Forschen & Entdecken 2/2012
Forschen & Entdecken 2/2012
Forschen & Entdecken 2/2012
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<strong>Forschen</strong><br />
& <strong>Entdecken</strong><br />
Das Magazin für kluge Köpfe.<br />
Nr. 02/2013 P. b. b. Erscheinungsort: Wien – Verlagspostamt 1110 Wien, 11Z039054 M, DVR 0000191<br />
SozialeS PluS<br />
Lernspiele<br />
Clevere Ideen in<br />
kleinen Programmen<br />
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Die schönsten Wiener<br />
Grätzl für Entdecker<br />
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Ob Spittelberg, Bermudadreieck oder Freihausviertel: Ihr typischer Charme<br />
und das besondere Lebensgefühl machen sie zu faszinierenden Mikrokosmen<br />
in der Großstadt. Das Location BOOK präsentiert zehn Wiener Grätzl mit den<br />
besten Tipps – und trifft dabei auf Kreative, Querdenker und Lebenskünstler.
Fotos: Bubu Dujmic (1), Lukas Beck (1)<br />
Editorial<br />
Inhalt Ausgabe 2/2013<br />
04–05 Shortcuts<br />
Warum Gletscherseen ausbrechen. Warum Frauen<br />
länger leben, aber Lebensqualität verlieren.<br />
06–10<br />
Spiele mit<br />
Mehrwert<br />
Games mit sozialem Plus<br />
boomen. Auch in Wien<br />
werden immer mehr<br />
kreative Ideen umgesetzt<br />
und auf den Markt gebracht.<br />
11 Schnelltest für Brustkrebs<br />
Ein Blutstropfen reicht für die Diagnose.<br />
12 Wiener Köpfe<br />
Das klassische Gründerhaus bekommt das<br />
Neue Stadthaus als legitimen Nachfolger.<br />
13 Wiener Know-how<br />
Ein neues Notfallpiepserl lokalisiert TaucherInnen.<br />
Ultraschall löst Problem mit Krankenhauskeimen.<br />
14–15 Schutzschild für ESA-Satelliten<br />
Ein österreichisches Unternehmen sorgt dafür,<br />
dass die Sonde der Sonne sehr nah kommen kann.<br />
16–17 Rätsel um Amselsterben gelöst<br />
Tierpathologe Herbert Weissenböck kam dem<br />
Usutu-Virus aus Afrika auf die Spur.<br />
18–20 Warum Frauenförderung wirkt<br />
Eine Studie zeigt, dass gezielte Unterstützung den<br />
Anteil an weiblichen Führungspositionen erhöht.<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Editorial / Inhalt / Impressum 03<br />
Ein spielerischer Zugang hilft in manchen Bereichen sehr viel besser zu sensibilisieren als<br />
die größte Medienkampagne. Das machen sich auch sogenannte „Serious Games“, Spiele mit<br />
sozialem Mehrwert, zunutze. Dominik Sinnreich hat sich daher ab Seite 6 auf die Suche nach<br />
kreativen EntwicklerInnen in Wien gemacht und ist dabei auf viele gute Ideen und eine lebendige<br />
Szene getroffen. ZIT Die Technologieagentur der Stadt Wien setzt bei ihren Förderungen seit<br />
vielen Jahren auf Frauenförderung. Eine kritische Studie beleuchtet jetzt die Sinnhaftigkeit<br />
dieser Maßnahmen – und siehe da: Geldköder sorgen für einen Anstieg bei weiblichen Karrieren<br />
in der betrieblichen Forschung. Ab Seite 18 finden Sie den Runden Tisch zum Thema.<br />
Eine spannende Lektüre wünschen Ihnen Claudia Schanza & Ferdinand Pay<br />
<strong>Forschen</strong><br />
& <strong>Entdecken</strong><br />
Das Magazin für kluge Köpfe.<br />
Nr. 02/2013 P. b. b. Erscheinungsort: Wien – Verlagspostamt 1110 Wien, 11Z039054 M, DVR 0000191<br />
21 Milchsäure aus Glycerin<br />
Wiener Unternehmen gelang die Umwandlung<br />
eines Abfallproduktes zu wertvollem Rohstoff.<br />
22–23 Reine Nervensache<br />
Wiener Forscher deckten einen molekularen<br />
Mechanismus auf, der Motorneurone schädigt.<br />
Werden seltene Krankheiten dadurch heilbar?<br />
24–25 Häuserfassaden zum Tragen<br />
Christina Steiner bringt afrikanisch inspirierte<br />
Mode auf den Wiener Markt.<br />
26 Pammesberger verschönt iPad-Hülle<br />
Der Star-Karikaturist bewertet ein neues Produkt<br />
im „<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong>“-Stylecheck.<br />
27 Termine<br />
Was Sie in Wien nicht versäumen sollten.<br />
28–29 Club-Aktionen<br />
Exklusivführung durch die Ausstellung<br />
„Mensch(en) werden“ sowie eine iPad-Hülle<br />
und Bücher zu gewinnen.<br />
Gratisabo<br />
<strong>Forschen</strong><br />
& <strong>Entdecken</strong><br />
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30 Schlusspunkt<br />
Sigrid Neudecker-von Randow über den Alltag<br />
mit Apps und iPod.<br />
Impressum<br />
wien.at <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> – das Magazin für kluge Köpfe Heft 2/2013. Medieninhaber und Herausgeber: Stadt Wien – Presse- und Informations dienst<br />
(MA 53), Rathaus, Stiege 3, 1082 Wien. Verleger: Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m. b. H. & Co. KG, Leberstraße 122, 1110 Wien. Redaktion:<br />
Leberstraße 122, 1110 Wien, Tel. 01/740 32-0, www.forschen-entdecken.at, E-Mail: office@forschen-entdecken.at. Verlags-Chefredaktion: Mag. Helmut<br />
Widmann, Christoph Berndl (Stv.). Chef vom Dienst: Mag. Helmut Widmann. Magazin koordination: Brigitte Limbeck. MitarbeiterInnen dieser Ausgabe:<br />
Mag. a Siobhan Geets, Mag. a Astrid Kuffner, Sigrid Neudecker-von Randow, Robert Penz, Mag. a Silvia Pistotnig, Claudia Schanza, Rainer Schwarz, Sylvia<br />
Simanek, Mag. Dominik Sinnreich Art-Direktion: Mag. a Marion Karasek. Fotoredaktion: Joëlle Bullens. Lektorat: Carina Divischek, Mag. a Daniela Oberhuber,<br />
MSc. Coverfoto: Getty Images. Reproduktion: Repromedia Druckges.m.b.H. Nfg. KG, Leberstraße 122, 1110 Wien. Druck: NP Niederösterreichisches Pressehaus,<br />
Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H., Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten. Anzeigenannahme: N. J. Schmid VerlagsgesmbH, Leberstraße 122,<br />
Postfach 420, 1110 Wien, Tel. 01/740 32-733. Verlags- und Herstellungsort: Wien.<br />
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04 shortcuts <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Das BilD:<br />
abflusskanäle im ewigen Eis<br />
Gefahrenabschätzung. Schmelzwasser staut sich oft an natürlichen Hindernissen wie einem Gletscher. Was<br />
aber passiert, wenn durch die Erderwärmung immer mehr Gletscher schmelzen und diese Staumauer dem<br />
Druck nicht mehr standhält? Dann schießt eine riesige Flutwelle heraus und verwüstet ganze Landstriche.<br />
Um die Ursache und Wirkung eines derartigen Naturereignisses besser verstehen zu können, haben<br />
WissenschafterInnen der ZAMG Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik geophysikalische<br />
Beobachtungsstationen in Grönland eingerichtet. Ziel des internationalen Projektes ist es, Gletschersee-<br />
Ausbrüche rechtzeitig vorhersagen zu können. Vermutet wird, dass sich kleine Risse und Sprünge im Eis<br />
innerhalb weniger Stunden zu riesigen Abflusskanälen weiten. Kontakt: www.zamg.ac.at<br />
Foto: ZAMG/Gernot Weyss (1), Science Photo Library/picturedesk.com (1), Corbis (1), Bubu Dujmic (1)
BilDErrätsEl:<br />
Was versteckt sich hinter diesem Bild?<br />
Ein ausschnitt aus einem Gobelin? künstliche Eiskristalle? Ein Gemälde von<br />
Vincent van Gogh? süßwasseralgen? Eingefärbte nervenfasern im Gehirn?<br />
Was die abbildung tatsächlich zeigt, erfahren sie auf seite 27.<br />
Hollywood-star Johnny Depp stand Pate für<br />
ein 500 Millionen Jahre altes Fossil.<br />
sciEncE skurril:<br />
Prominenter Pate<br />
Unsterblich. „Edwin mit den Scherenhänden“<br />
ist eine der bekanntesten<br />
Filmrollen von Johnny Depp. Er spielt<br />
darin einen künstlich erschaffenen<br />
Menschen, der anstelle von Händen<br />
Scheren hat. Wissenschafter David<br />
Legg ist ein Fan des Schauspielers und<br />
setzte ihm jetzt ein ungewöhnliches<br />
Denkmal: Er benannte ein kürzlich<br />
entdecktes Fossil wegen seiner scherenförmigen<br />
Klauen kurzerhand Kooteninchela<br />
deppi. Das Tier ist 4 cm groß<br />
und ein Vorfahre des Hummers.<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> shortcuts 05<br />
Frau DEr stunDE:<br />
Gesundheit ist<br />
Frauensache<br />
Pionierin. Ale xandra<br />
Kautzky-Willer ist<br />
Expertin für Endokrinologie<br />
und Stoffwechsel<br />
und Österreichs<br />
erste Professorin<br />
für Gendermedizin.<br />
„In der Medizin und<br />
Pharmazie wird das<br />
Meiste vom Prototyp<br />
Mehr zum<br />
Thema<br />
unter<br />
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alexandra<br />
kautzky-Willer<br />
Mann abgeleitet“, sagt die 51-jährige<br />
Wienerin. Das führte jahrelang dazu,<br />
dass Frauen falsch behandelt wurden.<br />
Ein Fehler, wie man heute weiß.<br />
Gendermedizin berücksichtigt daher<br />
Geschlecht, Alter, Lebenswandel und<br />
Körperfettverteilung. Kautzky-Willer:<br />
„Neben diesen biologischen Faktoren<br />
spielen aber auch sozialer Status,<br />
Geschlechterrollen oder Sozialisierung<br />
eine wichtige Rolle bei Diagnose und<br />
Behandlung.“ Frauen leben im Durchschnitt<br />
zwar sechs Jahre länger als<br />
Männer, verlieren aber mit den Jahren<br />
an Lebensqualität. „Durch die Mehrfachbelastung<br />
von Beruf, Kindern und<br />
Haushalt haben sie oft mehr Stress und<br />
werden anfälliger für Krankheiten.“<br />
Vor allem für Stoffwechselstörungen,<br />
Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />
Wie man dem vorbeugen<br />
kann? Kautzky-Willer: „Mit einer ambulanten<br />
Abteilung, in der geschlechtsspezifische<br />
Präventions- und Behandlungsprogramme<br />
für häufige chronische<br />
Krankheiten und geschlechtersensitive<br />
Schulungen angeboten werden.“<br />
+ + + MedUni Wien startet Forschungsnetzwerk für Kinderarzneimittel, www.meduniwien.at + + + Erstes Masterstudium<br />
im deutschsprachigen Raum für Gesundheitskommunikation ab Wintersemester 2013 an der Uni Wien, www.univie.ac.at + + +
Fotos: Lukas Beck<br />
06 Spiele <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong>
Fredrik Debong und<br />
Marlies Schosser<br />
entwickelten eine<br />
App für Diabetes-<br />
PatientInnen, die sich<br />
auf unterhaltsame<br />
Art mit dem Thema<br />
auseinandersetzt.<br />
Mehr zum<br />
Thema<br />
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Am Ende gewinnen<br />
immer die Guten<br />
Serious Games, Impact Gaming: Lernspiele und Games<br />
mit sozialem Mehrwert boomen. Auch in Wien werden<br />
große Ideen in kleine Programme gepackt.<br />
Angefangen hat alles in einer Bar. Fredrik<br />
Debong ist Mitbegründer von mySugr. Die<br />
Idee zu seinem Handy-Programm für<br />
DiabetikerInnen hatte er nach einer Wette<br />
mit einem Freund: Wer den schlechteren Blutzuckerwert<br />
hat, muss den nächsten Drink<br />
zahlen. Debong: „Typ-1-Diabetes ist anstrengend.<br />
24 Stunden am Tag. Es gibt immer nur<br />
Negativ-Motivationen, es geht nur darum,<br />
dass man keine Organe oder Gliedmaßen<br />
verliert. Mit mySugr macht es wenigstens ein<br />
kleines bisschen Spaß.“ Mit der App können<br />
Diabetes-PatientInnen mit Notizen und Fotos<br />
protokollieren, was sie gegessen haben – und<br />
wie gut sie die nötige Insulinmenge eingeschätzt<br />
haben, um die Mahlzeit im Blutzuckerspiegel<br />
zu „neutralisieren“. Das Tagebuch<br />
verbessert die Schätzungen und spornt<br />
im Kampf gegen das persönliche digitale Diabetes-Monster<br />
auf dem Handy an. 11.000<br />
User machen derzeit mit.<br />
Das Prinzip dahinter: Gamification, die<br />
„Spielifizierung“ der Welt. Die Schnäppchenjagd<br />
im Supermarkt, das Sammeln von<br />
FreundInnen in sozialen Netzwerken – viele<br />
Bereiche funktionieren nach den Mustern der<br />
Gamification: Konkurrenz, Rekordjagd,<br />
Wettbewerb. Und das lässt sich auch für Pro-<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Spiele 07<br />
jekte nutzen, die den sozialen Wandel vorantreiben<br />
sollen: „Impact Games“. Wolfgang<br />
Christl ist einer der Erfinder von Data Dealer.<br />
In diesem Spiel geht es um Datenhehlerei.<br />
Christl: „Das Spiel soll zum Nachdenken anregen,<br />
was man mit persönlichen Daten alles<br />
anstellen kann. Was passiert, wenn etwa<br />
Krankenkassen und Arbeitgeber wissen, nach<br />
welchen Krankheiten man im Internet gesucht<br />
hat?“ Christl ist sicher, dass Jugendliche<br />
mit solch offenen Konzepten besser zu erreichen<br />
sind als mit klassischen Lernspielen:<br />
„Die sind leider oft fad. In jedem Level springt<br />
dir ins Gesicht, was das Lernziel und die Lektion<br />
sein werden.“<br />
Die Idee der Lernspiele an sich ist alt –<br />
neue Fähigkeiten werden häufig auf dem<br />
Spielbrett oder Computer trainiert. Schon im<br />
19. Jahrhundert haben preußische Offiziere<br />
mit dem Kriegsspiel Schlachten simuliert;<br />
ganze Generationen haben mit Monopoly<br />
und DKT gelernt, was ein Bankrott ist. Angehende<br />
PilotInnen sitzen im Simulator, ChirurgInnen<br />
üben Eingriffe virtuell – heute nennt<br />
man solche Programme „Serious Games“.<br />
Und mit den Videospielen sind Wirtschaftssimulationen<br />
und Fitness-Work-outs ins Wohnzimmer<br />
eingezogen. Auch die „Impact<br />
Games“ für den sozialen Wandel sind im
08 Spiele <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Im Spiel wird mangelndes<br />
Bewusstsein für Datenschutz<br />
und dessen Folgen aufgezeigt.<br />
Prinzip nicht neu: Wenn in der PfadfinderInnengruppe<br />
oder Schulklasse das Ausbeutungsverhältnis<br />
zwischen Erster und<br />
Dritter Welt im Rollenspiel erkundet wird,<br />
folgt das dem gleichen Konzept.<br />
Von Polarschmelze bis Finanzwelt. Aber in<br />
den virtuellen Welten ist mehr möglich als<br />
im Rollenspiel: Die Atmosphäre ist dichter,<br />
spielen auch allein möglich. Allein die US-<br />
Plattform gamesforchange.org hat mehr<br />
als 100 Spiele im Verzeichnis: die Polarschmelze,<br />
die Ausbeutung des Regenwaldes,<br />
das Massensterben an den Grenzen<br />
der Festung Europa, die Lage der ArbeiterInnen<br />
im 19. Jahrhundert. Es gibt kaum<br />
ein soziales, politisches oder ökologisches<br />
Konfliktfeld ohne eigenes „Impact Game“.<br />
In vielen westlichen Ländern machen<br />
Videospiele schon seit einigen Jahren mehr<br />
Umsatz als die Kinobranche oder andere<br />
Bereiche der Unterhaltungsindustrie. Gerade<br />
in den „Impact Games“ sehen manche<br />
Studien weiteres Expansionspotenzial<br />
für die Branche. Das französische Forschungsinstitut<br />
IDATE zum Beispiel<br />
schätzt, dass diese Spiele in zwei Jahren<br />
zehn Milliarden Euro weltweit umsetzen<br />
werden – bei jährlichen Steigerungsraten<br />
von fast 50 Prozent. Katharina Norden ist<br />
weniger euphorisch. Sie sagt: „Wir sind<br />
eine Nische, werden aber nicht den Mainstream<br />
ablösen.“ Sie ist Gründerin der<br />
Firma Three Coins und arbeitet mit ihrem<br />
Team an The Cure. Im Herbst soll es fertig<br />
sein – ein „Impact Game“ zum Thema<br />
Financial Literacy, zur Bildung in Finanz-<br />
sachen. Die Hauptfigur kämpft sich durch<br />
eine Welt, in der ein Heilmittel zur Währung<br />
geworden ist – die SpielerInnen lernen<br />
nebenbei das Einmaleins der Finanzwelt.<br />
Programmiert wird The Cure von der<br />
Wiener Firma OVOS, die unter anderem<br />
bereits das Physik-Lernspiel Ludwig auf<br />
den Markt gebracht hat. Prinzipiell sei<br />
Wien im Bereich Social Entrepreneurship<br />
ein guter Boden für solche Projekte, sagt<br />
Norden: „Aber er muss in Wien erst aufgebaut<br />
werden, in den USA ist er längst ein<br />
Begriff. Der Vorteil hier: An die Förderungen<br />
kommt man umso leichter, der Wettbewerb<br />
ist nicht so groß.“ Auch Debong<br />
sagt: „Der Zugang zu Förderungen in<br />
Wien ist in der Frühphase sehr gut.“<br />
mySugr wurde von mehreren Stellen<br />
finanziell und logistisch unterstützt – unter<br />
anderem durch eine Beratung der Wiener<br />
Technologieagentur ZIT. Seit 2008 gab<br />
es 380 solcher Beratungen zum Thema<br />
Logistik, Infrastruktur und zur Suche<br />
nach potenziellen PartnerInnen. Mehr als<br />
40 Millionen Euro wurden außerdem an<br />
Förderungen ausgeschüttet. So wurden<br />
auch der BikeCityGuide – ein Navigationssystem<br />
für RadlerInnen – und eine Hörgeräte-App<br />
unterstützt:<br />
Die EntwicklerInnen der Firma Two Pi<br />
arbeiten an einem Programm, mit dem<br />
Hörgeräte von den BenutzerInnen selbst<br />
justiert werden können. 2011 hat das Projekt<br />
den ZIT-Life-Sciences-Call gewonnen:<br />
Die Feineinstellung macht einen großen<br />
Teil der Preise von Hörgeräten aus. Vor<br />
allem in Schwellenländern würde diese
„Das Spiel soll zum Nachdenken<br />
anregen, was mit persönlichen<br />
Daten alles angestellt werden kann.“<br />
Wolfgang Christl, Data Dealer<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Spiele 09<br />
Mit Daten dealen, macht sichtlich<br />
Spaß: Ralf Traunsteiner (l.) Wolfgang<br />
Christl und Renée Winter.<br />
Fotos: Lukas Beck
10 Spiele <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
„Den Sektor<br />
Entrepreneurship<br />
muss man in Wien<br />
erst aufbauen.“<br />
Katharina Norden,<br />
Three Coins<br />
App vielen Menschen das Tragen eines<br />
Hörgerätes überhaupt erst ermöglichen,<br />
denn dort ist die audiologische Infrastruktur<br />
oft unterentwickelt.<br />
Branche funktioniert. Auch Data Dealer<br />
wurde von der ZIT ausgezeichnet: <strong>2012</strong><br />
gewann das Spiel einen Preis bei den<br />
Content Awards. Daneben wurden die<br />
EntwicklerInnen von departure unterstützt.<br />
Die Kreativagentur der Stadt<br />
fördert Projekte mit Beratung und<br />
Anschubfinanzierungen. Christl sagt,<br />
die Branche funktioniere in Wien ganz<br />
gut. Schließlich „starten ja viele von<br />
hier aus“. Für Data Dealer ist der<br />
nächste Schritt die Vollversion im Sommer.<br />
Noch in Entwicklung ist SLASH,<br />
ein soziales Netzwerk, das spielerisch zu<br />
nachhaltigem Handeln führen soll und<br />
ebenfalls von departure unterstützt<br />
wurde. Bereits <strong>2012</strong> ist YourTurn! gestartet,<br />
ein integratives Facebook-Spiel<br />
zum Abbau von Vorurteilen, das eine<br />
universitäre Studie begleitet hat. Unterstützt<br />
wird das Projekt vom Wiener<br />
Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds<br />
(WWTF).<br />
Starthilfe. Die Stadt fördert nicht nur –<br />
sie macht auch selbst mit bei der Gamification.<br />
Die Frauenabteilung der Stadt<br />
Wien (MA 57) bietet zum Beispiel eine<br />
Handy-App namens „4 Wände 4<br />
Hände“ an, mit der sich die Arbeit im<br />
Haushalt genau protokollieren lässt.<br />
Das heißt auch: Wenn beide Hälften<br />
eines Paares die App verwenden, dann<br />
können Sie messen und vergleichen, wer<br />
wie viel macht. Und wer wie viel faulenzt.<br />
Denn es sind nach wie vor die<br />
Frauen, die den größeren Teil der unbezahlten<br />
Arbeit zu Hause erledigen. Wer<br />
wäscht öfter ab? Wer holt öfter den<br />
Staubsauger aus dem Schrank? Mit der<br />
App gibt es darüber keine Wortgefechte<br />
mehr – die Zahlen sprechen für sich.<br />
Und die Männer lernen „spielerisch“,<br />
wie ernst es den Frauen mit der Gleichberechtigung<br />
ist. l<br />
Katharina Norden bringt<br />
mit ihrem Unternehmen<br />
Three Coins im Herbst ein<br />
„Impact Game“ zu Financial<br />
Literacy auf den Markt.<br />
Mehr im Internet:<br />
www.mysugr.com<br />
www.datadealer.net<br />
www.gamesforchange.org<br />
www.threecoins.org/portfolio-view/<br />
the-cure/<br />
www.bikecityguide.org<br />
(1) Corbis (1), Beck<br />
Dominik Sinnreich,<br />
Lukas<br />
Journalist, Schreibtrainer<br />
www.yourturn.fm<br />
und Soziologe in Wien 4waende4haende.at<br />
Fotos:
Brustkrebs-Test mit<br />
einem Blutstropfen<br />
In zwei Stunden wissen, ob ein Knoten gut-<br />
oder bösartig ist? Ein neuer Schnelltest macht<br />
die frühzeitige Erkennung von Tumoren möglich.<br />
Faktor Zeit. Auch wenn sich Therapien<br />
und Vorsorge laufend verbessern: Brustkrebs<br />
ist bei Frauen in hoch entwickelten<br />
Ländern noch immer die häufigste<br />
Krebsart mit tödlichem Ausgang. Fakt<br />
ist aber auch: Je früher man die Krankheit<br />
erkennt, desto besser sind die<br />
Überlebenschancen. Was lag also näher,<br />
als einen zuverlässigen Schnelltest zu<br />
entwickeln? Andreas Weinhäusel, Molekularbiologe<br />
am Austrian Institute of<br />
Technology (AIT) ist das jetzt gelungen.<br />
Gemeinsam mit dem Brustkrebsspezialisten<br />
Christian Singer und dem<br />
Antikörperspezialisten Florian Rüker<br />
entdeckte er eine neue Methode, um<br />
innerhalb von zwei Stunden zwischen<br />
gut- und bösartigen Knoten unterscheiden<br />
zu können.<br />
Diagnostik durch Biomarker. Das<br />
Revolutionäre an dem Schnelltest: Für<br />
die Diagnose reicht nur ein einziger<br />
Blutstropfen. Als Indikatoren, ob eine<br />
Erkran kung besteht bzw. wie weit sie<br />
• WWTF FöRDERT<br />
40 Millionen Euro<br />
für Life Sciences<br />
fortgeschritten ist, werden körpereigene<br />
Moleküle (Tumor-Auto-Antikörper)<br />
herangezogen. Den Grund dafür erklärt<br />
Weinhäusel so: „Bildet sich ein Tumor,<br />
reagiert das Immunsystem, indem es<br />
Antikörper bildet. Und genau diese<br />
Immunantworten analysieren wir.“<br />
Ein Protein-Chip macht es möglich,<br />
die Profile von Gesunden mit jenen von<br />
Kranken zu vergleichen. Auf diese Weise<br />
ist es den Forschern gelungen, selbst<br />
aus wenigen Mikrolitern Blutserum<br />
gut artige von bösartigen Tumoren zu<br />
unterscheiden. Untersucht wurden mittlerweile<br />
150 Proben. Momentan befinde<br />
man sich in der Validierungsphase,<br />
sagt Weinhäusel und ist zuversichtlich:<br />
„Wenn es gelingt, unsere Ergebnisse zu<br />
bestätigen, dann kann der Serumtest zusätzlich<br />
zur Mammografie angewandt<br />
werden oder diese sogar ersetzen.“ Spätestens<br />
mit Ablauf des Projektes im Jahr<br />
2014 wird man es wissen.<br />
Kontakt: www.ait.ac.at/research-services/<br />
biomarker-assay-entwicklung<br />
Der Test zur Frühdiagnose von Brustkrebs ist eines von acht<br />
Projekten, die der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds<br />
(WWTF) für den Life Sciences Call 2011 auswählte.<br />
Von 2003 bis <strong>2012</strong> wurden insgesamt 51 Projekte in dem Bereich<br />
mit einer Gesamtsumme von 28,8 Millionen Euro gefördert,<br />
Laufzeit zwischen zwei und vier Jahren. Darüber hinaus förderte<br />
der WWTF drei Stiftungsprofessuren mit 4,5 Millionen Euro. Die<br />
Stadt Wien finanziert im Bereich der Life Sciences das Programm<br />
Vienna Research Groups mit 4,5 Millionen Euro, um exzellente<br />
junge WissenschafterInnen aus dem Ausland nach Wien zu holen.<br />
Kontakt: www.wwtf.at<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Life Science 11<br />
Mehr zum<br />
Thema<br />
unter<br />
www.forschenentdecken.at<br />
Ein Tropfen Blut<br />
könnte künftig<br />
reichen, um<br />
Gewissheit zu<br />
bekommen,<br />
ob eine Erkrankung<br />
vorliegt<br />
oder nicht.
12 Wiener Köpfe <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Neues Haus mit<br />
alten Qualitäten<br />
Hohe Räume, lichtdurchflutet, vielseitig nutzbar –<br />
das Neue Stadthaus erinnert ganz bewusst an die<br />
klassischen Wiener Zinshäuser der Gründerzeit.<br />
Veränderte Bedürfnisse. Patchwork-<br />
Familie, Single, mehrere Generationen<br />
unter einem Dach: Es gibt mittlerweile<br />
viele Formen des Zusammenlebens.<br />
Häuser von heute müssen dem gerecht<br />
werden. Die Lösung? Ein flexibler<br />
Grundriss oder wie es Architekt Erich<br />
Raith formuliert: „Ein Gebäude muss<br />
für Menschen sein, von denen wir keine<br />
Ahnung haben, wie sie einmal leben<br />
werden.“<br />
Flexible Bauweise. Basierend auf einer<br />
wissenschaftlichen Studie an der TU<br />
Wien unter Raiths Leitung entstand<br />
daher das Konzept für ein „Neues<br />
Stadthaus“. Die Bauweise erinnert an<br />
das klassische Wiener Gründerzeithaus,<br />
und das zu Recht: hohe Räume, hell,<br />
errichtet, langlebig, vielseitig nutzbar.<br />
Im Gegensatz zu früher, wo Wohnungen<br />
in erster Linie für die typische Kleinfamilie<br />
maßgeschneidert wurden, lassen<br />
sich die eigenen vier Wände damit den<br />
wechselnden Bedürfnissen anpassen.<br />
Die offene Bauweise erleichtert auch<br />
eine spätere Umwidmung, etwa von<br />
Wohn- auf Geschäftsraum. Denn erst<br />
ein Mix aus Privat- und Geschäftsräumen<br />
macht ein Wohnobjekt interessant.<br />
Auch das ergab die Studie. Raith: „Uns<br />
interessiert es, Lebensräume anzubieten,<br />
die Menschen Entfaltungs- und Veränderungsmöglichkeiten<br />
bieten.“<br />
Die könnten im Neuen Stadthaus,<br />
das in rund einem Jahr in Favoriten<br />
stehen soll, durchaus gegeben sein. Entwickelt<br />
wurde es gemeinsam mit dem<br />
Büro nonconform architektur vor ort.<br />
Raith: „Es geht darum, welche Eigenschaften<br />
ein Gebäude haben muss,<br />
damit es von jeder Generation genutzt<br />
werden kann. Auch wenn wir nicht<br />
wissen, wie unser Leben in 30 Jahren<br />
aussieht, erwarten wird, dass Gebäude<br />
100 Jahre oder noch länger stehen.“<br />
Je offener die Bauweise,<br />
desto flexibler ist auch<br />
die Raumaufteilung.<br />
• PassivHaus<br />
Prototyp wird in<br />
Favoriten gebaut<br />
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Der Prototyp des Neuen stadthauses<br />
entsteht im 10. Bezirk Jagdgasse/<br />
Buchengasse auf einer Bruttogeschoßfläche<br />
von rund 4.000 m2. Die unterschiedlichen<br />
Räume sind nur durch<br />
einzelne schächte beschränkt. Das<br />
ermöglicht künftigen Nutzerinnen,<br />
bei der aufteilung mitzubestimmen.<br />
Die Grundstruktur ist in Fertigteilbauweise,<br />
die Fassade in systembauweise<br />
geplant. Das gesamte Gebäude wird in<br />
Passivhaustechnologie errichtet. Die<br />
Raumhöhe beträgt 3 m, im Erdgeschoß<br />
sogar 4,8 m, um die Nutzung als Lokal,<br />
Galerie oder Kindergarten zu ermöglichen.<br />
Preis pro m2: 1.450 Euro.<br />
Kontakt: www.nonconform.at<br />
Fördergeber: www.zit.co.at<br />
+ + + Prophylaktische Impfung gegen Borreliose ist künftig möglich, www.meduniwien.at + + + Interdisziplinäre Online-<br />
Plattform von sechs Universitäten fördert Studierende vor der Gründung von akademischen Start-ups, www.ecnetwork.at + + +<br />
Fotos: Büro Fluxt (3), Getty Images (2)
Wassersport<br />
wird sicherer<br />
Bei einem Notfall unter Wasser entscheiden<br />
Sekunden. Mit einem neuen Ortungssystem aus<br />
Wien lassen sich TaucherInnen schneller finden.<br />
Ultraschall. Probleme mit der Ausrüstung,<br />
Panikattacken, Tiefenrausch:<br />
Kommt es unter Wasser zu gefährlichen<br />
Situationen, ist rasche Hilfe<br />
erforderlich. Voraussetzung dafür ist<br />
aber, dass die TaucherInnen schnell<br />
gefunden werden. Bisher war allerdings<br />
genau das das Problem. Herkömmliche<br />
Ortungsgeräte schafften<br />
es nicht, den Radius so einzugrenzen,<br />
dass eine genaue Lokalisierung mög-<br />
Das Notsignal hat<br />
eine Reichweite von<br />
1.000 Metern.<br />
lich wurde. Also kam Forscher und<br />
Profi-Taucher Georg Kaniak auf die<br />
Idee, Ultraschall einzusetzen – und<br />
entwickelte basierend darauf ein zweiteiliges<br />
Ortungssystem.<br />
Ultraschall-Signal. Das Prinzip ist<br />
ganz einfach: Ein smartphonegroßes<br />
Peilgerät sendet Signale an eine koffergroße<br />
Basisstation. Die ist ein Computer<br />
mit einem 7-Zoll-Bildschirm<br />
und kann auf einem Boot aufgestellt<br />
und mit einer Boje, an der der Sender<br />
hängt, verbunden werden. Wird jemand<br />
geortet, zeigt das der Bildschirm<br />
an. Die Rettungskräfte wissen somit<br />
genau, wo sie hin müssen. Der Vorgang<br />
funktioniert auch in die andere<br />
Richtung. Die Basisstation kann zum<br />
Sender werden. „Bei schlechter Sicht<br />
oder bei einem Nachttauchgang<br />
verliert man unter Wasser leicht die<br />
Orientierung“, erklärt Kaniak. Durch<br />
die Ultraschall-Signale findet man<br />
wieder sicher zur Basisstation zurück.<br />
Das Gerät wird voraussichtlich nächstes<br />
Frühjahr unter dem Namen Blue-<br />
Dive für rund 400 Euro auf den<br />
Markt kommen.<br />
Bis dahin tüftelt Kaniak mit<br />
seinem Unternehmen BlueLocar an<br />
anderen Produkten, die die Sicherheit<br />
unter und über Wasser erhöhen sollen.<br />
Eines davon: ein GPS-Ortungssystem<br />
für SurferInnen und SeglerInnen.<br />
Kontakt: www.bluelocar.com<br />
Fördergeber: www.zit.co.at, www.departure.at<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Wiener Know-how 13<br />
Krankenhauskeime können bei Patientinnen<br />
Durchfall, sepsis und Pneumonien auslösen.<br />
ultraschall killt<br />
Keime im spital<br />
Ohne Hitze. In Spitälern muss besonders<br />
auf Reinheit geachtet werden.<br />
Denn Viren, Bakterien, Sporen und Pilze<br />
können besonders für Menschen mit offenen<br />
Wunden sehr gefährlich werden.<br />
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen infizieren<br />
sich in Wien jährlich rund 65.000<br />
Menschen. Der Grund dafür: Keime<br />
werden immer resistenter, ihre Bekämpfung<br />
wird daher immer schwieriger.<br />
Ein neues, äußerst effizientes Desinfektionsverfahren<br />
soll jetzt Abhilfe<br />
schaffen. Der entscheidende Vorteil des<br />
unter dem Namen DCXpert bekannten<br />
Gerätes: „Es erzeugt sehr feine Tröpfchen<br />
einer Wasserstoff-Peroxid-Lösung<br />
– und zwar mit Ultraschall, ohne Erhitzung.<br />
Bei zu hohen Temperaturen<br />
kommt es nämlich zu Problemen mit<br />
der Kondensatbildung“, erklärt Davul<br />
Ljuhar, Gründer der Wiener Medizintechnik-Firma<br />
Braincon. Die feinen<br />
Tröpfchen, Aeorosole genannt, werden<br />
durch ein eigens entwickeltes Beschleunigungsprisma<br />
gefiltert. Dadurch verteilen<br />
sich nur winzige Teile, Mikroaerosole<br />
genannt, im Raum und brechen die<br />
Zelloberfläche von Mikroorganismen<br />
auf. Das führt zur vollständigen Abtötung<br />
der Keime. 20 bis 30 Prozent der<br />
Infektionsfälle wären so vermeidbar.<br />
Das Gerät ist seit <strong>2012</strong> auf dem Markt.<br />
Eingesetzt wird es in Spitälern, Laboren<br />
und Pflegeheimen.<br />
Kontakt: www.dcxtec.com<br />
Fördergeber: www.zit.co.at<br />
+ + + Universitäres Gründerservice INiTS vergibt Preis für wissenschaftliche Arbeiten, Einreichfrist noch bis 31. 7. 2013,<br />
www.inits.at + + + Online-Plattformen über die künftige Entwicklung Wiens, www.wien2025.at, www.smartcity.at + + +
Fotos: ESA/AOES (1), RUAG Space (3) Schutzschild<br />
14 Raumfahrt <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
für<br />
Weltraumsatelliten<br />
2017 startet die Raumsonde Solar Orbiter ins All,<br />
um Nahaufnahmen von der Sonne zu machen. Vor<br />
Hitzeschäden bewahrt sie ein Schild aus Wien.
Eine Mehrschicht isolation aus Polyester<br />
und Polyimid schützt den Satelliten vor<br />
der Hitze der Sonne. Die Folien sind<br />
teilweise nur ein Vierzigtausendstel<br />
Millimeter (0,000025 mm) dick.<br />
Mehrere Tausend Grad. „Es sind extreme<br />
Bedingungen, der die Sonde ausgesetzt<br />
sein wird. Bisher musste sie noch<br />
kein Raumflugkörper zuvor bestehen“,<br />
sagt Wolfgang Pawlinetz. Der Projektleiter<br />
und sein Team beschäftigen sich<br />
schon seit geraumer Zeit mit der Frage,<br />
„wie man mit diesen feindlichen Bedingungen<br />
umgehen kann“. Mit gutem<br />
Grund: Ruag Space, dessen MitarbeiterInnen<br />
sie sind, baut die Schutzmatten<br />
für den Weltraumsatelliten Solar Orbiter.<br />
Funktioniert alles nach Plan, soll der<br />
ab 2017 der Sonne so nahe kommen<br />
wie kein anderer Satellit zuvor. Nur<br />
dann kann er wissenschaftlich wertvolle<br />
Nahaufnahmen liefern. Angepeilt wird<br />
eine Entfernung von 45 Millionen Kilometern,<br />
was im herkömmlichen Sinn<br />
viel ist. Zum Vergleich: Der Abstand<br />
zwischen der Erde und der Sonne beträgt<br />
149 Millionen Kilometer.<br />
Dadurch wird der Satellit enormer<br />
Hitze ausgesetzt sein. „Sobald er seine<br />
Position erreicht hat, bekommt er zwölf<br />
Mal so viel Sonnenenergie ab wie ein<br />
Satellit, der sich in der Erdumlaufbahn<br />
befindet“, erläutert Pawlinetz. „Wir<br />
sprechen hier von mehr als 17.000 Watt<br />
pro Quadratmeter auf der Seite, die der<br />
Sonne zugewandt ist.“ Soll der Solar<br />
Orbiter seine Mission also unbeschadet<br />
überstehen, braucht er einen Hitzeschild<br />
und eine Spezialisolation. Und<br />
dass die made in Vienna ist, liegt am<br />
Knowhow von Ruag Space. Das Unternehmen<br />
hat sich international einen guten<br />
Ruf im Bereich der Weltraumtechnik<br />
erworben.<br />
Geerdete Folien. Das erfahrene Team<br />
arbeitet bereits auf Hochtouren. Gilt es<br />
doch, den gesamten Satelliten mit dieser<br />
thermischen Isolation zu umhüllen.<br />
„Wir fertigen dazu eine Schutzschicht<br />
an, die aus mehreren Lagen aluminiumbedampfter<br />
Polyester und Polyimidfolien<br />
aufgebaut ist“, sagt Pawlinetz.<br />
Wichtig dabei: „Die metallbeschichteten<br />
Folien müssen geerdet werden, so<br />
dass ihr elektronisches Potenzial dem<br />
des Solar Orbiter entspricht.“ Damit<br />
soll verhindert werden, dass durch<br />
Entladungen Funken entstehen, die<br />
die Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung<br />
zur Erde stören können. Jede<br />
aluminiumbeschichtete Folie wird<br />
daher mit der nächsten Folie darunter<br />
verbunden und dann gemeinsam über<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Raumfahrt 15<br />
ein Kabel an den Satelliten elektrisch<br />
angeschlossen. „Diese Art der Isolation<br />
hält den Innenraum der Sonde in erträglichen<br />
Temperaturbereichen und die an<br />
Bord befindlichen Messinstrumente intakt“,<br />
erklärt Pawlinetz. Apropos Messinstrumente:<br />
Auch sie erzeugen Hitze,<br />
die abgeleitet werden muss. Das passiert<br />
über Kühlpaneele, an die hochreflektierende<br />
Spiegel mosaikartig angeklebt<br />
werden. Auch diese liefert das Wiener<br />
Unternehmen. Dass bei so einer wichtigen<br />
Mission nichts dem Zufall überlassen<br />
wird, versteht sich wohl von selbst.<br />
Deshalb baut das Unternehmen zunächst<br />
einen Prototypen. Er muss bis<br />
2014 fertig sein und wird zu Testzwecken<br />
verwendet. Ein Jahr später ist<br />
dann Liefertermin für das Flug modell.<br />
Besteht die Gefahr, dass trotz genauer<br />
Berechnungen das Material der Hitze<br />
nicht standhält? Pawlinetz: „Nur wenn<br />
der Satellit, nachdem er seine Position<br />
bezogen hat, die Ausrichtung zur Sonne<br />
ändert. Würde er auch nur um acht<br />
Grad schief stehen, würde unsere Isolationsschicht<br />
überhitzen und die Mission<br />
wäre verloren.“<br />
Drei-D-Modell. Gearbeitet wird übrigens<br />
anhand eines dreidimensionalen<br />
Computermodells der Europäischen<br />
Weltraumorganisation ESA. Sie ist es<br />
auch, die den Solar Orbiter von Amerika<br />
aus auf Weltraummission schicken<br />
wird. Dauer: zehn Jahre. Hauptziel ist<br />
es, den Sonnenwind – ein Strom geladener<br />
Teilchen, der von der Sonne ins<br />
Weltall strömt – zu untersuchen. Seine<br />
Erforschung ist aus mehreren Gründen<br />
interessant, unter anderem erhoffen sich<br />
die WissenschafterInnen Rückschlüsse<br />
auf die chemische Zusammensetzung<br />
des Urnebels. Zurückkehren wird Solar<br />
Orbiter übrigens nicht. Der Satellit<br />
schickt die Daten an die Erde – er selbst<br />
bleibt aucch nach dem Ende seiner Mission<br />
in der Umlaufbahn der Sonne. l<br />
Siobhán Geets,<br />
freie Journalistin in Wien
16 Virus <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Rätsel um Amselsterben gelöst<br />
Zwischen 1996 und <strong>2012</strong> fielen in mehreren Ländern Europas plötzlich<br />
Hunderttausende Vögel vom Himmel. <strong>Forschen</strong>de der Vetmeduni Wien<br />
fanden heraus, dass nicht Zugvögel, sondern ein Virus dafür verantwortlich ist.<br />
Besorgte Anrufe. Herbert Weissenböck<br />
kann sich noch gut an den Sommer<br />
2001 erinnern. „Es gingen viele Anrufe<br />
von besorgten Gartenbesitzern und<br />
Vogelliebhabern bei uns ein“, sagt der<br />
Tierpathologe. Der Grund für die<br />
Aufregung: Das vertraute Zwitschern<br />
der Amseln war plötzlich verstummt.<br />
Wie in einem Science-Fiction-Film fielen<br />
die Vögel reihenweise vom Himmel.<br />
Weissenböcks Interesse war geweckt. Er<br />
trommelte sein Team an der Veterinärmedizinischen<br />
Universität zusammen<br />
und machte sich auf die Suche nach<br />
der Ursache für die ungewöhnlichen<br />
Vorkommnisse. Die ExpertInnen fanden<br />
schnell heraus, dass die Tiere unter<br />
schweren Leber- und Gehirnhautentzündungen<br />
litten und schließlich an<br />
multiplem Organversagen starben.<br />
Faktor Klima. Genauere Tests ergaben,<br />
dass es sich bei dem Auslöser um das<br />
bis dahin unbekannte Usutu-Virus handelte.<br />
Obwohl der Name auf den Usutu-<br />
Fluss in Swasiland zurückgeht, ist nicht<br />
klar, woher das Virus genau kommt.<br />
„In Afrika ist es wahrscheinlich weit<br />
verbreitet“, meint Weissenböck, „untersucht<br />
wird es aber, wenn überhaupt,<br />
nur punktuell.“ Das heißt, es gibt keine<br />
allgemeingültigen wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse.<br />
Sicher ist nur, dass Mücken die<br />
Überträger sind. Wie das Virus nach<br />
Österreich kam, kann Weissenböck<br />
ebenfalls nur mutmaßen. „Wahrscheinlich<br />
begünstigen bestimmte klimatische<br />
Faktoren die Ausbreitung. Im Sommer<br />
2003, dem Höhepunkt des Vogelsterbens,<br />
war es zum Beispiel extrem heiß.“<br />
Neben Hitze könnte aber auch Niederschlag<br />
eine Rolle gespielt haben. Belegt<br />
ist nur, dass das Virus auf seinem langen<br />
Weg nach Österreich in mehreren europäischen<br />
Ländern Spuren hinterlassen<br />
Fotos: Lukas Beck (1), Getty Images (1)
Herbert Weissenböck<br />
fand heraus, dass die<br />
tiere an multiplem<br />
Organversagen starben.<br />
„Wenn die Vögel in Massen sterben,<br />
denkt man sofort an biblische Szenen.“<br />
Herbert Weissenböck, Vetmeduni Wien<br />
hat: Denn schon im Jahr 1996, also fünf<br />
Jahre vor dem Ausbruch des Usutu-Virus<br />
in Wien, gab es in der italienischen<br />
Toskana schon einmal ein ähnliches<br />
Vogelsterben, bei dem vor allem Amseln<br />
betroffen waren. Damals wurde der<br />
tatsächliche Auslöser zwar nicht identifiziert,<br />
doch Giacomo Rossi, Tierarzt<br />
an der Universität von Camerino in<br />
der italienischen Stadt Matelica, hatte<br />
Gewebeproben von verendeten Vögeln<br />
genommen und aufbewahrt. Das kam<br />
Weissenböck vor Kurzem zufällig zu<br />
Ohren, er ließ sich die Proben schicken<br />
und untersuchte sie.<br />
„Damit konnten wir herausfinden,<br />
dass es sich in der Toskana um einen<br />
Vorläufer des in Österreich aufgetretenen<br />
Virus-Stammes handelte.“ Das<br />
widersprach den bisherigen Annahmen,<br />
dass Zugvögel den Krankheitserreger<br />
direkt aus Afrika nach Wien eingeschleppt<br />
haben. Eine weitere Vermutung<br />
war, dass sich bestimmte Tierarten<br />
durch den Klimawandel weiter nach<br />
Norden ausbreiten würden – und dadurch<br />
das Virus häufiger in Europa auftreten<br />
könnte. Gestoppt werden konnte<br />
es bisher dennoch nicht. Warum aber<br />
überlebt das Virus so hartnäckig, wenn<br />
sein Überträger im Winter stirbt? „Das<br />
war auch unser erster Gedanke“, sagt<br />
Weissenböck. „Doch die klassische<br />
Hausmücke überwintert in Kellergewölben.<br />
Da, wo es nicht gefriert.“<br />
Hühner resistent. In Österreich hat<br />
sich die Amsel population mittlerweile<br />
erholt. Mehr als 50 Prozent der untersuchten<br />
Tiere haben bereits Antikörper<br />
gebildet. Bleibt die Frage, ob das Usutu-<br />
Virus auch anderen Vogelarten gefährlich<br />
werden kann. Weissenböck: „Wir<br />
haben Hühner getestet. Sie sind zum<br />
Glück resistent.“ Auch gesunde Menschen<br />
mit intaktem Immunsystem müss-<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Virus 17<br />
ten sich keine Sorgen<br />
machen. Das<br />
Usutu-Virus ist allerdings<br />
nicht der einzige<br />
Grund, warum viele Tiere zeitgleich verenden.<br />
Bakterien, Parasiten, Salmonellen<br />
oder Infektionen können ebenfalls<br />
Auslöser sein. „Wenn Vögel in Massen<br />
sterben, denkt man sofort an biblische<br />
Szenen, die dann schnell Verschwörungstheoretiker<br />
auf den Plan rufen“,<br />
sagt Weissenböck. Moderne molekularmedizinische<br />
Techniken könnten künftig<br />
helfen, Ursprung und Verbreitung<br />
von Infektionskrankheiten besser aufzuklären.•<br />
• gefragter experte<br />
Der tierpathologe<br />
Herbert Weissenböck, Jahrgang 1962,<br />
ist ein europaweit gefragter experte<br />
zum thema Vogelsterben und Usutu-<br />
Virus. Seine Laufbahn begann 1989 als<br />
assistent an der Veterinärmedizinischen<br />
Universität Wien, 1999 folgte die<br />
Habilitation über gehirnhautentzündungen<br />
bei verschiedenen tierarten.<br />
Heute umfasst seine Lehrtätigkeit als<br />
außerordentlicher professor alle Lehrveranstaltungen,<br />
die mit pathologie<br />
zu tun haben. Weissenböck war maßgeblich<br />
daran beteiligt, die Ursache<br />
für das Vogelsterben in Wien vor zehn<br />
Jahren aufzuklären. Seine expertise<br />
ist international gefragt: er wird auch<br />
in anderen Ländern immer wieder in<br />
Studien zur thematik eingebunden.<br />
Siobhán Geets,<br />
freie Journalistin in Wien<br />
In Österreich<br />
war 2003 der<br />
Höhepunkt der<br />
epidemie, die<br />
viele amseln<br />
das Leben<br />
kostete.
18 Runder Tisch <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Förderung von Frauen ist<br />
wirtschaftspolitisch sinnvoll<br />
Eine aktuelle Studie zeigt: Fördergelder animieren Forschungsunternehmen,<br />
mehr Frauen als Projektleiterinnen einzusetzen. Expertinnen aus Politik<br />
und Wissenschaft diskutieren dieses Ergebnis.<br />
Journalistin Claudia Schanza, Studienautorin Birgit Hofstätter (IFZ),<br />
Vizebürgermeisterin Renate Brauner und Allergieforscherin Angela<br />
Neubauer (Biomay), die den FemPower-Frauenbonus bekommen hat.<br />
F & E: Wo zeigt die FemPower-Frauenförderung<br />
die stärksten Effekte?<br />
Hofstätter: In jener Gruppe, wo die<br />
Frauen zum ersten Mal diese Verantwortung<br />
bekommen haben. Weil sich<br />
dort offenbar jemand im Unternehmen<br />
die Frage gestellt hat: „Wo haben wir<br />
eine Frau, die ein Projekt leiten kann,<br />
damit wir eine Förderung bekommen?“<br />
Brauner: … statt der üblichen Reaktion:<br />
„Wir hätten eh so gerne eine Frau, aber<br />
es gibt ja keine …“<br />
Hofstätter: … ja, und in diesem Fall<br />
mussten sie sich die Frauen im Betrieb<br />
genauer anschauen. Wir haben im Anschluss<br />
an die Interviews auch Karrieredatenblätter<br />
ausfüllen lassen. Der Vergleich<br />
zeigt, dass es nach diesem ersten<br />
von der ZIT geförderten Projekt einen<br />
Anstieg bei den Karrieren gegeben hat –<br />
zumindest in den meisten Fällen.<br />
Brauner: Mich freut dieses Ergebnis<br />
sehr, weil es mich seit Jahren rasend<br />
macht, dass man überall hört: „Wir<br />
hätten ja so gerne Frauen, aber wir<br />
finden keine.“ – Egal, ob in der Wissenschaft,<br />
in der Wirtschaft, in der Politik –<br />
überall! Und deswegen sind mir alle<br />
Instrumente – auch die ZIT-Frauenförderung<br />
– so wichtig, die Unternehmen<br />
dazu zwingen, nach Frauen Ausschau<br />
zu halten. Es ist ja wirtschaftlich unintelligent,<br />
die Kreativität, die Qualität,<br />
das Wissen der Hälfte der Menschheit<br />
brach liegen zu lassen. Frauenförderung<br />
ist einfach auch wirtschaftspolitische<br />
Notwendigkeit.<br />
Frau Neubauer, waren Sie schon vor<br />
dem Frauenbonus Projektleiterin?<br />
Neubauer: Ich war schon zum Zeitpunkt<br />
des Einreichens Entwicklungsleiterin<br />
bei Biomay. Das war also nicht<br />
mein erstes Projekt. Ich kann nur unterstreichen,<br />
dass es wichtig ist, Projekte<br />
geleitet zu haben, um in höhere Positionen<br />
zu kommen. Inzwischen habe<br />
ich übrigens die Projektleitung an eine<br />
neue, jüngere Mitarbeiterin abgegeben.<br />
Wieder eine Frau!<br />
Neubauer: Ja, natürlich! Sie übernimmt<br />
mittendrin und es ist ihre erste Projekt-
Fotos: Bubu Dujmic<br />
leitung. Diese Erfahrung wird ihr viel<br />
bringen.<br />
Frau Hofstätter, Life Sciences verhalten<br />
sich anders als der IKT-Bereich, was<br />
hat Ihre Karriere-Studie denn für die<br />
Branchen ergeben?<br />
Hofstätter: Bei den Life Sciences finden<br />
sich mehr Frauen, sowohl unter der Belegschaft<br />
als auch in der Projektleitung<br />
und den Führungspositionen – nicht<br />
berauschend, aber doch signifikant<br />
mehr als im IKT-Bereich. Es scheint<br />
einen Zusammenhang zwischen Frauenanteil<br />
und der Chance auf Leitungsarbeit<br />
zu geben.<br />
Sehen Sie eine gläserne Decke für<br />
Frauen, die Karriere machen möchten?<br />
Neubauer: Wir haben starke Kooperationen<br />
mit Universitäten. Und da ist es<br />
nach wie vor so, dass Professoren<br />
hauptsächlich männlich sind. Gerade<br />
im akademischen Bereich ist scheinbar<br />
noch sehr verankert, dass der Wissenschafter<br />
ein Mann ist …<br />
Wie wirkt sich die Frauenförderung auf<br />
das Einkommen der Frauen aus?<br />
Brauner: Wir haben nicht nur das Problem,<br />
dass es weniger Frauen in der Wissenschaft<br />
gibt, sondern auch noch die<br />
Einkommensunterschiede zu Männern,<br />
den sogenannten Gender Pay Gap. Bei<br />
den Life Sciences sind z. B. mehr Frauen<br />
dabei, aber die Einkommensunterschiede<br />
sind größer als in anderen Bereichen.<br />
Dieses Thema muss angegangen werden:<br />
In absoluten Zahlen macht die<br />
Lohndifferenz bei den ZIT-geförderten<br />
Projekten zwischen den durchschnittlichen<br />
Männer- und Frauenlöhnen in den<br />
Life Sciences 1.173 Euro aus, in den<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
dagegen „nur“ 449 Euro.<br />
Hofstätter: Und wir brauchen mehr<br />
Transparenz! Solange die Unternehmen<br />
nicht offenlegen müssen, wer wie viel<br />
verdient, geht das so weiter.<br />
Sie fordern offene Gehaltslisten?<br />
Brauner: Das ist eine Forderung. Zumindest<br />
bei den Ausschreibungen muss<br />
man vorher sagen, wie viel Mann/Frau<br />
dabei verdient. Aber bezüglich Transparenz<br />
ist unsere Frauenstadträtin dahinter,<br />
dass man da noch mehr Möglichkeiten<br />
hat. Als Personalstadträtin habe ich<br />
früher ja gesehen, dass den Frauen die<br />
Selbstverständlichkeit fehlt, mit welcher<br />
viele Männer Einkommenserhöhungen<br />
fordern – auf nichts hinauf nämlich!<br />
Frau Neubauer, wissen Sie, wie viel<br />
Ihre Kollegen verdienen – und wo<br />
stehen Sie da?<br />
Neubauer: Im Vergleich kann ich mich<br />
nicht beklagen. Ich weiß, wie viel die<br />
Männer verdienen – und es ist fair. Aber<br />
das Geheimnis um das Gehalt ist ein<br />
österreichisches Spezifikum.<br />
Was sagen die Befragten zum Thema<br />
Frauenquote?<br />
Hofstätter: Das Thema Quote spaltet<br />
die Frauen sehr: Die einen finden Quoten<br />
gut. Und es gibt ganz vehemente<br />
Gegnerinnen, weil viele glauben, dass<br />
Frauen aufgrund ihres Geschlechts und<br />
nicht der Qualifikation eine Stelle oder<br />
Beförderung bekämen. Wenn man ihnen<br />
aber erklärt, dass das ja nur bei gleicher<br />
Qualifikation passiert, dann haben wir<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Runder Tisch 19<br />
„Ich weiß nicht, ob eine<br />
Frauenförderung die Quote<br />
ersetzen kann. Denn die<br />
Quote greift dort, wo jetzt<br />
eine gläserne Decke ist.“<br />
Birgit Hofstätter, IFZ<br />
„Im akademischen Bereich<br />
ist noch sehr verankert,<br />
dass der Wissenschafter<br />
ein Mann ist. “<br />
Angela Neubauer, Biomay
20 Runder Tisch <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
„Mir sind alle Instrumente<br />
wichtig, die Unternehmen<br />
zwingen, nach Frauen<br />
Ausschau zu halten.“<br />
Renate Brauner,<br />
Vizebürgermeisterin Wien<br />
bei den Interviews erlebt, dass sie unter<br />
diesen Umständen Quoten gut finden.<br />
Brauner: Da haben wir noch viel Aufklärungsarbeit<br />
vor uns. Denn dahinter<br />
steht das Bild, dass Frauen schlechter<br />
qualifiziert sind. Denn sonst wäre es ja<br />
rein mathematisch gar nicht möglich,<br />
dass Frauen nicht in einem gewissen<br />
Prozentsatz an der Spitze sind. Pointiert<br />
gesagt: Die Quote ist so lange berechtigt,<br />
bis wir genauso viele mittelmäßige<br />
Frauen in Toppositionen haben, wie es<br />
derzeit noch mittelmäßige Männer sind.<br />
Die Studie zeigt, wie sich die<br />
Einreichungen nach dem Kriterium<br />
Mann-Frau verändert haben.<br />
Brauner: Der Frauenanteil in der betrieblichen<br />
Forschung liegt in Wien bei<br />
21 Prozent, aber bei den von der ZIT<br />
geförderten Projekten ist er 25 Prozent.<br />
Bei den FemPower-Calls ist der Frauenanteil<br />
69 Prozent. Und der Anteil der<br />
Projektleiterinnen liegt bei allen Einreichungen<br />
insgesamt bei 20 Prozent, bei<br />
den FemPower-Calls bei 100 Prozent.<br />
46 Mal ist bereits der Frauenbonus von<br />
10.000 Euro ausbezahlt worden, von<br />
dem auch Frau Dr. Neubauer profitiert<br />
hat. Mit den FemPower Vienna Calls<br />
konnte dieses Verhältnis umgedreht<br />
werden: Einem Frauenanteil von 69<br />
Prozent steht bei den geförderten Projekten<br />
ein Männeranteil von 31 Prozent<br />
gegenüber.<br />
Ist Geld ein besserer Köder als eine<br />
vorgeschriebene Quote?<br />
Hofstätter: Ich weiß nicht, ob eine Frauenförderung<br />
die Quote ersetzen kann.<br />
Denn die Quote greift dort, wo es wirklich<br />
um die hohen Positionen geht und<br />
jetzt eine gläserne Decke ist. Ich glaube<br />
also, es braucht beides.<br />
Neubauer: Unsere Generation muss da<br />
einfach durch, auch wenn es lästig ist.<br />
Die Quote ist vermutlich der einzige<br />
Weg, wenn man in Aufsichtsräten und<br />
Vorständen etwas verändern möchte.<br />
Brauner: Das glaube ich auch. Unser<br />
Weg ist jetzt einer der positiven Motivation.<br />
Wo man grundsätzlich davon ausgeht,<br />
dass die Unternehmen nicht böswillig<br />
sind, sondern einfach nicht auf die<br />
Idee kommen, eine Frau zu nehmen. •<br />
Das Gespräch führte<br />
Claudia Schanza.<br />
• FRAueNFöRdeRuNg<br />
ZIT FemPower<br />
die Studie<br />
Was bringt Frauenförderung tatsächlich?<br />
Anita Thaler und Birgit Hofstätter<br />
vom Interuniversitären Forschungszentrum<br />
für Technik, Arbeit und Kultur<br />
der Alpen-Adria-universität (IFZ) untersuchten<br />
die effekte der ZIT-FemPower-<br />
Maßnahmen. Seit 2004 fördert die<br />
Technologieagentur der Stadt Wien<br />
Forschungsprojekte, die von Frauen<br />
geleitet werden. Bis dato lukrierten<br />
46 Projekte den Frauenbonus. die<br />
Studie zeigt, wie sich diese Initiative<br />
auf die weiblichen Karriereverläufe in<br />
der betrieblichen Forschung auswirkt.<br />
Kontakt: www.zit.co.at, www.biomay.com<br />
Fotos: Bubu Dujmic (1), ab&cd/Mihai Odoleanu (1)
Vom wertlosen Abfall<br />
zum begehrten Produkt<br />
Wie gewinnt man Milchsäure, ohne kostbare Rohstoffe zu<br />
vergeuden? Die Antwort darauf fand ein Wiener Unternehmen<br />
und wurde dafür mit dem Umweltpreis der Stadt Wien ausgezeichnet.<br />
Abfallprodukt. Milchsäure ist ein begehrter<br />
Rohstoff: Man braucht sie für<br />
die Produktion von Kosmetika, aber<br />
auch für die Herstellung von Pharma-<br />
und Biokunststoffen. Gewonnen wird<br />
sie u. a. aus Weizen, einem ebenfalls<br />
wertvollen Rohstoff. Muss nicht sein,<br />
dachte sich die Wiener Firma ab&cd innovations<br />
– und schaffte es, Milchsäure<br />
aus einem Abfallprodukt der Biodieselproduktion<br />
herzustellen. Dessen Name:<br />
Glycerin, ein Zuckeralkohol.<br />
Weniger Agrarland. Mit dieser innovativen<br />
Technologie zur smarten Reststoffnutzung<br />
hat das Unternehmen heuer<br />
den Umweltpreis der Stadt Wien gewonnen.<br />
Denn Milchsäure aus einem<br />
Neben- bzw. Restprodukt herzustellen,<br />
schont nicht nur die Ressourcen, sondern<br />
reduziert auch den Agrarflächenbedarf<br />
mehrerer Industrienationen:<br />
„Wir zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht<br />
teuer sein muss, sondern sogar Kosten<br />
senken kann“, sagt Amitava Kundu von<br />
ab&cd. Das einfache chemische Verfahren<br />
mildere auch den hohen Preisdruck,<br />
unter dem Biodieselhersteller stünden:<br />
Sie könnten die gewonnene Milchsäure<br />
weiterverkaufen.<br />
Für das Start-up-Unternehmen ist<br />
der Erfolg allerdings kein Grund, sich<br />
auf den Lorbeeren auszuruhen. Das<br />
Team arbeitet schon an einer weiteren<br />
Geschäftsidee: umweltschonende Putzmittel<br />
für den gewerblichen Gebrauch,<br />
die vollständig biologisch abbaubar<br />
sind. „Die meisten Reinigungsprodukte<br />
für Gewerbe und Industrie enthalten<br />
zahlreiche giftige Substanzen“, sagt<br />
Kundu. „Wir wollen eine Alternative<br />
bieten.“ Mit Mitteln, die reinigen und<br />
ungiftig, vollständig biologisch abbaubar<br />
sowie hautschonend sind. l<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> umwelt 21<br />
Neue Technologie schont<br />
Ressourcen und senkt Kosten.<br />
• AuSZeICHNuNg<br />
Innovative Ideen<br />
werden belohnt<br />
der umweltpreis der Stadt Wien wird<br />
jedes Jahr im Rahmen des ökoBusiness-<br />
Plans vergeben. Für unternehmen ist er<br />
ein Anreiz, umweltfreundliche Maßnahmen<br />
zu setzen. Ausgezeichnet werden<br />
auch innovative Ideen und Projekte zur<br />
energie-, Abfall- und Ressourceneinsparung.<br />
die PreisträgerInnen gewinnen<br />
professionelle Beratung und unterstützung<br />
bei der umsetzung ihrer Ideen.<br />
Kontakt: www.wien.at/umweltschutz/<br />
oekobusiness/preis.html<br />
+ + + Auto fahren mit Alkohol – TU Wien entwickelt Biotreibstoff aus Schimmelpilzen + + + Hauptkläranlage Wien<br />
wird zur Versuchsanlage, um Energie aus Klärschlamm zu gewinnen und Strom für den Eigenbedarf zu erzeugen + + +
22 Molekularbiologie <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Reine Nervensache<br />
Wiener Forscher deckten mit internationalen<br />
KollegInnen einen molekularen Mechanismus auf,<br />
der Motoneurone schädigt. Seltene Krankheiten<br />
können dennoch nicht sofort geheilt werden.<br />
Motoneurone machen mobil. Egal ob<br />
42 Kilometer Marathon, 100 Meter<br />
Sprint oder einmal mit dem Kopf<br />
nicken: Motoneurone sind immer auf<br />
Draht und unverzichtbar. Denn jeder<br />
Bewegungsimpuls nimmt im Körper<br />
den gleichen Weg. Aus dem Gehirn<br />
läuft er über die Pyramidenbahnen ins<br />
Rückenmark. Von dort übernehmen die<br />
unteren Motoneurone und leiten den<br />
Impuls an die willkürliche, quergestreifte<br />
Skelettmuskulatur weiter.<br />
Wenn motorische Neurone beschädigt<br />
werden, wirkt sich das auf den Bewegungs-,<br />
Sprech-, Atem- und Schluckapparat<br />
aus. Das passiert etwa durch<br />
eine Virusinfektion wie Kinderlähmung,<br />
gegen die man sich heute impfen lassen<br />
kann. Weder zu verhindern noch zu heilen<br />
ist hingegen die Amyotrophe Lateralsklerose<br />
(ALS), eine seltene degenerative<br />
Erkrankung des motorischen Nervensystems<br />
mit unbekannter Ursache.<br />
Prominenter Patient. Bei ALS führt eine<br />
fortschreitende Muskelschwächung und<br />
-lähmung über die völlige Bewegungsunfähigkeit<br />
schließlich zum Tod. Dass<br />
es eine seltene Krankheit – zwei bis drei<br />
von 100.000 Menschen erkranken neu<br />
pro Jahr – in den Fokus von Öffentlichkeit<br />
und Forschung geschafft hat, liegt<br />
auch am britischen Astrophysiker<br />
Stephen Hawking. Er trotzt seit vielen<br />
Jahren der geringen Lebenserwartung<br />
von Menschen mit Diagnose ALS.<br />
Internationales Aufsehen in ALS-Foren<br />
und Forschungsgruppen erregte im<br />
März 2013 eine „Nature“-Publikation<br />
des Instituts für Molekulare Biotechnologie<br />
(IMBA). Die Arbeitsgruppen von<br />
Javier Martinez und Josef Penninger<br />
sind der Ursache von ALS ein kleines<br />
Stück näher gekommen. Ein Zusammenhang<br />
zwischen Enzymreaktionen<br />
und defekten Motoneuronen wurde<br />
aufgedeckt. Javier Martinez breitet die<br />
Arme aus und relativiert: „Auf der<br />
einen Seite steht eine mögliche Mutation<br />
im Erbgut eines Patienten und auf<br />
der anderen das Krankheitsbild. Wir<br />
haben die beiden einander angenähert,<br />
nicht mehr.“<br />
Die Geschichte des Papers ist ein<br />
Beispiel für erfolgreiche innerbetriebliche<br />
und internationale Kooperation.<br />
Wie es dazu kam, weiß Stefan Weitzer,<br />
Mitarbeiter der ersten Stunde in Martinez’<br />
Gruppe. Er fahndete ab 2004 im<br />
Labor nach einem Protein, das bei der<br />
künstlichen Stilllegung von Genen aufgefallen<br />
war. 2007 charakterisierte er<br />
das Protein CLP1 ebenfalls im Fachblatt<br />
„Nature“.<br />
Er beschrieb es als eine Art „Hausbesorger-Protein“,<br />
das seine Funktion<br />
in jeder Zelle des Körpers erfüllen sollte.<br />
CLP1 – verkürzt „clip“, also schneiden<br />
– bindet an eine molekulare Schere, die<br />
Transfer-RNAs für die Proteinproduktion<br />
vorbereitet. „Wir waren neugierig,<br />
was der biochemische Prozess, den wir<br />
über all die Jahre im Probenröhrchen<br />
erforscht hatten, im lebenden Organismus<br />
macht“, erklärt Stefan Weitzer.<br />
Fruchtbare Zusammenarbeit. Der wissenschaftliche<br />
Direktor des IMBA, Josef<br />
Penninger, forscht mit Knockout-Mäusen,<br />
bei denen Gene gezielt ausgeschaltet<br />
oder beschädigt werden. „Jede Forschungsgruppe<br />
hat unterschiedliche<br />
Schwerpunkte, aber alle Gruppenleiter<br />
sitzen regelmäßig zusammen und tauschen<br />
sich aus. So können wir Synergien<br />
nutzen und uns gegenseitig unterstützen“,<br />
erklärt Penninger. Bei so einer<br />
Sitzung wurde auch über CLP1 gesprochen<br />
und darüber, ob man versuchen<br />
sollte, das Gen in Mäusen zu manipulieren.<br />
Josef Penninger interessierte seinen<br />
Mitarbeiter Toshikatsu Hanada dafür.
Foto: Lukas Beck<br />
Gruppenleiter Javier<br />
Martinez (li.) und Stefan<br />
Weitzer (re.) arbeiteten<br />
für die Publikation in<br />
„Nature“ u. a. mit<br />
Gelelektrophorese.<br />
Dieser konnte zeigen, dass Mäuse mit<br />
beschädigtem CLP1-Gen Symptome<br />
entwickelten, wie man sie von ALS-<br />
Erkrankten kennt. Es gelang der Nachweis,<br />
dass motorische Neurone empfindlich<br />
auf eine Mutation in CLP1<br />
reagieren.<br />
Kooperationen. An diesem Punkt übernahm<br />
wieder die Gruppe von Javier<br />
Martinez, um das biochemische Zusammenspiel<br />
der Schädigung zu entschlüsseln.<br />
„Manchmal ist Forschung linear:<br />
Du hast eine Hypothese, du prüfst sie,<br />
sie ist richtig, du publizierst. Wir haben<br />
sehr viel Literatur studiert. Es ging da-<br />
rum zu lesen, zu assoziieren, seine Erfahrung<br />
einzusetzen …“ zählt Martinez<br />
auf und Stefan Weitzer ergänzt „… um<br />
kreative Zugänge, neugierig zu sein und<br />
den Mut, schwierige experimentelle Ansätze<br />
zu versuchen.“ Über Kooperationen<br />
im Haus und weltweit wurde Spezialwissen<br />
über Nervenzellen und deren<br />
Erkrankungen experimentell eingebunden.<br />
Der aktuelle Artikel in „Nature“<br />
hat deshalb 24 AutorInnen. Co-Autor<br />
Penninger freut sich: „Das IMBA ist international<br />
hervorragend vernetzt. So<br />
können wir sicherstellen, dass in allen<br />
Bereichen Profis am Werk sind, die gemeinsam<br />
hervorragende Arbeit leisten.“<br />
Die Fachleute vermuten folgenden<br />
Wirkungspfad: Schadhaftes CLP1 bewirkt<br />
die Anreicherung von tRNA-<br />
Fragmenten in der Zelle, weil die Schere<br />
nicht gut funktioniert. Das Protein p53<br />
wird dadurch bei oxidativem Stress (der<br />
in der Zelle ganz normal vorkommt)<br />
überschießend aktiviert und das führt<br />
letztlich zum Nerven-Zelltod. Eine intakte<br />
Nervenzelle ohne tRNA-Anreicherung<br />
bringt sich hingegen wieder in<br />
Balance. Nun könnte sich das Team auf<br />
die Schulter klopfen und sagen: „Wir<br />
haben einen Therapieansatz gefunden.“<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Molekularbiologie 23<br />
• WaS iSt WaS?<br />
amyotrophe Lateralsklerose (aLS)<br />
Lou Gehrig’s Disease ist die bekannteste<br />
degenerative Erkrankung des<br />
motorischen Nervensystems. Von<br />
100.000 Menschen erkranken pro Jahr<br />
etwa ein bis drei im mittleren Lebensalter<br />
neu an ALS, mehr Männer als<br />
Frauen. Es kommt zu einer fortschreitenden<br />
Schwächung und Lähmung<br />
der Muskulatur. Berühmte Patienten:<br />
David Niven (Schauspieler), Lou<br />
Gehrig (Baseballspieler), Stephen<br />
Hawking (Astrophysiker).<br />
Knockout-Maus: Die Labormaus ist<br />
ein wichtiger Modellorganismus zur<br />
Erforschung von Mechanismen oder<br />
Krankheiten, die beim Menschen auftreten.<br />
Es ist gelungen, Mäuse für die<br />
Forschung zu züchten, in denen verschiedene<br />
Krankheitsbilder wie Krebs,<br />
Diabetes, ALS, Chorea Huntington etc.<br />
genetisch angelegt sind. So wird am<br />
lebendigen Modell die Funktion von<br />
bestimmten Genen verfolgt.<br />
transfer-RNas (tRNas) transportieren<br />
passende Aminosäuren in die<br />
Ribosomen, wo Proteine hergestellt<br />
werden. Gemeinsam mit der Boten-<br />
RNA (mRNA) werden die Proteine<br />
nach dem in den Genen vorgegebenen<br />
Muster „gestrickt“. Für jede der Aminosäuren<br />
gibt es mindestens eine,<br />
häufig mehrere verschiedene tRNAs.<br />
Aber auch p53 ist ein „Haus be sor ger“-<br />
Protein der Zelle und verhindert die<br />
Entstehung von Tumoren. Wenn p53<br />
also manipuliert würde, um Motoneuronen<br />
zu helfen, entsteht früher<br />
oder später Krebs. Javier Martinez und<br />
Stefan Weitzer wollen künftig der<br />
Anreicherung der tRNA-Fragmente bei<br />
ALS auf den Grund gehen. Sie sehen<br />
Grundlagenforschung jedenfalls eher<br />
als Langstreckenbewerb denn als<br />
Sprintdisziplin. l<br />
Astrid Kuffner,<br />
freie Journalistin in Wien
24 Design <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Mehr zum<br />
Thema<br />
unter<br />
www.forschenentdecken.at<br />
Afrika! Afrika!<br />
Designerin Christina Steiner lässt sich bei ihrer<br />
Kollektion vom bunten Kontinent inspirieren.<br />
Stimmung kreieren. Ein Comic oder ein<br />
Witz erheitern Sie? Probieren Sie es<br />
doch mal mit Mode! Christina Steiner:<br />
„Meine Kleider sollen gute Laune machen!“<br />
Das Motto kommt an: Die<br />
31-jährige Oberösterreicherin ist mit<br />
ihrer Modemarke GON auf Erfolgskurs.<br />
„Ich versuche immer, eine bestimmte<br />
Stimmung zu kreieren“, erklärt sie. Inspirieren<br />
lässt sich die Designerin von<br />
der Kunst, der Natur und von afrikanischen<br />
Kulturen. Retro sowie futuristische<br />
Mode interessieren sie weniger.<br />
„Mode ist für mich ein Ausdruck der<br />
Gegenwart. Auch das aktuelle Zeitgeschehen<br />
beeinflusst mich“, so Steiner.<br />
Ihre Kreationen sieht sie als „avantgardistisch,<br />
intelligent, gefühlsbetont – und<br />
tragbar“.<br />
Hingucker. Ausnahme sind auffallende<br />
Kreationen wie Fellhüte (Foto rechts),<br />
die der Kollektion einen starken und<br />
identitätsprägenden Charakter geben<br />
sollen. Für die Zukunft ist die Designerin<br />
zuversichtlich: „Es schaut so aus, als<br />
ob meine Mode die Menschen glücklich<br />
machen würde.“ l<br />
Nicht alltäglich: Christina<br />
Steiners Kreationen fallen<br />
auf und sind purer<br />
Luxus auf der Haut.<br />
• CHriStiNA SteiNer ALiAS „GON“<br />
Gute-Laune-Mode<br />
auf erfolgskurs<br />
2009 schloss Christina Steiner, 31, die<br />
Modeklasse an der Wiener Universität<br />
für an gwandte Kunst unter der Leitung<br />
der belgischen Designgrößen raf<br />
Simons und Veronique Branquinho ab.<br />
2011 gründete sie ihr Label GON. Bereits<br />
während der Ausbildung räumte sie<br />
Preise ab, etwa 2008 das Adlmüller-<br />
Stipendium und 2009 das Startstipendium<br />
für Mode. <strong>2012</strong> gewann sie den<br />
evoque NextGen Award. departure<br />
fördert die entwicklung von Musterkollektionen<br />
und den internationalen<br />
Aufbau der Marke GON.<br />
Kontakt: www.gonvienna.com<br />
Fördergeber: www.departure.at<br />
Fotos: Philipp Friedrich. Model: Kira/Tempo Models
Von bemalten Wänden<br />
bis zum Fellhut, den<br />
afrikanische Kämpfer<br />
nach der erlegung des<br />
ersten Löwen tragen:<br />
Die Liebe zu Afrika<br />
kommt in der gesamten<br />
Kollektion durch.
Fotos: Nikolaus Similache (1), papernomad.com (1), Getty Images (1), Science Photo Library/picturedesk.com (1) Den<br />
26 Stylecheck <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Schmäh kann<br />
er sich aufzeichnen<br />
Der Kurier-Karikaturist Michael Pammesberger<br />
testete eine beschreibbare iPad-Hülle aus Papier.<br />
Sein Fazit: keine Gefahr für Kleinkinder.<br />
Der Künstler<br />
und sein Werk:<br />
Wir verlosen das<br />
Einzelstück unter<br />
den LeserInnen.<br />
„Das Schwarz-Weiß-Zeichnen ist meine Heimat“,<br />
bekennt Michael Pammesberger zu Beginn des Interviews<br />
Farbe. „Weil es schneller, purer und direkter<br />
ist.“ Sein Büro, in dem der Karikaturist gleich eine<br />
iPad-Hülle von Papernomad testen wird und in dem<br />
er Tag für Tag mit spitzer Feder PolitikerInnen und<br />
andere Persönlichkeiten in die Tinte reitet, ist nicht<br />
aufgeräumt. Was nur konsequent ist, denn auch in<br />
seinen Zeichnungen geht’s oft chaotisch zu. Er nennt<br />
das einfach nur „detailverliebt“.<br />
Funky. Beim Anblick der Hülle grinst Pammesberger<br />
schelmisch; neue Medien und Hightech-Spielzeuge<br />
sind ja an sich nicht ganz sein Ding. Auch dass die<br />
Gewinnen Sie<br />
die iPad-Hülle<br />
www.forschenentdecken.at<br />
Karikaturen als „Der neue Pammi“ durch Facebook,<br />
Twitter & Co fliegen, bekommt er nur en<br />
passant mit: „Die Zeichnung ist für mich weg, wenn<br />
sie am Papier fertig ist und rausgeht“, sagt er, der die<br />
papierene und individuell beschreibbare Hülle trotzdem<br />
„funky“ findet. „Man hat bewusst auf Design<br />
verzichtet, um die Fläche für persönliche Gestaltung<br />
freizugeben“, so Pammesberger. Dabei schätzt er<br />
nicht nur das optische Understatement der Hülle,<br />
sondern auch deren Größe: „Weil sich Kleinkinder<br />
daran nicht verschlucken können.“ Zu Weihnachten<br />
erscheint übrigens der vierte Sammelband des gebürtigen<br />
Bad Ischlers. „Eine neue Zusammenstellung<br />
der Kurier-Sachen“, wie er sagt. l
• Gut GESchützt<br />
Individuelle<br />
iPad-hülle<br />
Das unternehmen Papernomad<br />
bietet mit der Papierhülle zum<br />
Selbstgestalten eine nachhaltige<br />
Möglichkeit für den iPad- oder<br />
iPhone-Schutz. Die hüllen sind<br />
aus Papier-Verbundmaterial und<br />
vollständig kompostierbar. Die<br />
wasserabweisende Oberfläche<br />
ist beschreibbar und kann somit<br />
individuell designed werden.<br />
Kontakt: www.papernomad.com<br />
Fördergeber: www.zit.co.at<br />
• NoteN für PaPerNomad<br />
design: 1<br />
Cool, mit Understatement und einer<br />
unausgesprochenen Aufforderung,<br />
die Hülle selbst zu designen.<br />
materialien: 2<br />
Gut, wenngleich die grüne Attitüde<br />
etwas durchschaubar ist. Viele<br />
Regenwälder sind damit nicht<br />
zu retten – das wissen sogar die<br />
Bobos.<br />
funktionalität: 1–2<br />
Das iPad passt gut hinein, die Hülle<br />
eignet sich gut zum Zeichnen.<br />
Ebenso positiv: Kleinkinder können<br />
sich nicht daran verschlucken.<br />
originalität: 1<br />
Ich steh’ auf die Gratwanderung<br />
zwischen Design und freier Fläche<br />
zur individuellen Gestaltung.<br />
Robert Penz,<br />
Texter und freier Journalist in Wien<br />
Volles Programm<br />
Bücher, die Sie lesen, Förderwett bewerbe,<br />
die Sie kennen, und Veranstaltungen, die<br />
Sie keinesfalls versäumen sollten.<br />
Buchtipp<br />
Einsteins Hund<br />
Springer Verlag, 370 Seiten, 20,55 Euro,<br />
ISBN: 978-3-642-34758-0<br />
Relativitätstheorie so erklärt, dass sie<br />
sogar Hunde verstehen. Wenn sich<br />
Physikprofessor Chad Orzel mit seiner<br />
Promenadenmischung über das Jagen<br />
von Eichhörnchen unterhält, werden<br />
Einsteins Ideen auch für vollkommene<br />
Laien mit einem Mal verständlich.<br />
Kontakt: www.springer.com<br />
Förderungen<br />
Vom Labor auf den Markt<br />
Förderwettbewerb, Einreichfrist bis<br />
17. September 2013<br />
Mit dem Call „From Science to Products“<br />
möchte die Stadt Wien einen<br />
Anreiz für raschere und effizientere<br />
Umsetzung von wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen in die Praxis setzen.<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> termine 27<br />
Mehr Termine<br />
unter<br />
www.forschenentdecken.at<br />
Wissenschaftliche Ergebnisse sollen durch<br />
Förderungen schneller marktreif werden.<br />
Förderwürdige Projekte müssen in den<br />
Bereich der „Industriellen Forschung“<br />
(IF) oder der „Experimentellen Entwicklung“<br />
(EE) laut EU-Definition<br />
einordenbar sein. Projekte, die nachweislich<br />
von einer Frau wissenschaftlich<br />
geleitet werden, können einen<br />
Bonus von 10.000 Euro erhalten.<br />
Kontakt: www.zit.co.at<br />
Profis beraten Selbstständige<br />
Förderwettbewerb, Einreichfrist bis<br />
16. September 2013<br />
departure experts fördert Wiener Unternehmen<br />
der Creative Industries, die<br />
sich in der Wachstumsphase befinden.<br />
Grundlage für die Förderung ist ein<br />
geplantes Projekt oder Wachstumsvorhaben,<br />
das für das Unternehmen einen<br />
nachhaltigen Wettbewerbsvorteil darstellt.<br />
Unterstützung bekommt dieses<br />
Unternehmen durch die Zusammenarbeit<br />
mit qualifizierten ExpertInnen.<br />
Kontakt: www.departure.at<br />
AuFLöSunG:<br />
Bilderrätsel (Seite 5)<br />
hätten Sie es gewusst? Die Abbildung<br />
zeigt ein menschliches Gehirn in einem<br />
DtI-Scan (Diffusion tensor Imaging).<br />
zu sehen ist die Bewegung der Wassermoleküle<br />
in den nervenfasern der weißen<br />
hirnmasse. Die Fasern übermitteln<br />
Signale zwischen den unterschiedlichen<br />
hirnarealen und dem Rückenmark.
Auf den Spuren<br />
der Menschheit<br />
Warum geht der Mensch heute auf zwei Beinen?<br />
Die Antwort darauf gibt es bei einer exklusiven<br />
Führung durch die Anthropologie-Ausstellung<br />
im Naturhistorischen Museum Wien.<br />
CSI-Tisch. Einmal TV-ErmittlerIn spielen und mit Lupe, Mikroskop und Isotopen<br />
ein Skelett untersuchen, um Alter, Geschlecht und Todesursache festzustellen.<br />
Wenn Sie das schon immer machen wollten, wird Sie der CSI-Tisch im<br />
Naturhistorischen Museum faszinieren. Das Hightech-Gerät ist aber nur ein<br />
Höhepunkt der Anthropologie-Ausstellung.<br />
Unter dem Motto „Mensch(en) werden“ zeigt die Schau den Entstehungsprozess<br />
des Menschen bis zur Jungsteinzeit. BesucherInnen können die Etappen<br />
der Menschwerdung im wahrsten Sinn des Wortes begreifen. Um zum Beispiel<br />
den Unterschied zwischen einem Neandertaler- und einem Homo-sapiens-Schädel<br />
ertasten zu können, wurden Hands-on-Stationen entwickelt. Ebenfalls<br />
sehenswert: Die ältesten Belege des aufrechten Ganges – drei 3,6 Millionen<br />
Jahre alte Fußspuren – wurden in den Museumsboden eingelassen.<br />
Kontakt: Mitmachen ist ganz einfach: Besuch im Naturhistorischen Museum Wien, zehn LeserInnen<br />
plus Begleitung, 24. 7. 2013, Anmeldung bitte bis zum 8. 7. 2013 beim Clubtelefon 01/277 55 22<br />
oder unter www.forschen-entdecken.at, Treffpunkt und genaue Uhrzeit werden den GewinnerInnen<br />
rechtzeitig bekannt gegeben.<br />
In der Ausstellung treffen Hightech<br />
und Tradition aufeinander.<br />
Exklusiv-<br />
Führung<br />
10 Clubmitglieder<br />
mit Begleitung<br />
am 24. 7. 2013<br />
• DIe enTwIcklung DeS MenScHen<br />
Aufrechter gang und<br />
evolution des gehirns<br />
Die Anthropologie-Ausstellung zeigt<br />
eine Reihe wichtiger Stationen auf dem<br />
weg zum Menschen der gegenwart.<br />
Dazu gehören ein prähistorisches Feuer,<br />
einer der ersten „Aufrechtgänger“, ein<br />
etwa 17.000 Jahre alter, kleinwüchsiger<br />
Mensch und 2005 entdeckte Zwillinge,<br />
die vor 27.000 Jahren am wachtberg bei<br />
krems bestattet wurden.<br />
Kontakt: www.nhm-wien.ac.at<br />
Fotos: Naturhistorisches Museum Wien/Kurt Kracher (3), Nikolaus Similache (2)
• FüR kluge köPFe<br />
Sudoku: Mitmachen<br />
und Bücher gewinnen<br />
Tragen Sie die Ziffern 1 bis 9 in die Blöcke ein. Jede Ziffer darf nur<br />
1 x pro Block, auf jeder Horizontalen und Vertikalen vorkommen.<br />
Addieren Sie anschließend die in den Kreisen stehenden Ziffern und<br />
geben Sie die Summe per E-Mail, Post oder Telefon bis 12. 7. 2013<br />
unter dem Kennwort „Sudoku“ bekannt. Die Ziehung erfolgt unter<br />
Ausschluss des Rechtsweges. Eine Barablöse der Preise ist nicht möglich.<br />
Zu gewinnen gibt es zehn Exemplare „Wissenschaft und<br />
Innovation.“ Die GewinnerInnen werden schriftlich verständigt.<br />
Kontakt: <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong>, Postfach 7000, 1110 Wien,<br />
Clubtelefon 01/277 55 22, E-Mail: leserservice@redaktion-wien.at<br />
wISSenScHAFT<br />
unD InnovATIon<br />
Der Besuch bei 20 ForscherInnen<br />
zeigt die Bandbreite, innerhalb der in wien<br />
geforscht wird. Das Buch ist eine Reise in die<br />
welt der Zellkerne, Quanten, Ausgrabungsstätten,<br />
wolfsbeobachtung und Bevölkerungsstatistik.<br />
verlag echomedia,<br />
145 Seiten, euR 15,<br />
ISBn: 9120001135691<br />
Club<br />
Vorteilskarte<br />
• cluB wIen.AT<br />
So können Sie mitspielen<br />
Voraussetzung für die Teilnahme an unseren Aktionen ist,<br />
dass Sie Club-wien.at-Mitglied sind oder werden. Rufen Sie<br />
einfach bei un serem Clubtelefon 01/277 55 22 an und geben<br />
Sie Name und Adresse bekannt. Nach der Anmeldung<br />
können Sie sofort mitspielen. Die Mitgliedschaft ist kostenlos<br />
und unverbindlich.<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> club 29<br />
umweltfreundliche<br />
iPad-Hülle aus Papier<br />
Einzelstück. Der Kurier-Karikaturist Michael<br />
Pammesberger hat sie bemalt, getestet und für gut<br />
befunden. Die umweltfreundliche iPad-Hülle aus<br />
dem Hause papernomad kostet 40 Euro, ist aus<br />
Papier-Verbundmaterial und vollständig<br />
kompostierbar. Das Kunstwerk von<br />
Pammesberger wird verlost.<br />
Gewinnfrage: Woraus besteht<br />
die iPad-Hülle? Mitmachen bis<br />
12. 7. 2013.<br />
Kontakt: Postfach 7000, 1110<br />
Wien, Clubtelefon 01/277 55 22,<br />
leserservice@redaktion-wien.at,<br />
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aus Wissenschaft und<br />
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Kinder & Co<br />
Das Elternmagazin mit Tipps für Null- bis Zehnjährige.<br />
Nr. 02/2013 P. b. b. Erscheinungsort: Wien – Verlagspostamt 1110 Wien, 11Z039056 M, DVR: 0000191<br />
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30 Schlusspunkt <strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong><br />
Apphängig<br />
Einhundertachtundzwanzig. So viele<br />
Apps sind derzeit auf meinem iPod<br />
touch installiert. Ich gehöre nämlich<br />
nicht zu den Glücklichen, die sich ein<br />
iPhone leisten können. Das erscheint<br />
sogar mir viel, wobei ich betonen<br />
möchte, dass ich auch ohne „iPere-<br />
Lachaise“ leben könnte. Vor allem,<br />
weil man mit dieser App das Grab von<br />
Jim Morrison auf dem Pariser Friedhof<br />
auch nicht leichter findet.<br />
Ich wäre allerdings aufgeschmissen<br />
ohne „Astrid“, die unter anderem<br />
meine Einkaufsliste betreut. Ein Fingertipp<br />
und ich vergesse die Milch<br />
nicht mehr. Oder den Einkaufszettel.<br />
„Kitchen Pro“ rechnet mir beim<br />
Kochen amerikanische Maßeinheiten<br />
in Gramm und Milliliter um, auch<br />
wenn es mich nicht davor bewahrt,<br />
ständig „tablespoon“ mit „teaspoon“<br />
zu verwechseln. „Paris-ci“ zeigt mir, in<br />
welchen Métro-Waggon ich einsteigen<br />
muss, um mich am Ziel nicht einen<br />
ganzen Bahnsteig lang durch mir entgegenströmende<br />
Menschenmassen<br />
kämpfen zu müssen, weil mein Ausgang<br />
am anderen Ende liegt.<br />
Mit „CityMaps2Go“ kann ich mir<br />
vor jeder Reise eine Landkarte oder<br />
einen Stadtplan herunterladen, auf<br />
dem auch noch in Echtzeit mein aktueller<br />
Standort angezeigt wird. Für orientierungsmäßig<br />
Herausgeforderte,<br />
die prinzipiell in die falsche Richtung<br />
gehen, ist diese App ein einziger<br />
Lebensretter. Mein Vater machte sich<br />
bei seinem letzten Besuch allerdings<br />
über meine Techno-Abhängigkeit lustig.<br />
Er hat im Kopf, mit welcher Geschwindigkeit<br />
Weltraumschrott unterwegs<br />
ist, ich hingegen musste den<br />
Unterschied zwischen Daliah Lavi und<br />
Dalida googeln. Hätte ich ohne elektronisches<br />
Hirn meine französische<br />
Handynummer früher auswendig gewusst<br />
und nicht erst jetzt, wo wir das<br />
Land ohnehin schon wieder verlassen?<br />
Deshalb habe ich einen Kompromiss<br />
mit mir geschlossen. Den Weg<br />
zum Supermarkt muss ich ohne Stadtplan-App<br />
finden. Außerdem kaufe ich<br />
dort erst einmal alles, woran ich mich<br />
erinnern kann und konsultiere meine<br />
Liste nur zur Kontrolle. Seither stapeln<br />
sich allerdings die Sardellengläser im<br />
Kühlschrank, weil ich mir jedes Mal<br />
denke: „Können wir sicher brauchen.“<br />
Und jetzt sichere ich sofort den Inhalt<br />
der einzigen für mich wirklich lebenswichtigen<br />
App: jener, in der all meine<br />
Passwörter gespeichert sind.<br />
Sigrid Neudecker-<br />
von Randow ist<br />
Autorin und pendelt<br />
zwischen Paris,<br />
Hamburg und Wien.<br />
Illustration: Markus Murlasits, Foto: Privat
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FEC 5/6<br />
Symbolrate 22.000<br />
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Kanal 34, DVBT W2<br />
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