Die Tsingtauer Landordnung des ... - Tsingtau.org
Die Tsingtauer Landordnung des ... - Tsingtau.org
Die Tsingtauer Landordnung des ... - Tsingtau.org
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Die</strong> <strong><strong>Tsingtau</strong>er</strong> <strong>Landordnung</strong> <strong>des</strong> Chinesenkommissars Wilhelm Schrameier - von Wilhelm Matzat - www.tsingtau.<strong>org</strong> 24/33<br />
anzusetzen, um sie zu einem vollkommenen<br />
Gebilde auszugestalten. <strong>Die</strong> Verfassung der<br />
Republik beruhe auf dem Grundgedanken der<br />
Freiheit und Gleichheit. Doch hier müsse man<br />
sich vor Irrtümern hüten. <strong>Die</strong> Freiheit und<br />
Gleichheit gelte nicht unbeschränkt. Sie gelte<br />
nicht für den Beamtenstand, die Soldaten und die<br />
Schüler. Deren Pfl icht und Verantwortlichkeit sei<br />
sehr viel schwerer in der heutigen Zeit geworden.<br />
Sie müßten ihre ganze Kraft aufbieten, um für<br />
die Allgemeinheit, für die Menschheit wirken<br />
zu können. Namentlich aber die Schüler müßten<br />
mit Fleiß und Eifer und Selbstverleugnung ihren<br />
Studien obliegen, um dereinst nach Beendigung<br />
ihrer Schulzeit ins Leben hinauszutreten und mit<br />
ihren Kenntnissen dem Wohl <strong>des</strong> Volkes zu dienen.<br />
Es heiße dann für sie, Chinas Glück aufzubauen<br />
und auf allen Gebieten <strong>des</strong> öffentlichen Lebens, sei<br />
es durch Erfi ndungen, <strong>org</strong>anisatorische Arbeiten<br />
und dergleichen, für das Wohl <strong>des</strong> chinesischen<br />
Volkes sich einzusetzen. Davon hinge Chinas<br />
Entwicklung, Fortschritt und Zukunft ab. Hier<br />
in der Hochschule hätten die Schüler die schöne<br />
Gelegenheit, unter der Leitung bedeutender und<br />
namhafter deutscher Lehrer modernes Wissen sich<br />
anzueignen. Deutschland sei unter den Staaten<br />
der Welt durch seine Leistungen auf kulturellem<br />
und wissenschaftlichem Gebiet, durch die<br />
Vollkommenheit seiner Gesetze das berühmteste<br />
Land. <strong>Die</strong> Schüler sollten sich Deutschland für<br />
das neue China zum Vorbild nehmen. Aber das<br />
Studium auf der Hochschule sollte für die Schüler<br />
nicht die einzige Quelle der Bildung bleiben.<br />
Auch außerhalb der Mauern fände sich hier eine<br />
Fülle <strong>des</strong> Wissens und Nachahmenswerten. In den<br />
zwei Tagen, die er hier weile, habe er gesehen,<br />
daß China trotz tausendjähriger Kultur nichts<br />
geleistet habe, das sich mit dem vergleichen<br />
ließe, was Deutschland in einer Spanne von zwölf<br />
Jahren zustandegebracht habe. Straßen, Häuser,<br />
Hafenanlagen, sanitäre Einrichtungen, alles<br />
zeuge von Fleiß und Streben. Was die Schüler hier<br />
sähen, solle sie zur Nacheiferung anspornen, und<br />
es müsse ihr Ziel werden, dieses Musterbeispiel<br />
auf ganz China auszudehnen und ihr Vaterland<br />
in gleicher Vollendung auszugestalten“.<br />
Lebhafter Beifall der Versammlung und einige<br />
Worte seitens <strong>des</strong> chinesischen Studiendirektors<br />
dankten dem Redner. - Sun hat hier auch die<br />
Hafeneinrichtungen eingehend besichtigt. Am<br />
<strong>Die</strong>nstag Abend (1.10.) trat er die Weiterreise<br />
nach Schanghai mit dem Dampfer „Loongmoon“<br />
an.“ (37)<br />
So weit der Bericht der Zeitung. Mit Prinz<br />
Heinrich von Preußen, der in jenen Tagen gerade<br />
in <strong>Tsingtau</strong> weilte und im Gouverneurshause bei<br />
Meyer-Waldeck wohnte, ist Sun nicht zusammengekommen.<br />
Statt<strong>des</strong>sen traf Prinz Heinrich<br />
heimlich, im Hause <strong>des</strong> Seezolldirektors Ohlmer,<br />
mit Ku Hung-ming und Prinz Kung zusammen,<br />
der von einer Wiederherstellung <strong>des</strong> Mandschu-<br />
Kaiserthrones träumte. (38)<br />
Wenige Tage später in Schanghai gab Sun Yatsen<br />
dem Journalisten Erich von Salzmann ein<br />
Interview, in dem er unter anderem folgen<strong>des</strong><br />
bemerkte:<br />
„<strong>Tsingtau</strong> hat mir ganz außerordentlich gefallen,<br />
es ist die Modellanlage einer Stadt für das<br />
zukünftige China und wenn aus jedem unserer 500<br />
Kreise auch nur zehn Menschen nach <strong>Tsingtau</strong><br />
gehen würden, um seine Verwaltung, seine<br />
Stadt- und Landstraßen, die prächtige Werft, den<br />
Hafen, die Hochschule, die Forstanlagen, die<br />
städtischen und Regierungsanlagen zu studieren,<br />
so könnte damit für China unendlich viel Gutes<br />
geschaffen werden. Ihr Gouverneur Meyer-<br />
Waldeck ist mir mit vollendeter Liebenswürdigkeit<br />
gegenübergetreten, er ist ein Mann voller Einsicht<br />
und Wohlwollen, der richtige Verwaltungsbeamte<br />
auf einem sicherlich nicht leichten Posten. Den<br />
Prinzen Heinrich habe ich auf meiner immerhin<br />
kurzen Visite nicht sehen können, denn er war<br />
gerade aus der Stadt abwesend mit Besichtigung<br />
der Truppen beschäftigt.<br />
Deutschland könnte China keinen größeren<br />
Beweis von Freundschaft und Entgegenkommen<br />
geben, als wenn es jetzt in dieser Zeit <strong>des</strong> Aufbaus<br />
eines ganz neuen Staatswesens die zukünftige<br />
Rückgabe dieses vorbildlich angelegten<br />
Platzes eventuell in Aussicht stellen würde.<br />
<strong>Die</strong>se Rückgabe, bei der China alle Ausgaben<br />
Deutschlands voll ersetzen würde, sei es in bar,<br />
sei es in Gestalt einer Anleihe, würde heute