, nach<strong>de</strong>m seine Gesundheit<br />

a ufg rund <strong>de</strong>s pausenl osen Einsatzes star k a ngegriffe n war l 9 , Anfa ng Apr il<br />

1945 durch Fahrbereitschaftsleiter Häffn er 20 ersetzt, <strong>de</strong>r zuvor a m Landratsamt<br />

Gebweil er im besetzten Elsaß, dann kurzfri stig an <strong>de</strong>m schon vom Einma rsch <strong>de</strong>r<br />

Am eri kaner bedrohten Landratsamt Buchen/O<strong>de</strong>nwald in gleicher Eigenschaft tätig<br />

gewesen wa r.<br />

In M eiers Villinger Dienststelle, die bis Kriegsen<strong>de</strong> ein ka um 25 qm großes<br />

Büro in <strong>de</strong>r ie<strong>de</strong>ren Straße besetzt hielt, arbeitete die Stenotypistin Elfrie<strong>de</strong> S. als<br />

eine bi s zum 15 . Oktober 1942 vom G üternahverkehrsbea uftragten in Karlsruhe<br />

zugewiesene Hilfskraft. 1 ach <strong>de</strong>ren Abzug und <strong>de</strong>m kra nkheitsbedingten Ausfa ll<br />

einer Bewerberin a us H ornberg hoffte man erfo lglos auf eine Kraft <strong>de</strong>s nach Freiburg<br />

verlegten Rüstungskomma ndo Villingen.<br />

Die fü r Villingen da nn ei ntre ten<strong>de</strong> Personalsitua tion unterhalb <strong>de</strong>r Leitungsebene<br />

mag zwar beson<strong>de</strong>re Gegebenheiten wi<strong>de</strong>rspiegeln, sie ist zugleich jedocb<br />

sympromati sch für die Personalpro bleme di eser O rga ni sa ti onseinheit bei bereits<br />

<strong>de</strong>utlich fühlbarem M angel an geeigneten Hilfs kräften mit Verwaltungsausbildung<br />

o<strong>de</strong>r -erfa hrung.<br />

Die von Meier da nn - wohl aus d u persönlichen Grün<strong>de</strong>n - vorgeschlagene<br />

und eingestellte Sekretari atskra ft erwies sich nach wenigen Wochen als eine Saarbrücker<br />

Ba rda me ohne Schreibmaschinen- und Stenokenntnisse und unfähig o<strong>de</strong>r<br />

un willig, di ese zu erl ernen. 2 1 ach <strong>de</strong>ren Kündigung kam es in <strong>de</strong>r Fo lge bis En<strong>de</strong><br />

Oktober 1943 zu kurzfristigen Anstellungen, da di e mit ein em D a ueranstellungsvertrag<br />

versehene Sc hreibkraft sogleich ihren Resturlaub na hm, an <strong>de</strong>n sich ein<br />

lä ngerer H eira tsurla ub a nschl o .22<br />

Bi s 1. März 1944 half schließlich di e An gestellte Elfri e<strong>de</strong> F. Sie wur<strong>de</strong> von<br />

ein er 20jä hrigen Aushilfsa ngestellten ersetzt, die bis da hin bei <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger Firma<br />

<strong>de</strong>r Gebrü<strong>de</strong>r Schwa benl and gearbeitet hatte. Nach<strong>de</strong>m diese zu Jahresbeginn<br />

194 5 einem Rüstungsbetrieb zugewiesen w ur<strong>de</strong> 23 , erhielt die Abteilung im Januar<br />

zwei Verwaltungskräfte a us <strong>de</strong>r seit ovember 1944 nach Ka rlsruhe und da nn nach<br />

Sinsheim ve rl agerten Dienststelle <strong>de</strong> vb im Elsass a us Strassburg. Damit war über<br />

di e ga nze Zeit <strong>de</strong>s Besrehens die Villinger Fa hr bereitschaft mit min<strong>de</strong>stens einem<br />

Leiter und zwei Verwa ltungskräften besetzt.<br />

Das D ona ueschinger Per onal <strong>de</strong>r Angestellten und Sekretärinnen lässt ich<br />

a ufg rund <strong>de</strong>s Aktenverlustes d urch Bombenvo ll rreffer und weitgehen<strong>de</strong>r Zerstö<br />

rung <strong>de</strong>s alten Bezirksamtsgebäu<strong>de</strong> am 22. Februar 194 5 so gut wie nicht mehr<br />

rekonstruieren.<br />

-___________________________________________________________________ _____ _<br />

35


Die FB-Leiter als Son<strong>de</strong>rgewalten im Nationalsozialismus<br />

Nach seiner Funktio n und Stellung zählt <strong>de</strong>r einer Fa hrbereitschaft vorstehen<strong>de</strong><br />

Fahrbereitschaftslei ter zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rgewalten <strong>de</strong>r na ti onalsozia li tischen Diktatur.<br />

Dem Typus nach steht er in <strong>de</strong>r Reih e <strong>de</strong>r Kl ein- und Kl einstkommis a re 24 • Zwar<br />

blieb <strong>de</strong>r Fa hrbereit cha ft leiter im Gegensatz zu <strong>de</strong>n hera usragen<strong>de</strong>n So n<strong>de</strong>rgewalten<br />

25 wegen seines um fa ngmäßig geringeren Auftrages a n ein e Verwaltung gebun<strong>de</strong>n,<br />

doch hatte er ressortübergreifen<strong>de</strong>, reglementieren<strong>de</strong> und k oordinieren<strong>de</strong><br />

ufga ben mit Einbezug von Behö r<strong>de</strong>n und priva ten Unternehmen. Wie bei a llen<br />

Son<strong>de</strong>rk o mmissaren war ein e Ha upta ufga be di e Verteilung kna pper Güter, hi er <strong>de</strong>r<br />

beschränkten Tra nspo rtka pazitäten.<br />

Auch die fü r a lle Son<strong>de</strong>rkommissa re fes tstellba re Ten<strong>de</strong>nz zur Bü rokrati sierung<br />

und In titutio na lisierung lässt ich bei <strong>de</strong>n Fa hrbereitschaft leitern erkennen,<br />

wenngleich sie erst nach Kriegsen<strong>de</strong> und in a n<strong>de</strong>rem Rahmen gefe tigt w ur<strong>de</strong>.<br />

Scho n ba ld nach ihrer Einsetzung w ur<strong>de</strong>n sie in <strong>de</strong>n Kreisbehör<strong>de</strong>n durch zuzuwei<br />

en<strong>de</strong> Büro rä ume in <strong>de</strong>r ä he <strong>de</strong>r La ndräte rä umlich a n di e Ver waltung<br />

gebun<strong>de</strong>n. uch durch die ihnen zugewie enen Hilfskräfte a us <strong>de</strong>r Verwaltung und<br />

von di eser be o ld et geri eten ie in titutio nell immer stä rker zu einem Teil <strong>de</strong>r Kreisve<br />

rwaltung. Da über sie zu<strong>de</strong>m in verwaltungstechnischer Hinsicht kein e Kl agen aktenkundig<br />

wur<strong>de</strong>n ist davon a uszugehen, dass sie durch ein rasch erworbenes M in<strong>de</strong>stmaß<br />

a n bü rokratischem Proze<strong>de</strong>re sich in di e Verwaltung einpa sen konnten<br />

und von dieser a kzeptiert wur<strong>de</strong>n.<br />

icht fes tstellba r hingegen im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Son<strong>de</strong>rkommissaren sind<br />

bei <strong>de</strong>n FB-Leitern a uf Kreisebene Persona lunio nen, d.h. eine Verbindung von staatlicher<br />

und politischer Au torität durch di e Au übung inhaltlich ä hnlicher Funktio nen<br />

in Pa rtei und Verwaltung. Dies geri et ihnen insbeson<strong>de</strong>re gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong> Krieges<br />

zum achteil , a ls sie bei konkurrieren<strong>de</strong>n Zuständigkeiten und unter <strong>de</strong>m Einfluss<br />

ze ntrifuga ler Kräfte ih re nweisungen schlichtweg igno ri ert sahen.<br />

Wie bei a llen So n<strong>de</strong>rgewalten, so ka m a uch bei <strong>de</strong>n FB-Leitern <strong>de</strong>n Kraft- und<br />

Beziehungsverhä ltni sen a uf <strong>de</strong>r Ebene ihres unmittelba ren Wirkens m ehr Be<strong>de</strong>utung<br />

zu a ls <strong>de</strong>r normati ve n Kra ft <strong>de</strong>r reich sweit gültigen Gesetze und A usführungsbestimmungen.<br />

Als Kno ten in ein em etz a us unterschi edlichen Behör<strong>de</strong>n<br />

und Institutio nen von Pa rtei, Staat und Wirtschaft w ur<strong>de</strong>n sie von <strong>de</strong>ren Ko nflikten<br />

unmittelbar in M itleid enscha ft gezogen o<strong>de</strong>r konnten, wenn Per önlichkeit und<br />

Um tä n<strong>de</strong> es zuließen, diese neutra li ieren. In gesamt jedoch cheint es, dass die a us<br />

kl ein eren Unternehmen <strong>de</strong>s lo ka len Tra nspo rtgewerbe o<strong>de</strong>r a us nie<strong>de</strong>ren Verwaltungsrä<br />

ngen Sta mmen<strong>de</strong>n keinen Rückhalt besaßen und sich da her im Versuch <strong>de</strong>r<br />

Erfüllung <strong>de</strong>r Vo rga ben a ufrieben. Dies zumin<strong>de</strong>st könnte ma n a uch a us <strong>de</strong>r Äußerung<br />

<strong>de</strong>s Do na ueschinger Landra tes über di e Erschöpfung <strong>de</strong>s do rtigen FB-Leiters<br />

zu Kriegsen<strong>de</strong> schließen. 26<br />

licht übersehen wer<strong>de</strong>n ollte jedoch, da s die Verwaltungsstelle Fa hrbereitsc<br />

haft ein e regiona le Keim zelle <strong>de</strong>r Fo rm mo<strong>de</strong>rnen Verwaltungshan<strong>de</strong>lns da rstellte,<br />

in <strong>de</strong>r mittels Gremien und Arbeits-, Pro jekt- o<strong>de</strong>r [nteres engruppen nach ko nsen<br />

fä hi gem Intere sena usgleich gesucht w ur<strong>de</strong>. Hier voll zogen sich im Hinblick a Llf<br />

<strong>de</strong>n Ein satz <strong>de</strong>r noch betriebsbereiten Tra nsportfa hrzeuge stä ndig Ausha ndlungsprozesse,<br />

in <strong>de</strong>nen Interes en a bgewogen und unterschi edliche Perspekti ven berück-<br />

36


sichtigt wer<strong>de</strong>n mussten. Di e Fa hrbereitschaft a ls Koordinierungsgremium a uf <strong>de</strong>r<br />

unteren Verwaltungsebene <strong>de</strong>s Kreises half dabei, das " höheren Orts angerichtete<br />

poly kratische Chaos"27 zu kompensieren. Theoreti sch besaß <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft<br />

von Anfang an die Möglichkeit, als zentra le Person in einem info rmellen<br />

wie institutionellen Kreis von Mitakteuren eine Feinsteuerung zu bewirken, wi e<br />

sie heute in <strong>de</strong>r Verwaltung weitgehend praktiziert wird.<br />

Dass di ese in <strong>de</strong>r Praxis vor allem mit Fortdauer <strong>de</strong>s Krieges weitgehend misslang,<br />

lag an <strong>de</strong>n sich rapi<strong>de</strong> verschlechtern<strong>de</strong>n Rahmenbedingungen.<br />

Was die FB-Leiter von <strong>de</strong>m Großteil <strong>de</strong>r übrigen Son<strong>de</strong>rkommissare unterschied<br />

war, dass sie keine Verzahnung von Partei und Staat im Sinne von Ämterkombinationen<br />

auf <strong>de</strong>r untersten Ebene repräsentierten. Da sie allein mit Aufgaben<br />

betraut waren, die im Rahmen <strong>de</strong>r Kreisverwaltung a bgewickelt wur<strong>de</strong>n und ihnen<br />

keine weiteren, ähnlichen Arbeitsfel<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kreisleitung zu gewiesen waren, fehlten<br />

ihnen zum effizienten Han<strong>de</strong>ln die Spielräume an<strong>de</strong>rer Son<strong>de</strong>rkommissare. Stets<br />

mussten sie Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Partei und <strong>de</strong>r Wirtschaft fürchten, da sie diese<br />

nicht mit genügend Autorität lösen konnten. Je<strong>de</strong>s Ringen um Ausgleich barg di e<br />

Gefahr, dass man ihre Interessen missachtete. So gerieten sie vor allem zunehmend<br />

gegen Kriegsen<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n für a lle Verwaltungseinheiten <strong>de</strong>s Dritten Reiches " nachgera<strong>de</strong><br />

typischen Konflikt um die Verfügungsgewalt über knappe Ressourcen "28.<br />

Die Fahrbereitschaft <strong>de</strong>r Nachkriegszeit 1945-1949:<br />

eine Abteilung <strong>de</strong>r Not<br />

Mit <strong>de</strong>m Verschwin<strong>de</strong>n von ParteisteIlen und Rüstungs bürokratie fand sich di e<br />

Fa hrbereitsc haft nach <strong>de</strong>r Besetzung als alleinige Koo rdinierungsstelle a uf Kreisebene<br />

wie<strong>de</strong>r und gewann vor a llem im Hinblick auf di e Auslastung <strong>de</strong>r übrig gebliebenen<br />

Transportmittel eine neue Weihe. Unmittelbar nach <strong>de</strong>m Zusammenbruch<br />

fo rtgeführt, zog sie ihre Daseins- und Tätigkeitsberechtigung weitgehend aus jenen<br />

Schwierigkeiten und Mängeln, die <strong>de</strong>r Krieg bewirkt hatte. Das fa st vollständige<br />

Fehlen vo n Transportmitteln, bedingt durch Zerstörung, Treibstoff- und Ersatzteilmangel,<br />

verl angte weiterhin nach einer lenken<strong>de</strong>n Zusammenfassung <strong>de</strong>r noch<br />

vorhan<strong>de</strong>nen Kapazitäten und die Inanspruchnahme privater Fahrzeuge.<br />

Zunächst wur<strong>de</strong> di e Institution unter ihrem herkömmlichen Namen "Fahrbereitschaft<br />

" weitergeführt, bis sie im Zuge <strong>de</strong>s euaufbaues <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverwaltung<br />

die Bezeichnung "Straßenverkehrsleitung" erhielt bzw. in di ese neu entstan<strong>de</strong>ne<br />

Verwaltungseinheit, aus <strong>de</strong>r später das Straßenverkehrsamt <strong>de</strong>s Landratsa mtes<br />

hervorging, integriert wur<strong>de</strong>.<br />

Die Fahrbereitschaften wie di e Gruppenfahrbereit chaften unterstan<strong>de</strong>n bis<br />

Jahres beginn 1946 zunächst <strong>de</strong>m regiona l zuständigen Lan<strong>de</strong>skommissariat Konstanz,<br />

dann <strong>de</strong>m bei <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung in Freiburg angesie<strong>de</strong>lten Bevollmächtigten<br />

für abverkehr für Süd ba<strong>de</strong>n, ab Dezember] 946 unter <strong>de</strong>r Oberaufsicht <strong>de</strong>s<br />

neu geschaffenen Staatskommissariates für Post und Ei enbahn (Verkehr), das von<br />

<strong>de</strong>m St.Georgen-Peterzelier Un ternehmer JohannWeisser geleitet wur<strong>de</strong>. 29<br />

Die a llein schon durch di e Namensgebung a n <strong>de</strong>n Bevollmächtigen für <strong>de</strong>n<br />

ahverkehr N bv vor 1945 anknüpfen<strong>de</strong> vorgesetzte Dienststelle litt a llerdings<br />

unter Anlaufschwierigkeiten. Da sie ihre Tätigkeit noch vor <strong>de</strong>r Veröffentlichung<br />

37


in Kriegs-<br />

behalten, di e Einnahmen aus Transportauftragsgebühren mussten mit <strong>de</strong>m Land<br />

hälftig geteilt wer<strong>de</strong>n. Erlöse aus <strong>de</strong>m Verkauf herrenl oser, zum amtlich ge chätzten<br />

Wert ve rkaufter Fahrze uge gingen vollständig an das LandY<br />

Selb t für die Veräußerung an<strong>de</strong>rer Fortbewegungsmitrel a uf Rä<strong>de</strong>rn außer<br />

Kraftfahrze ugen war die Kreisstraßenve rkehrsleitung zuständig. So wur<strong>de</strong> beispielsweise<br />

<strong>de</strong>m Gendarmerieposten Blumberg ein Fahrrad ve rka uft, welches von<br />

<strong>de</strong>r Wehrmacht aufgege ben und im Amt stehen geblieben war. 38<br />

Fahrbereitschaftsleiter für Donaueschingen spätestens eit September 1945<br />

war Leopold Merz 39 , <strong>de</strong>r im Oktober durch Regierungsoberinspektor Bartholomäus<br />

Kirma ier40 (Landratsamt) a bgelöst wur<strong>de</strong>. Im Sekretariat verblieben die<br />

noch kurz vor Kriegsen<strong>de</strong> 1945 zugewiesenen Schreibkrä fte.<br />

Fa hrbereitschaftsleiter in Villingen war zunächst <strong>de</strong>r Angestellte <strong>de</strong>s Landratsamtes<br />

Ka r! Krachenfels 41 , <strong>de</strong>m ab En<strong>de</strong> August 1945 ei n bereits En<strong>de</strong> Februar 1946<br />

wie<strong>de</strong>r (a nscheinend wegen Kassenunregelmäßigkeiten und ni cht erl a ubtem Besitz<br />

eine privaten PKW) fristl os entlassener Kfz-Ingeni eu[42 als technischer Leiter bei ­<br />

gegeben wur<strong>de</strong>. Unterstützung erhi elt di e Abteil ung von einer Schreibkraft.<br />

Damit blieb auch die Fahrbereitschaft Villingen weitgehend in <strong>de</strong>r H and von<br />

Personen mit Verwaltungspraxis, wie sich di es bereits im Laufe <strong>de</strong>s Kriege abgezeichnet<br />

hatte.<br />

Jetzt wur<strong>de</strong> auch die vor Kriegsen<strong>de</strong> bei Bedarf mögliche Errichtung von<br />

Stützpunkten innerhalb <strong>de</strong>s Krei gebiete verwirklicht. Am 18.03.1 946 entstand in<br />

Furtwangen ein Stützpunkt, <strong>de</strong>ssen Leitung man <strong>de</strong>m Bü rgermeister übertrug, <strong>de</strong>r<br />

ich <strong>de</strong>r Mithilfe <strong>de</strong>s städtischen Angestellten Pa ul Kreuzer bediente. 43<br />

Die Fahrbereitschaften als Teil <strong>de</strong>r Kreisstraßenve rkehr ämter wur<strong>de</strong>n am<br />

1. April 1947 <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sstraßenve rkehr leiter unterstellt und verstaatlicht. 44 Dieser<br />

selbst wur<strong>de</strong> nun <strong>de</strong>m neu ge bil<strong>de</strong>ten Straßenverkehrsamt Land Ba<strong>de</strong>n im Staatskommis<br />

ariat für Verkehr eingeglie<strong>de</strong>rt. Damit hatte di e Fahrbereitschaft als Einrichtung<br />

<strong>de</strong>r Landkreisselbstverwaltung a ufgehört zu bestehen.<br />

Zusammen mit <strong>de</strong>m Kreisstraßenverkehrsa mt wur<strong>de</strong> schließlich auch die<br />

Fahrberei tschaft zum 1. Juli 1949 aufge löst. Verbleiben<strong>de</strong> Aufgaben, insbeson<strong>de</strong>re<br />

die Treibstoffabgabe, überna hm nun di e (staatliche) Verkehr abteilung <strong>de</strong>s Landrat<br />

amtes 4 - nach <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r neu gegrün<strong>de</strong>ten Bun<strong>de</strong>srepubli k.<br />

Letzte Aufgabe: Verwaltung <strong>de</strong>r Not und <strong>de</strong>s Hinterlassenen<br />

ach <strong>de</strong>m Zusammenbruch gewannen di e Fahrbereitschaften vo n Donaueschingen<br />

und Villingen noch einmal an Be<strong>de</strong>utung, als <strong>de</strong>r bis etwa Mitte April 1945 trotz<br />

größter Beeinträchtigungen durch Bombardierung und Be chuss a ufrecht erha ltene<br />

Schienen verkehr zunächst völli g zum Erli egen kam.<br />

Erst im Juni 1945 wur<strong>de</strong> die Bahnstrecke Dona ueschingen-Freiburg wie<strong>de</strong>r<br />

eröffnet. Die Reich bahn konnte nach Reparatur <strong>de</strong>r Tunnels im Bereich Triberg auf<br />

<strong>de</strong>r Schwarzwaldbahn am 30. Juni ein gleisig <strong>de</strong>n Betrieb wie<strong>de</strong>r aufnehmen.46 Der<br />

erste Zug <strong>de</strong>r Bregta lbahn nach Furtwangen fuhr am 12. Juli 1945, jedoch wegen<br />

<strong>de</strong>r knappen Ko hl enzuteilung mit nur einem Zugpaar. We<strong>de</strong>r nach H ä ufigkeit noch<br />

Kapazität ko nnten di e Bahnen die Bedürfnisse <strong>de</strong>r Bevölkerung befriedigen. Es war<br />

prakri sch unmöglich, mit einem weitgehend vernichteten Bestand an rollen<strong>de</strong>m<br />

39


M a teri a l, <strong>de</strong>r zu<strong>de</strong>m noch <strong>de</strong>m französischen Militä r und <strong>de</strong>n anla ufen<strong>de</strong>n Repatriierungen<br />

<strong>de</strong>r Z wang arbeiter zu dienen hatte, a uch die dringendste Jachfrage<br />

nach Fahrten zu befri edigen.<br />

Die FB-Leiter achteten bei <strong>de</strong>m großen Fa hrzeugmangel da rauf, das keine<br />

Leerfahrten <strong>de</strong>s LKW-Güter ve rkehrs entstan<strong>de</strong>n und regelmäßig auch wegen <strong>de</strong>r<br />

nicht mehr exi tieren<strong>de</strong>n fa hrplanmäßigen Busse Personen mitgenommen wur<strong>de</strong>n.<br />

Die Wi e<strong>de</strong>reröffnung <strong>de</strong>r alten Bu linien ließ a m lä ngsten a uf sich warten, da<br />

Jeufa hrzeuge und Ersa tzteile noch bis fast zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ja hrzehnts ein knappes<br />

G ut blieben. Pri vatunternehmer a uf eigene Rechnung ga b es nur sehr weni ge, und<br />

di e Post musste Pri oritäten bei <strong>de</strong>r Bedi enung <strong>de</strong>r Linien im La nd setzen.<br />

Zwa r hatte di e Besatzungs behö rd e bereits im Dezember 1945 di e Wie<strong>de</strong>rerö<br />

ffnung von Kra fto mnibuslinien a ngemahnt, doch konnte a ufgrund Fa hrze ugund<br />

Reifenma ngels im Bereich <strong>de</strong>r Post erst am 4.4.1946 die Linie Dona ue chingen-Blumberg<br />

47 wie<strong>de</strong>r in Betrieb genommen wer<strong>de</strong>n. Fast zwei Jahre spä ter, En<strong>de</strong><br />

1948 fo lgte di e 0 tbaa rlinie nach Öfingen 48 , 19<strong>51</strong> schließlich die frühere Linie nach<br />

Bonndo rf. 49 Zuvor, a m 2.6. J 949 wa r <strong>de</strong>r Linienverkehr Dona ueschingen-Schwenningen<br />

wie<strong>de</strong>r a ufge nommen wor<strong>de</strong>n.<br />

Der Fahrbereitschaft fi el damit di e Aufgabe zu, Pa ra llel- und Ersa tzverkehre<br />

zu m Personen- wie \"XIa rentra nsport zu o rga ni sieren und zu leiten.<br />

Angesicht <strong>de</strong>s na hezu völligen Fehlens a n einsatzbereiten Kraftfahrze ugen<br />

und insbeson<strong>de</strong>re Lastwagen und Bussen hatten die Krei straßenverkehrsleiter in<br />

Dona ueschingen und Villingen wie ihre Ko llegen in <strong>de</strong>n übrigen 19 Stadt- und La ndkreisen<br />

ein e fa t unlö bare Aufga be.<br />

Was an Fahrzeugen vorha n<strong>de</strong>n war, glich eher einem Schrottpla tz <strong>de</strong>nn einem<br />

lei tungsfä higen Wagenpa rk. och a m 1. November 1946 zä hlte man in üdba<strong>de</strong>n<br />

nur 4616 Lastkraftwagen, wovon rund 2000 infolge mangeln<strong>de</strong>r Reifen o<strong>de</strong>r<br />

Ersa tzteile ni cht ein atzfähig waren. Dem angeno mmenen Beda rf a n 3.000 LKW<br />

sta n<strong>de</strong>n 11 0 zugelas ene eufahrze uge gegenüber. so<br />

ach <strong>de</strong>m Einma r ch <strong>de</strong>r französischen Truppen hatten darüber hina us die<br />

befreiten Kriegsgefangenen binnen kürzester Zeit mit <strong>de</strong>r Suche nach Fortbewegungsmitteln<br />

begonnen. ]n <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>r wil<strong>de</strong>n elbstrepatriierung S I ab <strong>de</strong>m 23.<br />

April griffen vor a llem Franzosen und H o ll ä n<strong>de</strong>r nach PKWs und Lastkra ftwagen,<br />

die, wenn sie nicht fahrbereit wa ren, sich leicht wie<strong>de</strong>r in Sta nd setzen liessen.<br />

So wur<strong>de</strong>n beispiel weise zwei bei <strong>de</strong>r Firma SABA aufgebockte LKWs, ein er<br />

davon ga r ohne Reife n, von <strong>de</strong>n Heimkehrwilligen fl ott gemacht und davon gefahren<br />

eben 0 wie <strong>de</strong>r do rr a bge teilte PK\Xf H orch-Pu.llmann. s2 Die chil<strong>de</strong>rungen zu<br />

Z wecken <strong>de</strong>r H eimkehr requirierter Fahrzeuge aus Finnen und in Pri va tha usha lten<br />

könnte noch um ein vielfaches erweitert wer<strong>de</strong>n. Der Zugriff auf diese Fahrzeuge<br />

trug zu einer Verschl echterung <strong>de</strong>r Versorgung ebenso bei wie di e kurz zuvor<br />

erfo lgten Z erstörungen im Z uge <strong>de</strong>r Ka mpfhandlungen. M anche <strong>de</strong>r Fahrzeuge<br />

fa nd ma n in <strong>de</strong>n fol gen<strong>de</strong>n Wochen und M ona ten verlassen, weil ohne Treibstoff,<br />

a m Straßenra nd, manche zerstört, vi ele reparaturbedürftig, wie<strong>de</strong>r.<br />

Um unter die en Um tä n<strong>de</strong>n ein e halbwegs regelmäßige Transporthilfeleistung<br />

zu erbringen, erteilte di e Fahrbereitscha ft etwa 14 ich a ndienen<strong>de</strong>n Ein zelunternehmern<br />

, darunter zwei El ässern 53 , Tra nsporta ufträge. Eine H era nziehung<br />

40


in Kriegs- und<br />

von Lastkraftwagen, wie sie ge etzlich möglich gewesen wäre, entfiel nur, weil sich<br />

rasch eine ge nügen<strong>de</strong> Zahl von Transportunternehmern fand, welche di e Fahraufträge<br />

zunächst als Grundlage ihres Geschäftsbeginns sa hen. T äglich morgens um<br />

acht Uhr fa n<strong>de</strong>n sie sich im Büro <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft, einem vom Landrat amt bei<br />

<strong>de</strong>r Firma Autogarage Maier ange mi eteten Raum an <strong>de</strong>r Brigachstraße ein, um di e<br />

Transportaufträge entgegenzunehmen o<strong>de</strong>r die Tagespauschale vergangener Fahrten<br />

geltend zu machen.<br />

So w ie di e Lebensmittelknappheit dieser Jahre einen Schwarzmarkt för<strong>de</strong>rte,<br />

schuf auch <strong>de</strong>r Transpo rtbedarf seine Grauzone. och 1947 fand di e französi che<br />

Gendarmerie bei Kontro llen oft nur für <strong>de</strong>n Güterverkehr zugelassene LKW, <strong>de</strong>ren<br />

Fahrer sich durch di e illegale Mitnahme vo n Personen auf <strong>de</strong>r La<strong>de</strong>fl äche o hne Wissen<br />

ihrer Arbeitge ber hohe ebeneinnahmen ve r chaHten. 54 Trotz einer seit<br />

5.9.1946 durch das Gouvernement Militaire wie<strong>de</strong>r reglementierten Personen beför<strong>de</strong>rung<br />

mag di e Fahrbereitschaft über die nicht a llzu offensichtlichen unbeauftragten<br />

"Transporte" hinweggesehen haben, min<strong>de</strong>rte sich dadurch doch <strong>de</strong>r auf<br />

ihr lasten<strong>de</strong> Orga ni ati on druck. In <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Akten fan<strong>de</strong>n sich zumin<strong>de</strong>st<br />

bis heute keinerlei Hinweise auf eine Überwachung und Ahndung di e es ebengeschäfte.<br />

Zu <strong>de</strong>n ersten im Auftrage <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft tätig gewor<strong>de</strong>nen Fuhrunternehmern<br />

gehörte a uch Orto Bächl e aus Unterkirnach, Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r heute noch fl orieren<strong>de</strong>n<br />

Spedition. Mit Genehmigung <strong>de</strong>r örtlichen Militärregierung und <strong>de</strong>r Entrichtung<br />

eines Kaufpreises von 1.500 RM für erworbenes Wehrmachtsgut zog er<br />

im Juni 1945 einen H olzvergaser Opel Blitz 3,5 to aus einer zerstörten Fahrzeugkolonne<br />

bei Oberkirnach und liess ihn fahrfähig machen. Im August erhielt er seinen<br />

ersten Transportauftrag. Er hatte er eine Ladung Wäsche aus <strong>de</strong>m Villinger<br />

Krankenhaus in die Wäscherei nach Löffin gen zu verbringen, wobei gleichzeitig<br />

Frauen und Kin<strong>de</strong>r a uf <strong>de</strong>r offenen La<strong>de</strong>fläche mitzunehmen waren. Bächl e erhi elt<br />

im folgen<strong>de</strong>n ei nen Großteil <strong>de</strong>r Aufträge zunächst von <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft. Zur<br />

Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung musste er Lebensmittel von <strong>de</strong>r Reichena u und <strong>de</strong>m<br />

Kaiserstuhl heranschaffen.<br />

1946 kam <strong>de</strong>r Auftrag zur Personenbeför<strong>de</strong>rung mittels LKW auf <strong>de</strong>r Strecke<br />

Villingen-Vöhrenbach hinzu 55 , da die Post wegen Fahrzeugmangel in Ba<strong>de</strong>n<br />

zunächst nur di e H auptachsen bedienen konnte.<br />

Auch im Bezirk <strong>de</strong>s Landratsamtes Donaue chingen musste di e Fahrbereitschaft<br />

zunächst Personentran porte orga ni ieren. Selbst als im Juni die Eisenbahnverbindung<br />

nach Frei burg wie<strong>de</strong>r geöffn et wur<strong>de</strong>, war die e so schlecht, dass eine<br />

ver tärken<strong>de</strong> Parallelverbindung für Personen- und Warentransporre unumgänglich<br />

war. Gefahren wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Regel di enstags und freitags von und nach Freiburg.<br />

Auf offenem Wagen saßen da Alte, Frauen mit Kin<strong>de</strong>rn, "Amputierte und erschöpfte,<br />

aus <strong>de</strong>r Krieg gefangenscha ft entl assene H eimkehrer, di chtgedrängt auf<br />

Bergen von Koffern, Säcken und Mobiliar a ller Art". -6 Wie oft ammelten ich gegen<br />

10 Uhr morgens, <strong>de</strong>r gewöhnlichen Abfahrtszeit, eine lange Reihe von Passagieren.<br />

ur zu oft konnten nicht a lle mitge nommen wer<strong>de</strong>n und viele zogen mehr<br />

als einmal unverrichteter Dinge wie<strong>de</strong>r nach Ha use, wobei doch je<strong>de</strong>r einen wichtigen<br />

Grund für die Fa hrt zu haben vorgab.<br />

41


Literatur<br />

GOTrO, B. (2006): Pol ykratische elbststabili ierung.<br />

Mittel- und Unterinsta nzen in <strong>de</strong>r<br />

Diktatur, In: H A ·HTJ\IA. :-.., H. / SU\" \XI.<br />

(Hr g.): Hirlers Ko mmissare. on<strong>de</strong>rgewalten<br />

in <strong>de</strong>r nationalsozialisti schen Dikta mr,<br />

(Beiträge zur Geschichte <strong>de</strong> I a ti onalsozialismus<br />

22), Göttin gen, .28-50<br />

H ACl IT.\IA:-l:-;, R. / uss, \1 . (2006): Edirorial.­<br />

In: HACHTMAN, , H . / Suss, \Y.I. (Hrsg.):<br />

Hirler Kommissare. on<strong>de</strong>rgewalten in <strong>de</strong>r<br />

nati onalsozia listi schen Dikta mr, Görringen<br />

2006, . 9-27<br />

j ACOIl,\IEYER, W. ( 1985): Vom Zwangsa rbeiter<br />

zum Heimarlo en Auslä n<strong>de</strong> r. Die Di splaced<br />

Persons in Wesr<strong>de</strong>utschl and 1945- 195 1,<br />

Göttingen<br />

Anmerkungen<br />

Staatsarchiv Frei burg (künftig StA FR),<br />

Best. A 9611, I r.2 707, Angabe <strong>de</strong>s Bevollmächtigten<br />

fü r Nahve rkehr im chreiben<br />

\'om 19 .9 .1 945<br />

2 Verordnung über <strong>de</strong>n organischen Aufbau<br />

<strong>de</strong> Verkehrs (Zweite Verordnung zur<br />

Durchführung <strong>de</strong>s Gesetzes zur o rbereimng<br />

<strong>de</strong>s organi schen Aufba ues <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Wirtschaft) vom 25.9.1 935<br />

(RGBI. I, S. 11 69)<br />

3 Erlass <strong>de</strong>s Reichsinnenmini ters vom<br />

22.9. 1936 - Z R 435-6 -4/36 g.Rs.<br />

4 Der Nbv unterzeichnete mit: " Der Minister<br />

<strong>de</strong>s Innern. Der Bevollmächtige für <strong>de</strong>n J a hverkehr.<br />

cf. StA FR, Best. A 9611 , Nr.2707.<br />

Amtsinhaber 1940- 1945 war Oberregierungsrat<br />

Dr.Ha ns chubarr, a b Februar 194 5<br />

Regierungsoberinspekror Rudolf \XIirnnann (? ):<br />

MinBI. für die bad. inn. Verwa ltung,<br />

19.2.1945, r. 6<br />

5 cf. StA FR, Best. G 11/6 N r.2<br />

(E insetzung von FB-Lci tern 1938-194<br />

6 Vero rdnung zur Bekä mpfung von<br />

otstän<strong>de</strong>n im Verkehr vom 19.9. 1939<br />

(RGBI. I, S. 185 1)<br />

7 ve rtrauliches S hreiben <strong>de</strong>s IM vom<br />

30.1 2. 1939, StA FR, Be t. A 9611 , 'r.2707<br />

8 RdErl. d . RMdl vom 13.9.1 940, LI c 1079<br />

11/40, In: RMBliV 1940, r.38, S. 1793<br />

9 Eine umfa sen<strong>de</strong> Dar teilung <strong>de</strong>r Aufgaben<br />

44<br />

M ÖRMAN N, B. (1996): j o hann Weisse r.- In: Badis<br />

he Biographien. Neue Folge IV, S. 3 18f.<br />

PRIF,\IFl, CHR. K. (2006): Die Macht <strong>de</strong>r Sy ndikate.<br />

Das cheitern <strong>de</strong>s Reichskohlekommisa<br />

rs 1940/4 1 und die <strong>de</strong>utsche Kohlenwirtschaft,<br />

In : H AC.I-ITJ\ IA ' , H. / Suss, W.<br />

(Hrsg.): H irlers Ko mmissare. Son<strong>de</strong>rgewa lten<br />

in <strong>de</strong>r na ti onalsozialisti chen Diktatur,<br />

(Beiträge zur Geschichte <strong>de</strong>s ationalsoziali<br />

mus 22), Görtingen, S. 159-1 82<br />

H.JI'\) EL, H . ( 1968): Beri cht aus einer schweren<br />

Zeit, Villingen<br />

PFTFR, R. ( 1995): Rüstung po litik in Ba<strong>de</strong>n.<br />

Kri egswirrschaft und Arbei tseinsatz in ein er<br />

Grenzregion im Zweiten Weltkrieg (Beiträge<br />

zur Militä rgeschichte 14), München<br />

CIIARF, H. \XI. ( 1980): Die Schwarzwaldbahn<br />

und das Bahnbetriebswerk Villingen,<br />

Freiburg<br />

fin <strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Dienstanweisung für Fahrbe<br />

reitschaftsleiter <strong>de</strong>s Reichsverkehrsministeriums<br />

vom 10 .06.1 942, Abdruck in:<br />

Reichs-Verkehrsbla rr Nr. 13 vom 19.6. 1942<br />

10 StA FR, Best. A 9611 , r.3228,<br />

Schreiben <strong>de</strong>s Landrars vom 27. L 1.1941<br />

1 I cf. Run<strong>de</strong>rlaß <strong>de</strong>s Reichsverkehrsministers<br />

vom 10 .6.1 942 K 4 114520 (Reichsverkehrsbla[[<br />

1942 . 80), sowie Rd Er l. <strong>de</strong>s badischen<br />

Ministeriums <strong>de</strong>s Innern vom<br />

2 1.7.1 942 Nr. 58384 (Ba BI. 1942, S. 582)<br />

12 Sirzung vom 3 .3. 1943 in Freiburg und<br />

L 1.3. 1943 Ko nsta nz, cf. Bun<strong>de</strong>sarchi v­<br />

Militii ra rchiv Freiburg, Best. R\XI 2 J-2 1<br />

r. 5, HI.34 (Kriegsragebuch <strong>de</strong>s Rüstungskommando<br />

Viliingen/ Freiburg 1. Vj . 1943),<br />

Nr.5 B1.34, BI. 52<br />

Dritte Vero rdnung (<strong>de</strong>s Reichsverkehr minister<br />

) ZlIr Durchführung <strong>de</strong>r Vero rdnung ZLIr<br />

Bekämpfung von Notstän<strong>de</strong>n im Verkehr<br />

(Verkehr leiten<strong>de</strong> Anordnungen) vom<br />

5. 1.1 944<br />

14 Freistellung von Transporrra um für kriegswi<br />

htige Zwecke: Minbl. f.d. bad. inn.<br />

Verwaltu ng, Ausgabe A, Nr.39, 3 .1 1.1 944;<br />

Sp.565f.<br />

15 R. PFTER ( 1995): S. 175<br />

16 geb. 24.1 2 .1 896 Lörrach, von 1926-193 1 in<br />

<strong>de</strong>r fra nzösischen Frem<strong>de</strong>nlegion, Abwicklung<br />

von Transportaufrrägen im Bhf. Lö rrach<br />

wä hrend <strong>de</strong>s Westwa ll baues (Gencra linspekror<br />

für da <strong>de</strong>utsche Srraßenwesen,


Gruppenbaulei rung Oberrhein Freu<strong>de</strong>nsradt!<br />

ehw.), 26.3. 194]-07.05.1941 Lebensmirtelverwalrer<br />

für die NSV im Um iedlerlager<br />

Freiburg, Fahrbereirschaftsleirer in Freiburg<br />

1.8.4]-24.9.41, Son<strong>de</strong>rführer Srrassenrransporrleisrung<br />

Osr in Smolen k (Russland<br />

), ab 30.6. '1942 Fahrbereirsehafrsleirer<br />

in Gebweiler (Guebwiller)1 Elsass, ab Juli<br />

1942 srellverrr. Fahrbereirsehafrsleirer <strong>de</strong><br />

Landkreises Villingen in Tri berg, a b Augusr<br />

1942 Fahrbereirschafrsleirer in Villingen;<br />

nach eigenen Aus agen vorbesrrafr wegen<br />

Kokainschmuggels und Schwarzschläehrerei.<br />

Lerzter Einrrag in Meiers Personalakre vom<br />

3.3. 1943, danach verlierr sich seine Spur:<br />

Kreisarchiv Schwarzwald-Baar·Kreis (KrA<br />

SBK), Besr. Personalakren, r. I 137<br />

17 Die angegebenen Adressen Hauprsrr. 45 für<br />

Hirt und Adolf-Hirler-Straße 28 (ab 1945<br />

"verl ängerre" Josefsrraße, seit 19 '0<br />

Friedrich-Eberr-Srr. ), Donaueschingen für<br />

Albin Meister waren augenschein lich die<br />

Büroadressen <strong>de</strong>r Fahrbereitschaft,<br />

cf. SrA Freiburg, Best. A 96/1, Nr.2707<br />

18 geb. 24.12.1884 Ewarringen - 8.3.1961 Donaueschingen.<br />

Vorgeschlagen am 5.5. 1939,<br />

ernannt am 20.6.1939 durch <strong>de</strong>n Nbv runga<br />

rr, Verpfliehrung am 5.7. 1939. M. zog am<br />

15.6. 1923 von Ewarringen nach Donaueschingen,<br />

wO er ei nen Kohlenhan<strong>de</strong>lund ei n<br />

Transporrgeschäfr eröffnere. Nach Stellungnahme<br />

<strong>de</strong>r Gesrapo Villingen war M. kein<br />

Parreimirglied und srand a ls Katholik urprünglich<br />

<strong>de</strong>m Zentrum nahe: StA FR,<br />

Besr. G 11/6, N r.2<br />

19 So schreibr Landrar ER\'iIIN TRIPPEL in seinen<br />

Erinnerungen ,',ber das Donaueschinger<br />

Landt3rsamr: " Ke in \X1un<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn was von<br />

die en Männern in die er schweren Zeit verlangr<br />

wur<strong>de</strong> - Tag und acht - das hielr keiner<br />

aus, o hne krank zu wer<strong>de</strong>n". Erinnerungen<br />

a n die Übernahme <strong>de</strong>s Landrarsamres<br />

Dona ue chingen, KrA SBK, Bibliorhek, ign.<br />

G-LAN, D 5.1, TRI, S. 20<br />

20 geb. in Karlsruhe, 1.11."1944 - Januar J 945<br />

FB-Leirer in Guebwiller lEIsaß, dann Buchen<br />

IO<strong>de</strong>nwald , ab April 1945 FB-Leirer im<br />

Landrarsamr Donaueschingen<br />

2 1 KrA BK, Be t. B 8 Personalakren r. 778<br />

22 KrA SBK, Besr. B 8 Per onalakten, Nr. 780<br />

23 KrA SBK, Besr. B S Personalakren Nr. 165<br />

24 RUDIGF R HACHTl\'IANN 1 \XII 'FRlrD Suss<br />

(2006): . I 6f.<br />

25 wie z.B. <strong>de</strong>r Reichskoll1m i sa r für Prei bi l-<br />

dung, <strong>de</strong>r Generalbevollmächrigte für die<br />

Bauwirr chaft, <strong>de</strong>r Generalinspekror für<br />

\XIasser und Energie o<strong>de</strong>r, vielleicht am bekannresren,<br />

<strong>de</strong>r Generalinspekror für das<br />

<strong>de</strong>utsche Srraßenwesen (Todr)<br />

26 cf. F ] 8<br />

27 B. GOITO 2006:<br />

Polykratische Se lbst tabilisierung, S. 40<br />

28 eHR. K. PRIHIEL 2006: Die Machr <strong>de</strong>r<br />

Syndikare, S. 179<br />

29 Zur Biographie von Weisser: Badische Biographi<br />

en. eue Folge, Bd.IV, 1996, S. 3 18f.<br />

(BERNHARD MÖR!\IA NN)<br />

30 SrA FR, Best. A 96/1 I r.2707, Schreiben <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>skommi sä rs vom 6.9.45 a n <strong>de</strong>n Nbv.<br />

Das Amt <strong>de</strong>s u. a . vom Milirär-Gouvernemenr<br />

bestellren Transporrbeaufrragren erlosch<br />

En<strong>de</strong> 1946 im Zuge <strong>de</strong>r Aufllebung <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>skommissaria rs.<br />

31 StA FR, Best. A 96/1, r.2707<br />

32 Sehr. <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>skommi sär an <strong>de</strong>n neu vorgesehenen<br />

Bevollmächtigren für ahverkehr<br />

in Süd ba<strong>de</strong>n, 14.11.1 945, In: SrA FR, Best.<br />

A 96/ 1 r.2707<br />

33 Neuregelung <strong>de</strong>r Untersrellung durch <strong>de</strong>n Bevollmächtigten<br />

für Nahverkehr in Südba<strong>de</strong>n,<br />

2.2.1946, r FR, Best. A 96/1 r.2707<br />

34 StA FR, Best. 171.1 Nr. 92<br />

35 Anordnung vom 2 "1.12:1945, in: SrA FR,<br />

Best. A 96/1, r. 2707<br />

36 Schreiben vom l 6.8.1945, In: SrA FR, Besr.<br />

A 96/1, r.2707. och a u srehen<strong>de</strong> Gehälrer<br />

a us <strong>de</strong>r Zeir vor <strong>de</strong>m ].4.1945 wur<strong>de</strong>n<br />

von einer Abwicklung srelle <strong>de</strong>s Nbv, <strong>de</strong>m<br />

Gruppenfahrbereirschafrsleirer beim Bevoll ­<br />

mächrigren für <strong>de</strong>n ahverkehr für Würrrem<br />

berg und Ba<strong>de</strong>n mir irz in Ka rlsruhe,<br />

abgewickelt.<br />

37 SrA FR, Besr. A 96/J, Nr. 2707<br />

38 Anordnung <strong>de</strong>s Landrats vom 15.11.1945,<br />

in : rA FR, Be t. A 96/1, Nr. 2707<br />

39 geb. 13.4.1920 Hau en v. W., gest. 3.12.2002<br />

in Donaueschingen; im Dienst seir ovember<br />

1940, zulerzr als Regierungsamrmann Sachbearbeirer<br />

<strong>de</strong>r Verkehrsabteilung im Landrarsa<br />

mt Dona ueschinge n: KrA SBK B SlNr. 1017<br />

40 geb. 8.7. 1892 in Kirchdorf (Baye rn ); 1933<br />

Geschäftsführer <strong>de</strong>s Deutschen Ro ren Kreuzes<br />

Frei ing; bis 1940 Regierungsi nspekror<br />

beim Lalldrarsamr Freising, 1940 bis 1945<br />

Diensrleistung beim Landkommissar in<br />

Molsheim, Elsaß; nach 22.2.1945 vom badischen<br />

Innenministeri um a n das Landrarsamr<br />

Donaueschingen zum Wie<strong>de</strong>raufbau <strong>de</strong>r<br />

45


Die e T he e wur<strong>de</strong> a llerdings seit 1974 durch di e Ent<strong>de</strong>ckung von Militä rstützpunkten<br />

a m ord rand <strong>de</strong> Kaiserstuhls ( asbach und Riegel) erschüttert, die zur<br />

ersten Phase <strong>de</strong>r römischen Besetzu ng Südwest<strong>de</strong>utschl a nds gehörten (Z eit <strong>de</strong>s<br />

Cla udius 41-54 n. C hr. ), gena uso w ie di e östlich <strong>de</strong>s Sc hwarzwald mit Hüfingen<br />

beginnen<strong>de</strong> Kastellreihe entla ng <strong>de</strong>r Dona u (Abb. 2). Dieser " Dona ulimes" ma rkierte<br />

da mals die ordgrenze <strong>de</strong>s von Ro m eingenommenen Gebiets, was vermutlich<br />

a uch für die Lager an <strong>de</strong>n nördlichen Eckpunkten <strong>de</strong>s Ka iser tuhls gilt (die<br />

Besetzung geschi chte <strong>de</strong>s O berrheinta ls zwischen Stro m und Sc hwarzwald i t<br />

a llerdings noch nicht in a llen Ein ze lh eiten gekl ä rt). Auf je<strong>de</strong>n Fa ll a ber konnte ma n<br />

jetzt von einer Verbindung zwischen <strong>de</strong>r " kurzen" Kastell reihe westlich <strong>de</strong><br />

Schwa rzwa l<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>m östlich dara n a nschli eßen<strong>de</strong>n "Dona ulimes" ausgehen.<br />

Zwar machte da dazwischen liegen<strong>de</strong> Wa ldgebirge weitere Kastelle zwi chen<br />

Riegel und Hüfingen überflüssig, doch wa r vo r <strong>de</strong>r Öffnung <strong>de</strong>r Kinzigtalroute<br />

a llein schon für Truppenbewegungen zwischen Oberrhein- und Donautal eine gut<br />

a usgebaute Militä r traße schlicht ein e stra tegische otwendigkeit.<br />

icht zu letzt die e Erkenntnis ga b für J. Humpert <strong>de</strong>n Ausschlag, zum ersten<br />

Mal a uch im Gelän<strong>de</strong> ganz systema tisch nach <strong>de</strong>n puren dieser Straße zu suchen.<br />

ei ne Ergebnisse lassen sich heute mit weiteren Argumenten a bsichern, und wenn<br />

hi er das Wesentliche noch einmal zusammengefaßt und in einigen Punkten ergä nzt<br />

wer<strong>de</strong>n oll, da nn <strong>de</strong>shalb, weil d ie e traße a uch a uf a ktuellen Ka rten nicht immer<br />

berücksichti gt und neuerdings a uch wie<strong>de</strong>r in Zweife l gezogen wird. Die Grün<strong>de</strong><br />

dafür si nd mehr o<strong>de</strong>r weni ger die gleichen, die schon R. N ierha u in einer a bleh­<br />

Abb. 2: Kastelle und Straßen in Südwest<strong>de</strong>utschland,<br />

zwischen 15 vor ehr. bis zum<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 1. nachchristI. Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />

Dichte Punktreihe: Straße gesichert;<br />

lockere Reihe : Straße mit guten Grün<strong>de</strong>n<br />

vermutet.<br />

48<br />

nen<strong>de</strong>n H a ltung bestärkt hatten: Es gibt<br />

keinen M eilen tei n a n <strong>de</strong>r "Südschwarzwaldstraße",<br />

keine <strong>de</strong>r unbedingt erfor<strong>de</strong>rl<br />

ichen Z w ischen tati onen konnte bisher<br />

gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, ebensoweni g a n<strong>de</strong>re<br />

Si edlungen o<strong>de</strong>r a uch nur Fun<strong>de</strong> an<br />

<strong>de</strong>r eigentlichen Gebirgsstrecke - zweifellos<br />

wichtige Gesichtspunkte für <strong>de</strong>n<br />

achweis einer Fernstra ße. Und doch<br />

sind diese im Vergleich mit <strong>de</strong>r Kinzigtalstrecke<br />

vorgetragenen Argumente<br />

nicht sti chhaltig. War e doch nur ein<br />

glücklicher Zufa ll, <strong>de</strong>r im Sommer 1840<br />

<strong>de</strong>n ti ef ve rschütteten Offenburger M eilenstein<br />

mit <strong>de</strong>r Anga be " Direkter Weg<br />

von Straßburg nach Räti en" a ns Tageslicht<br />

brachte. Und dieser "Weg" ve rl äuft<br />

hauptsächlich in einem Tal, da fast <strong>de</strong>n<br />

ga nzen Sc hwarzwa ld durchschnei<strong>de</strong>t<br />

und zu großen Teilen <strong>de</strong>m " Altsie<strong>de</strong>lla<br />

nd" zuzurechnen ist. Kein Wun<strong>de</strong>r<br />

dass sich hi er die Fund teilen "wie Perlen<br />

a n ein er Schnur" a ufreih en. Bei


Straßen in höheren Gebirgslagen gelten jedoch an<strong>de</strong>re Regeln, und es darf nicht <strong>de</strong>r<br />

ach weis für etwas gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, was gar nicht dagewesen sein kann. Und di e<br />

Raststati onen im Inneren <strong>de</strong>s Gebirges? Die Chancen auf eine Ent<strong>de</strong>ckung sind in<br />

Gebieten ohne Ackerbau o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, großflächig in <strong>de</strong>n Untergrund eingreifen<strong>de</strong><br />

utzungen verschwin<strong>de</strong>nd gering, auch bei gezielter Prospektion aus <strong>de</strong>r Luft, die<br />

im bewal<strong>de</strong>ten Gelän<strong>de</strong> gar nichts, in Wiesen- und Wei<strong>de</strong>land selten etwas bringt.<br />

So war es keine Überraschung, dass Bi ldflüge über <strong>de</strong>r Strecke (0. Braasch ) ohne<br />

Resultat blieben. Nur dürfen daraus keine voreiligen Schlußfolgerungen gezogen<br />

wer<strong>de</strong>n!<br />

Schließlich hat sich R. ierhaus auch mit <strong>de</strong>r Frage auseinan<strong>de</strong>rgesetzt, ob es<br />

vie lleicht prähistorische Wege durch <strong>de</strong>n Schwarzwald gegeben habe, darunter<br />

auch eine Verbindung vom Breisgau zur Baar, die dann von <strong>de</strong>n Römern, evtl.<br />

sogar unter militärischen Gesichtspunkten, nur ausgebaut wer<strong>de</strong>n mußte. Seine<br />

Schlußfolgerung, dass Fernverbindungen über das Mittelgebirge hinweg njcht zu<br />

erwarten seien, wur<strong>de</strong> schon von J. Humpen durch <strong>de</strong>n sensationellen Fund eines<br />

spätkeltischen Eisenbarrens in Schwertform unter <strong>de</strong>m römischen Straßenkörper bei<br />

Dittishausen am östlichen Schwarzwaldrand wi<strong>de</strong>rlegt (s. 1. 4). Damit war gera<strong>de</strong><br />

für diese Strecke <strong>de</strong>r seltene achwejs erbracht, dass es fi.lr das römische Verkehrsnetz<br />

unmittelbare Vorläufer gab. R. ierhaus selber hatte dies schon an Hand einer<br />

Riemenzunge <strong>de</strong>r Spärlatenezeit für die H auptstraße vom Schweizer Mittelland<br />

über Hüfingen und Rottweil zum Limes festge tellt. Diese älteren Wege, wobei wir<br />

Abb. 3: Vom Mittelmeer zur Donau: Ein Han<strong>de</strong>lsweg <strong>de</strong>r späten Hallstattzeit<br />

(6. Jahrhun<strong>de</strong>rt vor ehr.), <strong>de</strong>r zwischen Breisach und <strong>de</strong>r Heuneburg (Donautal) <strong>de</strong>n<br />

Schwarzwald überquert. Durchgezogene Linie: Wasserweg, Punktreihe: Landstrecke.<br />

49


uns hi er a uf die keltische Zeit beschränken, unterscheid en sich ganz grund ätzlich<br />

von römischen Straßen vor a llem durch das Fehlen ein e festen traßenkörper.<br />

Soweit nachweisbar sind sie in ihrem Verlauf auch sehr viel stä rker vom Gelän<strong>de</strong>relief<br />

abhängig, was bei Wegen durchs Gebirge sicher manchen Umweg und viele<br />

von <strong>de</strong>r Topographie bestimmte Richtungswechsel mit sich brachte. E fehlten <strong>de</strong>r<br />

politische Wille, aber a uch die technischen Fähigkeiten zum Ba u von Kunststraßen<br />

römischer Art. So sind die e Verkehrswege oft nur indirekt zu erschließen und Fun<strong>de</strong>,<br />

die dank ein es ge icherten Zusammenha ngs ein<strong>de</strong>utige Datierungen liefern, als<br />

beson<strong>de</strong>re Glücksfälle zu betrachten.<br />

I. Fassen wir kurz zusammen, was einen vorrömischen Weg zwischen Breisgau und<br />

Baar wahrscheinlich macht o<strong>de</strong>r als Beweis für ihn gelten kann. Da bei sind di e bei<br />

J. Humpen noch ni cht berücksichtigten Hinwei e bzw. Argumente hinter <strong>de</strong>r Ziffer<br />

mit ein em ternchen ,,- gekennze ichnet.<br />

1.


Die Straße durch <strong>de</strong>n südliche Id<br />

Ir. Archäologi che Argumente für di e römi che Südschwarzwaldstraße:<br />

Beobachtungen im Gelän<strong>de</strong>, Grabungsergebnisse, Fun<strong>de</strong> (W-O).<br />

1 ':. 1m Winter 19" -/36 wur<strong>de</strong>n im Zartener Becken (D reisamtal) a uf <strong>de</strong>r in spätkelti<br />

cher Zeit befe tigten spornartigen Hochterrasse von "Tarodunum" die<br />

Reste von wahrschein lich zwei römi chen Gebäu<strong>de</strong>n sowie Spuren älterer,<br />

gleichfa lls römischer H o lzba uten a usgegra ben (A bb. 7).<br />

500 m östlich von diesem nur teilweise untersuchten, <strong>de</strong>s halb wohl a uch vom<br />

Ausgräber nicht klassifizierten Ba ukomplex (später von a n<strong>de</strong>ren als Gutshof<br />

interpretiert), wur<strong>de</strong> auf 20 m Lä nge ein a us Flußgeröllen aufgebauter<br />

traßenkö rper fe tgestellt. "Von Be<strong>de</strong>utung ist, da s die Straß vom römischen<br />

Gebäu<strong>de</strong> nach O sten, a lso in <strong>de</strong>n Schwarzwald hineinführt. " (G. Kraft). Auch<br />

wenn wir bis heute immer noch nichts Genaueres Liber die e Situation wissen<br />

drängt sic h doch <strong>de</strong>r Gedanke a uf, dass hi er nicht ein landwirtschaftlicher Betrieb,<br />

son<strong>de</strong>rn eine " ma nsio" sta nd, kurz vor <strong>de</strong>m Anstieg im Wagensteigtal,<br />

für <strong>de</strong>n Vorspa nn benötigt wur<strong>de</strong>. Von Westen her war d iese "Straßenstation"<br />

leicht über eine Rampe zu erreichen, von <strong>de</strong>r sich wegen starker Verän<strong>de</strong>rungen<br />

im Gelän<strong>de</strong> jedoch ni ht erhalten konnte. Auch im Wagensteigtal selbst<br />

ind puren <strong>de</strong>r römischen Straßenführung wohl irreversibel durch eutrassierungen<br />

<strong>de</strong>s Mittelalters und <strong>de</strong>r frühen euzeit überlagert und zerstört.<br />

2. Etwa O -W orientierter Straßendamm von Ditti ha usen, Gem. Löffingen,<br />

"Weißwald ", Tei lstück <strong>de</strong>r zum Kastell Hüfingen führen<strong>de</strong>n H a uptstrecke<br />

(s üdliche Trasse). 200 m la nger, bis<br />

zu 1.60 m hoher Da mm von trapezför<br />

migem Querschn itt, gewölbte<br />

Oberfläc he von 5.50 m Breite, Basis<br />

bis 8 m breit, beidseitig G rä bchen.<br />

Unterbau a u grobem Kalkschotter.<br />

Belag wech elnd: Lehm­<br />

Ki esschüttung, stellenweise sorgfältig<br />

ver legte Kalksteinplatten. Zur<br />

Datierung vgl. die folgen<strong>de</strong>n Punkte.<br />

3. ach O sten vor allem a ber nach<br />

We ten in Richtung Breisgau konnte<br />

die teil weise in a nmoorigem Untergrund<br />

a bgesu nkene Trasse auf<br />

insge amt 5 km Länge zweifelsfrei Abb. 5: Das römische Vorgehen im rechtsnachgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Eini ge gelb- rheinischen Gebiet unter Kaiser Augustus,<br />

tonige Krugscherben in <strong>de</strong>r Schot- ab 15 bis ca. 9/ 8 vor ehr .. Quadrate: Lage r<br />

terung belegen <strong>de</strong>n Bau dieser und an<strong>de</strong>re Truppenstandorte, Dreiecke:<br />

Straße in römischer Zeit (Dittis- kleine Militärstützpunkte. D = Dangstetten,<br />

hausen, " Krä henbacher Wald "). S = Sasbach, A = Altenburg, keltisches Op­<br />

Der nahebei unter <strong>de</strong>m tras- pidum. Die Pfeile <strong>de</strong>uten mögliche Operasenkörper<br />

gefu n<strong>de</strong>ne kelti che tionen zum Que llgebiet <strong>de</strong>r Donau an<br />

Schwertbarren (Abb. 4 ) sowie ein (Hüfingen).<br />

52


On keltischer. römischer und frü mittelalterlicher Zeit<br />

etwas weiter östlich aus <strong>de</strong>m o beren<br />

Straßenbelag stammen<strong>de</strong>r merowingerzeitlicher<br />

Sporn (A bb. 10)<br />

bestätigen eindrucksvoll diese Datierung.<br />

4. Auf dieser 5 km .Iangen Strecke läßt<br />

sich ein Charakteristikum römischer<br />

Straßenführung gut erkennen:<br />

Exakt geradlinig durchgefluchtete<br />

Teilstücke treffen bei notwend<br />

igen Richtungsän<strong>de</strong>rungen<br />

rumpfwinklig aufeina n<strong>de</strong>r.<br />

5. Die nördliche Trasse, ab Hüfingen<br />

"Mühl öschle" (Zivilsiedlung) durch<br />

das Bregtal (Bräunlingen) bis zum<br />

Anschluß an die Gebirgsstrecke<br />

nordwestlich von Dittishausen ist<br />

durch zwei römische Fun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

ähe dieser Anschlußstelle zusätzlich<br />

datiert: eine Scherbe nicht<br />

näher bestimmbarer Gebrauchskeramik<br />

und eine Axt mit Schaftlappen<br />

(Abb. 8). Die Trasse von <strong>de</strong>r<br />

diese Fun<strong>de</strong> stammen, ist über<br />

1200 m Länge a ls gleichbleibend<br />

hoch geführter Einschnitt in einen<br />

Talhang nachgewiesen (Gemarkung<br />

Waldhausen).<br />

6 ,. Westlich von Hüfingen "Mühlöschle"<br />

konnte eine römische<br />

S tra ße (Kiesschü ttung,lKa I kste inplatten)<br />

festgestellt wer<strong>de</strong>n, die von<br />

<strong>de</strong>r Siedlung ins Bregtal führt.<br />

Abb. 6: Kastelle und Straßen im Breisgau<br />

um die Mitte <strong>de</strong>s 1. nachchristI. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

(Zeit <strong>de</strong>s Kaisers Claudius). Offene<br />

Quadrate: militärische Stützpunkte vermutet.<br />

Nördliche Straßenabzweigung ins Gebirge<br />

= Glottertal, südliche Abzweigung =<br />

Dreisamtal, Zartener Becken (Tarodunum).<br />

Auf die weitere Benützung <strong>de</strong>r Südschwarzwaldstraße<br />

in nachrömischer<br />

Zeit w ur<strong>de</strong> schon hingewiesen. Dabei Abb. 8 Römische Axt,<br />

geht e ausschließlich um Spätantike und Fundort Waldhausen. Länge 18,0 cm.<br />

frühes Mittelalter, <strong>de</strong>nn die Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Fernverkehrs vom hohen M ittelalter bis in die euzeit i t die Geschichte <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rs geführten H ö llentaistraße. Auch kommen mit <strong>de</strong>n Stadtgründungen <strong>de</strong>r<br />

Zähringer, Freiburg und Villingen, ganz neue Aspekte ins Spiel, wodurch sich<br />

vieles än<strong>de</strong>rt, tei lweise eben a uch <strong>de</strong>r Streckenverlauf.<br />

Lange Zeit blieb jedoch a lles beim a lten Zustand und es ist keineswegs überraschend,<br />

dass die Straße zwischen Breisgau und Baar auch unter ve rän<strong>de</strong>rten Vor-<br />

53


Isch rund fruhmittelalterlicher Zeit<br />

gängen. Auf <strong>de</strong>m li nken Ufer sichern zwei weitere Kastelle, eines bei Oe<strong>de</strong>nburg-Biesheim<br />

und eine in Horbo urg bei Colmar, <strong>de</strong>n Zugang zur Paßstraße<br />

über die Vogesen ins Innere Galliens. Diese ungewö hnliche Dichte von Verteidigungsa<br />

nlagen, ergä nzt noch durch zwei Anlegestellen <strong>de</strong>r spätrömischen<br />

Kriegsfl otte in Breisach und an <strong>de</strong>r "Sponeck" zeigt <strong>de</strong>utl ich, welchen Gefa hren<br />

hi er begegnet wer<strong>de</strong>n mußte: germanischen Angriffen in erster Linie aus <strong>de</strong>m<br />

Raum jenseits <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong> .<br />

2 ':. dass diese Anlagen manchma l im Brennpunkt kriegerischer Ereignisse stan<strong>de</strong>n<br />

zeigt ein um die Mitte <strong>de</strong>s 4.Jahrhun<strong>de</strong>rts da ti erter Zerstörungshorizonr im<br />

Ka tell von Breisach, o<strong>de</strong>r di e für das Jahr 378 n. Chr. überl ieferte Schlacht<br />

bei Biesheim-Oe<strong>de</strong>nburg (A rgenrovaria) , in <strong>de</strong>r ein Heer <strong>de</strong>r im Bo<strong>de</strong>nseegebiet<br />

beheim ateten alamanni schen Lenrien er auf <strong>de</strong>m Weg nach Ga ll ien von<br />

römischen Truppen zurückgeschl agen wur<strong>de</strong>.<br />

3. Zwei Fundstücke bezeugen die weitere Benutzung <strong>de</strong>r Straße im frühen M ittelalter.<br />

a) Eiserner Sporn <strong>de</strong>s 7. Jhs. (Abb. 10), eingebettet in <strong>de</strong>n Straßenbelag. Fundstelle<br />

Dittishausen, Gem. Löffingen, " Krähenbacher Wald ", Gewann Josenhau .<br />

b) Riemenzunge aus Bronze, nach ihrer Ornamentik frü hes 8. J h. (Abb. 11),<br />

aufgelesen unmittelba r neben <strong>de</strong>r im Ackerland stark beschädigten Trasse.<br />

FundsteIle Dittishausen, Gewann Eichacker. Vg l. dazu Arch. Ausgrabungen<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg 1991, 227 ff.<br />

Abb. 9: Breisgau und Elsaß in <strong>de</strong>r Spätantike. Die Rheinübergänge am Kaiserstuhl<br />

bil<strong>de</strong>n das "Gelenkstück" <strong>de</strong>r Fernstraße über Schwarzwald und Vogesen. Römische<br />

Grenzkastelle am Fluß und an wichtigen Straßen im Hinterland, ein vorgeschobener<br />

Militärstützpunkt (?) in Riegel, weiterbenützte Römerstraßen und eine befestigte<br />

alamannische Höhensiedlung im Breisgau unterstreichen die strategische Be<strong>de</strong>utung<br />

dieses Raumes.<br />

55


4 ,:. Am nördlichen "Zubringer" von Hi:lflngen durch das Bregtal bestand sei t <strong>de</strong>r<br />

Mitte <strong>de</strong>s 5. bis ins beginnen<strong>de</strong> 6 . Jh. ein alamannischer A<strong>de</strong>lshof, <strong>de</strong>r an di eser<br />

Stelle in Zusammenhang mit Kontroll- und Sicherungsaufgaben an <strong>de</strong>r<br />

Südschwarzwaldstraße stehen muß. Dara uf <strong>de</strong>utet vor a llem <strong>de</strong>r hohe Rang<br />

<strong>de</strong>r hier a nsässigen A<strong>de</strong>lsfami li e, <strong>de</strong>r sich a us <strong>de</strong>r reichen Ausstattung ihrer<br />

Gräber ablesen läßt (u. a . eine Goldgriffspatha). ach <strong>de</strong>r Einbeziehung <strong>de</strong>r<br />

Alamannia in das fränkische Reich ve rl agerte sich diese Funktion offenba r<br />

nach Hüfingen, an die alte Straßenkreuzung - womit <strong>de</strong>r ehem a lige KasteIIo n<br />

Brigobannis ein e ursprüngliche Be<strong>de</strong>utung zurückgewann (G.Fingerlin ).<br />

5. ':. Die we iterhin bestehen<strong>de</strong> Verbindung ermög lichte in <strong>de</strong>r M erowingerzeit<br />

einen Austausch über das Gebirge hin weg, <strong>de</strong>r sich u. a. in <strong>de</strong>r Verbreitung<br />

ei ner regionalen Gruppe ve rzierter Keramik erkennen läßt (" Bo<strong>de</strong>nsee-Donaugruppe").<br />

"Das Vorkommen von dort herge teilten Gefäßen a m südlichen<br />

Oberrhein läßt sich mit <strong>de</strong>r sei t römischer Zeit genutzten Schwarzwaldstraße<br />

erkl ä ren, die vom Rhein her kommend über Riegel und Kirchzarten ..... auf die<br />

Ba a r führt." (U . Gross).<br />

6. Während <strong>de</strong>r ganzen Karolinge rze it gab es "schwarzwaldübergreifen<strong>de</strong>n<br />

A<strong>de</strong>lsbe itz", zu <strong>de</strong>s en grundherr chaftlicher und administra ti ver Verklammerung"<br />

über ein e so la nge Zeit a uch eine direkte Verbindung "zwi chen <strong>de</strong>m<br />

Zartener Becken und <strong>de</strong>r Gegend um Löffingen und Hüfingen" notwendig<br />

war. "Gab es eine Straße a us römischer Zeit, so dürften di e Grafen .... .für<br />

Lhre Unterhaltung ge orgt haben; einen eubau ..... wird man dagegen kaum<br />

ve rmuten, weil er in <strong>de</strong>n Quellen <strong>de</strong>r Zeit wa hr cheinlich doch seine Spuren<br />

hinterl assen hätte." (M. Borgolte).<br />

Abb. 10: Eiserner Sporn <strong>de</strong>r späten Merowingerzeit (7. Jahrhun<strong>de</strong>rt nach ehr.),<br />

Fundort Dittishausen. L. 13,0 em.<br />

56


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Denk mal an Elisabeth!<br />

Spuren <strong>de</strong>r Fürstenbergischen "Fürstin teutscher Frauen"<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 59 - 76<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Rugo SiefeIt<br />

"Wir verbin<strong>de</strong>n eine Ära immer mit <strong>de</strong>m<br />

amen eines Mannes", lautete einma l<br />

Joachim Egon Fürst zu Fürstenbergs<br />

Antwort auf die Frage <strong>de</strong>s ZEITmagazin<br />

I, warum seine 1767 in Regensburg<br />

als M a ri a Elisa beth Al exandrina Augusta<br />

Ca ro lina Josepha Walburga Prinzessin<br />

von Thurn und Tax is ge borene - ein vii<br />

e<strong>de</strong>l magedin2 hätte sie ve rmutlich <strong>de</strong>r<br />

Jäger und Sammler ] oseph von Laßberg<br />

nach <strong>de</strong>m Vorbild <strong>de</strong>r jungen Kriemhild<br />

genannt - und 54-jä hrig in H eiligenberg<br />

gestorbene Ahnin Fürstin Elisa beth in<br />

<strong>de</strong>r Familiengeschichte gar ni cht gut<br />

wegkomme.<br />

Die J o urnalistin glaubte nä mlich<br />

beobachtet zu haben, dass Frauen a llgemein<br />

in <strong>de</strong>r Historie <strong>de</strong>r Fürstenberger<br />

nicht zählten und dass die schon mit<br />

einunddreißig Jahren Witwe gewor<strong>de</strong>ne Heiligenberger Gruft (Foto: H. Siefert).<br />

" Fürstin teutscher Fra uen" (Laßberg) im<br />

Be on<strong>de</strong>ren wa hrscheinlich wegen ihres " be<strong>de</strong>nklichen Lebenswan<strong>de</strong>ls" und <strong>de</strong>r<br />

" innigen Freundschaft" 3, <strong>de</strong>r Mesa lliance mit Laßberg lin ks liegen gelassen wer<strong>de</strong>.<br />

Dabei gehöre ihr doch ein Denkmal 4 gesetzt.<br />

Fürstenbergisches Ge<strong>de</strong>nken und Erinnern<br />

M an stelle sich nun einen unkundigen Pfa dfin<strong>de</strong>r vor; seinen Streifzug und d.ie<br />

Suche nach Zeugni ssen <strong>de</strong>r Fürstin beginnt er in Dona ueschingen. Wenn diese 1809<br />

beson<strong>de</strong>rs aufmerksam <strong>de</strong>n Au bau <strong>de</strong>s Fürstlich Fürstenbergischen Parks samt<br />

Schwanenweiher durch Oberba uamtsdirektor Joseph vo n Auffenberg 5 verfolgt hat,<br />

könnte sich doch <strong>de</strong>r "etwas süßliche, im Zeitgeschmack "6 vo n Franz Xaver Reich<br />

entworfene und danach gegos ene Grabengel a uf <strong>de</strong>r Elisa betheninsel auf die<br />

Fürstin bezi ehen? Fehl anzeige. Die buchstäblich isoliert platzierte und im Stil von<br />

M emento mori gesta ltete, an Winckelmanns I<strong>de</strong>a l "edl er Einfa lt und stiller Größe'<br />

sich orientieren<strong>de</strong> Figur verwei t auf <strong>de</strong>n frühen Tod (1861) von Elisabeth H enriette,<br />

<strong>de</strong>r Gemahlin ihres Enkel Ka rl Egon IIl.<br />

59


Stein gewor<strong>de</strong>ne Legen<strong>de</strong>n sein können und dass Elisabeths Sohn H ermann von Liebenau<br />

1862 "Zeit und Tat" die es sagenhaften I ationalh el<strong>de</strong>n und Kämpfers von<br />

Sempach (1386: " Der Freiheit ei ne Gas e!") beschrieben und ihr Luzerner Enkel<br />

Theodor vo n Liebenau <strong>de</strong>rselben Schlacht 1886 ein Ge<strong>de</strong>nkbuch gewidmet hat,<br />

übrigens genau zwanzig Jahre nach seiner kurzen Tätigkeit im EE Archiv Donaueschingen<br />

.<br />

Weitere Fährten verla ufen nach 1 eu dingen und nach Hei ligenberg, wo Laßberg<br />

mit Elisabeth eine Weile in <strong>de</strong>m arg vernachlässigten und <strong>de</strong>swegen heruntergekommenen,<br />

aber von <strong>de</strong>r Fürstin nach und nach wie<strong>de</strong>r hergerichteten Schloss<br />

wohnt; in seiner Gruftkapelle wird sie nach ihrem Tod beigesetzt. Seltsamerwei e<br />

nicht an <strong>de</strong>r Seite ihres Ehemannes.<br />

Der ,am 25ten Merrz 1799 in <strong>de</strong>r siegreichen Schlacht von Liptingen gefallene<br />

K.K.EM.L. [Kaiserlich-Königliche Feld-Marschall-Leutnant, H.S.] Karl Aloys fin<strong>de</strong>t<br />

nach vorübergehen<strong>de</strong>r Aufbahrung im H au <strong>de</strong>r (heutigen) Oberen Apotheke<br />

an <strong>de</strong>r Srockacher Hauptstraße seine (vor) letzte Ruhe auf <strong>de</strong>m dortigen "Gottesaker",<br />

wird danach aber nicht nach Hei ligenberg, son<strong>de</strong>rn 1856 nach eudingen<br />

in di e vo n Franz Xaver Reich und Adolf Heer mit Steinbildwerken ausgestattete und<br />

gera<strong>de</strong> fertiggestellte EE Gruftkirche übergeführt; an ihrer südlichen Außenwand<br />

verweist eine Tafel auf die von seinem Enkel Kar! Egon IlI. veranlasste Umbettu<br />

ngsa ktion.<br />

Gegenüber entlang <strong>de</strong>r Mauer <strong>de</strong>s Maria-Hof-Parks, sind fürstenbergischen<br />

Hofleuten Denkmäler gesetzt: <strong>de</strong>m 1820 gestorbenen EE H ofrat und H ofzahlmeis-<br />

Heiligenberger Gruft (Foto: H. Siefert).<br />

61


,Furstin teutscher Frauen"<br />

Stuttgart wird, wo seine Gegner <strong>de</strong>n für seine Reiselust und sein unstetes Wesen<br />

bekannten Künstler gelegentlich abschätzig einen "Soldatenmaler" sch impfen.<br />

In <strong>de</strong>m Brief " Meersburg <strong>de</strong>n 4ten Mai 1842" äußert sich das westfälische<br />

E<strong>de</strong>lfräulein Annette von Droste-Hülshoff an Levin Schücking, <strong>de</strong>n Sohn ihrer dichten<strong>de</strong>n<br />

Freundin, zu ihrem Besuch Tage zuvor:<br />

Laßberg hat mich nach Heiligenberg geriihrt, - eine kalte, schlechte Parthie!<br />

- überall nichts Merkwürdiges dort zu seIm; das Schloß recht schön, aber gewöhnlich<br />

die Anlagen unbe<strong>de</strong>utend, Regenwetter, die Aussicht völlig bewölkt, in <strong>de</strong>n leeren<br />

Sälen eine wahre Kellerlurt, u/ld obendrein musste ich <strong>de</strong>n ganzen Tag die Kin<strong>de</strong>r<br />

hüten, weil j enn)' zu Hause geblieben war. Laßberg dagegen war höchst bewegt,<br />

was mich halb stieß, halb rührte. Er führte mich durch alle APPARTEME TS, die<br />

seine Fürsti/111nach einan<strong>de</strong>r bewohnt, zog alle Schiebla<strong>de</strong>n los, die sie gebraucht,<br />

und berührte, ich möchte sagen liebkoßte Alles, was er als ihr (1-üheres Eigenthum<br />

erkannte.<br />

Endlich, in einem kleinen Kabinette, fragte ich ihn: » Wo ist die Fürstinn Elisabeth<br />

gestorben?« ich meinte, es sey in Italien gewesen. Da sah er mich starr an;<br />

legte die Hand in eine kleine Mauernische neben uns, sagte: »Hier! hier lag ihr<br />

Kopf! « und hinkte fort, so schnell er konnte. 10<br />

Mit ein paar Gesten und fünf Worten beantwortet al 0 <strong>de</strong>r Hausherr die<br />

Fragen nach <strong>de</strong>r vor zwanzig Jahren gestorbenen Fürstin und Geliebten, an <strong>de</strong>ren<br />

To<strong>de</strong>stag 21. Juli er alljährlich nach se inem "sibirischen " H ei ligenberg pilgert.<br />

Pürglitz (Foto: Archiv <strong>Baarverein</strong>).<br />

63


Zweife ll os ist das Wasserkunstwerk vor <strong>de</strong>r Schl ossanlage ni cht <strong>de</strong>r Fü rstinbrunnen,<br />

wie <strong>de</strong>r flü chtige Leser <strong>de</strong>r beigefügten chriftlichen Erl ä uterung annimmt.<br />

Der Fürstenbrunnen samt zweier ihn fl a nkieren<strong>de</strong>r "Egoni<strong>de</strong>n" (a us Franz Xaver<br />

Reichs Werk tart) feiert ein doppeltes Fa milienfes t, eine Vermä hlung und ein Ehejubilä<br />

um 11 und etwa a bseits davon ha t schließlich die Gemein<strong>de</strong> H eiligenberg<br />

ihrem Ehrenbürger Fürst Joachim Egon nach <strong>de</strong>ssen Tod 2002 ein en Ge<strong>de</strong>nkstein<br />

errichtet.<br />

... Schwer empört schall ich das wil<strong>de</strong><br />

Denkmal wil<strong>de</strong>r Menschenart .. .<br />

di chtet <strong>de</strong>r Wa hl-Dona ueschinger Jo eph Victor von Scheffel, als er bei seiner<br />

Reise durch di e Wacha u di e hoch über <strong>de</strong>r Dona u thronen<strong>de</strong> Burgruine Aggstei n<br />

bes ucht. Wer heute die berühmte Ku enringer Veste besteigt, ent<strong>de</strong>ckt beim Gang<br />

durch ein Gewölbe, wo eine Puppen pa ra<strong>de</strong> die N ibelungensage nachzuerzä hl en ve rsucht,<br />

a uch die Abbildung einer an<strong>de</strong>ren berühmten Burg, von <strong>de</strong>r es heißt, trotz<br />

ihrer Be<strong>de</strong>utung (noch) nicht da Prädika t Weltkulturerbe zu besitzen: Pürglitz o<strong>de</strong>r<br />

Bürglitz o<strong>de</strong>r Krivokl at.<br />

Also: Au f nach Tschechi en! Ab nach Kfi vokl a t, um zu erfa hren, warum do rt<br />

ein e Spur zu Eli a beth führt. Denk würdig i t nämlich, dass die Fürstin am 1. Janua r<br />

1805 in die bes tehen<strong>de</strong> F. E Bi bli othek <strong>de</strong>r im letzten Vi ertel <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

an di e Herr chaft Für tenberg übergegangenen und bis 1918 ihr gehören<strong>de</strong>n ehema<br />

li gen König burg ein neues F. E Archi v integriert, das böhmisch-fürstenbergische<br />

Akten sichten und sa mmeln soll und das (a ls heute t chec hi sches Gebietsa rchi v)<br />

neben a n<strong>de</strong>ren für tenbergischen Drucken a uch <strong>de</strong>n " H el<strong>de</strong>ntod <strong>de</strong> Fürsten Alois<br />

Fürsten und Fürstenberg Feldma rschal ... (Prag 1799)" und die "Re<strong>de</strong> an di e Z öglinge<br />

<strong>de</strong>s Waisenhau es bei <strong>de</strong>n Exequien für Se. Durchl a ucht <strong>de</strong>n Fürsten von Fürstenberg<br />

gehalten von [<strong>de</strong>m ehema li gen Prä mo nstratenser, Illuminaten und J 807<br />

ge torbenen Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r böhmischen a ti o na lbibliothek, H.S.] Karl Ra phael<br />

Unga r ... (Prag 1799)" a ufbewahrt.<br />

H a n<strong>de</strong>lt sie dabei ni cht im Sinne <strong>de</strong>r heiligen Wibo rada (t 926)? " Rette die<br />

Bücher zuerst! " hatte nä mlich d ie von Ekkeha rd L (910-973) und von cheffel als<br />

" die letzte <strong>de</strong>r letzten im Dienste <strong>de</strong>s Hochthronen<strong>de</strong>n" gepriesene böhmische<br />

Schutzpatronin <strong>de</strong>r Bibliotheken ein t <strong>de</strong>n Abt ermahnt, als die Unga rn da Kl oster<br />

Sr. Ga llen zu stürmen begannen. Elisa beth Initiati ve, ein Beweis da für, wie energisch<br />

ie ich als Vormund ihres Sohnes nicht nur ihrer (politischen) Regentschaft<br />

widmet, erinnert überdies a n Anna Ama lia von Sachsen-Weima r-Eisenach und<br />

<strong>de</strong>ren Fö r<strong>de</strong>rung von Kunst und Wissenschaft. Ein Denkmal schafft sich Elisabeth<br />

selbst, wenn a uch kein es in Stein o<strong>de</strong>r Bronze.<br />

Dieses bekom mt ih r Schwiegerva ter Ka rI Egon 1. (J 729-1787), erster Präsid ent<br />

<strong>de</strong>r Böhmischen Ge eil chaft <strong>de</strong>r Wissenschaften. Sie bea uftragt 1858 K. Svoboda und<br />

E. M ax, eine Bü te zu gießen und sie in einem neugoti chen, vierzehn M eter h ohen<br />

mehrtürmigen (und später a bge ba uten) Tempelchen a ufzurichten, das ein wenig wie<br />

das von Fridolin Fechtig und Ka r! Jo eph Berckmüller ge chaffene und 1835 enthüllte<br />

kl ein ere Johann-Peter-H ebel-Denkma I im Ka rl sruher Schlossgarten a ussieht.<br />

64


Wer heute nach Überqueren <strong>de</strong>r Brücke über di e Beraun in Richtung Rozroky<br />

zu <strong>de</strong>m "öffentlichen Denkma l" <strong>de</strong>s Fürsten hinaufspaziert, mag innehalten und<br />

sowohl ei nes be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>r ammlers und Büchernarren als auch <strong>de</strong>r Für tin<br />

Elisa beth ge<strong>de</strong>nken, die vis-a-vis mehr als eine Spur hinterlassen hat.<br />

Das Denkmal und sein Schicksal<br />

H abent sua fata libelli. Wahrlich: Bibliotheken ha ben ihr Schicksa l, wovon<br />

Donaueschingen ein Lied singen kann. Denn die Geschichte <strong>de</strong>r Hofbibliothek <strong>de</strong>r<br />

Lassbergischen Büchersammlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bibliothek <strong>de</strong>s <strong>Baarverein</strong>s hat die Gemüter<br />

hefti g erregt, über di e Baar hinaus.<br />

Hiesige n Denkmälern ergeht es ähnlich. Die einen setzt man um: Das Lesin<br />

g<strong>de</strong>nkmal im Park wird von <strong>de</strong>r (späteren) Engelinsel gewissermaßen aufs Festland<br />

ve rpflanzt. Der Kai erbrunnen auf <strong>de</strong>m Rathausplatz weicht einer Verkehrsinsel<br />

mit Wegweiser, <strong>de</strong>r ba ld vo n einer Straßenlaterne ersetzt wird. Grundlos<br />

geköpft - mittlerweile ist Wilhelms r. Büste verschwun<strong>de</strong>n - ruft er an chließend an<br />

<strong>de</strong>r Dürrheimer Straße unweit <strong>de</strong>r Sebastianskapelle die Erneuerung <strong>de</strong>r Wasserve<br />

rsorgung ins Gedächtnis, muss jedoch 2007 im Depot <strong>de</strong>s Bauhofs <strong>de</strong>n Abschluss<br />

<strong>de</strong>r Straßenarbeiten vor <strong>de</strong>m Fe uerwehr- und Rot-Kreuz-Haus abwarten.<br />

Während <strong>de</strong>r Fasnet-Hansel mit Brunnen vom Standort vor <strong>de</strong>r Städtischen<br />

Lesehalle und neben <strong>de</strong>r einige unselige Jahre lang hier arbeiten<strong>de</strong>n Geschäftsstelle<br />

<strong>de</strong>s ati onalsozia listi schen Kraftfahrko rps SKK an die Stelle <strong>de</strong>r längst abgerisenen<br />

Bäckerei Schaller und von dort 1988 auf <strong>de</strong>n Platz gegenüber <strong>de</strong>r Hofapotheke<br />

wan<strong>de</strong>rt, steht Franz Xaver Reichs Steinbildwerk <strong>de</strong>r versonnen auf die junge<br />

Dona u vor ihr blicken<strong>de</strong>n Mutter Baar zuerst an <strong>de</strong>r Donauquelle und geht dann<br />

regelrecht a uf Tournee: Es macht später <strong>de</strong>r jetzigen, von Adolf Heer geschaffenen<br />

Skulprurengruppe Platz, nimmt dann im Park beim Fischhaus die Stelle ein, wo sich<br />

erstmals Breg- und Brigachwasser zu Donauwasser mischen, wird für kurze Zeit im<br />

Limbertswinkel an die Mündung <strong>de</strong>r Stillen Musel in die Donau umquartiert, um<br />

schließlich am wahren Zu ammenfluss zu lan<strong>de</strong>n.<br />

An<strong>de</strong>re Monumente verschwin<strong>de</strong>n ga nz. Da und dort zeugen noch ein paar<br />

leicht ramponierte Plastiken vom Bildhauersymposion <strong>de</strong>s Jahres 1989. Aber wer<br />

weiß, was mit <strong>de</strong>m Wahnmal <strong>de</strong>s in Arno-Breker-Manier gehauenen Siegfrieds mit<br />

ge chultertem Schwert in <strong>de</strong>r ehema ligen Barbarakaserne an <strong>de</strong>r Ecke Hin<strong>de</strong>nburgr<br />

inglDürrheimer Straße geschehen ist. Vermutlich ist die martialische Figur <strong>de</strong>n<br />

siegreichen Franzosen und dama ligen Besatzern <strong>de</strong>rmaßen ein Dorn im Auge, dass<br />

ihre Be eitigung befohlen wird.<br />

Offenbar nichts auszusetzen haben die Okkupanten dagegen an <strong>de</strong>m Brunnen<br />

im Park <strong>de</strong>s mittlerweile zum Kultur<strong>de</strong>nkmal erhobenen und ga nz zivil-gewerblich<br />

genutzten " Fliegerlaza retts" am nahen Buchberg. Ein strenger französischer officier<br />

charge <strong>de</strong> La securite hätte <strong>de</strong>n mystischen Quell-Spruch vom Rand <strong>de</strong>r Brunnensc<br />

hale (o<strong>de</strong>r gleich <strong>de</strong>n ga nzen Brunnen) entfernen lassen und sich auf das Schreibve<br />

rbot für <strong>de</strong>n nach 1946 als " belastet" eingestuften [als "Aktivist", H.S.] Autor<br />

berufen können: <strong>de</strong>n im Dritten Reich hoch geschätzten Parteigenossen Erwin<br />

Guido Kolbenheyer (1878-1962).<br />

65


Und wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Buntsa ndstein <strong>de</strong>s kolossalen, nach 1945 hä ufi g von Kin<strong>de</strong>rn<br />

als Spielpl atz benutzten eigena rtigen Krieger<strong>de</strong>nkmals 1870/71 a n <strong>de</strong>r Kirch traße<br />

a n<strong>de</strong>rweitig dringend gebra ucht, um es kurze rhand zu schl eife n? O<strong>de</strong>r stimmt es,<br />

das - wie Bert Brecht <strong>de</strong>n Ph ys iker in <strong>de</strong>r dreizehnten Szene seines Stückes Leben<br />

<strong>de</strong>s Ga/ilei sagen lä st - das La nd unglücklich ist, "das H el<strong>de</strong>n nö ti g hat" ?<br />

Bestimmt hä rte sich <strong>de</strong>r Do na ueschinger nationa ll ibera le Abgeordnete und<br />

spä tere Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r badischen Zweiten Ka mmer Ludwig Kir ner (t 1876) dagegen<br />

ge\ ehrt, die gegen Fürst Ka rl Egon IlI. a usgetragenen Wa hlkämpfe und erfo lgreichen<br />

Ka ndidaturen (1868 für das Zollpa rl ament und 1871 fü r <strong>de</strong>n Reichstag)<br />

heroisch zu nennen. Für sein e H eimatstadt ha t <strong>de</strong>r H ofapotheker und zeitweilige<br />

Bürgermeister freilich a us vielen a n<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n ein Denkmal ve rdient. 1879 enthüll<br />

t, ze rstö rt a m 2. Ja nua r 1945 eine <strong>de</strong>r 4 6 a palmbomben <strong>de</strong> er ten schweren<br />

alli ie rten Lufta ngriffs das M onument gegenüber <strong>de</strong>m Ba hnhof, <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Z iel <strong>de</strong>r ttacke. Aussichtslo , es nach <strong>de</strong>m Kri eg w ie<strong>de</strong>rh erzustellen.<br />

M ehr a l ein halbe Ja hrhun<strong>de</strong>rt nach sein em Hel<strong>de</strong>ntod bekommt Fürst Karl<br />

Aloys ein ga nz unkriegeri ches Denkmal gesetzt. Auf <strong>de</strong>m Fürstenbü hl unweit <strong>de</strong>s<br />

Waldhofs zwischen Liptingen und Win<strong>de</strong>gg w ird 1 857 ein Ge<strong>de</strong>nkkreuz in Stein<br />

a ufge ri chtet und mit einem Meta llgitter kunstvoll eingezäunt, weni ger monumental<br />

al das Kreuz, da 1899 zur rinnerung a n die militärischen Erfo lge und ie<strong>de</strong>rl<br />

agen <strong>de</strong> russischen Feldmarschalls und Aloys' Mitstreiters gegen Nap oleon,<br />

Ale an<strong>de</strong>r Suworow, in di e Felsen <strong>de</strong>r Schö llenen Schlucht bei <strong>de</strong>r Teufelsbrücke<br />

geha uen wird .<br />

Diese G roßen im Kl ein en ge<strong>de</strong>nken überdies die Minoritinnen <strong>de</strong>s Kl osters<br />

St. Josef im Schwyzer Muota thal, wo <strong>de</strong>r ( pätere) "Generalli imus Suworof" zwei<br />

Tage im September 1799 nächtigt, in<strong>de</strong>m sie ein e Inschrift a n <strong>de</strong>r Außenwa nd<br />

ihres H a uses un weit <strong>de</strong>r Suworow-Brücke a nbringen und im Innern ein Suworow­<br />

Ge<strong>de</strong>nkzimmer einrichten. Wi e <strong>de</strong>r geschäftstüchtige Wirt <strong>de</strong> Gastha uses Post, in<br />

<strong>de</strong>ssen Suworow-Srube man di e Suworow-Sala mi a us <strong>de</strong>r M etzgerei drei H ä user<br />

we iter ves pern o<strong>de</strong>r al schmackhafte Souvenir nach <strong>de</strong>m M otto mitnehmen kann,<br />

dass ma nchmal a uch Erinnerung durch <strong>de</strong>n M agen geht.<br />

ln Dona uescllingen prei en eher unkriegeri ch und fa mi liär <strong>de</strong>r lrmabrunnen,<br />

di e Reichsche Skul ptur o<strong>de</strong>r die Adl ersäul e F.E Regentenpaa re; die e Denkmäler<br />

dienen <strong>de</strong>m An<strong>de</strong>nken a n Ehej ubiläen und an ka iserliche Be uche wie <strong>de</strong>r Di anabrunnen<br />

und <strong>de</strong>r Donautempel. Außer<strong>de</strong>m können sich di e Betrachter von Büsten<br />

und Ge<strong>de</strong>nk tein en im Pa rk di e pl aneri schen und künstleri ch n Lei rungen von<br />

Rehmann o<strong>de</strong>r Ka ll iwoda ve rgegenwä rtigen, <strong>de</strong>m ma n da mit unter a n<strong>de</strong>rem für<br />

eine 184 3 komponi erte Fürstenberger Hym ne dankt:<br />

Hehr steht <strong>de</strong>r Fürst mit Mut und Kraft<br />

Für Recht lind Vaterland<br />

Darüber hina us w ird Elisabeths S hwiegertochter Ama lie mit <strong>de</strong>n Wo rten <strong>de</strong>s<br />

Texters Xaver Seema nn:<br />

66<br />

Und hold und m ild, <strong>de</strong>r Anmut Bild,<br />

Die Fürstin strahlt hervor


Erste Seite Cod.Don. A 1.2 (WLB Stuttgart).<br />

68<br />

Denk mal an Elisabeth


Spuren <strong>de</strong>r .. Fürstin teutscher Frauen"<br />

Für KARL SIEGFRIED BADERn ist Elisabeth die herausragendste Fürstenbergin<br />

<strong>de</strong>s 18./19. j ahrhun<strong>de</strong>rts, für MONICA KURZEL-Ru NTSCHEINER13 eine begabte Diplomatin<br />

und liebevolle Frau. Sie besitzt eine gute Portion <strong>de</strong>r klassischen Kardinaltugen<strong>de</strong>n<br />

Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung, viel von <strong>de</strong>n vier löblichen<br />

Damen, die seit PlatOn für sämtliche weitere Tugen<strong>de</strong>n wie etwa <strong>de</strong>n Mut und<br />

<strong>de</strong>n E<strong>de</strong>lmut, von alters her männliche Eigenschaften, verantwortlich sind, und die<br />

in Goethes Epos Hermann und Dorothea (VII, 124) gefor<strong>de</strong>rte Demut, "<strong>de</strong>nn durch<br />

Dienen allein gelangt (die Frau) end lich zum Herrschen"14. Der Zorn - ein zumin<strong>de</strong>st<br />

grammatikalisch ein<strong>de</strong>utig männliches Element - gehört zwar nicht in diese süße<br />

Schau tugendhaften Seins. Dennoch fin<strong>de</strong>t er sich bei <strong>de</strong>r Fürstin genauso wie die<br />

Rebellion, das Auflehnen gegen a lles, was einengt, unfrei und abhängig macht.<br />

Ein Leben in Romantik und Bie<strong>de</strong>rmeier<br />

Die Fürstin - eine Frau <strong>de</strong>r Romantik l 5 und <strong>de</strong>s Bie<strong>de</strong>rmeier? Als romantisch kann<br />

ihre Kaiseri<strong>de</strong>e gelten, ihre Liebesheirat mit Fürst Karl Aloys, ihr Verhältnis mit <strong>de</strong>m<br />

verheirateten Laßberg ' 6, das <strong>de</strong>r Liebe <strong>de</strong>r Droste zu Levin Schücking se hr äh nelt<br />

und überhaupt <strong>de</strong>r Kampf zwi chen Pflicht, Treue sowie rückhaltloser und rücksichtsloser<br />

Liebe.<br />

Darüber hinaus typisch bie<strong>de</strong>rmeierlich ist ihre mit <strong>de</strong>m Bibliophilen geteilte<br />

und unter an<strong>de</strong>rem ihrer EnkeltOchter, <strong>de</strong>r Schweizer Schriftstellerin und Philanthropin<br />

Anna von Liebenau (1847-1915) vererbten Liebe zu Büchern und die damit<br />

verbun<strong>de</strong>ne Lust zu lesen - Stoffe und Motive, di e Scheffel später im Ekkehard<br />

a ufgreift. Honni soit ... wer jetzt in <strong>de</strong>r Herzogin Hadwig eine Fürstin Elisabeth und<br />

in <strong>de</strong>m jungen Mönch einen joseph von Laßberg ' 7 gespiegelt sieht o<strong>de</strong>r wem Herzeloy<strong>de</strong><br />

in Wolfram vo n Eschenbachs Parzival 18 in <strong>de</strong>n Sinn kommt. O<strong>de</strong>r ihre ichte<br />

Sigune. Das Gralsfräulein wird erwachsen, wird lesefrohe und schreibfreudige<br />

frouwe, die erhobenen Hauptes und selbstsicher endlich "ich" sagen kann l9 .<br />

Romantisch sind wohl Elisabeths organisch-dynamische aturauffassung,<br />

mit <strong>de</strong>r sie sich bemüht, <strong>de</strong>m EE Park Gestalt und Gehalt zu geben, ihre Sehnsucht<br />

nach Geborgenheit, Freundschaft und Gemeinschaft, ausgedrückt in <strong>de</strong>r Sprache einer<br />

uns frem<strong>de</strong>n, fremd gewor<strong>de</strong>nen Welt, mit Worten, <strong>de</strong>ren Pathos heute kaum<br />

einen mehr bewegt: rein und heilig; Seele und " seeligkeit"; Herz und Entzücken;<br />

heiliger Genuss und Wonne; heilige Pflicht.<br />

Eli abeth vermag mit zwei Stimmen zu sprechen. In Liebesbriefen gibt sie<br />

ihre manisch-<strong>de</strong>pressiven Stimmungen wie<strong>de</strong>r, in nüchternem Kanzleistil protokolliert<br />

sie Verhandlungen und korrespondiert als Regentin o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>monstriert - wie in <strong>de</strong>m<br />

Brief an <strong>de</strong>n <strong>Baarverein</strong> 20 - vehement ihren Patriotismus, und das eine Woche nach<br />

<strong>de</strong>r Katastrophe von Jena und Auerstedt.<br />

TU FELIX FUERSTENBERG NUBE<br />

Nicht einfach für die 31-Jährige, als gesetzliche Vertreterin für ihren erst zweijährigen<br />

So len Erbprinz Kar! Egon II. neben <strong>de</strong>m nach Reichsrecht amtieren<strong>de</strong>n Vormund<br />

joachim Egon Landgraf von Fürsten berg-Weitra zu fungieren und sich 1805<br />

in Donaueschingen mit <strong>de</strong>m EE Regierungspräsi<strong>de</strong>nten Joseph Kleiser von Kleisheim<br />

auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

69


lisabeth<br />

Im selben Jahr nimmt sie mit <strong>de</strong>r Kantonsregierung von Schaffhausen Kontakt<br />

auf mit <strong>de</strong>r Bitte, sich beim eid genö i ehen Landamann für die Erhaltung eines<br />

eigenstä ndigen fürstenbergi ehen taares einzuserzen. Die Schweizer können jedoch<br />

<strong>de</strong>m Fürstenha us und seinen mehr als 90 000 Untertanen ebenso wenig helfen w ie<br />

<strong>de</strong>r ö teITeichische Ka iser, <strong>de</strong>m die in zwischen am Dona ueschinger Hof als<br />

La n<strong>de</strong>sadministratorin selbst die Zügel Führen<strong>de</strong> im Sommer 1814 in Schaffhausen<br />

ihr Anliegen vorträgt.<br />

uf <strong>de</strong>m Wiener Kongres verha llt in<strong>de</strong>s ihr mutiges Plädoyer für eine neues<br />

<strong>de</strong>utsche Kaiserreich. Und ein souveräner EE Staat ist in wei te Ferne gerückt.<br />

Trotz<strong>de</strong>m bekommt Für tenberg auf Vermittlung <strong>de</strong>r badischen Erbgroßherzogin<br />

und A ltesse imperiale Stephanie ei n paar Priv ilegien gesichert. Vor a llem a ber kann<br />

jetzt Elisabeth ihrem ,,]u suf" Laßberg <strong>de</strong>n Weg ebnen für die Hebung einer<br />

begehrten a lt<strong>de</strong>utschen chätze 1 1 .<br />

, Vom Vater hab' ich die Statur, / Des Lebens ern tes Führen." Treffen auf Elisabeth<br />

ni cht Goethes Verse (a us <strong>de</strong>n "Sprüchen") zu? Vom Großvater ]oseph Wi lhe1m<br />

Ernst zu Fli rstenberg und vom Vater Erbgeneraloberstpostmeister Alexan<strong>de</strong>r Ferdinand<br />

von Thurn und Taxis, bei<strong>de</strong> kaiserliche Prinzipalkommissare am Immerwähren<strong>de</strong>n<br />

Reich tag zu Regensburg, könnte sie ihre Unerschrockenheit und ihr<br />

elb tbewusstsein haben. "Die Frohnatur / Und Lust zu fabulieren", die Liberali tät,<br />

das Eingehen a uf an<strong>de</strong>re wohl von Mutter Maria H enriette zu Fürstenberg, als<br />

Achtzehnjährige nach Charlotte Loui es Tod dritte Ehefrau ihre Vaters gewor<strong>de</strong>n<br />

und von ihr 1767 zur Welt gebracht n .<br />

päter betreibt die da diplomatische Geschäft gut beherrschen<strong>de</strong> Elisabeth<br />

selbst eine weniger komplizierte, doch umso klügere H eira tspolitik nach habsburgischem<br />

Vorbi ld: TU FELIX FÜRSTE BERG NUBE. Die Verlobung ihres 1817<br />

vo llj ä hrig gewor<strong>de</strong>nen Sohnes Karl Egon n. mit <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r morga natischen Ehe<br />

<strong>de</strong> badischen Großherzogs mit <strong>de</strong>r Gräfin Hochberg hervorgegangenen Amalie<br />

C hristine, di e auf Elisabeths Geheiß rechtzeitig zur badi ehen Prinze sin erklärt<br />

wird knüpft nämlich ein 1824 regelrecht in einer Allianz gefe tigtes <strong>Band</strong> zwischen<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Häusern Fürstenberg und Ba<strong>de</strong>n.<br />

Albumblätter für Elise<br />

Das 1795 gedruckte Gedicht Friedrich Schillers Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Frauen hat <strong>de</strong>r noch in<br />

StLtttgart komponieren<strong>de</strong> Meßkirch-Für tenberger Conradin Kreutzer 1814, also<br />

Jahre vor seinem Dienstantritt in Donaueschingen (am 20. eptember 1818) verrant<br />

B . Ehrfürchtig widmet er es einer " Durchlauchtigsten Für tin ", singt von<br />

Frauen, die ,<strong>de</strong>n Zepter <strong>de</strong>r Sitte" <strong>de</strong>r Sittlichkeit führen, ohne die eine Frau in <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft d ieser Zeit keinen Platz hat. Ein klein es Albumblatt Für Elise - di eses<br />

Mal nicht von Beethoven.<br />

Von <strong>de</strong>m ei nst blühen<strong>de</strong>n verglichen mit <strong>de</strong>n Höfen in Mannheim o<strong>de</strong>r München<br />

eher provinziellen Musenhof an <strong>de</strong>r Donauquelle, ist wenig übrig ge blieben.<br />

Ihr Sohn Kar! Egon Il. kann jedoch <strong>de</strong>n Vorhang <strong>de</strong> seit 1812 geschlo senen<br />

H oftheaters wie<strong>de</strong>r öffnen und <strong>de</strong>n Spiel betrieb musikali sch etwa mit Conradin<br />

Kreurzer und Johann Wenzel Kalliwoda und li terarisch mit <strong>de</strong>m Hofdichter Ka r!<br />

Egon Eben wie<strong>de</strong>rauAeben Iassen 14 .<br />

70


Spuren <strong>de</strong>r uF··<br />

Auch das zweite Schiller-Kreutze r-Li ed 25 , mit Kl eistschen Ach s gespickt, di e<br />

die Sehnsucht affektreich a usdrücken, besingt di e " La n<strong>de</strong>sMutter" . Beid e Werke<br />

ver chwin<strong>de</strong>n für la nge Zeit von Bühne und Podium, bis sie a ls kl eine Eh rbezeigung<br />

für die Fürstin bei <strong>de</strong>n Dona ueschinger Musiktagen 1936 erneut erklingen.<br />

Lange wun<strong>de</strong>rliche Schläferstündchen<br />

Die beid en vorletzten Spuren en<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n La n<strong>de</strong>sbibliotheken. Mit <strong>de</strong>r Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Sieben Schlaefer. / aus <strong>de</strong>m Englischen <strong>de</strong>s } .c. Rich zu Bagdad iibersezt von<br />

<strong>de</strong>r Furstin Elisa zu Fiirstenberg, gebornen Fürstin v. Thurn und Taxis. / Wien. / Im<br />

Hornung 18 75 / Aus <strong>de</strong>n Fundgruben <strong>de</strong>s Orients 26 verwahrt die Württembergisehe<br />

ein litera ri sches Klein od. Die Legen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r sieben über a n<strong>de</strong>rthalb Ja hrhun<strong>de</strong>rte<br />

schlummern<strong>de</strong>n, die Christenverfo lgung durch Kaiser Decius <strong>de</strong>s Ja hres 250<br />

ve r chl afen<strong>de</strong>n und etwa zweihun<strong>de</strong>rt Ja hre später mit rosenblütigem Gesicht vlU n<strong>de</strong>rsam<br />

wie<strong>de</strong>r aufwachen<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r M aximian, M a lchus, M a rtinia n, Dionys ios,<br />

Johannes, Sera pion und Constantin ("Siehe, wi r sind wahrlich a ufersta n<strong>de</strong>n und<br />

leben") a u Ephesos ge fä llt <strong>de</strong>r Fürstin sichtlich. Recht kritisch betrachtet sie di e<br />

Text- und Rezeptionsgeschichte; si e verweist a uf Schwierigkeiten beim Übersetze n<br />

und macht sich Gedanken über di e ersta unlichen Para llelen christlich-islamischer<br />

H eiligenverehrung, über di e ve rsöhnlich stimmen<strong>de</strong>n Gemeinsa mkeiten <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Religio nen überhaupt.<br />

Die Schreiberin hat ihre Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r im orienta lischen Milieu spielen<strong>de</strong>n<br />

geheimn isvo llen Begebenheit, von <strong>de</strong>r wegen sein er Da rstellung <strong>de</strong>r Tugen<strong>de</strong>n <strong>de</strong><br />

Gla ubens, <strong>de</strong>r Demut und <strong>de</strong>r H offnung (a uf die Auferstehung von <strong>de</strong>n Toten) ein<br />

gewisser Z a uber ausgeht. Und an <strong>de</strong>r ungekünstelt unbekümmerten Erzählwei e,<br />

<strong>de</strong>r Mischung von Scherz lind Ernst - <strong>de</strong>r miterweckte M alchus fällt beim Einka ufen<br />

in <strong>de</strong>r Stadt da mit a uf, dass er das Brot mit längst ni cht mehr gültigen Münzen<br />

beza hJ en will- also a m Unterhaltsa men und Erba uli chen <strong>de</strong>s Textes.<br />

Fraglich ist da bei, ob di e fürstliche Übersetzerin schon einma l <strong>de</strong>r Illustra ti on<br />

mit <strong>de</strong>n in di e H öhle eingema uerten sieben M ärtyrer begegnet ist. Jenem Bild in <strong>de</strong>r<br />

1454 in Füssen entsta n<strong>de</strong>nen H andschrift mit elf Heiligenlegen<strong>de</strong>n, die 1794 vom<br />

Fürstenha us erwo rben, zweihun<strong>de</strong>rt Jahre später <strong>de</strong>m Land Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

überlassen wird 27 und mittlerweile in Karlsruhe liegt.<br />

Zufa ll o<strong>de</strong>r nicht: Seit Frühj a hr 1813 liest a uch Goethe in <strong>de</strong>n Fundgruben <strong>de</strong><br />

Orients und preist sie in <strong>de</strong>n oten und Abhandlungen als " herrliche Werk " 28. J. c.<br />

RI CHs Geschichte <strong>de</strong>r sieben Schläfer und Stoff sowie M oti ve <strong>de</strong>r Legen<strong>de</strong> beschäftigen<br />

ihn so sehr, das er sich im seibenja hr 1815, in <strong>de</strong>m Fürstin Elise die Legen<strong>de</strong><br />

ins Deutsche überträgt entschli eßt, mit einer eben fertig gestellten Balla<strong>de</strong><br />

Siebenschläfer <strong>de</strong>n Westöstlichen Divan erzählend a uskl ingen zu lassen: "Ja hre fli ehen,<br />

Jahre kommen, / Wachen endlich a uf die Kna ben" und <strong>de</strong>r Erzengel Ga briel<br />

ka nn di e Geretteten, "Achte waren's mit <strong>de</strong>m Hun<strong>de</strong>", gemäß <strong>de</strong>m Willen Gottes<br />

ins Paradies geleiten 29 .<br />

Wan<strong>de</strong>rer, kommst du nach Sparta ...<br />

" Des Schicksals Ruf, die Götter und mein Ruhm, / Mein Vaterla nd - sie for<strong>de</strong>rn<br />

meinen Tod" . Der 54-jä hrigen E lisabeth müssen diese Sä tze na he gegangen sein, die<br />

71


72<br />

"Sieben Schläfer" Ms. 117 118 v (BLB Karlsruhe).


her Frauen"<br />

Abscbiedswo rte <strong>de</strong> Spa rtanerkö ni gs Leonidas kurz vo r seinem aus ichtslosen<br />

Kampf gegen di e persische Übermacht an <strong>de</strong>n Thermopylen. Denn Ricbard Glove rs<br />

H el<strong>de</strong>ngedi cbt Leonidas ist letzte Lektüre vor ihrem Tod 30 .<br />

Z wa r wer<strong>de</strong>n Bücber auch gescbrieben, um zu beunrubigen, wachzurütteln ,<br />

M einungen umzustoßen, mit <strong>de</strong>m Elend di eser Welt zu konfrontieren und Verän<strong>de</strong>rungen<br />

bera uszufor<strong>de</strong>rn . Aber zeigen nicht Geschi chte und Literaturgescbicbte,<br />

dass sie ebenso eine emanziparori sche und therapeutische Kra ft haben können?<br />

In<strong>de</strong>m sie nämlich jeman<strong>de</strong>n am erzählten Schicksal an<strong>de</strong>rer Frauen, Leonidas'<br />

Gattin etwa, teilnehmen lassen, an einem vo n Trennung und Ab chied schmerz bestimmten<br />

Leben, das ba ld darauf im Tod en<strong>de</strong>t. Weise Ärzte sollen bin und wi e<strong>de</strong>r<br />

a ls Medizin da richtige Buch verschreiben, das <strong>de</strong>m Patienten a ufhilft 3 1 . Gena uer:<br />

Elisa beth mag ihr Sterben wie das <strong>de</strong>s Spartaners als Pflichterfüllung aus Vaterland<br />

liebe sehen und beeindruckt ein vom Lei<strong>de</strong>n und Schmerz <strong>de</strong>r Königin, mehr<br />

noch davon, dass und wie diese a lles überwin<strong>de</strong>t.<br />

O<strong>de</strong>r ve rsagt jegliche Thera pie und gibt sich di e rodkranke Leserin am En<strong>de</strong><br />

auf? Keine Thermopylen mehr! Die Schlacht ist geschlagen, bevor sie beginnt. Keine<br />

Sache mehr, die Ka mpf und Opfer (um und fü r <strong>de</strong>n ge liebten M ann Laßberg) lobnt.<br />

Bezeichnend ist ja, dass di e Fürstin kein a lt<strong>de</strong>utsches H el<strong>de</strong>nepos aus <strong>de</strong>r Laßberg­<br />

Sammlung als letzte Lektüre wählt, ni cbt Zeitgenössisches, nichts von Theodor<br />

Kö rner, <strong>de</strong>r 1812 seinen Freiheitskampf gegen <strong>de</strong>n vo n Elisa beth gehas ten N apoleon<br />

mi t <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Spa rtaner vergleicht:<br />

In <strong>de</strong>m blut'gen Tal <strong>de</strong>r Thermopylen<br />

Wo <strong>de</strong>r Griechen freie Scharen fie len,<br />

Grub in Mannor Ihrer Brü<strong>de</strong>r Dank:<br />

Wand/"el; sag's <strong>de</strong>n kin<strong>de</strong>rlosen Eltern,<br />

dass fürs Vaterland auf diesen Fel<strong>de</strong>rn,<br />

Spartas kühne H el<strong>de</strong>njugend sank<br />

M it ihrer Wertschätzung für das alte romantische Epos32 steht Elisa beth nicht<br />

a llein . Begeistert von Original und <strong>de</strong>r von ihr benutzten Übersetzung von Johann<br />

Arno ld Eben aus <strong>de</strong>m Jahr 1778 ä ußert sich ( chon 17<strong>51</strong> ) <strong>de</strong>r Lyriker <strong>de</strong>r Aufkl<br />

ä rung, Karl Wilhelm Ramler: flammend seien edle Ge innungen ausgedrückt, was<br />

ihn an Kl opsrock erinnere 33 . Und nicht nur das" Wo man singet, lass d ich ruhig ni e<strong>de</strong>r"<br />

sta mmt vom be<strong>de</strong>utendsten <strong>de</strong>ut chen Spaziergä nger Jo hann Gottfried Seume<br />

(1763-1810) In <strong>de</strong>m im Arrest entstan<strong>de</strong>nen Ged icht Das Opfer mit Glovers Vo rspruch<br />

La, they country caUs preist er <strong>de</strong>n H erakli<strong>de</strong>n Leonidas und seine Freiheitskämpfer;<br />

in <strong>de</strong>r Fu ßnote gesteht er, <strong>de</strong>r eng lische Auror sei sein absoluter<br />

Favorit; wä hrend seiner Gefangenschaft sei das Buch ein H ochgenuss gewesen und<br />

ha be ihm geho lfe n, di e Hoffnung a uf Freilassung nicht a ufzuge ben 34 •<br />

Offe nbar kommt es nicht nur darauf an, was gelesen w ird, son<strong>de</strong>rn wie und<br />

wann es gelesen wird, in welcher Ve rfassung, in welcher Stimmung - als Beichte<br />

etwa - und in welcher Lebenslage. Der Bl ick auf di e letzte Lektüre dreier Großer kann<br />

das zeigen. Auf Otro von Bismarcks Nachttisch neben <strong>de</strong>m Sterbebett liegt einzig<br />

ein <strong>Band</strong> mit Gedi chten vo n Friedrich Schiller 3S, <strong>de</strong>r die Menschen dichterisch aus<br />

73


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Der Barockbildhauer Adam Winterhal<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>r Baar<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 77 - 82<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Bernhard Kl eiser<br />

Eine Bildhauerfa milie mi t langer Traditi on ist di e Fa milie Winterhal<strong>de</strong>r. Über sieben<br />

Generati onen wur<strong>de</strong> das Bildhauerhand werk ausgeübt. Angefange n hat di e<br />

Bildha uerei im Schwarzwald mit Barrte Winterhald er. Er wur<strong>de</strong> um 1617 in Urach<br />

als Sohn <strong>de</strong>s Bauern Kaspar Winterha l<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Kalten H erberge gebo ren. Am 10.<br />

August 1638 heiratete er die H ofwin'le Ur ul a Hummel vom O berfa ltengrund in<br />

eukirch, <strong>de</strong>ren M ann Barrte Fa lter <strong>de</strong>r H exerei angeklagt und 1638 in Triberg als<br />

H exer hingerichtet wor<strong>de</strong>n war. Bartl e war bi s 1654 Bestän<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Oberfa llengrund<br />

für <strong>de</strong>n erbberechtigten Sti efsohn Georg Falter aus <strong>de</strong>r ersten Ehe seiner<br />

Frau. Schon vo r <strong>de</strong>r Heira t und auch als Ba uer hat er wohl oft und gern zum Schnitzmesser<br />

gegriffen und sich di e ersten Kenntnisse <strong>de</strong>s Schnitzens angeeignet. Des ha lb<br />

ga b er bereits mit 37 Jahren <strong>de</strong>n H of an seinen Stiefsohn Georg a b. un konnte er<br />

auf <strong>de</strong>m Leibgeding sich ganz <strong>de</strong>r Bildhauerei<br />

widmen. Er wur<strong>de</strong> ein gefragter<br />

und geachteter Bildhauer. Er sta rb am<br />

3. Juli 1680. Sein großes Verdienst war,<br />

da s er die Bildhauerkunst ni cht nur an<br />

seine zwei Söhne Konrad und Adam weitergab,<br />

son<strong>de</strong>rn durch seinen Sohn Konrad<br />

an die Bildhauerfamilie H a user in<br />

Kirchzarten und durch seinen Sohn Adam<br />

an die Familie Fa ller, <strong>de</strong>ren be<strong>de</strong>utendster<br />

Vertreter <strong>de</strong>r Barockbildhauer Matthias<br />

Fa ller (1707-1791) war. So wur<strong>de</strong><br />

Barrte Winterhal<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Bildhauerei im mittleren Schwarzwa ld .<br />

Ada m Winterha l<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> a ls<br />

Sohn <strong>de</strong>s Barrle Winterhald er um 1652<br />

in eukirch geboren. ach <strong>de</strong>r Lehrzeit<br />

bei seinem Vater ging er auf eine mehrjähr<br />

ige Wan<strong>de</strong>rschaft. Sie führte ihn über<br />

Ba ye rn nach Ö sterreich, wo in M ari azeU<br />

in <strong>de</strong>r Steiermark, <strong>de</strong>m größten Wa ll­<br />

fahrtsort Ö sterreichs, eine Arbeit, ein<br />

kl einer Altar, von ihm bezeugt ist. Nach<br />

seiner Rückkehr arbeitete er zunächst in<br />

<strong>de</strong>r Werkstatt seines Vaters. 1695 zog<br />

Der Auferstan <strong>de</strong>ne in <strong>de</strong>r Stadtkirche<br />

St. Johann in Donaueschingen<br />

(Foto: Erich Will mann).<br />

77


Winterhald<br />

Ada m Winterha ld er von <strong>de</strong>m abgelegenen Oberfa ll engrund in eukirch in das günsti<br />

ger gelegene fürstenbergische Städtchen Vö hrenbach. Hier grün<strong>de</strong>te er ein e eigene<br />

Bildha uerwerk tatt. 1696 heira tete er Elisabeth Sträubin von Vöhrenbach. Vo n<br />

<strong>de</strong>n fün f Kin<strong>de</strong>rn a us dieser Ehe ergriffen di e drei Söhne Anton ("· 1699, +1758 in<br />

Olmütz), Josef (,'-1702, +1 769 in Wien) und Johann Michael ("- 1706, +1 759 in<br />

Vö hrenbach) <strong>de</strong>n vä terli chen Beruf. Vo n Vö hrenbach a us eröffnete sich Adam Winterha<br />

l<strong>de</strong>r ein weites Arbeit feld. Seine Arbeiten sind in vielen Kirchen und Kapellen<br />

<strong>de</strong>s mittleren Schwa rzwalds und in <strong>de</strong>r Baar zu find en. Seine Werke in <strong>de</strong>r Baar sollen<br />

hi er vorgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Typi che Kennzeichen, a n <strong>de</strong>nen man die Skulpturen Adam Winterhal<strong>de</strong>rs<br />

erkennen ka nn, sind di e kräftigen Gewandbahnen und scha rfen Fa ltengrate. D er<br />

Mantel o<strong>de</strong>r das Kl eid ist über ein e chulter gelegt, wird um <strong>de</strong>n Leib geschlungen<br />

und über die Hüfte herumschwingend nach vorn geno mmen; <strong>de</strong>r Mantel a um fl attert<br />

o ft a uf, a m En<strong>de</strong> das Adam-typische " Ohr" bil<strong>de</strong>nd. Fein a usgearbeitet sind Bart<br />

und Haarlocken, meist bis zur Schulter ni e<strong>de</strong>rfli eßend o<strong>de</strong>r im acken aufrollend.<br />

Die er te urkundlich gesicherte Arbeit fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>r Stadtkirche St. Joha nn<br />

in Do na ueschingen. Im Ausgabenbuch <strong>de</strong>r Pfa rrei steht: " 0 20. <strong>de</strong>m Mahler<br />

wegen neugel1whlter auferstehung samt schlosser und an<strong>de</strong>rer arbeith laut Zettel<br />

zahlt 22ten May anno 1705 9 Gul<strong>de</strong>n 6 1/2 Kreuzer. NI' 21 <strong>de</strong>m bildhauer in<br />

Vöhrenbach wegen vermelt gemachtes bildtnus laut Zettel zalt <strong>de</strong>n 2ten Juli 1705<br />

8 Gul<strong>de</strong>n 8 Batzen 2 1/2 Kreuzer"!.<br />

Dieses "bildtnus" ist di e Ba rocksta tue <strong>de</strong> a ufersta n<strong>de</strong>nen C hristus von Adam<br />

Winterha l<strong>de</strong>r, das bema lt und mit einem eisernen H a ken versehen wur<strong>de</strong>; <strong>de</strong>nn<br />

H El ' Riet; FEU RSTEI N, Stadtpfarrer in D o na ueschingen, schreibt in seinem Kirchenführer:<br />

" Die alte Kirche besaß einen auferstan<strong>de</strong>nen Christus von 1705, <strong>de</strong>r an<br />

Ostern hochgezogen wur<strong>de</strong>, gefertigt von Ad. Winterhal<strong>de</strong>r in Vöhrenbach. Christus<br />

steht auf silbernen Wolken. H ebt die rechte Hand segnend empor, die linke umfaßt<br />

die Fahne. Er ist fast unbeklei<strong>de</strong>t, ein leichter churz be<strong>de</strong>ckt die Len<strong>de</strong>n, und<br />

ei11 weiter Mantel um <strong>de</strong>n linken Arm geschlungen fä llt in mächtigen Wellenfalten<br />

herab. Der Kopf ist von Locke11 umrahmt. Der Mund, in <strong>de</strong>m Zunge und Zähne<br />

sichtbar wer<strong>de</strong>n, ist zum Sprechen geöffnet". H eute steht di e e Figur von O stern<br />

bis Pfingsten über <strong>de</strong>m Tabern akel a m Hocha lta r.<br />

In <strong>de</strong>r Ka pell e in A llmend ho fen befind et sich ein Kruzifix von Adam Winterha<br />

i<strong>de</strong>r.<br />

M ehrere Aufträge verdankte Winterha ld er <strong>de</strong>m M agistrat <strong>de</strong>r Stadt Brä unlingen.<br />

Bis um 1700 sta nd vor <strong>de</strong>m ied ertor in Brä unlingen di e Siechen- o<strong>de</strong>r Ottilienkape<br />

ll e mit <strong>de</strong>m Bild <strong>de</strong>r heiligen Ottilie, di e a l Patro nin <strong>de</strong>r Blin<strong>de</strong>n, Pestkra nken<br />

und Siechen verehrt wur<strong>de</strong>. ach <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r neuen Ottilienkapell e wird di e<br />

a lte zur " Schächerka pelle", im Vo lksmund a ber nur ,' Kä ppele" genannt. Für di ee<br />

Kä ppele schnitzte Adam Winterha l<strong>de</strong>r im Auftrag <strong>de</strong>r Stadt "ein großes, e<strong>de</strong>l<br />

geha ltenes Kruzifix " und li eferte es a m 25_ Okto ber 1731. Der Ko pf mit <strong>de</strong>r D o rnenkro<br />

ne ist zur Seite geneigt und ruht a uf <strong>de</strong>m rechten Oberarm. Sehr pl astisch ist<br />

vor a ll em <strong>de</strong>r Brustbereich a usgearbeitet. Das Len<strong>de</strong>ntuch ist a uf <strong>de</strong>r rechten Seite<br />

mit ein er für Ada m typi chen Schl a ufe festgekno tet. D a Kreuz hä ngt heute im sog.<br />

Käppele a n <strong>de</strong>r traße nach Hüfingen_<br />

78


Die heutige Ottilienkapelle auf <strong>de</strong>m Bergle in ßrä unlinge n ist zwischen 1723<br />

und 1726 durch d ie Initiative weniger Bürger errichtet und am 30. September 1726<br />

ein geweiht wor<strong>de</strong>n. Die Ausstattung <strong>de</strong>s Kirchleins war anfangs sehr schlicht. Eine<br />

Bereicherung brachte eine Stiftung <strong>de</strong>s Magistrats au Anlass einer Viehseuche. Dieser<br />

ließ 1732 von <strong>de</strong>m Vä hrenbacher Bildhauer Adam Winterha l<strong>de</strong>r die Statuen <strong>de</strong><br />

ßauernheiligen Wen<strong>de</strong>lin und <strong>de</strong>s Pestpatrons Rochus anfertigen und in <strong>de</strong>r Kapelle<br />

auf teilen. Später schuf Adam noch die Statue <strong>de</strong>r hl. Ottilia.<br />

Maria und Johannes<br />

unter <strong>de</strong>m Kreuz in <strong>de</strong>r<br />

Pfarrkirche st. Hilarius<br />

in Hei<strong>de</strong>nhafen<br />

(Foto : Erich Willmann).<br />

79


erhal<strong>de</strong>r<br />

Im Heimatmuseum in Tannheim befin<strong>de</strong>t sich eine Kreuzigungsgruppe, di e<br />

wohl aus <strong>de</strong>m 1898 a bge brochenen Paulinerkloster in Tannheim stammt. Maria<br />

und Johanne ind un verkennbare Arbeiten von Winterhal<strong>de</strong>r.<br />

Um die Ausgestaltung <strong>de</strong>r Barockkirche vo n Peter Thumb in Mun<strong>de</strong>lfingen zu<br />

vervo llständigen überließ die Pfarrei Vöhrenbach <strong>de</strong>r Pfarrge mein<strong>de</strong> M un<strong>de</strong>lfin gen<br />

drei Statuen und vier Putten als Leihgaben, di e Adam Winterhal<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n alten<br />

Maria und Johannes<br />

unter <strong>de</strong>m Kreuz in <strong>de</strong>r<br />

Pfarrkirche st. Johann<br />

in Bad Dürrheim<br />

(Foto: Erich Willmann).<br />

80


in <strong>de</strong> aa<br />

Vöhrenbacher H ochaltar geschaffen hatte. Der hl. Johannes d.T. hält in <strong>de</strong>r linken<br />

Hand <strong>de</strong>n Kreuzstab und weist mit <strong>de</strong>r rechten auf das Lamm: Seht das Lamm Gottes.<br />

Der hl. Georg, <strong>de</strong>r Drachentöter, ist dargestellt als römischer Soldat mü Mantel,<br />

H elmbusch und in Stiefeln, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Drachen - <strong>de</strong>n Teufel symbolisierend -<br />

bekämpft und tötet. Johannes und Georg in <strong>de</strong>r typischen Adamsehen Gewandung<br />

stehen heute an einem Seitenaltar. Eine Oberfigur ist <strong>de</strong>r sehr beliebte und verehrte<br />

"Br ückenheilige" Johannnes Nepomuk (a us Pumuk in Böhmen), geklei<strong>de</strong>t als Domherr<br />

<strong>de</strong>s Prager Erzbischofs mit Birett auf <strong>de</strong>m Kopf und <strong>de</strong>m Kreuz in <strong>de</strong>r ausgestreckten<br />

H and.<br />

Für di e Kirche St. Mauritius in Döggingen schuf Winterhal<strong>de</strong>r eine Madonna<br />

und einen hl. Josef mit <strong>de</strong>m Jes uskind. Die ge krönte M adonna ist eine hoheitsvolle<br />

Himmelskönigin. Sie steht auf einer Wolke; auf <strong>de</strong>m linken Arm trägt sie Christus<br />

mit <strong>de</strong>r Weltkugel, in <strong>de</strong>r rechten H and hält sie das Zepter, auffa llend die reiche<br />

Stofffülle.<br />

In <strong>de</strong>r Pfarrkirche St. Johann in pfohren ist Adam W interhal<strong>de</strong>r mit mehreren<br />

Arbeiten vertreten. Sein Figurenschmuck <strong>de</strong>r a lten Kirche wur<strong>de</strong> in di e neue<br />

übernommen. Es sind die Figuren <strong>de</strong>s Kirchenpatrons, <strong>de</strong>s hl. Johannes d.T., <strong>de</strong>s<br />

Erzengels M ichael, <strong>de</strong>r Madonna im Strahlenkranz und <strong>de</strong>s auferstan<strong>de</strong>nen Christus<br />

mit <strong>de</strong>n fein gearbeiteten Bart- und Kopfhaaren. Ebenfa lls vo n Adam Winterhai<strong>de</strong>r<br />

sind die vier Putten.<br />

Z wei Kreuzigungsgruppen mit <strong>de</strong>n trauern<strong>de</strong>n Maria und Johannes a us <strong>de</strong>r<br />

Winterh al<strong>de</strong>r-Werkstatt sind auch in <strong>de</strong>r Baar vertreten, die eine in <strong>de</strong>r Pfarrkirche<br />

St. Hilarius in H ei<strong>de</strong>nhofen, di e an<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Pfarrkirche St. Johann in Bad Dürrheim;<br />

sehr au druck vo ll ist die Tra uer bei <strong>de</strong>r Schmerzensmutter in Dürrheim<br />

gestaltet. Auf <strong>de</strong>m Taufs tein in Bad Dürrheim steht ein eindrucksvoller Johannes in<br />

einem um <strong>de</strong>n Körper wirbeln<strong>de</strong>n Mantel.<br />

Für di e Pfa rrkirche St. Martin in Neuha usen bei Villingen wur<strong>de</strong> 1694 ein<br />

neuer H ochaltar gestiftet, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r damals noch in eukirch wohnen<strong>de</strong> Adam<br />

Winterhal<strong>de</strong>r schuf. In <strong>de</strong>r Mitte stand in einer Rundbogennische eine prächtige<br />

Mari enkrönung. Gottvater und Sohn krönen Maria mit Krone und Szepter, zu<br />

Füßen zwei typische Engelsköpfe. Es ist eine un verkennbare W interhal<strong>de</strong>r-Arbeit;<br />

z.B. fa llen an <strong>de</strong>n Köpfe n von Vater und Sohn di e aufgedrehten H aare bis in <strong>de</strong>n<br />

acken wie bei Johannes in Dürrheim. An <strong>de</strong>n Gewandsä umen befin<strong>de</strong>t sich das<br />

Adamsche " Ohr". 1886 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r alte H ochaltar du rc h einen in <strong>de</strong>r Bildhauerwerkstatt<br />

Marmon in Sigma ringen gescha ffenen neuen Altar ersetzt und <strong>de</strong>r alte an<br />

<strong>de</strong>n Sonnen wirt in Obereschach abgegeben, in <strong>de</strong>ssen "Käppele" die M arienkrönung<br />

sich heute befind et, zusammen mit einem Kreuz.<br />

Neben <strong>de</strong>r Marienkrönung stan<strong>de</strong>n links und rechts <strong>de</strong>r hl. Franziskus in <strong>de</strong>r<br />

dunkel braunen Mönchskutte und die hl. Dorothea mit <strong>de</strong>m Blumenkind, heute an<br />

<strong>de</strong>n Längswän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kirche; darüber <strong>de</strong>r Drachentöter St. Michael mit flammenschwert<br />

und Waage, heute an <strong>de</strong>r Emporebrüstung. Eine vergleichbare Marienkrönung<br />

ist in <strong>de</strong>r Pfa rrkirche in Frittlingen, Kreis Tuttlingen.<br />

Am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Baar begegnen wir Adam Winterhal<strong>de</strong>r in Rottweil. Er arbeitete<br />

1726/27 in <strong>de</strong>r damals vor <strong>de</strong>r Stadt, heute am Friedhof gelegenen Ruhe-Christi­<br />

Kirche. Er erhielt <strong>de</strong>n Auftrag, <strong>de</strong>n bereits bestehen<strong>de</strong>n und mit Arbeiten von Adam<br />

81


Der Vertrag zwische Fürs e berg<br />

Vertrag zwischen <strong>de</strong>m Haus Fürstenberg und <strong>de</strong>r Stadt Villingen vom 14. Juli 1<strong>51</strong>6<br />

(FF-Archiv OA 7 Volumen VI b Faszikel 2).<br />

84


d Vi gen von 1501/1<strong>51</strong>6<br />

Die <strong>de</strong>m Vertrag vorau gega ngenen Streitigkeiten müssen so groß und andauernd<br />

und das Misstra uen <strong>de</strong>r Pa rteien muss so intensiv gewesen sein, dass <strong>de</strong>r<br />

vo rl äufige Vertrag im Jahre 1<strong>51</strong>0 von Kaiser Maximilian bestätigt wur<strong>de</strong> und zwar<br />

in seiner Funktion als "regieren<strong>de</strong>r römischer Kaise r, auch als H err und Lan<strong>de</strong>sfü rst<br />

<strong>de</strong>s H auses Österreicb"4. Am seI ben Tag bea uftragte <strong>de</strong>r Kaiser vorausschauend<br />

Bürgermeister lmd Rat <strong>de</strong>r Stadt Überlingen mit <strong>de</strong>m Schiedsgericbt bei etwaigen<br />

zukünftige n Spannunge n zwischen Villingen und Fürstenberg.<br />

Dass es sich um einen sehr wichtigen Vertrag und um einen M eilenstein in <strong>de</strong>n<br />

Beziehunge n zwischen Villingen und Fürstenberg han<strong>de</strong>lte, beweist auch die Tatsache,<br />

dass es von <strong>de</strong>m Vertragskonzept von 1501 und <strong>de</strong>r Ausfertigung von 1<strong>51</strong>6<br />

eine ga nze Reihe von Abschriften in <strong>de</strong>n Archi ven gibt und diese Exemplare teilweise<br />

<strong>de</strong>utliche Benutzungsspuren tragen. Ein Dokument, das oft benutzt wur<strong>de</strong>,<br />

versah man mit einem robusten Einband, in unserem Fa lle mit nicht mehr benötigten<br />

Perga mentresten a us <strong>de</strong>m liturgischen Bereich.<br />

Die hier besprochenen Pergamentfragmente <strong>de</strong>s Stadta rchivs Villingen­<br />

Schwenningen chützen zwei Perga mentlibelle in Quart <strong>de</strong>s Vertrags zwischen <strong>de</strong>m<br />

H a use Fürstenberg und <strong>de</strong>r Stadt Villinge n von 1501 5 . Die eine Abschrift verfasste<br />

Rochus egelin , " M odi st und Rechenmeister zu Villingen", im Jahre 1602 mit <strong>de</strong>r<br />

Begründung, dass ein unterschriebener Vertrag ni cht vorhan<strong>de</strong>n sei. Die zweite Abschrift<br />

erfolgte zeitgleich und aus <strong>de</strong>mselben Grund. Tatsächlich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vertrag<br />

in seiner Fassung von 1501 nicht von <strong>de</strong>n Vertragsparteien vo ll zogen. Unklar bleibt,<br />

warum nach rund 100 Jahren im Jahre 1602 keine Absch rift <strong>de</strong>r Ausfertigung von<br />

1<strong>51</strong>6 gemacht wur<strong>de</strong> und man sich mit einer Abschrift <strong>de</strong>s "Vorvertrages" von 1501<br />

zufrie<strong>de</strong>n ga b. Je<strong>de</strong>nfalls belegen di e Abschriften, dass <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>s Vertrags noch<br />

viele Jabrzehnte nach seine Schließung von großem Interesse war. Eine Abschrift <strong>de</strong>s<br />

Konzepts von 1501 ist a uch im Fürstenbergischen Archiv von <strong>de</strong>rselben H and wie<br />

die Villinger Exemplare vorhan<strong>de</strong>n 6 .<br />

Der Vertrag wur<strong>de</strong> erst 1<strong>51</strong>6 von Graf Fri ed rich von Fürstenberg a usgefertigt<br />

und l.iegt im Stadta rchi v ViUingen-Schwenningen als Papierab chrift <strong>de</strong>s 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

vor 7 . Der Villinge r Stadtschreiber Johann Michael Grüninge r vermerkte<br />

um das Jahr 1700 am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vertragsa bschrift, dass die O riginali a sich "im<br />

Gewölb " befind en.<br />

Edith Boewe-Koob datie rt die Verwendung <strong>de</strong>s Pergamentrestes (Antiphonar)<br />

a ls Einband in di e erste H älfte <strong>de</strong> 17. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Diese zeitliche Eingrenzung<br />

passt zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Abschrift durch Rochus egelin im Jahre<br />

1602. Das Antiphonar fa nd <strong>de</strong>mn ach bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong>de</strong>rts im kirchlichen<br />

Bereich Verwendung. Wa hrscheinlich bereits im Jahr <strong>de</strong>r Vertragsabschrift<br />

1602 wur<strong>de</strong> es dann einem ga nz an<strong>de</strong>ren Z weck zu geführt. Von da an di ente es als<br />

Schutzeinband für <strong>de</strong>n Vertrag zwischen Villingen und Für tenberg aus <strong>de</strong>m Ja hre<br />

1501.<br />

85


· . gen von 1501'<br />

Ansch ri ft <strong>de</strong> Verfa ser :<br />

Dr. Heinrich Mau lh a rdr<br />

Sradra rchiv· Riersrraße 37<br />

78050 Villingen-Schwenningen<br />

Anmerkungen<br />

Sradrarchi v Vi llingen-Schwenningen<br />

(SAVS) Besrand 2. 1, E 13a; FF-Archiv<br />

OA 7, Vo lumen VI, 1501 Ja nua r 1l.<br />

2 SAVS Besrand 2. 1, E 16 Kopie;<br />

FF-Archiv OA 7, Volumen VI, 1<strong>51</strong>6<br />

Juli 14 Au ferrigung.<br />

3 Vgl. SAVS Besfand 2. 1, E 5-E 12.<br />

4 SAVS Besrand 2. 1, E 14.<br />

5 AVS Besrand 2. I, E 13a. Eine Zweite<br />

Kopie und mehrere Auszüge siehe<br />

AVS Bestand 2. 1 E 4 1.<br />

6 FF-Archi v Hand chrifr 636; vg l. auch<br />

Fürstcnhergisches rk un<strong>de</strong>nbuch IV.<br />

<strong>Band</strong>, Tlibingen 1879, . 183-.186.<br />

7 Siehe Anlll. 2.<br />

Titelblatt <strong>de</strong>s Vertrags zwischen<br />

Fü rstenbe rg und Villingen von 1501 .<br />

Abschrift von 1602<br />

(SAVS, Bestand 2. 1 E 13a).<br />

Liturgische Fragmente als Einbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Vertrags zwischen<br />

Fürstenberg und <strong>de</strong>r Stadt Villingen von 1501<br />

Einleitung<br />

von Edith Boewe-Koob<br />

Wie in vielen Archiven wur<strong>de</strong> a uch in Villingen <strong>de</strong>n Fragmenten, die als Einbä n<strong>de</strong><br />

ve rwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, keine Be<strong>de</strong>utung zugeme sen. ur durch Zufall wur<strong>de</strong>n sie ent<strong>de</strong>ckt,<br />

untersucht und eingeordnet !. Insgesamt befin<strong>de</strong>n sich im Stadtarchiv Villingen-Schwenningen<br />

(Sigle: SAVS) 44 Perga mentfragmente, die a ll e a us liturgischen<br />

H a ndschriften zwi chen 1000 und 1600 sta mmen. Sie wur<strong>de</strong>n a l Einbän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

Verstärkung von Buch<strong>de</strong>ckeln benutzt. In dieser "Zweitverwendung" können sie<br />

heute a ls "Überbleibsel" mittelalterli chen Kulturgutes erkannt und erforscht wer<strong>de</strong>n.<br />

Bisher wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Untersuchungen <strong>de</strong>r Villinger Fragmente nur einzelne<br />

publizien 1 . Sie waren hauptsächlich Tei le ehema liger M issa li en, Antiphonarien,<br />

Vo ll brevieren etc. Es ha n<strong>de</strong>lt ich hi erbei um liturgische" Reststücke" , die einst zu<br />

kompletten Codices gehörten. Diese wur<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r ni cht mehr gebraucht, da sich<br />

die o tati o n geän<strong>de</strong>rt ha tte und somit " unmo<strong>de</strong>rn " gewor<strong>de</strong>n waren, o<strong>de</strong>r sie<br />

waren durch la nge Benutzung unan ehnlich gewor<strong>de</strong>n. Die Buchbin<strong>de</strong>r, oft befan<strong>de</strong>n<br />

sich <strong>de</strong>ren Werkstätten in Kl ö tern, lösten di e Pergamentha nd chriften auf und<br />

verwen<strong>de</strong>ten die einzeln en Blätter als Makulatur für Einbän<strong>de</strong>, als Vorsatz- und<br />

achsatzblätter, da Perga ment sehr wertvoll war. Bei <strong>de</strong>m großen Verlust an Hand-<br />

86


schriften ist jedoch je<strong>de</strong> kleinste Fragment von Wichtigkeit, da es für die Liturgie<br />

<strong>de</strong>r Kirchen, <strong>de</strong>r Diözese und auch für das Land werrvolle Hinweise ge ben kann 3 .<br />

Durch di e Schreibweise <strong>de</strong>r otati on, di e Anordnung <strong>de</strong>r Texte und <strong>de</strong>ren Varianten<br />

können Verbindungen zu <strong>de</strong>n be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Skriptorien <strong>de</strong>r Kl öster <strong>de</strong>s Mittela<br />

lters hergestellt wer<strong>de</strong>n, die sonst, im Falle Villingens, nicht in Erscheinung getreten<br />

wä ren, da in Villingen durch Josephinismus und Säkulari sa ti on keine liturgischen<br />

H andschriften a us <strong>de</strong>m Mittelalter vorhan<strong>de</strong>n sind. So ind di ese Fragmente<br />

die ein zigen Zeugen <strong>de</strong>r mittelalterlichen Liturgie Villingens und sie ze igen einen Teil<br />

<strong>de</strong>r vielfä ltigen liturgischen Vergangenheit <strong>de</strong>r Stadt.<br />

Die bei<strong>de</strong>n Fragmente, di e hier im Zentrum <strong>de</strong>s Intere es stehen, wur<strong>de</strong>n als<br />

Einbän<strong>de</strong> für zwei Ab chriften eines Vertrag zwischen Für tenberg und Villingen<br />

benutzt. Sie zeichnen sich durch beson<strong>de</strong>re Merkmale aus. Das eine Fragment als<br />

das älte te liturgische D okument Villingens mit <strong>de</strong>ut chen eumen, da an<strong>de</strong>re<br />

durch di e Überschreibung einer M elodievariante.<br />

Di e ä ltesten Fo rmen <strong>de</strong>r musika lischen Aufze ichnungen im Mittelalter werd en<br />

eumen genannt. Es sind Tonzeichen <strong>de</strong>r otenschrift, die vom 9. bis 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

zur Aufzeichnung von Melodi en di enten. Sie waren für Kantoren und Sänger<br />

eine Gedächtnisstütze und erleichterten dadurch <strong>de</strong>n Vortrag <strong>de</strong>s liturgischen<br />

Gesangs. Das setzte vora us, dass die Sänger die M elodien mit ihren Interva llen aus<br />

<strong>de</strong>r mündlichen Tradition beherrschten. Diese Tonschrift enrsta nd a us <strong>de</strong>n H andzeichen<br />

fr ühchristlicher Musiker und <strong>de</strong>n Akzenten <strong>de</strong>r pätantiken Grammatiker.<br />

So wa r z. B. <strong>de</strong>r Gravis \ <strong>de</strong>r Akzent fü r einen ti efen fa llen<strong>de</strong>n Ton <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

eumen chr ii t <strong>de</strong>m Punctum entspri cht. Der Acutus / war <strong>de</strong>r Akzent für einen steigen<strong>de</strong>n<br />

Ton4, <strong>de</strong>r a ls Zeichen für die Virga galt. Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r linienlosen<br />

eumen ist, dass di e Bewegung in etwa wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n kann, nicht aber <strong>de</strong>r<br />

Absta nd <strong>de</strong>r T öne (a dia temati sche AufzeichnungS). Durch di e di astematische 6<br />

eumenschri ft w ur<strong>de</strong> eine Än<strong>de</strong>rung angestre bt, die jedoch nicht ausreichte, die<br />

genaue Tonfolge zu bestimmen. Sie führte zur Einführung vo n Schlüsseln durch<br />

Guido von Arezzo um das Ja hr 1025. Guido übertrug di e eumen auf Linien im<br />

Terza bstand und zeichnete di e c- und f-Linie farbig. Durch Verschi ebung <strong>de</strong>r Schlüssel<br />

konnte di e Tonlage verä n<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n 7 . Dieses Prinzip w ur<strong>de</strong> cho n im 12 . Jh.<br />

von <strong>de</strong>utschen Skriptorien, z.B. <strong>de</strong>r Reichenau, übernommen. Aber in <strong>de</strong>r Regel<br />

dauerte es bis ins 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt, bevor ich diese Metho<strong>de</strong> durchsetztes. Das Prinzip<br />

<strong>de</strong>s Terzliniensystem ist di e Grundlage <strong>de</strong>r europäischen otenschrift gewor<strong>de</strong>n<br />

und ge blieben 9 . Schreiber <strong>de</strong>r lirurgischen Bücher waren in erster Linie M önche.<br />

Aber a uch in Frauenklöstern wur<strong>de</strong>n H andschriften aufgeze ichnet, wie z. B. ab<br />

1480 bei <strong>de</strong>n Kl arissen in Villingen. Sie a ll e verfügten über liturgische und musikalische<br />

Kenntnisse.<br />

Das Fragment <strong>de</strong>r ersten Abschrift <strong>de</strong>s Vertrags<br />

Die erste Abschrift <strong>de</strong>s Vertrags von 1501 sta mmt aus <strong>de</strong>m Jahr 1602 und wur<strong>de</strong><br />

in ein Pergamentfragment eingebun<strong>de</strong>n, auf <strong>de</strong>m die liturgischen Gesänge mit<br />

I eumen auf Linien ein getragen wur<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r befind et sich das Blatt in relati v<br />

schlechtem Zustand. Es wur<strong>de</strong> beschrieben und zugeschnitten, so dass die lirurgi-<br />

87


88<br />

ei<br />

Fragment als Pergamenteinband <strong>de</strong>s Vertrags zwischen Fürstenberg und<br />

Villingen von 1501 (SAVS, Bestand 2.1 E 13a).


Vertra d Vii i ge<br />

sche Reihenfo lge <strong>de</strong>r Ge änge an di esen Stellen n ur schwer zu i<strong>de</strong>ntifiz ieren wa r.<br />

Durch Kl ebungen ein zelner Pergamentblätter <strong>de</strong>rselben Handschrift wird <strong>de</strong>utLich,<br />

dass mehrere Fragmente zu einem Einband zusammengefügt wur<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m<br />

weist das Blatt starke Gebra uch puren auf. Trotz<strong>de</strong>m können a us <strong>de</strong>r Zusa mmenstellung<br />

<strong>de</strong>r Gesä nge wichtige Hinweise entno mmen wer<strong>de</strong>n.<br />

Größe <strong>de</strong> Fragments: Die Höhe wur<strong>de</strong> zur Bre ite.<br />

Höhe: 25,5 cm, Breite: 19 cm. Der ange klebte Teil ist 11 cm.<br />

Größe <strong>de</strong>s Schriftspiegels bis zur Klebung:<br />

H öhe: 25,5 cm, Breite: 15,5 cm.<br />

Die Rückseite besitzt einen Einschl ag von 8,7 cm.<br />

Ursprünglich war das Alltiphonar 25,5, cm hoch und 19 cm breit. Also ein<br />

relati v kleines liturgisches Buch. Durch di e umgekehrte Anklebung eines kl eineren<br />

Perga mentblattes wur<strong>de</strong> die für <strong>de</strong>n Vertrag benötigte Größe erreicht.<br />

Die Schr ift wur<strong>de</strong> in einer gotischen Textura mit breiter Fe<strong>de</strong>r von einer H and<br />

ausgeführt. Das " cl " wur<strong>de</strong> in typisch goti cher Form dargestellt, das "i" erhiel t<br />

einen Querstrich, ebenfa lls di e "i-Ionga " = " j" . Es wur<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> "r"-Fo rmen verwen<strong>de</strong>t.<br />

Die Schäfte <strong>de</strong>r Buchsta ben sind ge ra<strong>de</strong> a ufge ri chtet; " m, n" usw. besitzen<br />

nu r eine Brechung. Das "et"-Zeichen wur<strong>de</strong> in dieser Form bereits um 1200 benutzt<br />

10 . Außer <strong>de</strong>n mit Un terlängen versehenen Buchstaben wie "g, p, q" wur<strong>de</strong>n<br />

a lle Buchstaben, auch " f" und langes "s", auf die Zeile gestellt I I. Initialen wur<strong>de</strong>n<br />

nicht beson<strong>de</strong>r hervorgeho ben, wie es bei Gebrauchshandschriften oft üblich war.<br />

Ligaturen befind en sich bei "<strong>de</strong>", ,do" und " pp" .<br />

Die eumen wur<strong>de</strong>n auf Linien gesetzt, wobei die "c"-Lini e schwarz und di e<br />

"f"-Linie rot eingetragen wur<strong>de</strong>. Di e "c"-Linie wur<strong>de</strong> mit einem "c" di e " f"-Linie<br />

mit einem Punkt gekennzeichnet.<br />

Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren untersuchten neumierten Fragmenten <strong>de</strong>s Stadtarchi<br />

v Villingen-Schwenningen wur<strong>de</strong>n diese Gesä nge einspaltig aufgezeichnet.<br />

Die auf <strong>de</strong>m Fragment sichtbaren Offiziengesänge wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n ve rschi e<strong>de</strong>nen<br />

<strong>de</strong>utschen Quellen an unterschi edlichen Tagen benutzt. Das Blatt wur<strong>de</strong> mit<br />

Längs- und Querlinien versehen, di e mit Tinte gezogen wur<strong>de</strong>n (mit Tinte linierte<br />

man ab <strong>de</strong>m 13. Jh.). Die Tonzeichen gehören berei ts zur gotischen Choralnotati on,<br />

wobei das von Guido von Arezzo entwickelte Linien ystem übernommen wur<strong>de</strong>.<br />

Die Überschreibung <strong>de</strong>s Responsoriums mit 12 Noten in <strong>de</strong>r 7. Reihe.<br />

89


Das System Guidos hatte a uch a uf das Fo rmat <strong>de</strong>r liturgischen Ge angbücher<br />

Einfluss genommen. N ach<strong>de</strong>m di e Scho la ni cht mehr a uswendig sillgen musste, son<strong>de</strong>rn<br />

je<strong>de</strong>r Sänger die M elodi e durch da Liniensystem a bsingen konnte, gewann die<br />

schriftliche Vo rl age a n Be<strong>de</strong>utung. In <strong>de</strong>r Regel wur<strong>de</strong>n di e Codice größer, damit<br />

mehrere Sänger aus einer Ha ndschrift sin gen konnten. Die es liturgische Buch stand<br />

a uf ein em hohen Pult, so dass die Sä nger di e oten und <strong>de</strong>n Text ehen konnten 12<br />

Das untersuchte Fragment gehörte noch zu <strong>de</strong>n kl einen Gebra uchshandschriften.<br />

Anstelle <strong>de</strong>r üblichen 4 Linien wur<strong>de</strong>n a uf <strong>de</strong>m Fragment meistens 5 Lini<br />

en 13 ein gezeichnet, wobei di e 5. Linie, einma l oben und einmal unten, unbeschrieben<br />

bli eb. Di e 5 . Linie w ur<strong>de</strong> quasi a l Ersa tzlinie eingesetzt, die bei höheren<br />

o<strong>de</strong>r tieferen T ö nen <strong>de</strong>r M elodi enfo lge gebra ucht wur<strong>de</strong>.<br />

Chara kteri stisch für die goti sche otenschri Et ist di e vertikale Stellung <strong>de</strong>r Virga<br />

und di e rh ombena rtige Verdickung <strong>de</strong>s otenkopfes, die hier n och nicht sehr<br />

a usgeprägt ist. (Au di eser chri ft entwickelte sich im ] 5./1 6.Jh. in Deutschl and die<br />

Hufnagelnotati on. ) Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Linien <strong>de</strong>s Fragments befind et sich kein Kustos.<br />

Wie schon bei <strong>de</strong>n a n<strong>de</strong>ren untersuchten Fragmenten <strong>de</strong>s Stadta rchivs festgestellt<br />

w ur<strong>de</strong>, kö nnen a uch di ese O ffiziengesänge <strong>de</strong>m Sr. Galler Kreis zugeordnet<br />

wer<strong>de</strong>n. Auch zum Kl oster Rhein a u bestehen Verbindungen. Die Handschrift wur<strong>de</strong><br />

um 1300 geschrieben.<br />

Äußerst interessant ist, da s in <strong>de</strong>r 7. Reihe <strong>de</strong>r otenlinien über die urp<br />

rüngliche ota ti on 12 oten mit nach rechts unten gezeichneten H älsen eingetragen<br />

wur<strong>de</strong>n, die nur als Umrisse gezeichnet wur<strong>de</strong>n, wie heute ungefähr eine halbe<br />

ote. Di es be<strong>de</strong>utet, dass di e M elodi e a n dieser Stell e, etwa 300 Jahre später als<br />

die Urschrift, va riiert gesungen w ur<strong>de</strong>, also noch um 1600, <strong>de</strong>nn bereits im 15 . Jh.<br />

wur<strong>de</strong>n die "schwarzen" Noten in , weiße" oten umgestellt. Die bisher schwarz<br />

a usgefüllten oten (Quadra te und Ra uten etc.) wur<strong>de</strong>n nur in Umrisslinien geschrieben<br />

und dagegen die kl einen Werte nun a usgefi.illt l4 .<br />

Demnach muss das Fragment noch in di eser Zeit Teil einer vollstä ndigen<br />

H a ndschrift gewesen sein , da es ka um anzunehmen ist, da s di e M elodievari ante<br />

a uf da bereits als Ei nba nd benutzte Fragment geschrieben wur<strong>de</strong>. Diese otenüber<br />

chreibung könnte ein Hinweis sein, da s da ehema li ge Antiphonar in Villingen<br />

benutzt w ur<strong>de</strong> und dann später als M a kulatur Verwendung gefun<strong>de</strong>n hatte. Da<br />

Fragment <strong>de</strong>s ehema li gen Antiphona rs kann frühes tens in <strong>de</strong>r ersten H älfte <strong>de</strong>s<br />

17. Ja hrhun<strong>de</strong>rt als Einband benutzt wor<strong>de</strong>n sein .<br />

Texte <strong>de</strong>r Gesänge a uf <strong>de</strong>m Ha uptblatt:<br />

1. Responsorium:<br />

,,[Angelis suis mandavit <strong>de</strong>i te ut custodiant te in omnibus viis tuis.<br />

111 manibus /)ortabunt te ne unquam offendas ad lapi<strong>de</strong>m pe<strong>de</strong>m tuum."<br />

(Auch in r. Gallen, Rhein au D3) .<br />

Eine spätere H a nd schrieb als Alterna ti ve zu di e em Responsorium<br />

"Tribularer, si nescirem misericordias tuas, Domine".<br />

2. Antiphon:<br />

"Propicius esto domine peccatis {nostris pro pter nomen tuumJ, nequando<br />

dicant gentes, ubi est <strong>de</strong>liS eorum ?" (Auch in St. Gallen, D3 und Pa sa u).<br />

90


· ehen Fürstenber<br />

3. Responsorium:<br />

"Adiuva nos <strong>de</strong>us safutaris noster. ;<<br />

Vers: "et !Jropter honorem n0111inis tui domine libera 110S. "<br />

(Auch in Sr. Gallen )<br />

4. Antiphon:<br />

,,[ E]xsllrge, Domine nO/1 con{ortetur hofmo] iudicentul' gentes in conspectu tuo."<br />

(Ln ital. und span. Quellen ).<br />

5. ,, 11. convertendo inimicum meum [retror] sum infirmabuntur a perient a {aeie."<br />

(Wur<strong>de</strong> in keiner <strong>de</strong>r untersuchten Quellen gefun<strong>de</strong>n ).<br />

6. Psalm:<br />

" Laetatlls sum o " (Steht bei <strong>de</strong>r Vesper in <strong>de</strong>r O sterwoche in 03).<br />

Am unteren Teil <strong>de</strong>s Pergamentblattes wur<strong>de</strong>n ca. 11 cm ebenfalls eines Pergamenrfragments<br />

gegengesetzr angeklebt. Dara uf konnte noch fo lgen<strong>de</strong> Antiphon<br />

erkannt wer<strong>de</strong>n:<br />

7. Antiphon:<br />

" Domine [re{u]giu111 tactus es nobis a generatiOlle let progenie]."<br />

(A uch in Sr. Gallen, D3, Passau).<br />

Auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Ei nban<strong>de</strong>s befin<strong>de</strong>t sich ein zerrissene Fragment,<br />

<strong>de</strong>ssen darauf aufgezeichneter Text <strong>de</strong>m 119. Psalm entnommen wur<strong>de</strong>.<br />

8. Antiphon:<br />

" Ad d0111inu111 dum tribularer clamavi <strong>de</strong> ventre in{eri, et exaudivit 111e. "<br />

(a uch in St. Gallen, Rheinau, 03 und Passau).<br />

In <strong>de</strong>m ehemaligen Antiphonar wur<strong>de</strong>n gelegentlich Textverschiebungen<br />

o<strong>de</strong>r Textvarianten aufgezeichnet. Die 8. Antiphon beginnt in allen Quellen<br />

mit , Dum tribularer cfamaui ad dominu111 ... "<br />

9. Antiphon:<br />

" Domine [libera ani111a111 mea111 a labiis] iniquis et a lingua dolosa. "<br />

(in Sr. Ga llen, Rheinau, 03 [St. Stephanus]).<br />

[ ] Ergänzug <strong>de</strong>s Textes<br />

Durch di e Zusammenklebung verschi e<strong>de</strong>ner Fragmente, die a lle a us <strong>de</strong>mselben<br />

Antiphonar stammen, wird <strong>de</strong>utlich, dass mehrere Pergamentblätter für <strong>de</strong>n<br />

Einband benutzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Wie schon die Offiziengesänge <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren untersuchten Fragmente <strong>de</strong>s Stadta<br />

rchivs sind auch diese Aufzeichnungen <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>nseekreis um Sr. Gallen,<br />

Reichenau und Rheinau zuzuordnen, obwohl auch eigenständige Einsetzungen von<br />

liturgischen Gesänge n vo rhan<strong>de</strong>n sind. Die Textvarianten zeigen di e Eigenständigkeit<br />

di eses ehemaligen Antiphonars.<br />

91


Das Fragment <strong>de</strong>r zweiten Abschrift <strong>de</strong>s Vertrags<br />

Chronologisch gesehen müs te di e es Fragment al Einba nd <strong>de</strong>r ersten Abschrift<br />

di enen, da es sich bei diesem Blatt um da ä lteste liturgische Dokument Villingens<br />

han<strong>de</strong>lt. Auch die zweite Ab chrift <strong>de</strong>s Fürstenberg-Villingen-Vertrags wur<strong>de</strong> in ein<br />

Pergamentfragment ei ngebun<strong>de</strong>n. An di esem Einband wur<strong>de</strong> a uf <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rseite ein<br />

4,5 cm breiter treifen mit gro ben Stichen aufgenäht, <strong>de</strong>r ein Vi ertel <strong>de</strong>r Vo r<strong>de</strong>rseite<br />

einnimmt. Da ra uf befind et sich di e ein zige farbige Fe<strong>de</strong>rzeichnung <strong>de</strong>r Villinger<br />

Fragmente. Der a bge bil<strong>de</strong>te, mehrfarbig gezeichnete Löwe hält eine Schlange im<br />

Rachen, die sich um <strong>de</strong>n Kö rper <strong>de</strong>s Löwen schlingt. Der Löwe als W ächter <strong>de</strong>s Grabes<br />

15 w ur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r ehema ligen Hand chrift al Zeichen <strong>de</strong>r Auferstehung Christi<br />

ge<strong>de</strong>utet. ,. ... <strong>de</strong>r Löwe aus Juda ... " (Gen. 49,9) wird a uf Christus bezogen (Apc.<br />

5,5). " ... siehe, <strong>de</strong>r Löwe aus <strong>de</strong>m Stamme Juda, die Wurzel Davids, hat gesiegt ... "1 6<br />

Die Schlange symboli iert Unheil, das <strong>de</strong>n Tod bringt: " ... Feindschaft will ich setzen<br />

zwischen dir und <strong>de</strong>m Weib e, zwischen <strong>de</strong>iner achkommenschaft und ihrer<br />

achkommenschaft: sie wird dir <strong>de</strong>n Kopf zertreten, und du wirst ihrer Ferse nachstellen<br />

... ·' (Gen. 3,15). Die liturgischen Me stexte wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n unteren Tei l <strong>de</strong>r<br />

Figur einbezogen, so da die Beziehung zu r Auferstehung C hristi <strong>de</strong>utlich wird.<br />

Obwohl nur einzeln e Buchsta ben und eumen erbalten sind (a uf <strong>de</strong>r Innen eite geht<br />

<strong>de</strong>r Text um ein paar Buch ta ben und eumen weiter), konnten die Gesänge ein<strong>de</strong>utig<br />

als Teile <strong>de</strong>r Ostermesse id entifiziert wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m ist <strong>de</strong>r Löwe a uch das<br />

Symbol <strong>de</strong>s heiligen M a rcus, <strong>de</strong> sen Evang lium am Ostersonntag verkündigt wird.<br />

Größe <strong>de</strong> Fragments: H öhe 22 cm, Breite: 16 cm.<br />

Graduale: H[a]ec di es, Iqua m fec it Dominus:<br />

exulte] mus, let Ila]etemur in ea]<br />

Vers: Confitemini Domino, quoniam<br />

[bonu ], quoniam in slaJe[culum<br />

mi seri corJdi a leiusj.<br />

[Vers]: Pascha nosrrum lim1110latu est hri tus].<br />

In dlie] Res[ urrecti o ni s]<br />

[ ] Ergänzung <strong>de</strong> Textes<br />

Verwen<strong>de</strong>te Neumen im Fragment:<br />

Virga 1 H ochton<br />

Pe 2 T öne, a ufsteigend<br />

li vis 2 T öne, a bsteigend<br />

Diese <strong>de</strong>utsche Nota ti on wur<strong>de</strong> adiastema ti sch a ufgezeichnet und kommt<br />

<strong>de</strong>m Sr. Ga ller Vorbild na he. Der ehema lige Co<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> in einer spätkarolingischen<br />

Minu kel ge chrieben, di e a llerdings schon Brechungen in <strong>de</strong>n Schäften a ufweisen.<br />

Das Fragment gehö rte zu ein em Missa le, das um das Jahr 1000 geschrieben<br />

wur<strong>de</strong>. Es i t durch di e ko lorierte Fe<strong>de</strong>rzeichnung und das Alter <strong>de</strong>r ehemaligen<br />

H a ndschrift ein einzigartiges Beispielmittelalrerli cher Ha ndschriftenkultur und<br />

damit das älteste und w ichtigste Zeugnis <strong>de</strong>r liturgischen Aufzeichnungen ViIIingens.<br />

92


Zusammenfassung<br />

Durch Text und Melodi evergleiche,<br />

auch <strong>de</strong>r hie r nicht vorgestellten Fragmente,<br />

konnten Beziehungen zu <strong>de</strong>n be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />

Skriptor ien <strong>de</strong>s Südwestens<br />

von Deutschland festgestellt wer<strong>de</strong>n. Aller<br />

Wa hrscheinlichkeit nach wur<strong>de</strong>n die<br />

ehema ligen, da mals noch vollständigen,<br />

liturgischen Codices in <strong>de</strong>r Villi nger Kirche<br />

benutzt. Die jetzigen "Bruchstücke"<br />

ha ben für viele Ja hr hun<strong>de</strong>rte a ls vollständige<br />

liturgische Bücher da religiöse<br />

Leben Villingens befruchtet und sind somit<br />

ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Bestandteil mittelalterlicher<br />

Liturgie <strong>de</strong>r Stadt.<br />

Ausschnitt aus <strong>de</strong>m Pergamenteinband<br />

mit Abbildung eines Löwen.<br />

Darin eingebun<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>r Vertrag<br />

zwischen Fürstenberg und Vill ingen<br />

von 1501 (SAVS, Bestand 2.1 E 13a).<br />

93


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Das Naturschutzgebiet Unterhölzerwald<br />

seine Geschichte<br />

Zusammenfassung<br />

von Kar! Kwasnitschka<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 95 - 114<br />

März <strong>2008</strong><br />

Die Z eitreise beginnt mit <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Geschjchte <strong>de</strong>s Für d ich Fürstenbergi<br />

chen Hof jagdgebietes Unterh ö lze rwald nach <strong>de</strong>r eingehen<strong>de</strong>n Forsteinrichtung<br />

von 1787. Es w ird gezeigt dass das Biotop und das aturschutzge biet verschi e<strong>de</strong>nen<br />

Gefährdungen ausgesetzt waren und immer noch sind. Die Errichtung <strong>de</strong>s Wildga<br />

tters brachte <strong>de</strong>r j agd <strong>de</strong>n Vorrang vor <strong>de</strong>r Forstwirtschaft und <strong>de</strong>r Waldwei<strong>de</strong>.<br />

utzunge n im Naturwald waren wegen <strong>de</strong>r asti gen und knorrigen, schwer bearbeitbaren<br />

Eichen ehr schwieri g und nur durch Selbstwerber für a bgestorbenes H olz<br />

erl aubt. Im Wirtschaftswald machten di e Umwandlungen in Mi chbes tän<strong>de</strong> gute<br />

Fortschritte.<br />

Es ist <strong>de</strong>r j agdpass ion <strong>de</strong>r Fürstenberger und ihrer Liebe zu ihrem schönen<br />

H of jagdgebiet zu danken, dass trotz erheblicher fin anziell er achteile für <strong>de</strong>n<br />

Eigentümer <strong>de</strong>r atun-va ld erhalten wur<strong>de</strong>, und e ist zu hoffen, dass künftig a uch<br />

di e öffentliche H and ebenso verantwortungs bewusst han<strong>de</strong>lt.<br />

Die Z eitreise führt weiter zu <strong>de</strong>n Freiherren vo n Warten berg, die <strong>de</strong>n Unterhö<br />

lzer als Bannwald behan<strong>de</strong>lten und damit <strong>de</strong>n aturwald erhalten und gesichert<br />

haben. Die H erzöge von Z ähringen haben gena uso wi e die vorausgehen<strong>de</strong>n Karolinger,<br />

M erowinger und Alamannen als passionierte j äger <strong>de</strong>n Unterhölzerwa ld in<br />

seiner Ein zigartigkeit bewahrt und al j agdgebiet ganz in <strong>de</strong>r ähe ih res H errschaftszentrums<br />

und H an<strong>de</strong>lsplatzes Neudi ngen genutzt.<br />

Wenn man <strong>de</strong>n Unterhö lze rwald mi t seinen Eichen-Buchen-Mischbestä n<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>n Wä l<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Regio n ve rgleicht, ka nn man seine Eigena rt a l Relikt <strong>de</strong>r<br />

Eichenmi chwald- und Buchenzeit verstehen, das als j agdgebiet <strong>de</strong>r Keltenfürsten<br />

und ih rer Vorgä nger von <strong>de</strong>r Rodung ausgespart wur<strong>de</strong>. j agdpassion und Lie be zum<br />

aturwald waren nötig, um di ese ein zigartigen Wa ldbil<strong>de</strong>r di e j ahrhun<strong>de</strong>rte hindurch<br />

zu erhalten. H offentlich zeigt die achwelt dasselbe Verantwortungsgefühl.<br />

Für di e freundliche Unterstützu ng habe ich H errn OR. A DREAS WI LTS vom<br />

Fürstlich Fürstenbergischen Archi v und <strong>de</strong>r H ofbibliothek Donaueschingen sowie<br />

<strong>de</strong>m Fürstlich Fürstenbergischen Forstbetrieb zu danken.<br />

Der Zeitraum von 1787 bis heute<br />

ach <strong>de</strong>m Erlas <strong>de</strong>s Reichsnatu rschutzgesetzes vo m 26.06.1935 vera nlasste S.O.<br />

Max Egon Prinz zu Fürstenberg als Eigentümer <strong>de</strong>s schwä bischen H ausgure <strong>de</strong>r<br />

Fa milie, dass <strong>de</strong>r Unterhölzerwald mit 640 ha, da runter <strong>de</strong>r Unterhölzer Weiher und<br />

das Birkenried mi t 50 ha, am 11.02.1939 unter Naturschutz gestellt wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r<br />

M aßga be <strong>de</strong>r Erha ltung <strong>de</strong>s aturwald es und <strong>de</strong>r Umwandlung reiner Fichten-<br />

95


<strong>de</strong>cken immer w ie<strong>de</strong>r neue Kostbarkeiten (zu letzt: PELCHE 2006). Das Birkenried,<br />

<strong>de</strong>m Unterhölzerwald im Westen vorgelagert, ist ein Zwischenmoor mit kennzeichnen<strong>de</strong>n<br />

nordischen Pfl anzen, und <strong>de</strong>r Unterhölzer Weiher mit seinem breiten<br />

Schilfgürtel, im späten Mittelalter a ufgesta ut, gibt einer Vielzahl von Wasservögeln<br />

H eimat (ZINKE & REICHELT 1976; GEHRING 1996); bei<strong>de</strong>, das Birkenried und <strong>de</strong>r Unterhölzer<br />

Weiher, stellen ei ne wesentliche Bereicherung <strong>de</strong>s N atur chutzgebietes dar.<br />

Es ist <strong>de</strong>r sch ützen<strong>de</strong>n H a nd <strong>de</strong>s H auses Fürstenberg zu da nken, dass die<br />

urwalda rtigen Eichen-Buchenbestän<strong>de</strong> mit za hl reichen M ischbaumarten, die von<br />

Vegetati onskundlern als Reli kt <strong>de</strong> Eichenmischwal<strong>de</strong>s mit Überlagerungen durch<br />

die Buchenzeit a ngesehen w ur<strong>de</strong>n (R E! HOLD 1956), durch die Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />

hindurch <strong>de</strong>r achwelt erhalten blieben. Hier sehen wir Waldbil<strong>de</strong>r, w ie sie in unerer<br />

engeren Heimat <strong>de</strong>r Baa r und <strong>de</strong>m 0 tschwarzwald zur Bronzezeit ca . 1000<br />

v. e hr. a usgesehen ha ben mögen.<br />

ach <strong>de</strong>r Öffnung <strong>de</strong>s Gatters für di e Ö ffentlichkeit wur<strong>de</strong> die es land chaftliche<br />

Kl ein od schnell ent<strong>de</strong>ckt. H eimatkundler und Wissenschaftler beschäftigen<br />

sich mit diesem Natliischutzge biet, und za hlreiche Veröffentlichungen erschienen<br />

seit<strong>de</strong>m. Das Interesse ist bis heute ungebrochen, kommt es doch immer wie<strong>de</strong>r zu<br />

neuen Ent<strong>de</strong>ckungen und Erkenntni sen. Schw ierigkeiten bereiten jedoch beson<strong>de</strong>rs<br />

forstgeschichtliche Untersuchungen, da sie in za hlreichen Ar chiven und Quellen vertre<br />

ut und schwierig zu lesen sind und zu<strong>de</strong>m vor 1950 a usschließlich in Deutscher<br />

Sc hrift ( ütterlin, Kurrent) geschrieben sind. O ffe nbar ist einigen jüngeren Wissenchaftl<br />

ern diese Schrift nicht geläufig, so dass ihre Arbeiten diese Quellen leid er rucht<br />

berücksichtigen (REl BOLZ & LUDEMA 2001). Ich will <strong>de</strong>sha lb versuchen, die<br />

Ge chi chte <strong>de</strong>s Unterhölzerwal<strong>de</strong>s darzustellen.<br />

Au f <strong>de</strong>r erhöhten und leicht welligen Schwelle <strong>de</strong>s Opalinustones (Dogger)<br />

erstreckt sich vor <strong>de</strong>m Warten berg zwischen<br />

Dona ueschingen und Geisingen<br />

das aturschutzgebiet Unterh ölzerwald<br />

mit <strong>de</strong>m Bi rkenried und <strong>de</strong>m Unterhölzer<br />

Weiher. Durch <strong>de</strong>n ronreichen Untergrund<br />

a us Opalinusron und kl einflächig<br />

vorkommen<strong>de</strong>m Eisensandstein, be<strong>de</strong>ckt<br />

durch eine Lösslehm<strong>de</strong>cke in wechseln<strong>de</strong>r<br />

M ächtigkeit, haben sich hydromorphe<br />

Bö<strong>de</strong>n a usgebil<strong>de</strong>t, di e a n höher gelegenen<br />

Stellen mit besserem Wasserha<br />

usha lt pseudovergleite Pelosolbra uner<strong>de</strong>n<br />

bil<strong>de</strong>ten und sta uwasserbeeinflusste<br />

Bö<strong>de</strong>n w ie Pseudogleie, in <strong>de</strong>n M ul<strong>de</strong>n<br />

und T ä lchen a uch Grundwassergleie,<br />

entwickelt ha ben. REINBOLZ & LUDE­<br />

MA (2001 ) ha ben di e Beziehungen <strong>de</strong>r<br />

Pfla nze ngesellschaften zum Sta ndort anha<br />

nd typischer Transekte dargestellt und Abb. 2: Uralte knorrige Eichen im Natur­<br />

Untersuchungen zur Konkurrenzkraft wald, Abt. Brennersbühl (Foto: G. Reichelt).<br />

97


<strong>de</strong>r Buche im Unterhölzerwald vorgelegt. Lei<strong>de</strong>r fehlt bi her eine forstliche Standorrserkundung,<br />

die auch flächen<strong>de</strong>ckend die Zu ammenhänge zwischen Standort<br />

und Bestockung darstellen wür<strong>de</strong>.<br />

Klimatisch gehört <strong>de</strong>r Unterhölzerwald zur kontinental getönten Hochmul<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Baar, wobei d ie erhöhte Schwell e <strong>de</strong>s Opalin usrones größtenteils oberhalb <strong>de</strong>s<br />

extrem frostgefähr<strong>de</strong>ten Ka lrluftsees <strong>de</strong>r Ri edbaa r liegt. Trotz<strong>de</strong>m ist d ie Frostgefährdung<br />

sehr groß, da die Obergrenze <strong>de</strong>s Hauptfrostgebietes 6-10111 über <strong>de</strong>n<br />

jeweiligen Talgrün<strong>de</strong>n und generell bei ca. 700 m liegt (AI I ELE 1950, REICHELT<br />

1954). Die mitrlere Temperatur <strong>de</strong>s kältesten Wintermonats mit -3,1 oe wei tauf<br />

das raue Klima hin. Die absolut frostfreie Zeit währt nur 67 Tage. Die Buche wird<br />

durch Advektivfröste immer wie<strong>de</strong>r erhebli ch ge chädigt, während die wi<strong>de</strong>rstandfähigere<br />

späta ustreiben<strong>de</strong> tieleiche bes er wi<strong>de</strong>r tehen kann. Zu beachten ist<br />

jedoch, da s durch die bi herige Klimaerwärmung di e Frostgefahr erheblich abgenommen<br />

hat. Die ie<strong>de</strong>rschlagsmenge ist mit 750 bi 800 mm/Jahr niedrig, doch<br />

begünstigt <strong>de</strong>r hohe Anteil an o l11l11 erregen die Vegetation. Die Ha uptwindrichtung<br />

ist West-Südwest. Durch die vorgelagerte baumfreie Baa rl11u l<strong>de</strong> sind Sturmw ürfe beson<strong>de</strong>rs<br />

gefä hrl ich. Während in <strong>de</strong>r Baarmul<strong>de</strong> und im Ostschwarzwald heute a<strong>de</strong>lwäl<strong>de</strong>r<br />

vorherrschen, di e angrenzen<strong>de</strong>n Jurahöhen dagegen von Buchenwäl<strong>de</strong>rn<br />

be<strong>de</strong>ckt sind, hebt sich <strong>de</strong>r Unterhölzerwald in seinem on<strong>de</strong>rcharakter beson<strong>de</strong>rs<br />

ab (A bb. 8). Wir fin<strong>de</strong>n hier im natürlichen Eichen-Buchenwald Lin<strong>de</strong>, Ahorn,<br />

H a inbuche, Traubenkirsche, Aspe, Maßhol<strong>de</strong>r, Eberesche und auch Fichte, Kiefer,<br />

Tanne. Zahlreiche H asel Weißdorn und Wildob t wie Apfel, Birne und Kirsche sind<br />

im Mittel- und Unterstand zu fin<strong>de</strong>n. Die Esche ge<strong>de</strong>ihr in <strong>de</strong>n Tälchen und Mul<strong>de</strong>n.<br />

Als Pflanzengesellschaft fin<strong>de</strong>n wir dort mehrere Subassoziationen <strong>de</strong>s Querceto-<br />

arpinetum vor (R EICl IELT J 968), während di e Buche d ie besseren Standorte<br />

a uf Kuppen und Erhöhungen bevorzugt.<br />

Die Taxation durch F. F. Forstrat ] OSEF E KHARD 1787 ermöglich t einen<br />

hervorragen<strong>de</strong>n Einblick in <strong>de</strong>n dama ligen Waldzustand. Aufgenommen w ur<strong>de</strong>n di e<br />

Ba uma rten und Strä ucher ab 'I 8 cm Brusthöhendu rchmesser (Bhd), gemessen in Stufen<br />

von 3 cm. Die Fläche <strong>de</strong>r Distrikte wur<strong>de</strong> angegeben in Ja uchert, Vierling, Ruten<br />

und Schuh. Die Vermessung erfo lgte nach <strong>de</strong>m Messtischverfahren, und verglichen<br />

mit <strong>de</strong>n heutigen Karten zeigt ie ei ne erstaunliche Genauigkeit. Für je<strong>de</strong>n Distrikt<br />

wur<strong>de</strong>n Bestan<strong>de</strong>sbeschreibungen a ngefertigt die a uch die Bo<strong>de</strong>ngüte umfassten.<br />

Fläche/ Bo<strong>de</strong>n Eiche Buche Birne Apfel Kirsch/ Lin<strong>de</strong><br />

Jauchert Ahorn<br />

Gesamtwald 2.083 gut 35.440 7.174 225 428 23/ 3 3<br />

(481,9ha) 80 0 /0 18 0 /0 1% 1%<br />

Naturwald 1.123 20.055 4.931 223 428 23/ 3 3<br />

(259,4ha) 79 % 19 % 1% 1%<br />

Wirtschafswald<br />

Weiherhölzle 174 9.687 322 7 8<br />

Bolzacker 231 3.658 1.947 44 2<strong>51</strong><br />

Summe 405 13.345 2.269 <strong>51</strong> 259<br />

84 % 14 % 2 %<br />

98


un an Gesch.<br />

Abteilung Fläche (Jauchert) Hiebsjahr Eiche Tanne/ Fichte<br />

B Hinterer Sulzbühl 65 1777 732 1.068<br />

( Vor<strong>de</strong>rer Sulzbühl 71 1772 1.068 1.068<br />

0 Landstraße 6<br />

E Im Fohrenbühl 57 1762 462 934<br />

F Einschlag 24 1784 371<br />

G Fohrenbühl 60 1782 600 600<br />

H Fohrenbühl<br />

(Eichelgarten) 28 1760 712 712<br />

I Kapf 3 1786 50<br />

K Fohrenbühl 39 1750 390<br />

L Fohrenbühl 13 150 270<br />

M Schabel 69 1772 692<br />

N2 Zopf 14 1765 785 1.385<br />

M2 Bolzacker 47 1784<br />

Summe 496 (= 114,5 ha) 54 % 46%<br />

Tab. 1 a: Nachwachsen<strong>de</strong>s Holz im Wirtschaftswald : Umwandlungshiebe von 1750-1787.<br />

Bemerkenswert i t die Aussage <strong>de</strong>s Taxators, das in <strong>de</strong>m Distrikt Brennersbi.ihl<br />

noch keine Axt geschlagen hat. Eine Z usammenstellung, die "Hauprtabelle",<br />

zeigt die Stammzahlen <strong>de</strong>r einzelnen Baumarten (Tab. 1b). Danach ergibt sich fi.ir<br />

<strong>de</strong>n Gesamrwald eine Baumartenmischung (in % ) von Eiche (80), Buche (18),<br />

Birne (1 ) und Apfel (1) . Als weitere Mischbaumarten wer<strong>de</strong>n genannt: Kirsche,<br />

Ahorn Lin<strong>de</strong>, Tanne, Fichte, Maßhol<strong>de</strong>r, Aspe, Salwei<strong>de</strong> und Vogelbeere, also eine<br />

beachtliche Anza hl. Die Tabelle unterschei<strong>de</strong>t nach sch lagbarem und nachwachsen<strong>de</strong>m<br />

H o lz, was einen wich tigen Ei nblick in die damalige Wirtschaftsfi.ihrung<br />

gewährt. Das schlagbare Holz habe ich wegen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Behandlung nach<br />

aturwald und Wirrschaftswald unterschie<strong>de</strong>n, die bei<strong>de</strong> eine ähnliche Baumartenmischung<br />

aufweisen, während das nachwachsen<strong>de</strong> Holz sich sehr davon unterschei<strong>de</strong>t<br />

(Tab. la).<br />

Bei <strong>de</strong>r Herleitung <strong>de</strong>r Hiebsmassen w ur<strong>de</strong> fi.ir das Eichennutzholz eine Umtriebszeit<br />

von 80 Jahren und für das Eichen- und Buchenbrennholz von 40 Jahren<br />

berechnet. In <strong>de</strong>n Bestandsbeschreibungen sind die einzeln en Hiebsorte angefi.ihrt,<br />

Tanne/ Hain­<br />

Fichte buche<br />

6 43<br />

2<br />

5<br />

5<br />

Aspe<br />

32<br />

12<br />

Sal- Vogelwei<strong>de</strong><br />

beere<br />

4 12<br />

12<br />

Stamm-<br />

Summe<br />

43.993<br />

25.693<br />

15.930<br />

wobei <strong>de</strong>r erste Hieb auf 9 ha im<br />

Jahre 1750 erfolgte. Bis 1787, <strong>de</strong>m<br />

Jahre <strong>de</strong>r Forsteinrichtung, fo lgten<br />

10 Ei nsch läge a uf insgesamt<br />

114,6 ha o<strong>de</strong>r im Durchschnitt<br />

Tab. 1 b: Haupttabelle <strong>de</strong>r Forsteinrichtung<br />

von 1787. Zahlen <strong>de</strong>r<br />

Stämme ab 18 cm Brusthöhendurchmesser<br />

für die einzelnen<br />

Baumarten im Gesamtwald, im<br />

Naturwald und im Wirtschaftswald.<br />

99


Das Natu sc rhölzerwald<br />

11,5 ha pro Hiebsfl äche. Die Tabelle zeigt, dass bei einigen Hieben Eichen als<br />

Lassreiser erhalten wur<strong>de</strong>n, während <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Bestockung als Brennholz eingeschlagen<br />

wur<strong>de</strong>, al 0 eine typische Mittelwald wirrscharr.<br />

In <strong>de</strong>r Tabelle "Taxe" berechnete <strong>de</strong>r Taxator <strong>de</strong>n H olzmassenertrag und <strong>de</strong>n<br />

H olzerlös nach <strong>de</strong>n Baumhöhen in 5 Schuh-Gruppen, <strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Brusthöhendurchmessel;<br />

Masseninhalt <strong>de</strong>s Stamme und <strong>de</strong>r Stammzahl <strong>de</strong>r Ba umarten.<br />

ach einer selbst erarbeiteten Ertragstafel wur<strong>de</strong> das Eichennutzholz nach Kubiksc<br />

huh-Prei en und da Brennholz nach Kl afterpreise n berechnet, so dass sich ein<br />

Gesa mtwe rt <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s ergab. Eine Z usa mmenstellung nach Baumarten und<br />

Brusthö-hendurchmesser ze igt, dass die Eiche einen Br usthöhendurchmesser von<br />

180 cm erreicht, während die Buche bei 120 cm en<strong>de</strong>t. G rund dafür ist die hohe<br />

Alterserwartung <strong>de</strong>r Eiche mit 500 bi s 600 Jahren und mehr, während die Buche<br />

mit ca. 250 Jahren ausfällt. Trägt man di ese Ta belle graphisch auf, so wird dieser<br />

Unterschi ed noch <strong>de</strong>utlicher. Es ze igt sich eine typisc he Plenterwaldkurve (Abb.3),<br />

bei <strong>de</strong>r jedoch verschie<strong>de</strong>ne Phasen, d. h. ve rschi e<strong>de</strong>ne Verjüngungsschübe, festgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Desha lb zeigen auch di e Waldbil<strong>de</strong>r einen p lentera rtigen Aufbau,<br />

wobei auf <strong>de</strong>r Kl einfläche ve r chi e<strong>de</strong>ne Aufbauformen wie echter Plenterwald,<br />

Femelsc hlagwald, Überha ltbetrieb, zweihiebiger H ochwald , vereinzelt auch einhiebiger<br />

Hochwald vorkommen. Der hohe Anteil <strong>de</strong>r Eiche ist, wie erwähnt, auch bedingt<br />

durch das späte Au treiben wä hrend <strong>de</strong>r Frostgefahr und durch die Fähigkeit,<br />

auch di e wechselfeuchten und tonigen Pseudogleie zu erschließen. Die Buche hingegen<br />

mei<strong>de</strong>t di ese Bö<strong>de</strong>n weitgehend und ist vor a llem auf <strong>de</strong>n bes eren Pelosolbrauner<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r hö heren Gelän<strong>de</strong>teile zu fin<strong>de</strong>n; sie nutzt weiter die Vorteile durch<br />

ihre Schattenfe tigkeit aus, insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Naturverjüngung (Abb. 5). Wir<br />

erl eben hi er ein interessantes Wechselspiel zwischen Licht- und Schattenbaumarten.<br />

Aus diesen Anga ben ist er ichtlich, dass es sich um durch Wildver biss und<br />

Wald wei<strong>de</strong> bereit <strong>de</strong>vasti erte Flächen ge han<strong>de</strong>l t haben muss. M an war <strong>de</strong> halb<br />

bemüht, sie wie<strong>de</strong>r in Ordnung zu bring n z. B. durch Saaten von Eiche, Fichte<br />

o<strong>de</strong>r Ki efer. Bemerkenswert ist das Vo rhan<strong>de</strong>nsein von ze hn 24-jährigen Lärchen,<br />

welche <strong>de</strong>mnach um 1773 gepflanzt o<strong>de</strong>r gesät wur<strong>de</strong>n, d ie heute in zweiter Generation<br />

einen prächtigen Lärchenbestand bil<strong>de</strong>n. Experten vermuten, dass es sich um<br />

Alpenl ärchen han<strong>de</strong>lt, es könnten jedoch auch Su<strong>de</strong>tenl ärchen sein, da zu jener Zeit<br />

zwischen <strong>de</strong>m schwäbischen H ausgut und <strong>de</strong>n böhmischen Besitzungen ein reger<br />

fo rstlicher Austausch herrschte. Die e Bestandsumwandlungen mit beachtlichen<br />

114,6 ha waren sicherlich Anl ass für Diskussionen zwischen <strong>de</strong>n Fo rstl euten und<br />

<strong>de</strong>r Jägerei: ein <strong>de</strong>vasti erter Wald war für erstere ein Gräuel, für die an<strong>de</strong>ren ein i<strong>de</strong>ales<br />

Wildbiotop. Um zu diesem Streit sti chfeste Unterlagen zu erhalten, ordnete Fürst<br />

Josef M a ria Benedikt für sein H of jagdgebiet Unterhölzerwald eine Forsttaxation an,<br />

die, wie dargestellt, von Eckhard im Jahre 1787 durchgeführt wur<strong>de</strong>.<br />

Da die Kl agen <strong>de</strong>r Bauern über untragbare Wild chä<strong>de</strong>n überhand nahmen,<br />

ordnete <strong>de</strong>r Fürst 178 1 eine große Jagd mit <strong>de</strong>m Eintreiben <strong>de</strong>s Rotwil<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r<br />

Sauen vo n <strong>de</strong>r Baar und <strong>de</strong>m O stschwarzwald in das große Wildgatter bei Immendingen<br />

und in das kleinere Gatter im Unterhö lzerwald an, hier mit ca. 320 ha fü r<br />

das Rotwild und ca. 50 ha für die Sauen (Abb. 1). Das noch außerhalb <strong>de</strong>s Gatters<br />

verbliebene Wild wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m allgemeinen Abschuss freigegeben, so dass das Jagd-<br />

100


Unterhölzerwal<br />

einan<strong>de</strong>rsetzungen um di e Wa ldwei<strong>de</strong> ein erseits und Wald lind Jagd a n<strong>de</strong>rerseits ein<br />

fri ed volles En<strong>de</strong>.<br />

1809 wur<strong>de</strong> ein Sa upark im Hagenbüchle eingericbtet und 1812 erfolgte die<br />

Vergrößerung <strong>de</strong>s Gatters a uf ca . 500 ha (Abb. 1), nach<strong>de</strong>m das große Gatter in<br />

Bachzimmern a us Kostengrün<strong>de</strong>n a ufgelöst und das dortige W il d so weit wie möglich<br />

in <strong>de</strong>n Unterbö lzerwald gebracht wo r<strong>de</strong>n war. 1812 befan<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>m nun<br />

großen Gatter 1<strong>51</strong> Stück Da mwild, 20 Rothirsche und 80 Stück Rotka hlwild, ein e<br />

Wilddichte, welche die Sorgen <strong>de</strong>r Fo rsrl eute bervorrief, a ber a uch zeigte, welchen<br />

Wert di e Fürsten a uf ihr H o f jagdgebiet legten.<br />

Das Torhaus pfo hren und das To rha us Ra nk wa ren die Ein gänge zum Gatter.<br />

L 812 wur<strong>de</strong> das Sa ugatter im Hagenbüchl e <strong>de</strong>m gro ßen Gatter zuge fü gt und ein nur<br />

kleine Sa ugatter mit 5 ha in <strong>de</strong>r Abteilung Sa uga rten beim Torha us Ra nk eingerichtet.<br />

Die Einrichtung <strong>de</strong> Wildpa rks brachte wichtige Än<strong>de</strong>rungen. W ä hrend di e<br />

Wa ld wei<strong>de</strong> nur außerhalb <strong>de</strong>r Winterszeit mit zahlreicben Regelungen wie zum Beispiel<br />

<strong>de</strong>r fo rstordnungsgemäßen Wa ldwei<strong>de</strong> belegt wa r, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wald das ganze<br />

Ja hr über <strong>de</strong>m Wildverbis und hi er beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r o tzeit im Winter a usgesetzt.<br />

Das provozierte zahlreiche Zwisti gkeiten zwischen Fo rstwirtschaft und Jagd verwa<br />

ltung. Oberfo rstmeister DI LGER, <strong>de</strong>r da ma lige Forstchef, bekl agte 1821 , dass <strong>de</strong>r<br />

Wa ldzusta nd nur ä ußerst ma ngelha ft sei und eine Kulturtä ti gkeit nur durch Z ä unung<br />

im Wirrschaftwa ld erreicht wer<strong>de</strong>n kö nne (W OHLFA HRT 1983). 1824 tö tete<br />

ein e lilzbran<strong>de</strong>pi<strong>de</strong>mie 328 tück Da mwild. 1832 w ur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 5a upa rk in <strong>de</strong>r<br />

Abteilung Sa uga rten wie<strong>de</strong>r a ufgeho ben, nach<strong>de</strong>m es in <strong>de</strong>m kleinen Gatter mit<br />

di esem Wild stä ndig SelH.vi ri gkeiten gegeben hatte.<br />

1834 berichtete <strong>de</strong>r Taxator: "Eine eigentliche Wirtschaft fand, obwohl fü r<br />

<strong>de</strong>n Ul1terhölzerwald 1802 eine Taxationseinrichtung vor sich ging, nicht statt, sie<br />

scheiterte an <strong>de</strong>n Tiergartenverhältnissen!" Danach blieben di e aturwaldbestän<strong>de</strong><br />

unangetastet. Die Besta n<strong>de</strong>s beschreibung schil<strong>de</strong>rt Ei chen bis zu 600 Jahren und<br />

mehr, Buchen mit 250 Jahren, aber auch Bestä n<strong>de</strong>, welche durch <strong>de</strong>n Wildverbiss<br />

o hne aturverjüngung waren. Lm Wirtscha ftswald wur<strong>de</strong>n all e Bestän<strong>de</strong> als H ochwald<br />

bewirtschaftet, nur <strong>de</strong>r Ritterstieg am Wa rten berg wa r noch Mittelwa ld . 1850<br />

brach ein e zwei te Milzbra n<strong>de</strong>pi<strong>de</strong>mie a us, <strong>de</strong>r 152 Stück Damwild zum Opfe r<br />

fi elen, wä hrend das R o twild verschont blieb.<br />

1866 schrieb <strong>de</strong>r Fo rstchef, Fo rstreferent ROTH: " olange diese Waldteile als<br />

Tiergarten zu dienen haben, dürfen sie nicht wie gemeine Hochwaldungen behan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n. Hieraus geht die Hauptre<strong>de</strong> hervor, geschlossene und wüchsige<br />

Bestän<strong>de</strong> solange wie m öglich zu erhalten, lückige uralte und im Abgang befindliche<br />

Bestän<strong>de</strong> aber stückweise und grttppenweise durch Pflanzung zu verjüngen".<br />

Di es gelang jedoch <strong>de</strong>s Wildve rbi ses wegen nicht. Ka mmerprä i<strong>de</strong>nt PR ESTINA RI<br />

berichtete <strong>de</strong>m Fürsten] 875: " Diese Bestän<strong>de</strong> sind du rch <strong>de</strong>n fortgesetzten Aushieb<br />

<strong>de</strong>r schlechtesten abgängigsten Stämme im Laufe <strong>de</strong>r j ahre so licht gewor<strong>de</strong>n,<br />

dass sie nicht die Hälfte <strong>de</strong>r Holzmassen enthalten, welche sie haben sollten. Sie sind<br />

von großen Lücken und Blößen durchzogen, welche sich naturgemäß vergrößern,<br />

weil fortwährend einzelne Bäume abgängig o<strong>de</strong>r vom Win<strong>de</strong> geworfen wer<strong>de</strong>n und<br />

eine natürliche Verjüngung <strong>de</strong>s Wil<strong>de</strong>s wegen unmöglich ist ". 50 urteilte <strong>de</strong>r nüchterne<br />

Öko no m über <strong>de</strong>n Waldzusta nd, <strong>de</strong>r doch für einen Jäger fast die Erfüllung<br />

]02


a ller H offnungen be<strong>de</strong>utete. 1881 berichtete Forstverwalter STICHBERT: " Der Tiergarten<br />

ist zurzeit ungefähr mit zwei Drittel Laubholz und bereits mit einem Drittel<br />

a<strong>de</strong>lholz bestockt. S.D. <strong>de</strong>r Fürst (Karl Egon HI) haben das Verhältnis in jüngster<br />

Zeit bemerkt lind uns beauftragt <strong>de</strong>r fürstlichen Domänenkanzlei zu berichten, dass<br />

mit <strong>de</strong>m Verjüngen <strong>de</strong>r alten Laubholzbestän<strong>de</strong> innerhalb <strong>de</strong>s Tiergartens mit<br />

a<strong>de</strong>lholz eingehalten wer<strong>de</strong>n solle, da sonst <strong>de</strong>r Tiergarten <strong>de</strong>n Charakter eines<br />

Wildparks verliere. Innerhalb <strong>de</strong>r Zäune ist nicht nur auf das Wild, son<strong>de</strong>rn auch<br />

auf <strong>de</strong>n Landschaftscharakter Rücksicht zu nehmen. Außerhalb <strong>de</strong>r Zäune wird die<br />

übliche Forstwirtschaft betrieben ". Dies sind mit vieler Höflichkeit klare Anweisungen<br />

<strong>de</strong>s Fürsten (WOHLFAHRT 1983) .<br />

Um die hohen Ko ten <strong>de</strong>s Wildpa rks zu senken, wur<strong>de</strong>n versch ie<strong>de</strong>ne Versuche<br />

unternommen, abgängige Alteichen (Abb. 4) zu verwerten, soweit sie ganz<br />

gesund und zum palten geeignet waren. Dies ist jedoch nur selten <strong>de</strong>r Fall, so dass<br />

die abgestorbenen Eichen Selb twerbern zur Aufarbeitung zu Brennholz abgegeben<br />

w ur<strong>de</strong>n, soweit sie überhaupt noch Interessenten fan<strong>de</strong>n. Als 1854 bei <strong>de</strong>r<br />

Umwandlung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>vasti erten Abtei lung H agenbüchle starke, teils anbrüchige, teil<br />

hohle Eichen zum Hieb kamen, fand sich kein Käufer für das Holz, nicht einmal als<br />

Brennholz. Um 1870 beim Bau <strong>de</strong>r Eisenba hn fan<strong>de</strong>n hingegen ca. 2000 fm<br />

Eichen chwellen a us <strong>de</strong>m Wirtschaftswald guten Absatz. 1987 wur<strong>de</strong> eine ca. 500<br />

jährige zusammengebrochene Eiche mit ei nem Brusthöhendurchmesser von 1,70 m<br />

und einem Sta mmumfang von 5,50 m versuchsweise zu 30 Ster Brennholz a ufgearbeitet,<br />

a lso eine beachtliche Masse, die jedoch nicht verkaufbar war. Selbstwerber<br />

fan<strong>de</strong>n sich nicht, so dass das Holz im Wal<strong>de</strong> verrottete. 1902 stan<strong>de</strong>n im Gatter<br />

noch vier Rothirsche und 11 Stück Kahlwild; vom Damwild dagegen waren 200<br />

Schaufler und Spießer sowie 310 Damtiere<br />

und Kä lber vorhan<strong>de</strong>n, eine beachtliche<br />

Anzahl, die auch gefüttert wer<strong>de</strong>n<br />

musste und eine aturvequngung<br />

re t1 0s verhin<strong>de</strong>rte. 1913 wur<strong>de</strong> das gesamte<br />

Rotwild wegen Sc hälschä<strong>de</strong>n abgeschossen.<br />

Kaiser Wilhelm 11. war im<br />

Unterhölzer mehrere Male Jagdgast bei<br />

<strong>de</strong>n berühmten Fuchsjag<strong>de</strong>n.<br />

Es i t sicherlich sinnvoll, eine Gegenüberstellung<br />

<strong>de</strong>r Forsteinrichtung<br />

von 1778 mit einer <strong>de</strong>r letzten Forsteinrichtungen<br />

<strong>de</strong>r Gegenwart zu versuchen<br />

und die Verän<strong>de</strong>rungen und ihre Grün<strong>de</strong><br />

im La ufe <strong>de</strong>r letzten zwei Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />

zu untersuchen. Die letzte Forsteinrichtung<br />

von 1993 ist jedoch für eine solche<br />

Auswertung ni cht geeignet, die Forstein­<br />

richtung von 1980 dagegen gut. Lei<strong>de</strong>r<br />

ist diese zur Zeit nicht auffindbar, aber<br />

durch di e Arbeit von K EMNER (1981)<br />

Abb. 4: Abgestorbene Eiche als Opfer einer<br />

80jährigen Fichte (Foto: K. Kwasnitschka).<br />

103


zum Tei l zugänglich. Als für <strong>de</strong>n Naturwald typische Fläche wur<strong>de</strong> ein Teil <strong>de</strong>r Abteil<br />

ung Bren nersbühl m it 22 ha in ihrer Baumartenverteil ung von 1778 und 1980<br />

verglichen. Unrer ucht wur<strong>de</strong>n Bäume m it Brusthöhendurchmessern mehr als 18 cm.<br />

1778 hatte die Eiche einen Anteil von 92,2 %, die Buche von 7,2 %, Wildobst von<br />

0,6 % . 1980 sind die Baumartenanreile Eiche 31,7 %, Buche 3,9 %, W il dobst<br />

0,3 %, Esche 10,6 % , Bergahorn 5,3 %, Rosska tanie 0,3 %, Hainbuche 0,9 %,<br />

Weißdorn 0,5 % und Fichte 46,4 % . E ist also eine erhebliche Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong><br />

Anteils <strong>de</strong>r Eiche und auch <strong>de</strong>r Buche festzustellen, während d ie 1778 kaum<br />

vorhan<strong>de</strong>ne Fichte nun einen Anteil von 46,4 % erreicht und die Esche ebenfalls<br />

vertreten ist. Die Fichte ist nicht gepflanzt, son<strong>de</strong>rn vor a llem aus aturvequngung<br />

aus <strong>de</strong>m benachbarten (künstlich begrün<strong>de</strong>ten) Fichtenaltholz <strong>de</strong>r Abteilung<br />

H agenbüchle angeflogen. Eine Verän<strong>de</strong>rung, d ie innerhalb <strong>de</strong>r letzten h un<strong>de</strong>rt<br />

Jahre stattfand, und die Gefahr <strong>de</strong>r" Verfichtung" dramatisch zeigt.<br />

Eine Aufstellung <strong>de</strong>r aturverjüngung für <strong>de</strong>n Bru thöhendurchmesserbereich<br />

I 0-18 cm zeigt Anteile <strong>de</strong>r Eiche von 37 %, <strong>de</strong>r Buche von 2 %, <strong>de</strong>r Esche<br />

von 6 %, <strong>de</strong>s Bergahorns 11 %, <strong>de</strong>s Weißdorns 8 % und <strong>de</strong>r Fichte 14 %. Die<br />

Anreile <strong>de</strong>r Eiche und Buche entsprechen ihrem Anteil im vorhan<strong>de</strong>nen Altholz von<br />

1980. Die E che konnte ich jedoch stark ausbreiten, vor allem durch <strong>de</strong>n Anflug<br />

a uf einer ehemaligen Wild wiese, und <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Fichte sank d urch <strong>de</strong>n Abtrieb<br />

<strong>de</strong>s Fichtenaltholzes im Hagenbüchle von 46,4 % auf nur noch 14 % . Einen Vergleich<br />

<strong>de</strong>r Stammzahlen <strong>de</strong>r Eiche und <strong>de</strong>r Durchmes er von 1778 und 1980 zeigt<br />

die Abb. 3. Danach stieg die Kulmination <strong>de</strong>r Brusthöhendurchmesser von ca.<br />

30 cm in 1778 auf ca. 80 cm in 1980, also um 50 cm in 202 Jahren bzw. um<br />

Abb. 5: Buchenbestand im Wirtschaftswald<br />

mit guter Verjüngung Abt. "Buchene Buck"<br />

(Foto: K. Kwasnitschka).<br />

104<br />

Abb. 6: Eichenbestand im Wirtschaftswald<br />

mit guter Verjüngung Abt. "Weiher-Hölzle"<br />

(Foto: K. Kwasnitschka).


und se"ne Geschichte<br />

24 mm/Jahr: ein geringer, a ber beständiger Durchmesserzuwachs. So weit die ve rfügbaren<br />

Ergebnisse <strong>de</strong>r Forsteinrichtung von 1980.<br />

Um weitere Vergleiche zu ermöglichen, verwen<strong>de</strong> ich nun die Ergebnisse meiner<br />

Forsteinrichtung von 1959, in <strong>de</strong>r ich mi ch mit diesem aturschutzgebiet beson<strong>de</strong>rs<br />

beschäftigt habe (KwASNITSCHKA 1959). Sie liegt zwar 47 Jahre zurück, aber<br />

auf die 181 Jahre Zeitunterschi ed zu 1778 bezogen, sind doch wichtige Aussagen<br />

möglich. Die Taxation von 1778 ze igte eine Gesamtfläche von 481,2 ha, während<br />

die Fläche von 1959560,5 ha H olzbo<strong>de</strong>nfl äche (o hne Ritterstieg) ausweist. Es sind<br />

<strong>de</strong>mnach 79,3 ha mehr durch Aufforstungen insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Abteilungen<br />

Rauch und Herrenbrunn. Die Flächen <strong>de</strong>s Natu rwal<strong>de</strong>s betrugen 352,7 ha, dagegen<br />

jene von 1959 nur noch 150,6 ha vor a llem bedingt durch die nötigen Umwandlungen<br />

vo n durch Wa ld wei<strong>de</strong> und Wild <strong>de</strong>vastierten Althölzern. Die Fl äche <strong>de</strong>s<br />

Wirtschaftswal<strong>de</strong>s betrug 1778 105,5 ha, während er sich 1959 auf 409.1 ha durch<br />

Umwandlungen und Aufforstung vermehrt hat. Eine Aufstellung <strong>de</strong>r Mischbestän<strong>de</strong><br />

für <strong>de</strong>n Gesamtwald mit einem Mischungsantei l von mehr a ls 10 % zeigt folgen<strong>de</strong><br />

Übersicht:<br />

Fichte (Tanne, Fohre)<br />

Fichte, Fohre<br />

Fohre (Tanne, Fichte)<br />

Tanne-Fichte-Buche (Fohre)<br />

Eiche-Buche<br />

Buche-Eiche<br />

44,5 %<br />

9,8 %<br />

2,3 %<br />

0,8 %<br />

32,6 %<br />

10,0 %<br />

Die Eichen-B uchen-Mischbestä n<strong>de</strong> <strong>de</strong>s arurwal<strong>de</strong>s erreichten noch 43 %,<br />

während im Wirt chaftswald bereits die Fichte (Ta, Fo)-Mischbestän<strong>de</strong> als Folge<br />

von Umwandlungen und Ka lamitäten mit 44,5 % vo rherr chten. Das Mi chungsverhältni<br />

<strong>de</strong>r Baumarten zeigt Tab. 2. Danach erreichte im Gesamtwald mit 560,5 ha<br />

die Fichte 53 %, Tanne, Kiefer/Lärche nur 5 % und die Eiche mit Buche und sonstigem<br />

Laubholz 42 % . Im Wirtschaftswald mit 409,9 ha erreichte dagegen die<br />

Fichte 67 %, die Eiche 10 % und die Buche 8 % . Hier sind zur Umwandlung <strong>de</strong>r<br />

Fichtenbestän<strong>de</strong> erhebliche Anstrengungen nötig, di e allerdings durch Frost und<br />

Mäusefraß erschwert wer<strong>de</strong>n.<br />

1959 Gesa m tfläche Wi rtscha ftswa I d N arurwald<br />

559,7 Hbfl. 409,1 Hbfl. 150,6 Hbfl.<br />

Fichte 53 % 67 % 5 %<br />

Tanne 1 % 1 %<br />

FohrelLärche 4 % 5 % 2 %<br />

Buche 14 % 8 % 25 %<br />

Eiche 23 % 10 % 56 %<br />

Blöße 5% 4 % 10 %<br />

Tab. 2: Mischungsübersicht 1959 im Unterhölzerwald. Hbfl. = Holzbo<strong>de</strong>nfläche in ha.<br />

Ein völlig an<strong>de</strong>res Bild dagegen zeigt die Mischung im aturwald (Tab. 2).<br />

Gegenüber 1787 mit 259 ha betragen die Naturbestän<strong>de</strong> von 1959 nur 150,6 ha,<br />

105


hölzerwald<br />

a lso 104,8 ha weniger. Grün<strong>de</strong> d a für sind die inzwischen erfo lgten Umwa ndlllllgen<br />

du rch Wa ldwei<strong>de</strong> <strong>de</strong>va ti erter Itbestä n<strong>de</strong>, während sich die a turwaldbestä<br />

n<strong>de</strong> in Fläche und Z usammensetzung sta bilisiert ha ben. Gegenijber 1787 ha t<br />

die Buche eine geringe M ehrung erfa hren, während die Ei che von 79 % a uf 56 %<br />

sinkt infolge <strong>de</strong>r Übera lterung in <strong>de</strong>r A lterungs- und Z erfa llpha e und durch das<br />

hä ufige Absterben <strong>de</strong>r Eichen, wie ma n sie in <strong>de</strong>n Bestä n<strong>de</strong>n beobachten ka nn. Die<br />

Fichte i t mit nur 5 % gering vertreten, o b, o hl sie in <strong>de</strong>r bteilung Brennersbühl<br />

bereits einen ho hen Anteil von 44,5 % einnimmt. Abbildung 4 zeigt eine abgeto<br />

rbene Alteiche mit ei ner benach barten ho hen und beherrschen<strong>de</strong>n Fichte, die<br />

nur ca. 80 Ja hre a lt ist und die Vita litä t <strong>de</strong>r Fi chte unter Beweis stellt. Die Alt ichen<br />

(Ta b. 3) erreichen ein Alter von 200 bi s 500 und mehr Ja hren, im Durchchnitt<br />

300 Ja hre, einen Brusthö hendurchmesser von 75 cm und eine Mittelhö he<br />

von 25 m . Die Buchen sind wesentlich jünger mit 150 bis 260 J a hren, im Durchchnitt<br />

200 Ja hre, mit einem Brusthö hendurchme ser von 65 cm und einer Mittelhö<br />

he von 24 m. Sehr <strong>de</strong>utlich ze igt sich d ie Überl egenheit <strong>de</strong>r Fichte mit 60 bis<br />

120, im Durch chnitt 80 Ja h ren, einem Brusth ö hendurchmesser von 70 cm und<br />

einer Mittelhö he von 30 m. Eiche und Buche sind hier ho ffnungslos unterl egen.<br />

Alter Bhd hm NV 1-] 0 j. 11- 20 j. 21-30 j.<br />

in Ja hre 111 cm III m in % in % in % in %<br />

Eiche 43<br />

200-500 75 25 son tige 15 50 35<br />

durchsehn. 300 La ubhö lzer 5<br />

Buche<br />

150 - 260 65 24 50 10 60 30<br />

durchsehn. 200<br />

Fichte<br />

60 -120 70 30 2 20 70 10<br />

durchschn. 80<br />

Tab. 3: Bestandsdaten von 1959 im Naturwald <strong>de</strong>s Unterhälzerwal<strong>de</strong>s<br />

Bhd = Brusthähendurchmesser, hm = Mittelhähe, NV = Naturverjüngung.<br />

Der a turverjüngungsanteil a uf <strong>de</strong>r Fläche <strong>de</strong> a tu rwal<strong>de</strong> beträgt für die<br />

Eiche ca. 43 % , für die Buche ho he 50 % , für sonstige La ubhö lze r 5 % und für<br />

die Fichte nur 2 %, ein erfreuli che Mi chungsverhältnis, das <strong>de</strong>n Besta nd <strong>de</strong>s<br />

Naturwald es a uch fü r die nächste Genera ti o n gew ährleisten ka nn. Betrachtet ma n<br />

das Iter <strong>de</strong>r a turverjüng ung, so bemerkt ma n bei <strong>de</strong>r E iche und Buche im<br />

Alter von 21 bis 30 J a hren ein en Anteil von 35 % bzw. 30 % . Höch te aturve<br />

rjüngungsante il e mit 50 % bzw. 60 % wer<strong>de</strong>n jed och im Alter von 11- 20 Ja hren<br />

erreicht und die jüngste a turverjüngung bis 10 Ja hren erreicht nur 15 % bzw.<br />

20 % . Die belegt das im Wildgatter ka um o<strong>de</strong>r keine a turve rjüngung durch<br />

<strong>de</strong>n Wildverbiss hoch ko mmen ko nnte, sich erst nach Auflösung <strong>de</strong>s Gatters<br />

einstellte und nach einer Anla ufphase im Alter von 11 bis 20 Ja hren ihre Kulminati<br />

o n erreichte. Die niedrigen Werte für die jüngste atu rve rjüng ung sind bereits<br />

w ie<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Wildverbiss <strong>de</strong>r in freier Wildba hn er ta rkten Wilddichte ver-<br />

106


ursachr. 1902 waren im Gatter 4 Rothirsche und 71 Stück Kahlwild, 200 Damhirsche<br />

und 300 Stück Kahlwild vorhan<strong>de</strong>n, in summa al 0 die gewaltige Zahl von 525<br />

Stück a uf ca. 560 ha. Folglich konnte keine aturverjüngung hochkommen. Nach<br />

<strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>s Gatters durch <strong>de</strong>n Radikalabschuss erfolgte ei n schne ll es<br />

Anwach en <strong>de</strong>r arurverjüngung mit ein em beachtlich hohen Kulminationswert<br />

anschließend eine geringere Verjüngungshäufigkeit durch die steigen<strong>de</strong> Wilddichte<br />

in freier Wildbahn. 1959 betrug <strong>de</strong>r Wildbestand immerhin 20 Stück Rehwild und<br />

8 Stück Damwild a uf 100 ha (SUc/--IANT 1976). Das sind zusammen a uf 560 ba 140<br />

Stück, also wesentlich weniger als 1902, aber noch genügend, L1m <strong>de</strong>n Verbiss spürbar<br />

zu erhöben. Soweit die Auswertung meiner Forsteinrichtung von 1959.<br />

In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren wur<strong>de</strong> die Pflege <strong>de</strong>s aturschutzgebietes fortgesetzt.<br />

Der aturwald wur<strong>de</strong> weiterhin geschützt und im Wirtschaftswald hatte man in<br />

<strong>de</strong>n Ficbtenreinbestän<strong>de</strong>n große Probleme mit Sturmwürfen und sonsti gen Kalamitäten.<br />

Die Begründung von Mischbestän<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> wie erwähnt, durch Fröste,<br />

Mäusefraß und Sonstiges erschwert. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es gelungen,<br />

im Wirtschaftswald teilweise beachtliche Mischbestän<strong>de</strong> zu erzielen, wie z. B. in <strong>de</strong>r<br />

Abtei lung Einschlag einen Be tand von 170 jährigen Lärchen in 2. Generation mit<br />

ein em Miscbungsanteil von Lärche 40 %, jüngere Fohren mit 35 %, Buche mit<br />

10 % und Eiche mit 5 % . Die Lärchen ind eine Beson<strong>de</strong>rheit im Waldbild <strong>de</strong>r Umgebung.<br />

ie haben ei ne hervorragen<strong>de</strong> Qualität, während die Fohren und Buchen<br />

mittlere Qualitäten a ufweisen. In <strong>de</strong>r Abteilung Buchene Buck ist ein Mischbestand<br />

aus 70-jährigen Buchen 95 %, Esche 5 % (A bb. 5) und in <strong>de</strong>r Abteilung Weiherhö<br />

lzle ein ca. 90-jä hriger Be tand aus Eiche 65 %, Buche, Erl e, Esche, Ahorn,<br />

Lin<strong>de</strong> 35 % aus aturverjüngung und Pflanzung (Abb. 6). Auch in <strong>de</strong>r Abteilung<br />

Bolzacker sind gute Mischbestän<strong>de</strong> gelungen.<br />

Die aturverjüngung in <strong>de</strong>n Natufwaldbestän<strong>de</strong>n vermehrte sich auf ca. 80 %<br />

<strong>de</strong>r Fläche. Sie garantiert eine erfolgreiche Wie<strong>de</strong>rverjüngung dieser wertvollen Altbestän<strong>de</strong>.<br />

Zwangsläufig wird sich durch Waldwei<strong>de</strong> und Wildverbiss im Tierpark<br />

(Abb. 7) da Bild vom einschichtigen unterstandsfreien Hutewald in einen mehrschichtigen<br />

und plenterartigen Bestan<strong>de</strong>saufbau <strong>de</strong>s Naturwal<strong>de</strong>s umwan<strong>de</strong>ln.<br />

Auch ist zu erwarten, dass durch die fortschreiten<strong>de</strong> Klimaerwärl1lung <strong>de</strong>r Anteil<br />

<strong>de</strong>r Buche steigen wird. Eine forstwirrschaftliche Bewirtschaftung <strong>de</strong>s Naturwal<strong>de</strong>s<br />

wird sich wie in <strong>de</strong>r Vergangenheit, wenn überhaupt, nur auf <strong>de</strong>n Auszug abgängiger<br />

H ö lzer und auf die Lenkung <strong>de</strong>r aturverjüngung beschränken, wobei beson<strong>de</strong>rs<br />

die eindringen<strong>de</strong> Fichte bekämpft wer<strong>de</strong>n muss. Teilweise gelungene Mischbestän<strong>de</strong><br />

im Wirtschaftswald zu erreichen und da Weiterbestehen <strong>de</strong>s aturschutzgebietes<br />

als Hof jagdgebiet mit einem guten Damwild- und Rehwildbestand, ferner mit Sauen<br />

und beachtlichem ie<strong>de</strong>rwild, verbun<strong>de</strong>n mit einer reich hal tigen Vogelwelt und<br />

einer vielfä ltigen Vegetation, bleibt das Ziel. Dieses wertvolle Biotop ka nn nur<br />

erhal ten wer<strong>de</strong>n durch ein ausgeweitetes Schutzgebiet mit ca. 5.000 ha unter<br />

Einscbluss einiger Wiesen und Feld er westlich <strong>de</strong>s Unterhölzerwal<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Waserjagd<br />

an <strong>de</strong>r Donau. Zuletzt wur<strong>de</strong>n 1996 die vorgelagerten Flachmoore und<br />

Feuchtwiesen <strong>de</strong>r Gewa nne Birken-Mittelmeß (A bb. 1) mit weiteren 170 ha unter<br />

aturschutz gestellt (R EG IERUNGSPRÄS ID IUJvl FR EIßuRG 2004). Lei<strong>de</strong>r si nd durch<br />

Düngung <strong>de</strong>r Wiesen, Trockenlegung <strong>de</strong>r Torfstiche und sonstige landwirtschaftli-<br />

107


D<br />

Abb. 7: Eichen-Altholz in Abt. "Am Rank".<br />

Wildverbiss lässt hier keine Naturverjüngung<br />

aufkommen (Foto: K. Kwasnitschka).<br />

che Maßnahmen die Lebensbedingungen<br />

für Flug- und ie<strong>de</strong>rwild<br />

erheblich verschlechtert wor<strong>de</strong>n.<br />

So ver chwand die große Reiherkolonie<br />

im Ritterstieg, Feld-hasen,<br />

Rebhühner und Bekassinen<br />

sind eine Seltenheit. Nur <strong>de</strong>r<br />

Überlebenskünstler Fuchs hat einen<br />

stets hohen Bestand durch die<br />

Jagd auf die za hlreichen Mäuse<br />

halten können.<br />

Wer die Abb. 1 betrachtet,<br />

erkennt, dass <strong>de</strong>r Unterhölzerwald<br />

eingeklemmt ist zwischen<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sautobahn im Osten,<br />

<strong>de</strong>r B 31/33 im Sü<strong>de</strong>n, wobei die<br />

alte B 33 im Sü<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Fortsetzung im aturschutzgebiet, Abteilung Schabei,<br />

Richtung Geisingen, bereits durch die arurschutzbehör<strong>de</strong> genehmigt war. Es bedurfte<br />

großer Anstrengungen, auch mit Hilfe von aturschutzverbän<strong>de</strong>n diesen<br />

Plan zu verhin<strong>de</strong>rn und die inzwischen verwirklichte Tra ierung durch die Fel<strong>de</strong>r<br />

am linken Donauhang zu erreichen. Große Probleme brachte a uch <strong>de</strong>r Neubau <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>sautobahn A 81 im Kötachtal, welche <strong>de</strong>n stark frequentierten Wildwechsel<br />

zwischen <strong>de</strong>m Unterhölzerwald und <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Westalb durchschnei<strong>de</strong>t. Unsere<br />

For<strong>de</strong>rung nach Wilddurchlässen unter <strong>de</strong>r Autobahn wur<strong>de</strong> abgelehnt, und<br />

nach langem Zögern und endlosen Di kus ionen wur<strong>de</strong>n wenigstens Wildzäune entlang<br />

<strong>de</strong>r Autobahn errichtet, übrigens die er ten in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland.<br />

Einen beson<strong>de</strong>r starken Eingriff in die Natur stellte <strong>de</strong>r eubau <strong>de</strong>r B 31 zwischen<br />

Hüfingen und Unterhölzer mitten durch das wertvolle Biotopgefüge <strong>de</strong>r Riedbaar<br />

(ZINKE & REI HELT 1976), <strong>de</strong>m Überwinterungsgebiet und Rastplatz <strong>de</strong>r Saatgänse,<br />

Sing chwäne und an<strong>de</strong>rer Zugvögel, dar. Trotz gravieren<strong>de</strong>r Einsprüche und einer<br />

Petition wur<strong>de</strong> ie gebaut; das Gebiet verlor seine Einzigartigkeit.<br />

Diese Beispiele zeigen, das das aturschutzgebiet Unterhölzer Wald und<br />

seine Biotope verschie<strong>de</strong>nen Gefährdungen ausgesetzt waren und noch sind. Es ist<br />

<strong>de</strong>r Jagdpas ion <strong>de</strong>r Fürstenberger und ihrer Liebe zu ihrem schönen Hof jagdgebiet<br />

zu verdanken, dass trotz erheblicher finanzieller achtei le für <strong>de</strong>n Eigentümer <strong>de</strong>r<br />

aturwald erhalten blieb. Es ist zu hoffen, dass künftig auch die öffentliche Hand<br />

ebenso verantwortungsbewusst han<strong>de</strong>lt.<br />

Der Zeitraum vor 1787 - zurück bis ins Mittelalter<br />

ach <strong>de</strong>m ein ige Autoren, wie z. B. R EINHOLD (1956) die Vermutung äußerten, <strong>de</strong>r<br />

aturwald könne ein Relikt aus <strong>de</strong>r Eichenmischwaldzeit sein, oll <strong>de</strong>r Versuch unternommen<br />

wer<strong>de</strong>n in die ältere Geschichte <strong>de</strong>s Unterhölzerwal<strong>de</strong>s einzudringen.<br />

Das Einrichrungswerk 1787 und beson<strong>de</strong>rs das von 1802 haben die alten Eichen<br />

auf ein Alter von 500 Jahren und mehr geschätzt. Die Eichen hatten sich da-<br />

108


und seine Cesc .<br />

mit also vor 500 Jallren, d. h. ca. 1300 n. Chr. verjüngt. ach<strong>de</strong>m gezeigt wer<strong>de</strong>n<br />

konnte, das sich <strong>de</strong>r aturwald in seiner Zusammensetzung bis in die Gegenwart<br />

trotz mancher Schwierigkeiten gut natürlich verjüngt hat, sind wir sicher, dass um<br />

1300 n. Ch. <strong>de</strong>r Altbestand die gleiche Zu ammensetzung gehabt haben muss wie<br />

<strong>de</strong>r Folgebestand. Holzeinschläge haben im aturwald diese Entwicklung nicht<br />

ge tört, da Holz nicht o<strong>de</strong>r nur sehr selten geschlagen wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r Forsteinrichtung<br />

von 1787 sind die ersten Holzhiebe ab 1750 be chrieben, für Hiebe vorher ind<br />

keine Belege vorhan<strong>de</strong>n. Der Wald war von je<strong>de</strong>r utzung ausgenommen, wie auch<br />

das KRIPPsche Waldbuch von 1654 in seiner Holz- und Wa ldbe chreibung über die<br />

Landgrafschaft Baar <strong>de</strong>n Unterhölzerwald nicht aufgeführt hat. Während bei allen<br />

umliegen<strong>de</strong>n Waldungen die Holzrechte geregelt waren und meist <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n<br />

das Brennholz und <strong>de</strong>r Herrschaft das Nutzholz zur utzung zustand, sind für <strong>de</strong>n<br />

Unrerhölzerwald keine Nutzungsregelungen vorhan<strong>de</strong>n. Sehr <strong>de</strong>utlich zeigt sich<br />

dadurch die Son<strong>de</strong>rstellung <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s.<br />

Die Fürstenberger erbten 1218 die ausge<strong>de</strong>hnten Besitzungen <strong>de</strong>r Herzöge von<br />

Zähringen (TuMBÜLT 1908), und 1283 belehnte König Rudolf von Habsburg Graf<br />

Heinrich Ir. von Fürstenberg mit <strong>de</strong>r Landgrafschaft Baar, womit die Rega le Jagd,<br />

Bergbau usw. verbun<strong>de</strong>n waren. ach <strong>de</strong>m Erwerb <strong>de</strong>r Wartenbergischen Besitzungen<br />

erwählten auch die Fürstenberger als passionierte Jäger <strong>de</strong>n aturwald<br />

Unrerhölzer al ihr Hof jagdgebiet. Ihr Jagdwesen war hoch enrwickelt, 0 dass Herzog<br />

Ullrich von Württemberg in einem Brief an Friedrich zu Fürstenberg um Jagdhun<strong>de</strong><br />

bat. Von 1582 bis 1590 sind eingehen<strong>de</strong> Jagdtagebücher erhalten geblieben,<br />

welche einen Einblick in das damalige Jagdgeschehen vermitteln (STEPHA 11938).<br />

Der Für tenbergische Jagdbann erstreckte sich über die ganze Baar bis hinauf zum<br />

Hochfirst und Feldberg auf einer Fläche von ca. 70 000 ha, mit einer Waldfläche<br />

von ca. 28 000 ha. Den Jahresabschuss zeigt die Tabelle 4.<br />

Jahresabschuss 1583 Hirsche Tiere Kälber Rehe Sauen Wolf<br />

gefangen bei 30 Jag<strong>de</strong>n 26 15 4 3 15<br />

(davon 6 Fehljag<strong>de</strong>n)<br />

Wilddieben abgenommen 4 1 2<br />

auf Befehl geschossen 13 22 12 9<br />

von Hun<strong>de</strong>n gerissen 9 7 6<br />

vom Wolf gerissen 1<br />

vom Luchs gerissen 1<br />

mit <strong>de</strong>r Axt erschlagen 1<br />

Summe (= 1<strong>51</strong>) 52 45 23 13 17 1<br />

Tab. 4: Die Jagdstrecke 1583 auf <strong>de</strong>m Fürstenberger Jagdbann von <strong>de</strong>r Baar<br />

bis zum Hochfirst.<br />

Danach wur<strong>de</strong> wesenrlich mehr Wild gefangen als auf Befehl geschossen,<br />

wobei <strong>de</strong>r Jagdherr, Graf Christoph, aus chließlich im Unterhölzerwald, in se inem<br />

Hof jagdgebiet, jagte. Wild wur<strong>de</strong> nur auf beson<strong>de</strong>ren Befehl auf Ansitz und Pirsch<br />

geschossen, wä hrend das meiste Wild mit Hilfe von Jagdhun<strong>de</strong>n, Hetzhun<strong>de</strong>n<br />

Pfer<strong>de</strong>n, etzen und Treibern gefangen wur<strong>de</strong>.<br />

109


hutzgebi t<br />

Diesen Tagebüchern ist zu entnehmen, das ca. 3,5 Stück Wild auf 100 ha<br />

vorha n<strong>de</strong>n wa ren, ein e im Vergleich zu heute ehr ho he Wilddichte, a ber wohl zu<br />

gerin g, um auf <strong>de</strong>n Wa ldzusta nd sta rken Einfluss zu nehmen. Beachtlich ist <strong>de</strong>r<br />

ho he Anteil a n Fa ll wild , verursacht durch die strengen Winter in <strong>de</strong>r Baal' und im<br />

Schwa rzwald . Tiere wie Bä r, Wolf, Luchs usw. spielten hi er keine große Rolle.<br />

Ersta unlich ist <strong>de</strong>r ho he Anteil <strong>de</strong>s von wil<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Hun<strong>de</strong>n geris enen Wil<strong>de</strong>s, wohl<br />

herrschaftliche Jagdhun<strong>de</strong>, die bei <strong>de</strong>n Ba uern in " Kost und Logis" wa ren. Diese<br />

geschil<strong>de</strong>rten Jagdverh ältnisse gelten a uch für die nachfolgen<strong>de</strong> Zeit. Während <strong>de</strong><br />

30-jä hrigen Krieges mit sein en Folgen ist <strong>de</strong>r Wild besta nd geringer gewor<strong>de</strong>n. Anfa<br />

ng <strong>de</strong>s 18. Ja hrhun<strong>de</strong>rts wur<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r di e Abschusszahl en von 1580 erreicht.<br />

Ab 1753 kommt <strong>de</strong>r Abschu s a uf <strong>de</strong>n Höchststand und beträgt ca. das Z ehnfache<br />

von 1580. Somit muss ein e gewa ltige Vermehrung <strong>de</strong>s Wildstan<strong>de</strong>s a uf ca .<br />

4 Stück pro 100 ha erfolgt sein. Die Folge wa r ein beson<strong>de</strong>rs hoher Abschuss in <strong>de</strong>n<br />

Jahren] 7<strong>51</strong> bis 1754 , doch schnell erholte ich <strong>de</strong>r Wildbesta nd, so das ab] 770<br />

erneut sta rk e Wildschä<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>rn auftraten und ca. 1000 ha Feld ve rö<strong>de</strong>ten.<br />

Die Kl agen <strong>de</strong>r Bauern wur<strong>de</strong>n la uter, obwo hl ein ve r tä rkter Abschuss verordnet<br />

w ur<strong>de</strong>. Fürst Jo ef Wenze l entschl oss sich <strong>de</strong> ha lb zu einer Gewaltlösung in<strong>de</strong>m er<br />

a nordnete, dass durch ein großes Treiben a uf einer Fläche von ca. 4000 ha Rotwild<br />

und Sa uen in ein neues Gatter bei Bachzimmern und ein kl eineres im Unterhölzer<br />

eingetrieben wer<strong>de</strong>n sollen. Über 7 000 Treiber ha ben in 5 Tagen 210 Stück Rotw<br />

ild in di e Gatter getrieben. Das da nn noch in freier Wildba hn vorha n<strong>de</strong>ne Rotwild<br />

wur<strong>de</strong> zum Abschuss freigegeben. Er ve rzichtete da mit auf sein Jagdregal für<br />

di e hohe j agd, ein e für di e dama li ge Z eit ungewöhnliche M aßnahme. Da mit begann<br />

für <strong>de</strong>n Unterhölzerwald ein e neue Bewirtschaftung als Wildgatter (Abb. 1).<br />

Ein e uralte utzung <strong>de</strong>s Unterh ölze rwa ld es wa r di e Waldwei<strong>de</strong> für Pfer<strong>de</strong>,<br />

Rin<strong>de</strong>r, Scha fe und Ziegen, wobei <strong>de</strong>r Wald durch sein e Ei chen- und Buchenma ten<br />

be on<strong>de</strong>rs begehrt war . .. WlIl1 n u11d Wa id, Trieb u11d Tratt" wa ren wichtige utzungen<br />

für die da ma li gen Ba uern <strong>de</strong>r Gema rkungen Unterba ldingen, Geisin gen,<br />

Wa rtenberg, Pfo hren, eudingen und G utmadingen. Z a hlreich ind über die Ja hrhun<strong>de</strong>rte<br />

hinweg di e Streitigkeiten über Grenzen und Mast die oft a m gemeinsamen<br />

Grenzpunkt Brenners Bild geschlichtet wur<strong>de</strong>n (BADER 1966). Die Flirstenberger<br />

öffn eten <strong>de</strong>n Unterhölze rwa ld und regelten die Streitpunkte durch eingehen<strong>de</strong><br />

Wa ldordnungen und schließlich 1723 durch <strong>de</strong>n Vertrag über ein forstordnungsgemäßes<br />

Wei<strong>de</strong>recht. Dadurc h wur<strong>de</strong> da Weid erecht zugunsten <strong>de</strong>r Für tw<br />

irtschaft und <strong>de</strong>r Jagd eingeschrä nkt. Im Wildgatter war di e Hof jagd <strong>de</strong>r be timmen<strong>de</strong><br />

Faktor und wa r w ichtiger als di e Forstwirtscha ft .<br />

Der Unterhö lzerwald war von alters her Besitz <strong>de</strong>r Wartenberger, eines Ura<strong>de</strong>lsge<br />

chl echtes a us <strong>de</strong>r Baal', <strong>de</strong>ssen Sitz in Gei ingen war. ach <strong>de</strong>m Ba u <strong>de</strong>r Burg<br />

a uf <strong>de</strong>m Wa rtenberg nannten sie sich Freih erren von Wa rtenberg (VEDER 1964).<br />

Das Gesch lecht hatte viele Besitzungen in <strong>de</strong>r O stbaar, im Aitrachtal, im D ona utal,<br />

in Oberschwa ben usw. Die H erkunft di e er Besitzungen ist ebenso unklar wie jene<br />

<strong>de</strong>s freiherrlichen Geschlechtes . Unstrittig ist, da s di e Freiherren von Warten berg<br />

im Unrerhö lzerwald di e Rodungs-, Beho lzungs- und utzungsrechte innehatten.<br />

Ihnen ist <strong>de</strong> halb <strong>de</strong>r Erh alt <strong>de</strong>s aturwald es a us Eiche und Buche mit vielen Mischba<br />

uma rten zu verda nken.<br />

1 10


Graf H ei nrich Il. von Fürstenberg heiratete 1303 Verena von Freiburg-Ba<strong>de</strong>nweiler,<br />

Tochter <strong>de</strong>r Anna von Warten berg. ach <strong>de</strong>ren Tod 1321 erbte H einrich H.<br />

<strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r Wartenberger und damit <strong>de</strong>n Unterhölzerwald (VElIER 1964). Die<br />

Wartenberger hatten die Wildbannrechte in einem Gebiet von <strong>de</strong>r We talb bis etwa<br />

Beuron im Donautal, so dass di e Fürstenberger ein weiteres Jagdgebiet mit guter<br />

Betreuung erbten und <strong>de</strong>n Unterhölzerwald zu ihrem Hof jagdgebiet machten.<br />

Am 10. Januar 1309 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Unterhölzerwald er tmals erwähnt, als die<br />

Gräfin Anna von Freiburg-Wartenberg mit ihrer Tochter Verena und <strong>de</strong>ren Gemahl<br />

Graf H einrich Ir. von Für tenberg <strong>de</strong>r Pfa rrei pfohren jährlich 20 Fu<strong>de</strong>r Holz "aus<br />

<strong>de</strong>m Holz, da man spricht Unterhölzer" schenkte mit <strong>de</strong>r Auflage, zu einem Jahrtag<br />

für da Seelenhei l <strong>de</strong>r Stifter zu beten. Dies war bis 1787 die ein zige Holzberechtigung,<br />

welche später mit 7,5 Kl aftern Eichen- und 7,5 Klaftern Buchen brennholz<br />

spezifi ziert wur<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>re Holznutzungen o<strong>de</strong>r H o lzberechtigungen si nd im<br />

Unterhölzer nicht hinzugekommen und ni cht vorban<strong>de</strong>n.<br />

Indizien zum Unterhölzerwald in frühgeschichtlicher Zeit<br />

Vorgänger <strong>de</strong>r Wartenberger waren di e Zähringer H erzöge, die a us einem alam anni<br />

schen A<strong>de</strong>lsgeschlecht hervorgingen und Teile Süd<strong>de</strong>utschlands und <strong>de</strong>r Schweiz<br />

zu eigen harten. Der Unterhölzerwald mit Geisingen war davor Teil <strong>de</strong>r Gaugrafchaft<br />

Baal' <strong>de</strong>r Karolinger und stand in enger Verbindung zum Verwaltungsmittelpunkt<br />

eudingen, <strong>de</strong>r späteren Pfa lz Kaiser Karls III. Die er, schon als Prinz öfter<br />

do rt zu Gast, wählte nach sei ner Absetzung 887 eudingen zum Ruhesitz, da er a l<br />

passionierter Jäger die Jagdmöglichkeiten <strong>de</strong>r Gegend sehr schätzte, bis er - einer<br />

überlieferten Ver ion zufolge - bei <strong>de</strong>r Entenjagd 888 tödlich verunglückte.<br />

Die Pfalz (hi erzu H ÜBENER 1973) und die an<strong>de</strong>ren Königsgüter <strong>de</strong>r Umgebung<br />

(hierzu: GLUN K 1968) entstammen <strong>de</strong>m altalamannischen H erzogsgut. Die Alamannen<br />

harten a b 260 n. Chr. di e H errschaft in Süd<strong>de</strong>utsch la nd erobert. Valentinian I.<br />

rä umte 364 bis 375 das Gebiet östlich <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong> , womit rund 200 Jahre<br />

römi cher Herrschaft in unserem Raum en<strong>de</strong>ten (LEHMAN 1 2005). Doch da uerte<br />

di e freie Alamannia nur bis zur Unterwerfung durch die Franken um 416 n. Chr.<br />

Die Merowinger behi elten jedoch die alte Gauverfassung <strong>de</strong>r Alama nnen mit einem<br />

Herzog an <strong>de</strong>r Spitze bei, a us <strong>de</strong>s en Grundbe itz, wie erwähnt, di e Königsgüter <strong>de</strong>r<br />

Ka rolinger hervorgingen. Wahrscheinlich blieb eudingen Sitz <strong>de</strong>r H erzogsgewalt<br />

(BADER 1968); gesichert ist je<strong>de</strong>nfall s ein e fränkische Grafschaft eidingen. Der<br />

Unterhölzerwald war dabei <strong>de</strong>n Franken a ls na hegelegenes i<strong>de</strong>a les Jagdgebiet<br />

genauso wichtig wie <strong>de</strong>n vora usgega ngenen Ala ma nnen. In diesen bewegten Jahren<br />

konnte sich <strong>de</strong>r aturwald ungestört erha lten.<br />

Die Römer fan<strong>de</strong>n in un erer Gegend keine Wildnis mehr vor mit fin teren<br />

Wäl<strong>de</strong>rn und wil<strong>de</strong>n Tieren, son<strong>de</strong>rn ei ne hochent\vickelte Kulturlandschaft. ach<br />

<strong>de</strong>n Kartierungen <strong>de</strong>r zahlreichen prähistorischen Grabhügel in <strong>de</strong>r Westbaar, in <strong>de</strong>r<br />

Baarmul<strong>de</strong> und im O stschwa rzwald z. B. durch KElIERER (1991) und MERZ (2003),<br />

a rchäologi ch a uch unter ucht durch KLUG-T REPPE (2002), wa r die Baar bereits in<br />

<strong>de</strong>r Jungstein zei t dicht besie<strong>de</strong>lt. Die Besie<strong>de</strong>lung fand ihren Höhepunkt in <strong>de</strong>r Bronzezeit<br />

und in <strong>de</strong>r Hallstattzeit, wo bereit die Rodungen weitgehend been<strong>de</strong>t waren<br />

und das La ndscha ftsbild bis heute ich kaum noch verän<strong>de</strong>rt hat (FRITZ 1978). Die<br />

111


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Auf <strong>de</strong>m Warten berg - ein Zeitsprung<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 115 - 12B<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Wolf H ockenjos<br />

[n Donalleschingen von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s zu sprechen, könl1te eine pikante ote<br />

haben. (fosef ikolaus Köstler: Von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>s Wa l<strong>de</strong>s. Essay. Heft XXIVI1956<br />

<strong>de</strong>r Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte und aturgeschichte <strong>de</strong>r Baar).<br />

Mit die em Einl eitungssatz beginnt, im Konjunkti v und unter <strong>de</strong>r Überschrift<br />

"Von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>s Wa l<strong>de</strong>s", ein Essay <strong>de</strong>s M ünchner Waldba uprofessors,<br />

a bgedruckt im Jahrgang 1956 <strong>de</strong>r Schriften <strong>de</strong>r Baar. Di e enge Verfl echtung von<br />

Fü rstenh aus und Verein hatte di e Redaktion dazu bewogen, die Jahrespublikati on<br />

d iesmal als "Festschrift zu m 60. Geburt tag Seiner Durchlaucht <strong>de</strong>s Prin zen Max<br />

Egon zu Fürstenberg" herauszubringen. W irklich Pikantes hat uns KÖSTLER darin<br />

begreifl icherweise nicht mi tgeteilt. Mit seinem Bei trag wollte er Seiner Durchlaucht<br />

auch Dank abstatten für di e Ein ladung einer Stu<strong>de</strong>ntenexkufsion in di e Fürstenberger<br />

Wäld er und in die Donaueschinger Sammlungen.<br />

Größe <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s, erlebbar im Unterhölzerwald (Foto: Wolf Hockenjos).<br />

115


Ein Essay in <strong>de</strong>n Sc hriften <strong>de</strong>r Baar ha t Seltenheitswert. Dass er dort a bgedruckt<br />

wor<strong>de</strong>n ist, unter Verzicht a uf wi senschaftlichen Anspruch und a uf das <strong>de</strong>n<br />

Autoren sonst abverl angte bi bliographi che Regelwerk, ist <strong>de</strong>m fe t1ichen Anlass geschul<strong>de</strong>t,<br />

gewiss a ber a uch <strong>de</strong>m Bekanntheitsgrad und <strong>de</strong>r w issen chaftlichen<br />

Reputa tion sein e Verfassers. KÖSTLER wa r a ls Münchner Waldba u-Ordinarius<br />

fraglos <strong>de</strong>r im fo rstaka<strong>de</strong>rnischen Nachkriegs<strong>de</strong>ut chland be<strong>de</strong>utendste Waldba ulehre<br />

r; er hatte ich a ber a uch weit über sein Fachgebi et hinaus a ls Kunstkenner und<br />

K ulturgeschi chrler einen a men gemacht. " Offenba rung <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s", so la utet<br />

etwa <strong>de</strong>r Titel sein e 1941 erschi enenen Bildte tba n<strong>de</strong>s (im Untertitel: " Ein Beitrag<br />

zur Frage <strong>de</strong>r künstl erischen Gesta ltung <strong>de</strong>utschen Naturerl ebens"). Um <strong>de</strong>n Blick<br />

<strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten über <strong>de</strong>n forstwi sen cha frli chen Tellerra nd hina us zu weiten, wur<strong>de</strong><br />

di e Exk ursion, wie wir <strong>de</strong>m E say entnehmen zu<strong>de</strong>m vom Kunsthi toriker<br />

Profe sor H A 's SEDLMAYR beglei tet, bekannt gewor<strong>de</strong>n vor a llem durch sein 1948<br />

er chienenes, noch heute viel zitiertes H auptwerk " Verlust <strong>de</strong>r Mitte". Der Ö sterreicher<br />

SEDLMAYR hatte ein e Wi ener Professur nach <strong>de</strong>m Krieg (a ufgrund einer<br />

SDAP-Mitgliedschaft ) ve rl o ren und] 9<strong>51</strong> ein en Ruf a n die Uni versität München<br />

erha lten. M a n tut <strong>de</strong>n beid en Profe soren gewiss nicht Unrecht, wenn ma n ihnen<br />

ein e gewis e Geistesverwandtschaft unterstellt, weniger ihrer Sympathien im<br />

Dritten Reich wegen al viel mehr im Hinblick a uf ihre kritische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>r künstl erischen M o<strong>de</strong>rne wie a uch mit <strong>de</strong>r achkrieg ge eJischa ft.<br />

Huldigung<br />

KÖSTLER kannte sich bestens a u in <strong>de</strong>n fürstenbergischen Wä ld ern, hatte er doch<br />

Dona ue chingen schon mehrma ls bes ucht. Sein em Essay ind von ihm selbst fotogra<br />

fi erte Waldbil<strong>de</strong>r beigefügt M o ti ve a u Fürstlich Fürstenbergischen MusterwaIdbestä<br />

n<strong>de</strong>n, mal im la ubI o en Zu tand (Bi ldunterschrift: " Alte Huteeichen im<br />

aturschutzgebiet" im FF-Rev ier Unterhö lzer), mal bei Schneelage ("Fichtenelitebesta<br />

nd " a us <strong>de</strong>m FF Fo r tamt Lenzki rch, Abt. Wanne am Feldberg), mal im belaubten<br />

Zusta nd ("H ervorragen<strong>de</strong>r Buchena ltbe ta nd" im FF Forstamt H eiligenberg)<br />

. Doch trotz sein es intimen Einblicks in <strong>de</strong>n Fürstlich Für tenbergischen Forstbetrieb<br />

hat KÖSTLER <strong>de</strong>r Versuchung wi<strong>de</strong>rsta n<strong>de</strong>n, a uch Kritisches ("pikante<br />

oten"?) anklingen zu lassen. ein , in dieser Hommage a uf <strong>de</strong>n Prinzen M ax Egon<br />

sollte beileibe nicht von Hekta rgröße (19.000 ha), gar von Betriebswirtschaft, son<strong>de</strong>rn<br />

"von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>s Wa l<strong>de</strong> chl echthin .. . die Re<strong>de</strong> sein im substanziellen, kulturellen<br />

und anthropologischen Bereich" . Für Ausführungen über di e Größe <strong>de</strong>s<br />

Wa ld es bi ete ich " <strong>de</strong>r Fürstenberger Wald gera<strong>de</strong>zu als Pa radigma an", zumal hi er<br />

ja a uch "Außer-Waldliches" a u <strong>de</strong>n Fürstlichen Sammlungen noch mit in die<br />

Betrachtung einbezogen wer<strong>de</strong>n könne.<br />

Forstfachlich sa h sich KÖSTL ERS " freier Stil <strong>de</strong>s Wa ldba u " in <strong>de</strong>r Tradition<br />

KARL GAYERS, <strong>de</strong>r um di e Wen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19./20. Ja hrhun<strong>de</strong>rt in München Waldba u<br />

gelehrt ha t und allgemein a ls <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s aturna hen Waldba u gilt. Sein<br />

Lehrbuch "Der gemischte Wald " da rf noch heute die Bibel a ller " aturgemäßen"<br />

genannt wer<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong>n hier doch erstmals di e ökologischen achteile <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n,<br />

rein betriebswirtschaftlich o ri enti erten " Bo<strong>de</strong>nrein ertragslehre" wie a uch<br />

die R is ik en forstlicher M ono kulturen beim amen genannt. In eben di ese Kerbe<br />

11 6<br />

rg


ein Zeitsprung<br />

haut auch KÖSTLERS Essay: "Nach allen Erfahrungen <strong>de</strong>r letzten zweihun<strong>de</strong>rt Jahre",<br />

so spitzt Köstler im Essay seine Skepsis gegenüber einer allzu einseitig ö konomisch<br />

diktierten Forstwirtschaft zu, " mi sn'auen wi r im Wal<strong>de</strong> <strong>de</strong>n hurtigen Rati<br />

onellen und fi xen Tagesjongleuren" . Und auf KARL GAYER beruft er sich explizit,<br />

wenn er auf di e unterschi edlichen Entwicklungsrichtungen in <strong>de</strong>r Forstwirtschaft<br />

näher eingeht. Das " Optimum <strong>de</strong>r Waldbehandlung" sei nur erreichba r, wenn <strong>de</strong>r<br />

Wirtschafter " <strong>de</strong>n Wald Wald bleiben lässt" . Zu diesem Optimum gehöre " die<br />

natürliche Waldgesundheit mit <strong>de</strong>r Zusammensetzung <strong>de</strong>r Bestockung aus <strong>de</strong>n<br />

stando rrsheimisc hen Baumarten und erträglichen Gastbaumarten, mit allen Lebewesen<br />

<strong>de</strong>r natürlichen Biozönosen; solcher Wald ist wenig anfällig gegen di e in<br />

unseren Gebieten gelä ufig gewor<strong>de</strong>nen Schä<strong>de</strong>n, es ist nicht so schwer, ihm die notwendige<br />

Sicherung für einen geordneten Betrieb zu geben." Zum Optimum gehörten<br />

darüber hinaus reichere H olzvorräte; aus guten und gepflegten Holzvorräten<br />

ließen sich auch <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nkraft angemessene hohe Erträge nutzen. "Schließ lich a ber<br />

wissen wir ", schreibt KÖSTLER, "dass solche gesun<strong>de</strong>n, gesicherten, vorrätigen und<br />

ertragsreichen Wäl<strong>de</strong>r auch sc hön sind. "<br />

"Schöne Wäl<strong>de</strong>r!", ruft er aus, auch darauf komme es an. Im Fürstenbergischen<br />

find e er sie, zumal sich hi er ja auch noch ein weiter Bogen spannen lässt über<br />

di e Schätze <strong>de</strong>r Donaueschinger Sammlungen hinweg, über <strong>de</strong>ren Baum- und Wa lddarstellunge<br />

n, von <strong>de</strong>n H andschriften <strong>de</strong>s ibelungenlieds, über die Tafeln <strong>de</strong>s Helleraltars<br />

bis hin zu <strong>de</strong>n aquarellierten Fe<strong>de</strong>rzeichnungen <strong>de</strong>s J. GüLL aus <strong>de</strong>m späten<br />

18. Jahrhun<strong>de</strong>rt, wie sie im Fürstlich Fürstenbergischen Kupferstich-Kabinett<br />

zu bewun<strong>de</strong>rn waren. In <strong>de</strong>r hier praktizierten Wald- wie in <strong>de</strong>r Kunstpflege erkennt<br />

<strong>de</strong>r Essayist " Lebensri chtungen eines Fürstenhauses", die durchaus nicht nur<br />

retrospektive Elemente enthielten. Wo doch in <strong>de</strong>r künfti gen Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Menschheit die Ehrfurcht vor <strong>de</strong>n Lebenskräften <strong>de</strong>r atur eine entsc hei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle<br />

spielen wer<strong>de</strong>. Bäume und Wäl<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kulturlandschaft brauche es, weil die<br />

Möglichkeiten <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Technik viele zu einer Überschätzung <strong>de</strong>r materiellen<br />

Dinge verführten "bei einer gleichzeitige n Verkümmerung <strong>de</strong>r Seelenkräfte und<br />

einer Geringschätzung <strong>de</strong>r geistigen Welt". Freilich stehe <strong>de</strong>m aturerleben " das<br />

Problem <strong>de</strong>r Vermassung" entgegen. Und das in doppelter Hinsicht: zum einen<br />

durch die besorgniserregen<strong>de</strong> Entw icklung <strong>de</strong>r Erdbevölkerung, zum an<strong>de</strong>rn, weil<br />

"diese steigen<strong>de</strong>n Massen in sich immer mehr die individuellen Unterschie<strong>de</strong><br />

verlieren und durch bewusste staatli che Machtkräfte o<strong>de</strong>r bestimmte technische<br />

Einrichtungen wie Funk, Film und Fernsehen geno rmt wer<strong>de</strong>n." Unverkennbar<br />

seien die Ten<strong>de</strong>nzen zur ivellierung, zur Bürokratisierung und Mechanisierung <strong>de</strong>s<br />

ganzen Menschen.<br />

Wartenberg<br />

Die "Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Versenkung in <strong>de</strong>n schi cksalhaften Abla uf <strong>de</strong>s menschlichen Lebens",<br />

eine Lehrstun<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m konkreten Hintergrund <strong>de</strong>r Baaremer Kulturlandsc<br />

haft, schl ägt für die Stu<strong>de</strong>nten (a n einem sonne- und schneelosen Frühwintertag,<br />

wie wir erfahren) a uf <strong>de</strong>m Wa rten berg: " eudingen, Unterhö lzer, Donaueschingen<br />

und <strong>de</strong>r Warten berg selbst sind großartige Beispiele für <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r Zeiten von<br />

<strong>de</strong>r ersten Rodung bis in di e Gegenwart, Zeugen einer wa hren Kulturgeschichte."<br />

11 7


Auf <strong>de</strong>m Warten berg<br />

eudingen, das vom Warten berg a us" v ie ein starker Kern in <strong>de</strong>r Baar"<br />

erschein e, ist mit seinem Pa rk um di e Fürstengruft <strong>de</strong>r Ausgangspunkt <strong>de</strong>r kulturgeschichtlichen<br />

Betrachtung: ,,\XIuchskräfte großer und beschei<strong>de</strong>n kleiner Bä ume<br />

sind gebändigt zum Dienst an ein er durch das Bauwerk <strong>de</strong>r Kirche ver innlichten<br />

I<strong>de</strong>e. Empfänglichen Seelen bleibt ni ht verborgen, wie di e Ba umdiener ein Stück<br />

<strong>de</strong>r ö rtl ichen Verga ngenheit hüten, wie sie einen Hauch <strong>de</strong>r Geschichte atmen."<br />

Auf <strong>de</strong>m Wartenberg selbst li efert " das Stück verwil<strong>de</strong>rter englischer Garten"<br />

unterha lb <strong>de</strong>s für tlichen Lu stschl osses ein weitere Lehrbeispiel, wobei KösTLER<br />

Bezug nimmt a uf die A rbei t von O. BERNDT a us <strong>de</strong>n Schriften <strong>de</strong>r Baar, Jahrg. 1909.<br />

Der Pa rk tamme " noch a us ein er Zeit, in <strong>de</strong>r man das Glück, <strong>de</strong>r atur na he zu<br />

sein, in solche künstlich geordneten La nd chaft gärten einzufa ngen bemüht war."<br />

Bm DTS liebevoll bearbeitete Ge chichte <strong>de</strong>r Gartenarbeiten belege, ,wie viel getan<br />

wer<strong>de</strong>n musste bis zu <strong>de</strong>n heutigen Bil<strong>de</strong>rn, die nur schei nbar atürliches <strong>de</strong>n<br />

Sinnen und <strong>de</strong>r Seele bi eten. "<br />

Als ein weiteres Beispiel für die Um gestaltung <strong>de</strong>r atm biete sich <strong>de</strong>r Unterhölzerwa<br />

ld an, <strong>de</strong>r sich bi ins 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt in ein er ziemlich na türlichen Verfas<br />

ung befun<strong>de</strong>n ha be, ehe da nn um die Mitte <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts die la ngen Gestelle<br />

a ngelegt, das Jagdschl össchen gebaut und <strong>de</strong>r Wildpark ein gerichtet wur<strong>de</strong>n. Dem<br />

Essay zufolge griff jetzt a uch <strong>de</strong>r Kunsthistoriker SEDLMAYR in die Diskussion ein,<br />

um die "Problematik <strong>de</strong>s Landschaftsgartens" zu erö rtern. Mit unerhörter Lei<strong>de</strong>nschaft<br />

sei damals ver ucht wor<strong>de</strong>n, im englischen Garten die a tur nach <strong>de</strong>m ästhe-<br />

Warten berg, Kulturerbe und Natur<strong>de</strong>nkmal in einem (Foto: Wolf Hockenjos).<br />

11 8


ein Zeitsprung<br />

ti schen Empfin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zeit zu id ealisieren. E sei zu jener Z eit ein neue Verhältnis<br />

Mensch-Natur ent ta n<strong>de</strong>n, "stark sentimental gestimmt, nicht zuletzt aus <strong>de</strong>r Einsicht,<br />

da s <strong>de</strong>r nun einsetzen<strong>de</strong> totale Machtanspruch gegenüber <strong>de</strong>n natürlichen<br />

Kräften ei nes Ausgleiches bedürfe". Der Waldbaulehrer KOsTLER glaubte da wohl,<br />

die Interpretation <strong>de</strong>s Kunsthistorikers etwas zurechtrücken zu müssen, in<strong>de</strong>m er<br />

a uf <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>s jagd lichen Elements bei <strong>de</strong>r Umgestaltung hinwies:<br />

a uf die Jagd al festliches Vergnügen <strong>de</strong>r Menschen <strong>de</strong>s achtzehnten Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n hi er daran erinnert, dass schon ab <strong>de</strong>n 1830er Jahren, zeitgleich<br />

mit <strong>de</strong>m einsetzen<strong>de</strong>n Verfall <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s engli schen Gartens, Versuche unternommen<br />

wor<strong>de</strong>n sind, das Fach" Wa ldschönheitslehre" im Vorlesungsplan <strong>de</strong>r forstwissen<br />

chaftlichen Fakultäten zu eta blieren. Zusammengefa sst wur<strong>de</strong> die " Lehre<br />

von <strong>de</strong>r Schönheit <strong>de</strong>s Wirtschaftswal<strong>de</strong> " in <strong>de</strong>m 1885 veröffentlichten Buch "Forstästhetik"<br />

<strong>de</strong>s chlesi chen Forstmann und Waldbesitzers H El RI CH VO SALISCH<br />

(1846-1920). In "Verlust <strong>de</strong>r Mitte" wei t SEDLMAY R darauf hin dass die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s<br />

Landscha ftsgartens ja noch nicht tot sei, vielmehr in neuen Formen und unter neuen<br />

Bedingungen weiterlebe. "Und noch bis heute lebt di e I<strong>de</strong>e, dass die atur - zum<br />

Beispiel ein Wald - di e erha benste Form <strong>de</strong>r Kirche sei."<br />

Ob und in welchem Ausmaß <strong>de</strong>r Unterhölzerwald künstlerisch gestaltet<br />

wor<strong>de</strong>n ist (wie di es nach <strong>de</strong>r Beschreibung von O. BERNDT bei <strong>de</strong>r Anlage <strong>de</strong>s englischen<br />

Gartens a uf <strong>de</strong>m Warten berg geschehen ist), ob auch hier Bäume und Wald-<br />

Spurensuche im einstigen englischen Garten (Foto: Wolf Hockenjas).<br />

119


Aufd m<br />

kulissen al künstlerische Ausdrucksmittel ve rwen<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sind, "al We en, die<br />

an Freu<strong>de</strong>, Erregung, Trauer <strong>de</strong>s Menschen unmittelba r Anteil nehmen", lässt<br />

KOSTLER im konkreten Fall da hin gestellt. Die kün ti erische Gestaltung wird für<br />

Park und Landschaftsga rten, bedingt sogar für <strong>de</strong>n Waldba u generell gutgeheißen.<br />

Das Zu ammenspiel von atur, menschlicher Einwirkung und Schönheit offenbare<br />

sich a uch in <strong>de</strong>n übrigen von <strong>de</strong>r Exkursion besichtigten Waldbi l<strong>de</strong>rn, so in<br />

jenem a m Feldberg, in <strong>de</strong>r Abteilung" Wanne" o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Abteilung "Brüten" bei<br />

H ei ligenberg. Es bestätige sich hi er die These, wonach gesun<strong>de</strong> und vorratsreiche<br />

Wäl<strong>de</strong>r auch chön seien " und damit ein em Wunsch und Traum <strong>de</strong>r Menschen entprechen".<br />

Die Größe <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong> (groß im Sinne von erha ben, Verf.) führe zur Ehrfurcht<br />

vor <strong>de</strong>n chöpfungen <strong>de</strong>r a tur. Die Größe <strong>de</strong>r Technik hingegen, ahnt KOST­<br />

LER mit Blick auch auf die Technisierung <strong>de</strong>r Forstwirtschaft und weiter bis a uf die<br />

atO mare Bedrohung, "führt zu Zer törungen dieser atur und heute, am Anfang<br />

einer neuen Epoche <strong>de</strong>r menschlichen Geschichte sogar zur Aufl ösung <strong>de</strong>s gemeinamen<br />

Substrats aller Schöpfung, <strong>de</strong>r Materie." Ob er sich da wohl nicht doch ein<br />

wenig a ll zu sehr hat anstecken lassen vom Sedlmayrschen Kulturpessimismus?<br />

Zeitsprung<br />

H eu te, ein halbes j ahrhun<strong>de</strong>rt nach <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>r Münchner Professoren und Stu<strong>de</strong>nten,<br />

stellen wir erleichtert fest, das zumin<strong>de</strong> t die e schwärzeste Vision KOST­<br />

LERS, wie er sie a ns En<strong>de</strong> eines Essay gestellt hat, einstwei len, gottlob, nicht in Erfüllung<br />

gega ngen ist. Mag auch die aturentfremdung <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft,<br />

<strong>de</strong>r Ersatz <strong>de</strong>r (i m Wald erl ebbaren) Primärwelt durch vi rtuelle Erl ebni welten Ausmaße<br />

erreicht haben, wie sie sich damals we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Waldbaulehrer noch <strong>de</strong>r Kun thistoriker<br />

je vo rzustellen ve rmocht hätten: In ihrer technikkritischen Ein chätzung<br />

hätten si.e sich a llema l bestätigt gefühlt beim Anblick lä rmen<strong>de</strong>r Holzerntemaschinen,<br />

<strong>de</strong>r tOnnenschweren H arvester und Prozessoren, wie sie gegenwä rtig im fürstlichen<br />

Wald im Einsatz si nd. Wäre e Ko TLER heute noch einmal vergönnt, mit seinen<br />

Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>n Warten berg zu besteigen: In welcher Verfa sung fän<strong>de</strong> er heute<br />

die Kulturlandschaft vor? Welche Da nkesworte wür<strong>de</strong> er wählen, <strong>de</strong>n Fall vorausgesetzt,<br />

es wäre abermals eine Einladung an die Münchner For twis en chaftliche<br />

Fakultät ergangen und es tün<strong>de</strong> im Für tenhaus erneut ein run<strong>de</strong>r Geburtstag a n?<br />

Der Zeitsprung in die Gegenwart offenba rte Verän<strong>de</strong>rungen und Verwerfungen -<br />

nicht nur, weil das Bier zum Ausklang <strong>de</strong>r Exkursion nicht mehr a us fürstenbergischen<br />

Zapfhähnen spru<strong>de</strong>lte o<strong>de</strong>r wei l sich <strong>de</strong>r Besuch <strong>de</strong>r Sammlungen mittlerweile<br />

als entbehrlich erwiesen hätte.<br />

Wenigstens beim Blick auf eudingen hinab scheint ich die Welt nicht nennen<br />

wert verä n<strong>de</strong>rt zu haben, wenngleich das a mei enhafte Hin und Her <strong>de</strong>s motOrisierten<br />

Verkehrs a uf <strong>de</strong>r neu erbauten B 31 heute geeignet wäre, di e "Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Versenkung" in die Kulturge chichte <strong>de</strong>r Landschaft etwas verfl achen zulassen. Immerhin:<br />

Der Park um die Gruft ist noch da, auch wenn die a<strong>de</strong>l bäume dort, selbst<br />

au <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>s Wartenbergs betrachtet, vom Sturm zerza ust erscheinen .<br />

Der Warten berg, wie er sich un heute darstellt, wird noch immer gekrönt von<br />

<strong>de</strong>s Geheimen H ofrats und Ka mmerpräsi<strong>de</strong>nren Leopold von La olaye 1780<br />

erbautem Lustschloss amt Meiergut. Es tut <strong>de</strong>m Anblick keinen Abbruch, dass <strong>de</strong>r<br />

120


ein Zeitspr<br />

Stan<strong>de</strong> herrscha ft die Lu t am Schlossleben wi e auch an <strong>de</strong>m das Schlo umgeben<strong>de</strong>n<br />

englischen Garten dort bekanntermaßen schon bald, bereits um di e Mitte<br />

<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, verga ngen war. N ichts spricht dafür, dass KÖSTLERS Stu<strong>de</strong>nten<br />

anno 1955 in <strong>de</strong>r Gastwirtschaft eingekehrt sein könnten, zu welcher das<br />

Schloss heruntergekommen war, als sie <strong>de</strong>m verwil<strong>de</strong>rten englischen Garten mitsamt<br />

seiner Eremitage und <strong>de</strong>n zerfa llenen Res ten einstiger Pracht (Pavillon, Kegelbahn,<br />

ge<strong>de</strong>ckter Sitz, Statuen usw. ) ihre Referenz erwiesen. Aus <strong>de</strong>r Gast tätte ist unter<strong>de</strong>ssen<br />

di e fri eh renovierte Villa eine wohlhaben<strong>de</strong>n Bürgers gewor<strong>de</strong>n - mit<br />

betonierter Auffa hr tssperre und Überwachungs kamera, versteht sich. Wo hingegen<br />

d ie Verwil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Parks weiter vo rangeschritten ist, nach<strong>de</strong>m unlängst <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rto<br />

rkan "Lothar" die 40 m hohe Well ingtonie und auch noch etliche an<strong>de</strong>re<br />

Exoten geworfen hatte, die bis dahin <strong>de</strong>r Konkurrenz durch einheimische Eschen,<br />

Ahorn und Eichen getrotzt hatten. H ätte ni cht die rührige Geisinger Ortsgruppe <strong>de</strong><br />

chwarzwald ve rein in zahllosen ehrenamtlichen Arbeitsein ätzen wenigstens di e<br />

hö lzerne Eremitage (mitsa mt ihrem " Geheimnis" , <strong>de</strong>m sich magisch bewegen<strong>de</strong>n<br />

hölzern en Kapuzinermönch ) wie<strong>de</strong>r in sta nd gesetzt, ni chts a ußer <strong>de</strong>m Socke.1 einer<br />

längst abh an<strong>de</strong>ngekommenen Statue wür<strong>de</strong> heute noch an <strong>de</strong>n Park erinnern. Da<br />

ist es nur konsequent, wenn di e Anlage schon seit 1988 nicht mehr al (<strong>de</strong>nkmal ­<br />

geschützte ) Kulturerbe, son<strong>de</strong>rn als fl ächenhaftes atur<strong>de</strong>nkmal geführt wird.<br />

Hölzerne Eremitage, erhalten dank <strong>de</strong>s Einsatzes <strong>de</strong>r Geisinger Ortsgruppe <strong>de</strong>s<br />

Schwarzwaldvereins (Foto: Wolf Hockenjos).<br />

121


Wartenberg<br />

Lä ngst dominieren die heimischen Laubba uma rten bi s hin zu <strong>de</strong>n bizarren durchgewachsenen<br />

Resten eines hainbuchenen Hag, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Pa rk einst talwä rts umschl<br />

ossen ha t. AllS <strong>de</strong>m " nur cheinba r atürlichen " ist vo llends atur gewor<strong>de</strong>n.<br />

War <strong>de</strong>r Wa rtenberg als nö rdlichster <strong>de</strong>r H ega uvulkane einst bis zur Anlage<br />

von Lustschloss und Pa rk (a uf <strong>de</strong>m Areal <strong>de</strong>r im J 3 . Jahrhun<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Fürstenbergern<br />

erba uten und von Lassolaye a bgetragenen euen Burg) eine weithin kahle<br />

Kuppe, so dürfte er a uch noch bi in die 1950er Jahre, von <strong>de</strong>n Überresten <strong>de</strong>s Parks<br />

abgesehen, ziemlich waldfrei gewe en sein . Die heutigen Fichten-Aufforsrungsbestän<strong>de</strong>,<br />

di e bergseits bis ha rt a n <strong>de</strong>n ein tigen Parkra nd heranreichen, sind ka um<br />

bi lter a l fünfzig Jahre. E ind gleichwüchsige Stangen- und Baumhölze r im Durchforstungsalter,<br />

er chl os en durch das im fürstlichen For t jetzt übliche etz von ve rtika<br />

l ve rl aufen<strong>de</strong>n, 3-5 M eter breiten M aschinengassen im Absta nd von 20 M etern.<br />

Einen weiteren Fichtenbe ta nd a n <strong>de</strong>r Südo tfla nke <strong>de</strong>s Bergs ha t " Lothar" unlängst<br />

abgerä umt; die Srurmfläche ist noch nicht wie<strong>de</strong>r a ufgeforstet.<br />

Da für ist man im benachbarten Unterhä lzerwa ld schon weiter. Die Sturmwurfflächen<br />

a uf <strong>de</strong>n dortigen Bra unjura-Standorten, a uf welchen zuvor ebenso<br />

raschwüchsige wie labile Fichtenbestän<strong>de</strong> herangewach en waren, sind zu a llermeist<br />

wie<strong>de</strong>r mit Fichte bepfla nzt wor<strong>de</strong>n, sei es, wei l man sich von ihr selbst im Falle von<br />

Kalamitäten eine hö here Rendite ve r prach (bei reduziertem Einkommens teuersatz<br />

Der Hainbuchen-Hag <strong>de</strong>r einstigen Gartenanlage trennt das flächenhafte Natur<strong>de</strong>nkmal<br />

von <strong>de</strong>n Fichtenaufforstungen (Foto: Wolf Hockenjos).<br />

122


In Zelt prun<br />

im Fa lle von Ka lamität nurzungen), sei es, weil man vor <strong>de</strong>r aschsucht <strong>de</strong>s all zu<br />

zahlreichen Damwilds kapituliert hat. Fichtenkulturen zu Teilen im Schutz von<br />

Wildzä unen, empfa ng n uns bereits am nordseitigen Fu ß <strong>de</strong>s Wartenbergs jenseits<br />

<strong>de</strong>r fLi rstenbergischen Ko lonie Drei Lärchen. Auch wo die Fichtenpflanzungen noch<br />

von Laubbaum-Träufen ummantelt sind, müssten sie unter <strong>de</strong>n Teilnehmern einer<br />

heutigen Wa ldbauexkursion doch Kopfschütteln auslösen, <strong>de</strong>nn sie passen so gar<br />

nicht ins Bild naturnaher, di e jeweiligen Standortbedingunge n berücksichtigen<strong>de</strong>r<br />

Wald wirtschaft. och weni ger in ein Taturschutzgebiet, zu welchem <strong>de</strong>r Unterhölzerwaid<br />

bereits im Jahr 1939 erkl ärt wor<strong>de</strong>n wa r.<br />

Auf <strong>de</strong>r Weiterfahrt, <strong>de</strong>n Köstl erschen " Hureeichen " entgegen, weitet sich<br />

westwärts <strong>de</strong>r Blick auf weitere Sturm fl ächen unter chi edlichen Alters, Hinterl asenschaften<br />

vo n "Wiebke" (1990) bis " Lothar" (1999), jetzt ebenfa lls bepflanzt mit<br />

Fichte. Ihr weiteres Schicksa l ist vorgezeichnet, will man sie nicht als ku rzumtriebige<br />

und maschinengerechte Plantagen bereits zu einem Zeitpunkt ernten, an <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Sturm sie noch ni cht auszuhebeln vermag. Spätes tens ab die em Exkursionspunkt,<br />

so ist zu fürchten, w ür<strong>de</strong> sich JOSEF IKOLA US Kö TLER schwer damit getan<br />

haben, sich in seinem Geburtstagsgruß jedwe<strong>de</strong>n waldbaukritischen Kommentars<br />

(je<strong>de</strong>r " pi ka nten Note" ) zu enthalten.<br />

Hinter Laubbaumkulissen Fichtenpflanzungen nach Ackerbauvorbild<br />

(Foto: Wolf Hockenjos).<br />

123


Paradigmenwechsel?<br />

Unversehrt er cheint noch immer <strong>de</strong>r spektak ul ä re Teil <strong>de</strong>s Unterhölzerwal<strong>de</strong>s mit<br />

seinen maleri schen Alteichen, Buchen und E chen, <strong>de</strong>r von H A S EDlMAYER wohl<br />

etwas a ll zu frei interpretierte "Land chaftspa rk " . Anzeichen <strong>de</strong>s Zerfalls sind freilich<br />

a uch hier ni cht ganz zu übersehen, " Lotha r" hat a uch manche Eiche Llln gedrückt.<br />

Doch Baumleichen, wo sie ni cht zu Brennho lz a ufgearbei tet wor<strong>de</strong>n sind,<br />

und abgängige Uraltbäume gehö ren nun ei nma l zum Reperto ire <strong>de</strong>s "Urwalds". Sie<br />

wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n \Xli ldnissucher in uns in<strong>de</strong>ssen noch m ehr entzücken, sähen w ir für <strong>de</strong>n<br />

Wald a uch nur die Spur einer Chance, sich von unten her wie<strong>de</strong>r von selbst zu<br />

verjüngen. Beim achw uchs herrscht, von etwas Fichtenanflug a bgesehen, Feh lanzeige,<br />

ein e zwangsläufige Folge <strong>de</strong>r Wildparknutzung und <strong>de</strong> aufgrund jagdwirtschaftlicher<br />

Zielsetzung sta rk überhöhten Wildbestands.<br />

Der für tliche Wald a ls Musterbeispiel, a ls " Pa radigma ' nachhaltiger Waldpflege,<br />

w ie ihn KÖSTlER noch vor ei nem halben Ja hrhun<strong>de</strong>rt gepri esen hat, a ll e<br />

bereits Forstgeschichte? Zu Zeiten <strong>de</strong>r Köstl erbesuche genoss <strong>de</strong>r fürstliche Waldbau<br />

fraglos einen vorzügli chen Ruf. Daran konnten auch di e Ko mmentare mancher<br />

örgler nicht rütteln, die schon immer ei ne a llzu ein ei tige, nachgera<strong>de</strong> sprichwörti<br />

iche Fich ten-Vo r! iebe <strong>de</strong>s fü rsd ichen Forstbetrieb erka nnt ha ben woll en. H atten<br />

sie nicht immer schon mit erhob nem Zeigefinger gewarnt: " Wi llst Du Deinen<br />

Wald vernichten, pflanze Fichten, nichts a ls Fichten" ?<br />

Sicher ist, das das in <strong>de</strong>r Fachwelt mitunter eher kritisch beäugte Renommee<br />

<strong>de</strong>s F. F. Forstbetriebs zumin<strong>de</strong>st von <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r achkriegszeit Verantwortlichen<br />

kräfti g a ufpoliert wor<strong>de</strong>n ist. LUKAS LEIBER, Chef <strong>de</strong>r E E Forstverwaltung (1949<br />

- 1962) und mit Kö TlER befreun<strong>de</strong>t, war ein Anhänger <strong>de</strong>s Kö tier' chen freien<br />

Waldbaustils und obendrein ein ausgewiesener Freund <strong>de</strong>r Weißtanne, die in <strong>de</strong>n<br />

F. F. Wäl<strong>de</strong>rn nur noch ein Mauerblümchendasein geführt harte. Aus LEIBERS Fe<strong>de</strong>r<br />

hatte J 943 <strong>de</strong>r Erlass <strong>de</strong>s Berliner Reichsforstamtes zum ,Schutz <strong>de</strong>r Weißtanne"<br />

gestammt, ein verzweifelter Versuch <strong>de</strong> Waldbaureferenten, die fatalen Auswirkungen<br />

<strong>de</strong>s Reichsjagdgesetzes von 193 - a uf die so verbissg fähr<strong>de</strong>te wie unverzichtbare<br />

Baumart <strong>de</strong> Bergmischwal<strong>de</strong>s zu korrigieren.<br />

Unter LEIBERS Führung kam <strong>de</strong>r Wa ld bau in <strong>de</strong>n fürstlichen Wäl<strong>de</strong>rn zu neuer<br />

Bli.ite, nach<strong>de</strong>m ich freilich auch im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt scho n CARl GEBHARD<br />

( L833-1861) und FERD INA 'D ROTH (1861 -188J ) a ls Leiter <strong>de</strong>s EE Forstbetriebs<br />

in <strong>de</strong>r Disziplin Wa ldba u ein en Namen gemacht hatten. In <strong>de</strong>r ÄTa LEIBER hat<br />

ERI CH WOHLFAHRT, <strong>de</strong>m wi r einen tiefen Einbli ck in di e Geschichte <strong>de</strong>r Fürstlich<br />

Fi.irstenbergischen Forstwirtschaft verdanken, a ls Lei ter <strong>de</strong>s F. F. For tamte Frie<strong>de</strong>nwei<br />

ler <strong>de</strong>n langen Winter i.iber ogar Waldbau-Lehrbi.icher verfasst. Es ver teht<br />

sich in jenen Ja hren fa t von selbst, das sie durchaus im Geiste KARl GAYERS wie<br />

auch Jo EF NIKOLAUS KÖSTLERS geschrieben wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Der Wirtschaftsliberalismus <strong>de</strong>s ] 9. Ja hrhun<strong>de</strong>rts harte im Zuge <strong>de</strong>s Schwarzwäl<strong>de</strong>r<br />

Höfesterbens nicht nur zu umfangreichen Grun<strong>de</strong>rwerbungen <strong>de</strong>r Stan<strong>de</strong>sherrschaft<br />

geführt. M ü CH (1958) berichtet von immerhin 53 (!) aufgekauften H ofgi.i<br />

tern und einer Erwerbungsfläche von insgesamt 5491 ha in diesem Ja hrhun<strong>de</strong>rt.<br />

Zugleich ka m es zu ei ner <strong>de</strong>utlichen Inten ivierung und Aufwertung <strong>de</strong>r E E Forstwirtschaft,<br />

zu umfangreicher Wai<strong>de</strong>rschließung und zur Drainage <strong>de</strong>r Wa ldmö er.<br />

124


Der Aufschwung, <strong>de</strong>r mit einer Forcierung <strong>de</strong>s Na<strong>de</strong>lh olz-, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s Fichtenanbaus<br />

ein hergi ng, scheint mitunter sogar <strong>de</strong>m Für ten nicht mehr geheuer gewesen<br />

zu sei n. WoWfahrt zi ti ert beispielhaft eine Episo<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Unterhö lzerwald<br />

im Jahr 1881: " Der Thiergarten ist z. Zt. ungefähr mit 2/3 Laubholz und bereits<br />

mit 1/3 Na<strong>de</strong>lholz bestockt. S. D. <strong>de</strong>r Fürst haben di eses Verhältnis in jüngster Z eit<br />

bemerkt und uns beauftragt, Für tlicher Domänenkanzlei zu berichten, da s mit<br />

<strong>de</strong>m Verjüngen <strong>de</strong>r alten Laubho lzbestän<strong>de</strong> illJ1erhalb <strong>de</strong>s Tiergartens mit a<strong>de</strong>lho<br />

lz ein gehalten wer<strong>de</strong>n solle, da sonst <strong>de</strong>r Tiergarten <strong>de</strong>n Charakter eines Wildparks<br />

ve rliere."<br />

J OSEF IKOLAUS Kö TLER, <strong>de</strong>r Waldbauprofes or, und seine Stu<strong>de</strong>nten blieben<br />

womöglich a uch heure nicht ga nz unbeeindruckt vom Besuch di verser Musterbetän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s fürstenbergischen Wal<strong>de</strong>s. Die a bgelichteten Hochl agenfichten in <strong>de</strong>r<br />

"Wanne" am Feld berg müssten fre ilich, selbst wenn sie das halbe Jahrhun<strong>de</strong>rt noch<br />

überdauert hätten, außen vor bleiben, da sich das Fürstenhaus zwischenzeitlich von<br />

seinen unprofitablen Feldbergwäld ern getrennt hat. Gewiss wäre <strong>de</strong>n Exkursionsteilnehmern<br />

<strong>de</strong>nnoch nicht entgange n, welche Spuren <strong>de</strong>r Liberalismus unserer<br />

Tage im Wa ld hinterlässt, vo n <strong>de</strong>n Fahrspuren <strong>de</strong>r über chweren Erntemaschinen<br />

ga nz a bgesehen. Ja, es drängte sich ihnen die Frage a uf, o b ie nicht Zeugen eines<br />

einsetzen<strong>de</strong>n waldwirtschaftlichen Paradigmenwechsels waren: <strong>de</strong>r Verabschiedung<br />

vom " Freien Stil <strong>de</strong>s Waldbaus" naturnaher Prägung, wie K . STLER ihn propagierte<br />

und wie er im öffentlichen Wald <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s auch im letzten Drittel <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

noch im Schwange war. H atte sich unter <strong>de</strong>m Ei ndruck <strong>de</strong>r großen Waldkatastrophen,<br />

<strong>de</strong>r lmmi sions- und <strong>de</strong>r Insektenschä<strong>de</strong>n, erst recht <strong>de</strong>r Orkan chä<strong>de</strong>n<br />

nicht eben noch a lle Welt zur Alternativlosigkeit naturnaher Wald wirtschaft<br />

bekannt? Denn wie an<strong>de</strong>rs wollte man <strong>de</strong>m ei nsetzen<strong>de</strong>n Klimawan<strong>de</strong>l begegnen<br />

als durch ein Höchstmaß an aturnähe und Standortsgerechtigkeit?<br />

Den Forststu<strong>de</strong>nten heutzutage wür<strong>de</strong> wohl vorab die stolze betriebliche<br />

Rati ona lisierungs bilanz prä entierr wer<strong>de</strong>n: in welch staunenswertem Umfang es<br />

<strong>de</strong>m Betrieb im zurückli egen<strong>de</strong>n halben Jahrhun<strong>de</strong>rt gelungen i t, Persona lk osten<br />

ein zusparen. Bestand <strong>de</strong>r Forstpersonalkörper 1955, im Jahr <strong>de</strong>r Exkursion, noch<br />

aus <strong>de</strong>m Betriebsleiter und 9 Forstamtsleitern, a us 29 Förstern, 27 Forstwarten,<br />

7 Sekretären, 7 BLiroangestellten, 12 Forstanwärtern, aus 3 für die Jagd zusrändigen<br />

Mitarbeitern, aus (sage und schreibe!) 669 Waldarbeitern und 360 Wa ldarbeirerinnen,<br />

so muss das Per onal heure fast mit <strong>de</strong>r Lupe gesuchr wer<strong>de</strong>n: Die Forsrämrer<br />

sind aufgelö t die Forsrrevier-Flächengröße vervielfachr, Waldarbeiterinnnen und<br />

Wa ld arbeiter weit überwiegend durch Unternehmermaschinen und Subunternehmer<br />

ersetzt. So ist das <strong>de</strong>rze itige Personaltablea u (Sta nd 2003) zusammengeschmolzen<br />

auf 1 Betriebslei ter (nebenbei noch Mitarbeiter in einem forstlichen Management-Collsulting-Unternehmen<br />

), 2,5 Sachbearbeiter, 1 Verwaltungsangestellre<br />

5 "regionale Profitcenter" (vormals Forstreviere) mit 5,7 Revierleitern und 1,0<br />

(2 x 0,5) Funkrionern, 1,0 Jagdwirtschafrl er, auf gera<strong>de</strong> ma l noch 17,9 Forstwirte<br />

(vormals Waldarbeirer), was einem Forsn.virr pro 1.000 ha Wald entspricht. Ausgelagert<br />

a us <strong>de</strong>m Betrieb sind <strong>de</strong>r gesamte Bereich <strong>de</strong>r technischen Produkrion<br />

(Maschinenei nsa tz) und a uch <strong>de</strong>r vo rmals <strong>de</strong>m Betr ieb angeschlossene H olzhof<br />

Hüfingen zur Vermarktung <strong>de</strong>s Holzes.<br />

125


Intensive Damwildhege verhin<strong>de</strong>rt die natürliche Reproduktion <strong>de</strong>s Unterhälzerwal<strong>de</strong>s<br />

(Foto: Wolf Hockenjos).<br />

Wie sich di e Radika lkur mittel- bis la ngfristig a uf Wa ld und Wa ldbau au wirken<br />

wird, ist selbst a nsatzweise noch ni cht a bzusehen. Der Vorgang steht hier auch<br />

nicht zur Bewertung a n. Festzuha lten bl eibt, dass zu KÖSTLERS Z eiten noch di e<br />

Waldbauziele Mischwaldbegründung und Umbau ta ndort widriger Reinbestän<strong>de</strong><br />

oberste Pri o rität besaßen. " Selbst do rt", so beschreibt W OHLFA HRT (19 3) die<br />

d ama ligen Bemühungen, "wo keine Bo<strong>de</strong>nschädigung zu erwarten wa r, sollte <strong>de</strong>r<br />

ta bilität wegen Mischwald a ngestrebt und rein e Fichtenbestän<strong>de</strong> durch Unterpfla<br />

nzung von Ta nne und Buche in Misch\ a ld umgeformt wer<strong>de</strong>n. Schnee von gestern?<br />

ERI CH W OHLFA HRT, <strong>de</strong>r seine "Ge chichte <strong>de</strong>r Fürstlich Fürstenbergischen<br />

Forstwirtschaft" au Anlass <strong>de</strong>s 60. Geburt tags von S. D. Joachim Für t zu Fürstenberg<br />

geschrieben hat, benutzte d a bereit di e Verga ngenheitsform.<br />

Die <strong>de</strong>rzeitige Betriebsleitung ruft nach einer " weitgehen<strong>de</strong>n eu<strong>de</strong>finiti o n<br />

mitteleuro pä ischer Forstwirt chaft" (BOR HERS 2005) und fin<strong>de</strong>t dafür Resonanz<br />

nicht nur im wirtschaftslibera len Südwesten. Investitio nen in die biologi che Produktion<br />

(in <strong>de</strong>n Waldba u) seien so die Fo r<strong>de</strong>rung, "von <strong>de</strong>r emotional dominierten<br />

Beurteilungsebene zu trennen und sta tt <strong>de</strong>ssen stringent a n ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>fini erten<br />

Produktionssystemen zu o ri entieren" . Um das Produktio nsrisiko zu vermjn<strong>de</strong>rn<br />

und di e Kapita lumschl agsgeschwindigkeit zu erhö hen seien di e Produktionszeiten<br />

um 30-50 % zu senken.<br />

Rationalisierung a uf Biegen und Brechen, Vo lltechnisierung, Rufe nach<br />

Zonierung in Wirtschaftswald auf <strong>de</strong>r ei nen, chutzwald und Freizeitpark a uf <strong>de</strong>r<br />

126<br />

rg


n Zeltsp<br />

Vergängliche Größe <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s: auch Eichen leben nicht ewig (Unterhölzerwald)<br />

(Foto: Wolf Hockenjas).<br />

a n<strong>de</strong>rn Seite, nach Pri va tisierung <strong>de</strong>s öffentlichen Wal<strong>de</strong> (H o KE JOS 2006), nach<br />

Dereguli erung und Entbürokrati ierung all erorten: So llten sie nun endgültig di e<br />

Oberha nd gewonnen h aben, " di e hurtigen Rationellen und fi xen Tagesjongleure"<br />

(KöSTLE R)? H a lten w ir kurz inne. Die "Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Versenkung" in di e Kulturgeschi<br />

chte, zu welcher wir auf <strong>de</strong>r luftigen H öhe <strong>de</strong>s Wa rten bergs eingela<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n,<br />

hat mittlerweile, w ie immer man sie betrachten mag, doch ma nch " pikante Note"<br />

bekommen. " Man hätte wohl scho n lä ngst alles erra ten", scnrei bt SEDLMAYER<br />

(1948) in <strong>de</strong>r Einleitung seines Buchs Verlust <strong>de</strong>r Mitte, "wenn nicht di e Angst zu<br />

sehen di e Augen ver chl ossen hä tte. Denn di ese Lage zu sehen und nicht zu<br />

ve rzweifeln verla ngt Mut. An<strong>de</strong>rerseits ka nn a ber gera<strong>de</strong> di ese Betrachtung Mut<br />

geben."<br />

127


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Längerfristige Entwicklungen<br />

bei Kalk-Magerrasen <strong>de</strong>r Baar<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 129 - 158<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Günther Reichelt<br />

Di e Untersuchung von rund 20 Kalk-Magerrasen <strong>de</strong>r Baar zeigt, dass di e Zahl <strong>de</strong>r<br />

Pflanzenarten in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten generell zurückgegangen ist. Davon sind<br />

a llerdings die aturräumlichen Einheiten unterschi edlich betroffen. Dramatisch ist<br />

<strong>de</strong>r Artenverlust im M uschelkalk-Gebiet. Auch die Magerrasen im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Keuper/Lias-Stufe ha ben sowohl an Fläche a ls a uch an Artenzahl abgenommen. Die<br />

geringsten Verluste sind bei <strong>de</strong>n untersuchten Kalk-Magerrasen <strong>de</strong>r Baaralb zu<br />

beobachten. Am günstigsten verläuft die Entwicklung bei unter aturschutz stehen<strong>de</strong>n<br />

Flächen mit angemessenem Pflegekonzept und regelmäßiger Pflege. Als Ursachen<br />

<strong>de</strong>r vorwiegend nega ti ven Entwicklung sind vor a llem utzungsän<strong>de</strong>rungen<br />

wie Aufforstungen und di e Inanspruchnahme für eubaugebiete im Verdichtungsbereich<br />

<strong>de</strong>r Gemei n<strong>de</strong>n auszumachen. Außer<strong>de</strong>m beeinflu sst di e intensiv betr iebene<br />

Landw irtschaft in <strong>de</strong>r Umgebung über atmogene Stoffeinträge langfristig <strong>de</strong>n Standort<br />

zu Ungunsten <strong>de</strong>r Magerrasen. Es w ird nachgewiesen, dass di e Zahl <strong>de</strong>r Pflanzenarten<br />

in <strong>de</strong>n Magerrasen <strong>de</strong>r Baar mit <strong>de</strong>r Zahl gefähr<strong>de</strong>ter Insektena rten, insbeson<strong>de</strong>re<br />

bei Geradflüglern und Schmetterlinge n, hoch korreliert. Da ein ein<strong>de</strong>utiger<br />

Kausalzu ammenhang besteht, ist mithin die Artenabnahme bei Pflanzen ein<br />

ernstes ökologisches Alarmsignal. Angesichts <strong>de</strong>r starken Gefährdung <strong>de</strong>r Magerrasen<br />

in Deutschland wird auf <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung als Landschaftselement und als ökologische<br />

Ressource hingewiesen. Insgesamt ergibt sich eine eher skeptische Prognose.<br />

Einführung<br />

In unserer Ku lturlandschaft unterliegen alle vom Menschen beeinflussten Landschaftselemente<br />

wie Wäl<strong>de</strong>r, Fel<strong>de</strong>r und Wiesen ständigen, wenn auch nicht immer<br />

gleich augenfä lligen Verän<strong>de</strong>rungen; oft wer<strong>de</strong>n sie erst nach Jahrze h.nren sichtbar.<br />

Da vo n si nd meist auch Pflanzen und Tiere betroffen, die ihre gewohnten Lebensbedingungen<br />

ve rli eren und nahezu unbemerkt verl oren gehen. Dieser schleichen<strong>de</strong><br />

Artenve rlust ist seit vielen Jahren auch auf <strong>de</strong>r Baar zu bekl agen, aber nicht immer<br />

einfach nachzuweisen, insbeson<strong>de</strong>re nicht bei Pflanzen. Dieser Entwicklung bei<br />

asswie en und Mooren <strong>de</strong>r Baar längerfristig nachzuspüren, w ur<strong>de</strong> im <strong>Band</strong> "D ie<br />

Baar von 1945-1995" (REICHELT 1995) versucht. Im Folgen<strong>de</strong>n geht es um die reizvollen<br />

bunten aber beson<strong>de</strong>rs gefähr<strong>de</strong>ten Magerrasen, die uns an meist sonnigen<br />

H ä ngen a uE kalkreichen, ungedüngten Bö<strong>de</strong>n begegnen. Oft find en wir sie an<br />

Wa ldsä umen und zwischen Hecken und Feldgehölzen. Sie sind durch Grenzflächen<br />

gekennzeic hnet und daher mit großer Artenvielfa lt ausgestattet.<br />

129


Entwicklungen ind freil ich nur dort zu verfolgen, wo hinreichend viele verläs<br />

liche und möglichst lange Beobachtungsreihen vorli egen. AI älteste Ba is bot<br />

sich die "Flo ra <strong>de</strong>r Baar" von H. ZAHN (J 889) an; ist sie doch nach mehreren Vorgängerverzeichnissen<br />

die erste na hezu vollständige kritische Inventur. ZAH führt<br />

einige "beson<strong>de</strong>rs interessante Stellen unseres Florengebietes" (S . 15 ff) mit Li sten<br />

bezeichnen<strong>de</strong>r Arten a n, die als Ausgangspunkt di enen kö nnten. Auch die " pflanzengeographische<br />

Durchforschung" Ba<strong>de</strong>ns und Württembergs (EICHLER et a l.<br />

1905-1927) kann für Einzelfälle hil freich sei n. Für die Flächenentwicklung ist die<br />

Kartierung <strong>de</strong>r la ndwirt chaftlichen N utzfl äche <strong>de</strong>r Baar 195 1/52 (STAATLICHES<br />

FORSCHU l GSI STITUT F. H ÖHENLANDWIRTSC HAFT) von lntere se. Der daran beteili<br />

gte Verf. konnte auch weitere Beobachtungen zur Flora und Vegetation <strong>de</strong>r Baar<br />

beitragen (u. a. R EICHELT ] 972, 1995). Schließlich erfolgte unter Fe<strong>de</strong>rführung d es<br />

Verf. eine umfassen<strong>de</strong> Kartierung und Bewertung " Iandschaftlich wertvoller Bereiche"<br />

auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>s Artenbe ta n<strong>de</strong>s fü r <strong>de</strong>n La ndscha ftsrahmenplan <strong>de</strong>r Region<br />

Schwarzwald-Baar-Heuberg (REG IO ALVER I3A D SBH 1983). Sehr wichtig sind di e<br />

von O. WII.MA NS initiierten Biotopkartierungen <strong>de</strong>s La n<strong>de</strong> (MIN. F. ER ÄHRUNG<br />

U. LÄNDLI HE 1 RA M B. -W. 1983-2002), die in <strong>de</strong>r sogena nnten Offenlandka rtierung<br />

nach § 32 atSchG (vor<strong>de</strong>m § 24) a uch Klei nflächen <strong>de</strong>tailliert erfassen . ützlich<br />

ist ebenfall s die floristi che Kartierung <strong>de</strong>r Farn- und Blütenpflanzen Ba<strong>de</strong>n­<br />

Württembergs ( EBALD, SEYBOLD e r PHIUPPI 1990), <strong>de</strong>ren (lei<strong>de</strong>r nicht immer<br />

aktuelle) Rasterkarten die ab J 970 gemel<strong>de</strong>ten Fun<strong>de</strong> enthalten, aber auch frühere<br />

berücksichtigen. Sehr verdienstvoll i t end li ch die Untersuchung <strong>de</strong>r Verbreitung<br />

und Be tandsgröße <strong>de</strong>r Orchi<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Baar-Hochmul<strong>de</strong> durch R EI EKE & RI ET­<br />

DORF (1989) und ihre Dar teilung in Verbreitungskarten.<br />

In sge amt dürfte genügend Material vorliegen, um gesicherte Aus agen zumin<strong>de</strong>st<br />

für ei ni ge Wuch orte von Magerrasen unsere Gebietes treffen zu können.<br />

Methodische Vorbemerkungen<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Studie fragt a llerdings nicht nach <strong>de</strong>r Syn ystematik <strong>de</strong>r Ka lk­<br />

Magerrasen; hierzu sei auf E. OBERDORFERS "Süd<strong>de</strong>utsche Pfl a nzengesellschaften "<br />

(1977-1992) und die "Ökologische Pflanzensozio logie" von O. WILMA S (1998)<br />

verwiesen. Vielmehr soll en eit langem bekannte konkrete Bestän<strong>de</strong> a uf merkliche<br />

Verän<strong>de</strong>rungen ihres Artenbestan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>ren wahrscheinliche Ursachen untersucht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein e genauere Durchsicht <strong>de</strong>r erwähnten Listen von ZAH (1899) zeigt<br />

schnell , dass ein direkter Vergleich keinesfalls einfach ist. Ei nma l entha lten sie nur<br />

bestimmte Arten, <strong>de</strong>ren Auswahlprinzip wohl ihrer relativen Seltenheit und Auffälligkeit<br />

folgt, a ber nicht immer einsichtig erschei nt; das wäre zwar auszugleichen,<br />

wenn da nachfolgen<strong>de</strong> systemati che Pfl a nzenverzeichni genaue Fundortsangaben<br />

enthielte, was in<strong>de</strong> nicht durchweg <strong>de</strong>r Fa ll ist. Zum an<strong>de</strong>ren ind die benannten<br />

Stellen we<strong>de</strong>r topographisch genau genug umri en noch nach ihren Standortqualitäten<br />

differenziert. Auch ist zu be<strong>de</strong>nken, dass trotz za hlreicher Gewähr leute die<br />

floristische Bestandsaufna hme um 1890 herum keineswegs lückenlos vorl ag.<br />

Zu<strong>de</strong>m sind Fehlbe timmungen nicht auszuschließen, insbeson<strong>de</strong>re bei "kritischen"<br />

Arten, die erst in neuerer Zeit systematisch bearbeitet wur<strong>de</strong>n.<br />

130


gerrasen <strong>de</strong>r Baar<br />

Trotz<strong>de</strong>m sind ZAHNS Listen nützlich; a ls "be on<strong>de</strong>rs interessante Stellen"<br />

nennt er bei Donaueschingen <strong>de</strong>n Buchberg mit 68, <strong>de</strong>n Schellenberg mit 27 Arten,<br />

die Weiherwiesen zwischen Donaueschingen und Dürrheim (Muselni e<strong>de</strong>rung) mit<br />

68, das pfohrener Ried (etwa "Birken" und "Mittelmeß") mit 71, das Hüfinger Ri ed<br />

zwischen Allmendshofen und Sumpfohren mit 46 Arten, di e "Hüfinger Anlagen und<br />

Schosenwäl<strong>de</strong>r" - das heutige G Deggenreuschen-Rauschachen inbegriffen - mit<br />

76 Arten. In <strong>de</strong>r Umgegend von Villingen erwähnt er "Marbacher Wäldchen und<br />

Überaucher Moor", darunter offensichtlich das Plattenmoos, mit 72 Arten. Im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Jurahöhen nennt er Wartenberg (16 Arten), Osterberg oberhalb Ippingen<br />

(17), Himmelberg (15), das Klausener Tal bei Geisingen (47) und die Länge (60),<br />

<strong>de</strong>n Eichberg bei Blumberg (11) sowie das Aitrachtal, womit auch das Zollhausried<br />

gemeint i t (14 Arten). Schließlich folgen, schon außerhalb <strong>de</strong>r Baar, Wutach- (48)<br />

und Gauchachtal (19) sowie das Kri egertal bei Engen.<br />

Diese Gewichtung zeigt <strong>de</strong>n noch lü ckenhaften Stand <strong>de</strong>r floristischen Erkundung<br />

an, so dass nur wenige <strong>de</strong>r bei Z AH t genannten Stellen als quantitative<br />

Bezugsbasis dienen können. Die Auswertung muss sich daher, soweit sie seine<br />

"Flora" als Referenz nutzt, auf das spätere Vorkommen o<strong>de</strong>r Fehlen <strong>de</strong>r bei ZAHN<br />

erwähnten Arten beschränken.<br />

Bei <strong>de</strong>n späteren, "echten" Bestandsaufnahmen, kann es sich um Vegetationsaufnahmen<br />

mit klar begrenzter Aufnahmefläche einer Gesellschaft o<strong>de</strong>r Pflanzenlisten<br />

ei nes ganzen Biotops han<strong>de</strong>ln. Der mögliche Unterschied <strong>de</strong>r Arten und<br />

Artenzahlen wäre dann in <strong>de</strong>r Regel methodisch bedingt, was zu beachten ist.<br />

Schließlich unterliegen di e Arten Populationsschwankungen, so dass das Fehlen einer<br />

Art bei seltenen o<strong>de</strong>r gar einmaligen Begehungen noch ni cht <strong>de</strong>ren Erlöschen an<br />

diesem Fundort be<strong>de</strong>uten muss. Umgekehrt ist <strong>de</strong>r eufund einer Pflanze nicht<br />

unbed ingt als dauerhafte Einnischung zu werten.<br />

Der jüngste Zustand von Magerrasen und ihre Bewertung ist <strong>de</strong>n Erhebungsbögen<br />

<strong>de</strong>r Offenlandkartierung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg nach § 32 atSchG (MEL.<br />

B-W. ) zu entnehmen, die auf <strong>de</strong>n Landratsämtern zu erfragen sind. Im Folgen<strong>de</strong>n<br />

kommen nur schon länger bekannte, wie<strong>de</strong>rholt bearbeitete Vorkommen zur<br />

Darstellung. Dennoch dürften diese hinreichend gesich erte Schlüsse auf die<br />

Entwicklungsten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>r Kalk-Magerrasen in <strong>de</strong>r Baar insgesamt erlauben und<br />

Aussagen über ihre Erhaltungsbedingungen zulassen.<br />

Kalk-Magerrasen im Villingen-Bräunlinger<br />

Schwarzwaldvorland (Muschelkalk)<br />

Der Buchberg bei Donaueschingen<br />

Diese Muschelkalktafel steigt zwischen Donaueschingen und Grüningen mit wechselnd<br />

steilen H änge n aus <strong>de</strong>r Brigachaue auf und trägt Äcker und von Hecken<br />

begrenzte o<strong>de</strong>r von Gebüsch durchsetzte Magerrasen, vor allem am Waldsaum<br />

unter <strong>de</strong>r Hochfläche.<br />

Entsprechend weit gefasst ist ZAHNS Pflanzenliste. In Tab. 1 sind daraus nur<br />

Arten <strong>de</strong>r Kalk-Magerrasen (Mesobromjon erecti ) und Saumgesellschaften (Geranion<br />

sanguinei) entnommen und aus seinem systematischen Pflanzenverzeichnis<br />

131


ngen<br />

Abb. 1: Schwarzwer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Geißklee (Cytisus nigricans) am Buchberg 1959;<br />

noch vorhan<strong>de</strong>n, aber stark zurückgegangen.<br />

Abb. 2: Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata)<br />

1959 am Buchberg; inzwischen dort<br />

erloschen.<br />

132<br />

Abb. 3: Gelber Enzian (Gentiana lutea) im<br />

Beckhofer Tal 1959; inzwischen erloschen<br />

(Fotos: G. Reichelt).


ZAHN 1889 1 ) 1959 1972 1997 4 ) 2007<br />

Alyssum alyssoi<strong>de</strong>s (Kelch-Steinkraut)2)<br />

Anthericul1l ramosul11 (Ästi ge Graslilie) + + + +<br />

Aquilegia vulgaris (Akelei) + +<br />

Asperula eynanehiea (Hügel-Meister) + + +<br />

Aster amellus (Kalk-Aster) + + + +<br />

Botryehillll1 IlIllaria (Mondra ute)<br />

Bupleurum fa lcatum (Sichel blättriges Hasenohr) + + +<br />

Carex omithopoda (Vogelfuß-Segge) (+)<br />

Tanacetum corymbosum (Dol<strong>de</strong>n-Wucherblume) + + + +<br />

Cirsium eriophorm11 (Wollkopf-Kra tzdistel ) + +<br />

Crepis alpestris (Alpen-Pippau)<br />

Cytislls nigricans (Schwa rzwerd. Geisklee) + + + +<br />

Daphne C/leorum (Reckhöl<strong>de</strong>rle) +<br />

Dianthus segueri (Bu chnelke)<br />

Digitalis grandiflora (Großblüt. Fingerhut) + +<br />

Epipactis purpurata (Violerte Sten<strong>de</strong>lwurz)<br />

Euphorbia verrucosa (Warzen-Wolfsm ilch) + + +<br />

Falcal'ia vulgaris (Sichelmö hre) + +<br />

Galiull1 (Asperula) glauca (Blaugrünes Labkraut) + + +<br />

Gelltiana cruciata (Kreuz-Enzia n) + +<br />

Gentiana lutea (Gelber Enzian) + +<br />

Geral1illlll sal7gl/illeUm (Blut-Storchschnabel) + + + +<br />

GYI1111a<strong>de</strong>nia collopsea (Mücken-Handwurz) + +<br />

Koeleria pyralllidata (Pyra mi<strong>de</strong>n-Ka mmschmiele) + + + +<br />

Laserpitium latifolium (Laserkram) + + +<br />

Melittis m elissophyllw11 (Im menblatt) +<br />

Ophrys insectifera (Fliegen-Ragwurz) +<br />

Orchis militaris (Helm-Knabenkraut)<br />

Orchis ustulata (Brand-Knabenkraut)<br />

Oroballehe caryophyllacea (Labkra ut-Sommerwurz) +<br />

Pellcedallum cervaria (Hirsch-Haarstra ng) + + +<br />

Phlelll1l phleoi<strong>de</strong>s (Glanz-Lieschgras) + +<br />

Phyteuma orbiculare (Kugel-Teufelskralle)<br />

Platanthera bifolia (Weiße Waldhyzinrhe) +<br />

Po!ygollatum Inultiflorum (Vielblüt. Weißwurz) + + +<br />

Polygonatllm officilwle ( alo monsiegel) + + +<br />

Pliisatilla vulgaris (Küchenschelle) +<br />

Ral7ullcull/s oreophilus (Gebi rgs-Hahnenfuß) 31<br />

Thesiul11 bavarum (Berg-Leinblatt) + + + +<br />

Thesilll11 pyrenaicum (Wie en-Leinkra ut) + +<br />

Trifolium rubel7s (Purpur-Klee)<br />

Vil1cetoxiCIII11 hirul1dil7aria (Schwalbwurz) + + +<br />

1) Die wissenschaftlichen amen wur<strong>de</strong>n i. d. Regel O BERDORFER (1979) angepasst.<br />

2) ZAHN ko rrigiert NEUBERGER (1885), <strong>de</strong>r a uch Alyssum m 0l1tal1U111 a nga b.<br />

3) Bei E BERGER und ZAHN noch Rallllllel/Ills 1110l1ta17115<br />

4) Die Aufnahme 1997 von CH. H BER betrifft nur die Steilböschung über <strong>de</strong>r Bahnlinie.<br />

Tab. 1: Buchberg/Donaueschingen, Liste typischer Arten <strong>de</strong>r Halbtrockenrasen nach<br />

Z AHN (1889) und <strong>de</strong>ren Vorhan<strong>de</strong>nsein in späteren Aufnahmen.<br />

133


Längerfristige E ..... ru.'.h<br />

ergänzt. Dabei ei nochma l betont, dass ZAH nur di e (damals) seltenen bis zerstreut<br />

vorkommen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r a uffa llen<strong>de</strong>n Arten aufli tet, während die verbreiteten,<br />

hä ufigen o<strong>de</strong>r "gemei nen" Arten we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Liste noch im speziell en Pflanzenverzeichnis<br />

mit Fundorten a ufgeführt wer<strong>de</strong>n. Es ist a lso anzunehmen, dass Arten,<br />

di e heute zum Grundbestand <strong>de</strong>r Ka lk -Magerrasen gehören, a uch da mals vorha n<strong>de</strong>n<br />

waren. Bromus erectus (A ufrechte Trespe), Onobrychis viciifolia (E parsette) ,<br />

Origanu111 vulgare (Gemein er Dost), Pimpine//a saxifraga (Kl eine Bibernell e), Sanguisorba<br />

minor (Kleiner Wi e enknopf), ind da bei ebenso vorauszusetzen wie die<br />

Segge Carex caryophy//ea (Frü hlings-Segge). Vennutlich wuch a uch C. humilis<br />

(Erd-Segge) schon dort, die ZAH nur bei Aasen erwä hnt, aber vom Verf. am Buchberg<br />

gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> (R EICHELT 1972: 21] ).<br />

Der Z AH l 'schen Liste von 1889 sind eigene Besta ndsaufnahmen <strong>de</strong>r Ja hre<br />

1959, 1972 (Zusammenfassung von 1970-1972) und 2007 (Zusammenfassung <strong>de</strong>r<br />

Beobachtungen 2004-2007) angefügt bzw. gegenübergestellt. Für 1997 wur<strong>de</strong> die<br />

bei <strong>de</strong>r Offenlandkartierung (MEL. B-w., Biotop Nr. 180163261161) erhobene<br />

Bestandsaufnahme von H UBER ein gefü gt, die a llerdings nur <strong>de</strong>n Steilhang über <strong>de</strong>r<br />

Bahnlinie betrifft, nicht aber <strong>de</strong>n Wa ldsa um oberhalb <strong>de</strong> Weges nach Aufen ein ­<br />

schließt. Insgesamt dürften die bei ZAH für <strong>de</strong>n Buchberg genannten Kalk­<br />

M agerrasena rten mit ho her Wa hrschei nlichkeit erfasst sein . Dort fotografi erte, nun<br />

ve rschwun<strong>de</strong>ne Arten zeigen di e Abbildungen ]-3.<br />

Trotz möglicher Fehlerquellen fo lgt a us Ta b. 1 ein<strong>de</strong>utig, dass sich die Artenza<br />

hl in <strong>de</strong>n Kalk-Magerra en am Buchberg seither steti g und drasti sch verringert<br />

ha t. Statt <strong>de</strong>r 42 Arten um 1889 wur<strong>de</strong>n 1959 noch 32, 1972 noch 23 und 2007<br />

nur noch 16 ge fun<strong>de</strong>n.<br />

Als Ursachen für <strong>de</strong>n Artenschwund an diesem H a ng i t einerseits ein e zunehmen<strong>de</strong><br />

Verbuschung le kalkschuttreichen Stei lha ngs durch Liguste r, Hartriege<br />

l und Echten Kreuzdo rn auszumachen, eingeleitet durch hochwüchsige Arten wie<br />

Origa num vulgare (Gewöhnlicher Dost), Achillea millefolium (Sch afgarbe),<br />

Hypericum perforatum (Johanni kraut) und Solidago virgaurea (Goldrute) ; an<strong>de</strong>rerseits<br />

wird <strong>de</strong>r o bere Teil bei<strong>de</strong>r eit <strong>de</strong>s Weges laufend gemä ht und unterliegt mithin<br />

einer vera rmen<strong>de</strong>n Uniformierung.<br />

Der Schellenberg zwischen BräunlingenjDonaueschingen<br />

Dieser bil<strong>de</strong>t die Schichtstufe <strong>de</strong>s Oberen Muschelkalks zwischen <strong>de</strong>r Breg und <strong>de</strong>r<br />

ßrigach von Bräunlingen bis etwa Grüningen und ist damit das westliche Pendant<br />

zum Buchberg. Die Standorte ä hn eln ein an<strong>de</strong>r: sonn eitige Hänge sind auf flach er<br />

geneigten H ä ngen beackert, a n <strong>de</strong>n Oberhängen von gra igen Ra inen und H ecken<br />

unterbrochen und vor <strong>de</strong>m bewal<strong>de</strong>ten, meist steil eren Trauf von einem 5-20 m<br />

breiten Streifen extensiv o<strong>de</strong>r gar nicht genutzten H albtrockenrasen gesäumt, <strong>de</strong>r<br />

sich kleinflächi g, oft inselartig, in <strong>de</strong>n lockeren, randlich von Fohren begleiteten<br />

Wa ld hinein fortsetzen kann. Die e Heckenl a ndschaft ist a m Schellen berg<br />

großflächi ger und vielgliedriger als a m Buchberg. ZAHN nennt für <strong>de</strong>n Schellenberg<br />

27 Arten, davon sind 17 (Liste und Verzeichnis) Magerrasen-Arten.<br />

Es ist unklar, auf welchen Teil <strong>de</strong>s weitläufigen Schellenbergs ich Z AH s<br />

Liste bezieht. Am ehesten entsprechen ihr die Waldrä n<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>rseits <strong>de</strong>r alten<br />

134


aar<br />

Wolterdinger Straße. H ätten Z A H und seine Gewährsleute <strong>de</strong>n südJichen Abhang<br />

bei Bräunlingen (das auffa llend selten a ls Fu ndort erscheint) erfasst, so wären<br />

ihnen weitere auch damals bemerkenswerte Arten wohl nicht entgangen.<br />

Westhang/Eichbuck. Dem westlichen Waldrand <strong>de</strong>s Schellenbergs si nd unterschi<br />

edlich breite Magerrasen vorgelagert. Die Angaben in Tab. 2 stammen ab 1959<br />

vom Waldrand südlich <strong>de</strong>r alten traße Donaueschingen-Wolterdingen.<br />

Z AH 1889 (Liste und Verzeichnis) 1959 1972 2007<br />

Aster am ellus (Kalk-Aster) +<br />

Botrychiz-u?1 lunaria (Mondraute)<br />

Bupleurum longifolhtm (Langblättr. H aseno hr) +<br />

Carlina acaulis (Si lberdistel) + + +<br />

Digitalis grandiflora (Großer Fingerhut) + + +<br />

Gentian(ell)a ciliata (Fra nsen-Enzian ) + + +<br />

Gelltiana germanica (Deutscher Enzian) + +<br />

Gentiana lutea (Gelber Enzian)"' + +<br />

Gentiana venta (Frühlings-Enzian)<br />

Gymna<strong>de</strong>nia cOl1opsea (Mücken-Handwurz) + + +<br />

Laserpitium latifolium (Laserkraut) + + +<br />

Orchis militaris (H elm-Knabenkraut) + +<br />

Orchis morio (KJ ein es Knabenkraut) + +<br />

Orobanche caryophyllacea (Labkraut-Sommerwurz)<br />

Phyteuma orbiculare (Kugel-Teufelskralle) +<br />

Platanthera bifolia (Weiße Waldh yazinthe) + + +<br />

Pulsatilla vulgaris (Küchenschelle) + +<br />

Viola collina (Hügel-Veilchen)<br />

". in <strong>de</strong>r Liste nicht aufgeführt, im Pfla nzenverzeichnis jedoch als "verbreitet" angegeben<br />

Tab. 2: SchellenbergjDonaueschingen, westlicher Waldrand südlich d. alten Wolterdinger<br />

Straße; Liste von Arten <strong>de</strong>r Kalk-Magerrasen nach Z AHN 1889, spätere Aufnahmen v. Verf.<br />

Verf. muss einräumen, vielleicht Viola collina übersehen zu haben, kaum<br />

jedoch Bot1'ychium und Gentiana verna. Eigene Aufnahmen von 1959 nennen<br />

dafür bei Z A H N nicht aufgeführte Arten: Euphorbia verrucosa, Helianthemum<br />

nummularium (bei Z A H N generell überse hen !), Orchis mascula, Stachys officinalis,<br />

Sta chys l'ecta, Teucrium montanum und weitere <strong>de</strong>s bereits erwähnten "Grundbestan<strong>de</strong><br />

" . Insgesamt bestätigt Tabelle 2 jedoch auch für <strong>de</strong>n Schellenberg-Westhang<br />

ei nen Rückgang von 18 Arten um 1889 auf nur 6 im Jahr 2007.<br />

Der massive Artenverlust, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Jahren nach 1972, dürfte teilweise<br />

durch die zunehmend dichter und höher wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Aufforstung im unteren<br />

Teil <strong>de</strong>r Fläche bedingt sein (Abb. 4). Außer<strong>de</strong>m machen sich Stoffeinträge von benachbarten,<br />

intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen im Wund NW bemerkbar;<br />

sie ze igen sich am (Weg) Rand <strong>de</strong>r Fl äche durch hochwüchsige, an<strong>de</strong>re Arten unterdrücken<strong>de</strong><br />

H er<strong>de</strong>n ni troph ytischer Pflanzen wie Anthriscus syluestris, Arrhenatherum<br />

elatius, Cirsiu111 arvense, Heracleum sphondy/ium, Trifolium pratense und<br />

Ul'tica dioica .<br />

135


Abb. 4: Waldrand am Schellenberg (2007); <strong>de</strong>r Magerrasen wird aufgeforstet.<br />

Abb. 5: Verbranntes Knabenkraut (Orchis<br />

ustulata), letzter Wuchsort <strong>de</strong>r Baar­<br />

Hochmul<strong>de</strong>, mit Hufeisenklee (Hippacrepis<br />

comasa) am Schellenberg (Wannen)<br />

1988; inzwischen erloschen.<br />

136<br />

Abb. 7: Kleines Knabenkraut<br />

(Orchis maria) im NSG Villinger<br />

Tannhörnle, 2007 (Fotos: G. Reichelt).


-Magerrasen <strong>de</strong>r Baa<br />

Südlicher Waldrand. och gra vieren<strong>de</strong>r sind di e Arrenverluste am südlichen<br />

Waldsaum <strong>de</strong>s Schellen berges längs und oberhalb <strong>de</strong>s Fußwegs zur Amalienhütte.<br />

Frühere Bearbeiter ha ben di esen Sa um nicht a usdrücklich erwä hnt; Verf. ko nnte<br />

hi er a llerdings ] 959 noch 35 typische Magerrasen-Arten notieren und dabei bi<br />

1970 sogar Centaurea pseudophrygia (Perücken -Flockenblume) , im nahen Wald<br />

auch Cicerbita alpina (Alpen- Milchlattich) - bei<strong>de</strong> in zwischen verscho llen - fotografieren.<br />

Bis etwa 1995 hat sich di eser, schon frü h im Ja hr mit sattem Gelb <strong>de</strong><br />

Frühlings-Fingerkra uts a ufwarten<strong>de</strong>, später bunte, blütenreiche Saum halten können.<br />

Davon ind 2007 nur noch Mittlerer Kl ee, ra ndlich Dost (Origanum vulgare)<br />

sowie Stra uch tümpfe von Wein-Rose, Bl a ugrüner Rose und Liguster übrig. H ä ufige<br />

Maschinenmahd entla ng <strong>de</strong>s (Spazier)Weges, di e lnstallation von Ruhebänken<br />

(Kurklinik-Bereich ), ferner auch Stoffeinträge aus <strong>de</strong>n unmittelba r a ngrenzen<strong>de</strong>n<br />

(M ais) Fel<strong>de</strong>rn ha ben ihn zu ein er einfö rmigen Grasböschung <strong>de</strong>gradi ert.<br />

Heckenlandschaft "Wannen" . An<strong>de</strong>rerseits konnten ich auf <strong>de</strong>r offenbar weni<br />

g beachteten SW-Fla nke nahe Brä unlingen alte Ra ine und H ecken erhalten, zwischen<br />

<strong>de</strong>nen kl eine ver teckte Flächen von Magerrasen liegen. Hier besta nd noch<br />

1988 <strong>de</strong>r letzte und ein zige Wuchsort von Orchis ustulata (A bb. 5) in <strong>de</strong>r Baar­<br />

H ochmul<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r a uch von R E! EKE & RI ETDORF (1984: 2<strong>51</strong>, Karte 36) ka rtiert wur<strong>de</strong>.<br />

Dieses schöne M esobrometum i tinzwischen (2007) das Opfer von Mahd und<br />

Düngung gewor<strong>de</strong>n. Salvia pratensis, Arrhenatherum elatior, Dactylis glomerata<br />

und Festuca rubra kennzeichnen eine Wiese, in <strong>de</strong>r neben a ufkommen<strong>de</strong>m Löwenzahn<br />

einige Rosetten von Pnmella grandiflora überda uern und ra ndbch noch H elianthemt/111<br />

nUn1n1ularium vorkommt, das vor allem die Gebüsch ä ume ziert. Diese<br />

sonnseitig lockeren, ka um mehr als 5 m ti efen Gebü che auf <strong>de</strong>n a n Lesesteinen<br />

reichen Stufe nrainen sind trotz ein es Artenverlustes seit 1982 von fast 30 % ein immer<br />

noch beei ndrucken<strong>de</strong>s Refugium für selten gewor<strong>de</strong>ne Arten geblieben (Tab. 3) .<br />

Sierental. Bei <strong>de</strong>r Bestandsaufnahme im Ra hmen <strong>de</strong>s Regionalen Landschaft<br />

rahmenplans 1983 wur<strong>de</strong>n in "Wannen" und im "Sierenta l" noch 15 Arten<br />

<strong>de</strong>r " Roten Liste" Ba<strong>de</strong>n-Württemberg registriert, sodass <strong>de</strong>r südliche SchelJel1berg<br />

im Landschaftsrahmenplan 1983 (R EG . V ERB.; Anhang " Bewertungsschema",<br />

r. 204 und 205) als ,la ndschaftlich wertvoller Bereich" bewertet wur<strong>de</strong>. Auch bei<br />

<strong>de</strong>r Offenlandkartierung (MEL. B-W., Biotop- r. 180163266001) konnte L.<br />

Rö KE 1995 noch seltene und bedrohte Arten wie Centiana cruciata und Melampyrum<br />

cristatum mel<strong>de</strong>n, und 1996 notierte M. LÜTH im ordteil (e bd. Biotop- r.<br />

180163265022) 10 Arten <strong>de</strong>r Roten Liste, wies a ber bereits a uf die Gefährdung<br />

durch Fichtenanflug und <strong>de</strong>n benachbarten Ackerba u hin . Das Sierenta l wur<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>n "Umweltqualitätszielen" <strong>de</strong>s Städtedreiec ks 1999 als "ökologisches Vorrangund<br />

Defizitgebiet" benannt und die Sicherung und Verbesserung durch Unterschutzs<br />

teIlung und Pfl ege vorgeschlagen (G EME INDEVE RWALTU GSVERBAND<br />

DONAuESC HI NGE I 1999: 246); <strong>de</strong>r Vollzug steht jedoch aus.<br />

137


Aufener Betzenbühl. A uf d er O stabdachung <strong>de</strong>s Sche ll enbergs li egt die<br />

H eckenfTrockenrasen-La ndschaft um A u fen mit <strong>de</strong>m kl einen aturschutzgebiet<br />

" Betzenbühl ", w e lches wegen seiner früher reichen Bestä n<strong>de</strong> a n Küchensc hell e<br />

unmittelbar am Ra nd <strong>de</strong>r Ortschaft seit 1969 mit 2 ha Fläche unter Schutz gestellt<br />

wur<strong>de</strong>. Verf. konl1te hier noch in d en 60er Jahren 400-500 Exemplare zählen<br />

(SEITZ in: R EGPRÄ . FREIBURG 2004: 526). eH. H UBER (MEL. B.-W., Biotop- r.<br />

18016326] 154) schä tzte di.e Z a hl <strong>de</strong>r Stöcke 1997 a uf 30-40; inzwischen (2007)<br />

sind a llenfa ll s noch 20 Stöcke im ste il ste n Hang bereich vorhan<strong>de</strong>n. D en<br />

jewe iligen Besta nd typische r Arten zeigt Tab. 4.<br />

1969 1997 2007<br />

Brachypodiul11 pil1l1atum (Fie<strong>de</strong>rzwenke) + +<br />

Bro111us erectlls (Aufrechte Trespe) + +<br />

Campanula glomerata (Büschel-Glockenblume)<br />

Campanula rotllndifolia (Rundblättr. Glockenblume) + +<br />

Carlina acaulis (S ilberdistel) +<br />

Diallthlls carthllSiallorum (Kartäuser- elke) + +<br />

Dianthus segueri (Busch- elke) +<br />

Digitalis gralldiflora (G roßer Fingerhut)<br />

Euphorbia cyparissias (Zypressen-Wolf milch ) + +<br />

Ellphorbia verrucosa (Warze n-Wolfsmilch )<br />

Galium verum (Echte Labkraut) + +<br />

Centiana ciliata (Fran en-Enzian) + +<br />

Gentiana germanica (Deutscher Enzian) +<br />

Genista sagittalis (Flügelginster) +<br />

Gymna<strong>de</strong>llia conopsea (Mücken-Handwurz) +<br />

Helianthenll/ln Ilummularium (Son nenröschen) + +<br />

Hypericum perforatum (Echtes Johanniskra ut) + +<br />

Koeleria pyram.idata (Pyrami<strong>de</strong>n-Schillergras) + +<br />

Onobrychis viciifolia (Espa rsen e) + +<br />

Ophrys insectifera (Fliegen-Ragwurz)':·<br />

Pimpinella saxifraga (Kleine Bibernelle) + +<br />

Potentilla heptaphylla (Rötliches Fingerkraut) + +<br />

Potentilla tabernaemontani (Frühlings-Fingerkraut) + +<br />

Prullella grandi{lora (Große Brunelle) + +<br />

Plilsatilla vlIlgaris (K üchenschelle) + +<br />

Sangllisorba millor (Kleiner Wiesenknopf) + +<br />

Scabiosa columbaria (Ta uben-Skabi ose) + +<br />

Stachys officinalis (Heil-Ziest) + +<br />

Stachys recta (Aufrechter Zie t)<br />

,:. Ophrys insectifera wur<strong>de</strong> 1983 bei <strong>de</strong>r Biotopkartierung noch gefun<strong>de</strong>n.<br />

Tab. 4: Bräunlingen / "Wannen", Magerrasen zwischen Hecken,<br />

Aufnahmen 1969 und 2007 vom Verf., 1997 von ( H. HUBER.<br />

139


Abb. 6: NSG BetzenbühlfAufen, Spätsommer-Aspekt 2007; Obergräser und<br />

hochwüchsige Stau<strong>de</strong>n dominieren die eigentlichen Magerrasen-Arten.<br />

Abb. 8: Nordstetten "Katzensteig";<br />

Frühlings-Enzian (Gentiana verna) und<br />

Küchenschelle (Pu/satilla vu/garis) 1962;<br />

bei<strong>de</strong> inzwischen dort erloschen.<br />

]40<br />

Abb. 11 : Spinnen-Ragwurz<br />

(Ophrys sphego<strong>de</strong>s) 2004; am Hörnekapf<br />

und Zizibuck noch vorhan<strong>de</strong>n<br />

(Fotos: G. Reichelt).


asen <strong>de</strong>r Baar<br />

Insgesamt hat <strong>de</strong>r Bestand Arteinbußen von knapp 30 % erlitten; vor allem<br />

haben sich die Mengenverhältnisse erheblich verschoben. Die "besseren" Arten wie<br />

Küchenschelle und die Enzian-Sippen sind ein<strong>de</strong>utig zurückgegangen. Die Obergräser<br />

(vor a llem Fie<strong>de</strong>rzwenke) haben zugenommen, unter <strong>de</strong>n hochwüchsige n<br />

Kräutern dominieren Skabiose, Knautie, Johanniskraut und H eil-Ziest. Dazwischen<br />

beherrschen Zypressen-Wolfsmilch und Sonnenröschen di e untere Krautschicht.<br />

Vom oberen Gebüschrand dringen Goldrute und Sträucher ein, am unteren<br />

Rand und an <strong>de</strong>r Straße machen sich ru<strong>de</strong>rale Einflüsse bemerkbar (Abb. 6).<br />

Die Fläche ist nach Aufhören <strong>de</strong>r extensiven Beweidung und höchstens episodischer<br />

Mahd ein beliebter Auslauf für Hun<strong>de</strong> gewor<strong>de</strong>n und w ird auch an<strong>de</strong>rweitig - oberhalb<br />

wur<strong>de</strong> eine Grillhütte installiert- anthropogen beeinflus t. Erhebliche Tei le <strong>de</strong>r<br />

früheren H ec ken-Magerrasen-Landschaft mussten a uch großzügigen Ba ugrundstücken<br />

weichen.<br />

Die Karrierung für <strong>de</strong>n Landschaftsrahmenplan (REG. VERB., r. 129) fand in<br />

<strong>de</strong>r nördlich anschl ießen<strong>de</strong>n H eckenlandschaft zwischen Aufen und Grüningen nur<br />

noch 6 Arten <strong>de</strong>r " Roten Liste" und stuft <strong>de</strong>n Erhaltungszustand <strong>de</strong>r Magerrasen­<br />

Gesellschaften al "mäßig" (3 von 5 Punkten) ein. Vor a llem am Unterhang gegen<br />

Grüningen sind jedoch <strong>de</strong>n Magerrasen bei weitgehend fehlen<strong>de</strong>r Intensivlandw<br />

irtschaft noch Chancen einzuräumen, fa ll es gelin gt, durch extensive Beweidung<br />

o<strong>de</strong>r/und gelegentliche Mahd eine geeignete Pflege zu organisieren. Das gilt vordringlich<br />

auch für da aturschutzgebiet "Betzenbühl".<br />

Schosenwäl<strong>de</strong>r bei Hüfingen<br />

Darunter versteht ZAH I <strong>de</strong>n nördlichen Teil <strong>de</strong>s Hüfinger Wal<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>n Rauschachen<br />

und die kleineren, nörd lich und nordwestlich davon gelegenen, "Schosen"<br />

genannten Waldstücke. Seine Pflanzenliste enthä lt <strong>de</strong>nn auch za hlreiche Arten, die<br />

nur auf das heuti ge aturschutzgebiet Deggernreuschen-Rauschachen ("Hüfinger<br />

Wald' ) zutreffen können. Auf die "Schosen" bzw. die südlichen und westlichen<br />

Waldrän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r eIben beziehen sich die Arten <strong>de</strong>r Tab. 5.<br />

Für 1984 wur<strong>de</strong>n die Arten listen <strong>de</strong>r Aufnahmeflächen von WITSCHEL (1984:<br />

124 fE, Aufn . 31,32) ausgewertet. Darin wer<strong>de</strong>n weitere Arten angeführt, di e in<br />

ZAH s Pflanzenverzeichnis (Ausnahme: das offenbar vergessene H elianthemum<br />

nU111mularium) a ls" verbreitet" o<strong>de</strong>r " hä ufig' gelten und daher nicht nochmals in<br />

<strong>de</strong>r Liste genannt wer<strong>de</strong>n:<br />

Anthyllis vulneraria, Broml,ts erectus, Campanula glo111erata, Carex caryophyllea,<br />

Centaurea scabiosa, Euphorbia cyparissias, Festuca ovina, Galium ver um,<br />

HelianthemU111 nununularium, Hippocrepis comosa, Koeleria pyramidata, Medicago<br />

fa lcata, Pimpine/la saxifraga, Prunella grandiflora, Salvia pratensis, Sanguisorba<br />

minor.<br />

Außer<strong>de</strong>m habe ich seine VegetationsauEnahmen im Hinblick auf die Artenliste<br />

von ZAH durch eigene Iotizen von 1980 am westlichen Waldrand <strong>de</strong> " Rauschachen"<br />

ergänzt. Die Liste von 1999 wur<strong>de</strong> aus KRETZSCHMAR (1999: 62 ff)<br />

zusammengestellt. Weitere typische Arten, die bei ZAHN ihrer damals größeren<br />

Verbreitung und H ä ufigkeit wegen nicht ausdrücklich für Hüfingen und di e Schosenwäl<strong>de</strong>r<br />

aufgeführt wer<strong>de</strong>n, sind - soweit nicht bei WITS HEL genannt - nach<br />

] 4]


ZAHN 1889<br />

Asperula cynanchica (Hügel-Meister)<br />

Aster amelllls (Kalk-Aster)<br />

Aster bellidiastrul1l (A lpen-M aßlieb)<br />

Brachypodilll11 pinllatlllll (Fi ed erzwenke)<br />

Daphne cneorum (Reckhö l<strong>de</strong>rle)<br />

Dianthus carlhllsianort/11l (Kartäuser elke)<br />

Dianthus <strong>de</strong>ltoi<strong>de</strong>s (H ei<strong>de</strong>- e1ke)<br />

Digitalis gralldiflora (Großer Fingerhut)<br />

Epipactis atrorllbens (Rotbra une Sten<strong>de</strong>lwurz).<br />

Euphorbia verrucosa (Warzen-Wolfmilch )<br />

Gentian(ell)a ciliata (Fran en-Enzian)<br />

Gentiana cruciata (Kreuz-Enzia n)<br />

Gentiana lutea ( elber Enzian)<br />

Germ/iu/1/ sanguineulIl (Blutroter Storchschna bel)<br />

Gymna<strong>de</strong>nia col1opsea (Mücken-H a ndwurz)<br />

GYlIlna<strong>de</strong>nia odoratissil11a (Wohlriech. H andwurz)<br />

Laserpitiu111 latifolium (Laserkra ut)<br />

Orchis militaris (He lm -Knabenkra ut)<br />

Orchis ustulata (Verbra nntes Kna benkra ut)<br />

Orobanche alba (Weiße Sommerwurz)<br />

Oroba17che caryoph)'lIacea (Labkra ut-Sommerwurz)<br />

Phylellma orbiclllaris (K ugel-Teu fe lskralle )<br />

Potentilla heptaph)'lla (Rö tliche Fingerkraut)<br />

Thalict/'ll/JI simplex (Einfache Wiesenraute)<br />

Trifolium m edium (Mittlerer Klee)<br />

Trifolil/m lI1ontanlll11 (Berg-Klee)<br />

Veronica tellcrium (Großer Ehrenpreis)<br />

Vio la collina (Hügel-Veilchen)<br />

1984 1999<br />

+<br />

+<br />

+ +<br />

+ +<br />

+ +<br />

(+)<br />

+<br />

+<br />

(+) +<br />

(+) +<br />

(+) +<br />

(+) +<br />

(+) +<br />

(+) +<br />

+<br />

+<br />

+ +<br />

+<br />

+<br />

(+) +<br />

Tab. 5: Schosen bei Hüfingen, bei ZAHN 1889 genannte Arte n <strong>de</strong> r Kalk-Magerrasen und<br />

Waldrän<strong>de</strong>r im Vergleich zu Liste n von WITSCHEL 1984 (in Klammern vom Verf. e rgänzend<br />

notie rte Arten von 1980) und KRETZSCHMAR 1999.<br />

KR ET ZSCHM AR fo lgen<strong>de</strong>: Astragalus glycyphyllus, Carlina acaulis, Genista germanica,<br />

Gentiana verna, M elampyml/1 cristatum, Polygala amarella, Primula veris,<br />

Pulsatilla vulgaris, Rhinanthus glacialis, Stachys recta, Thesium bava1'U111, Thesiul11<br />

pyrenaicum.<br />

Sicher i t die bis heute do rt vorkommen<strong>de</strong> Euphorbia verrucosa nur übersehen<br />

wor<strong>de</strong>n bzw. fehlte in <strong>de</strong>n speziell en Aufnahmeflächen. Ansonsten ist zw a r a uch<br />

hie r <strong>de</strong> r Artenbesrand von 1889 <strong>de</strong> r Liste zu fo lge um rund die H ä lfte gesch rumpft,<br />

<strong>de</strong>nnoch ha ben sich d ie Wa ldrän<strong>de</strong> r und Magerrasen bei Hüfingen/Bräunl ingen m it<br />

- nimmt m a n die ergänzend gena nnten Vertreter hinzu - immerhin rund 45 typischen<br />

A rten weit besser erha lten können a ls im übrigen Mu chelkalkgebiet.<br />

Dabei spielt die orrsferne La ge an <strong>de</strong>n Gemarkung grenzen bei <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n<br />

eine R o ll e. Die Landwirtscha ft cheint hi e r weniger intensiv betrieben zu wer<strong>de</strong>n<br />

und dul<strong>de</strong>t sogar mäßig gedüngte Grünlandflächen zwischen <strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>rn. Erwäh-<br />

142


ei alk-Magerr<br />

nenswert ist a uch, dass nach <strong>de</strong>r Nurzungskartierung von 19<strong>51</strong>/52 gera<strong>de</strong> dieser<br />

Bereich <strong>de</strong>r Gemarkungen Hüfingen und Bräunlingen durch einen ungewöhnlich<br />

ho hen Anteil von Luzerneflächen vom Anbaumusrer im übrigen Mu chelkalkgebiet<br />

a bweicht. A uch di e " Heckenraingesellschaften ' und "Trockenrasen " (REGIO AL­<br />

VERBAND SBH 1983; Anhang, lr. 213.1-3) sind in diesem Gebiet hä ufiger als<br />

üblich. Für <strong>de</strong>n Erha lt dieser Flächen dürfte inzwischen vor a ll em die Pflege <strong>de</strong>r<br />

Wald rä n<strong>de</strong>r durch Pflegetrupps im Bereich <strong>de</strong>s aturschutzgebiete Deggenreuschen-Ra<br />

u chachen (vgl. KRETZSCH,\i1J-\R a. a. O .) entschei<strong>de</strong>nd sein.<br />

Kalk-Magerrasen bei Villingen<br />

Tannhörnle. Diese frü here Hutewei<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r ähe <strong>de</strong>s ha llsta ttzeitlichen Grabhügels<br />

"Magda lenenberg" mit ih ren alten Eichen und Gebüschen war offenbar nur<br />

wenigen Bo ta nikern und Ornithologen bekannt. AI aturschutzbeau ftragter<br />

(1959-1970) hatte Verf. in Beratungen mit <strong>de</strong>r Stadtplanung vereinbart, das Gebiet<br />

im Flächennutzungsplan als Naturschutzfl äche vorzu ehen und 1964 die UnterschutzsteIlung<br />

gefor<strong>de</strong>rt. Eine priva te Übereinkunft mit <strong>de</strong>m Villinger R eitverein<br />

verhin<strong>de</strong>rte wenigstens di e generell e utzung für <strong>de</strong>n Reitsport. Aber erst die<br />

Absicht einer einflussreichen Villinger Vereinigung, da " ungenutzte Ödland" zum<br />

Golfp latz zu machen, fü hrte En<strong>de</strong> 1978 (!) zum offiziellen Unterschutzstellungsve<br />

rfa hren (beantragt vom aturschutzbeauftragten W. MARTIN), nach<strong>de</strong>m mehrere<br />

private Stellungnahmen und Gutachten lä ngst die Schutzwürdigkeit <strong>de</strong>s Gebietes<br />

belegt ha tten; 1982 erfolgte endlich di e Ausweisung als aturschutzgebiet.<br />

Konkrete Hinweise gab REICHELT (1972: 188) und nannte als typische Arten:<br />

Aufrechte Trespe, Fie<strong>de</strong>rzwenke, Frühli ngs-Enzian, Si lberdistel, Mücken-H a ndwurz<br />

und Kn abenkräuter (nämlich Dactylorhiza incarnata, Orchis morio, O. maculata)<br />

. Eingehen<strong>de</strong> pflanzensoziologische Untersuchungen unternahm W. FRITZ<br />

1975/76. Er fa nd zwei unterschiedliche Trockenrasen a uf (tonreichem) Unterem<br />

Muschelkalk einen wechsel feuchten Ro rschw ingelra en und auf M ittlerem Muschelkalk<br />

einen "Enzianrasen" (FR ITZ 1978: 41 ff); er schätzte <strong>de</strong>n Artenbestand<br />

<strong>de</strong>s Gesamtareals a uf rund 250 Arten! Repräsenta ti ve Arten <strong>de</strong>r Kalk-Magerrasen<br />

sind in Ta b. 6 aufgeführt.<br />

Die Ka rtierung für <strong>de</strong>n Landschaftsra hmenplan (R EG. VERB. 1983; r. 95.1-3)<br />

notierte 15 Arten <strong>de</strong>r " Roten Liste" und bewertete <strong>de</strong>n Z ustand <strong>de</strong>s Magerrasen<br />

a ls sehr gut (5 Punkte) . Schließlich führte a uch M. WITSCHEL (R EGPRÄS. FREIBURG<br />

2004: 558 f) einige <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Arten an und bemerkte, dass di e H albtrockenrasen<br />

syntaxonomisch nicht ein<strong>de</strong>utig zu fassen sind. Sie enthalten, wie bereits<br />

W. FRITZ erkannte einerseit Elemente <strong>de</strong>r trockenen und wechselfeuchten Kalk ­<br />

Magerrasen, a n<strong>de</strong>rerseits solche <strong>de</strong>r sa uren Borstgrasrasen mit Agrostis tenuis,<br />

Calluna vulgaris, Danthonia <strong>de</strong>cumbens, Genista sagittalis, ardus stricta, Potentilla<br />

erecta und Vio la canina.<br />

Die Offenlandkartierung (MEL. ß. -w., Biotop- r. 179163260808 ) bestätigte<br />

<strong>de</strong>n hohen Wert dieses " ungenutzten Ödlan<strong>de</strong>s" und stufte es wegen <strong>de</strong>r kulturhistorischen<br />

Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>r reichen Fa un a und seltener Pfl anzenarten als Biotop<br />

von " la n<strong>de</strong> weiter Be<strong>de</strong>utung" ein . Die von D . DA I ERT 1999 erstellte Artenliste<br />

143


lungen<br />

hITZ 1975/76 1999<br />

Agrimonia ellpatoria (O<strong>de</strong>rmennig) +<br />

Brachypodium pinnatum (Fie<strong>de</strong>rzwenke) +<br />

Briza media (Zittergras) +<br />

Bro/l1us erectus (Aufrechte Tres pe) +<br />

Carex caryophyllea (Frühlings-Segge) +<br />

Carex mOlltana (Berg-Segge) +<br />

Ca rlina acauLis ( ilberdistel) +<br />

Car/illa vlI/garis (Golddistel)<br />

Festuca ovina ( chafschwingel) +<br />

Galiul/1 verum (Echtes Labkraut) +<br />

Gentiana ci/iata (Fransen-Enzian) +<br />

Gelllialla germanica (Deut eher Enzia n) +<br />

Gentiana verna (FrüJllings-Enzian) +<br />

Gymna<strong>de</strong>nia co71opsea (Mücken-Ha ndwurz) +<br />

Helianthemum nummu/arium ( onnenröschen) +<br />

Hippocrepis commosa (Hufei enklee) +<br />

Hypericu111 perforatllm (Johanni kraut) +<br />

Koe/eria pyral11idata (Ka mmschmiele) +<br />

Onollis repens (H auhechel) +<br />

Orchis 1170rio (Kleines Knabenkraut) +<br />

Pil11pinella saxifraga (Kleine Bibernelle) +<br />

Po/yga/a com osa (Scho pf-Kreuzblume) +<br />

Potelltilla heptaphylla (Rötliche Fingerkraut) +<br />

Prtlllella gralldiflora (Große Brune lle) +<br />

Scabiosa co/umbaria (Tauben-Skabio e) +<br />

Trifolium medium (Mittlerer Klee) +<br />

Scorzonera hUl11ilis ( iedrige Schwarzwurzel) +<br />

Tab. 6: Naturschutzgebiet Tannhörnle,<br />

Artenliste nach W. FRITZ 1975/76 und D . D ANNERT 1999.<br />

zeigt Tab. 6. Zusätzlich nennt er Anthyllis vulneraria (Wundklee) und Thesium<br />

pyrenaicum (Wiesen-Leinkra ut). Jn sgesa mt konnte sich <strong>de</strong>r Artenbestand <strong>de</strong>mnach<br />

gut behaupten.<br />

ach einer Begehung 2007 hatte Verf. allerding <strong>de</strong>n Ei ndruck, dass Orchis<br />

maria stabil ZLI sein scheint (Abb. 7), während insbeson<strong>de</strong>re die Arten Gentiana<br />

ve1'l7a und G. gennanica im Rückgang begriffen seien. Diesen Eindruck teilen Ortskenner<br />

wie Prof. Dr. H. G EHR IN , und F. ZI KE (mdJ. Mitt. 18.9.07). In<strong>de</strong>ssen zählte<br />

Th. S HALK aktuell Gentiana germanica mit etwa 190, Gentiana verna, bevorZLIgt<br />

in wechselfeuchten Mul<strong>de</strong>n wachsend, mit rund 100 und G. ciliata gar mit 490<br />

Exempla ren ( chrift!. Mitt. 24.9.07). Der Wi<strong>de</strong>rspruch i t erklärbar: die genannten<br />

Arten wur<strong>de</strong>n vorZLIgswei e auf <strong>de</strong>n bewei<strong>de</strong>ten (oberen) Teilen <strong>de</strong>r Fläche gezählt,<br />

während die (unteren ) - ZLI selten ? - gemähten Teile eher ei nen negativen Trend erkennen<br />

lassen. Dieser Ge i ht punkt o ll te bei <strong>de</strong>r Pflege künftig beachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Nordstetter H ei<strong>de</strong>. Im Vi llinger Teilort o rdstetten liegt im Gewann "Katze<br />

nsteig" d ie "Nordsretter Hei<strong>de</strong>", ei n ursprünglich artenreicher Kalk-Magerrasen<br />

144


el Kalk-Mag rrasen <strong>de</strong>r Ba<br />

Abb. 9: Mühlhauser Hal<strong>de</strong>, Frühherbst-Aspekt 2006 (Foto: L. Dom<strong>de</strong>y-Kunz).<br />

Abb. 10: Gelbe Spargelschote (Tetragonolobus maritimus) am Roten Rain<br />

bei pfohren 1958 (Foto: G. Reichelt).<br />

145


auf <strong>de</strong>r Hochfläche <strong>de</strong>s Oberen Muschelkalks innerhalb ein er alten H eckenlandschaft.<br />

Er war bekannt flir seine reichen Bestän<strong>de</strong> an Frühlings-Enzia n und KücheneheIle,<br />

wie Abbildung 8 a us <strong>de</strong>m Ja hr 1962 zeigt. och] 983 wur<strong>de</strong> die Fläche für<br />

<strong>de</strong>n Landschaftsrahmenplan SBH mit 6-10 Rote-Li te-A rten und in gutem Zustand<br />

(4 von 5 Punkten) bei hoher Di versität <strong>de</strong>s Vegetationsmu ters bewertet (ZINKE<br />

1983, B1.1 6; REG . VERI3. 1983, Anhang, r.l00). Bei <strong>de</strong>r Offenl a ndkanierung (Biotop-<br />

r.17916326064 ) fand D. DA ERT ] 999 immerhin noch Dianthus carthusianorum,<br />

Dianthus <strong>de</strong>ltoi<strong>de</strong>s, Gentiana ciliata, Gentiana germanica, Laserpitiu111<br />

latifoliu111, Mela111pyrum aruense, Potentilla heptaphylla, Rhinanthus glacialis und<br />

wenige Orchis mascula. Inzwischen (A ugu t 2007) ist <strong>de</strong>r knieho he Rasen teilweise<br />

verfi lzt und vom Ra nd her von Aspen undlo<strong>de</strong>rArten <strong>de</strong>r Wirtscha ftswiesen (Spitz­<br />

Wegerich, Kn a utie, Wiesen-Bocksbart, Bärenklau, Wie en-Kerbel) durchdrungen.<br />

Die Obergräser Brachypodium pinnatum, Dactylus glomerata und ArrhenatherU111<br />

elatius überwiegen Bro111us erectus. Als M agerrasenarten beherrschen Euphorbia<br />

cyparissias und Helianthemum nummulariu111 die untere Kraut chicht, außer<strong>de</strong>m<br />

sind Carlilla acaulis, Dianthus cal,thusiano1'Uln, Origanum uulgare, Prunella grandiflora<br />

sowie - beachtenswert - Rhil1al1thus glacialis, Stachys l'ecta und Viola<br />

hirta vorha n<strong>de</strong>n. Gentiana uema und Pulsatilla uulgaris mü sen hier je<strong>de</strong>nfalls als<br />

erl oschen gelten.<br />

Marbacher Immenberg. Ebenso ha ben die ehemals reichen, exten iv bewei<strong>de</strong>ten<br />

Magerrasen a uf <strong>de</strong>n H ä ngen und Dolomit-Kuppen zwischen Villingen und<br />

Marbach (Gewanne "Stallberg" , "Greit", " Bla ttsteig") ihre Vi elfalt weitgehend ei ngebüßt<br />

(REICHELT 2002). Lei<strong>de</strong>r ga nz verloren ist ein M agerrasen im Trockenta l<br />

zwis hen Villinger Berg und Stallberg, <strong>de</strong>r sich durch das Vorkommen von Gymna<strong>de</strong>l1ia<br />

col1opsea, Ophrys insectifera, Orchis 111ilitaris und Orchis mascula auszeichnete<br />

(ZII KE 1983, BI.18 ); er w ur<strong>de</strong> durch di e neue B 33 zerstört. Lediglich <strong>de</strong>r<br />

vom Ki efernanflu g bedrohte -H ang am Immenberg über <strong>de</strong>m Talbach, früher für<br />

Gentiana uerna und Pulsatilla uulgaris bekannt und 1983 mit über 10 Arten <strong>de</strong>r<br />

Roten Liste hoch bewertet (R EG. VERB.; r.] 32.2), hat ich bi lang mit Arten w ie<br />

Carex caryophyllea, Carlil1a acaulis, Centaurea scabiosa, Cirsiu111 acaule, Cirsiu111<br />

eriophorul11, Gentiana ciliata, Koeleria pyra111idata, Rhinanthus glacialis, einen<br />

bemerkenswerten Grundbe tand bewahrt. Die inzwischen (etwa 2005) vom Forstamt<br />

vorgenommene Enthurstung könnte bei extensiver Beweidung o<strong>de</strong>r Mahd<br />

diese chöne Fläche vor <strong>de</strong>m Untergang bewahren.<br />

en<br />

Kalk-Magerrasen im nördlichen Baaralb-Vorland<br />

Mühlhauser Hal<strong>de</strong><br />

Die sehr intere santen Magerrasen <strong>de</strong>r Mühlha user H al<strong>de</strong> sie<strong>de</strong>ln a uf Keuper, <strong>de</strong>ssen<br />

sämtliche Schichtglie<strong>de</strong>r an di esem Sonnenhang ve rtreten sind. Die Beziehungen<br />

zwi ehen Untergrund, Bewirtschaftung, Ero ion und entsprechend buntem<br />

Mu ter di e es " Pfla nze nteppichs" hat A. G. BEI ZI TG (1959/1960) erstmals dargestellt.<br />

Eingehen<strong>de</strong> Bestand a na lysen legten danach unabhä ngig voneinan<strong>de</strong>r M.<br />

R E! 'HEGGER (1985) und L. DOMDEy- Ku Z (1986) vor. Aber erst 1995 (!) wur<strong>de</strong><br />

die es gleichermaßen geomorpho logische, kulturgeschichtliche und vegetations-<br />

146


Längerfristige Ent icklungen<br />

kundliche Kleinod unter atursc hutz gestel lt (Abb. 9). Au <strong>de</strong>r Vielfa lt di eser Schafwei<strong>de</strong>,<br />

die vo m Liguster-Schlehengebüsch über H a lbtrockenra en (M esobrometen)<br />

und wechselfeuchte Fluren bis zu ga nzjährig sta unassen asswiesen reicht, seien<br />

hi er nur die Kalk-Magerrasen betrachtet. In Ta b. 7 wer<strong>de</strong>n da rum nur Vertreter <strong>de</strong>r<br />

Festuca-Brometea (Schwingel-Steppen und Trespenrasen) aufgeführt. Die Aufnahme<br />

von 2002 hat D . DA NERT bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Offenl andka rtierung (Bi otop- r.<br />

179163261042) erstellt. Die Besta ndsa ufnahme 2007 entstammt laufe n<strong>de</strong>n Begehungen<br />

durch L DOMDEy-KuNZ (Mitt. v. 24.9.07) und bedarf einer Erl äuterung,<br />

da ihre Beobachtungen eher <strong>de</strong>r Bestandsentwicklung a ls <strong>de</strong>r Vollständigkeit <strong>de</strong>r<br />

Artenliste galten. Danach sind d ie mi t Fragezeichen versehenen Arten nicht mehr<br />

ges ucht wor<strong>de</strong>n; die mit ,,:s" gekenn zeichneten Arten nehmen an M enge ab,<br />

während die mü ,, ++ " bezeichneten in merklicher Z unahme begriffen ind . Ergänzend<br />

bemerkt L DOMDEy-Ku Z, dass di e sonst nahezu ve rsc hollene Art Ophioglossum<br />

vulgare (Natternzunge) 2006 mit 30 Exemplaren im wechselfeuchten Bereich<br />

<strong>de</strong>s M agerrasens aufwartete. Zusa mmenfassend beurteilt sie die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Artenbesta n<strong>de</strong>s unter <strong>de</strong>m Einfluss <strong>de</strong>r extensiven Beweid ung durch Sch afe als<br />

a usge prochen positiv.<br />

M an wird BE ZI Gs Liste von 1960 sicher a ls unvollständig betrachten<br />

dürfen, zuma l sie nur allgemeiner naturkundlicher Unterrichtung diente. Seit 1985<br />

hat sich <strong>de</strong>mnach die Artenza hl zwar um 6 ge ringfügig ve rringert; doch sind dabei<br />

übersehene Exemplare und Fehlbe timmungen (z.B. Trifolium montanumrrrifolium<br />

medium?) ni cht ganz auszuschließen.<br />

Zu erwähnen ist auch die Kirchhal<strong>de</strong> bei Trossingen, ein M agerra en a uf<br />

Keuper, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Kartierung für <strong>de</strong>n Landschaft rahmenplan (R EG . VERB. 1983;<br />

r. 148) nur geringfü gig schlechter als di e Mühlhauser H a l<strong>de</strong> bewertet wur<strong>de</strong>, in<br />

<strong>de</strong>r O ffe nl andkartierung 1996 (M EL B-W ) in<strong>de</strong>ssen nur noch unter " H ecken und<br />

Feldgehö lze" erscheint.<br />

Magerrasen-Reste bei Aasen.<br />

Reiche Kalk-M agerrasen waren an <strong>de</strong>r nach Wund S exponi erten Keuper/Lias-Stufe<br />

weit ve rbreitet und a uch zwischen Bad Dürrheim und Donaue chingen sehr schön<br />

entwickelt. Beson<strong>de</strong>rs große Flächen lagen an <strong>de</strong>n H ängen bei Aasen.<br />

Die Sommerbal<strong>de</strong> am Aasener Ka pf wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r utzungs kartierung 19<strong>51</strong><br />

noch großflächig als M esobrometurn ausgewiesen. Sie trug Arten wi e Gentiana ciliata,<br />

Gentiana lutea, G. verna, j asione perennis, Phyteuma orbiculare und Tetragonolobus<br />

maritimus; hi er soll - so ein " Geheimtipp" - Anacamptis pyramidalis<br />

(Kammsten<strong>de</strong>I) gewachsen sein. Der Besta nd ist in zwischen aufge forstet und schon<br />

bei <strong>de</strong>r Kartierung für <strong>de</strong>n Landschaftsrahmenplan 1983 nicht mehr erhoben wor<strong>de</strong>n.<br />

Der Aasener Katzenrain wur<strong>de</strong> teilweise <strong>de</strong>r Bebauung geopfert; ein Rest<br />

erreichte bei <strong>de</strong>r Kartierung für <strong>de</strong>n Landscha ft rahmenplan (R EG. VERB. 1983; Nr.<br />

139) noch 8 Rote-Liste-Arten bei guter Ausprägung (4 von 5 Punkten) <strong>de</strong>r Gesellchaft.<br />

Bei <strong>de</strong>r Offenl andkartierung fand H UBER 1997 (Biotop- r.l801 732611023)<br />

vo n Fie<strong>de</strong>rzwenke dominierte M agerrasen-Reste, in <strong>de</strong>nen einige Kennarten nur<br />

noch vereinzelt vorkommen. Immerhin nennt er noch 4 Arten <strong>de</strong>r Roten Liste bzw.<br />

<strong>de</strong>r Vo rwa rnliste, nämlich Anthyllis vulneraria, Dianthus carthusianorum, Genti-<br />

148


ei Kalk-Magerrasen <strong>de</strong>r Baar<br />

ana ciliata und Prunella grandiflora. Als Gefahren für <strong>de</strong>n künftigen Bestand<br />

erkennt er te il weise Verbuschung und N utzungsaufgabe.<br />

"Roter Rain" bei pfohren<br />

An diesem nach W und SW geneigten Steithang <strong>de</strong>r Keuper/Lias-Stufe (Gewanne<br />

" GibeLn " und "Wannenspitz" ) wur<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r utzungskartierung 19<strong>51</strong>/52 ausge<strong>de</strong>hnte<br />

Mesobrometen kartiert. Noch 1976 trug er mit lockerem Gebüsch bestan<strong>de</strong>ne<br />

Mesobrometen, die für wenigstens 7 Kleinvogelarten und als Thermik för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Gelän<strong>de</strong>schwellen sehr wichtig waren (ZI KE & R EICHELT 1976: 24). Schon damals<br />

kündigte sich die Aufforstung mit a<strong>de</strong>lbaumkulturen an. An diesem Beispiel wird<br />

das Ausmaß <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen be on<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich. Ein Luftbild von 1973 (in D upKE<br />

1996) lässt noch große zusammen hängen<strong>de</strong> Flächen von M agerrasen erkennen, di e<br />

a llerdi ngs teilweise <strong>de</strong>r Ver buschung (dunkle Flecken) unterlagen. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Jahren erfo lgten Aufforstungen. Denn och konnten 1983 (R EG. VERß., N r. 210) noch<br />

5 Rote Liste-A rten und ein guter Zustand (4 von 5 P. ) <strong>de</strong>s M agerrasens notiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Luftbild von 1989 sind di e Magerrasen bis auf zwei größere Flächen und<br />

einige kleine Inseln, vorwiegend im Bereich <strong>de</strong>r Auffors-tung mit (schlechtwüchsigen)<br />

Laubbäumen, geschrumpft; insgesamt noch knapp 25 % <strong>de</strong>r urprünglichen<br />

Magerrasen-Fläche. Ein er Diplo marbeit von K. D UPKE (1996) sind zahlreiche<br />

Vegetati o nsa ufnahrnen zu verdanken, die <strong>de</strong>utlich machen, welche Artenvielfalt hier<br />

ursprünglich geherrscht hat und selbst noch 1996 in <strong>de</strong>n verbliebenen Inseln überdauert<br />

hatte. K. DUPK E notierte neben <strong>de</strong>r Grundausstattung mü Arten <strong>de</strong>r Kalk­<br />

Magerrasen folgen<strong>de</strong> bemerkenswerte Arten: Astragalus cicer, Avena pubescens,<br />

Allium oleraceum, Campanula glomera ta, Carlina acaulis, Carlina vulgaris, Epipactis<br />

helleborine (4 Ex), Dianthus carthusianorum, Galium pumilum, Melampyrum<br />

arvense, Phyteuma orbiculare. Mit Tetragonolobus maritimus (Spargelschote), die<br />

Verf. hier 1958 fotogra fi erte (Abb. 10), sind das immerhin mehr als 10 gefähr<strong>de</strong>te<br />

o<strong>de</strong>r schonungs bedürfti ge Arten <strong>de</strong>r " Roten Liste". Inzwischen ist <strong>de</strong>r Rote Rain<br />

in <strong>de</strong>r O ffenlandkartierung vo n 1997 nicht einmal eine eige ne Artenliste wert und<br />

wi rd nur im nö rdlichsten Teil als "Feld hecke und Feldgehölz" geführt.<br />

Kalk-Magerrasen in <strong>de</strong>r Baaralb (Jura)<br />

Hörnekapf/Klausener Tal<br />

Am unteren Waldsa um <strong>de</strong>s steil a us <strong>de</strong>m Kötachtal bis 900 m NN aufs teigen<strong>de</strong>n<br />

" H örnekapfs" liegt am Südhang, an <strong>de</strong>r Grenze zwischen Dogger und M alm, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Botani kern seit langem bekannte M agerrasen und erstreckt sich ostwärts ins<br />

Kl ausener Tal. Hier wachsen auf Malm (Impressa-Mergel) ungewöhnlich reiche<br />

Kalk-M agerrasen (Mesobrometum), einerseits im Kontakt mit Saumarten (Trifolio­<br />

Geranietea ) und solchen <strong>de</strong>r Ki efern-Steppenwäl<strong>de</strong>r (Erico-Pinetea), an<strong>de</strong>rerseits<br />

über (vom Malm ß abgerutschten) Kalkschutt mit Arten <strong>de</strong>r <strong>de</strong>alpinen Blaugras­<br />

H al<strong>de</strong> (Bromo-Sesleri etum).<br />

Z AH NS Liste ist fre ilich nur fragmenta ri sc h, doch enthält sein systematisches<br />

Verzeichnis weitere Arten für "Geisingen " (Gewährsmann Dr. SCHATZ), die in<br />

Tabelle 8 eingefügt wo rd en sind.<br />

149


agerras<br />

WrTSCHEL (1984 ) vermerkt außer<strong>de</strong>m: Asperula cynanchica, Gentiana germanica,<br />

Medicago falcata, Ononis repens, Polygala amarella, Potentilla heptaphylla,<br />

Stachys recta, Viola hirta.<br />

Zuletzt hat S. GILCHER 1996 <strong>de</strong>n Biotopkomplex für die Offenlandkartierung<br />

(Biorop. r. 1801 73270015) ana lys iert und nennt zusätzlich:<br />

Centaurea scabiosa, Pimpinella saxifraga, Rhinanthus glaäalis, Scabiosa<br />

columbaria Trifolium medium und Trifolium rubens.<br />

Mithin ist das Feh len einiger Arten in <strong>de</strong>r Tab. 8 wohl nicht auf Artenschwund<br />

zurückzuführen; vielmehr wer<strong>de</strong>n bei Bestands- o<strong>de</strong>r Vegetationsaufnahmen mit begrenzter<br />

ufnahmefläche je nach <strong>de</strong>ren Lage o<strong>de</strong>r Jahreszeit Arten gelegentlich<br />

über ehen. Auch di e Orchi<strong>de</strong>en sind noch vorhan<strong>de</strong>n, wie Foros <strong>de</strong>s Verf. zwi ehen<br />

1999 und 2004 (Abb. 11) ze igen (vgl. WITSCHEL in Reg. Präs. Freiburg 2004: 580 f),<br />

und im benachbarten Wildtal (Biorop- r.1801 73270022) fin<strong>de</strong>t . GIL HER 1998<br />

neben <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Orchi<strong>de</strong>en noch di e Bienen-Ragwurz. Derzeit lassen di e Bestand<br />

aufnahmen keine signifikante Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong> Artenbestan<strong>de</strong>s erkennen.<br />

Unter 16 Vegetationsaufnahmen von Cytiso-Pineten <strong>de</strong>r " Baarrasse" wird hier mit<br />

<strong>51</strong> Arten di e höchste Artenzahl (M ittel: 46) erreicht (WITSCHEL 1984), und die<br />

Besta ndsaufnahme von S. GILCHER zä hlt gar über 70 Pflanzena rten!<br />

Ein Teil <strong>de</strong>s Gebietes w ur<strong>de</strong> zunächst durch priva te Initiati ve ei ngezä unt und<br />

1962 unter aturschutz gestellt, Erwei terungen erfolgten 1983. Ur prünglich<br />

exten iv bewei<strong>de</strong>t, wur<strong>de</strong> ein Teil nach Zäunung zeitweilig durch Mitarbeiter von<br />

H. H ERRMA (SchwenDingen) und U. KR AFT (Kirchen-H a usen ) enthurstet.<br />

Inzwischen wird das Gelän<strong>de</strong> vom Pflegetrupp <strong>de</strong>s Regierungsprä idiums Freiburg<br />

ge mäht.<br />

Osterberg/Himmelberg<br />

Der Osterberg ist Teil <strong>de</strong>r Baar-Alb und erhebt sich zwischen Öfingen und Ippingen<br />

aus <strong>de</strong>m Amtenhauser Tal auf 925 m NN. Durch eine breite Einmuldung von ihm<br />

getren nt, steigt nördlich davon <strong>de</strong>r mit 940 m etwas höhere Himmelberg über<br />

Öfingen a uf. Wie <strong>de</strong>r Hörnekapf tragen bei<strong>de</strong> auf ihren Westhängen an <strong>de</strong>r Grenze<br />

Dogger/Malm rasendurchsetzte Wa ldsä ume von großer Arrenvielfalt.<br />

Die erste Artenliste von Z AH (1899) nennt nur 16 Arten <strong>de</strong>r Magerrasen im<br />

Sinne dieses Beitrags. Das wäre eine schmale Bezugsbasis. Umfangreicher ist di e<br />

Liste von R EICHELT (1972: 230 f), <strong>de</strong>r hier a uf 100 qm über 50 Arten notierte und<br />

28 davon a ufli stet (Ta b. 8) . Darin und in <strong>de</strong>r Aufnahme von 1993 sind die meisten<br />

<strong>de</strong>r bei ZAH l genannten Arten entha lten, ausgenommen Aquilegia vulgaris, Carex<br />

humilis, Crepis alpestris, Dianthus segueri, Teucrium montanum und Tofleldia<br />

calyculata. Es müssen aber nu r Alpen-Pippau und Simsenlilie als inzwischen erloschen<br />

gelten .<br />

Bei <strong>de</strong>r Offenlandkartierung (B iorop- r. 180173260080) fand D. DA NERT<br />

1993 im Magerrasen und am Waldrand weitere 15 Arten <strong>de</strong>s Grundbe tan<strong>de</strong>s kalkreicher<br />

Magerrasen, davon fe hl en <strong>de</strong>r (vo llständigen) Bestandsaufnahme <strong>de</strong>s Verf.<br />

von 1972 die folgen<strong>de</strong>n: Carex sempervirens, Galium boreale, Gentiana cruciata,<br />

G. gerl71anica und G. verna (wenige Exemplare!). Auch DANNEIn nennt etwa 50<br />

Arten, da runter 19 bedro hte bzw. solche <strong>de</strong>r Vorwarnliste.<br />

1<strong>51</strong>


Lä gerfristige Entwicklu<br />

Abb. 12: Himmelberg, artenreicher wechselfeuchter Magerrasen mit Aufrechter Trespe<br />

(Bromus erectus), <strong>de</strong>r seltenen Knollen-Kratzdistel (Cirsium tuberosum), Kleinem Fuchs<br />

und Distelfalter (2004).<br />

Abb. 13: Zizibuck/Hondingen, Frühlings-Aspekt mit Küchenschelle (1999)<br />

(Fotos: G. Reichelt).<br />

152


d aar<br />

1972 1993<br />

AnthyLlis vulneraria (Wundklee)<br />

Aster bellidiastrum (Alpen-Maßlieb)<br />

Buphthalmum salicifolium (Rind a uge) +<br />

Bupleurum longifolillll1 (La ngblä rtr. H aseno hr)<br />

Campanula persicifo lia (Pfir ichblä ttr. G lockenblume) +<br />

Cardus <strong>de</strong>floratus (Alpen-D istel)<br />

Carlina vulgaris (Silberdistel) +<br />

Gentiana lutea (Gelber Enzia n) +<br />

Gerallium sanguilleum (Blut-Storchschna bel) +<br />

Gymna<strong>de</strong>nia collopsea ( lücken-H a ndwurz) +<br />

Gymna<strong>de</strong>nia odoratissima (Wo blriech. H andw urz)<br />

Heliallthemum Ilummularil/rn (Sonnenröschen) +<br />

Inula salicina (Wei<strong>de</strong>n-Ala nr) +<br />

Listera o/Jata (Großes Zweiblatt) +<br />

Orchis militaris (H elm-Kna benkraut)<br />

Origanum vulgare (Dost) +<br />

Phyteuma orbiculare (Kugel-Rapunzel) +<br />

Platanthera bifolia (Weiße Wa ld hyazinrhe) +<br />

Polygala. chamaebuxus (Buchs-Kreuzblume)<br />

Polygala comosa (Scho pf-Kreuzblume)<br />

Pulsatilla /Julgaris (Küchenschelle)<br />

Rhinanthus glacialis (Schmalblättr. Kl a pperto pf) +<br />

Sanguisorba minor (Klei ner Wi esenkno pf) +<br />

Tanacetum corymbosum (Dol<strong>de</strong>n-Wucherblu me)<br />

Tetragonolobus maritimus (Spa rgelschote) +<br />

Thlaspi m ontanul11 (Berg-H ell erkra ur) +<br />

Trifolium montanum (Berg-Klee) +<br />

Verollica teucriulII (Großer Ehrenpreis) +<br />

Tab. 9: OsterbergjWesthang; Artenliste 1972 (Verf.) und 1993 ( D ANNERT).<br />

Wenn trotz<strong>de</strong>m 1993 merk lich wen iger Arten als 1972 noti ert wur<strong>de</strong>n, so ist<br />

das überwiegend auf in zwischen erfo lgte Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r utzung zurückzuführen.<br />

DA ERT bemerkt a usdrückli ch, dass dieser Biotopkomplex stark durch di e<br />

An lage von W ildäckern beeinträchtigt, gestört, teil weise soga r vernichtet ist und<br />

einer eies Kulturarten an<strong>de</strong>rerseits ve rmehrt Sa umarten a ufweist.<br />

Hier und am Wes thang <strong>de</strong>s Himmelbergs erfahren di e M agerrasen eine interes<br />

ante Bereicherung durch eine wechselfe uchte Va ri ante, in welcher in beson<strong>de</strong>re<br />

die schönen Bestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kno llen-Kratzdistel (Cirsium tuberosum) a uffallen<br />

(Abb. 12), in <strong>de</strong>nen aber auch Si/aum si/aus und Succisa pratensis anzutreffen sind.<br />

Weitere Stellen<br />

Hondinger Ziziberg. Das kleine, knapp 2 ha große aturschutzge biet ist insbeson<strong>de</strong>re<br />

wegen seines Reichtums an Berg-H ellerkraut, Buchs-Kreuzblume und Küchenschelle<br />

(Ab b. 13) hervorzu heben (R EICH ELT 1972: 238, W ITSCHEL in R EG. P RÄS .<br />

F REIBURG 2004: 543 f). D ie Biotopka rtierung für <strong>de</strong>n Landschaftsrahmenplan ( R EG .<br />

153


Längerfristige Entwicklu<br />

VERB. 1983; N r. 227) zä hlt rund 20 R o te- Liste-Arten; M. WIT HEL gibt die Z a hl<br />

<strong>de</strong>r Rote Liste-Arten sogar mit 40 a n, da runter die seltene (Kl ein e) Spinnen-Ragwurz<br />

(Ophrys araneola) . Die letzte voll tä ndige Bestandsa ufna hme erstellte D.<br />

D A lNERT 1994 für di e Offenl andkarti erung (Biotop- r. 1811 73260189) und<br />

belegte mit über 60 Pfla nzenarten <strong>de</strong>n reichen Artenbestand, weist a ber a uch a uf<br />

die Gefä hrdung durch " Orchi<strong>de</strong>en freun<strong>de</strong>" hin, <strong>de</strong>ren Trampelpfa<strong>de</strong> zu ihren<br />

bevorzugten O bjekten er als ernste Belastung ein tuft.<br />

Bill ibuck. Dieser Ausli egerberg we tlich von Riedböhringen trägt a uf sein em<br />

Südha ng ein en sehr interessanten, seit 1992 ebenfa lls als a turschutzgebiet a usgew<br />

iesenen Ka lk-M agerrasen. Die Bio to pka rtierung für <strong>de</strong>n La ndschaftsdra hmenpla n<br />

(R EG. VERB. 1983; r. 2 18) no ti erte r und 20 Ro te- Li ste-A rten. W ITSCHEL (R EG.<br />

PRÄS. FREIBURG 2004: 527) nennt beson<strong>de</strong>rs Kalk-Aster, Berg-Leinblatt (Thesium<br />

bavarum) und Breitblä ttriges Laserkra ut und bemerkt, das sich die utzung a ufgabe<br />

eher fö r<strong>de</strong>rlich a uf di e za hlreich vork ommen<strong>de</strong>n Orchi<strong>de</strong>en, Enzian-Arten,<br />

Küchenschell e, Berg-Gama n<strong>de</strong>r (Teucriul11 montanu111), Ku gelblume und Er<strong>de</strong>gge<br />

a usgewirkt ha be. Ein e Besta ndsa ufna hme lieferte zul etzt D AN ERT 1996<br />

(MEL. B-W., Bioto p-Nr. 18 11 73260078) mit 57 Pha nerogamen-Arten, 0 dass ein<br />

merklicher Artenverlust ka um eingetreten sein dü rfte.<br />

Buchberg. Beson<strong>de</strong>rs erwähnen wert ist schließli ch di e ä ußerste Ba ti on im SW<br />

<strong>de</strong>r Baaralb, <strong>de</strong>r Buchberg über Blumberg, <strong>de</strong>ssen Südba ng beson<strong>de</strong>rs reiche M agerra<br />

en und Arten <strong>de</strong>r yti so-Pineten a ufweist. REICHELT (1972: 244) nennt für<br />

<strong>de</strong>n Buchberg stell vertretend rund 20 Arten, da runter Cytisus nigricans - hi er a n<br />

seiner Westgrenze! - , Buphthalmum salicifolia, Gentiana lutea, O rchis mascula,<br />

Orchis mo rio, Orchis ustulata und Trifo lium montanum. Hier fa nd die Ka rtierung<br />

für <strong>de</strong>n La ndschaftsra hmenplan (R EG. VERB. ] 983, r. 232.1) rund 30 Rote Liste­<br />

Arten. Die O ffe nlandka rtierung (Bi oto p- r. ] 8 ] 173260085) bestä ti gte 1996 alle<br />

o ben genannten Arten, und D A NERT fin<strong>de</strong>t a ußer<strong>de</strong>m Anaca111ptis pyramida lis,<br />

Carex hU111ilis, Dianthus segueri, Gentiana germanica, G. ciliata, Globularia punctata<br />

und O rchis militaris. M it rund 60 Arten vo n Blütenpfla nzen und rund 25<br />

Arten bedrohter Geradflügler und chmerrerlinge gehört a uch dieser, in zwischen<br />

zum a rurschutzgebiet vorge ehene M agerrasenko mple zu <strong>de</strong>n reichsten und<br />

bestä ndigsten <strong>de</strong>r Regio n.<br />

Bewertung und Ausblick<br />

Die Bewertung <strong>de</strong>r Entwicklung fo lgt zwei Gesichtspunkten: Einma l gehö ren die<br />

Ka lk -M agerrasen und ihre ökologisch benachba rten Gesell scha ften <strong>de</strong>r Säume und<br />

Kiefern-Steppenwäl<strong>de</strong>r - zusa mmen mit <strong>de</strong>n o ligotro phen Mooren - zu <strong>de</strong>n am<br />

tä rk ten gefähr<strong>de</strong>ten Pfla nzen fo rmati o nen in Deutschl a nd ( KOPP er a l. 1978:<br />

83 ff) . 20 % <strong>de</strong>r ve rscho ll enen und gefähr<strong>de</strong>ten Arten a ller Sta ndo rte wach en hi er,<br />

und ni cht weniger als 4 1 % a ller in di eser Fo rma tion vorkommen<strong>de</strong>n Pflanzen geIten<br />

a ls gefähr<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r scho n ve rscho llen (ebd.: 88). Daher ist ih r Erhalt und Schutz<br />

eigentlich ein e selbstve rstä ndliche ethische Verpflichtung. Und da di ese Rasen erst<br />

durch frühere, extensivere Wirt chaft weisen <strong>de</strong>s M enschen ihre, di e La ndscha ft<br />

prägen<strong>de</strong> Aus<strong>de</strong>hnung erreicht ha ben, bedürfe n sie mithin a uch weiterhin<br />

bestimmter Pflege.<br />

154


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Florenwan<strong>de</strong>l im Schwenninger Moos -<br />

Än<strong>de</strong>rungen im Arteninventar<br />

eines gestörten Moorkomplexes<br />

Einleitung<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 159 - 172<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Markus Rö hl & R einhard Böcker<br />

Die Zentren wach en<strong>de</strong>r H ochmoore gehören zu <strong>de</strong>n a rtenä rmsten Ökosystemen<br />

Mitteleuropas. Allerdings bieten die Moore im Randgehä nge, im Randlagg und in<br />

<strong>de</strong>n Anmoorbereichen einer Vi elzahl von Arten Lebensrä ume. Durch anthropogene<br />

Störungen können sich zusätzlich Arten in Moorkomplexen ansie<strong>de</strong>ln und<br />

dadurch die Diversitä t dieser Gebiete erhö hen (POSCHLOD 1990, SCHUCKERT et a l.<br />

1992).<br />

Die M oore Südwe t<strong>de</strong>ut chl ands sind größtenteils durch To rfa bba u, Meli ora<br />

ti o n, land- und fo rstwirtschaftliche Nutzung sta rk beeinträchtigt (GÖTTLICH<br />

1990). Die meisten Moore unterli egen nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s To rfa bba us bzw. Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

I utzung einem starken Vegetati on wan<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n na tür lichen tufl1 -over<br />

eines nicht gestö rten M oores weit hina usgeht. Am Beispiel <strong>de</strong> Schwenninger Mooses<br />

soll gezeigt wer<strong>de</strong>n, wie sich die Flo ra ein es gestö rten ehema ligen H ochmoores<br />

verän<strong>de</strong>rt ha t und welche Arrengruppen davon beson<strong>de</strong>rs betroffen sind.<br />

Das Sc hwenninger Moos ist ein e <strong>de</strong>r a m besten untersuchten Moore Südwest<strong>de</strong>utschla<br />

nd . Erste Angaben über die Vegetation und Flora <strong>de</strong>s Gebietes gehen<br />

auf RÖSLER (1788) zurück . 1m 20. Ja hrhun<strong>de</strong>rt beschä fti gten sich vor a llem SCHLEN­<br />

KER (1908), GÖRS (1968) und PHI LIPPI (1968) intensiver mit <strong>de</strong>m Schwenninger<br />

Moos. Von diesen Autoren liegen zum Teil kommentierte Gesamtanenlisten vor.<br />

DI ERSSEN & DI ERSSE (1984) und I RSSLI GER (1980) untersuchten Vegetatio n lllld<br />

Flora. M A 55 (1953) und KOPPE (1966) machten zusätzlich Angaben über Moosvorkommen.<br />

Ferner konnten un veröffentlichte Angaben von KR ETZSCHMA R & Bo ­<br />

GEI SCHÜTZ (1994) sowie FLI NTROP (münd!. Mitteilung 2001 ) verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Zwischen 1997 und 2001 erstellte das Institut für La nd chafts- und Pflanzenöko<br />

logie <strong>de</strong>r Universität H o henheim ein e Pla nung zur Rena turierung <strong>de</strong>s<br />

Gebietes (BÖCKE R et al. 2001). Im Ra hmen dieser Planung erfolgte unter an<strong>de</strong>rem<br />

eine <strong>de</strong>ta illierte Erfassung <strong>de</strong>r Gefäßpflanzen. Somit liegen Artenlisten von 1908,<br />

1968 und 2001 vor, welche die Ba sis <strong>de</strong>r vorli egen<strong>de</strong>n Untersuchung da rstellen.<br />

Untersuchungsgebiet<br />

Das Schwenninger M oos befin<strong>de</strong>t sich im oberen I eckar-Wutach-Hochla nd a uf <strong>de</strong>r<br />

Baa rh ochmul<strong>de</strong> im Schwarzwald-Baar-Krei (BENZING 1968). Der Torfkörper umfas<br />

t ca. 80 ha Torflager und ca. 30 ha Anmoorflächen. 97 ha diese Gebietes sind<br />

a ls Natur churzgebier a usgewiesen.<br />

Die Zerstörung <strong>de</strong>s Moo res begann 1746 durch die pl anmäßige Abtorfung a uf<br />

<strong>de</strong>r Schwenninger Gemarkung. Damals betrug die durchschnittliche Mächtigkeit<br />

159


Floren an<strong>de</strong>l<br />

<strong>de</strong>r To rfl agerstätte 4,5 m. An <strong>de</strong>r tiefsten Stell e maßen d ie Torfe 6,3 m (RÖSLER<br />

1788). Das Moor wur<strong>de</strong> mehrfach flächig a bgetorft, sodass die ursprüngliche<br />

Mooroberfläche nicht mehr vorha n<strong>de</strong>n ist. Das Moor ist heute im Durch chnitt<br />

1,5 bis 2 m mächtig. Es ka nn davon a usgegangen wer<strong>de</strong>n, dass etwa die H älfte <strong>de</strong>r<br />

Gesamtl agerstätte abgetorft wur<strong>de</strong>. Der Abbau en<strong>de</strong>te a uf <strong>de</strong>r württembergischen<br />

Gemarkung im Jahr 194 7, a uf badischer Seite etwas später (5 HÖ AMSGRUBER<br />

1968).<br />

An ve r chi e<strong>de</strong>nen Stellen im Moor sind Grundwa eraustritte a us <strong>de</strong>m li egen<strong>de</strong>n<br />

Gipskeuper o rha n<strong>de</strong>n, die zu einer a ußergewöhnlichen hydrochemischen<br />

Situation führen . So sind in <strong>de</strong>m ansonsten mäßig sauren bis sauren Moor lokal<br />

Bereiche vorhan<strong>de</strong>n, die ich durch ho he elektri ehe Leitfä higkeitswerte (bis zu<br />

2.500 pS/cm) und subneutrale bis neutrale pH-Werte a uszeichnen (RÖHL et a l. 2000).<br />

Entwicklungs- und Nutzungsgeschichte<br />

Zu Zeiten von SCHLENKER, <strong>de</strong>r die erste a usführliche Beschreibung <strong>de</strong>s Gebiete lieferte,<br />

wa r <strong>de</strong>r weita us größte Teil <strong>de</strong>s M oores noch aktiv im Abbau begriffen bzw.<br />

noch nicht vollständig a bgeto rft. Dama l w ur<strong>de</strong>n di e Anmoorbereiche, die größtenteils<br />

zum Abla<strong>de</strong>n und Trocknen <strong>de</strong>r Torfso<strong>de</strong>n genutzt wur<strong>de</strong>n, regelmäßig mit<br />

Schafher<strong>de</strong>n bestoßen (S HLE 'KER 1908). Auf <strong>de</strong>n bo<strong>de</strong>n a uren Standorten entwickelten<br />

sich gut ausgebil<strong>de</strong>te Bo rstgrasrasen . Das M oor war weitgehend frei von<br />

Gehölzen, unterschied lich a lte Sukzes io nsstadien <strong>de</strong>r To rfstiche dominierten. Offene<br />

Wasserfl ächen waren vor a ll em in <strong>de</strong>n Gräben vorhan<strong>de</strong>n. [m Übergang zum<br />

Anmoorbereich waren Streunutzung und einschürige Mäh<strong>de</strong>r etabliert. Auf <strong>de</strong>n<br />

höher gelegenen Flächen w ur<strong>de</strong> vor a llem Ackerbau betrieben.<br />

Abb. 1: Das Sumpfblutauge (Comarum palustre) hat im Schwenninger Moos seinen Verbreitungsschwerpunkt<br />

in <strong>de</strong>n Röhrichten <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong> rvernässungszone (Foto: M. Röhl).<br />

160


Z w ischen <strong>de</strong>n Weltkriegen w ur<strong>de</strong> das M oor für die Besucher durch einen<br />

Rundweg erschlossen . Dieser Weg be teht a us einem mas iven Da mm, <strong>de</strong>r a u<br />

unterschi edlichen minera lischen Substraten a ufgebaut ist. Stellenweise wur<strong>de</strong>n im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Fundamente Ka lksteinschotter verwen<strong>de</strong>t.<br />

ach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Torfa bba us setzte relativ schnell die Gehölzs ukze ion ein .<br />

Scho n in <strong>de</strong>n 1960er Jahren waren 25 % <strong>de</strong>r Fläche durch Gehölze bes ie<strong>de</strong>lt.<br />

Die e Entw icklung w ur<strong>de</strong> durch di e Anl age von Fichtenforsten innerha lb <strong>de</strong><br />

Schutzgebi etes gefö r<strong>de</strong>rt. In <strong>de</strong>n M oorra ndgebieten wur<strong>de</strong>n Sportplä tze und<br />

Verkehrs tra sen geba ut und somit das ehemalige Wasserein zugsgebiet <strong>de</strong>s M oores<br />

beschnitten (BÖCKER et a l. 2001 ).<br />

In neuerer Z eit entwickelten sich entlang <strong>de</strong>s Rundweges geschlo sene und<br />

rela ti v dunkle M oorbirken-Fichten-Wä l<strong>de</strong>r. Im Z entrum <strong>de</strong> M oores entsta nd zu<br />

Beginn <strong>de</strong>r 1980er Ja hre durch An ta umaßnahmen ein e große WasserHäche mit<br />

a u ge<strong>de</strong>hnten Rö hrichtbestän<strong>de</strong>n.<br />

Florenverän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Gefäßpflanzen<br />

Methodik<br />

Um die Gebietsabgrenzungen von SCHLENKER (1908), GÖRS (1968) und IRSSLl GER<br />

(1980) zu berücksichtigen, umfasste das untersuchte Gebiet neben <strong>de</strong>m aturschutzgebiet<br />

die vermoorte Taln ie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kugel- und Salinenmoose owie <strong>de</strong>n<br />

Fichtenfo rst a m Hannenberg. Dadurch ist die untersuchte Gesamtfläche um etwa<br />

60 ha g rößer a ls das Taru rschutzgebiet und umfasst ca. 157 ha.<br />

N icht berücksichtigt ind di e angrenze n<strong>de</strong>n la ndwirtschaftlichen Nutzfläch en,<br />

da es ni cht mögli ch wa r, di e von S HLE KER (1908) und GÖRS (1968) untersuchten<br />

Ackerflächen abzugrenzen. Die für diese Fl ächen a ufgeführten Pfla nzenarten<br />

wur<strong>de</strong>n in di e Bil anzierung ni cht einbezogen.<br />

Die omenklatur <strong>de</strong>r Gefäßpfl a nzen richtet sich nach BUlTLER & H ARMS<br />

(1998). Die Arten, die SCHLE KER (1908) als verscho ll en erwähnte, wur<strong>de</strong>n unter<br />

<strong>de</strong>n Anga ben von 1908 zu a mmengefasst, um sie mit einbeziehen zu kö nnen.<br />

Zur Aufschlüsselung <strong>de</strong>r Verbreitungsschwerpunkte w ur<strong>de</strong>n die Angaben <strong>de</strong>r<br />

verschi e<strong>de</strong>nen Autoren zu <strong>de</strong>n Fundorten a usgewertet. nie jeweiligen Arten wer<strong>de</strong>n<br />

nicht nach <strong>de</strong>r syntaxono mischen Stellung (O SERDORFER 2001) eingestuft, son<strong>de</strong>rn<br />

entsprechend ihrem ta tsächlichen Vo rko mmen im Schwenninger M oos.<br />

Die Klassifika tio n <strong>de</strong>r Vegeta ti o nseinheiten erfo lgte nach <strong>de</strong>n spezifischen Verhä<br />

ltnissen .innerha lb <strong>de</strong>s Naturschutzgebietes. So wu r<strong>de</strong> zum Beispiel nicht zwischen<br />

M agerrasen basenreicher und basen armer Sta ndo rte unter chi e<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Anmoorbereichen<br />

wechselt di e Basenverfüg ba rkeit in Abhä ngigkeit <strong>de</strong>r M ächtigkeit<br />

<strong>de</strong>r humosen Oberbö<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>m liegen<strong>de</strong>n Gipskeuper sehr kl einrä umig, odass<br />

ein e Differenzierung <strong>de</strong>r Verbreitungsschwerpunkte in di esem Fa ll nicht ein<strong>de</strong>utig<br />

gewesen wä re (vgl. Popp et a l. 2006).<br />

Die Vegetati o nseinhei t Rumex aquaticus- ie<strong>de</strong>rmoor bezieht sich a uf Flächen<br />

im nördlichen Teil <strong>de</strong>s Schutzgebietes, in <strong>de</strong>nen wenige Hochsta u<strong>de</strong>n, wi e Rumex<br />

aquaticus (Wasser-Ampfer), Cirsium palustre (Sumpf-Kratzdistel) und Ange/ica<br />

sylvestris (Wald-Engelwurz) do minieren. N eben diesen H ochstau<strong>de</strong>na rten sind<br />

16 1


Flo enwan<strong>de</strong>l<br />

ei ne Vi elza hl von Feuchtgrünl a nd-, ie<strong>de</strong>rmoor- und Röhrichtarten vorh a n<strong>de</strong>n. Der<br />

im Schwenninger M oos weitverbreitete Vegetation typ ist pfla nzensoziologisch<br />

schw ierig einzuordnen (vgl. PHILIPPI 1992).<br />

Bei einzeln en Arten war eine Z uo rdnung zu ein er be timmten Vegetationseinhei<br />

t nicht möglich. Diese Arten w ur<strong>de</strong>n unter " onstige" a ufgeführt.<br />

Ergebnisse<br />

Gesamtartenzahlen<br />

Der Vergleich <strong>de</strong>r Anga ben von S HLE KER (1908) und G RS (1968) mit <strong>de</strong>n<br />

a ktuellen Artenza hl en erbrachte ein en kontinuierlichen Anstieg <strong>de</strong>r Artendiversität<br />

in einem Zeitra um von knapp 100 Jahren (Ta b. 1).<br />

Der Artena nstieg spiegelt <strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>n Sukzessionsverl a uf nach Beendigung<br />

<strong>de</strong>s To rfa bba us wi<strong>de</strong>r sowie die umfassen<strong>de</strong>n Verä n<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>n Moorrandbereichen<br />

und im M oorze ntrum.<br />

Gesamta rtenza hl eophyten Verwil<strong>de</strong>rungen<br />

+ Ansa lbungen<br />

SCHLENKER 1908 272 0 2<br />

G RS 1968 355 4 8<br />

BÖCKER et a l. 2001 402 6 3 1<br />

Tab. 1: Gesamtartenzahlen <strong>de</strong>r Gefäßpflanzen im Schwenninger Moos<br />

sowie <strong>de</strong>ren Einstufung und Herkunft (Erläuterungen im Text).<br />

Inzwischen verän<strong>de</strong>rt sich di e Anza hl <strong>de</strong>r Gefäßpfl anzenarten a uch durch<br />

Pfla nzungen und Verwil<strong>de</strong>rungen. Diese Fa ktoren, di e a nsonsten in M ooren n ur eine<br />

untergeordnete Ro lle spielen, si nd durch die Stadtnä he und di e Erschließung <strong>de</strong>s<br />

Gelän<strong>de</strong> durch einen Rundweg erkl ärba r. In Ta b. 1 ist die Anzahl <strong>de</strong>r verwil<strong>de</strong>rten<br />

Arten, <strong>de</strong>r eophyten sowie <strong>de</strong>r gepflanzten Arten a ufgeführt. Bei <strong>de</strong>n verwil<strong>de</strong>rten<br />

Arten ha n<strong>de</strong>lt es sich vor allem um Ga rtenflüchtlinge, di e sich inzwischen im<br />

Untersuchungsgebiet eta bliert ha ben. Die Unterscheidung von verwil<strong>de</strong>rten Arten<br />

und gepfla nzten Arten ist nicht immer ein<strong>de</strong>utig, da ein Teil <strong>de</strong>r a ngesalbten bzw.<br />

k ultivierten Arten sich inzwischen im Gebiet a usbreitet. Für a ngesalbte bzw.<br />

gepfla nzte Arten wur<strong>de</strong>n nur Anga ben übernommen, die von SCHLENKER (1908)<br />

und Görs (1968) entsprechend be chrieben wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Pflanzung in jüngerer<br />

Zeit belegt ist.<br />

Auf Ansalbungen im M oorzentrum gehen die Vo rkommen von Iris pseudacorus<br />

(Gel be Schwertlilie) und Menyanthes trifoliata (Fieberklee) zurück. Bei <strong>de</strong>r<br />

euanl age von Stillgewässern im Nordwesten <strong>de</strong>s aturschutzgebietes w ur<strong>de</strong>n<br />

außer<strong>de</strong>m Sagittaria sagittifolia (Pfe ilkra ut), Butomus umbellatus (Schwanenblume),<br />

N ymphaea alba (Weiße Seerose) und Carex vulpina (Fuchs-Segge) s. I. eingebracht.<br />

ach GOlTSCHLICH (1996) und KLEI STEUßER & W OLFF (1998a) sind die<br />

Vorkommen von Hieracium aurantiacum (Ora ngerotes H a bichtskraut) in <strong>de</strong>n<br />

M agerrasen und das Auftreten von Stratiotes aloi<strong>de</strong>s (Krebsschere) im euen<br />

162


M oo weiher ebenfa lls ni cht a ls indigen zu bezeichnen. All erdings sin d di e<br />

Vorkommen von Hieracium aurantiacum schon seit SCHLE KER (1908) in <strong>de</strong>n<br />

M oorra ndbereichen belegt. Als eophyten in <strong>de</strong>n Gewässern und Rö hrichten haben<br />

sich inzwischen Lemna turionifera (Rote Wasserl inse) und Mimulus guttatus<br />

(Gauklerblume) eta bliert. Das Vorkommen von Elo<strong>de</strong>a cana<strong>de</strong>nsis (Kanadische<br />

Wasserpest) a us <strong>de</strong>n 1960er Ja hre n ist inzwischen erloschen. In <strong>de</strong>n H ochmoorinitia<br />

len, <strong>de</strong>n Bruchwäl<strong>de</strong>rn und ie<strong>de</strong>rmoorgesell chaften sind keine eophyten<br />

und Gartenflüchtlinge vertreten.<br />

Verbreitungsschwerpunkte<br />

Der heutige Schwerpunkt <strong>de</strong>r Artendi ve rsität li egt <strong>de</strong>utlich innerha lb <strong>de</strong>r W äld er<br />

und Gebüsche. Dies <strong>de</strong>ckt sich mit <strong>de</strong>r Vi elza hl unterschiedlicher Wa ld - und Gebüschstadien,<br />

di e inzwischen im Gebiet vorhan<strong>de</strong>n sind und <strong>de</strong>m heutigen hohen<br />

Flächenanteil <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r von 42 % .<br />

Ein weiterer Dive rsitätsschwerpunkt liegt in <strong>de</strong>n G rünla ndflächen a ußerhalb<br />

<strong>de</strong>s eigentlichen M oor zentrums. Vo r a llem di e M agerrasen wer<strong>de</strong>n nach wie vor von<br />

ein er Vielzahl cha rakteri sti scher Arten besie<strong>de</strong>lt, o bwohl die lange Brachezeit ein<br />

Sinken <strong>de</strong>r An za hlen nach 1968 verursacht hat (Abb. 3) . All erdings ist entlang <strong>de</strong>r<br />

Schaftriebwege eine geringe Anza hl von Arten neu gefun<strong>de</strong>n bzw. wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckt<br />

wor<strong>de</strong>n, w ie Trifolium ochroleucon (B la sgelber Kl ee) (vgl. KR ETzs HMAR &<br />

BOGENSCHÜTZ 1994 ), Galium boreale ( ordi sches La bkra ut), Veronica teucrium<br />

(G roßer Ehrenpreis), Phyteuma orbiculare (Ku gelige Teufelskra lle, Abb. 2) und<br />

Gentiana ciliata (Gefra nster Enzia n ).<br />

Abb. 2: Die trockenen Moorrän<strong>de</strong>r weisen im Schwenninger Moos einen Schwerpunkt<br />

<strong>de</strong>r Artendiversität auf. Die kugelige Teufelskralle kommt in nur wenigen Exemplaren am<br />

Ostrand <strong>de</strong>s Moores vor (Foto: M. Röhl).<br />

163


Hinter <strong>de</strong>n häufigen ennungen "Sonstige" verbergen sich vor allem Arten,<br />

die eine sehr weite Verbreitung im Schwenninger Moos besitzen und <strong>de</strong> halb nicht<br />

ein<strong>de</strong>utig ein em Biotoptyp zugeordnet wer<strong>de</strong>n konnten, wie z. B. das Pfeifengras<br />

(Molinia caentlea S.stL) und di e Moor-Birke (Betula pubescens).<br />

Wenig verän<strong>de</strong>rt sind die Artenzahlen <strong>de</strong>s "nördlichen Nie<strong>de</strong>rmoores" und <strong>de</strong>r<br />

Wasserflächen. Beid e Einheiten unter chei<strong>de</strong>n sich jedoch erheblich in <strong>de</strong>r standö<br />

rtlichen Dyna mik (vgl. unten).<br />

eu a ufgetretene Arten fan<strong>de</strong>n sich vor allem in <strong>de</strong>n inzwischen dicht<br />

geschlo senen Wäl<strong>de</strong>rn entlang <strong>de</strong>s Rundweges. Vo n 68 neu angetroffenen Arten<br />

wur<strong>de</strong>n 35 in <strong>de</strong>n verschi e<strong>de</strong>nen Gehölzstadien gefun<strong>de</strong>n. Hier dringen inzwischen<br />

Fageta lia-Arten in di e Birken-Wa ldkiefern-Moorwäl<strong>de</strong>r ein . eben Quercus robur<br />

(Sti eleiche) sind mittlerweile a uch Abies alba (Weißtanne) und Fagus sylvatica (Rotbuche)<br />

a ls juvenile Individuen hä ufig. In <strong>de</strong>r Kra ut chi ht treten Arten wie Polygonatum<br />

verticillatul11 (Quirl blättrige Weißwurz), P. multiflorum (Vielblütige<br />

Weißwurz), Dryopteris filixmas (Gewöhnlicher Wurmfa rn ) und Sanicula europaea<br />

(Wa ld-Sa nikel) auf.<br />

Von <strong>de</strong>n 82 nicht mehr bestätigten Arten wer<strong>de</strong>n neun Angaben in <strong>de</strong>n Bän<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Farn- und Blütenpflanzen Baclen-Württembergs angezweifelt bzw. nicht berücksichtigt,<br />

darunter die von Schlenker a ufgeführten alix starkeana (Bleiche Wei<strong>de</strong>)<br />

(Q UIJ GER 1993) Ranunculus aquatilis (Gewöhnlicher Wasserha hnenfuß s. tr.)<br />

( EBEL 1993), Carex serotina (Späte Gelb- egge) (SEBALD 1998) und Potamogeto11<br />

polygonifolius (Stumpfblä ttrige Laichkraut) (KLEI TEUBER & WOLFF 1998b). Die<br />

ngabe von Rubus chamaem orus (Moitebeere) durch Rö LER (1788) wird von <strong>de</strong>n<br />

utoren, die über das chwenninger ]\I100s geschrieben ha ben, unterschiedlich bewer-<br />

Wäl<strong>de</strong>r/ Gebüsche<br />

Magerrasen<br />

Sonstige<br />

Grünland<br />

Wegrän<strong>de</strong>r<br />

Röhrichte<br />

"R. aquaticus- Nie<strong>de</strong>rmoor"<br />

Schlamm und Torf I I<br />

Wasserflächen<br />

Hochmoorinitialen I<br />

I<br />

Gipskeuperq uellen<br />

o 10 20 30 40 50<br />

I<br />

1<br />

I<br />

I<br />

Anzahl<br />

Abb. 3: Artenzahlen höherer Pflanze n im Schwenninger Moos,<br />

getrennt nach Vegetationseinheiten.<br />

164<br />

I<br />

I<br />

I I<br />

I<br />

I _ 2001<br />

I<br />

0 1968<br />

0 1908 I<br />

60 70 80 90


tet. Während GÖRS (1968) und DI ERSS E & DIERSSEN (1984 ) <strong>de</strong>r A uffassung von<br />

BERTSCH (1926) folgen und das Vorkommen anzweifeln, bezeichnet WEBER (1992) die<br />

Angabe als glaubwürdig und führt <strong>de</strong>n fossilen achweis von Betula nana (Zwerg­<br />

Birke) in <strong>de</strong>n Torfen <strong>de</strong>s Schwenninger Mooses durch STARK (1912) als Indiz an.<br />

Die M ehrza hl <strong>de</strong>r verschwun<strong>de</strong>nen Arten kam in <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n Magerrasen<br />

vor (25 Arten). Vo r a llem Beweidungszeiger und Arten mit strenger Bindung an<br />

Magerrasen sind inzwischen ve r chw un<strong>de</strong>n . icht mehr bestätigt wer<strong>de</strong>n konnten<br />

nach 1968 neben Arnica montana (Arnika), Orchis morio (Kleines Kna benkraut),<br />

Antennaria dioica (Katzenpfötchen) a uch Enzian-Arten wie Gentiana verna (Frühlings-Enzian)<br />

und Gentianella germanica (Deutscher Enzian) sowie eine Reihe von<br />

H ieracium-Arten.<br />

Aus <strong>de</strong>m i\!loorzenrrum ver chwan<strong>de</strong>n vor allem Arten, di e empfindlich a uf<br />

Wasserstandsschwankungen reagieren. So fehlen heute neben Betula humilis<br />

(Strauch-Birke) und Salix repel1s (Kriech-Wei<strong>de</strong>) auch Rhynchospora alba (Weißes<br />

Schnabelried) sowie eine Reih e weiterer Schlenkenarten, die bereits in <strong>de</strong>n ersten<br />

nicht dokumentierten Phasen <strong>de</strong>r Abrorfung verschwa n<strong>de</strong>n.<br />

In A bb. 4 wur<strong>de</strong>n Auswertungen zur Dynamik <strong>de</strong>r einzelnen Vegetatio nsein ­<br />

heiten grafisch dargestellt. Die Arten w ur<strong>de</strong>n jeweils nach ihrem kontinuierlichem<br />

Auftreten bei all en drei Untersuchungen bzw. nach zwei- o<strong>de</strong>r einmaligem Auftreten<br />

zusammengefasst und in Bezug zur Gesamtartenzahl <strong>de</strong>r jeweiligen Vegetati ­<br />

o nseinheit gesetzt. Durch di ese Aufschlüsselung erhält man ein indirektes Maß für<br />

di e D ynamik <strong>de</strong>r einzelnen Vegetation einheiten und für das Gesa mtgebiet.<br />

R. aquaticus- Nie<strong>de</strong>rmoor<br />

Gipskeuperquellen<br />

Hochmoorinitialen<br />

Grünland<br />

Schlam m und Torf<br />

Röhrichte<br />

Magerrasen<br />

Sonstige<br />

Wasserflächen<br />

Wäl<strong>de</strong>r/ Gebüsche<br />

Wegrän<strong>de</strong>r<br />

Gesamtgebiet<br />

I 1<br />

I I I<br />

I I I<br />

I I I<br />

I<br />

I I I<br />

I I I<br />

I<br />

I<br />

T<br />

I I I<br />

I<br />

t<br />

I- kontinuierliI:h<br />

o 2x vo rh .<br />

o l x vorh.<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Abb. 4 : Kontinuität <strong>de</strong>s Vorkommens <strong>de</strong>r Arten als Prozentwerte <strong>de</strong>r jeweiligen Gesamtartenzahl.<br />

Nach Daten von SCHLENKER (1 908), GÖRS (1968) und BÖCKER et al. (2001 ).<br />

165


Abb. 5: Der Kammfarn (Dryopteris cristata) hat in <strong>de</strong>r montanen Baar einen seiner<br />

Verbreitungsschwerpunkte in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Die stark gefähr<strong>de</strong>te Art breitet sich<br />

nach <strong>de</strong>m ersten Auftreten in <strong>de</strong>n gOer Jahren im Schwenninger Moos weiter aus<br />

(Foto: M. Röhl).<br />

166


ger Moos<br />

Erstaunlich ist dass die Anzahl <strong>de</strong>r kontinuierlich vorhan<strong>de</strong>nen Arten sowohl im<br />

Gesamtgebiet als auch in <strong>de</strong>n meisten Biotoptypen relativ gering ist und selten über<br />

50 % <strong>de</strong>r jeweiligen Gesamtartenzabl ausmacht. Die relativartenarmen Einheiten<br />

Rumex aquaticus-Nie<strong>de</strong>rmoor, Gipskeuperquellen und Hochmoorinitialen weisen<br />

die geringste Dynamik auf. Dem gegenüber sind die Wegrän<strong>de</strong>r und die Gehölzstadien<br />

einem hohen Florenwan<strong>de</strong>l unterworfen. Dies ist jedoch vor a llem auf die<br />

progressive Entwicklung <strong>de</strong>r Artenzahlen in diesem Bereich zurückzuführen. Bemerkenswert<br />

sind di e Verhältnisse innerhalb <strong>de</strong>r Amphiphyten und Hydrophyten,<br />

di e unter " Wasserflächen " zusammengefasst wur<strong>de</strong>n. Die Artenzahl stieg nur unwesentlich<br />

von 15 Arten im Ja hr 1908 auf 17 Arten im Jahr 2001 (vgl. Abb. 3).<br />

Allerdings fand eine starke Verschi ebung zu meso- und eutraphenten Arten statt,<br />

die die Arten <strong>de</strong>r oligotroph-sauren Standorte ersetzten, sodas nur 36 % <strong>de</strong>r<br />

Arten kontinuierlich in allen drei Untersuchungen auftraten.<br />

Gefähr<strong>de</strong>te Arten<br />

Die Daten wur<strong>de</strong>n anhand <strong>de</strong>r regionalen Li ste "Südliche Gäulandschaften und<br />

Keuper-Lia -Land " (SG) innerhalb <strong>de</strong>r Roten Liste Ba<strong>de</strong>n-Württembergs ausgewertet<br />

(BRE 1 IG & D EMUTH 1999). Dieser aturraum i t relativ arm an Mooren und<br />

größeren Feuchtgebieten, di e zu<strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>r Baar stark gestört sind. Dadurch wird<br />

die Gefährdung von Moorarten höher bewertet als zum Beispiel im angrenzen<strong>de</strong>n<br />

Schwarzwald. 28 rezente Arten <strong>de</strong>s Untersuchungsgebietes sind in <strong>de</strong>r Roten Liste <strong>de</strong>r<br />

"Südlichen Gäulandschaften und Keuper-Lias-Land" aufgeführt, darunter die vom<br />

Aussterben bedrohte Rosmarinhei<strong>de</strong> (Al1dromeda polifolia) und 13 tark gefähr<strong>de</strong>te<br />

Arten. 14 Arten sind gefä hr<strong>de</strong>t und weitere 16 in <strong>de</strong>r Vorwarnliste aufgeführt.<br />

Die Mehrzahl <strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>ten Arten befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>n Gipskeuperquellbereichen,<br />

<strong>de</strong>n Hochmoorinitialen und <strong>de</strong>n M.agerrasen. eben <strong>de</strong>n lange bekannten Vorkommen<br />

von Carex diandra (Draht-Segge), Eleocharis ul1iglumis (Einspelzige Sumpfbinse),<br />

Carex pulicaris (Floh-Segge) und Triglochil1 palustre (S umpf-Dreizack) in<br />

<strong>de</strong>n Quellbereichen sind vor allem Stellaria palustris (S umpf-Sternmiere) und <strong>de</strong>r<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre neu ent<strong>de</strong>ckte Kammfarn (Dryopteris cristata, Abb. 5) in <strong>de</strong>n<br />

wie<strong>de</strong>rvernäs ten ie<strong>de</strong>rmoorflächen im Zentrum <strong>de</strong>s Moores zu nennen.<br />

Ein weiterer Standort gefähr<strong>de</strong>ter Arten liegt in <strong>de</strong>n torfigen, temporär<br />

trockenfa llen<strong>de</strong>n Schlammfluren <strong>de</strong>r Stillgewässer und Grabenrän<strong>de</strong>r. Die Vorkommen<br />

di eser Arten sind auf <strong>de</strong>r Baar auf nur wenige Wuchsorte beschränkt, wie<br />

bei Bi<strong>de</strong>l1s cernua (Nicken<strong>de</strong>r Zweizahn), Eleocharis acicularis (Na<strong>de</strong>lsimse)<br />

Oenanthe aquatica (Wasserfenchel ), Veronica scutellata (Schild -Ehrenpreis) und<br />

Hippuris vulgaris (Tannenwe<strong>de</strong>l). Das Auftreten von Arten <strong>de</strong>r Schlammfluren und<br />

Teichbö<strong>de</strong>n im Schwenninger Moos ist sicherlich mit <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Gebietes<br />

als Rastplatz für Enten vögel und Limikolen verbun<strong>de</strong>n, die für epi- o<strong>de</strong>r endozoochor<br />

verbreitete Dia poren als Vektoren dienen können.<br />

In <strong>de</strong>n Regenerations tadien <strong>de</strong>s ehemaligen Hochmoorkomplexes sind trotz<br />

<strong>de</strong>s Torfabbau während 200 Jahren die Arten <strong>de</strong>r mittleren und oberen Bultbereiche<br />

erhalten geblieben. Sie ind aufgrund <strong>de</strong>r Gefährdung ombrotropher Standorte<br />

im Naturraum nahezu alle in <strong>de</strong>r Roten Liste vertreten, z. B. Vaccinium oxycoccus<br />

(Moosbeere), Drosera rotul1difolia (Rundblättriger Sonnentau), Vaccinium<br />

167


WAGN ER 1996), sodass di e Verhä ltnisse im Schwenninger Moo stellvertretend für<br />

die meisten durch Abrorfung und Drainage massiv anthropogen verän<strong>de</strong>rten Moore<br />

stehen können.<br />

Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fl ächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Abrorfung hatte ein stetiges Wachstum <strong>de</strong>r<br />

Artendiversität zur Folge. Von <strong>de</strong>r raschen Sukzession <strong>de</strong>r Gehölze haben vor allem<br />

euryöke Wa ldarten profiti ert. Die e Entwicklung wur<strong>de</strong> insbeson<strong>de</strong>re durch di e<br />

Mineralisation <strong>de</strong>r oberfl ächlichen, nicht wasserge ättigten Torfschichten und <strong>de</strong>r<br />

damit ve rbun<strong>de</strong>nen ährstoffanreicherung geför<strong>de</strong>rt. Durch die vo llständige<br />

Abrorfung <strong>de</strong>r Sphagnumrorfe minera lisieren vor a llem die nährsroffreicheren<br />

Schilf- und Seggenrorfe. Diese Auteutrophi erung fü hrt zu einer Zunahme von meso-<br />

und eurraphenten Arten sowohl innerhalb <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r a ls auch in <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n<br />

Grünlandfläcben und Magerrasen sowie in <strong>de</strong>n Gewässern und Röhrichten.<br />

Mit <strong>de</strong>r Zunahme <strong>de</strong>r eurraphenten Arten ist di e regress ive Entwicklung von<br />

oligotraphen ten Arten ve rbun<strong>de</strong>n. Für das Verschw in<strong>de</strong>n dieser Arten können<br />

sowohl die direkte Zerstörung vo n Biotopen als auch die Verd rä ngung durch die<br />

verän<strong>de</strong>rten Konkurrenzverbältnisse ve rantwortlich ge macht wer<strong>de</strong>n.<br />

Parallel zu <strong>de</strong>n tro phischen Verän<strong>de</strong>rungen ist ein Rückgang von Arten zu verzeichnen,<br />

die an stabile Wasserverhälrnisse angepasst si nd. Die stark schwanken<strong>de</strong>n<br />

Wasserstän<strong>de</strong> (BOCKER et a l. 2001 ) führten zu ein em Rückgang von Gefäßpflanzen<br />

vor a llem <strong>de</strong>r Schlenkenstandorte. Insbeson<strong>de</strong>re Zwischenmoorarten,<br />

die sowohl sta bile Wasserstän<strong>de</strong> als auch sta bile ähr toffverhä ltni se benötigen,<br />

waren davon betroffen. Die Situation wur<strong>de</strong> durch die sich ve rän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Licht-und<br />

Konkurrenzverbältnisse nach <strong>de</strong>m Aufkommen <strong>de</strong>r Gehölze noch weiter ver chärft.<br />

Kaum Verän<strong>de</strong>rungen fan<strong>de</strong>n dagegen im Bereich <strong>de</strong>r Bulte statt.<br />

Ei n weiterer Schwerpunkt <strong>de</strong>s Artenverlustes ist mit <strong>de</strong>r N utzungsa ufgabe <strong>de</strong>r<br />

M oorflächen ve rbun<strong>de</strong>n. Der weitaus größte Antei l a n verschwun<strong>de</strong>nen Arten<br />

stammt aus <strong>de</strong>n ehemals bewei<strong>de</strong>ten Magerrasen <strong>de</strong>r Anmoorbereiche. Artenrückgä<br />

nge in brach gefallenen Magerra en si nd in ganz Mirteleuropa zu beobachten. Die<br />

Situation wird im Fal le eies Schwenninger Mooses durch <strong>de</strong>n direkten Verlust von<br />

Flächen durch Straßen bau und die Anlage von Sportplätzen noch verschärft.<br />

Abgesehen von weni gen Teilbereichen zeichnet sich das gesamte Gebiet durch<br />

einen ho hen Artenwechsel aus. Gleichzeitig stellt sich für <strong>de</strong>n aturschutz die Aufga<br />

be, das Überleben <strong>de</strong>r stenöken M oorarten langfristig zu gewährleisten. In <strong>de</strong>r<br />

Planung <strong>de</strong>r Pflege- und Renaturierungsmaßnahmen wur<strong>de</strong> daher a uf fo lgen<strong>de</strong><br />

Punkte beson<strong>de</strong>rs geachtet:<br />

Behutsame Sanierung <strong>de</strong>s .Moorwasser- und ährsroffhaushaltes.<br />

O ffe n haltung hochwertiger Flächen.<br />

I<strong>de</strong>ntifizierung und Monitoring wichtiger floristischer Zielarten<br />

und -flächen .<br />

Das Beispiel <strong>de</strong>s Sc bwenninger Mooses ze igt <strong>de</strong>utlich, das Moore, di e durch<br />

Torfabbau und Entwässerung gestört si nd, ei nem sta rk en Florenwan<strong>de</strong>l unterliegen.<br />

Um einen nachhaltigen Artenschutz zu gewährleisten, sollten <strong>de</strong>s halb diese Verän<strong>de</strong>rungen<br />

im Rahmen von Unterschutzstellul1gen und Renaturierungen besser<br />

untersucht und bilanziert wer<strong>de</strong>n.<br />

169


Danksagung<br />

Abb. 7: Der Straußblütige<br />

Gilbwei<strong>de</strong>rich<br />

(Lysimachia thyrsiflora)<br />

kommt auf <strong>de</strong>r Baar in<br />

<strong>de</strong>r Verlandungszone<br />

<strong>de</strong>s Schwenninger<br />

Mooses vor<br />

(Foto: M. Röhl).<br />

Die Autoren danken DR. FRIEDRICH KR ETZSCH tAR, (Frei burg), AITA KOHA (StLlttga<br />

rt), A En"E R EIBER (Zürich ) und MONIKA SERRA Oll (Reutlingen ) für ngaben<br />

zu <strong>de</strong>n Gefäßpflanzen.<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Untersuchung wä re nicht möglich gewesen ohne die Untertützung<br />

<strong>de</strong>r ehemaligen BEZIRKSSTELLE FÜR ATURSCHUTZ U 0 LANDSCHAFf -<br />

PFLEGE FREI BURG (heute Ref. 56 Regierungspräsid iulll Freiburg), namentlich Herrn<br />

DR . FRIEDRICH KR ETZS HMAR und <strong>de</strong>r STIFfU G NATURS HUTZFO l os BADEl -<br />

WÜRTT EMBERG.<br />

170


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Aus <strong>de</strong>m Nachlass meiner Urgroßmutter<br />

Eine beinahe historische Romanze<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 173 - 177<br />

März <strong>2008</strong><br />

von Marieluise C la r<br />

In H UGO SI EFERTS Beitrag in <strong>de</strong>n Schriften <strong>de</strong>r Baar,<br />

50/2007, S. <strong>51</strong>-58: "Ein Interview mit Folgen - Wie<br />

D onaueschingen di e Da il y-Telegraph-Affaire erl ebt"<br />

wird mehrfach ein Abgeordneter erwähnt, <strong>de</strong>r im<br />

R eichstag mitgeholfen hatte, die Stimmung <strong>de</strong>s Kaisers<br />

in Donaueschingen zu verhageln J: LI EBERIVLAI N<br />

VON SO NE! BERG - ein Stichwort, das mich elektrisiert<br />

hat.<br />

Wie es nä mlich <strong>de</strong>r Zufall will, hatten meine<br />

Ururgroßeltern und meine Urgroßmutter zeirweilig<br />

offenbar engeren Kontakt mit diesem, da mals noch<br />

jungen M ann. Wenngleich ferna b <strong>de</strong>r Baar ge chehen,<br />

dürfte di ese "Geschichte" vielleicht a uch für geborene<br />

Baa remer nicht ganz uninteressant sein, beleuchtet sie<br />

doch di ese schillern<strong>de</strong> Persönlichkei t und überhaupt<br />

da ma liges Fühlen und Denken etwas nä her. Max Liebermann<br />

Dem " BROCKHAUS" von 1894 (S . 157) ist über von Sonnenberg<br />

<strong>de</strong>n a m 21.8.1848 in Bielscastruga = Weißwasserl<br />

Westpreußen geborenen Max Li ebermann von Sonnen berg zu entnehmen, das er<br />

1866 in das 2. O stpreußische Grenadierregiment 1 r. 3 eintrat, als Offizier <strong>de</strong>n Feldzug<br />

1870/71 mitmachte, 1884 sein en Dienst a ls H a lbinva li<strong>de</strong> quittierte, Po litiker<br />

und 1890 in <strong>de</strong>n Reichstag gewählt wur<strong>de</strong>. Er war a uch journa listisch sehr aktiv<br />

und verfas te darüber hina us mehrere offenbar erfol greiche Gedichtsammlungen:<br />

, Rheinreise" (2 . Aufl., Berlin 1881 ), "Gedichte" (3. AufI., Leipzig 1892) und<br />

" Lebenslie<strong>de</strong>r" (4. Aufl., Hagen 1908).<br />

leh be itze ein schmales ha ndgeschriebenes Büchlein (ca. DI A5 H ochformat),<br />

in <strong>de</strong>m sich a uf zartrosa dünnem Papier, mit spitzer Fe<strong>de</strong>r gestochen scharf<br />

und winzig in Sütterlin geschriebene Gedichte fin<strong>de</strong>n, die ich mit Li ebeslu t und<br />

Li ebesleid befassen a ber a uch " vaterl ä ndisches" Gedankengut zum Ausdruck bringen.<br />

Auf <strong>de</strong>r ersten Seite ist zu lesen:<br />

" Dem Fräulein CLARA vo I SCHLEMMER<br />

w idmet nachstehen<strong>de</strong> Gedichtsammlung<br />

Hochachtungsvoll<br />

<strong>de</strong>r Verfasser"<br />

173


Aus <strong>de</strong>m Nachlass meiner<br />

Auf Seite 42 erfahren wir dann endlich nach <strong>de</strong>m letzten Gedicht, einem<br />

Akrostichon a uf <strong>de</strong>n a men <strong>de</strong>r Angebeteten, a uch <strong>de</strong>n amen <strong>de</strong>s Verfassers:<br />

174<br />

"Akrostichon an:<br />

Könnt ich selbst <strong>de</strong>r Zukunft Fä<strong>de</strong>n spinnen<br />

Lenken das Geschick auf selbstgewählten Wegen,<br />

All' mein Denken wird, und all mein Sinnen,<br />

Rastlos Dir erschaffen Glück lind egen.<br />

All Deines Herzens tief geheimstes Träumen<br />

V erwirklichte sich schnell, voll duftgen Blüthenbäumen<br />

O hn je<strong>de</strong>n Kummers Schatten, ohne Sorgen,<br />

Nur grünte Dir ein ew'ger Maienl11orgen.<br />

Schön war <strong>de</strong>r Traum in <strong>de</strong>m ich mich gewiegt!<br />

Lenken zu können <strong>de</strong>s Geschickes Pfa<strong>de</strong><br />

Es dreht ein stärkrer Arm am Zukunftsra<strong>de</strong>,<br />

M ein Traum von Götterkraft verfliegt.<br />

Mir bleibt zu wünschen nur, zu hoffen treu im tillen<br />

Es m öge Dein Geschick sich durch <strong>de</strong>r Gottheit Gna<strong>de</strong>n<br />

Rosiger noch, als ich geträumt erfüllen.<br />

M. Liebermann v. Sonnenberg<br />

Lieutenant<br />

i. 2. Ostpr. Grnd. Reg. r. 3"


Die solchermaßen besungene lara von Schlemmer war meine Urgroßmutter,<br />

geboren am 27. Juli 18<strong>51</strong> a uf Gut Plense n bei BartensteinlOstpreußen, und man<br />

kann annehmen, dass Liebermann vo n Sonnenberg vielleicht nicht nur während<br />

Manövern die Gastfreundschaft unserer Ururgroßeltern erleben durfte, lag doch seine<br />

Garnison in Königsberg nur etwa 50 km entfernt und war über di e Ostpre ußisc<br />

he Süd ba hn seit 1865 mit Bartenstein verbun<strong>de</strong>n. Wie sei ne za hlreichen Gedichte<br />

offenbaren, war er heftig in die etwa 18-jährige Angebetete ve rli ebt. Aber wahrsc<br />

heinlich war unsere Urgroßmutter schon "ver prochen", <strong>de</strong>nn sie heiratete bald<br />

darauf Arth ur Moldzio (1843- 1905), H a uptmann a.D. und G utsbesitzer a uf<br />

Stagnitten bei Elbing, das er 1869 erworben hatte. Dort starb sie drei Wochen nach<br />

<strong>de</strong>r Geburt unserer Großmutter Clara Mold zio am 3. Se ptember 1872 - nur 21<br />

Jahre alt.<br />

Max Liebermann von Sonnenberg, dre i Jahre älter, entwickelte sich nach <strong>de</strong>r<br />

Ro manze mit meiner Urgroßmutter später zu einem bekannten Politiker, aber auch<br />

zum Alptra um für viele seiner Zeitgeno sen. 1881 bis 1885 gab er in Berlin di e<br />

"Deutsche Volkszeitung" heraus, wur<strong>de</strong> 1889 M itbegrün<strong>de</strong>r und Vorstandsmitglied<br />

<strong>de</strong>r anti emitischen "Deu tsch-socia len Partei", die u. a. die "Aufhebung <strong>de</strong>r Gleichberechtigung<br />

und Stellung <strong>de</strong>r in Deutschl and leben<strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n unter ein beson<strong>de</strong>res<br />

Frem<strong>de</strong>nrecht" fo r<strong>de</strong>rte (BROCKHAUS 1894 : 157).<br />

Das meiner Urgroßmutter gewidmete un dati erte Gedichtbändchen hat er<br />

allerdings wesentlich früher verfasst, näml ich als Leutnant. Einige vaterl ändische<br />

Gedi chte tragen Daten, so jenes über die Erstü rmung <strong>de</strong>r Düppeler Schanzen 1864,<br />

ein weiteres entstand 1868. Die Liebesgedichte sind hingegen undati ert, müssen<br />

aber zwischen 1868 und (vor) 1870 ni e<strong>de</strong>rgeschrieben wor<strong>de</strong>n sein . Sie schwanken<br />

zwischen H offnung und Enttäuschung. Ein Beispiel für die tiefen Empfindunge n <strong>de</strong>s<br />

jungen Leutnants sei im fo lgen<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>rgegeben; es steht vor <strong>de</strong>m o ben zitierten<br />

Ak ro ti chon, welches ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n Schlusspunkt <strong>de</strong>r Ro manze bil<strong>de</strong>t. Lei<strong>de</strong>r<br />

ha ben sich die da rin zum Ausdruck kommen<strong>de</strong>n edlen W ünsche für meine<br />

Urgroßmutter nicht erfüllt.<br />

Sonett<br />

och nie hab ich ein Lied von Dir gesungen<br />

<strong>de</strong>nn seit Dein Blut in meine Brust gedrungen,<br />

fand ich nicht Maaß, nicht Verse mehr, noch Reime<br />

fü r jene Bühnen, schrankenloser Träume,<br />

und von mir scheuchten die Erinnerungen<br />

die alten trüben. Neu entsproßen Keime<br />

und junges Hof(nungsgrün und Blüthenbäume.<br />

Der junge Lenz ging alt zu schnell vorüber<br />

<strong>de</strong>r Himmel meines Glück ward trüb und trüber<br />

doch seit die goldnen Träume al! verschwun<strong>de</strong>n<br />

hab ich auch wie<strong>de</strong>r Wort und Lied gefun<strong>de</strong>n,<br />

und hab betrauernd mein verlorenes Lieben,<br />

als Gmbschrift dmuf mein el'st Sonett geschrieben.<br />

175


Aus <strong>de</strong>m Nachlass m .<br />

D a ma ls war je<strong>de</strong>nfa ll s noch nicht abzusehen, da s die er - könnte man seinen<br />

liebesgedichten für meine Urgroßmutter trauen - offenba r seelenvoll e junge l eutnant,<br />

später ein so verbissener Po litike r <strong>de</strong>r" völkischen Bewegung" wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Der BRO KHAUS (1894, S. 157) verme rkt, dass er im R eichstag " häufig zur Bekämpfung<br />

<strong>de</strong>s Großkapitalismus und <strong>de</strong>s jüdischen Einflusses beson<strong>de</strong>rs im Interesse <strong>de</strong>s<br />

Bauemstan<strong>de</strong>s als Redner auftritt" . us seiner Fe<strong>de</strong>r sta mmen auch" Beiträge zur<br />

Geschichte <strong>de</strong>r antisemitischen Bewegung'. An<strong>de</strong>rer eits for<strong>de</strong>rte er "möglichste<br />

Verstaatlichung <strong>de</strong>r öffentlichen Verkehrseinrichtungen, <strong>de</strong>s Inseratel1wesens und<br />

aller Versicherungsanstalten, progressive Einkommens- und Erbschaftssteuer" sow<br />

ie - heute noch a ktuell- ei nen "Maxima larbei tstag nach <strong>de</strong>r E igena rt <strong>de</strong>r ein zelnen<br />

Betriebe" (BRO KH A 5 J 894 , S. 224, Stichwort: " Deutsch- ociale a nti emiti ehe<br />

Partei "). D a ma ls verbreiteten u.a. die Berliner "Staatsbürgerzeitu ng", die Dres<strong>de</strong>ner<br />

" Deutsche Wacht" und die " H a nnover ehe Post " a l Tage zeitungen die A nsichten<br />

die er zeitweilig recht viru lenten Pa rtei, di e sich jedoch nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> liebermann<br />

1911 ba ld ins Be<strong>de</strong>utungslo e verlor l .<br />

Ich versage mi r a uszu<strong>de</strong>nken, wie wohl die E ntwicklung unserer Familie und<br />

die von M ax Lie berma nn von Sonnenberg verlaufen wäre, wenn <strong>de</strong>ssen R o manze<br />

mit mei ner Urgroßmutter ei nen glücklichen Ausgang genommen hätte. Offenbar<br />

haben auch mei ne hinterbliebenen Vorfahren <strong>de</strong>n l eben weg Lieberma nl1 s m it<br />

Sy mpa thie weiter verfolgt, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>m be agte n Gedichtbändchen wird von frem<strong>de</strong>r<br />

Schrift noch ein Gedicht Liebermanns nacb <strong>de</strong>ssen Fahrt mit <strong>de</strong>m Z eppelin<br />

3 um 1909 (" Der neue Fahneneid") a ngefü gt. Schließlich wur<strong>de</strong> auch ein rühmen<strong>de</strong>r<br />

achruf auf ihn a llS <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r Friedrich von Bo<strong>de</strong>lschwinghs (vom 9 .11.19 11)<br />

a ufbewahrt.<br />

176<br />

Anschrift <strong>de</strong>r Verfasserin:<br />

Marielu ise Clar<br />

Klenkenreuce 9<br />

78 166 Donaueschingen<br />

Anmerkungen<br />

Liebermann von Sonnenberg, führen<strong>de</strong>r<br />

Verrreter <strong>de</strong>s Wettrüstens im Florrenbau und<br />

eit 1905 Befürworter eine Krieges gegen<br />

England, harre 1908 im Reichstag anläss lich<br />

<strong>de</strong>r "Dail y Telegraph·Affäre" nicht nur <strong>de</strong>n<br />

Kaiser <strong>de</strong>s Vertrauensbruchs bezichtigt, son·<br />

<strong>de</strong>m zusä tzlich <strong>de</strong>n englischen Premierm inister<br />

Arrhur Neville Chamberlain scharf angegri<br />

ffe n und ihn <strong>de</strong>r Destabilisieru ng <strong>de</strong>r <strong>de</strong>uts<br />

hen Monarchie beschuldigt. Die e bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>ne Re<strong>de</strong> <strong>de</strong> rhetori ch glä nze n<strong>de</strong>n<br />

Abgeordneten goss Öl ins Feuer und trug<br />

wesentlich zum negativen Deucschlanelbilel<br />

eier Englän<strong>de</strong>r bei, nach<strong>de</strong>m sie bereits durch<br />

das wi<strong>de</strong>rsprüchliche, im "Telegraph " veröffentlichte<br />

Interview <strong>de</strong>s Kai sers mit <strong>de</strong>m<br />

englischen Ober c und Diplomaten Edward<br />

Stuart Wortley (s. H GO SI EFEIn 2007:<br />

<strong>51</strong> H. ) aufge chreckt waren (PETER WI 'ZEN,<br />

2002).<br />

2 Liebermann von onnenberg, Spross einer<br />

Familie mit langer militäri cher Tradicion,<br />

wur<strong>de</strong> als Premierleutnant im Kri eg 1870/7 '1<br />

schwer verwun<strong>de</strong>t, erhielt da Eiserne Kreuz<br />

und galt als Kriegsheld, was seiner späteren<br />

politischen Karriere sehr zustatten kam. Er<br />

stand <strong>de</strong>m Antisemiten Bernhard Förster und<br />

<strong>de</strong>r vom Berliner Hofprediger Adolf Sroecker<br />

1.878 gegrün<strong>de</strong>ten christlich- ozialen Arbeicerparrei<br />

nahe, die aber gera<strong>de</strong> au Arbeicerkreisen<br />

kaum Zulauf erhielt. 1881 initiierte<br />

er eine Unter chriftenakcion gegen die seit<br />

1870 verordnete verfass ungsrechrliche<br />

Gleich teilung <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n im Reich und<br />

reichte sie mit 260.000 Unterschriften au<br />

<strong>de</strong>m ganzen <strong>de</strong>utschen Reich als Petition<br />

(" Anrisemiten-Perition") <strong>de</strong>m Reichstag ei n;<br />

ie wur<strong>de</strong> in<strong>de</strong>ssen von Reich kanzler Otto v.


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Stabile Braunkehlchenpopulation<br />

im Naturschutzgebiet Birken-Mittelmeß<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 178 - 179<br />

März <strong>2008</strong><br />

vo n H elmut Gehring<br />

Während in weiten Bereichen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Brutbestand <strong>de</strong>s Braunkehlchen<br />

(A bb. 1) stark zurückgeht, hat sich erstaunlicherwei e im Bereich <strong>de</strong>r Ri edbaar<br />

eine Brutpopul ati on von 80 bi 90 Brutpaaren seit Jahrze hnten ge halten .<br />

Den Verbreitungsschwerpunkt bil<strong>de</strong>n die ehema ligen To rfa bbaugebiete <strong>de</strong>r<br />

Gemein<strong>de</strong> pfohren im Bereich Birken-Mittelmeß (A bb. 2), die seit <strong>de</strong>r Einstellung<br />

<strong>de</strong>s Torfa bba us brachliegen. Wir fin<strong>de</strong>n hi er ein Mosa ik aus H ochstau<strong>de</strong>nfluren,<br />

Großseggenrö hrichten und Kl einseggenrie<strong>de</strong>rn. Di e Randbereiche wer<strong>de</strong>n exteniv<br />

als H euwiesen genutzt (Vertragsnatur chutz: Düngeverzicht, frü heste Mahd<br />

15. Juli). Das Gebiet i t aturschutzgebiet und Bestandteil <strong>de</strong>s" atura 2000<br />

Schutzgebietes" "Tal <strong>de</strong>r Donau auf <strong>de</strong>r Baar' . Abb. 3 zeigt di e Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

Brutbestan<strong>de</strong>s in diesem Gebiet in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten.<br />

An chrift <strong>de</strong>s Verfassers:<br />

Prof. Dr. Helmut Gehring<br />

Kön igsberger Stra ße 30<br />

78052 Vi ll ingen-Schwenningen<br />

Literatur<br />

GEHRI NG, H . & ZINKE, F. (2006):<br />

Die Vogelwelt <strong>de</strong>r Baar. - In:<br />

SIEGMUND, A. (Hrsg.):<br />

Faszination Baar - Porträts a u<br />

atur und Landschaft:<br />

156-158, Mory' Hofbuchhandlung<br />

Donaueschingen.<br />

Abb. 1: Männchen <strong>de</strong>s<br />

Braunkehlchens im Brutgebiet<br />

(Foto: Helmut Gehring).<br />

178


Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte<br />

und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />

Vereinschronik<br />

<strong>Band</strong> <strong>51</strong> . Seite 180 - 190<br />

März <strong>2008</strong><br />

Das Jahr 2007 brachte für unseren Verein zwar ein ige Verän<strong>de</strong>rungen, es ermögli<br />

chte a ber a uch eine ko ntinuie rlich Arbeit im Sinne un erer Ziele: N ach <strong>de</strong>r<br />

Schließung <strong>de</strong>r La n<strong>de</strong>sa ka<strong>de</strong>mi e für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen<br />

in Donaueschingen fin<strong>de</strong>n nun unsere Vorträge im Evangel ischen Gemein<strong>de</strong>ha us<br />

am Irmapark sta tt. Unser Veranstaltungsprogramm wur<strong>de</strong> vom Vereinsjahr auf das<br />

Kalen<strong>de</strong>rj ahr umgestellt. Dies ermöglicht die Einbindung unseres Progra mme in<br />

<strong>de</strong>n o ffi ziellen Veransta ltungskalen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stadt D on a ueschingen. Wir <strong>de</strong>nken,<br />

dass unser Verein davon pro fiti eren wird. Das Jahres progra mlll fa nd großen Ankl<br />

ang bei <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn und di e Geschä ftsstell e mit ihren festen Öffnungszeiten<br />

leistete hervorragen<strong>de</strong> Ar beit.<br />

Nachtrag zum Jahresprogramm 2005/2006<br />

Aufg rund ein es reda kti onel len Fehl ers wur<strong>de</strong>n fo lgen<strong>de</strong> Vorträge und " Kl einen<br />

Aben<strong>de</strong>", di e im Winter 2006 stattfa n<strong>de</strong>n in unserer Vereinschronik 200612007<br />

nicht erwähnt:<br />

180<br />

19.0 1.2006 Künstliche Feuchtbiotope auf <strong>de</strong>r Baar<br />

Pro f. Dr. H elmut Gehring, Villingen- chwenningen (Dia vortrag)<br />

09.02.2006 Alemannisch - was ist das?<br />

Herkunft, Verbreitung und Be<strong>de</strong>utung unseres Dialektes<br />

Prof. Dr. Konrad Kunze, Fr iburg (Vo rtrag)<br />

02.03.2006 Die Sauschwänzlebahn - von <strong>de</strong>n Anfängen bis heute<br />

Dieter Reimer, Blumberg (Kl einer Abend)<br />

Vorträge und "Kleine Aben<strong>de</strong>" im Kalen<strong>de</strong>rjahr 2007<br />

08.02.2006 Die Sieben Schwaben<br />

Zur Geschi chte <strong>de</strong>r Geschi chte<br />

Wolfga ng M a rtin, ViJlingen-Schwenningen (Kl ein er Abend)<br />

22.02.2006 Spätgotische Kostbarkeiten <strong>de</strong>r Buchmalerei aus Konstanz<br />

Dr. Bernd Konrad, Radolfzell (Dia vortrag)<br />

01.03.2006 Die Nachkriegsjahre auf <strong>de</strong>r Baar<br />

Ein Blick zu rück<br />

Willi H ö nl e, Dona ueschingen (Kleiner Abend)<br />

16.03.2006 Mitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />

(siehe Protoko ll )


Vereinschronik<br />

Bericht über die Jahresexkursion <strong>de</strong>s <strong>Baarverein</strong>s 2007<br />

))Rosen, Rohan und Romantik«<br />

Programmübersicht<br />

von Dagmar Lo<strong>de</strong> und Antonia Reichmann<br />

Samstag, 16. Juni 2007 19:00 Aben<strong>de</strong>ssen im Restaurant<br />

" Le Haut Barr" mit<br />

08:00 Abfahrt von Donaue chingen SHASE-Vertretern<br />

08:30 Abfahrt von Villingen Bahnhof 21:00 Rückfahrt zum Kloster<br />

09:30 Pause am Panorama-Parkplatz<br />

"Hoher Geisberg"<br />

21:30 Ankunft im Kloster<br />

09:50 Weiterfahrt nach Ettenheim<br />

10:20 Ankunft in Ettenheim,<br />

Sonntag, 17.Juni2007<br />

Spaziergang ins Städtle, 08:00 Frühstück<br />

Kaffeepause im Cafe Rohan 09:00 Abfahrt zum Botanischen<br />

11:00 Stadtführung mit Garten bei Saverne<br />

Herrn Uttenweiler 09:30 geführter Rundgang mit Herrn<br />

12:15 Mittagspause im Prinzenga rten Onscheid von <strong>de</strong>r SHASE<br />

12:45 Abfahrt vom Prinzenga rten 11 :30 Abfahrt nach Rosheim<br />

14:00 Ankunft im Kloster Reinacker 12:30 Ankunft in Rosheim,<br />

15:00 Abfahrt nach Saverne Mittagessen im Restaurant<br />

15:30 Ankunft in Saverne am Centre " Le Ours Blanc"<br />

Wollbrett, Begrüßung durch die 14: 1<br />

0 Stadtrundgang und Führung<br />

SHASE, Empfang durch <strong>de</strong>n durch die Basilika mit Frau<br />

Bürgermeister von Saverne, Huber-Wintennantel<br />

Stadtführung 17:00 Rückfahrt<br />

18:30 Abfahrt zur Burganl age 19:00 Ankunft in Villingen<br />

"H aut Ban" 19:30 Ankunft in Donaueschingen<br />

Die zweitägige Jahresexkursion stand unter <strong>de</strong>m M otto: Rosen, Rohan und<br />

Romanik. Ettenheim, Saverne und Rosheim waren di e wichtigsten Ziele auf <strong>de</strong>r<br />

Fahrt mit <strong>de</strong>m mit 50 Personen vo ll besetzten Bus, <strong>de</strong>r in Steinach di e bekannte<br />

Strecke (B 33) nach Offenburg verließ und fortan in weitgehend unbekannte Gefil<strong>de</strong><br />

führte. Eine erste Rast ga b es unterha lb <strong>de</strong>s Hohen Geisbergs (727 Meter), einer<br />

be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Fundstätte für rote und blau gebän<strong>de</strong>rte Achate.<br />

Obwohl wir an Ettenheimmünster vorbeifuhren, wies Gerrit Müller vom<br />

Orga ni sation team auf die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Ortes hin. Hier grün<strong>de</strong>te Bischof Etto um<br />

730 eine Benediktinerabtei. In <strong>de</strong>n Wechselfällen <strong>de</strong>r Geschichte bestand das<br />

Kloster bis zu seiner Aufhebung 1803. och um 1720 entstand ei n Neubau von<br />

Kloster und -kirche von <strong>de</strong>m voralbergischen Baumeister Peter Thumb, aber nur<br />

100 Jahre päter wur<strong>de</strong> durch Abbruch alles außer <strong>de</strong>r Kirche zerstört.<br />

182


esexkursion 2007<br />

Als Folge davon kam kostbarer Kirchenschatz ins nahe gelegene Ettenheim<br />

(10 Kilometer südlich von Lahr). icht nur Kirchenschatz auch viele Verfolgte <strong>de</strong>r<br />

französischen Revolution fan<strong>de</strong>n hi er Aufnahme. Hier residierte nach seiner Vertreibung<br />

<strong>de</strong>r letzte Fürstbischof von Straßburg Louis von Rohan. Ettheim war sein<br />

rechtsrheinischer Besitz. Traurige Berühmtheit erlangte Louis von Rohan a ls Opfer<br />

einer Intrige um Königin Marie Anto in ette, die a l "H alsbandaffä re" in die Geschichte<br />

einging. Er starb hi er im Exi l 1803. Auch <strong>de</strong>r Bourbonen pößling Herzog<br />

von Enghien flüchtete hierher. 1804 wur<strong>de</strong> er in Ettenheim unter Völkerrechts bruch<br />

auf Befehl Napoleons ve rhaftet, nach Paris gebracht und dort erschossen. An ihn<br />

und eine Liebe zum Gärtnern erinnert <strong>de</strong>r chön angelegte Prinzengarten.<br />

Die Stadtführung unter <strong>de</strong>m geschichtskundigen Bernhard Utrweiler durch das<br />

vorbildlich restaurierte Städtchen, immer noch wird traditionsgemäß Altes hier<br />

gepflegt, war ein erster H öhepunkt. Ettenheim war bis zum 30-jährigen Krieg eine<br />

mittelalterli che Stadt mit Stadtmauer und -toren. ach seiner Zerstörung wur<strong>de</strong> es<br />

im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt im barocken Stil wie<strong>de</strong>r a ufgeba ut. Am Palais Roha n wur<strong>de</strong> das<br />

Wappen <strong>de</strong>r Fürstenberger erl ä utert. Es stammt aus <strong>de</strong>m 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt, als die<br />

bei<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r Franz Egon und Wilhe1m Egon von Fürstenberg Bischöfe in Straßburg<br />

waren. Beim Gang durch die Gassen und Straßen erfreuten sich die Besucher<br />

an <strong>de</strong>n schönen Fachwerk- und Buntsandsteingebäu<strong>de</strong>n. Bewun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

"Schl äfer" an einer Hausfassa<strong>de</strong>, ein spätgotischer Christus im Grab, o<strong>de</strong>r eine in<br />

die Mauer eingelassene doppelseitige Madonna, die tags das H a us nach innen und<br />

nachts nach außen schützt. Ettenheim a ls Winzer- und Gerberstädtchen ehrt seine<br />

Schutzheiligen mit Brunnen und entsprechen<strong>de</strong>n Brunnenfiguren (H eiliger Urban<br />

und H ei li ger Bartholomäus).<br />

Be rnhard Uttenweiler e rläutert das Ettenheimer Stadttor von 1783 (Foto: Gerrit Müller).<br />

183


Vereinsc<br />

ach <strong>de</strong>r Weiterfa hrt durch di e Rhein ebene wur<strong>de</strong> a m Fuß <strong>de</strong>r Vogesen die<br />

Dona ueschi nger Pa rtnerstadt Saverne (Z a bern) erreicht. Ein herzlicher Empfa ng<br />

bereitete Fra ncis Kuchl y, <strong>de</strong>r Vo rsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s großen örtli chen Geschichts- und<br />

Archäologievereins SHASE (Societe d'Histoire et d' Archeo logie <strong>de</strong> Saverne et Environs)<br />

<strong>de</strong>n Vereinsmitglie<strong>de</strong>r im Vereinsgebä u<strong>de</strong> "Centre Wo llbrett " am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Sch los pa rks. Gemeinsa m mit Vo r ta nd m itglied Pierre Vonau fü hrte er die Gäste<br />

von <strong>de</strong>r Baa l' durch di e maleri sche ltstadt von Z a bern, das <strong>de</strong>n Fürstbischö fen von<br />

Straßburg a ls Sommerresi<strong>de</strong>nz di ente. Die Pa rtnerstadt Do na ueschingens ve rdankt<br />

ihre frühe Entstehung ihrer geogra fi schen Lage. Die Vogesen sind hier recht schmal<br />

und zu<strong>de</strong>m nur 410 M eter hoch.<br />

Aus <strong>de</strong>r A bleitung <strong>de</strong>s römischen Namens "Tre Tavernae", drei Tavernen, ist<br />

Saverne entstan<strong>de</strong>n. Dara n ka nn ma n di e rege Reisetätigkeit schon zur Römerzeit<br />

a blesen. Im 10. Ja hrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n die Bischö fe von traßburg d ie Stad therren.<br />

D iese prägten durch ihre Ba uten wie <strong>de</strong>m alten und <strong>de</strong>m neuen chloss, <strong>de</strong>r Burg<br />

" Haut Barr" a uf einem Felsmassiv, das a rchi tektonische Erscheinungsbi ld . Ab 1667<br />

erba ute Für tbischof Fra nz Egon von Fürstenberg ein großzügige Resid enzschloss<br />

mi t a usge<strong>de</strong>hnten Gartena nl agen . j 779 zerstö rte ein Bra nd d ieses Schloss. An <strong>de</strong>rselben<br />

Stelle entsta nd ein mo numentaler neoklassizistischer achfo lgebau, <strong>de</strong>r heute<br />

a ls Kulturzentrum genutzt wird. In seinem historischen Spiegelsaal bereitete die<br />

Stadt averne, vertreten durch Kulturbürgermeister An tett <strong>de</strong>n Gästen a us <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Pa rtner tadt (und ihrer Umgebung) einen ",ve iteren herz li chen Empfang<br />

bei einem Ehrenwein mit " Ko ugelh opf". Beim Gang durch die Stadt beeindruckten<br />

ei nzelne erh a ltene Fachwerkhä user wie das ] 630 ent ta n<strong>de</strong>ne Haus Ka tz mit reichs-<br />

Beim Empfang im Schloss von Saverne: Susanne Huber-Wintermantel und Dr. Hans<br />

Keusen übergeben Kulturbürgermeister Anstett eine alte Ansicht von Donaueschingen.<br />

Rechts im Bild Francis Kuchly, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r SHASE (Foto: Gerrit Müller).<br />

184


"" ..... nc''''"'''kursion 2007<br />

tem Schnitzwerk. Abends ging es dann ge meinsam ins Restaurant neben <strong>de</strong>r imposanten<br />

Burgruine "Haut Ban" oberhalb <strong>de</strong>r Stadt mit großartigem Fernblick bis<br />

zum Straßburger Münster.<br />

Das achqua rtier wur<strong>de</strong> im id yllisch gelegenen Kloster Reinacker vor <strong>de</strong>n Toren<br />

<strong>de</strong>r Stadt bezogen. Nach <strong>de</strong>m Frühstück wur<strong>de</strong> di e spätgotische Klosterkirche<br />

besichtigt und in <strong>de</strong>m vo n <strong>de</strong>n Franziskanerinnen geführten Klosterl a<strong>de</strong>n eingeka<br />

uft. Ein herzlicher Abschi ed begleitete di e Gruppe zurück nach Saverne, wo sich<br />

ein spontan von <strong>de</strong>r SHASE o rga ni sierter Rundga ng durch <strong>de</strong>n intern ati onal<br />

berühmten Za berner Rosenga rten, welcher <strong>de</strong>r tadt <strong>de</strong>n Beinamen " Rosenstadt"<br />

verli eh, anschl o s. M an bewun<strong>de</strong>rte eine reichste Auswahl an Rosen <strong>de</strong>r versch ie<strong>de</strong>nsten<br />

Farben und Duftnoten. Der Garten be itzt 2800 Rosenstöcke und 550 verschie<strong>de</strong>ne<br />

Sorten. Kl etterrosen bi l<strong>de</strong>n Pergolen und schaffen so immer wie<strong>de</strong>r neue<br />

Ausblicke in da farbige Blumenmeer.<br />

Auch <strong>de</strong>r näch te Programmpunkt führte ins Pfl anze nreich. Sachkundige<br />

Botaniker geleiteten kl eine Gruppen durch <strong>de</strong>n unterhalb <strong>de</strong>r Z aberner Steige angelegten<br />

2,3 Hektar großen botanischen Garten. Die Pflanzen wachse n hier in<br />

ihrem natürlichen Habitat und sind nach Revieren geordnet. M an fin<strong>de</strong>t dort viele<br />

seltene heimische Pflanzen, wie zu m Beispiel 20 ve rschie<strong>de</strong>ne O rchi<strong>de</strong>en. Ein Torfmoor,<br />

ein ausge<strong>de</strong>hntes Arboretum und ein Versuchsareal zeigen das vielfältige<br />

Engagement <strong>de</strong>r Verantwortlichen <strong>de</strong>s Botanischen Gartens, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Verein<br />

Vor <strong>de</strong>r frisch restaurierten Kirche in<br />

Rosheim (Foto: Gerrit Müller)<br />

" Les amis du jardin botanique" und <strong>de</strong>r<br />

Stadtverwaltung betrieben wird .<br />

Gestärkt vom Mittagsessen im<br />

"Weißen Bären" von Rosheim erl ä uterte<br />

hi er di e Verein vorsitzen<strong>de</strong> Susanne<br />

Huber-Wintermantel die berühmte romanische<br />

Kirche a us <strong>de</strong>m 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

Die Teilnehmer staunten über <strong>de</strong>n<br />

kl aren Grundriß, die Schönheit in <strong>de</strong>r<br />

Einfachheit und <strong>de</strong>n hochwertigen<br />

skulptura len Schmuck. Gegen Abend<br />

tra f die Gruppe hochzufrie<strong>de</strong>n mit vielen<br />

neuen Eindrücken in Dona ueschingen<br />

ein. Die gute Vorbereitung und die Erlä<br />

uterungen <strong>de</strong>s Organi sati o nstea m<br />

(Susanne Huber-Wintermantel, Renate<br />

und Dr. H a ns Keusen, Dr. Genit Müller)<br />

haben wesentlich zum Gelingen di ese<br />

zweitägigen Ausfluges beigetragen.<br />

Dass <strong>de</strong>r Besuch auch bei <strong>de</strong>n Gastgebern<br />

Appetit geweckt hat, zeigt die<br />

vom Baarverei n mit Freu<strong>de</strong> angenommene<br />

Bitte <strong>de</strong>s Vorstands <strong>de</strong>r SHASE, sie<br />

doch im H erbst <strong>2008</strong> zu einem Gegenbe<br />

uch auf <strong>de</strong>r Baar vorzumerken.<br />

185


Vereinschron"<br />

Protokoll <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />

16.03.2007, H otel "Grüner Ba um" Do naueschingen-Allmendshofen<br />

• Begrüßung, Totenehrung<br />

Fra u Huber-Wintermantel begrüßt kurz n ach 19:30 Uhr die erschi enenen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r, ca. 80 an <strong>de</strong>r Zahl, beson<strong>de</strong>rs die Ehrenmitglie<strong>de</strong>r und di e Vertreter<br />

<strong>de</strong>r Presse.<br />

Der verstorbenen Mitglie<strong>de</strong>r wi rd gedacht.<br />

• Bericht <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>n<br />

186<br />

Dr. Keusen berichtet über <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rsta nd:<br />

Mitg lie<strong>de</strong>r 502 (10 Austritte, 3 To<strong>de</strong>sfä lle, 3 Eintritte) 361 Ein zelmitgli e<strong>de</strong>r,<br />

54 Pa rtner, 34 Ko rporati ve Mitglie<strong>de</strong>r.<br />

Es fan<strong>de</strong>n fünf Vo rsta ndssitzungen in <strong>de</strong>r Geschäftsstelle statt sowie eine Vorta<br />

ndss itzung mit Beirat im " H otel Grüner Ba um" . Dr. Keu en berichtet über<br />

die Gründung <strong>de</strong>r "Bürge rsti ftung <strong>de</strong>r Stadt Dona uesch.ingen" , a n <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r<br />

<strong>Baarverein</strong> mit 1.000,- Euro beteiligt ha t.<br />

Da die Lehreraka<strong>de</strong>mie Mitte <strong>de</strong>s Jahres geschlossen wird, mus te ein neuer<br />

Raum für die wissenschaftlichen Vo rträge gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Künftig wer<strong>de</strong>n<br />

die Vorträge im evangelischen Gemein<strong>de</strong>haus a m Innapark ta ttfin<strong>de</strong>n.<br />

Er dankt Dr. Gerrit Müller (in Abwesenheit) für sein en unermüdlichen Einsatz<br />

bei <strong>de</strong>r Vo rbereitung <strong>de</strong> umfa ngreichen Jahre programms 2007, das von nun<br />

an mit <strong>de</strong>m Kalen<strong>de</strong>rjahr übereinstimmt.<br />

Da sich di e fin a nzielle Lage <strong>de</strong>s Vereins verbe ert hat, wird künftig a uf <strong>de</strong>n<br />

Kostenbeitrag bei H a lbtage exkursion für Mitglie<strong>de</strong>r verzichtet. Gä te sollten<br />

sich mit 5,- Euro pro Person a n <strong>de</strong>n Exkursion kosten beteiligen. Die H ö he<br />

<strong>de</strong>s " Fahrgel<strong>de</strong>s" bei H albtagse kur ionen wird künftig vor Antritt <strong>de</strong>r Fahrt<br />

in Fa hrgemeinscha ften bekannt gegeben, da mit ich di e Mitfahrer a n <strong>de</strong>n Kosten<br />

beteiligen können.<br />

Renate Keusen berichtet von <strong>de</strong>r Geschäftsstelle:<br />

Es wur<strong>de</strong> ein großer Briefkasten im Eingang a ngebracht, so dass a uch größere<br />

Postsendungen eingewor fe n wer<strong>de</strong>n können.<br />

Etwa 4000 Bän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r "Schriften <strong>de</strong>r Baa r" w ur<strong>de</strong>n a m 3. Juni 2006 a us <strong>de</strong>m<br />

Keller <strong>de</strong>r Lehrera ka<strong>de</strong>mi e von einigen tatkräfti gen Mitglie<strong>de</strong>rn in die Jugendmusik<br />

chule umgelagert.<br />

D ie Ta uschschriften wur<strong>de</strong>n sortiert und ergä nzt.<br />

Ein neues Fax- und Kopiergerät wur<strong>de</strong> angeschafft.<br />

Die Jahre bä n<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sc hriften <strong>de</strong>r Baar von 1972 bi 2002 wer<strong>de</strong>n a b sofort<br />

wie<strong>de</strong>r zum Son<strong>de</strong>rpreis von 5,- Euro je Ba nd verka uft.


Kassenbericht für das Rechnungsjahr 2006<br />

Hartmur Sieben ve rli est <strong>de</strong>n Kassenbericht. Es wur<strong>de</strong> ei n Überschuss in H öhe<br />

von 6.100,- Euro erzielt. Das Geld ve rmögen beträgt 28 .600,- Euro. Damit ist<br />

wie<strong>de</strong>r eine ausreichen<strong>de</strong> fin anzielle Rückl age vorhan<strong>de</strong>n, um di e Geschäftsstelle<br />

und di e Schriftenreihe <strong>de</strong>s Vereins weiter zu fin anzieren (s iehe <strong>de</strong>taillierter<br />

Kassenbericht).<br />

Bericht <strong>de</strong>r Kassenprüfung<br />

H err Bruckmann stellt als Kassenprüfer eine ei nwandfreie Ka enführung fest.<br />

• Entlastung <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s<br />

Herr Goerlipp ist bereit, di e Entlastung <strong>de</strong> Rechners und <strong>de</strong> Vorstan<strong>de</strong>s zu<br />

beantrage n. Die Mitglie<strong>de</strong>r entlasten <strong>de</strong>n Vorstand einstimmig.<br />

• Ausblick auf das Vereinsjahr 2007<br />

Da Fa ltblatt mit <strong>de</strong>m j ahresprogramm wur<strong>de</strong> zum j ahresen<strong>de</strong> ver andt. Die<br />

j ahresexkursion ist bereits a usgebucht. Es ist eine Warteli te eingerichtet.<br />

• Anträge, Verschie<strong>de</strong>nes<br />

Prof. Reichelt fragt an, ob die technisc he Au tartung (Beamer, otebook) für<br />

seinen Vortrag vorha n<strong>de</strong>n ist. Ja, wird vo n <strong>de</strong>r Kreisbildstelle bei Bedarf ausgeliehen.<br />

Vorstellung und Ausgabe <strong>de</strong>s 50. Schriftenban<strong>de</strong>s<br />

durch die Schriftleitung<br />

Prof. Dr. Helmut Gehring stellt <strong>de</strong>n neuen Schriftenband vor.<br />

Der offizielle Teil ist um 20:45 Uhr been<strong>de</strong>t. Anschließend wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schriftenband<br />

an die a nwesen<strong>de</strong>n M itglie<strong>de</strong>r ausgegeben.<br />

Nach einer kurzen Pa use, die Zeit zu persönlichen Ge prächen ga b, hielt ab<br />

21:15 Uhr Frau Huber-Wintermantel ihren angekündigten Vortrag:<br />

Weibergeschichten - Apollonia von Henneberg und an<strong>de</strong>re Frauengestalten<br />

aus <strong>de</strong>r Z immerischen Chronik - Amüsantes und Kurioses aus <strong>de</strong>m 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

Der Vortrag en<strong>de</strong>te gegen 22:30 Uhr<br />

Fü r das Protokoll: Tilman von Kutzleben<br />

187


To bi as M artin<br />

Dr. M a nfred H offmann<br />

hruf<br />

Dona uesch ingen<br />

Dona ueschingen<br />

• To<strong>de</strong>sfälle seit <strong>de</strong>m 01 .11 .2006<br />

Ursul a Glase-Feger<br />

Ka rl-H einz Balzulat<br />

Gerhard Hurtig<br />

Gerd Schach<br />

Karl -H einz Sta<strong>de</strong>lmann<br />

Fritz Vögele<br />

Wolfgang Weigand<br />

H a ns Wenzel<br />

Ellen Zahn<br />

Dona ueschingen<br />

Dona liesch ingen<br />

Brä unlingen<br />

Meßstetten<br />

Brä unlingen<br />

Illlmendingen (s iehe achruf)<br />

Dona ue chingen<br />

Villingen-Schwenningen<br />

Dona ueschingen<br />

• Fritz Vögele zum Gedächtnis * 8. April 1922 t 27. Juli 2007<br />

Wie<strong>de</strong>r musste <strong>de</strong>r Verein für Geschichte und aturgeschi chte <strong>de</strong>r Baar<br />

von einer profilierten Persönlichkeit Abschied nehmen. Im Alter von 85 Jahren<br />

ver ta rb Fritz Vögele am 27. Juli 2007 unerwartet in <strong>de</strong>r Tuttlinger Kreisklinik.<br />

Er folgte nur wenige M onate seiner Gattin im To<strong>de</strong> nach. Bis zuletzt<br />

a ls engagierter Beira t und über viele Jahrzehnte als 1itg lied war er mit <strong>de</strong>m<br />

"Ba a rverein " eng ve rbun<strong>de</strong>n.<br />

Am 8. Apri l 1922 im heutigen Immendinger Ortsteil Zimmern geboren,<br />

teilte er das schwere Los einer Zeitgenossen. An das Abitur a m Fürstenberg<br />

Gymnasium Donaueschingen konnte sich nicht die Stu<strong>de</strong>ntenzeit anschließen,<br />

vielmehr folgte zwangslä ufi g <strong>de</strong>r Wehrdienst mit Russlandfeld zug und fünfjä<br />

hriger Gefangenschaft, a us welcher er erst im Ja hr 1949 in die Heimat<br />

zurückkehren konnte. Im da ra uf folgen<strong>de</strong>n Ja hr nahm er das Studium an <strong>de</strong>r<br />

da ma li gen Pädagogischen Aka<strong>de</strong>mie in Freiburg a uf. ach <strong>de</strong>m Examen wirkte<br />

er zunächst an <strong>de</strong>r Schule in Bräunlingen bis er 1965 al Oberlehrer an die<br />

Immendinger Schlossschule wechselte, di e er einige Zeit kommissarisch leitete.<br />

Nach ein em verdi enten Berufsleben tra t er nach <strong>de</strong>m 40-jährigen Dienstjubilä<br />

um im Juli 1984 in <strong>de</strong>n Ruhesta nd.<br />

Von einem Rückzug a uf das Altenteil konnte jedoch keine Re<strong>de</strong> sein. Bereits<br />

neben sein em Wirken als Pädagoge hatte er sich mannigfachen Interessen<br />

gewidmet. Diese weitete er in <strong>de</strong>r Folge aus. Über einen Zeitraum von 19 Jahren<br />

leitete er di e Immendinger Vo lkshochschule und war Mitglied <strong>de</strong>s Pfarrgemein<strong>de</strong>rates.<br />

Von 1979 bis zu sei nem To<strong>de</strong> verwaltete er die Gemein<strong>de</strong>bücherei.<br />

ach <strong>de</strong>m Aus chei<strong>de</strong>n a us <strong>de</strong>m Schuldienst galt sein vorrangiges Interes<br />

e jedoch <strong>de</strong>r Geschichte seiner H eima t, die er in vielen Facetten <strong>de</strong>r achwelt<br />

erschl oss. Z usammen mit <strong>de</strong>m Verfasser erarbeitete er die im Jahr 1989<br />

ersc hi enene Immendinger Ortschronik. Mit <strong>de</strong>m hochgeschätzten langjä hrigen<br />

Ippinger Pfarrer und Universalgelehrten Josef Kel ler erforschte er nicht nur di e<br />

Ge chi chte, son<strong>de</strong>rn hielt a uch die Erinnerung an das Kl o ter St. Sebastian zu<br />

Amtenhausen (1107 bis 1803) wach. Zum 80. Geburtstag w idmete er <strong>de</strong>m Ehrenbürger<br />

Josef Keller das Werk "Der steinreiche Pfa rrer und seine Gemein<strong>de</strong>".<br />

189


190<br />

Fritz Vögele mit seiner Gattin.<br />

uch di e Geschi chte <strong>de</strong>r eva ngelischen Ki rc heng mein<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Titel "Von<br />

<strong>de</strong>r Diaspo ragemeinschaft zur Kirchengemein<strong>de</strong>" stammt a u einer Fe<strong>de</strong>r. Mit<br />

Beiträgen für di e Schri ften, fasz inieren<strong>de</strong>n Vorträgen und a ls achkundiger<br />

Führer bei Besichtigungen und E kursionen brachte er ich in das Wirken <strong>de</strong><br />

" Baa rvereins" ein, wofür ihm herzlichen Da nk gebü hrt. Da rüber hina us hat<br />

Fritz Vögele mit zahll o en Verö ffe ntlichungen, Beiträgen, Beschreibungen und<br />

Broschüren a uch die Tuttlinger Heimatblätter und Kreisbücher und die Schriften<br />

benachbarter Geschichtsverein e bereichert und so sein reichhaltiges fundiertes<br />

Wi ssen a ls H eima tfo rscher <strong>de</strong>r achwelt erhalten. Er wa r es auch, <strong>de</strong>r<br />

da " Drehbuch" für di e Auftaktve ransta ltungen zu <strong>de</strong>n Immendinger Schlossfes<br />

ten schrieb und bei <strong>de</strong>n hi tori schen "Events" elbst a uf <strong>de</strong>r Bühne stand.<br />

Doch da mit war das Wirken <strong>de</strong>r weit über Immendingen hinaus hoch geachteten<br />

Persönlichkeit kein eswegs erschöpft. Fritz Vögele war <strong>de</strong>r " M otor"<br />

zu m ufba u <strong>de</strong>s Immendinger H eimatmuseum , das er bi zu letzt leitete. Al s<br />

Hi toriker pflegte er viele freund chaftli che Kontakte, so unter an<strong>de</strong>rem a uch<br />

zu <strong>de</strong>m hoch verdienten Professor Dr. Karl Siegfri ed Ba<strong>de</strong> r. ein unermüdliches<br />

Fo rschen ha t meh d ach A nerkennu ng gefu n<strong>de</strong>n. In Wü rdigung einer hera<br />

usragen<strong>de</strong>n Verdienste für die A llgemeinheit zeichnete ih n Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />

Erwin Teufel a nlässlich sein es 70. Geburtstages mit <strong>de</strong>r Ehrenna<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg au .<br />

Energi ch und selbstsicher wie eh und je mit zupacken<strong>de</strong>r Aktivität begegnete<br />

ma n Fritz Vögele bi in seine letzten Tage. lIe di e ihn kannten wer<strong>de</strong>n<br />

ihn so in lebendiger Erinnerung behalten. Fritz Vögele ha t ein reiches Werk<br />

hinterl assen, das a uch die Fachwelt noch lange an ihn erinnern wird. Der Verfasser<br />

ge<strong>de</strong>nkt in Dankba rkeit ein e beeindrucken<strong>de</strong>n M enschen, <strong>de</strong>n er a uf<br />

heimatgeschichtlichem Pfad ein e Weg trecke begleiten durfte.<br />

Franz Dreyer


Buchbesprechungen<br />

PETER MICHAEL EHRLE & UTE OBHOF (Hrsg.): Die Handschriftensammlung <strong>de</strong>r<br />

Badischen Lan<strong>de</strong>sbibliothek . Bedrohtes Kulturerbe?<br />

Gernsbach: Casimir Katz Verlag 2007; 160 Seiten, Farb- und Schwarz-weiß­<br />

Abbildungen; ISBN 978-3-938047-25-5; 19,80 Euro.<br />

Ein w ichtiges Buch. Ein mutiges Buch und eines,<br />

das Mut macht. Es zeigt, was Aufmerk ­<br />

samkeit, Z iv ilco urage und Solidaritä t in unserem<br />

Land bewirken kö nnen. Es geht da rin<br />

um <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n M edien so genannten " badischen<br />

Kulturgüterstreit" . Unmittelbar vor<br />

Unterzeichnung w ur<strong>de</strong> ein bi s da hin geheimer<br />

Vertrag zwischen <strong>de</strong>r La n<strong>de</strong>sregierung<br />

und <strong>de</strong>m H a u Ba<strong>de</strong>n bekannt. Wertvoll e<br />

Ha ndschrifte n <strong>de</strong>r Badi schen La n<strong>de</strong>sbibliothek<br />

(BLB) im Wert von 70 Millio nen Euro<br />

soll ten a n das Ha us Ba<strong>de</strong>n ve rä ußert wer<strong>de</strong>n,<br />

um alte Ansprüc he zu befriedigen. Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />

O ertinger formulierte: H andschriften<br />

gegen Rechtss icherheir. Der bi dahin a hnungslose<br />

Bi bli o theksdirektor PETER MICH­<br />

AEL EHRLE machte da ra ufhin unmissverständlich<br />

kl ar, da s dieser Verk a uf d ie Z erstö<br />

rung <strong>de</strong>r weltbeka nnten Sa mmlung be<strong>de</strong>ute.<br />

In dieser Sa mmlung ind Ha ndschriften<br />

<strong>de</strong>r unterschiedlichsten H erkunft vereinr. Es<br />

find en sich a ußer von <strong>de</strong>m Ha us Ba<strong>de</strong>n überko<br />

mmenen vo r a llem H a ndschriften a us<br />

Klosterbesitz. H andschriften von <strong>de</strong>r Reichena<br />

u und Sr. Peter im Schwarzwa ld , um nur<br />

zwei Kl öster a us unse rer ä he anzuführen,<br />

do kumentieren die Arbeit <strong>de</strong>r mirrelalterli ­<br />

chen Schreibwerkstätten.<br />

Mit <strong>de</strong>m da ra ufhin im September 2006<br />

ein setzen<strong>de</strong>n in - und a uslä ndischen M ediensturm<br />

und <strong>de</strong>r weltweiten So lida ritätsaktio n<br />

ha tte die La n<strong>de</strong>s regierung nicht gerechnet.<br />

Da ra ufhin wur<strong>de</strong> eine Expertengruppe a us<br />

Juristen und Historikern von <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>s regierung<br />

eingesetzt, welche di e Eigentumsverhä<br />

ltnisse a n <strong>de</strong>n Sammlungsgegenstä n<strong>de</strong>n<br />

gena u prüfen sollten. Para llel daZll harten Peter<br />

MI CHAEL EHRLE, und di e Leiterin <strong>de</strong>r<br />

H andschriftenabteilung, UTE O ßHOF, in <strong>de</strong>n<br />

Rä umen <strong>de</strong>r Bibliothek eine Ausstellung mit<br />

<strong>de</strong>n bedro hten Schätzen vorbereitet die von<br />

einem breiten Publikum unerwa rtet großen<br />

Zuspruch erhielt. Dies wi<strong>de</strong>rlegt di e Ansicht<br />

<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung, die H andschriften<br />

dürften verkau ft wer<strong>de</strong>n, weil sich nur wenige<br />

Fachleute da für interessierten.<br />

Der Verkauf <strong>de</strong>r H a ndschri ften ist zwar<br />

fürs erste, a ber nicht endgültig vom Tisch.<br />

Dieser Tabubruch, m it Kulturgütern Geld zu<br />

machen, wird in Z ukunft, wenn keine Gegenwehr<br />

ko mmt, zunehmen.<br />

Aus persönlichem Engagement und a us<br />

Sorge um die Zukunft <strong>de</strong>r H and chriften<br />

und <strong>de</strong>r la n<strong>de</strong> eigenen Kulturgüter allgemein<br />

ist dieses Buch entsta n<strong>de</strong>n. PETER MICHAEL<br />

EHRLE und UTE O BHOF sind die Herausgeber.<br />

Die e bei <strong>de</strong>n Staatsbeamten stellen sich<br />

schützend vor unse re Bücher. Si e sehen di e<br />

Gefa hr nicht geba nnt. Deswegen wollen sie<br />

mit diesem Buch a ufklären und warnen. E<br />

möchte zu<strong>de</strong>m sensibi lisieren für <strong>de</strong>n Umgang<br />

<strong>de</strong>r Po litiker mit <strong>de</strong>n ihnen anvertrauten<br />

Kulturgütern, la utet doch <strong>de</strong>ren gesetzlicher<br />

Auftrag, die Denkma le <strong>de</strong>r Kunst, <strong>de</strong>r<br />

Geschichte und <strong>de</strong>r 'atm ZlI schützen und<br />

zu pflegen .<br />

Außer EH RLES Beiträgen, (e r fasst die<br />

w ichtigsten Ereignisse <strong>de</strong>s Kulturgüterstre its<br />

vom September 2006 bis zur Drucklegung<br />

<strong>de</strong>s Buches im Januar 2007 zusammen) und<br />

UTE O BHOF, (welche die Herkunft <strong>de</strong>r weltbekannten<br />

H a ndschriftensa mm lu ng darstellt<br />

191


gen<br />

Haus <strong>de</strong>r Geschichte Ba<strong>de</strong>n Württemberg (Hrsg.) : A<strong>de</strong>l und Nationalsozialismus<br />

im <strong>de</strong>utschen Südwesten; G. Braun Buchverlag: Karlsruhe 2007; 240 Seiten,<br />

14 Schwarz-weiß-Abbildungen; ISBN 978-3-7650-8373-0; 12,90 Euro<br />

"Und in dieser ungeheueren Konfusion tat<br />

<strong>de</strong>r A<strong>de</strong>l gra<strong>de</strong> das Allerungeschicklichsre.<br />

Anstarr die im Sturm umherflattern<strong>de</strong>n Zügel<br />

kraft hö herer Intelligenz kühn zu erfassen,<br />

isolieree er sich stOlz gro ll end und meinte,<br />

durch H ass und Verachtung die ei lfertige<br />

Zeit zu bezwingen."<br />

KOll fusion und Sturm in ein er eilfertigen<br />

Zeit, in <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>l als politische Kraft und mit<br />

sei ner A<strong>de</strong>ligkeit gefra gt war und zugleich<br />

versagt hat: damit könnte di e AristOkratie im<br />

Dritten Reich gemeint sein . Doch das Zita t<br />

sta mmt von Joseph von Eichendorff. Er hat<br />

die Ro lle <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls während <strong>de</strong>r Revolu tion<br />

von 1848/4 9 beobachtet und - wie a uch in<br />

<strong>de</strong>m Gedicht All einen Unedlell VOll A<strong>de</strong>l -<br />

festgestellt, dass es eine Aufgabe sei, "all es<br />

Große, Edle und Schöne ritterl ich zu wahren"<br />

und fortschrittliches mit konservati vem<br />

Denken zu verbin<strong>de</strong>n.<br />

Da s ä hnl iche Ansprüche a uch an Te il e<br />

<strong>de</strong>s südwest<strong>de</strong>utschen A<strong>de</strong>ls während jener<br />

fünfzehn un eligen Ja hre gestellt wur<strong>de</strong>n und<br />

w ie unterschiedlich ein ze ln e AristOkraten<br />

und ihre H ä user - bekannrlich pfl egte <strong>de</strong>r<br />

obersc hwä bische A<strong>de</strong>l noch An fa ng <strong>de</strong>s 20.<br />

J ahrhun<strong>de</strong>rts ganz bewusst seine Staatsferne,<br />

während später Erich Fürst von Waldburg­<br />

Zeil <strong>de</strong>n Natio na lsozia lismus energisch<br />

bekä mpfte - damit umgingen, ist 2006 im<br />

Haus <strong>de</strong>r Geschichte Ba<strong>de</strong>n-Würrremberg<br />

auf einer Fachtagung untersucht wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren<br />

Beiträge mit einer Ausnahme jetzt gedruckt<br />

und übera rbeitet vorliegen.<br />

Die Erinnerun g an C laus Graf<br />

Schenk von Stauffenbergs 100. Geburtstag<br />

im ovember 2007 und<br />

die Eröffnung <strong>de</strong>r Stauffenberg­<br />

Ge<strong>de</strong>nkstätte Im La utlinger<br />

Schl oss lenken in CHR ISTO PHER<br />

D O\XIES Beitrag <strong>de</strong>n Blick <strong>de</strong>s Lesers<br />

a uf jene würrtembergische<br />

A<strong>de</strong>lsfamilie, in <strong>de</strong>r sich (ur)a<strong>de</strong>liges<br />

Selb tverständnis mit <strong>de</strong>n<br />

neua<strong>de</strong> ligen Vorstellungen <strong>de</strong><br />

Kreises um Stefan George verbun<strong>de</strong>n h arte,<br />

eine H a ltung, die Ale a n<strong>de</strong> r, <strong>de</strong>n Bru<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Hitler-Attentä ters und Münchner Geschichtsprofessor,<br />

noch 1960 in seinem Oberemina<br />

r - <strong>de</strong>r Rezensent kann es bezeugena<br />

usgezeichnet hat.<br />

Und d as H a us Fürstenberg? Die kürzlich<br />

erschi ene " Aufstellung über <strong>de</strong>n hohen A<strong>de</strong>l<br />

Deutschl ands in <strong>de</strong>r SDAP", schreibt THO­<br />

MAS SCHNABEL im Vorwo rt, erwä hne "einige<br />

Adlige a u <strong>de</strong>m Südwesten (z .B. a u <strong>de</strong>n Fa ­<br />

m ilien Fürstenberg)". M ehr über F.F. find et<br />

sich in <strong>de</strong>r Referatesammlung nicht.<br />

Ein paa r Z ei len erhä lt <strong>de</strong>r (nach Unterstaatssekretä<br />

r Andor Hencke) " Hitler blind<br />

mit Leib und Seele ergebene", im Grun<strong>de</strong><br />

"Iandfrem<strong>de</strong>" (Schnabel) SA-Obergruppenführer<br />

Dietrich von Jagow, w ä hrend <strong>de</strong>r<br />

"stets nach H öherem streben<strong>de</strong>" Ernst von<br />

Weiz äcker und <strong>de</strong>m mehr a ls bloß in das nationa<br />

Isozia li sti sche Unrecht "verstrickten "<br />

Ko nsta ntin von Neurath <strong>de</strong>r Aufsa tz von<br />

RAINER BLAS lus "Das a lte Amt und die neue<br />

Z eit" gilt; <strong>de</strong>r sechs J a hre a ls Außenminister<br />

amtieren<strong>de</strong> und stolz in <strong>de</strong>r Uniform eines<br />

SS-Gruppenführers posieren<strong>de</strong> Freiherr wur<strong>de</strong><br />

(a n an<strong>de</strong>rer Stelle) wohl zu Recht " das<br />

Aushä ngeschild <strong>de</strong>r Hitler-R egierung" genannt.<br />

Ihrer M axime, " im Di enst zu bleiben,<br />

um Schlimmeres zu verhüten" und sein Land<br />

nicht im Stich zu la ssen, " weil es ei ne<br />

schlechte Regierung hat", wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r<br />

jüdische Ba nkier Carl Melchior: Seiner Regierung<br />

dürfe ma n nur dann dienen, wenn<br />

ihr Menschlichkeit und Gerechtigkeit<br />

heilig seien. Und das wollen<br />

bei<strong>de</strong> nicht erkannt haben?<br />

Ein nüchternes Resümee zieht<br />

am En<strong>de</strong> ECKARD Co 'ZE: A<strong>de</strong>lsgeschichte<br />

im ationalsoziali mus<br />

und Wi<strong>de</strong>rstandsgeschichte seien<br />

nicht i<strong>de</strong>ntisch. Einen Wi<strong>de</strong>rstand<br />

von Adl igen habe es gegeben, einen<br />

Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls jedoch<br />

nicht.<br />

193


Wege aus <strong>de</strong>r Armut· Ba<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 19.Jahrhun<strong>de</strong>rts . Herausgegeben<br />

von RAINER BRÜNING und PETER EXNER . Lan<strong>de</strong>sarchiv Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

/ Generallan<strong>de</strong>sarchiv Karlsruhe . Karlsruhe 2007; 60 Seiten mit <strong>51</strong> Abbildungen;<br />

ISBN 3-930158- 14-0; 10,- Euro<br />

Die Begleitbroschüre zu r Ausstellung im<br />

So mmer 2007 zeichnet in drei Ka piteln je nes<br />

ha lbe Ja hrhun<strong>de</strong>rt Sozia lgeschichte nach, in<br />

<strong>de</strong>m Ta use n<strong>de</strong> Ba<strong>de</strong>ner ve ra rmten, ve relen<strong>de</strong>ten,<br />

verhungern<strong>de</strong>n und in <strong>de</strong>m selbst das<br />

sonst bei pielhafte " Musterl ä ndle" nur la ngsa<br />

m a u <strong>de</strong>n Missstä n<strong>de</strong>n hera usfa nd o<strong>de</strong>r<br />

herau geführt wur<strong>de</strong>. Di ese Kri sen werd en<br />

kundig belegt beschrieben und schön illustriert.<br />

Eine Pfä ndung wie die a uf <strong>de</strong>m Gema<br />

rkungspla n fü r Wo lfenweil er kö nnte in<br />

Wo rten ka um a nscha ulicher w irken.<br />

Der so geschil<strong>de</strong>rte drasti che ie<strong>de</strong>rgang<br />

<strong>de</strong>r Landwirtscha ft wird <strong>de</strong>n Leser ve rwun<strong>de</strong>rn<br />

, <strong>de</strong>r sich noch an d ie Beschreibung <strong>de</strong>s<br />

bä uerli chen Lebens auf <strong>de</strong>r Baar erinnert.<br />

Um 1. 800 lebte ma n a uf <strong>de</strong>m La n<strong>de</strong> zwa r<br />

nicht in Sa us und Bra us, a ber doch so, da s<br />

ma n gelegentlich a uf Rindfleisch gern e<br />

zugunsten von (fetterem ) Schwein ern em ve rzichten,<br />

sich an allerlei chma lzigem - Krapfen,<br />

Küchle, Gugelhupfen - und Ge chmä lztem<br />

(Herd ä pfel und Sa uerkra ut) nach <strong>de</strong>m<br />

Grundsatz "Je fetter <strong>de</strong>sto bes er" laben und<br />

<strong>de</strong>n Durst mit fri scher Milch a u <strong>de</strong>m<br />

" Liirekübel" o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m reinen Brunnenwasser<br />

a us <strong>de</strong>m " Lägel" still en ko nnte. pätesten<br />

nach <strong>de</strong>r Missernte von 18 "16 wa r e<br />

d amit für eine Zeitl a ng vorbei .<br />

Der o ft ge chil<strong>de</strong>rte städtische Ka mpf<br />

ums tägliche Brot in<strong>de</strong>ssen kommt im La nd,<br />

d as Otto von Freising einst als die vis m ax ima<br />

reglli, die " Stürze <strong>de</strong>s Reiches", a nsah,<br />

viel pä ter vor und nicht in <strong>de</strong>m Au smaß.<br />

Kin<strong>de</strong>ra rbeit (" Hüte- und Schwa benkin<strong>de</strong>r")<br />

gibt es vo rlä ufig nur in <strong>de</strong>r La ndwirtscha<br />

ft und Fra uena rbeit hin und wie<strong>de</strong>r in<br />

M annheim und in Pfo rzheim.<br />

Sie geißelt fä lschlich a ls weit ve rbreitet<br />

Fra nz Josef Buß. Se in e Fa brikre<strong>de</strong> (] 837)<br />

erö ffn et das Kapitel " Reaktionen ", in <strong>de</strong>m<br />

a uch di e Pogrome von ] 819 und 1848<br />

(" Freiheit, Gl eichheit - a ber d 'Ju<strong>de</strong> min umbracht<br />

si") und <strong>de</strong>r turm a uf Rentä mter und<br />

Archi ve im Ja hre J 848 zu bekl agen sind.<br />

Was hat nun in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Ka pitel Lösungen<br />

<strong>de</strong>r Abschnitt Das Mäl1l1ergefängnis<br />

ZI/ Bruchsal zu suchen ? Umgehend wird einem<br />

Li ebha ber <strong>de</strong>s Badner Li eds und seiner<br />

umgedichteten Verse: " In ruttgart ist die Resid<br />

enz . 1n Bruchsa l i t <strong>de</strong>r Knast· In Rasta tt<br />

ist die Festung · Und das ist Ba<strong>de</strong>ns Last"<br />

kl a r gemacht, dass " Bruch a l a uch eine Antworr<br />

(war) a uf di e oziale Frage". Wur<strong>de</strong>n<br />

doch Unruhe tifter und Verbrecher fes tgesetzt<br />

und vo n <strong>de</strong>m a n tändigen und fle ißigen<br />

Bürger a lias Spießbürger ferngeha lten.<br />

Weitere Lösungen ko mmen "von o ben" ­<br />

di e Großherzogin n! phanie ruft <strong>de</strong>n Badischen<br />

Fra uenverein in s Leben - und "von<br />

unten", wo sich H andwerkergesellenund di e<br />

za hlreicher wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Industriearbeiter zusa<br />

mmenschließen und meist vergebens Freiheit<br />

Mitbeteiligung fo r<strong>de</strong>rn. Viele verzagen<br />

und riski eren es, in ein e vermeintlich bessere,<br />

in die eue Welt a uszuwan<strong>de</strong>rn, schi er<br />

verzweifelt d as La nd <strong>de</strong>r Amerika ne r mit<br />

knurren<strong>de</strong>m M agen suchend.<br />

URI R. KAUFMANN: Kleine Geschichte <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n in Ba<strong>de</strong>n<br />

Karlruhe: G. Braun Buchverlag 2007; 224 Seiten, 57 Abbildungen, 5 Karten;<br />

ISBN 978-3-7650-8346-8; 16,90 Euro<br />

Au Euerem Buch ha be ich etwa sehr Wertvolles<br />

erfahren" , mei nte <strong>de</strong>r Ra bbi. - " Da<br />

ist für mich ein gro ßes Ko mpl iment." - "Ja,<br />

ich wus te nä mlich nicht das es in K. eine<br />

Druckerei gibr. "<br />

194<br />

un ha t frei lich im vorliegen<strong>de</strong>n Fa ll <strong>de</strong>r<br />

Rezensent di e huzpe <strong>de</strong>s Ra bbis in <strong>de</strong>m von<br />

Sa lci a La ndma nn überlieferten jüdischen<br />

Wirz nicht in <strong>de</strong>n fa lschen Hals beko mmen.<br />

Er ha t viel gelernt, jedoch mit großem Unbe-


hagen erfahren müssen, dass und wie Antijudaismu<br />

und rassi tischer Antisemitismus<br />

a uch in Ba<strong>de</strong>n ihr böses, unsittl iches und<br />

teufli sches Spiel getrieben, dass sich in Pogro<br />

men uns heute unerklä rliche Wut, Angst<br />

und später auch eid entla<strong>de</strong>n ha ben und<br />

dass es nach H anna h Arendt bitter-ironi ­<br />

sc her Ein schätzung lange Zeit ge timmt hat,<br />

vor diesem Treiben sei "man nur noch a uf<br />

<strong>de</strong>m M o n<strong>de</strong> sicher ".<br />

Und nicht einma l unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ko mmen<br />

badische Ju<strong>de</strong>n zur Ruhe. Ihnen wird nachgestellt,<br />

o hne Sinn und Versta nd, w ie di e<br />

Schändung ihrer Grä ber durch vier Rec htsradika<br />

le in Lhringen im Sommer 2007 zeigt.<br />

Aus KAuFMA r I S re ich bebil<strong>de</strong>rtem Büchlein<br />

erfährt ma n nun, dass in eben dieser Kaisertuhlgemein<strong>de</strong><br />

um 1870 9% <strong>de</strong>r Bevölk erung<br />

ju<strong>de</strong>n waren, di e <strong>de</strong>n Gottesdienst in<br />

<strong>de</strong>r wenige Jahre zuvor Synagoge gebauten<br />

besuchen konnten, bis Nazis in <strong>de</strong>r ominösen<br />

Krista llnacht 1938 dieses Zeugni<br />

s jüdischen Lebens zerstörten.<br />

Auch im benachba rten Endingen,<br />

wo Reliq ui en <strong>de</strong>r "Unschuldigen<br />

Kin<strong>de</strong>r" in <strong>de</strong>r Peterskirche a ufbewahrt<br />

waren und wo ] 462 d rei<br />

<strong>de</strong>r H ostienschändung und <strong>de</strong><br />

Ritua lmords verdächtigte Onkel<br />

<strong>de</strong>s gelegentlich am Ka i erlichen<br />

H ofgericht in Rorrweil tä tigen<br />

Obera nwa lts a ller <strong>de</strong>utschen Ju<strong>de</strong>n,<br />

j osel von Rosheim (neben-<br />

"'-.............<br />

bei: ein Z iel <strong>de</strong>r letzten j a hresexkursio n <strong>de</strong>s<br />

<strong>Baarverein</strong> s), hingerichtet wur<strong>de</strong>n, war maßloser<br />

Frem<strong>de</strong>nhass an <strong>de</strong>r Tagesordnung.<br />

Der Autor re<strong>de</strong>t Tachles: Werner achmanns<br />

zweifelh afte Fina nzgeschäfte und seine<br />

Verteidigung <strong>de</strong>r Ro lle, die H ans Filbinger<br />

a ls M a rinerichter gespielt hat, kritisiert er<br />

ebenso w ie di e mitunter lässige Entnazifi zierung<br />

o<strong>de</strong>r di e schl eppen<strong>de</strong> Wie<strong>de</strong>rgutl11achungspo<br />

litik nach 1949. Und Kummer machen<br />

ihm, w ie bei wachsen<strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>mitgli<br />

e<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Synagogenbesucb eher<br />

a bnimmt und dass fast die H ä lfte <strong>de</strong>r jüdischen<br />

Fa milien ihre Kin<strong>de</strong>r nicht (mehr) in<br />

<strong>de</strong>n Religio nsunterricht schicken.<br />

D er " Kleinen Geschichte <strong>de</strong>r ju<strong>de</strong>n in Ba<strong>de</strong>n<br />

" sind ein Glossar, eine Zeittafel, Listen<br />

<strong>de</strong>r Friedhö fe und Synagogen (a ber kein amen-<br />

und Sachregister) beigefügt; Internet­<br />

Lin ks und das teil weise kommentierte Litera<br />

ru rverzeichnis helfen bei Weiter<strong>de</strong>nken<br />

und -arbeiten. Was Ka rl j aspers<br />

1955 über Hanna h Arendts An­<br />

tisemitismus-Srudie gesagt hat,<br />

t.; .. l.l.*- gilt jetzt für KAUFMA I NS Pa no<br />

rama: " Der Geist <strong>de</strong>r Wa hrhaftigkeit<br />

ist in ihm am Werke, um<br />

rea le Erkenntnis zu gewinnen,<br />

wo hl wissend, dass die ganze<br />

und vollstä ndige Erkenntnis<br />

nicht erreichba r ist, bereit, a uf<br />

Grün<strong>de</strong> zu hö ren, die mit Ta tsachen<br />

operi eren. "<br />

JUDE'" IN BADEN<br />

Die Protokolle <strong>de</strong>r Regierung von Ba<strong>de</strong>n · Erster <strong>Band</strong>: Die Lan<strong>de</strong>sverwaltung<br />

Ba<strong>de</strong>n und das Staatssekretariat Wohleb 1945-1947 . Bearbeitet von KURT<br />

HOCHSTUHL . Herausgegeben von <strong>de</strong>r Kommission für geschichtliche Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong><br />

in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg . Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 2006; XCIX<br />

und 240 Seiten; ISBN- 13: 978-3- 17-019225-6; 28,- Euro<br />

Am Anfa ng wa r die Acht am Rhein , jener<br />

nach 1945 von Fra nkreich besetzte <strong>de</strong>utsche<br />

Südwesten, <strong>de</strong>ssen Achterkopf das neue<br />

Rheinla nd-Pfa lz, <strong>de</strong>ssen " Ba uch" unterha lb<br />

<strong>de</strong>r Ta ille, Süd-Ba<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>te und <strong>de</strong>ssen bei<strong>de</strong><br />

Teile g roßenteils ein riesiges Fragezeichen<br />

bil<strong>de</strong>nd Vater Rllein umfloss.<br />

" Wer wi ll <strong>de</strong>s Stro mes Hüter sein? " dichtete<br />

einst Max Schneckenburger, eine Frage,<br />

d ie sich ähnlich jetzt zuerst einma l <strong>de</strong>r<br />

Besa tzungsmacht stellte: D as "Teile!" war<br />

geschafft, jetzt musste das "H errsche!" fo lgen.<br />

Im Kl a rtext hieß das für die Fra nzosen,<br />

von ihnen kontro lli erte und von Deutschen<br />

getragene provisorisc he Verwa ltungs- und<br />

Regierungsorgane, so gena nnte Kabinette, zu<br />

berufen und dieser Ersten Gewa lt exekutive<br />

Befu gnisse zu geben. Eine ko ntrollieren<strong>de</strong><br />

195


und mitve rantwortliche weitere Gewa lt, eine<br />

Legislative, wa r noch nicht vorgesehen; sie<br />

konstituierte sich a ls beraten<strong>de</strong> Lan<strong>de</strong>sversammlung<br />

erst En<strong>de</strong> 1946.<br />

D ie Protokolle <strong>de</strong>r Sitzungen <strong>de</strong>r Kabinette<br />

- erst ein Rat <strong>de</strong>r Ministerialdirektoren,<br />

dann d ie Lan<strong>de</strong>sverwaltung Ba<strong>de</strong>n, die in das<br />

Staat sekreta ria t Wo hleb i.iberging - liegen<br />

nun gedruckt und sorgfä ltig kommentiert<br />

vor. Wer fre ilich trocken-la ngweilige N ie<strong>de</strong>rchriften<br />

erwartet und sich über a usufern<strong>de</strong><br />

Konferenzitis a ufregt, wird rasch eines Besseren<br />

belehrt.<br />

Denn erstens kann sich <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Regional-<br />

und La n<strong>de</strong>sgeschichte <strong>de</strong>r achkriegszei<br />

t lnreressierte ein gutes Bild davon machen,<br />

was Graswurzel<strong>de</strong>mokratie be<strong>de</strong>utet<br />

und wie das za rte Pflänzchen Vol ksherrscha ft<br />

la ngsam wuchs. D er Verwa ltungsrechtler<br />

ka nn zweitens ei nmal <strong>de</strong>n Aufbau ein er ormenpyra<br />

mi<strong>de</strong> srudieren und sehen: So funkti<br />

o ni erte a n <strong>de</strong>r Ba sis Verwa ltungsha n<strong>de</strong>ln,<br />

so wirkten bisla ng o hne gesetzliche und verfassungsmäßige<br />

Regelungen die Verwaltungsakte,<br />

Verwa ltu ngsvorschriften und<br />

Rechtsverordnungen. Drittens: Was be<strong>de</strong>utete<br />

" Regieren "? Demo nrage und Reparationen,<br />

M angelverwaltung und Wie<strong>de</strong>ra ufba u,<br />

Ern ä hrungslage un d Vergangenheitsbe\ ä lti ­<br />

gung: solche Themen sta n<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r<br />

a uf <strong>de</strong>r Tagesordnung.<br />

Aber a uch mit (heute wie<strong>de</strong>r aktuell en)<br />

Pl änen, d ie Eisenbahnen zu priva ti sieren<br />

o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Verbot von Fasnetsveranstaltungen<br />

lind von a rrenrreiben (1947) mussten<br />

sich die zu Konsens verpfl ichteten und<br />

konkordanz<strong>de</strong>mokratisch a rbeiten<strong>de</strong>n Kabinette<br />

beschäftigen, in die all e Pa rteien - die<br />

Badi sch-Christlich-Soziale Volkspa rtei, di e<br />

Soziali tische Partei, di e Demokratische Pa rtei<br />

und die Ko mmunistische Partei - ihre Vertreter<br />

(Staatssekretä re und Staatskommissare)<br />

enrsandten.<br />

Dass Überlegungen, 1946 einen Schwäbi<br />

sch-a lema nnischen H eim a tbund (Fra nz<br />

M e<strong>de</strong>rle, Bernhard Dietrich) o<strong>de</strong>r einen Südbund/Süd<br />

taat, eine Südba<strong>de</strong>n-südwürttemberg<br />

isch-ho henzollerische Konfö <strong>de</strong>ration<br />

(Pa ul Z ürcher; Orto Feger: Hauptstadt Rottwei<br />

l) zwar publizistisch erörtert wur<strong>de</strong>n, nur<br />

in offiziell bei Ko ntakten etwa zwischen Leo<br />

Wo hl eb und Lorenz Bock zur Sprache kamen<br />

und so nach Ciceros " Quod no n est in anis,<br />

non est in mundo" ("Was nicht in <strong>de</strong>n Akten<br />

steht, e istiert nicht") nie aktenkundig wur<strong>de</strong>n,<br />

ist nicht weiter verwun<strong>de</strong>rlich. Denn<br />

einma l waren die Deutschen in dieser Frage<br />

uneins und a ußer<strong>de</strong>m hatten die am lä ngeren<br />

Hebel sitzen<strong>de</strong>n Franzosen und Amerikaner<br />

(fLi r ord-Ba<strong>de</strong>n) ganz an<strong>de</strong>re Pl äne.<br />

Reste zweier eigenstä ndiger Ba<strong>de</strong>n find en<br />

sich heute noch auf <strong>de</strong>n Fu ßba ll fel<strong>de</strong>rn. Rastä<br />

tter und Weiler kicken nä mlich in <strong>de</strong>r<br />

" Südbadischen" , Durlacher und Weinheimer<br />

dagegen in e in er (nord-) " Badischen Verband<br />

li ga". Offenbar liegen aber auf <strong>de</strong>m<br />

\Xfeg zu einer Ba<strong>de</strong>n-Liga (o<strong>de</strong>r gar zu ein er<br />

" Ba<strong>de</strong>n-Württemberg-Liga") noch so viele<br />

Stolpersteine, dass Einheit fan s wohl noch<br />

ein e Weile warten müssen, bis "zu a mmenwächst,<br />

was zusa mmengehört". Und wer<br />

schmunzelt nicht darüber, dass <strong>de</strong>r neue siidbadische<br />

Regierungspräsi<strong>de</strong>nt er ten Julian<br />

Wiirtenberger heißt, zweitens im Stuttgarter<br />

taatsmini terium gearbeitet hat und drittens<br />

gebürtiger Freiburger ist ?<br />

ARMIN KOHNLE: Kleine Geschichte <strong>de</strong>r Markgrafschaft Ba<strong>de</strong>n; Leinfel<strong>de</strong>n-Echterdingen:<br />

DRW-Verlag Weinbrenner 2007; 208 Seiten mit 4 5 Abbildungen,<br />

6 Karten und 6 Stammtafeln; ISBN 978- 3- 7650- 8346- 4 ; 14,90 Euro<br />

Den genea logisch interessierten Lese r freut es<br />

bestimmt, zuallererst die sechs Stammta feln<br />

durchzuarbeiten, di e <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger Hi -<br />

toriker sei nem ha ndlichen Buch beigegeben<br />

har. D as Geäst dieser Bäume bezeugt nä mlich<br />

das viel verzweigte Leben <strong>de</strong>r Geschlech-<br />

196<br />

ter, <strong>de</strong>ren Wurzel n weit ins 1.1. Ja hrhun<strong>de</strong>rt<br />

reichen und a us <strong>de</strong>nen 1806 da nk a po leon<br />

ogar Großherzöge erwach en.<br />

Ein solcher Einstieg in die Lektüre vermittelt<br />

einen guten Eindruck davon, wie<br />

H errscherfamil ien - Edward Gibbon lässt


Buchbespr<br />

von Ferne grüßen - a ufsteigen und untergehen:<br />

Bemerkungen wie "erl oschen" o<strong>de</strong>r<br />

" Linie ausgestorben" und die Stichwö rrer<br />

" Z ähringen ", "Hachberg", " Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n ",<br />

" Ba<strong>de</strong>n-Durlach" weisen hin a uf die bewegten<br />

und mitunter bewegen<strong>de</strong>n Brüche in <strong>de</strong>r<br />

Ge chichre <strong>de</strong>r Markgra fscha ft, im G run<strong>de</strong><br />

eine Historie <strong>de</strong>r Teilungen, ka meral-, wirtscha<br />

fts- und sozia lgeschichtlich sowie geistesgeschichtlich<br />

begrün<strong>de</strong>t.<br />

" D C heerze sprütze bi -n-em ", w ür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Al emanne sagen und übersetzen dass <strong>de</strong>r<br />

Autor gute Einfä lle har. Über di e bl oße (und<br />

fachkundig ko mmentierte) Wie<strong>de</strong>rgabe von<br />

Sta mmtafeln und über ein e nüchterne Da tenund<br />

Fa ktensammlung hina us wird die Po litik<br />

<strong>de</strong>r M a rkgrafen beschrieben, gewertet undpro<br />

blema ti siert. Eine relll e<br />

M ä nner Geschichre und Frauen nm Geschichten<br />

machten.<br />

Ein Beispiel für quellen kritisches Arbeiten<br />

ist die Beha ndlung <strong>de</strong>s H ei<strong>de</strong>lberger Vertrags<br />

von 1380. Eine sachgerechte Interpretation<br />

<strong>de</strong>s Textes umra hmt einen grauen und scharrierten<br />

Ka sten, <strong>de</strong>r die gut para phrasierten<br />

Besrimmungen <strong>de</strong>s einmal a ls " Kerndokumenr<br />

<strong>de</strong>r badischen Geschichte" bezeichneten<br />

Pa piers enthälr. Zwa r müsse die M a rkgra<br />

fscha ft Dichr (wie spä rer Schleswig-H o lstein<br />

) " up ewig unge<strong>de</strong>elt" bleiben, in mehr<br />

a ls zwei Teile dürfe das La nd jedoch nicht<br />

zerfa llen.<br />

Am En<strong>de</strong> info rmiert ein a nno ri erres Literaturverzeichnis<br />

über <strong>de</strong>n Forschungsstand<br />

und das Bild, w ie ich die badische M a rkgra<br />

fschaft <strong>de</strong>rzeit darstellt. Ein<br />

M a rkgrafengeschi chte, Ge- ......,


ihnen beserzren und bewirtscha fteten Land<br />

und macht 0 ve r tä ndlich, wie das System<br />

ma l gut funktio ni ert und gelegentlich ma l<br />

weniger reibungslos gearbei tet hat. Da bei ist<br />

nicht a ll ein di e Ta tsache interessa nr, dass<br />

1442 Ludwig I. 13 l besaß und Ulrich V. 140<br />

Lehen mä nner ha tte, son<strong>de</strong>rn mit welcher<br />

So rg fa lt <strong>de</strong>ren a men auf Li ten und in Reperto<br />

rien erfasst, beurkun<strong>de</strong>t und in Lehensbücher<br />

eingetragen wur<strong>de</strong>n.<br />

Der Autor will die vielfä ltige M a teri e vor<br />

<strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Le er übersichtlich geglie<strong>de</strong>rt<br />

a usbreiten, übertreibt es a ber gelegentlich<br />

mit <strong>de</strong>m Dezima lklassi fi zieren (bi s zu fün f<br />

Unrerpunkten ), durch das Ka pirelchen mit<br />

weniger a l ze hn Z eilen enrstehen. Dennoch:<br />

di e vielen kurze n Zwisc henbila nzen sind<br />

leserfreundliche Denk- und Be innungs pa usen,<br />

bil<strong>de</strong>n die richtigen Gelenkste Il en und<br />

stellen (mit <strong>de</strong>n a usführlichen Orts- und Personenregistern<br />

) pas en<strong>de</strong> Weichen.<br />

Die Verzeichnisse <strong>de</strong>r Lehensrichter,<br />

Urteil er und Für precher sowie die dazu<br />

gehö ren<strong>de</strong>n Ka pitel über <strong>de</strong>n wümembergischen<br />

Lehensgerichtsprozess zeigen die<br />

Schattenseiten <strong>de</strong>r Einrichtung auf. So<br />

erschwerte etwa die fa ktische ichtenrziehba<br />

rkeit von eigens überlassenen Lehen di e<br />

löglichkeit <strong>de</strong>s Lehensherrn zu dispo nieren.<br />

Au ßer<strong>de</strong>m erwuchsen a us <strong>de</strong>m Recht, mehrfache<br />

Lehensbindungen einzugehen, mitunter<br />

ti efgreife n<strong>de</strong> Schwierigkeiten.<br />

Abbildungen von Urkun<strong>de</strong>n a us <strong>de</strong>m<br />

Sruttgarter Haupt taatsarchiv veranscha uli ­<br />

chen einzelne Vo rgänge, Lehensbriefe und<br />

-reverse ein er Arbeit, um die auch a usgewiesene<br />

Sachk enner und Fachleure nicht herumkommen.<br />

KARL FRIEDRICH LINNEBACH: Lebenserinnerungen eines badischen Bahnbeamten<br />

Reihe Südwest<strong>de</strong>utsche Persönlichkeiten· Herausgegeben vom Haus <strong>de</strong>r<br />

Geschichte Ba<strong>de</strong>n-Württembergs . Karlsruhe: G. Braun Buchverlag 2007; XII<br />

und 276 Seiten mit 39 Abbildungen; ISBN 978-3-7650-8348-8; 16,80 Euro<br />

Ein 80-Jä hriger mit einem be o n<strong>de</strong>ren<br />

Schicksa l ha t das Recht, zurückblickend sich<br />

selber a nzu ehen, di e Erlebnisse ni e<strong>de</strong>rzuschreiben<br />

lind Freund und Feind noch erwas<br />

zu sagen. Das da rf jedoch nicht mit <strong>de</strong>m Mienenspi<br />

el <strong>de</strong>r " Tiefe" und m ir <strong>de</strong>r Geste geistiger<br />

Überlegenheit ge chehen, o n<strong>de</strong>rn muss<br />

a llein von <strong>de</strong>r Wa hrheit bestimmt se in , di e<br />

durch Erfahrung und Nach<strong>de</strong>nken erwi esen<br />

ist und Wissen heißt. Und es da rf kein e an<strong>de</strong>re<br />

Quelle <strong>de</strong>r Wa hrheit geben a ls Erfa hrung,<br />

Denken, Wissen.<br />

ich beim Schreiben sein er Leben erinnerungen<br />

dara n zu ha lten, ist fre ili ch nicht<br />

leicht, Ka rl Friedrich Linnebachs Geist a ber<br />

willig. 0 geht er minutiö a llen Stati onen seines<br />

Leben wegs und seiner beruAichen La ufba<br />

hn nach, lo bt (nach übersta n<strong>de</strong>nen Prügel<br />

und hä uslichem Arre t in Kin<strong>de</strong>rtagen) se ine<br />

glückliche Jugendzeit über a lles, besingt hurra<br />

pa triorisch <strong>de</strong>n Ein satz im Kri eg 1870/7 1<br />

und fin<strong>de</strong>t vieles unterwegs Ge ehene<br />

"schö n" : das Schauspiel <strong>de</strong>r Bomba r<strong>de</strong>lll enrs<br />

in <strong>de</strong>n Südvoge en und in Burgund, die Bil -<br />

198<br />

<strong>de</strong>r im Alma nach und die Pfalz, se inen Lehrer<br />

und di e Städte mir ihren Ba uwerken, da<br />

Wetter und vieles mehr.<br />

Er hat Auge und Herz für a tur und Landscha<br />

ft; er weiß immer, wo man gut und preiswert<br />

isst. Stets di e Ohren gespitzt erfä hrt er,<br />

welche Ba hn ä mter a u geschrieben wer<strong>de</strong>n,<br />

um die sich zu bewerben lo hnt. Über die<br />

Mühen, da nn umziehen zu müssen, klagt er<br />

nicht, ebenso die gewachsene Fa milie; sie hat<br />

einfach mitzumachen, <strong>de</strong>nn chließlich hat<br />

a uch sie erwas von diesem Ortswechsel.<br />

Einige irritiert a n die em Buch. Wie erkl<br />

ä rt einem <strong>de</strong>r "Fa milienmensch" Linnebach<br />

überzeugend, wa rum er a llen Hochzeitsfeiern<br />

se in er vier Kin<strong>de</strong>r fernbleibt?<br />

Wa rum plagen <strong>de</strong>n (einma l so geschimpften)<br />

" Fürstenknecht" <strong>de</strong>r " Srumpfsinn <strong>de</strong>r<br />

chwyzer" und ihre "angeborene und a nerzogene<br />

Abneigung gegen a lles ,Dürsche'"<br />

<strong>de</strong>rmaßen? Und i t di e englische Jugend<br />

tatsächlich mir " Deutschhass erfüllt, kriegerisch<br />

begeisrert" und sind die Briten wirklich<br />

die Allein schu ldi gen a m Ersten Weltkrieg?


Buchb spr<br />

Bei<strong>de</strong> Bei pi ele lehren, w ie d ie Autorin,<br />

Historistin im be ten \'(fortsinne, zeitgenössische<br />

Unmittelba rkeit anstrebt und gründLi ch<br />

ZLI unrerschei<strong>de</strong>n versteht zwischen überprLifbaren<br />

Fa kten und Fiktio nen, zwischen<br />

historisc hen Beha uptungen, di e a uf Quell en<br />

beruhen und sich bewei en lassen, und Behauptungen,<br />

bei <strong>de</strong>nen das nicht <strong>de</strong>r Fa ll ist.<br />

" Frei von I<strong>de</strong>ologie und lösgelöst von Pathos"<br />

(SR BIK über T o c QUEVILLE) stellt sie<br />

sich gegen die Positi on, ZLlm Zweck po litischer<br />

und natio na ler M ythenbildung Geschichte<br />

ZLI funktio na lisieren und for<strong>de</strong>rt ind<br />

irekt und ZLI Recht dazu a uf, schleunigst<br />

da La nd zu ve rlassen, wo viel ZLI lange di e<br />

M ythen blühten.<br />

STEFAN SCHAUPP: Zwischen Wirtschaftswun<strong>de</strong>r und Ölkrise · Die Pfalz von 1960<br />

bis 1975 . Karlsruhe: G. Braun Buchverlag 2007; 168 Seiten mit 156 Schwarzweiß-Abbildungen<br />

und einer Karte; ISBN 978-3-7650-8366-2; 22,- Euro<br />

Was ge fiele ein em Pfälzer, was einem Ba<strong>de</strong>ner<br />

und was ein em Bayer a n <strong>de</strong>m Bildba nd über<br />

di e Jahre zwischen Wirtscha ftswun<strong>de</strong>r und<br />

Ö lkrise wohl a m ehesten ? Allen drei kö nnte<br />

das adrette Werk mit bisher nu r lo ka l und<br />

la nge Zeit in Archi ven stecken<strong>de</strong>n Fotos passen,<br />

die ma l schauerliche Erinnerungen w ie<br />

an die Kimmel-Ba n<strong>de</strong> mit ihrem zweifelha ften<br />

H a uch von Bonnie und Cly<strong>de</strong>, ma l vergnügli<br />

ch-nosta lgische wecken: a n eines <strong>de</strong>r<br />

frö hlichen Wein fes te o<strong>de</strong>r a n spo rtliche Sensa<br />

tionen, unter <strong>de</strong>nen a llerdings W ilfried<br />

Dietrich, <strong>de</strong>r "Kran von Schi ffe rstad t", d ieses<br />

M a l fe hlt.<br />

Z ustimmung fä n<strong>de</strong>n bei einem Pfä lzer sicherlich<br />

die trotz ma ncher pa uschaler Wertungen<br />

(Seite 74 ) in <strong>de</strong>r Einl eirung die guten<br />

Einstiege in di e ein zel nen Ka pi tel - wie das<br />

gelungene "Erste Kratzer im neuen Lack" -<br />

sowie die a usführlichen Ko mmenta re zu <strong>de</strong>n<br />

Bil<strong>de</strong>rn , die a uf <strong>de</strong>n Tag genau zu dati eren<br />

bestimmt gut gewesen wä re.<br />

Den badisc hen Leser hä rte im Fa lle Ludwigsha<br />

fen inreressiert, warum die BA F eigentlich<br />

"badisch" heißt und bis heute wie in<br />

<strong>de</strong>n Sechzigern we<strong>de</strong>r An il in<br />

noch Soda produziert und<br />

warum in jenen Ja hren von<br />

" I\aschinisierung <strong>de</strong>r La ndwirtscha<br />

ft " (a nsta tt von M echa<br />

ni sierung) gesprochen<br />

wi rd.<br />

" Mein Landsmann, <strong>de</strong>r<br />

spä tere Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nr Roma<br />

n Herzog", so <strong>de</strong>r Ausru f<br />

<strong>de</strong>s ü berraschten Bayern ,<br />

Zwischen Wirtschaft wun<strong>de</strong>r<br />

und Ölkrise<br />

" wa r ei nmal rheinl a nd-pfä lzischer Staatsekretär!<br />

" Und w ie beim Bild a uf eite 2 1 hat<br />

er vielleicht a uch bei <strong>de</strong>n A uf nahmen mit <strong>de</strong>r<br />

Speyerer M aximilia nstra ße o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r<br />

Prinzregentenstraße ("driwwe" in Ludwigsha<br />

fen, w ür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mannheimer Stefa n<br />

Sc haupp sagen) gesrutzt. Wie in München<br />

tragen sie die amen <strong>de</strong>r M o na rchen, die<br />

hi er in ihrer zei tweise bayerischen Rhei npfalz das agen ha tten.<br />

Ein Foto m it <strong>de</strong>m <strong>de</strong>rzeit pro mi nenresten<br />

Pfä lzer muss freilich in <strong>de</strong>m interessanten Bi l<strong>de</strong>r<br />

bogen fehlen. Der Bergzabener Kurr Beck<br />

war eben er t fünfze hn, a ls eine Geburtsstadt<br />

(Seite 26) sich " Ba d" nennen durfte.<br />

Und unrer <strong>de</strong>n Schülern im Werkra um <strong>de</strong>r<br />

Schule in Stei nfe ld (Seite 106) ka nn er nicht<br />

mehr sei n. Der heutige Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />

und Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r SPD ist zwar hi er<br />

a ufgewachsen(und seine Familie wo hnt heute<br />

do rr), a ber J 971 ist <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n<br />

mittleren Bildung ab chluss büffeln<strong>de</strong> Abendschüler<br />

für einen Fotogra fen nicht erreichba r.<br />

Z uletzt legen Ba<strong>de</strong>ner, Bayer und Pfä lzer<br />

<strong>de</strong>n Bild band ZLlfrie<strong>de</strong>n a us <strong>de</strong>r H and. H at er<br />

ihnen doch a nscha uli ch vo r­<br />

geführt, dass jenes a n<strong>de</strong>rtha<br />

lbe Ja hrzehnt ein ige rmaßen<br />

ZLI Recht das Etikett<br />

" Wir sind immer noch wer! "<br />

trägt und dass je<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r<br />

Lektüre etwa gelernt, mitund<br />

nachgedacht o<strong>de</strong>r da ran<br />

seinen Spa ß geha bt har.<br />

201


und o rienrierten) Büchlein ka nn<br />

sich <strong>de</strong>r G E SLER- BECKER gut behaupten.<br />

Selbstverstä ndlich wird <strong>de</strong>r Ein ­<br />

wand jenes mo<strong>de</strong>rnen Reisen<strong>de</strong>n<br />

und Freun<strong>de</strong>s von Natur, Ku ltur<br />

und Geschichte ernstgeno mmen,<br />

<strong>de</strong>r beha uptet, man kön ne sich<br />

heutzutage mit H ilfe von Internet,<br />

von Vi<strong>de</strong>os, Fernsehen und Rad io,<br />

tota lmedi a l a lso, das beste Bild<br />

machen von ein er La nd chafr. Aber weniger<br />

von <strong>de</strong>n Leuten. Es gibt wohl nichts Schö neres<br />

a ls <strong>de</strong>n nächst besten Passanten zu fragen:<br />

Was zeigen ie guten Freun<strong>de</strong>n, die Si e<br />

zum ersten M a l besuchen, am liebsten? Und<br />

wo ra uf sind Sie a l Villinger o<strong>de</strong>r Tutrlinger<br />

be o n<strong>de</strong>rs stolz?<br />

Einheimische a uf <strong>de</strong>r Straße a nzu prechen,<br />

ist freilich ni cht je<strong>de</strong>rma nns Sache. Di e<br />

meisten ve rl assen sich lieber a uf <strong>de</strong>n Führer,<br />

ei nen guten Begleiter, <strong>de</strong>r treffsicher fo rmuliert<br />

und gena u info rmiert. Liest <strong>de</strong>r Erlebnishungrige<br />

auf Seite 81, in Do na ueschingen<br />

stün<strong>de</strong>n jugendstil und Baaremer Staffelgiebel<br />

" in tra uter Eintracht" nebenein a n<strong>de</strong> r,<br />

da nn stutzt er erSt einma l. Di e jugend tilvill<br />

en a n <strong>de</strong>r Nlo ltkestra ße, in die er nach<br />

<strong>de</strong>m Gang über die Ka rl stra ße vor <strong>de</strong>r Stadtkirche<br />

St. j ohann (nicht vo r <strong>de</strong>r "j o ha nne -<br />

kirche" ) ei nbiegt, ucht er im BH-Bändchen<br />

chbesprechung n<br />

vergebens; a uf sie hä tte ma n geson<strong>de</strong>n<br />

a ls "einzigartiges" Ensembl<br />

e hin<strong>de</strong>uten können.<br />

Abbildungen im Buch soll en<br />

vor-bildlich ein. icht a lle Bil<strong>de</strong>r<br />

sind es im vorli egen<strong>de</strong>n Fa ll . Die<br />

Stadtsilh o uette von Do rnhan (Seite<br />

46 ): verwechsel ba r, o hne Au ssagekra<br />

ft; die Ablichtung <strong>de</strong>s Ro ttweiler<br />

Kraftwerks (Seite 142) zeigt<br />

ni chts von <strong>de</strong>r Ba ukunst ihres Architekten<br />

Pa ul Bona tz; die eudinger Gruftkirche<br />

a uf Seite 164 sc heint selbst cho n in<br />

<strong>de</strong>r Unterwelt zu stehen: Wenig" ve rlocken<strong>de</strong>"<br />

Aufna hmen w ie sie <strong>de</strong>r Buch<strong>de</strong>ckel verspricht.<br />

Dass <strong>de</strong>r Führer (und namentlich die a usgewiesene<br />

Ro ma nik-Kennerin Ka rin Gessler)<br />

<strong>de</strong>n Reisen<strong>de</strong>n auch mit <strong>de</strong>r zeitgenö sischen<br />

Kunst <strong>de</strong>r Regio n o<strong>de</strong>r mit Teilen davon ve rtra<br />

ut machen wi ll , ist gur. Gena uso d ie<br />

Empfehlung, die Ge<strong>de</strong>nkstä tte Ec kerwald zu<br />

besuchen. Ob d ie nächste Aufl age <strong>de</strong>m Benutzer<br />

empfiehlt, a m Hofg ut An kenbuck<br />

zw ischen Do na ueschingen und Bad Dü rrheim,<br />

ei nem vergessenen Z eugnis na tio na lsozia<br />

listi scher Gewaltherrschaft, vorbeizugehen<br />

? O<strong>de</strong>r bei Liptingen auf <strong>de</strong>n Fürstenbühl<br />

zu wan<strong>de</strong>rn, wo ein Ge<strong>de</strong>nkkreuz a n <strong>de</strong>n<br />

1799 hi er gefa llenen Fürsten Karl Aloys zu<br />

Fürstenberg erinnert? Hugo Siefert<br />

205


Hinweise für unsere Autoren<br />

Di e "Schriften <strong>de</strong>s Ve reins für Geschichte<br />

und a rurgeschi chte <strong>de</strong>r Baar" - weniger<br />

umstä ndlich a ls "Schriften <strong>de</strong>r Baar" ziti ert<br />

- erscheinen a llj ä hrlich im M ä rz. Redaktio<br />

nsschluss ist jewe il s <strong>de</strong>r 15 . September. Manuskripte<br />

müssen a usgedruckt und in elektronischer<br />

Fo rm (per eM a il bzw. a uf C D )<br />

satzfenig vorgelegt wer<strong>de</strong>n. Bil<strong>de</strong>r können<br />

auch a ls Dia o<strong>de</strong>r a ls Abzug eingereicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Entscheidung da rüber, o b die a lte<br />

o<strong>de</strong>r neue Rechtschreibung Anwendung fin ­<br />

<strong>de</strong>t, bleibt <strong>de</strong>n Auroren überl a sen.<br />

Bitte beachten Sie:<br />

Betriebssysteme: Windows Versio nen,<br />

Mac OS, so nst a ls Textdatei (.rxt )<br />

abspeichern!<br />

Auf <strong>de</strong>r C D bitte Verfasserna me und<br />

Betriebssystem angeben!<br />

Text a ls Fließtext, kein Blocksatz, kein<br />

Z e il ensropp, keine Silbentrennung, kein<br />

Sei tenumbruch!<br />

Ta be ll en und Abbildungen nicht in <strong>de</strong>n<br />

Text integri eren, son<strong>de</strong>rn druckfertig<br />

geson<strong>de</strong>rt a nfügen!<br />

Absätze o hne Z eileneinzug; a uch nicht<br />

im Lireraturve rze ichnis!<br />

Ta bell en bitte nur mit Ta bularor, kein e<br />

Leerzeichen !<br />

Beim Z iti eren schl agen wir vor:<br />

Literaturzita te: bei längeren wö rtlichen<br />

Z ita ten kllrsiv und als Absatz.<br />

N amen zitierter Auroren: in <strong>de</strong>r Regel<br />

Kapitä lchen: Carl M AYER bzw.<br />

F. S Hyli DT & K. SCl-1 LZE. · bei mehr<br />

a ls zwei uto ren: F. M ULI .FR et a l.<br />

Zira te mit J ahr und Seitena ngabe:<br />

(M . SCl IREI ßER 1998, S. 15 1- 153)<br />

bei Bezug a uf das gesamte \X/erk nur<br />

(M. CII RE II3ER 199 8).<br />

Arrna men: wissenschaftliche a men bei<br />

Organi men kursiv: Caltha palllstris<br />

o<strong>de</strong>r Charadrills dubills.<br />

Literaturve rzeichnis und Quellen:<br />

Am Schluss <strong>de</strong>s Textes in alpha betischer<br />

Reih enfo lge nach fo lgen<strong>de</strong>m Schema<br />

M o nogra phien<br />

Mu te r:<br />

AUTO R, Vo rna me evtl. a bgekürzt<br />

206<br />

(Erscheinungsja hr):<br />

Titel, Er cheinungsort<br />

Beispiele:<br />

E CII ENßU RG, B. (19 87): Landschaft in<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ut chen M a lerei, München.<br />

Beiträge in Sa mmelwerken<br />

Mu ter:<br />

AUTO R, Vo rna me evtl. a bgekürzt<br />

(Er cheinungsja hr): Tite l. - In: H ERAus­<br />

GEIlER , Vorname (Hrsg.): Titel <strong>de</strong>s Sammelwerkes,<br />

Erschei n u ngsort, Seitena ngaben<br />

Beispiel:<br />

IEG:YIU D, A. (2003): Der Klimacharakter<br />

<strong>de</strong>r Baar - Ein regionales Querpro<br />

fil. - In: SI EGMUND, A. (Hrsg. ):<br />

Faszination Baar - Porträts einer N a turlandschaft.<br />

Konstanz: 9- 16.<br />

Beiträge in einer Schriftenreihe<br />

Muste r:<br />

UTOR, Vo rna me evtl. a bgekürzt<br />

(Erscheinungsja hr): Titel, a me <strong>de</strong>r<br />

Schriftenreihe, Bd.- o<strong>de</strong>r H.- ummer,<br />

Erscheinung o rt, Seitenangabe.<br />

Beispiel:<br />

REICHELT, G. (1968): Über die Vegetation<br />

entwicklung <strong>de</strong>r Baar wä hrend <strong>de</strong>r<br />

Ur- Lind Frühgeschichte. - In: Schriften<br />

<strong>de</strong>s Verein s für Geschichte und<br />

laturgeschichre <strong>de</strong>r Baar, Bd. 27,<br />

Donaue chingen, S. 50-8 1.<br />

.. be l' di e ufna hme zum Druck enrschei<strong>de</strong>t<br />

ein Red aktio nstea m. Der Autor eInhält 30<br />

So n<strong>de</strong>rdrucke; weitere Exempla re bei<br />

rechrzeiti ger ach frage zum elbstko tenpreis.<br />

Ein Ho no rar isr lei<strong>de</strong>r nicht möglich.<br />

Bitte beachten Sie diese Hinweise. Sie ersparen<br />

dadurch <strong>de</strong>m Verein Sa tzkosten und erleichtern<br />

di e Arbeit <strong>de</strong>s Reda ktionsteams.<br />

Die M a nuskripte sind einzureichen bei<br />

arlll'kundliche Beiträge:<br />

Pro f. Dr. H elmut Gehring<br />

Kö nigsberger Str. 30, 78052 VS-Villingen<br />

Ge chichtliche Beirräge:<br />

Hugo Siefen<br />

Am Ski buckel 2, 7862 8 Rorrwe il


Anette von<br />

Droste-Hiilshoff<br />

1797-1848<br />

ISS 0340-4765<br />

"Laßberg hat mich nach Heiligenberg geführt, -<br />

eine kalte, schlechte Parthie! - überall nichts<br />

Merkwürdiges dort zu sehn; das Schloß recht<br />

schön, aber gewöhnlich, die Anlagen unbe<strong>de</strong>utend,<br />

Regenwetter, die Aussicht völlig bewölkt, in<br />

<strong>de</strong>n leeren Sälen eine wahre Kellerluft, und obendrein<br />

musste ich <strong>de</strong>n ganzen Tag die Kin<strong>de</strong>r hüten,<br />

weil Jenny zu Hause geblieben war_ Laßberg dagegen<br />

war höchst bewegt, was mich halb stieß,<br />

halb rührte. Er führte mich durch alle APPARTE­<br />

MENTS, die seine Fürstinn nach einan<strong>de</strong>r bewohnt,<br />

zog alle Schiebla<strong>de</strong>n los, die sie gebraucht,<br />

und berührte, ich möchte sagen liebkoßte Alles,<br />

was er als ihr früheres Eigenthum erkannte. "<br />

Aus <strong>de</strong>m Beitrag »Denk mal an Elisabeth!«<br />

von Hugo Siefert<br />

17.- Eu ro

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