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GL 2/2006 - der Lorber-Gesellschaft eV

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28 Das Paradies des Herzens<br />

<strong>GL</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

Das Paradies des Herzens<br />

Johann Amos Comenius (1592-1670)<br />

Eine dumpfe Stimme erscholl hinter mir und rief: „Kehre<br />

um!“ Ich hob ein wenig meinen Kopf und wollte sehen, wer<br />

mich gerufen und wohin ich mich zu wenden habe; doch sah<br />

ich niemand.<br />

Und sieh! Da ließ sich jene Stimme abermals vernehmen:<br />

„Kehre um!“ Da ich jedoch nicht wusste, wohin ich denn<br />

zurückkehren, noch wie ich mich aus meiner Ohnmacht aufraffen sollte,<br />

ward ich traurig.<br />

Da rief die Stimme nun zum dritten Male: „Kehre dahin zurück, von<br />

wo du ausgegangen bist, in deines Herzens Kämmerlein und schließe<br />

hinter dir die Türe zu!“<br />

Und diesen Rat befolgte ich, so gut ich es verstand; wohl mir, dass ich<br />

auf Gottes Stimme hörte! Doch war auch dies schon seine Gnade. Ich<br />

sammelte also, so gut ich konnte, meine Gedanken, schloss Augen,<br />

Ohren, Mund und Nase und alle sonstigen Zugänge <strong>der</strong> Seele und hielt<br />

nun Einkehr in mein Herz; doch siehe! da war es finster. Als ich mich<br />

aber mit blinzelnden Augen ein wenig umsah, gewahrte ich vermittels<br />

eines schwachen, durch einige Risse einfallenden Lichtstrahls oben an <strong>der</strong><br />

Wölbung meines Stübchens ein großes, rundes Glasfenster, das aber so<br />

verunreinigt und schmutzig war, dass es nicht das geringste Licht<br />

durchließ.<br />

Als ich hierauf bei dieser armselig schwachen Beleuchtung nach allen<br />

Seiten Umschau hielt, da sah ich an den Wänden einige Bil<strong>der</strong> hängen, die<br />

einstens sicherlich von Meisterhand verfertigt, jetzt völlig verblichen,<br />

verstümmelt und arg entstellt waren. Als ich ein wenig näher trat, las ich<br />

die Aufschriften: Vorsicht, Demut, Gerechtigkeit, Keuschheit, Mäßigkeit<br />

und an<strong>der</strong>e. Mitten im Zimmer lagen in wirrem Durcheinan<strong>der</strong><br />

zerbrochene Leitern, zertrümmerte und geborstene Haspeln, Stricke, dann<br />

ein Paar Flügel mit ausgerupften Fe<strong>der</strong>n, schließlich Uhrrä<strong>der</strong> mit<br />

gebrochenen o<strong>der</strong> verbogenen Achsen, Zähnen und Walzen, alles in <strong>der</strong><br />

größten Unordnung.<br />

Erstaunt betrachtete ich alle diese Vorrichtungen, ohne zu ahnen, wie<br />

und von wem sie wohl so arg beschädigt worden sein mochten und wie sie<br />

nun wie<strong>der</strong> in Ordnung zu bringen wären. Doch machte ich mir<br />

Hoffnungen, dass er, <strong>der</strong> mich durch seine Kraft hierher geführt, wer<br />

immer es auch sei, bald wie<strong>der</strong> von sich hören lassen und mich über alles

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