GL 4/2013 - der Lorber-Gesellschaft eV
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Der Christbaum<br />
Die Lehre von den Entsprechungen<br />
Christ, <strong>der</strong> Retter ist da!<br />
Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
Vom gottgefälligen Sehnen<br />
Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge<br />
Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn<br />
Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
Der Zorn Gottes<br />
Über das Gebet<br />
Die Liebe des Ewigen<br />
Gott wirkt durch uns
INHALT<br />
Otto Hillig Der Weihnachtszauber S. 2<br />
Klaus W. Kardelke Editorial S. 3<br />
Gottfired Mayrhofer Der Christbaum S. 5<br />
Edith Mikeleitis Die Lehre von den Entsprechungen S. 12<br />
Susanne Zaich Christ, <strong>der</strong> Retter ist da! S. 17<br />
Jakob Ganz Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit S. 21<br />
Johannes Tauler Vom gottgefälligen Sehnen... S. 29<br />
Meister Eckhart Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge S. 30<br />
Heinrich Seuse Gott ist überall zu finden S. 31<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn S. 32<br />
Joahnnes Goßner Nach dir, Herr, verlanget mich S. 33<br />
Neue Kirche Biblische Bil<strong>der</strong> - Der Weinstock S. 34<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Der Zorn Gottes S. 39<br />
Mikail Naimy Über das Gebet S. 40<br />
Mahatma Gandhi Der beste Weg S. 44<br />
H. TH. Hamblin Die Liebe des Ewigen S. 45<br />
Agnes Sanford Gott wirkt durch uns S. 47<br />
Weisheitsgeschichten Die Meisterprüfung S. 51<br />
Ein bewun<strong>der</strong>ungswerter Plan S. 52<br />
Die kleine Schraube S. 52<br />
Anleitung zum Unglücklichsein S. 53<br />
Wer bin ich S. 53<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Göttlicher Gesundheitsrat S. 54<br />
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Klaus W. Kardelke<br />
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- Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -<br />
Jahrgang 33 <strong>2013</strong> Heft 4<br />
„Ehre sei Gott in <strong>der</strong> Höhe in Dem, <strong>der</strong> da kommt<br />
im Namen des Herrn!‘<br />
Tauet herab, ihr Himmel, den Gerechten! Friede den<br />
Menschen auf <strong>der</strong> Erde, die eines guten Willens sind!“<br />
(Jug.Jesu 18,25)<br />
„Hosianna in <strong>der</strong> Höhe, und Friede allen Völkern, die eines<br />
guten Willens sind; gelobet sei <strong>der</strong> Herr, <strong>der</strong> da kommt;<br />
Halleluja dem Sohne Davids; Halleluja dem Fürsten des<br />
Friedens; Halleluja Dem, <strong>der</strong> da kommt im Namen des Herrn<br />
Gott Zebaoth; Er allein ist würdig, allen Preis, allen Ruhm und<br />
alle Ehre zu nehmen von uns; Er ist <strong>der</strong> heilige, alleinige Vater<br />
unserer Herzen. Amen!“<br />
(HGt. 1; 32,1)
2 Der Weihnachtszauber<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Der Weihnachtszauber<br />
Otto Hillig<br />
Der Weihnachtszauber, <strong>der</strong> dich still umwehet,<br />
gab zur Geburt auch sein Gepräge dir;<br />
wo's Herz gleichsam vor Ehrfurcht stille stehet,<br />
wardst Bürger du von dieser Erde hier.<br />
So stehst du da als eine Himmelsrose,<br />
noch halb verschlossen ist die innere Pracht,<br />
verbunden ward mit deinem Erdenlose<br />
so eng, so eng die heil'ge Weihenacht<br />
Wie Engel einst die heil'ge Nacht besungen,<br />
wo unser Gott zur Erde nie<strong>der</strong>kam<br />
und Frieden für die Menschen ist erklungen,<br />
da Jesus all' die Sünden auf Sich nahm,<br />
so bist auch du als Engel hergekommen,<br />
sangst selbst im Geist das Hosianna mit,<br />
zu dienen hier <strong>der</strong> Welt zu ihrem Frommen,<br />
die in <strong>der</strong> Nacht <strong>der</strong> Gottentfremdung litt.<br />
Nun dufte du als Himmelsros' auf Erden<br />
durch deine Treu und Liebe fort und fort;<br />
es leuchte dir zu deinem geist'gen Werden<br />
des Liebe, guten Vaters Jesu Wort!<br />
Kein Zufall ist's, dass man dich so benannte,<br />
ein tief'rer Geist drückt sich darinnen aus,<br />
so solltest du in diesem Erdenlande<br />
den Himmelsduft streu'n in die Welt hinaus.<br />
So dufte du als Friedensrose weiter,<br />
von Jesu Gnad und Liebe hier gepflegt;<br />
bleib' Engel auf <strong>der</strong> Himmelsstufenleiter,<br />
dass Jesu Geist in dir auch Früchte trägt!<br />
(Gnadengaben Nr. 251)
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Editorial<br />
3<br />
Editorial<br />
Was wäre die Advents- und Weihnachtszeit ohne all die<br />
schönen und uns liebgewordenen Bräuche und<br />
Festlichkeiten, den geschmückten und erleuchteten Häusern<br />
und Straßen, dem Adventskranz, dem Weihnachtsbaum, den<br />
Geschenken und Kerzen und dem Geruch von frisch<br />
gebackenen Plätzchen und Bratäpfeln.<br />
Stellen wir uns doch einmal vor, wenn all diese äußeren<br />
weihnachtlichen Ausschmückungen wegfallen würden.<br />
Klaus W. Kardelke<br />
Vorstandsmitglied <strong>der</strong><br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />
Wenn es all die schönen und vertrauten Dinge nicht mehr gäbe, die<br />
Weihnachten zu dem machen, was es für uns heute geworden ist; was wäre<br />
Weihnachten dann noch für uns? Was bliebe dann noch übrig?<br />
Gehören diese äußeren Dinge denn alle wirklich dazu, um die Geburt<br />
des Herrn zu feiern und um eine weihnachtliche Stimmung zu erzeugen<br />
o<strong>der</strong> lenken sie uns nicht vielmehr nur vom Wesentlichen ab?<br />
Und wenn wir ehrlich sind, leben wir nicht auch in diesem äußeren<br />
Weihnachtsgeschehen, in denen wir vor lauter Weihnachtsrummel das<br />
Wesentliche <strong>der</strong> Weihnachtszeit vergessen haben.<br />
Was bliebe uns denn noch, wenn das äußere Weihnachtfest wegfiele,<br />
wenn all das weihnachtlich Vertraute nicht mehr wäre, ja, was bliebe dann<br />
von Weihnachten noch übrig?<br />
Lediglich das kleine Kind in <strong>der</strong> Krippe, gebettet auf Stroh, in einer<br />
kalten, kargen Höhle, neben Rin<strong>der</strong>n und Schafen, bliebe von<br />
Weihnachten noch übrig.<br />
Doch wem würde dies alleine noch genügen, bei all dem äußeren<br />
Glimmer und <strong>der</strong> Pracht und den vielen Geschenken, mit denen wir uns die<br />
Weihnachtszeit verschönern.<br />
Lei<strong>der</strong> haben wir das Unwesentliche zur Hauptsache gemacht und das<br />
Christuskind in einer Ecke neben unserem Weihnachtsbaum und den<br />
Geschenken verbannt, anstatt es in die Krippe unserer liebenden Herzen zu<br />
legen.<br />
Gott wurde Mensch in dem Kindlein Jesus. Er verließ all seine<br />
Herrlichkeit und Pracht, verließ sein himmlisches Königreich und kam in<br />
diese Welt zu seinen Kin<strong>der</strong>n, um sie heimzuführen.<br />
Und gerade dieses Kindlein, dieser menschgwordene Gott, ist es ja<br />
doch, dessentwegen wir das Weihnachtsfest jedes Jahr feiern. Er sollte<br />
doch die Hauptsache in dieser Zeit sein, denn all das äußere<br />
Weihnachtsgeschehen ist zu nichts nütze, wenn die Heilige Nacht nicht in<br />
unseren Herzen Einzug halten kann.
4 Editorial<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Doch all <strong>der</strong> äußere weihnachtliche Trubel von Glanz und Glimmer<br />
verhin<strong>der</strong>t ja gerade diese Einkehr in das eigene Herz.<br />
Erst wenn die äußere Weihnacht vergeht, wird die innere ihren Einzug<br />
halten können. Erst wenn alles Äußere wegfällt und wir es loslassen,<br />
gelangen wir zum eigentlichen Kern <strong>der</strong> Weihnacht, dem Herrn selbst.<br />
Erst wenn alle äußeren Schalen von uns abfallen, wird das Wesentliche,<br />
unser göttlicher Geistfunke, zum Vorschein kommen.<br />
Doch was bliebe von mir übrig, wenn alles Äußere wegfällt, wenn ich<br />
alles loslassen könnte, was mich hin<strong>der</strong>t zur Krippe zu kommen? Was und<br />
wie würde ich mich dann fühlen?<br />
Wenn ich alles Äußere loslassen könnte, so würde ich zum Kern <strong>der</strong><br />
Dinge und meines eigenen Wesens vordringen. Doch lei<strong>der</strong> klammern wir<br />
uns noch zu sehr am Äußeren und können nicht loslassen, um den wahren<br />
Wert unseres inneren göttlichen Wesens kennenzulernen.<br />
Wir haben uns dem Äußeren hingegeben, anstatt uns allein unserem<br />
himmlischen Vater hinzugeben, wann wird das ersichtlicher als gerade zur<br />
Weihnachtszeit.<br />
Einmal werden wir aber alles Äußere loslassen müssen, wenn wir diese<br />
Welt verlassen. Je eher wir dies noch hier lernen und uns selbst loslassen<br />
und ganz Gott überlassen, desto leichter wird unsere Loslösung von dieser<br />
Welt sein.<br />
So möchte ich mich auch an dieser Stelle nach zehnjähriger Tätigkeit<br />
als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> von allen Freunden und<br />
För<strong>der</strong>ern verabschieden und bedanke mich für die gute Zusammenarbeit<br />
und Unterstützung in dieser Zeit. Es war für mich eine intensive und<br />
gesegnete Zeit in dieser Position im Weinberg des Herrn tätig zu sein.<br />
Nun ist es an <strong>der</strong> Zeit für mich den Vorsitz abzugeben und Würde aber<br />
auch Bürde an an<strong>der</strong>e weiterzureichen und im Hintergrunde für den Herrn<br />
weiterzuwirken. Möge <strong>der</strong> Herr die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> auch<br />
weiterhin mit seinem Segen begleiten.<br />
Die <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> bedankt sich bei allen Freunden und För<strong>der</strong>ern<br />
für ihre Unterstützung durch Gebete und Spenden in diesem Jahr und<br />
wünscht allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesundes Neues Jahr.<br />
Euer Klaus Kardelke
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />
5<br />
Der Christbaum<br />
Gottfried Mayerhofer (1807-1877)<br />
Schon früher habe Ich (<strong>der</strong> Herr) euch einige Worte gegeben über das<br />
Fest Weihnachten, teils wie es gefeiert wird, teils wie ihr es geistig<br />
auffassen sollet. Heute will Ich zu dem Zeichen dieses Festes übergehen,<br />
welches an dem Vorabende des Festes vielfach in den Familien<br />
aufgepflanzt steht, mit Lichtern und Früchten geschmückt, und darunter<br />
allerlei Geschenke für Groß und Klein bergend, Freude und Zufriedenheit<br />
unter Gebenden und Empfangenden verbreiten soll.<br />
Ihr habt diese geschmückte junge Tanne „Christbaum“ getauft, und da<br />
doch in Allem etwas Geistiges verborgen liegt, so will Ich euch diese<br />
geistig entsprechende Seite des Christbaumes näher vor das Auge rücken,<br />
damit ihr wie<strong>der</strong> erkennen möget, wie oft ihr unbewusst mit geistigen o<strong>der</strong><br />
vielsagenden Dingen weltliche Beschäftigungen o<strong>der</strong> sogar Vergnügungen<br />
verbindet, ohne zu ahnen, was ihr eigentlich tut, o<strong>der</strong> was als Geister<br />
angesehen euch eine weit schönere, genussreichere Aussicht und Einsicht<br />
in Mein Reich geben könnte, wäret ihr fähig, die Entsprechungs- o<strong>der</strong><br />
symbolische Sprache <strong>der</strong> materiellen, sichtbaren Welt zu verstehen.<br />
Nun, ein altes Herkommen bei allen christlich-katholischen Völkern<br />
war es, am Abende o<strong>der</strong> Vorabende <strong>der</strong> Feier Meiner Geburt ein<br />
Familienfest zu veranstalten, und den Kin<strong>der</strong>n das Christuskind als<br />
Beispiel vorstellend, Geschenke allerlei Art zu geben, unter dem<br />
Vorwande, als hätte das „Christkindlein“ selbe den frommen Kin<strong>der</strong>n zum<br />
Andenken an seinen ersten Eintritt in die materielle Welt gegeben.<br />
Da das Christuskindlein als vollkommenstes Kind alle Eigenschaften<br />
besaß, die je nur ein weltliches Kind besitzen o<strong>der</strong> sich eigen machen<br />
sollte, so war auch bei Erwartung dieses Festes stets die Erwartung <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Furcht gemischt, weil sich in ihrem jugendlichen Gemüte<br />
<strong>der</strong> Gedanke oft lautbar machte: Verdiene ich auch ein Geschenk o<strong>der</strong><br />
nicht? da gewiss ein jedes Kind sich doch auch gewisser menschlicher<br />
Fehler bewusst war, die eher eine Rüge, als eine Belohnung verdient hätte?<br />
Umso größer war die Freude, wenn dann statt Recht die Gnade Geschenke<br />
brachte, und zumeist unerwartete. Später mischten sich auch die großen<br />
Kin<strong>der</strong> in dieses Fest <strong>der</strong> Jugend, und beschenkten zeremoniell auch<br />
einan<strong>der</strong>, ohne jedoch we<strong>der</strong> an den primitiven Grund, noch weniger an<br />
die symbolische Deutung dieses Weihnachtgeschenkes zu denken.<br />
Nun, das Fest <strong>der</strong> „Weihnachten“ steht vor <strong>der</strong> Türe, ein je<strong>der</strong> Vater<br />
beschenkt seine Kin<strong>der</strong>, so viel es ihm möglich ist, und so will auch Ich<br />
euch, die ihr Meine Kin<strong>der</strong> seid, mit Etwas beschenken, damit, wenn Ich
6 Der Christbaum<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
bei euch eintrete, Ich auch freudestrahlende Gesichter erblicken kann, wo<br />
im Blicke des Auges Dank und Ergebung mir entgegenleuchten mögen! _<br />
Dieses Geschenk sei die geistige Erklärung eures Christbaumes, <strong>der</strong><br />
doch Meinen Namen trägt, und Mir zuliebe aufgerichtet wird. __<br />
Als Ich vor fast zweitausend Jahren eure kleine Erde betrat, und die<br />
Engel bei Meiner Geburt „Hosianna“ sangen, und euch Menschen allen<br />
zuriefen: „Freuet euch, denn es ist euch eine große Ehre angetan worden!<br />
Friede sei auf Erden und in den Himmeln! da legte Ich den ersten Keim<br />
dieses geistigen Christbaumes, daran Ich Selbst (wie am höchsten Punkte,<br />
bildlich wie euer Christbaum eine pyramidale Form hat,) als<br />
Ausgangspunkt alles Geschaffenen throne, und auch die Wurzel desselben<br />
ausmache, und so wie Ich einst sagte: „Ich bin <strong>der</strong> Anfang und das Ende,<br />
das Alpha und das Omega“ __ Meine Allgegenwart bildlich darstellte.<br />
So wie euer Christbaum seine Arme nach allen Seiten ausbreitet, stets<br />
in geraden Linien, wie auch <strong>der</strong> Stamm eines Tannenbaumes stets nur<br />
gerade ist, also sollte auch Mein geistiger Christbaum, <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong><br />
geistigen Erkenntnis und des Wertes <strong>der</strong> Menschenwürde, geradeaus,<br />
vorwärts und aufwärts dringen nach dem Lichte, das von Oben ihn<br />
beleuchtet und erwärmt, wie <strong>der</strong> materielle Baum selbst.<br />
Dieser Christbaum, den Ich in jenen Zeiten pflanzte, sollte <strong>der</strong> Baum<br />
sein, auf welchem Meine ganze geistige und materielle Schöpfung gleich<br />
euren Lichtern und Kerzen auf den Tannenzweigen, zu Gottes Ehre, zur<br />
Ehre ihres Schöpfers ewig brennen und leuchten sollte; wie jetzt in den<br />
Tannenwäl<strong>der</strong>n die Bäume mit kristallisierten Tautropfen und<br />
Schneeflocken geziert, trotz <strong>der</strong> klimatischen Kälte des Winters doch<br />
durch ihre Nadeln Elektrizität einsaugen, und während die ganze Natur um<br />
sie her in den mehrmonatlichen Winterschlaf versunken ist, sie noch<br />
gründend erhält, ebenso leuchten auf dem großen Christbaume Meiner<br />
ganzen Schöpfung, wie ihr es in je<strong>der</strong> sternenhellen Nacht sehen könnet,<br />
Millionen und Millionen Welten, die Ich als lieben<strong>der</strong> Vater als leuchtende<br />
Kerzen und Lichter angesteckt habe, damit alle Meine Geschöpfe und<br />
Meine Geisterwelt erkennen mögen, dass ein lieben<strong>der</strong> Vater seine Kin<strong>der</strong><br />
zu beschenken weiß, je nach ihrem Verdienste, und meistens mit mehr, als<br />
sie verdienen.<br />
Mein Christbaum, welchen Ich in <strong>der</strong> Schöpfung und auf eurer Erde in<br />
jener Zeit aufpflanzte, war <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> Erkenntnis, dass ein<br />
Vater, will er diesen Namen verdienen, nur ein lieben<strong>der</strong> Vater sein kann!<br />
Bei Meiner Geburt auf eurer Erde beging Ich für Mich den größten<br />
Erniedrigungsakt, um euch die Gelegenheit zu geben, euch so hoch als<br />
möglich zu erheben.
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />
7<br />
Wie ein je<strong>der</strong> Baum mit dem Samen und <strong>der</strong> Wurzel anfängt, so legte<br />
auch Ich durch Mein Darnie<strong>der</strong>steigen den Samen des Erhabenen vorerst<br />
durch Mich Selbst in eine materielle, sichtbare Gestalt, und ferner als<br />
geistigen Keim in die Herzen <strong>der</strong> Menschen, dass sie erkennen mögen,<br />
woher sie gekommen sind, und wohin sie gehen müssen.<br />
Mein Christbaum richtete sich nach und nach auf, musste, wie mancher<br />
Tannenbaum auf den hohen Gebirgen, viele Stürme und Gewitter<br />
ausstehen, musste sogar wie mancher Baum seine sonst gerade auf- o<strong>der</strong><br />
vorwärts stehenden Äste nach dem Winde drehen; aber <strong>der</strong> Baum blieb<br />
doch, was er sein sollte, und zu was Ich ihn in die Schöpfung gestellt hatte:<br />
Ein Läuterer <strong>der</strong> Atmosphäre, ein Einsauger himmlischen, ätherischen<br />
Lichtes, und ein Verbreiter heilsamer Gerüche, <strong>der</strong>en Substanzen in<br />
verschiedenen Formen den kranken und leidenden Menschen zugute<br />
kommen werden, je mehr die Wichtigkeit dieses Baumes in so heilsamer<br />
Bedeutung anerkannt wird.<br />
Alle diese Eigenschaften, die euer Tannenbaum besitzt, welchen als<br />
junge Tännlein ihr oft zum „Christbaum“ schmücket, alle diese nämlichen<br />
Eigenschaften hat auch Mein großer Christbaum, <strong>der</strong> Baum Meiner<br />
Weltenschöpfung; auch er strebt aufwärts zu Mir, als höchstem Punkte,<br />
von dem er ausgegangen ist; auch er breitet seine Äste in die<br />
Unendlichkeit hinaus, mit tausend und tausend Wun<strong>der</strong>n prangend, saugt<br />
materiell aus dem Äther seinen Lebensstoff zur Fortdauer und<br />
Vervollkommnung, und gibt den in ihm lebenden Wesen Leben, Wärme<br />
und Licht wie<strong>der</strong>.<br />
Auch geistig vollführt er das Nämliche; Mein Geisterreich steckt seine<br />
Arme nach allen Seiten aus, Mein Geisterreich hat seine höchste Spitze in<br />
Mir, und bereitet allen jenen, welche es verstehen, suchen und lieben<br />
lernen, den geistigen Genuss einer Liebe, die, weiter haben über alles<br />
Menschliche, nie schwächer und nie enden wird, nämlich die<br />
allumfassende Vaterliebe, welcher <strong>der</strong> kleinste Wurm, sowie <strong>der</strong> größte<br />
Engelsgeist gleich sehr am Herzen liegt. __<br />
Wenn ihr nun im häuslichen Kreise mitten zwischen steinernen Mauern<br />
einen grünenden jungen Tannenbaum aufgerichtete habt, wenn ihr selben<br />
mit Lichtern und Geschenken verzieret, und die Kin<strong>der</strong>chen freudig um<br />
selben herumspringen, und jedes sein ihm beschertes Geschenk mit<br />
freudigem Auge betrachtet, so bedenket, wie viele Geschenke Ich, euer<br />
Vater, euch stets zu Teil werden lasse, wie viele Lichter Ich euch anzünde,<br />
damit ihr Meine Geschenke im größten Glanze Meines himmlischen<br />
Lichtes besehen und euch daran erfreuen könnet; wenn ihr an diesem<br />
Abende eure eigenen vergangenen Kin<strong>der</strong>freuden wie<strong>der</strong> in den Freuden
8 Der Christbaum<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
eurer Nachkommen zum zweiten Male und zwar alljährlich erlebet, so<br />
erinnert euch jener Worte aus Meinen Lehrjahren, wo Ich sprach:<br />
„Lasset die Kindlein zu Mir kommen; denn ihnen ist das Himmelreich,“<br />
und noch beifügte: „Wenn ihr nicht werdet, wie diese, so könnt ihr nicht<br />
eingehen in Mein Reich!“<br />
Ja, Kin<strong>der</strong> sollet ihr werden! d.h. kindliches Gemüt, kindliches<br />
Vertrauen zu Mir haben; nur dann könnet ihr Geschenke von Mir, wie eure<br />
Kin<strong>der</strong> am Christabende, so ganz mit reiner unschuldiger Freude genießen;<br />
dann blüht auch für euch ein Baum, den die Christenliebe gepflegt und<br />
groß gezogen hat, <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong> ersten Gottes- und Vater-Liebe.<br />
Daher befleißet euch, Kin<strong>der</strong> zu werden! seid nicht, wie eine kleine<br />
Pflanze, die zwar bei Bewegung des Lebenswassers auf dessen Oberfläche<br />
auf einige Zeit schwimmend, sich des Einflusses des Sonnenlichtes und<br />
seiner Wärme erfreut; aber kaum dass die Bewegung aufhört, wie<strong>der</strong> dem<br />
Zuge <strong>der</strong> Schwere gehorcht und auf den Boden des weltlichen Lebens<br />
zurücksinkt, ganz die vorige selige Stimmung sowohl, als den Grund<br />
<strong>der</strong>selben vergessend. __<br />
Wie <strong>der</strong> Christbaum als Symbol des Friedens, <strong>der</strong> Ruhe und<br />
Glückseligkeit in den Familien alle Verwandte vereinigt, so solltet auch ihr<br />
trachten, „mit <strong>der</strong> Welt im Frieden zu leben.“<br />
Am Tage Meiner Geburt sangen die Engel: „Friede sei mit euch! „Bei<br />
jedem Weihnachtsfeste, bei jedem Weihnachtsabende tönt dieser Ruf in<br />
euer Herz, es ist <strong>der</strong> Ruf, den einst die Engel bei Meiner Geburt sangen,<br />
und den Ich jetzt Selbst wie<strong>der</strong>hole: „Friede sei mit euch!“<br />
Friede des reinen Bewusstseins <strong>der</strong> wahren Liebe !<br />
Und wie jetzt um einen mit Kerzen beleuchteten Christbaum nur<br />
freudige Blicke Allen entgegenstrahlen, so sollen in Meiner Schöpfung,<br />
auf Meinem großen Christbaume die Welten und geistigen Sphären-<br />
Bewohner ebenfalls einst Den erkennen, Welcher als Liebe den Keim zu<br />
diesem Schöpfungsbaume legte, und als höchste Vaterliebe an dessen<br />
Spitze thront, wohin alle Triebe, alle Nadeln des Baumes gerichtet, nur<br />
von dort die geistigen Genüsse erhalten, welche fähig sind, euch die ganze<br />
Welt zu einem Paradiese zu umstalten, wie eben jetzt bei dieser<br />
Gelegenheit des Weihnachtsfestes durch das Errichten des Christbaumes<br />
ein Paradies im Familienkreise geschaffen wurde.<br />
Ihr habt Meine Geburt, Mein Darnie<strong>der</strong>steigen auf eure Erde mit einem<br />
Symbole schmücken wollen, welches euch gerade eben im Winter<br />
entsprechend nichts an<strong>der</strong>es sagen will, als steril, ohne Herz, ohne Wärme<br />
sind eure steinernen Wohnungen; aber inmitten <strong>der</strong>selben grünt <strong>der</strong> nie<br />
verwelkende Baum eines geistigen Lebens, <strong>der</strong> symbolisch als junger
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />
9<br />
Tannenbaum vor euch steht.<br />
Wie er seine Düfte in die Himmelslüfte ausstreut, so streuet auch ihr<br />
eure Menschen-, Nächsten- und Bru<strong>der</strong>-Liebe in alle Welt aus, damit die<br />
Welt wisse, dass ihr „Kin<strong>der</strong> eines himmlischen Vaters“ seid, welche nicht<br />
nur gerade am Weihnachtsfeste, son<strong>der</strong>n stets Freuden bereiten wollen,<br />
wann und wo sich Gelegenheit zeigt.<br />
Dann grünet für euch stets <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong> Erkenntnis, <strong>der</strong> Christbaum,<br />
denn ihr benehmet euch Meiner, des einstigen Zimmermanns-Sohnes<br />
„Christus“ würdig, und dankbare, von Freude trunkene Augen mögen die<br />
Lichter sein, welche an eurem Christbaume leuchten mögen, immer und<br />
ewig als Beweis, dass ihr wahre Christen und wahre Nachfolger<br />
Desjenigen sein wollet, <strong>der</strong>einst im dürftigsten Zustand geboren, euch das<br />
reichste Geschenk eines geistigen Christbaumes brachte, an dem unzählige<br />
Geschenke hängen für diejenigen, die während ihres Lebens es verstanden<br />
haben, Kin<strong>der</strong> zu werden, kindlich zu denken und kindlich zu lieben<br />
denjenigen, Der in diesen Tagen von Vielen wohl gefeiert, aber bis heute<br />
doch von Wenigen verstanden und aufgefasst worden ist . __<br />
O, wie manche schöne Gebräuche habt ihr, die aus einer besseren Zeit<br />
entstammend, euch künden könnten, was sie einst bedeuteten; allein nicht<br />
immer findet sich ein Vater, wie Ich, Der den Verirrten hilft, die Schale<br />
des Zeremoniells zu zerbrechen, um ihnen den leuchtenden Kern zu<br />
zeigen.<br />
Daher feiern dieses Fest meist nur die unmündigen Kin<strong>der</strong>, die das<br />
Geistige nicht ahnen, und mündige Erwachsene, die nur das Materielle im<br />
Auge haltend, von dem Geistigen keine Idee haben, und nur Wenigen ist<br />
es gegönnt, mit wahrer Christusliebe diese Feier und den Sinn des<br />
Christbaumes zu erkennen, zu begreifen und den Geber desselben geistig<br />
zu beurteilen.<br />
Damit aber ihr in den Kreis <strong>der</strong>jenigen tretet, welche schon längst Mein<br />
Wort haben, und daher auch verstehen sollten, was unter Gebräuchen oft<br />
Geistiges verborgen liegt, so ist euch dieses Wort gegeben, das am<br />
Vorabende <strong>der</strong> geweihten Nacht gelesen, euch wie<strong>der</strong> beweisen soll, wie<br />
viel Liebe Ich schon gespendet und an euch vergeudet habe, um euch eben<br />
zu solchen Kin<strong>der</strong>n zu machen, die freudig mit liebestrahlenden Blicken<br />
Meinen Christbaum umstehen sollen, um das „Hosianna“ anzustimmen.<br />
„Friede sei mit Allen, ewiger Friede, den Du, Vater, als Sohn uns einst<br />
gebracht hast, und jetzt als größter Geist in unsere Herzen gießen willst! __<br />
Ewig grünend, wie das Symbol des Tannenreises, blühe unsere Liebe zu<br />
Dir und zur Menschheit, und unser Herz sei erleuchtet, wie so viele<br />
Bäumchen mit Lichtern, mit guten Taten und heiligen Vorsätzen, um ein
10 Der Christbaum<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
jedes Jahr dieses Fest mit noch schönerem Tatenkranze zu begehen, damit,<br />
wenn unser Auge für das irdische Licht erlischt, <strong>der</strong> geistige, große<br />
Christus-Baum im vollen Glanze seiner unendlichen Wun<strong>der</strong> uns<br />
entgegenstrahle, wo auch wir, wie hier die kleinen Kin<strong>der</strong>chen, dann die<br />
Geschenke des liebenden Vaters vom ewig grünenden Baume <strong>der</strong><br />
Erkenntnis pflücken und uns kindlich daran erfreuen können, Kin<strong>der</strong> eines<br />
liebenden Vaters zu sein, Der hier auf dieser Erde den Baum <strong>der</strong> Liebe<br />
gepflanzet hat, welcher so weit hinausreicht, noch dorthin, von wo des<br />
langsamen Fluges des Lichtes wegen noch kein Strahl von Welten zu uns<br />
gekommen ist, um uns zu beweisen, dass auch dort noch Leben, Licht und<br />
Liebe weilen, und die Liebe nicht erloschen ist, son<strong>der</strong>n in bei weitem<br />
höherem Maße noch blüht, als Produkt <strong>der</strong> ewigen Quelle, aus <strong>der</strong> sie<br />
geflossen ist und zu <strong>der</strong> sie zurückkehren will!“ __<br />
So, Meine Kin<strong>der</strong>, feiert das Weihnachtsfest; die geweihte Nacht war<br />
<strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> eines geweihten Tages, <strong>der</strong> Christbaum ist ein stetes Symbol<br />
<strong>der</strong> ewigen Liebe, die auszuüben o<strong>der</strong> in selber euch einzuüben ihr euer<br />
Prüfungsleben beginnen musstet, das ihr mit Meiner Hilfe glorreich<br />
vollenden werdet; wohlgemerkt, solange ihr „Kin<strong>der</strong>“ seid und Ich euer<br />
Vater bin, so lange wird <strong>der</strong> Christbaum für euch Geschenke und Früchte,<br />
und für Mich Freuden besitzen, welche nicht verwelken werden.<br />
Jetzt, denke Ich, werdet ihr auch diesem Tannenreise in eurem Zimmer<br />
eine höhere Bedeutung zu geben vermögen, und dadurch in den Stand<br />
gesetzt werden, auch bei an<strong>der</strong>n herkömmlichen Gebräuchen etwas tiefer<br />
zu suchen, wo und was eigentlich <strong>der</strong> Kern des ganzen ist.<br />
So übet denn euer geistiges Auge, veredelt euer Herz und bestärket euer<br />
Vertrauen und euren Glauben an Mich stets stärker, und bereitet euch vor,<br />
mitten im Weltlichen und Materiellen nur Geistiges zu sehen, zu finden<br />
und zu verstehen, wie es Meinen Kin<strong>der</strong>n geziemt, die mit kindlichem<br />
Gemüte die geistige Sehe verbinden soll.<br />
An dem Tage, welchen ihr als Weihnachtfest feiert, lag Ich einst in den<br />
Windeln, und nach und nach befreite Ich Mich davon; jetzt seid ihr o<strong>der</strong><br />
wenigstens viele noch in geistigen Windeln; daher befreiet auch ihr euch<br />
von diesen, damit auch über euch bei eurer geistigen Taufe <strong>der</strong> Ruf<br />
erschallen möge: „Das ist Mein Sohn, o<strong>der</strong> Meine Tochter, an denen Ich<br />
Mein Wohlgefallen habe; denn Ich errichte in jener Zeit, was jetzt seine<br />
Früchte tragen soll! __ Geistig ist Mein Reich und nur Geistesfrüchte sind<br />
dort von Wert; traget Sorge, euch davon so viel als möglich zu sammeln,<br />
damit nicht, wie an vielen von euren heurigen Tannenreisern o<strong>der</strong><br />
Christbäumchen vergoldete Nüsse hängen, <strong>der</strong>en Außenseite zwar glänzt,<br />
die aber im Innern einen verfaulten Kern einschließen.
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />
11<br />
Lebendige Früchte o<strong>der</strong> geistige Lichter sollen euren Christbaum<br />
zieren, und Tränen des Dankes als Geschenke euch jene Freuden genießen<br />
lassen, die ein geistiges Kind nur von seinem himmlischen Vater erhalten<br />
kann, so wird dann je<strong>der</strong> Abend zu einer Weihnachtsfeier, und je<strong>der</strong> Tag<br />
zu einem Feste, an welchem euer geistiger Christbaum ein Lichtlein mehr<br />
erhält.<br />
So sollet ihr die Feste und ihre geistige Bedeutung auffassen, damit<br />
euer ganzes Leben ein geistiges Fest werde, wo steter Lobgesang und stete<br />
Erhebung über die irdische Welt das Resultat sind. __ Feiert also dieses<br />
Fest, als Christen eines „Christbaumes“ würdig, und Ich werde mit euch<br />
diese Freuden genießen, wie je<strong>der</strong> Vater unter Seinen geliebten Kin<strong>der</strong>n!<br />
Amen!
12 Die Lehre von den Entsprechungen<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Die Lehre von den Entsprechungen<br />
Edith Mikeleitis<br />
Die Symbolsprache ist so alt wie die Menschheit. Immer bedienten sich<br />
die Menschen <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>, um den inneren Sinn zwischen Idee und <strong>der</strong><br />
Anwendung im Leben darzustellen. Die Verknüpfung himmlischer,<br />
geistiger und natürlicher Welt geschieht durch Entsprechungen. Emanuel<br />
Swedenborg sagt: „Ohne die Wissenschaft <strong>der</strong> Entsprechungen, den<br />
goldenen Schlüssel, <strong>der</strong> die Pforte zu den geistigen Dingen öffnet, kann<br />
man we<strong>der</strong> die Erscheinungen in <strong>der</strong> geistigen Welt, noch das<br />
Hervorgehen <strong>der</strong> natürlichen Welt aus dieser, noch den Zustand <strong>der</strong> Seelen<br />
nach dem Tode, noch die Heilige Schrift verstehen. Die himmlische, die<br />
geistige und die natürliche Welt entsprechen einan<strong>der</strong>." Schon in den<br />
ersten Versuchen <strong>der</strong> Völker, sich Symbole für die Grundkräfte des<br />
Lebendigen zu schaffen, finden wir Entsprechungen in Gestalten wie ,die<br />
große Mutter', ,die Fruchtbarkeit', ,die Gerechtigkeit', ,das Kind' dargestellt<br />
als Figuren, zu denen man betete, aber ursprünglich nicht, um diese<br />
Figuren anzubeten, son<strong>der</strong>n um sich mit den Kräften in Verbindung zu<br />
setzen, die sie verkörperten. Der Schritt, das äußere Sinnbild für das<br />
Tatsächliche und Wirkende zu halten, war leicht gegeben, weil es dem<br />
Menschen schwer fällt, sich geistig zu erheben, während es bequem ist,<br />
sich persönlicher Machtentfaltung, die für ihn die Bil<strong>der</strong> gewannen,<br />
unterzuordnen. Dadurch entartete die alte Symbolik zum Götter- und<br />
Götzendienst.<br />
Jesus bediente sich gern <strong>der</strong> Gleichnisse, um seine Zuhörer über die<br />
Verbindung von himmlischen und irdischen Dingen zu belehren. Er<br />
benutzte Bil<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Natur, die Lilien auf dem Felde, die Sperlinge<br />
unter dem Himmel, das Weizenkorn, das erstirbet, das Senfkorn, das klein<br />
ist und hoch aufwächst, um den Vögeln Schutz zu gewähren - man könnte<br />
die Entsprechungsbil<strong>der</strong> unendlich fortsetzen. Swedenborg: „... im ganzen<br />
Bereich <strong>der</strong> Natur zeigen sich Erscheinungen, die so genau den<br />
erhabensten geistigen Erscheinungen entsprechen, dass einer schwören<br />
möchte, die physische Welt sei nur ein Symbol <strong>der</strong> geistigen Welt."<br />
Die Wissenschaft <strong>der</strong> Entsprechungen war nicht nur auf den ägyptischsemitischen<br />
Kulturkreis beschränkt, son<strong>der</strong>n in den alt-indischen Epen und<br />
in <strong>der</strong> germanischen Religionssymbolik ergeben sich Gemeinsamkeiten,<br />
die auf ein Urwissen <strong>der</strong> Menschheit schließen lassen. „Die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Höhe", Patriarchen, Propheten und Eingeweihte konnten und können aus<br />
ihrer geistigen Schau heraus die Entsprechungslehre im größten Maß
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Lehre von den Entsprechungen<br />
13<br />
betätigen. Eine unausschöpfbare Welt geistig-göttlicher und kosmischmenschlicher<br />
Beziehungen finden wir in Mythen, Sagen und Märchen,<br />
jenem Geistesgut, das auch intellektuell nicht geschulte Menschen zu<br />
begreifen fähig sind. Je<strong>der</strong> Dichter, je<strong>der</strong> Künstler bewältigen nur durch<br />
Darlegungen und Gestaltungen irdischer Erscheinungen in Verbindung mit<br />
geistigen Ursachen ihre Werke. Das Wesen <strong>der</strong> Entsprechungen können<br />
wir dadurch erklären, dass Dinge o<strong>der</strong> Tatsachen aus ganz verschiedenen<br />
Lebensbereichen durch die einheitliche geistige Idee, die man durch sie<br />
hindurchschimmern sieht, verbunden werden. Wir nennen das in <strong>der</strong><br />
heutigen philosophischen Sprache: die Erscheinungen „transparent"<br />
machen. Wenn wir ,Welt' sagen, so meinen wir in <strong>der</strong> Entsprechung damit<br />
jene Gegenkräfte irdischer und dämonischer Natur, die <strong>der</strong> himmlischen<br />
Ordnung wi<strong>der</strong>streben. Immer ist das schöpferische Urbild die Idee, von<br />
<strong>der</strong> unendliche, vielfältige Entsprechungen in die seelische und die<br />
materielle Welt ausgehen. Nehmen wir einen Begriff: Leichtigkeit, so<br />
werden wir ohne Mühe die irdischen Entsprechungen im Vogelflug, im<br />
Gedankenflug, in <strong>der</strong> Freude, in <strong>der</strong> Begeisterung o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> mühelosen<br />
Gotteskraft erblicken können. Der Dichter Friedrich von Schiller: „Freude,<br />
schöner Götterfunke, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken,<br />
Himmlische, dein Heiligtum." Diese dichterische Aussage ist voller<br />
Entsprechungen und wird gerade dadurch unmittelbar verstanden.<br />
Das Werk Jakob <strong>Lorber</strong>s will ebenso unmittelbar sich an Menschen,<br />
„die Ohren haben, zu hören", wenden. Seine Beschreibungen jenseitiger<br />
Sphären in seinen Büchern .Bischof Martin' und .Robert Blum' wären ohne<br />
die Anwendung von symbolischen Bil<strong>der</strong>n nicht zu begreifen. Es gibt<br />
außer <strong>der</strong> Bildsprache keine Worte, um seelisch-geistige Dinge dem<br />
Verstand deutbar zu machen. Hier liegt auch <strong>der</strong> Gefahrenpunkt für den<br />
Verstandesmenschen, dem die geistige Einfühlung fehlt. Er lehnt alles<br />
Metaphysische ab, weil er die Brücke nicht finden kann, die materielles<br />
Denken und geistige Intuition miteinan<strong>der</strong> verbindet. Denken wir an die<br />
Jakobsleiter', von <strong>der</strong> Jakob träumte, und auf <strong>der</strong> er Engel vom Himmel auf<br />
die Erde und von <strong>der</strong> Erde in den Himmel gehen sah, so haben wir darin<br />
das Symbol für die Symbolsprache. Das Gesetz <strong>der</strong> Entsprechung ist das<br />
Gesetz des Einfließens geistiger Wirklichkeit in irdische Erscheinlichkeit.<br />
Verstehen wir, die Entsprechungen zu deuten - je<strong>der</strong> wird es auf seine<br />
eigene Weise tun -, so kommen wir aus <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Wirkungen in die<br />
Welt <strong>der</strong> geistigen Ursachen hinüber. Goethe sagt: „Ein Symbol ist nicht<br />
ein von außen herangebrachtes Bild einer Idee, eines Gefühls, son<strong>der</strong>n<br />
Sinnbild für das Unaussprechliche. Der schauende Mensch erblickt im<br />
Symbol (Baum, Blume, Sonne, Planet) auf spontane Weise den ihm
14 Die Lehre von den Entsprechungen<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
immanenten geistigen Sinn." Die Urmenschen, die noch nicht zum<br />
Ichbewusstsein in unserem heutigen selbstsüchtigen Sinn gelangt waren,<br />
besaßen die Gabe, alle sichtbaren Dinge auf die Urwirklichkeit und damit<br />
auf den Schöpfer zurückzubeziehen. Sahen sie einen Berg, so verband sich<br />
damit die Vorstellung <strong>der</strong> Höhe und des Himmels, so dass auch heute noch<br />
Gott <strong>der</strong> Höchste genannt wird. <strong>Lorber</strong> spricht von Pol und Gegenpol<br />
Gottes und fasst die Sprache als Symbolprägung von Gott her kommen<strong>der</strong><br />
Gedanken auf. „Wenn <strong>der</strong> ewige, allmächtige Geist Gottes Sich nicht eben<br />
schon von Ewigkeit her einen Gegenpol gesetzt hätte, so wäre es ihm als<br />
rein positivem Gotte nie möglich geworden, Sonnen, Welten und all die<br />
zahllos vielen Wesen auf ihnen ins Dasein zu rufen. Wie aber sieht dieser<br />
Gottesgegenpol aus, und worin besteht er? Ist er ein dem positiven, freien<br />
Gotteslebens- und Machtpole ganz frem<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ein in einer gewissen<br />
Hinsicht ganz gleichartiger? Ist er ein Selbstherr, o<strong>der</strong> hängt er in allen<br />
seinen Teilen nur von dem positiven Gottesmachtpole ab? Diese wichtigen<br />
Fragen werde Ich euch so lichtvoll als möglich beantworten, und ihr<br />
werdet dann einsehen, wer <strong>der</strong> so genannte Satan, und wer so ganz<br />
eigentlich seine Teufel sind ... Wenn ein Mensch zum Beispiel etwas<br />
darstellen will, so fängt er an zu denken, und es werden eine Menge<br />
flüchtiger Bil<strong>der</strong> als einzelne Gedanken sein Gemüt durchstürmen. Wenn<br />
sich <strong>der</strong> Denker längere Zeit mit <strong>der</strong> Anschauung seiner inneren<br />
Geistbil<strong>der</strong>, die man Gedanken nennt, abgibt und sie festzuhalten beginnt,<br />
wird er bald und leicht gewahr, dass sich einige bessere Gedanken<br />
angezogen und gewisserart schon zu einer leichteren Idee verbunden<br />
haben. Solch eine Idee behält dann die Seele wie ein ausgeprägtes Bild<br />
festhaftend in ihrem Gedächtnissensorium, und man könnte das eine<br />
Grundidee nennen. Ist <strong>der</strong> Denker einmal zu einem gänzlich ausgeprägten<br />
klaren Begriff gekommen, so findet er ein Wohlgefallen an ihm, erfasst und<br />
durchdringt ihn sofort mit dem Lebensfeuer seiner Liebe. Die Liebe<br />
erweckt den Willen und die Tatkraft des Denkers, und es wird sodann<br />
unaufhaltsam <strong>der</strong> innere Begriff zur materiellen Verwirklichung<br />
erhoben ... Jetzt steht <strong>der</strong> frühere, rein geistige Begriff nicht mehr allein<br />
nur als ein geistiges Bild in seiner vollen Klarheit im Sensorium <strong>der</strong> Seele,<br />
son<strong>der</strong>n auch als ein gleichsam eingegrenztes festes Ebenmaß des inneren,<br />
geistigen Bildes in <strong>der</strong> materiellen Natur und ist zur Benutzung dessen<br />
bestellt, <strong>der</strong> es früher erdacht hatte. Die einzelnen Gedanken und Ideen,<br />
aus denen dann ein vollständig konkreter Begriff gebildet wurde, sind noch<br />
ganz geistiger Art und machen mit dem Geist einen und denselben Pol aus.<br />
Wir wollen ihn den Haupt- und Lebenspol nennen. Aber <strong>der</strong> konkrete, aus<br />
vielen verschiedenen Gedanken und Ideen bestehende Gesamtbegriff -
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Lehre von den Entsprechungen<br />
15<br />
wenn auch noch als ein rein geistiges Bild in <strong>der</strong> Seele - ist, weil er schon<br />
ein gewisses fixiertes Bestehen hat, nicht mehr dem Hauptpole angehörig,<br />
son<strong>der</strong>n dem Gegenpole, weil er gewisserart so wie ein ausgeschiedenes<br />
Ganzes für sich <strong>der</strong> Seele gegenüber in allen seinen Teilen anschaubar<br />
dasteht und durch die weitere Tätigkeit als materielle Sache hinausgestellt<br />
werden kann. Ein begrenztes und fixiertes Ding kann nicht mehr <strong>der</strong><br />
Lebenssphäre des Geistes und <strong>der</strong> Seele angehören." (Evgl. Joh. V, 228)<br />
Die heutige Psychologie mit ihrer Lehre von Assoziation und Begriffsbildung<br />
könnte sich nicht präziser ausdrücken, wenn sie das Denken als<br />
vom göttlichen positiven Pol aus zu begreifen lernte. Ernst Benz sagt:<br />
„Wer den Schlüssel zu den Entsprechungen <strong>der</strong> Dinge besäße, dem würde<br />
<strong>der</strong> Staub die Wahrheiten des Himmels verkündigen." Ohne zu übertreiben<br />
dürfen wir behaupten, dass alles, was sichtbar und hörbar existiert,<br />
Entsprechung geistig-göttlichen Wesens ist. „Die ganze Schöpfung und<br />
alles, was ihr mit euren Sinnen wahrnehmt, sind fixierte Gedanken, Ideen<br />
und Begriffe Gottes - auch ihr Menschen eurem sinnlichen Leibe nach, und<br />
wieweit die Seele mit dem Leib durch seinen Nerven- und Blutäther<br />
verbunden ist, ist auch sie fixierter Begriff und somit im Tode desselben<br />
haftend, denn im Gegenpole ist <strong>der</strong> Tod, die Trägheit und das Gericht, weil<br />
alles Fixierte nicht ewig ist, son<strong>der</strong>n sich in Geistiges zurückverwandeln<br />
muss. Die Seele kann sich dadurch, dass sie durch ihren freien Willen<br />
nach den Gesetzen Gottes dem rein Geistigen nachstrebt, befreien und mit<br />
ihrem Geist aus Gott ganz eins werden. Dadurch ist sie als selbsttätig und<br />
selbständig von ihrem alten Tode in das freie, ewige Leben übergegangen.<br />
Ist das Erkennen ein geistiges und zu Gott hinlenkendes, so wird die Liebe<br />
sich zu dem Geistigen und sonach zu Gott hinneigen und auch also tätig<br />
werden. Wird aber ein Mensch schon von <strong>der</strong> Wiege an mit nichts an<strong>der</strong>em<br />
in seinem Erkennen bereichert als mit dem, was dem Leibe dient, so wird<br />
auch seine Liebe ganz <strong>der</strong> Materie sich zuwenden und danach tätig werden,<br />
um sich materielle Schätze zu sammeln und durch sie dem Fleische<br />
mehr Annehmlichkeiten zu bereiten." (Evgl. Joh. V, 229) Das Erkennen ist<br />
zugleich ein Erfassen <strong>der</strong> Entsprechungen, ja, es gibt keine Erkenntnis, die<br />
sich nicht <strong>der</strong> Symbolsprache bedient. Wie <strong>der</strong> Mensch von <strong>der</strong> Sonne als<br />
von <strong>der</strong> Quelle des Lichts und <strong>der</strong> Wärme spricht, die seine irdische Welt<br />
erwärmt und erleuchtet, so folgert er daraus, dass die Einwirkung Gottes<br />
auf die geistige Schöpfung erleuchtend und erwärmend gleich <strong>der</strong><br />
irdischen Sonne ist. Bei dem Menschen sind seine Handlungen Wirkungen<br />
dessen, was er geistig gewählt hat. Sie sind Entsprechungen entwe<strong>der</strong><br />
seiner himmlischen o<strong>der</strong> seiner höllischen Beziehungen. Swedenborg sagt:<br />
„Ist <strong>der</strong> Mensch in <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Entsprechungen, so kann er mit den
16 Die Lehre von den Entsprechungen<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Engeln des Himmels zusammen sein in den Gedanken seines Gemütes und<br />
so seinem inneren Menschen nach mit ihnen verbunden werden. Damit<br />
eine Verbindung des Himmels mit dem Menschen möglich sei, ist die<br />
Heilige Schrift in lauter Entsprechungen geschrieben worden."<br />
Durch Jakob <strong>Lorber</strong> hören wir: „Die Entsprechungswissenschaft ist die<br />
innere Schrift und Sprache <strong>der</strong> Seele und des Geistes in <strong>der</strong> Seele. Wer<br />
diese Sprache verloren hat, <strong>der</strong> versteht die Schrift unmöglich, und ihre<br />
Sprache kommt ihm in seinem toten Weltlichte wie eine Torheit vor. Denn<br />
die Lebensverhältnisse des Geistes und <strong>der</strong> Seele sind ganz an<strong>der</strong>er Art als<br />
die des Leibes. So ist denn auch das Hören, Sehen, Fühlen, Denken, Reden<br />
und die Schrift des Geistes an<strong>der</strong>s beschaffen als hier unter den Menschen<br />
in <strong>der</strong> Naturwelt, und darum kann das, was ein Geist tut und spricht, nur<br />
auf dem Wege <strong>der</strong> alten Entsprechungswissenschaft dem Naturmenschen<br />
begreiflich gemacht werden." (Ev. IX) Die Worte <strong>der</strong> Schrift sind gleich<br />
<strong>der</strong> Schale eines Eies, innerhalb welcher sich auch ein Dreifaches birgt,<br />
nämlich das Weiße und das Gelbe und in <strong>der</strong> Mitte des Gelben erst das<br />
rötliche Lebensknäulchen, welches den Lebenskeim birgt. Diese<br />
Umhülsung muss in <strong>der</strong> materiellen Welt überall da sein, wo nur immer<br />
etwas ist, auf dass das innerste Göttliche nirgends, nie und von niemandem<br />
je verunreinigt werden kann. Weil aber überall in allem Naturmäßigen<br />
Geistiges, Himmlisches und Göttliches steckt, was doch offenbar die<br />
Allgegenwart des göttlichen Willens beweist, so besteht auch<br />
Entsprechung zwischen allem, was in <strong>der</strong> Welt, im Geisterreiche, im<br />
Himmel und endlich gar in Gott selbst sich vorfindet." (Evgl. Joh. V)<br />
Das zweckrationale Denken hat eine „Bil<strong>der</strong>verarmung" mit sich gebracht,<br />
obwohl wir von einer Flut von Bil<strong>der</strong>n durch Fernsehen, Film,<br />
Fotografie und Magazinen überschwemmt sind. Die Bil<strong>der</strong>, die wir täglich<br />
vom Kind bis zum Greis in uns aufnehmen, sind in gewisser Weise,<br />
gefälschte Entsprechungen, weil sie nicht mehr geistige Symbolkraft<br />
besitzen, son<strong>der</strong>n einen Reiz <strong>der</strong> Unterhaltung bilden. Wenn Goethe sagt<br />
„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“, so hat sich die Sicht auf das<br />
Gleichnishafte im heutigen Menschen durch die Fixierung auf das<br />
Nurmaterielle <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> verengt und verflacht. Man kann den Sinngehalt<br />
aller Erscheinungen nicht mehr begreifen. Die Eröffnung des Blicks für<br />
das Ganze <strong>der</strong> Schöpfung ist die Aufgabe <strong>der</strong> neuen Zeit, und das Werk<br />
Jakob <strong>Lorber</strong>s gehört mit an die erste Stelle <strong>der</strong> Möglichkeiten, diesen<br />
Blick schrankenlos zu öffnen.<br />
(Quelle: Der Plan Gottes, <strong>Lorber</strong>-Verlag)
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />
17<br />
Christ, <strong>der</strong> Retter ist da!<br />
Susanne Zaich<br />
Wir feiern Weihnachten - alle Jahre wie<strong>der</strong> - je<strong>der</strong> auf seine Weise.<br />
Manchmal möchte ich einfach aussteigen aus Geschäftigkeit, Bräuchen<br />
und Erwartungen, die oft mit dem Wesentlichen des Festes nur noch im<br />
Entferntesten zu tun haben.<br />
Geht es uns bei all dem wirklich um diesen Retter, um den Gottessohn,<br />
<strong>der</strong> zu unserer Rettung Mensch wurde?<br />
Leben wir wie Gerettete, leben wir aus <strong>der</strong> Erlösung?<br />
Sind wir gerettet o<strong>der</strong> sind wir überhaupt noch zu retten?<br />
Wozu brauchen wir diesen Retter, wozu die Erlösung – und von was?<br />
Wir sind vielmehr gewohnt, selbst Lösungen für all unsere Probleme zu<br />
finden.<br />
Da ist das Geld. Man sagt, es regiere die Welt. Wer die Spielregeln <strong>der</strong><br />
Geldwirtschaft beherrscht, gewinnt Macht und scheint umso freier zu sein,<br />
Gottes Ordnungen zu übertreten.<br />
Da ist unser Verstandeswissen. Es sieht so aus, als hätten wir uns selbst<br />
von <strong>der</strong> Last göttlicher Gesetze befreit und diese durch unseren Verstand<br />
und unzählige eigene Gesetze und Zwänge ersetzt.<br />
Wozu also ein Erlöser?<br />
Da ist wohl die tief verborgene Sehnsucht in unseren Herzen nach<br />
dieser vollkommenen Liebe, nach Geborgenheit, Heilung, Befreiung von<br />
allen Süchten und Übeln, nach dem Sieg des Guten über das Böse - und<br />
nach dem Helden, <strong>der</strong> nicht käuflich ist.<br />
Zu gerne würden wir diesen Helden in unseren Eltern, in unserem<br />
Partner, Freund, Kind o<strong>der</strong> am besten in uns selbst sehen, doch früher<br />
o<strong>der</strong> später kommen sie zum Vorschein, die Schattenseiten, die<br />
Enttäuschungen, Schmerzen, Fehler, Krankheiten, Vergänglichkeiten und<br />
die Schuld.<br />
Wie kommen wir von all <strong>der</strong> unguten Last los?<br />
Unsere Lösungen auf <strong>der</strong> materiellen Ebene scheinen dabei eine<br />
Verschiebung <strong>der</strong> Nöte und Drangsal auf die seelische Ebene zu bewirken.<br />
Und wer kennt sich hier wirklich aus?<br />
Psychologen? Wo doch die Seele wissenschaftlich nicht erfasst werden<br />
kann. Theologen, die die Seele bereits „abgeschafft“ haben?<br />
Zu sehr haben wir unser Leben an <strong>der</strong> verstandesgebundenen<br />
materiellen Seinsebene festgemacht, anstatt den göttlich spirituellen<br />
Ursprung und die göttliche Bestimmung unseres Seins ins Zentrum zu
18 Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
stellen.<br />
Überwältigend, aber auch ebenso beängstigend sind unsere Fortschritte,<br />
Erkenntnisse und unser Wissen auf allen Ebenen. Wie weit sind wir doch<br />
gekommen nach dem verhängnisvollen Biss in die verbotene Frucht des<br />
Baumes <strong>der</strong> Erkenntnis von Gut und Böse. Der Baum, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Wurzel<br />
des Hochmuts, des Besserwissens im Menschen emporwächst.<br />
Wie angestrengt suchen wir gerade in den letzten Jahren nach<br />
künstlichen Mitteln und Wegen, um dem göttlichen Fluch zu entkommen:<br />
„ im Schweiße deines Angesichtes sollst du arbeiten.“ und „…in<br />
Schmerzen sollst du gebären…“ (Gen.3, 16). Doch diese Mittel haben alle<br />
ihren Preis und erschreckende Schattenseiten.<br />
Wir können uns noch so sehr um das Gut-Sein bemühen, das Böse<br />
kommt dennoch zum Vorschein. Irgendwann, in den Kin<strong>der</strong>schuhen<br />
unseres Mensch-Seins, sind wir alle, ausnahmslos, herausgefallen aus<br />
Seinem Gut. Und das ohne Rückfahrkarte: „wenn ihr davon esst, müsst ihr<br />
sterben!“ (Gen.3,3)<br />
Ganz offensichtlich war es Gott sehr ernst mit seinem Verbot und Er<br />
hält Sein Wort.<br />
Das Böse hat im Guten keinen Platz. Wir haben die Anlage, Kin<strong>der</strong><br />
Gottes zu sein, durch unser eigenmächtiges „So-Sein-Wollen´- wie Gott“<br />
verspielt. Der Tod, <strong>der</strong> hier gemeint ist, betrifft nicht nur unseren<br />
materiellen Leib, son<strong>der</strong>n auch und gerade Seele und Geist. Unsere heile<br />
innere Welt, unser Seelenheil hat ein Leck bekommen. Und das<br />
verheerende ist, dass kein Mensch dieses aus sich selbst heraus wie<strong>der</strong><br />
reparieren kann, auch nicht im Jenseits o<strong>der</strong> in einer neuen Inkarnation.<br />
Wir können nicht in das Gute zurückkehren, solange uns das Böse noch<br />
anhängt und uns verunreinigt. Diese Tragik bringt uns das Alte Testament,<br />
im Ringen des Volkes Israel , ausdrucksvoll vor Augen. Um vor Gott<br />
doch endlich bestehen zu können, ist es einem endlosen Wechsel von<br />
Gehorsam, Fall, Reue und Opfer ausgesetzt. Doch keiner besteht ohne<br />
Schuld. Das passt irgendwie nicht in unser heutiges Bild vom<br />
barmherzigen Gott. So viele Opfer wurden gebracht, doch keines war<br />
ausreichend. Die Versöhnung war nur durch den lange verheißenen<br />
Messias in Aussicht gestellt. Gott selbst hat sie von langer Hand geplant.<br />
Er ist in Jesus Mensch geworden, hat sich als Menschensohn allem Bösen<br />
bis zum Äußersten ausgesetzt und blieb dennoch ganz eins mit dem Guten,<br />
mit dem Vater. Er hat das Böse ans Kreuz getragen, ohne jemals selbst<br />
böse zu sein. Er hat das Böse besiegt und so kann auch nur Er uns vom<br />
Bösen erlösen. Darum sollen wir in Seinem Gebet bitten: „ …son<strong>der</strong>n<br />
erlöse uns von dem Bösen“
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />
19<br />
Es gibt ihn wirklich, diesen Kampf von guten und bösen Mächten um<br />
unsere Seele, doch auch heute lassen wir uns wie<strong>der</strong> durch Lügen<br />
Trugbil<strong>der</strong> vortäuschen. Die einen erklären Satan und somit auch Gott als<br />
nicht existent, damit gibt es auch keine Konsequenzen für Schuld.<br />
Zerstörung und Tod sind die Folgen. An<strong>der</strong>e gaukeln uns vor, dass das<br />
Böse stärker sei. Und wenn wir unsere Welt betrachten, hat es auch auf<br />
allen Ebenen diesen Anschein. Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e glauben, selbst das Böse zu<br />
besiegen.<br />
Der Sieg, den Jesus am Kreuz für uns erkämpft hat, ist noch nicht in<br />
unserem Herzen zur Realität geworden- wenn wir auch 2000 Jahre nach<br />
Jesu Auferstehung noch immer glauben, selbst das Böse in und um uns<br />
besiegen zu können. Bei all unserer Anstrengung, so sein zu wollen wie<br />
Gott, merken wir nicht einmal, dass wir gerade dadurch dem wahren<br />
Guten, dem Besseren, im Weg stehen und dem Negativen Vorschub<br />
leisten. Wir beten zwar das Vater unser, aber ob es uns mit unseren Bitten,<br />
die darin vorkommen, so ernst ist, sei dahin gestellt. Spüren wir unsere<br />
tiefste Bedürftigkeit, dass wir befreit werden müssen von göttlicher Hand,<br />
dass es tatsächlich um ewiges Leben in Fülle o<strong>der</strong> ewiges Getrenntsein von<br />
Gott (den ewigen Tod) geht?<br />
Die Rettung ist seit 2000 Jahren möglich, doch ergreifen wir die<br />
rettende Hand und lassen alles an<strong>der</strong>e los – auch die Vorstellung, uns<br />
selbst aus dem Sumpf ziehen zu können?<br />
Haben wir uns einmal bewusst gemacht, dass wir alle etwas in uns<br />
tragen, das unseren Gott, Schöpfer und Vater zu tiefst beleidigt hat? So<br />
tief, dass Er so lange unversöhnlich war. Und lei<strong>der</strong> beleidigen wir Ihn<br />
auch jetzt immer noch - bewusst o<strong>der</strong> unbewusst.<br />
Als Eltern erleben wir mit unseren Kin<strong>der</strong>n einen winzigen Anteil<br />
dessen, was unser himmlischer Vater mit all seinen Kin<strong>der</strong>n erfährt und<br />
erleidet. Wie hart ist es, wenn die eigenen Kin<strong>der</strong> sich gegen uns stellen,<br />
unseren Rat nicht befolgen, uns anlügen, gefährliche und verbotene Wege<br />
gehen, fallen, in Süchte verfallen, ihr Leben aufs Spiel setzen, von uns fort<br />
gehen, ihr Erbe vergeuden.<br />
Wie unbeschreiblich gut tut es, wenn <strong>der</strong> verlorene Sohn heimkommt.<br />
Wie wenig wollen wir wahrhaben, dass dieser unfassbare Gott, den wir<br />
auch den Gott <strong>der</strong> Liebe nennen, nicht nur wie ein Vater ist, son<strong>der</strong>n als<br />
unser Vater die Beziehung zu uns sucht. Er hat uns in Beziehung zu sich<br />
geschaffen, denn nur in einer innigen Beziehung und Zuwendung kann<br />
Liebe gelebt werden. Er sehnt sich nach unserer Liebe und Hingabe. Und<br />
wahre Liebe ist bereit, Opfer zu bringen. Ist es nicht das höchste Opfer,<br />
wenn <strong>der</strong> Vater seinen einzigen, vollkommen guten Sohn, seinen einzigen
20 Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Augenstern, ausliefert, damit das Böse im Menschen sich an ihm bis zum<br />
Äußersten vergehen kann? Der Vater muss mit ansehen, wie sein geliebter<br />
Sohn freiwillig auf alle göttliche Macht und Hilfe verzichtet und wie er<br />
erduldet, dass das Geschöpf den Schöpfer bis aufs Äußerste demütigt,<br />
verletzt, ja ermordet dem Leibe nach.<br />
Gibt es ein größeres Opfer und gibt es eine größere Schuld? Und doch<br />
liegt das Potential zu diesem furchtbaren Vergehen im Bösen und somit in<br />
uns allen. Es musste das Böse bis zum Äußersten gehen, damit die Liebe<br />
sich in <strong>der</strong> äußersten Barmherzigkeit entäußere. Die Liebe besiegte das<br />
Böse und <strong>der</strong> Vater nahm das Opfer als ‚Ver-Söhnung‘ an. Durch, mit und<br />
in dem Sohn können nun auch wir alle mit dem Vater versöhnt sein, eins<br />
werden und zu dem werden, zu was wir eigentlich vom Vater bestimmt<br />
sind von Ewigkeit.<br />
Nicht dass wir es verdient hätten. Es ist Begnadigung aufgrund eines<br />
gewaltigen Opfers. Gott starb, damit wir leben. Doch erst wenn wir<br />
erfahren, was eigentlich auf dem Spiel steht, wie verloren wir sind, wie<br />
leer und tot unser Leben ohne Ihn ist, macht die Rettung und Begnadigung<br />
einen Sinn.<br />
Die Heiligen Schriften bezeugen es und schließen uns gewaltige<br />
Geheimnisse um den Heils- und Rettungsplan Gottes mit uns Menschen<br />
auf. Doch nicht durch Wissen, Lesen und Forschen, son<strong>der</strong>n in erster Linie<br />
durch eine persönliche Beziehung, erschließt sich uns Seine Liebe und<br />
Weisheit. Diese findet ihren Ausdruck in Zuwendung, Glaube und<br />
Vertrauen.<br />
Glauben wir das?! Wollen wir uns beschenken lassen?<br />
Christ <strong>der</strong> Retter ist da! Halleluja!<br />
<br />
„Wie Gott als Mensch geboren ist, also soll auch <strong>der</strong> Mensch für<br />
Gott geboren werden, aus Gott, in Gott, mit Gott, nicht von Natur,<br />
son<strong>der</strong>n von Gnaden. Dann kommt Gott und nimmt den Menschen an,<br />
erneuert ihn, herrscht in ihm, lebt in ihm, und also wird Gott<br />
Mensch, denn er nimmt den ganzen Menschen an, und also wird <strong>der</strong><br />
Mensch Gottes Sohn, nicht von Natur, son<strong>der</strong>n aus Gnade.<br />
Das meint die neue Geburt, <strong>der</strong> neue Mensch, Bekehrung, wahrer<br />
Gehorsam. Wir dürfen Christus in uns suchen, nicht außer uns.<br />
Darum beten wir, dass wir lernen in uns das Reich Gottes zu finden, zu<br />
fühlen, zu schmecken.“<br />
Valentin Weigel (1533-1588)
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
21<br />
Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
Jakob Ganz (1791-1867)<br />
Christus in uns ist <strong>der</strong> Hauptgrund, um den sich alles<br />
dreht, und auf den alles ankommt, wenn wir wie<strong>der</strong> in<br />
unsern ersten Ursprung eingehen, und hiermit wesentlich<br />
mit Gott vereinigt werden wollen. Christus in uns ist das<br />
große Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit, das Reich Gottes in<br />
uns, das A und das O, <strong>der</strong> Anfang und das Ende, <strong>der</strong> Erste<br />
und <strong>der</strong> Letzte.<br />
Wie nun dieser inwendig verborgene, geistige,<br />
himmlische Christus einst in <strong>der</strong> Person Jesu von Nazareth<br />
Jakob Ganz<br />
Schweizer Pfarrvikar<br />
und Erweckungsprediger<br />
Mensch geworden, und das große Erlösungswerk äußerlich ausgeführt hat;<br />
also will eben <strong>der</strong>selbe innere, unsichtbare, geistige und himmlische<br />
Christus noch in einem jeden von uns Mensch werden, eine Gestalt<br />
gewinnen, und dieses Erlösungswerk innerlich in jedem Einzelnen<br />
ausführen; uns auch <strong>der</strong> himmlischen, göttlichen Natur teilhaftig machen,<br />
wie einst den Erstgeborenen, <strong>der</strong> in allem uns gleich war, ausgenommen<br />
die Sünde, und deswegen in allen Dingen den Vorrang hat.<br />
Lasst uns also von dem äußeren Christus im Fleisch einmal zu dem<br />
inneren Christus, dem Christus im Geist schreiten! Solange du, o Mensch!<br />
nur die äußere Person des Erstgeborenen betrachtest, und bei diesem Bild<br />
stehen bleibst, kannst du nicht zur wahren Erkenntnis Gottes und Jesu<br />
Christi gelangen, welches doch das ewige Leben ist. Du kannst nie<br />
gründlich heil, nie wahrhaftig erlöst und vollkommen werden. Dein<br />
Glaubensgebäude ruht nur auf Sand, und am Ende bist du betrogen. Statt<br />
also nur bei <strong>der</strong> äußeren Person Christi stehen zu bleiben, musst du dein<br />
Geistesauge auf den inneren, unsichtbaren, geistigen Christus und Sohn<br />
Gottes richten, <strong>der</strong> eben in jener sichtbaren Person Jesu verborgen war,<br />
und durch dieselbe sprach und wirkte. So wird einem das Geheimnis <strong>der</strong><br />
Gottseligkeit auf einmal aufgeschlossen, und zur höchsten Verwun<strong>der</strong>ung<br />
sonnenklar, so dass es kein Geheimnis mehr ist.<br />
Damit es aber diesem himmlischen Christus gelingt, uns wie<strong>der</strong><br />
vollkommen zu erlösen, und in unsere erste paradiesische und himmlische<br />
Heimat zurückzuführen, so müssen wir von allem Eigenwirken und<br />
Eigenwollen abstehen, uns Ihm zum Opfer hingeben, stillhalten, seiner<br />
Stimme in uns folgen, und wie ein Lamm leiden, geduldig, ergeben und<br />
gelassen, mit gewisser Zuversicht und lebendiger Hoffnung, dass das Werk<br />
herrlich werde ausgeführt werden. Der göttliche Same zu einem neuen<br />
Menschen liegt in einem jedem. Das ist eben, was Paulus zu Timotheus
22 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
sagen wollte: „Erwecke die Gabe, die in dir ist - ergreife das ewige<br />
Leben!“<br />
Wenn Christus nach seinem Geist in uns kommt, und wir Ihn innerlich<br />
im Glauben annehmen, und uns an Ihm festhalten, so ist Er gleich hinter<br />
unserem alten Menschen her, <strong>der</strong> durch Lüste und Irrtum verdorben ist, um<br />
ihn durch allerlei Leiden von außen und innen zu kreuzigen, zu töten und<br />
ganz und gar abzutun, damit <strong>der</strong> sündliche Leib aufhöre, und wir hinfort<br />
<strong>der</strong> Sünde nicht dienen, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten.<br />
Bei dieser geistlichen Kreuzigung, welche in <strong>der</strong> wahren Verleugnung<br />
<strong>der</strong> Welt und unser selbst besteht, haben wir also weiter nichts zu tun, als<br />
alles zu lassen, was Christus von uns for<strong>der</strong>t, weil hier Geben seliger ist<br />
als Nehmen. Auch sollen wir nach dem Vorbild des Erstgeborenen mit<br />
Lammesgeduld leiden, bis Christus das falsche Natur- und Sinnenleben<br />
völlig getötet, das Opfer vollendet, alle uns selbst angemaßte Rechte<br />
dem Vater wie<strong>der</strong> zurückgestellt, und Ihn hiermit gänzlich befriedigt<br />
hat, dass Christus in einem solchen Menschen rufen kann: „Es ist<br />
vollbracht!“<br />
Durch diesen Leidens- und Sterbensprozess ist nun <strong>der</strong> Mensch mit<br />
Christo in seinem Tod getauft und begraben, dem Gesetz und <strong>der</strong> Sünde<br />
für immer und ewig abgestorben, gerechtfertigt, und von <strong>der</strong> Strafe frei,<br />
und los von allen Sünden. Auch das Fortsündigen hat nun bei ihm ein<br />
für allemal aufgehört. Er steht jetzt unter dem Gesetz des Geistes, <strong>der</strong><br />
da lebendig macht in Christo Jesu. O seliger Stand, wo <strong>der</strong> alte Sün<strong>der</strong><br />
geschlachtet und abgetan (Röm. 8,10), die Gerechtigkeit, vom Gesetz<br />
gefor<strong>der</strong>t, in einem solchen geistlich gestorbenen Menschen erfüllt, und<br />
er also mit Gott dem Vater ausgesöhnt und vereinigt ist. Nun befindet<br />
sich <strong>der</strong>selbe in einer völligen Todesstille und tiefen Grabesruhe.<br />
Alle eigene Kraft und Wirksamkeit ist verschwunden, und er geht<br />
nun auch dem Auferstehungszustand Christi entgegen. Derselbe Geist,<br />
welcher Jesum, den Erstgeborenen, vom Tode auferweckt hat, wird<br />
einen solchen Menschen auch auferwecken, ihn zum neuen, göttlichen<br />
und ewigen Leben hervorrufen, so dass er jetzt nicht mehr im alten<br />
Wesen des Buchstabens, son<strong>der</strong>n im neuen Wesen des Geistes lebt!<br />
Durch dieses geistige Sterben mit Christo wird <strong>der</strong> Mensch hier in <strong>der</strong><br />
Zeit schon zu einer neuen Kreatur in Christo, wahrhaftig<br />
wie<strong>der</strong>geboren, <strong>der</strong> göttlichen Natur teilhaftig, und also zu einem<br />
wirklichen Sohn Gottes umgeschaffen, dass er die Gebote Gottes wie<br />
<strong>der</strong> Erstgeborene (Joh. 12,37) vollkommen erfüllen und des Vaters<br />
Wille vollkommen tun kann. Es fällt ihm nicht schwer, son<strong>der</strong>n ist ihm<br />
ganz natürlich, eine himmlische Lust und Freude, ein sanftes Joch und
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
23<br />
eine leichte Last!<br />
Ein solcher braucht nun kein gesetzliches Wesen mehr, hat auch<br />
nicht nötig, dass ihn jemand lehre, denn er hat die Salbung von dem,<br />
<strong>der</strong> da heilig ist, und weiß alles. Die Salbung lehrt ihn allerlei, er<br />
wandelt vor Gott wie Abraham, und wird vollkommen. Er wird selbst<br />
eine lebendige Kirche, eine Wohnung Gottes und ein Tempel des<br />
Heiligen Geistes. Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele,<br />
mit ganzem Gemüte, ja aus allen Kräften lieben, und den Nächsten wie<br />
sich selbst! seht, das ist nun sein ganzer Gottesdienst!<br />
Alle seine bisherigen Besserungs- und För<strong>der</strong>ungsmittel zur<br />
Seligkeit sind jetzt für ihn ganz überflüssig, weil er den Zweck erreicht<br />
hat. Das Wort des Herrn wird an ihm erfüllt: „Ich will reines Wasser<br />
über euch sprengen, dass ihr rein werdet von aller eurer Unreinigkeit,<br />
und von allen euren Götzen will ich euch reinigen; und will euch ein<br />
neues Herz und einen neuen Geist in euch geben, und will das steinerne<br />
Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischernes Herz<br />
geben. Ich will meinen Geist in euch geben, und will solche Leute aus<br />
euch machen, die in meinen Geboten wandeln, meine Rechte halten und<br />
darnach tun. Und ihr sollt wohnen im Lande, das ich euren Vätern<br />
gegeben habe, und sollt mein Volk sein, und ich will euer Gott sein. Ich<br />
will mein Gesetz in euer Herz geben, und in euren Sinn schreiben, und<br />
ihr sollt mein Volk sein, so will ich euer Gott sein. Und keiner wird den<br />
an<strong>der</strong>n, noch ein Bru<strong>der</strong> den an<strong>der</strong>n, lehren und sagen: Erkenne den<br />
Herrn! son<strong>der</strong>n ihr sollt mich alle kennen, beide, klein und groß, spricht<br />
<strong>der</strong> Herr. Denn ich will eure Missetat vergeben, und eurer Sünden nicht<br />
mehr gedenken.“ (Jer. 31 u. Hesek. 36).<br />
So lasse denn, o Seele! den geistigen Christus, den zweiten Adam,<br />
auch in dich kommen, wie er in dem Menschen Jesu war, so wirst du<br />
auch ein Sohn Gottes, dass du sagen kannst: „Ich und <strong>der</strong> Vater sind<br />
eins! meine Speise ist, dass ich den Willen des Vaters tue; dein Gesetz,<br />
o mein Gott! habe ich in meinem Herzen!“ So kannst du in diesem<br />
Leben schon dazu gelangen, dass du nicht mehr sündigst, nicht mehr zu<br />
streiten und zu kämpfen hast mit Sünde, Welt, Fleisch und Blut; denn<br />
du bist durch Christus in dir vollkommen erlöst, und mit Ihm gleicher<br />
Natur teilhaftig, also mit Ihm ins himmlische Wesen versetzt worden.<br />
Du lebst nun in <strong>der</strong> herrlichen Freiheit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Gottes im Paradies,<br />
in Gott, deinem Ursprung, genießest den göttlichen Frieden, bist in<br />
sicheren Wohnungen, in stolzer Ruhe im Lande <strong>der</strong> Verheißung, in<br />
Kanaan, worin Milch und Honig fließt! Da ist kein Leid, kein Geschrei,<br />
kein Schmerz mehr, denn das Erste ist vergangen! Der Ankläger ist
24 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
verworfen, die Klagen über Schwachheit, Sünden, Unwürdigkeit und<br />
Unvollkommenheit sind verstummt, weil da kein Einwohner sagen<br />
wird: „Ich bin schwach!“ son<strong>der</strong>n: „Im Herrn habe ich Gerechtigkeit<br />
und Stärke.“ Wenn schon <strong>der</strong> Teufel diesen glückseligen Seelenzustand<br />
beneidet, und allerlei Lästern, Schelten und Stürme zu erregen sucht, so<br />
sind das nur unbedeutende Schrecknisse und letzte Zuckungen, die dir,<br />
o unaussprechlich selige Seele, weiter keinen Schaden zufügen können!<br />
Nur Dank und Ruhm, Lob und Preis wird da gehört, und ist dies also<br />
das eigentliche Himmelreich im Menschen, wie es nach und nach<br />
überall auf <strong>der</strong> ganzen Erde sein wird. Einen solchen starken,<br />
allmächtigen und vollkommenen Heiland haben wir an dem inneren<br />
Christus im Geist, wenn wir Ihm Platz machen, Ihm unser ganzes<br />
Inwendiges einräumen, und uns von Ihm ausarbeiten lassen.<br />
O meine teuren Geliebten! die ihr von ganzem Herzen neugeboren,<br />
neue Kreaturen in Christo werden, und Gott dienen möchtet in<br />
rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, wie es vor Ihm<br />
wohlgefällig ist; wandelt nur den kurzen, einfachen und sicheren Weg,<br />
<strong>der</strong> euch im Wort des Herrn vorgeschrieben ist. Er spricht: Wenn ihr<br />
stille bleibet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen<br />
würdet ihr stark sein." (Jes. 30,I5).<br />
Dieses Stillesein besteht in <strong>der</strong> völligen Überlassung unserer selbst,<br />
und was uns angeht, für Zeit und Ewigkeit - an Gott, dass wir nämlich<br />
nicht mehr ängstlich sorgen, nicht in eigener Kraft wirken, son<strong>der</strong>n mit<br />
unseren Sinnen, Gedanken, Wollen und Wirken uns zu Grund<br />
versenken, und uns Ihm also hingeben zum Opfer und ewigen<br />
Eigentum, damit wir Ihm nicht mehr im Wege stehen und seine<br />
gnadenreiche Wirkung in uns verhin<strong>der</strong>n! Dann erst, wenn wir uns Ihm<br />
so gelassen, ruhig, friedsam und leidend aufopfern, kann und wird Er<br />
ein Neues im Lande unseres Innern erschaffen. Er wird aus dem<br />
schrecklichen Chaos unserer selbst eine herrliche, neue und zweite<br />
Schöpfung hervorbringen. Erst dann kann <strong>der</strong> Vater seinen Sohn in uns<br />
zeugen, und uns also den Heiland innerlich senden, <strong>der</strong> uns nach und<br />
nach von dem alten Menschen befreit, und uns den neuen Menschen<br />
anzieht, <strong>der</strong> nach Gottes Gleichnis geschaffen ist. -<br />
O wer doch die ewige, unverän<strong>der</strong>liche Gemütsstille in Gott recht<br />
verstünde, die tiefe Sabbatruhe, <strong>der</strong> würde in kurzer Zeit an Geist, Seele<br />
und Leib sich verän<strong>der</strong>t fühlen! An diesem Sabbat heilt Christus, und<br />
macht den ganzen Menschen gesund. An diesem Sabbat legt Er dem<br />
Blinden Kot auf die Augen, und öffnet sie! - Als jener Kämmerer aus<br />
Mohrenland sich durch Philippus wollte taufen lassen, hieß es: "Und er
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
25<br />
hieß den Wagen stille halten." So muss eben <strong>der</strong> Wagen unseres<br />
Eigenwirkens, Treibens, Sorgens, Wollens und Laufens stille halten,<br />
dann können wir erst mit Geist und Feuer getauft werden! Ach wie gut<br />
kann man es doch haben, wenn man sich in Demut Gott aufopfert, und<br />
sich Ihm wie ein hilfloses Kind überlässt! Aber sehr wenige dürfen<br />
diesen Schritt wagen; sie fürchten, ihre Seele möchte verloren gehen,<br />
sie wollen sie nicht überlassen, darum werden sie sie einst im traurigen<br />
Sinn des Wortes lassen müssen. „Wer sein Leben verliert um<br />
meinetwillen“, heißt es, „<strong>der</strong> wird es erhalten, und wer sein Leben<br />
erhalten will, <strong>der</strong> wird es verlieren.“ Ach, wie sind die Menschen so<br />
äußerlich und fleischlich, und verbildet worden! Wie sehr sind sie in<br />
diesinnlichen Dinge zerstreut.<br />
Ihr Herz und ihre Lust ist ganz in dieselben ergossen. Ihre Sinne<br />
sind auswärts statt einwärts gekehrt. Sie sind fast nie zu Hause bei<br />
ihnen selbst, und hören also dem ewigen Wort nicht zu, dass sie weise<br />
würden! Wer demselben hingegen beständig zuhört und gehorsam ist,<br />
hat an<strong>der</strong>e Prediger nicht nötig, er ist immer in <strong>der</strong> Kirche, denn <strong>der</strong><br />
Herr lehrt noch täglich im Tempel des Herzens, wie Er sich ehemals im<br />
Äußeren vernehmen ließ. O heidnisches Sorgen, Eigenwirken und<br />
Zappeln! du mordest Christum im Geist! Er kann ja so nicht<br />
aufkommen und eine Gestalt in dir gewinnen, wenn du Ihn so<br />
unterdrückst, obwohl du es gut meinst!<br />
Ihr aber, die ihr euch gerne stille zum Opfer hingebt, und Gott wollt<br />
machen lassen - Ruhe mit euch und Friede in aller Fülle! Erschrecket<br />
nicht, wenn ihr schon in eurem Innern hört Krieg und Kriegsgeschrei;<br />
wenn teure Zeiten kommen, wo euch Trost und Glaubensgewissheit<br />
gebricht. Fürchtet euch nicht, wenn die Pestilenz eintritt, wo ihr alles<br />
Eigene in euch verwelken und absterben sehet; wenn ein Königreich<br />
wi<strong>der</strong> das an<strong>der</strong>e sich empört, d.h. wenn das Reich Gottes in euch das<br />
Reich des Satans zerstört, wo <strong>der</strong> neue Mensch mit dem alten Krieg<br />
führt, wo lauter Streit und Kampf mit Sünde, Welt, Fleisch und Blut, ja<br />
gar mit dem Fürsten <strong>der</strong> Finsternis ist. Fürchtet euch nicht, wenn sich<br />
ein Kriegsheer von schrecklichen Zweifeln, Unglauben, bösen<br />
Gedanken und grimmigen Leidenschaften vor eure Seele lagert, solange<br />
ihr den inneren Christus im Geist festhaltet, und euch Ihm stets<br />
überlasset.<br />
Alles dieses kann euch nichts schaden, son<strong>der</strong>n muss euch zum<br />
ewigen Besten dienen! Wenn alles drunter und drüber geht, so brechet<br />
getrost hindurch durch alle Donnerwetter und Gewitterstürme von<br />
Missverständnissen, Verleumdungen, Lästerungen und Verfolgungen!
26 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und ihr könnet während <strong>der</strong> Zeit<br />
dieser Kreuzigung und Sterben mit Christo dennoch wie im Himmel<br />
sein, durch eine lebendige Hoffnung, dass diese Kämpfe und Leiden die<br />
unverwelkliche Krone <strong>der</strong> Ehren euch einbringen werden! Alles hat<br />
seine Zeit! Man muss nicht immer kämpfen, sich verleugnen und<br />
absterben. Christus im Geist macht diesem alten Menschen um so eher<br />
ein Ende, je treuer wir sind im Absterben. Der alte Sün<strong>der</strong> muss bald<br />
sterben, wenn man ihm alle Nahrung seines falschen Lebens entzieht,<br />
und nur nach ewig bleibenden Gütern strebt.<br />
Frohlocket demnach, hüpfet auf vor Jubel, die ihr den inneren<br />
Christus im Geist kennet, und von Ihm erkannt seid, die ihr eine<br />
lebendige Überzeugung und Gewissheit habt, dass Er euch vollkommen<br />
erlösen wird! Schon während eures Leidens und Sterbens mit Christo<br />
könnt und dürft ihr euch im Geist unaussprechlich freuen, weil ihr<br />
durch eine lebendige Hoffnung wisset, dass auf dieses geistige Sterben<br />
ein neues, ewiges und unsterbliches Leben folgt, eine selige<br />
Auferstehung, <strong>der</strong> volle Tag <strong>der</strong> Ewigkeit. Auf die Tränensaat folgt<br />
eine ewige Freudenernte. Selig ist also <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> die Anfechtung<br />
erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens<br />
empfangen, welche Gott verheißen hat allen denen, die Ihn lieben.<br />
Auf denn, ihr geistlich Gekreuzigten und Sterbenden! Lasst euch<br />
nicht lass und mutlos machen durch kleine Leiden, Anfechtungen und<br />
Wi<strong>der</strong>wärtigkeiten, sie mögen heißen wie sie wollen. Sterbet fort und<br />
fort dem alten Adam ab, bis <strong>der</strong> neue Adam, <strong>der</strong> Herr vom Himmel, als<br />
<strong>der</strong> Letzte über dem Staub eurer geistigen Vernichtigung stehen und<br />
siegreich überwunden haben wird. Keine Spur darf mehr übrig bleiben<br />
vom alten Sinnenleben, son<strong>der</strong>n das göttliche Leben Christi, das Leben<br />
<strong>der</strong> Ewigkeit, soll an dessen Stelle sein, welches hier in dieser Zeit<br />
noch geschehen kann.<br />
Fangt nur herzhaft an zu glauben, dass es dem Herrn möglich sei,<br />
euch dahin zu bringen. Tut Ihm doch diese Ehre an, so werdet ihr gleich<br />
seine verborgene Kraft in euch empfinden, allem Bösen zu wi<strong>der</strong>stehen,<br />
und alles zu überwinden, was euch hin<strong>der</strong>n könnte, nach dem<br />
vorgesteckten Ziel eurer himmlischen Berufung Gottes in Christo Jesu<br />
nachzujagen. Wenn ihr fallet, so stehet bisher im Allgemeinen, son<strong>der</strong>n<br />
im Geist und in <strong>der</strong> Wahrheit. - O herrliche Zeit! o angenehmer Tag des<br />
Heils! o Licht <strong>der</strong> Wahrheit, wie hell leuchtest du in <strong>der</strong> Finsternis, die<br />
dich zwar nicht begreifen kann, aber von deinem allmächtigen Glanz<br />
verschlungen wird.<br />
O ihr Wahrheit suchenden Seelen! lasst euch doch nicht länger mehr
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
27<br />
durch den großen Unglauben zurückhalten, als wäre es unmöglich, in<br />
diesem Leben schon gänzlich erlöst und in den paradiesischen Stand<br />
des Friedens und <strong>der</strong> wesentlichen Wie<strong>der</strong>vereinigung mit Gott zu<br />
gelangen.<br />
Dafür ist Er ja im Fleisch erschienen, und hat uns die Möglichkeit<br />
erworben, dazu zu gelangen Es ist die ewige Wahrheit, aber sie scheint<br />
fremd, neu und unbekannt, dass es einem das Herz zerreißen möchte.<br />
Die Wahrheit muss wie<strong>der</strong> öffentlich gelehrt und befolgt werden, dass<br />
wir nämlich durch das Leiden, Sterben und Auferstehen mit Christo im<br />
Geist, schon in dem Leben zur himmlischen, göttlichen Natur hinauf<br />
geadelt, und also in den Stand gesetzt werden können, nicht mehr zu<br />
sündigen. Denn wer Sünde tut ist ja vom Teufel, sagt Johannes, und<br />
dazu ist <strong>der</strong> Sohn Gottes eben erschienen, dass Er die Werke des<br />
Teufels zerstöre - erschienen, dass Er unsere Sünden hinwegnehme,<br />
und in Ihm ist keine Sünde - dass wir also dann kraft dieser göttlichen<br />
Natur auch Gottes Gebote vollkommen halten, und des Vaters Willen<br />
vollkommen tun können.<br />
Es ist ja so natürlich, dass wenn <strong>der</strong> wahre Christus in uns erscheint,<br />
lebendig und offenbar wird, Er noch das gleiche Geschäft verrichtet,<br />
wie vor 2000 Jahren in <strong>der</strong> Person Jesu von Nazareth! O ewige<br />
Wahrheit! Warum wirst du so verkannt und bestritten! Warum sollen<br />
die armen Seelen glauben, dass sie bis zum Tode immer die gleichen<br />
armen, schwachen, elenden, sündigen und unvollkommenen Menschen<br />
bleiben müssten, da doch dies im Worte Gottes nirgends ausgedrückt<br />
wird, und also <strong>der</strong> Wahrheit ganz entgegen ist! Wohl aber heißt es: Ihr<br />
sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.<br />
Wandle vor mir und sei vollkommen, heißt es eigentlich im Grundtext.<br />
Ach seid doch nicht mehr so ungläubig, so engherzig und in euch<br />
selbst eingesperrt, gebt doch Gott einmal die Ehre! Schleppt euch doch<br />
nicht mit dem alten Adam bis zum leiblichen Tod herum. Stützt euch<br />
nicht nur auf diejenigen Schriftstellen, die den Menschen zum Sün<strong>der</strong><br />
machen, weil er noch nicht durch Christum erlöst ist, und wodurch ihr<br />
euch im Unglauben nur noch mehr versteift. Durch den leiblichen Tod<br />
werdet ihr ja um kein Jota seliger und vollkommener. Wie <strong>der</strong> Baum<br />
fällt, so bleibt er liegen; wie ihr sterbet, so findet ihr euch in demselben<br />
Augenblick in <strong>der</strong> Ewigkeit wie<strong>der</strong>. Ach raubt doch Christo nicht<br />
länger seine Ehre, vernichtet doch nicht seine Vollkommenheit. Er ist ja<br />
ein vollkommener Gott, und kann vollkommen selig machen. Christus<br />
im Geist macht ja allen Klagen über Sünden, Schwachheit,<br />
Unwürdigkeit und Unvollkommenheit ein Ende, laut den klaren
28 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Aussprüchen <strong>der</strong> Heiligen Schrift (Rom. 6,1; Joh, 3 usw.)<br />
Ihr macht Ihm so keine Ehre, son<strong>der</strong>n tut Ihm Schmach an, und<br />
macht Ihn zum Lügner! Klagen, Schmerz und Jammern über die<br />
Sünden hat seine Zeit und muss auch sein, wer aber von ganzem Herzen<br />
<strong>der</strong> Sünde absagt, und von nun an Gott lieben und seinen Willen tun<br />
will, ein solcher hat gleich Vergebung aller seiner vormals begangenen<br />
Sünden. Es wird ihrer ewig nicht mehr gedacht werden, wie <strong>der</strong> Herr<br />
selbst bezeugt, nur dass ein solcher treu nach dem Wort des Lebens<br />
fortwandelt. So muss er ja nicht die ganze Lebenszeit mühselig und<br />
beladen sein, nicht immer jammern, zagen und mit dem Ich geplagt<br />
sein, und in Sünden leben, son<strong>der</strong>n er wird durch CHRISTUS IN UNS<br />
ins himmlische Wesen versetzt, in ewige Ruhe und unwandelbaren<br />
Frieden, nachdem '<strong>der</strong> alte Sün<strong>der</strong> ist geschlachtet und gänzlich abgetan<br />
worden, auch <strong>der</strong> volle Stolz, die Ichheit, die Selbstgefälligkeit und<br />
alles ungöttliche Wesen. Stattdessen herrscht <strong>der</strong> im Geist<br />
auferstandene neue Mensch, CHRISTUS, und dieser kann und will ja<br />
nicht sündigen, denn Er ist vollkommen und heilig wie Gott, sein<br />
Vater!<br />
O ihr ewig seligen Seelen! denen dieses große, gottselige Geheimnis<br />
innerlich kundgeworden ist, und die ihr es an euch selbst erfahret -<br />
trinket unaufhörlich aus <strong>der</strong> unversiegbaren Quelle des lebendigen<br />
Wassers, von dem neuen Wein des Reiches Gottes, das wirklich in euch<br />
gekommen ist! Keine Macht <strong>der</strong> Hölle kann euch aus eures Vaters<br />
Hand herausreißen, nichts mehr euch scheiden von <strong>der</strong> Liebe Gottes,<br />
die da ist in Christo Jesu, unserem Herrn! Ihr seid es, die mit Paulus das<br />
Siegeslied anstimmen können: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg!<br />
Tod! wo ist dein Stachel? Hölle! wo ist dein Sieg? Der Stachel des<br />
Todes aber ist die Sünde, und die Kraft <strong>der</strong> Sünde ist das Gesetz. Gott<br />
aber sei Dank, <strong>der</strong> uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn<br />
Jesum Christum!“<br />
So kann und soll sich billig <strong>der</strong> durch Christum in uns freigewordene<br />
und in Ihm auferstandene Christ freuen und sich abermals freuen, <strong>der</strong><br />
jetzt den neuen, auf dem weißen Stein <strong>der</strong> Versöhnung, Unschuld und<br />
Reinheit gegrabenen Namen trägt, den niemand kennt, als <strong>der</strong> ihn<br />
empfängt? Nun erst geht es an ein Wachsen und Fortschreiten in Gott,<br />
von Klarheit zu Klarheit, von Vollkommenheit zu Vollkommenheit! So<br />
ziehe denn aus, o ewige Wahrheit! Siege, siege und triumphiere über das<br />
Reich <strong>der</strong> Lüge und <strong>der</strong> Finsternis, damit das Reich Gottes in allen<br />
Gemütern und endlich auf <strong>der</strong> ganzen Erde offenbar, und Gott durch<br />
Christum König werde überall! Amen!
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Vom gottgefälligen Sehnen<br />
29<br />
Vom gottgefälligen Sehnen<br />
des menschlichen Geistes nach Gott<br />
Johannes Tauler (1300-1361)<br />
Meine allerliebsten Kin<strong>der</strong> in Christo! Es fragte mich ein gutes Herz<br />
und sprach: „Ich bin ein armes Waislein Gottes, ganz einsam und<br />
verlassen, und weiß nicht, was ich tun soll. Nachdem es mir so befohlen<br />
ward, so habe ich mich etliche Tage in mich zurückgezogen und mich<br />
geübt in Anfachung und Erhaltung des geheimen Fünkleins <strong>der</strong> Begierde,<br />
alle Dinge, außer Gott, für nichts zu achten. Ich überstieg alle Gaben,<br />
Erleuchtungen, Süßigkeiten, Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vernunft, und was sonst noch die<br />
Seele mit natürlicher Freude in sich selbst gestalten kann. Da fand ich<br />
nichts als Armut; da kam ich in eine weite, inwendige Wüste, wo we<strong>der</strong><br />
gute noch böse Phantasien Statt haben mögen. Und so bin ich nun wie ein<br />
Bettler, <strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Tür liegt, und auf die Gnade seines Herrn wartet. Und<br />
ich weiß nicht, wie es kommt: das Fünklein <strong>der</strong> Begierde ruhet nicht, bis<br />
alle Kräfte meines Herzens und Kopfes verzehrt sind; und wann mir dann<br />
eine kurze Ruhe gegönnt wird, so sind die Kräfte zur Stunde wie<strong>der</strong><br />
ersetzt. Je mehr ich von allen Dingen abgeschieden bin, desto mehr Lust<br />
hat mein inwendiger Mensch in all dieser Demut. Aber <strong>der</strong> auswendige<br />
Mensch wollte gern davon fliehen, wenn er könnte. Was hieraus geboren<br />
werden soll, das Leben o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tod, das weiß ich nicht. Aber nach<br />
meinem Bedünken werden hierdurch Glaube, Hoffnung und Liebe sehr<br />
gestärkt. Darum hätte ich nun eine bleibende Stätte hierin; ich bliebe<br />
gern.“<br />
Hierauf antwortete ich nach <strong>der</strong> Gnade Gottes, die mir gegeben ist:<br />
„Wer sich in diesem Zustande befindet, muss sich mit unwandelbarem<br />
Gemüte und in freier Gelassenheit, mit dem liebsten Willen Gottes<br />
einigen, wie Paulus, als er fragte: „Herr, was willst Du, dass ich tun<br />
soll?“ und diesen Vorsatz <strong>der</strong> Einigung oft erneuern und darin bis ans<br />
Ende verharren. Hierzu kommt kein menschliches Laufen und Rennen, nur<br />
das wahrhaftige Innebleiben und Nachjagen nach Gott, das allein hilft. Die<br />
Werke des Herrn im Menschen sind so freitätig, dass, wenn sie <strong>der</strong><br />
Mensch selbst nicht hin<strong>der</strong>t, sie alles aufs höchste vollbringen.“<br />
Christus ist das Ziel für alle Menschen. Wie nahe Du zu dem Ziele<br />
kommst, so nahe kommst Du zu Gott. Wie viel Du Tugend hast, so nahe<br />
bist Du bei Christus. Hast Du alle Tugend, und bist ganz von Dir<br />
ausgegangen, so hast Du das Ziel erreicht. - Ein gottergebener Wille macht<br />
alle Werke gut, denn es ist die gute Quelle, aus <strong>der</strong> nur gute Abflüsse<br />
kommen. - Wie die Sonne den Tag erleuchtet, so das Leiden die Vernunft.
30 Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Bitterkeit <strong>der</strong> Dinge nötigt die Vernunft, dass sie sich von allen Dingen<br />
kehre; und so wird im Menschen durch Leiden Abgeschiedenheit, und in<br />
dieser ist Erkenntnis <strong>der</strong> bloßen Wahrheit. Durchgelittene Menschen sind<br />
die allervernünftigsten Menschen. - Je<strong>der</strong> sei ein Inwohner seines Herzens<br />
und ergebe sich Gott ganz, und folge, wohin und welchen Weg er ihn<br />
führen will. - Das Nichthaben ist oft mehr nütze als das Haben, denn im<br />
Nichthaben erkennt sich <strong>der</strong> Mensch besser als im Haben, und das Darben<br />
an zeitlichen Dingen bereitet den Menschen zur Empfangung <strong>der</strong> ewigen.<br />
Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge<br />
Meister Eckhart (1260-1328)<br />
Die Leute sagen einem: „Ach ja, lieber Herr, ich wollte gerne, ich<br />
stünde auch mit Gott auf so gutem Fuß und hätte so viel Sammlung und<br />
Frieden mit Gott, wie an<strong>der</strong>e Leute haben. Hätt ich’s nur auch so gut und<br />
könnte so arm sein!“ O<strong>der</strong>: „Ich komme nie in die rechte Stimmung, außer<br />
ich weile da o<strong>der</strong> dort, treib es so o<strong>der</strong> so, ich muss ohne Dach und Decke<br />
leben, o<strong>der</strong> in einer Klause, o<strong>der</strong> im Kloster.“<br />
Aber daran bist du wahrhaftig ganz alleine schuld; eigener Wille ist es,<br />
weiter nichts, ob du’s auch nicht Wort haben willst. Nimmer steht ein<br />
Unfriede in dir auf, er entspringt aus Eigenwillen, man sei sich dessen<br />
bewusst o<strong>der</strong> nicht. Was wir uns da einreden: Man müsse diese Dinge<br />
fliehen und jene suchen, ausgerechnet diese Stätten und Menschen, diese<br />
Weise, diese Richtung, diese Beschäftigung – nicht das ist schuld, dass die<br />
Lage o<strong>der</strong> die Dinge dich hin<strong>der</strong>ten. Son<strong>der</strong>n du bist es in den Dingen<br />
selber, was dich hin<strong>der</strong>t, deine Stellung zu den Dingen ist verkehrt.<br />
Bei dir also setz den Hebel an und l ass dich! Denn wahrlich: Fliehst<br />
du d i c h nicht zuerst, dann, wo du auch hinfliehst, findest du immer nur<br />
Behin<strong>der</strong>ung und Unfrieden. Die Leute, die Frieden suchen in äußeren<br />
Dingen: bei Orten und Weisen, durch Menschen o<strong>der</strong> Werke, durch<br />
Unbehaustheit, Armut und Niedrigkeit – wie stattlich sich’s auch<br />
ausnimmt, das ist dennoch alles nichts und gibt keinen Frieden. Sie suchen<br />
ganz verkehrt, die also suchen. Je ferner sie fortgehen, umso weniger<br />
finden sie, was sie suchen. Sie gehen wie einer, <strong>der</strong> seines Wegs vermisst:<br />
Je weiter er geht, je mehr er irrt. „Aber wie soll man’s denn machen?“<br />
Zuerst einmal sich selber lassen. Damit hat man auch alle Dinge<br />
gelassen. Ohne Übertreibung: Ließe einer ein Königreich, ja die ganze<br />
Welt, und behielte sich, er hätte gar nichts gelassen. Ja, und gibt er sich<br />
auf, so kann er behalten, was er will, Reichtum, Ehre o<strong>der</strong> was immer: Er<br />
hat alles aufgegeben.
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Gott ist überall zu finden<br />
31<br />
Ein Heiliger bemerkt zu dem Ausspruch Sankt Peters: „Sieh, Herr, wir<br />
haben alles gelassen“ – und er hatte doch weiter nichts gelassen als ein<br />
armes Netz und seinen Kahn –, <strong>der</strong> Heilige sagt: Wer das Kleine willig<br />
lässt, <strong>der</strong> lässt nicht nur dieses, er lässt alles, was die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt je<br />
gewinnen, ja sich auch nur wünschen mögen. Denn wer seinen Willen, wer<br />
sich selber lässt, <strong>der</strong> hat die ganze Welt gelassen, so gut, als ob sie sein<br />
freies Eigen wär und sie zu voller Gewalt besessen hätte. Alles, was du<br />
ausdrücklich nicht begehrst, des hast du dich begeben, hast es gelassen um<br />
Gott. „Selig sind die Armen im Geist“, hat unser Herr gesagt; es bedeutet:<br />
die arm sind an Willen. Und daran soll niemand zweifeln: Gäb es einen<br />
bessern Weg, unser Herr hätt ihn uns gewiesen. Wie er auch sagt: „Wer<br />
mir nachfolgen will, <strong>der</strong> verzichte zuerst auf sich selber.“ Darauf allein<br />
kommt’s an. Fahnde auf dich, und wo du d i c h findest, da gib dich auf.<br />
Das ist das Heilsamste.<br />
Und lass dir sagen: Es hat sich noch nie einer in diesem Leben so<br />
darangegeben, er findet immer, wie er sich noch mehr begebe. Derer sind<br />
wenige, die das recht wahrnehmen und darin sicher stehen. Es ist recht ein<br />
Gleich-mit-Gleich-Vergelten und ein gerechter Kauf: So weit du selber<br />
ausgehst aus den Dingen, genauso weit, keinen Schritt weniger o<strong>der</strong> mehr,<br />
geht Gott ein mit allem, was sein ist. Hier heb an und lass dich’s kosten,<br />
was du nur leisten kannst, so findest du wahren Frieden. Und an<strong>der</strong>s nicht.<br />
(Hermann Büttner, Meister Eckhart, Eugen Die<strong>der</strong>ichs Verlag, Jena 1938)<br />
Gott ist überall zu finden<br />
Heinrich Seuse (1295-1366)<br />
Ein weiser Mann muss auch bei seinem äußeren Tun die Achtsamkeit<br />
auf das Innere festhalten und bei <strong>der</strong> Achtsamkeit auf das Innere das<br />
äußere Tun, wozu er Anlass und Beruf hat, nicht versäumen; nur muss er<br />
bei äußerlichen Arbeiten im Innern die heiligen Begierden unterhalten,<br />
damit er wie<strong>der</strong> früh genug in das Innere eingehen kann; und zugleich bei<br />
den Übungen des inneren Lebens so ganz ergeben in dem Willen Gottes<br />
bleiben, dass er nach Zeit und Anlass sich den äußerlichen Geschäften<br />
gern leihen kann. Auf diese Weise wird er aus- und eingehen und überall<br />
Ruhe finden, wie sie <strong>der</strong> Weise überall sucht - wird überall Weiden finden,<br />
wie unser Heiland sagt.<br />
Dies habe ich dir, <strong>der</strong> du deinem Gott so weit außer deinem Vaterland<br />
nachgegangen bist, geschrieben, damit du Ihn überall, in <strong>der</strong> Nähe und<br />
Ferne, finden mögest. Denn Er ist überall zu finden, weil Er überall nahe<br />
ist.
32 Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn<br />
Der Herr ist zwar überall <strong>der</strong> allmächtige Helfer und Besieger aller<br />
Hin<strong>der</strong>nisse, aber Er muss auch nach dem Grade und Maße des<br />
Hin<strong>der</strong>nisses zu Hilfe gerufen werden, sodann erst wird es geschehen, was<br />
da geschehen soll.<br />
Ihr saget hier freilich: Ja, warum aber das? So wir den Herrn um Hilfe<br />
anflehen, da wird Er uns wohl nicht weniger helfen, als wir es vonnöten<br />
haben. Ich sage euch: Ihr habt in einer Hinsicht zwar wohl recht, aber nur<br />
insoweit, als ihr daneben irrigerweise anzunehmen genötigt seid, dem<br />
Herrn sei wenig o<strong>der</strong> gar nichts daran gelegen, wie euer eigenes<br />
Erkenntnisvermögen bestellt ist. So etwas aber anzunehmen, meine ich,<br />
dürfte doch ein wenig zu töricht sein.<br />
Der Herr aber will ja vor allem die Selbsterkenntnis <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
erheben; daher lässt Er auch alles von ihnen (selbst) eher beurteilen und<br />
bemessen, also auch ihre Not, auf dass sie Ihm dann dieselbe nach ihrer<br />
Erkenntnis vortragen sollen, und Er ihnen dann helfe nach ihrer<br />
eigenen Erkenntnis und Verlangen.<br />
Aus diesem Grunde aber, meine lieben Freunde und Brü<strong>der</strong>, soll da auf<br />
<strong>der</strong> Erde auch niemand ein sündiges Hin<strong>der</strong>nis auf <strong>der</strong> eben sein sollenden<br />
Bahn seines Lebens mit einem leichtfertigen Maßstabe bemessen, sonst<br />
muss er es sich selbst zuschreiben, wenn ihm nach vielen Gebeten nicht<br />
die erwünschte völlige Hilfe wird.<br />
Denn <strong>der</strong> Herr ist zwar überaus liebevollst gut und freigebig mit Seiner<br />
Gnade und Erbarmung, aber dabei dennoch stets im vollkommensten<br />
Grade respektierend die freie Tätigkeit des Geistes in je<strong>der</strong> Beziehung,<br />
sowohl in <strong>der</strong> Willens- als in <strong>der</strong> Erkenntnissphäre.<br />
Unter uns aber gesagt, tut (daher) ein je<strong>der</strong> Mensch für sich genommen<br />
besser, wenn er in Anbetracht seiner selbst, wie ihr zu sagen pfleget, aus<br />
einer Mücke einen Elefanten macht, als umgekehrt, und es wird dann sein,<br />
dass <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> von solch einem Standpunkte aus um vieles bittet, auch<br />
viel empfangen wird; wer aber um weniges bittet, <strong>der</strong> erwarte ja nicht, dass<br />
ihm <strong>der</strong> Herr ein unerkanntes und unverlangtes Plus auf den Rücken<br />
nachwerfen wird.<br />
Tut ihr ja auch das gleiche auf <strong>der</strong> Erde untereinan<strong>der</strong>. Warum sollte es<br />
<strong>der</strong> Herr nicht tun, <strong>der</strong> dafür den liebeweisesten Grund hat? Wird wohl<br />
selbst ein allerbestgesinnter reicher Mann einem, <strong>der</strong> ihn bittet, ihm<br />
zweihun<strong>der</strong>t Taler zu leihen, allenfalls streng benötigte zweitausend Taler<br />
geben? Ich sage euch: Solches wird er nicht tun, und wüsste er es auch<br />
augenscheinlichst, dass <strong>der</strong> bittende Entleiher unumgänglich notwendig
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Nach dir, Herr, verlanget mich<br />
33<br />
<strong>der</strong> größeren Summe vonnöten hat.<br />
Er wird wohl, ebenfalls aus dem edlen Grunde seines Herzens, zum<br />
Entleiher sagen: Ich leihe dir recht gerne die verlangte Summe, wenn sie<br />
dir in deinem Bedürfnisse nur genügen wird. Wenn bei solch einem<br />
Stupfer <strong>der</strong> Entleiher noch immer in seinen blindtörichten<br />
Schüchternheitsschranken sich bewegt und bleibt bei seiner ersten Petition,<br />
saget euch selbst, wer dann die Schuld trägt, wenn dem Entleiher mit 200<br />
Talern nicht gedient ist.<br />
Aus dem Grunde aber soll sich ein je<strong>der</strong> genau erforschen und seine<br />
Not genau bemessen, und dann erst an den heiligen, allmächtigen Helfer<br />
sich wenden, so wird ihm schon sicher die gerechte Hilfe werden, wenn er<br />
dieselbe glaubensfest, vertrauensvoll und liebeernstlich von Ihm erwartet.<br />
(Geistige Sonne Bd. 2; 30,10-18)<br />
Nach dir, Herr, verlanget mich<br />
Johannes Goßner (1773-1858)<br />
Nach dir, Herr, verlanget mich. Meine Augen sehen stets zu dem Herrn. Meine<br />
Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin<br />
kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? (Ps. 25, 1. 15. u. 42, 3.) Wen da<br />
dürstet, <strong>der</strong> komme zu mir und trinke. (Joh. 7, 37.)<br />
Findest du den Heiland nicht in deiner Seele, fühlst du seine heilige<br />
Nähe nicht, so ruhe nicht, bis du ihn wie<strong>der</strong> findest. Suche nicht an<strong>der</strong>swo,<br />
außer ihm, Trost. Schande wäre es, wenn du den so leicht entbehren<br />
könntest, ohne den du nicht selig sein kannst; und Verbrechen wäre es, ihn<br />
missen und sich nach einem An<strong>der</strong>n umsehen. Werde daher nicht müde,<br />
ihn, wenn er sich dir zuweilen verbirgt, mit Treue, wie die Heiligen, zu<br />
suchen. Er entzieht sich dir nicht, er hat sich nur verborgen, um deine<br />
Sehnsucht, dein Verlangen nach ihm zu vermehren. Wirst du müde, lässt<br />
du nach, ihn zu suchen, nach ihm dich zu sehnen, so beleidigst du ihn so,<br />
dass er sich noch weiter von dir entfernt, und du seine freundliche<br />
Gegenwart noch länger entbehren musst.<br />
Wo ist dein Verlangen, wo die Sehnsucht nach ihm? Sieht dein inneres<br />
Auge stets nach ihm? Dürstet deine Seele immer nach ihm, nach dem<br />
lebendigen Gott? Bist du nicht mit einem bloßen Gedanken, o<strong>der</strong> einem<br />
kalten Begriffe von Gott und Christus zufrieden? Suchst du das Leben, die<br />
Kraft Gottes und Christi in deinem Herzen zu spüren? Trachtest du, dahin<br />
zu kommen, in die Stille und Ruhe des Gemütes, in das Allerheiligste<br />
deiner Seele, um Gottes Angesicht zu schauen, so weit man es hier<br />
schauen kann? Dürste, sehne dich, verlange nach ihm wie David und du<br />
wirst den lebendigen Gott erfahren wie er - und mehr noch.
34 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
Sonntagabendgespräche einer Familie<br />
Der Weinstock, seine Trauben und <strong>der</strong> Wein<br />
Vater: Nun, liebe Kin<strong>der</strong>, habt ihr vergangene Woche getan, was ich<br />
euch letzten Sonntagabend geraten habe?<br />
Anna: Ich finde, Vater, dass es nicht immer und unter allen Umständen<br />
so leicht ist, den Fuß in Öl zu tauchen. Ich habe mir aber Mühe gegeben,<br />
es zu tun.<br />
Paul: Meine Erfahrung in dieser Beziehung ist <strong>der</strong> Annas sehr ähnlich.<br />
Aber diesen Abend, werden wir ja etwas über den neuen Wein hören, von<br />
welchem im Evangelium die Rede ist.<br />
Vater: Es ist unsere Absicht den biblischen Charakter des Weinstockes<br />
und seines Gewächses zu betrachten.<br />
Anna: Ich weiß bereits, und ich glaube, auch Paul weiß, dass <strong>der</strong><br />
Weinstock ein Bild <strong>der</strong> Kirche ist.<br />
Vater: Ich denke, Anna, wir werden finden, dass <strong>der</strong> Weinstock das<br />
Bild eines und desselben Dinges unter vier verschiedenen Gestaltungen ist.<br />
Fürs erste ist er ein Bild unseres Herrn Jesus Christus; zweitens ist er ein<br />
Bild <strong>der</strong> Kirche, die Ihn als ihr Leben aufnimmt; drittens ist er ein Bild des<br />
Gliedes einer solchen Kirche; und viertens ein Bild des Grundsatzes <strong>der</strong><br />
Wahrheit, welcher in das Gemüt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Gottes eingepflanzt wird.<br />
Paul: Was meinst du, Vater, unter einem und demselben Ding in vier<br />
verschiedenen Gestaltungen?<br />
Vater: Ich meine, dass in allen Fällen <strong>der</strong> Weinstock in Wirklichkeit<br />
ein Bild Jesu ist. Die Kirche lebt und jedes ihrer Glie<strong>der</strong> lebt, weil Jesus in<br />
ihnen ist, und Er ist, sozusagen, die in unsere Seelen eingepflanzte<br />
Wahrheit.<br />
Paul: Ich verstehe dich vollkommen. Ich weiß, dass Jesus <strong>der</strong> wahre<br />
Weinstock ist, weil Er uns in Johannes Kapitel 15 so gelehrt hat.<br />
Anna: Darüber kann kein Zweifel sein, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild<br />
Jesu ist. „Ich bin,“ sagte Er, „<strong>der</strong> wahre Weinstock, und mein Vater ist <strong>der</strong><br />
Weingärtner“ (Joh.15,1).<br />
Vater: Damit wäre unser erster Punkt, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild<br />
Jesu ist, festgestellt. Nun zum zweiten Punkt, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild<br />
<strong>der</strong> Kirche ist.<br />
Mutter: Ich glaube, das ergibt sich ganz klar aus Psalm 80.<br />
Vater: Ganz richtig. Die Geschichte des Weinstocks, welche in jenem<br />
Psalm erwähnt wird, ist, wie deutlich zu ersehen, die Geschichte <strong>der</strong>
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
35<br />
jüdischen Kirche.<br />
Paul: Nichts an<strong>der</strong>es kann im neunten Vers gemeint sein: „Du hast<br />
einen Weinstock aus Ägypten gebracht, und hast vertrieben die Heiden,<br />
und denselben gepflanzt“.<br />
Anna: In Hosea 10,1 heißt es, „Israel ist ein leerer Weinstock“, und das<br />
beweist deutlich, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild <strong>der</strong> Kirche ist.<br />
Vater: Sehr gut. Das setzt unseren zweiten Punkt fest. In Bezug auf<br />
unseren dritten Punkt, möchte ich euch fragen, ist nicht je<strong>der</strong> Angehörige<br />
<strong>der</strong> Kirche ein 'leerer Weinstock', wenn er keine Frucht bringt?<br />
Paul: Gewiss Vater. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> zur Kirche gehört, und nicht, was man<br />
Früchte des Glaubens nennt, hervorbringt, ist ein leerer Weinstock.<br />
Vater: Wenn ihr 5. Mose 32,31-32 aufschlaget, werdet ihr finden, dass<br />
<strong>der</strong> Weinstock ein Bild des Glaubensgrundsatzes ist, <strong>der</strong> im Gemüt des<br />
Volkes Wurzel gefasst hat, und damit wäre <strong>der</strong> vierte Punkt festgestellt.<br />
Anna: Hier ist die Stelle. „Denn nicht wie unser Fels ist ihr Fels;<br />
unsere Feinde seien Richter! Denn von den Reben Sodoms sind ihre<br />
Reben, und von den Gefilden Gomorrahs; ihre Trauben sind giftige<br />
Trauben; bittere Beeren haben sie.“<br />
Vater: Das ist genug. Was meint ihr nun, dass unter den „Reben<br />
Sodoms“, <strong>der</strong>en Trauben „giftig“ sind und „bittere“ Beeren haben,<br />
verstanden sei?<br />
Paul: Sicher nichts an<strong>der</strong>es, Vater, als irgendein falsches und boshaftes<br />
Prinzip des Herzens, das böse Taten hervorbringt.<br />
Vater: Mit dieser Tatsache bekannt, werden wir leicht die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Trauben erkennen. In Wirklichkeit ist sie bereits angedeutet.<br />
Paul: Alle Früchte, sagtest du uns, seien die Symbole von Handlungen,<br />
und die Handlungen <strong>der</strong> Menschen sind verschieden je nach den<br />
Grundsätzen, welche in dieselben eingepflanzt sind.<br />
Vater: Das ist vollkommen wahr. Wie nun Oliven ein Bild <strong>der</strong><br />
Handlungen sind, welche aus <strong>der</strong> Liebe fließen, und voll des Öles <strong>der</strong><br />
Liebe sind, so sind Trauben Bil<strong>der</strong> von Handlungen, die aus dem Glauben<br />
fließen, und die von dem Wein des Glaubens durchdrungen sind.<br />
Paul: Verstehst du unter Glauben dasselbe, wie unter Wahrheit?<br />
Vater: Jawohl. Wenn wir die Wahrheit aufnehmen, eignen wir uns den<br />
Glauben an. Erinnert ihr euch <strong>der</strong> ersten Verse in Jesaja 5 ?<br />
Anna: O ja, Vater. Sie handeln von einem Weinberg, <strong>der</strong> an einem<br />
fruchtbaren Hügel gelegen war, in welchem die besten Weine angebaut<br />
wurden.<br />
Vater: Ja, es heißt: „Mein Freund besaß auf einem fetten Hügel einen<br />
Weinberg; er grub ihn um, und reinigte ihn von den Steinen; bepflanzte ihn
36 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
mit edlen Weinreben“. Nachher heißt es weiter, „und hoffte, dass er<br />
Trauben brächte; da trug er giftiges Gewächs.“<br />
Anna: Es ist vollkommen klar, dass unter den edlen Weinreben hier die<br />
israelitische Kirche zu verstehen ist.<br />
Vater: Wenn das so ist, was ist dann <strong>der</strong> Weinberg, in welchen die<br />
Weinreben gepflanzt sind?<br />
Paul: Unter dem Weinberg wird die israelitische Kirche und unter den<br />
darein gepflanzten edlen Weinreben werden die Grundsätze <strong>der</strong> Wahrheit<br />
verstanden, welche <strong>der</strong> Kirche mitgeteilt werden.<br />
Vater: Das ist richtiger. Was die Trauben des Weinstockes bedeuten,<br />
wisst ihr alle.<br />
Paul: Die wilden Trauben bedeuten die bösen Taten <strong>der</strong> Juden.<br />
Vater: Es wird unter ihnen etwas Ähnliches verstanden, wie unter den<br />
bitteren Trauben, welche an den Reben von Sodom wachsen. Die Reben<br />
von Sodom bedeuten ver<strong>der</strong>bliches Falsche, welches notwendigerweise die<br />
bitteren Früchte eines bösen Lebens hervorbringen. Aber die edlen<br />
Weinreben, welche wilde Trauben hervorbrachten, sind die himmlischen<br />
Wahrheiten, missbraucht und verdorben durch diejenigen, welchen sie<br />
geoffenbart sind, <strong>der</strong>en Ergebnis daher nur boshafte Handlungen sind.<br />
Mutter: Ich danke dir, Vater. Mir scheint, die Kin<strong>der</strong> können jetzt<br />
recht deutlich einsehen, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild Jesu ist; o<strong>der</strong>, was<br />
dasselbe ist, ein Bild seiner Wahrheit, wie sie in unsere Seelen gepflanzt<br />
ist, sowie dass Traubenbüschel und Traubenbeeren ein Bild jener<br />
Handlungen <strong>der</strong> Nächstenliebe sind, welche das menschliche Geschlecht<br />
beglücken und erfreuen.<br />
Vater: Was sie über diesen Gegenstand vorher nicht verstanden, hast<br />
du sie jetzt gelehrt. Was sollen wir aber in Bezug auf den Wein sagen?<br />
Mutter: Meine Ansicht ist, <strong>der</strong> Wein steht zum Weinstock in <strong>der</strong><br />
gleichen Beziehung, wie das Öl zum Ölbaum.<br />
Vater: Genauso. Vergesset nicht, dass alles, was mit dem Ölbaum<br />
zusammenhängt, sich auf die Liebe o<strong>der</strong> Güte bezieht, und alles, was mit<br />
dem Weinstock zusammenhängt, sich auf die Wahrheit o<strong>der</strong> den Glauben<br />
bezieht. Dieses sind die zwei hauptsächlichen Grundsätze <strong>der</strong> Kirche.<br />
Paul: Wie das Öl ein Bild des Angenehmen und Guten <strong>der</strong> Liebe ist, so<br />
muss <strong>der</strong> Wein ein Bild des Angenehmen und Guten <strong>der</strong> Wahrheit sein.<br />
Anna: Ob uns das wohl befähigt, Vater, zu verstehen, was im Buch <strong>der</strong><br />
Offenbarung Kapitel 6,6 gemeint ist, wo es heißt, dass eine Stimme<br />
inmitten <strong>der</strong> vier Tiere sprach: „Am Öl und Wein vergreife dich nicht“.<br />
Vater: Ohne Zweifel wird es das, Anna. Was bedeuten Öl und Wein?<br />
Anna: Liebe und Wahrheit.
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
37<br />
Vater: Sorget nicht Gott dafür, dass Liebe und Wahrheit niemals<br />
Schaden leiden? Hat Er diese nicht in seinem Worte bewahrt, und bewahrt<br />
er sie nicht in unseren Seelen?<br />
Anna: Daran habe ich früher nicht gedacht; also Gott sorgt dafür, dass<br />
heilige Liebe und Wahrheit für immer beim Menschen unverletzt erhalten<br />
bleiben? Das ist es daher, was unter den Worten verstanden wird, „am Öl<br />
und Wein vergreife dich nicht.“<br />
Paul: Ich habe oft gedacht, was wohl die Bedeutung von Jesajas<br />
Worten sein möge, wo er sagt: „Kommet her, kaufet ohne Geld beides,<br />
Wein und Milch“.<br />
Vater: Du liest vielleicht lieber die ganze Stelle, dann werden wir<br />
sehen.<br />
Paul: Es ist in Jesaja 25,1: „Wohlan alle, die ihr durstig seid, kommt<br />
her zum Wasser; und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kaufet und esset;<br />
kommt her und kaufet ohne Geld und umsonst, beides Wein und Milch.“<br />
Vater: Hier werden drei Substanzen genannt, die zum Trinken<br />
gebraucht werden - Wasser, Wein und Milch. Jede ist ein Bild <strong>der</strong><br />
Wahrheit von verschiedener Art und Stufe. Das Wasser ist ein Bild <strong>der</strong><br />
Wahrheit, die unser Gemüt reinigt und erfrischt; <strong>der</strong> Wein ist ein Bild <strong>der</strong><br />
Wahrheit, welche ermuntert und stärkt; die Milch <strong>der</strong> Wahrheit, welche<br />
nährt und sättigt.<br />
Paul: Wein kaufen, heißt daher, sich von Jesus die ermunternden und<br />
stärkenden Wahrheiten seines Wortes erwerben.<br />
Vater: Ganz richtig. Die Wahrheiten des Wortes sind geistiger Wein.<br />
Und wenn wir in <strong>der</strong> Bibel forschen, mit dem Wunsche ihre Lehren<br />
anzunehmen, trinken wir in tiefen Zügen den Wein des Reiches Gottes.<br />
Anna: Der Wein des Reiches Gottes! Ist nicht im Neuen Testament<br />
irgendwo eine Stelle, welche etwas Ähnliches sagt?<br />
Vater: Du meinst wohl in Matth. 26,29 : „Ich sage euch, ich werde von<br />
nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstockes trinken, bis an<br />
den Tag, da ich es neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich“.<br />
Anna: Das ist <strong>der</strong> Vers, an den ich dachte. Darüber möchte ich sehr<br />
gerne eine Erklärung haben.<br />
Vater: Das Gewächs des Weinstockes, welches <strong>der</strong> Herr im Himmel<br />
mit seinen Jüngern trinkt, ist die himmlische Wahrheit o<strong>der</strong> Weisheit, denn<br />
daran werden alle Gläubigen mit dem Herrn in <strong>der</strong> Auferstehung<br />
teilnehmen.<br />
Paul: Und ist es das, was verstanden wird unter dem Wein, welchen<br />
unser Herr seinen Jüngern beim letzten Abendmahl gab, und welchen Er<br />
sein Blut, das Blut des Neuen Testamentes nannte?
38 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Vater: Das ist es. Das Blut des Neuen Testaments ist die Wahrheit des<br />
Neuen Testaments o<strong>der</strong> Bundes, und <strong>der</strong> Wein ist das Bild jener Wahrheit.<br />
Mutter: Jesus sprach auch in einer seiner Gleichnisreden von neuem<br />
Wein, <strong>der</strong> in neue Schläuche gefasst werden müsse, damit beide erhalten<br />
bleiben.<br />
Vater: Das ist ein sehr wichtiges und viel in sich fassendes Gleichnis.<br />
Ihr wisset, was <strong>der</strong> Wein ist; was meint ihr aber, was unter den Schläuchen<br />
verstanden wird?<br />
Paul: Wenn <strong>der</strong> Wein Wahrheit bezeichnet, so sind natürlich die<br />
Schläuche ein Bild solcher Dinge, welche die Wahrheit enthalten.<br />
Anna: Ei, Vater, dann scheint mir, ist das Alte Testament <strong>der</strong> alte, und<br />
das Neue Testament <strong>der</strong> neue Wein, denn diese sind es, die geistige<br />
Wahrheit enthalten.<br />
Vater: Die Antwort ist so übel nicht. Die alten Gesetze und<br />
Vorschriften <strong>der</strong> jüdischen Kirche sind die alten Schläuche, in welchen <strong>der</strong><br />
alte Wein enthalten ist; während die neuen Gesetze und Vorschriften des<br />
Christentums die neuen Schläuche sind, voll von dem neuen Wein des<br />
Reiches Gottes.<br />
Paul: Danke dir, Vater; das scheint wirklich sehr befriedigend. Wie ich<br />
mich zu erinnern glaube, sagte Jesus auch: „Niemand, <strong>der</strong> alten Wein<br />
getrunken hat, wünschet bald den neuen; denn er sagt, <strong>der</strong> alte ist besser.“<br />
Vater: Die Juden sagen bis auf den heutigen Tag noch so. Sie bleiben<br />
bei ihren alten Ansichten und Lehren, und ziehen sie denen <strong>der</strong> Evangelien<br />
vor. Und indem sie das tun, bewahrheiten sie die Worte des Herrn, denn<br />
sie sagen, „<strong>der</strong> alte Wein ist besser als <strong>der</strong> neue“.<br />
Paul: Je<strong>der</strong>, meiner Meinung nach, <strong>der</strong> an alten Ansichten und<br />
Meinungen hängt, und sie, wie irrig sie auch sein mögen, neuen<br />
Meinungen und Ansichten vorzieht, sagt in dem Sinne, wie es unser Herr<br />
meinte, „<strong>der</strong> alte ist besser“.<br />
Vater: Ganz genauso. Glaubt ihr jetzt, Kin<strong>der</strong>, dass ihr einen richtigen<br />
Begriff über den bildlichen Charakter des Weinstocks, seiner Trauben und<br />
seines Weines erhalten habt?<br />
Anna: Ich glaube, wir haben, Vater. Während <strong>der</strong> Ölbaum, seine<br />
Frucht und sein Öl sich auf die Liebe beziehen, beziehen sich <strong>der</strong><br />
Weinstock, seine Trauben und sein Wein auf die Wahrheit.<br />
Vater: Jetzt will ich es euch überlassen, über diese Dinge nachzudenken,<br />
und euch zu bemühen, sie aus <strong>der</strong> Bibel zu bestätigen. Nächste Woche<br />
wollen wir dann den bildlichen Charakter des Feigenbaumes, seiner<br />
Früchte und Blätter, näher betrachten.
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Zorn Gottes<br />
39<br />
Der Zorn Gottes<br />
„Liebe und Zorn ist das Allerentgegengesetzteste, was sich nur je ein<br />
allertiefst denken<strong>der</strong> lebendigster Geist denken kann!<br />
Liebe ist das alles ewig erhaltende –, und <strong>der</strong> Zorn aber das alles ewig<br />
zerstörende Prinzip.<br />
Wäre somit aber in Mir je irgendein barster Zorn möglich, so würde<br />
dieser ja alsbald alle Liebe vernichten und mit ihr alles, was da von ihr<br />
erschaffen wurde, – ja endlich sogar sich selbst!<br />
Siehe, nun aber ist alles noch da; wo wäre demnach Mein Zorn?!<br />
Es kann wohl ein Mensch zornig werden, weil er ist zufolge seiner<br />
Freiheitsprobe ein von Mir entferntes Wesen, und somit ein zeitweiliger<br />
Gegensatz zu Mir, darum er sich dann eben auch nur wie<strong>der</strong> durch die<br />
Liebe zu Mir mit Mir vereinen kann, – aber Ich als die allerreinste Liebe<br />
bin durchaus des Zornes unfähig!<br />
Ja einst war die Liebe in Mir wohl auch mit dem Zorne umfangen; da<br />
aber war die Unendlichkeit auch noch leer von allen Geschöpfen, sowohl<br />
geistig als materiell!<br />
Aber die Liebe ergriff den sie drückenden Zorn und stellte ihn<br />
körperlich wesenhaft außer Sich.<br />
Und siehe, aus diesem Zorne sind dann geschaffen worden alle die<br />
zahllosen Geister, Sonnen und Welten, diese Erde und alles, was auf ihr<br />
ist!<br />
Willst du demnach in <strong>der</strong> Wahrheit den Zorn Gottes sehen, da schaue<br />
die geschaffenen Dinge an; diese sind <strong>der</strong> Zorn Gottes!<br />
Aber sie sind nicht etwa ein ledig Zorn, son<strong>der</strong>n Meine Liebe ist<br />
allenthalben das mächtigste Wesen dabei.<br />
Diese hält und trägt nun alles, und außer ihr gibt es keine Macht mehr,<br />
die da stärker wäre denn sie.<br />
Darum soll auch <strong>der</strong> Mensch nicht an <strong>der</strong> Welt hängen, son<strong>der</strong>n sich<br />
von ihr ganz losreißen, damit er am Ende nicht von ihr verschlungen wird<br />
und somit nicht gerät in Meinen Zorn! Denn die Welt ist ja Mein<br />
gefesselter Zorn; wer aber mit <strong>der</strong> Welt ist, <strong>der</strong> wird auch mit ihrer ewigen<br />
Todesfessel sein!<br />
Was du aber bei Mir etwa als ,Zorn‘ ansehen möchtest, siehe, das ist<br />
nur Mein göttlicher, allerlebendigster Liebeeifer, welcher an und für<br />
sich ist Meine Erbarmung!“<br />
(HGt. Bd.2; 231,23-35)
40 Über das Gebet<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Über das Gebet<br />
Mikail Naimy<br />
Ihr betet vergeblich, wenn ihr euch an irgendwelche<br />
an<strong>der</strong>en Götter wendet anstatt an euer eigenes (göttliches)<br />
Selbst. Denn in euch ist die Kraft des Anziehens, wie in<br />
euch die Kraft des Abstoßens ist. Und in euch sind die<br />
Dinge, die ihr anziehen wollt, wie auch die Dinge in euch<br />
sind, die ihr abstoßen wollt. Denn imstande sein, etwas zu<br />
empfangen, bedeutet auch, imstande sein, es zu verlieren.<br />
Wo Hunger ist, da ist auch Nahrung. Wo Nahrung ist,<br />
Mikhail Naimy<br />
Libanesischer<br />
Schriftsteller<br />
da muss auch Hunger sein. Wer vom Hungergefühl geplagt wird, kann sich<br />
auch über den Segen <strong>der</strong> Sättigung freuen. Ja, <strong>der</strong> Bedarf schließt die<br />
Versorgung des Bedarfes ein.<br />
Ist nicht <strong>der</strong> Schlüssel eine Rechtfertigung für das Schloss? Ist nicht das<br />
Schloss eine Rechtfertigung für den Schlüssel? Sind nicht beide, Schloss<br />
und Schlüssel eine Rechtfertigung für die Tür?<br />
Fallt nicht jedes Mal dem Schmied lästig, wenn ihr einen Schlüssel<br />
verloren o<strong>der</strong> verlegt habt. Der Schmied hat seine Arbeit getan, und er hat<br />
sie gut getan, und man muss nicht immer wie<strong>der</strong> dieselbe Arbeit von ihm<br />
verlangen. Tut ihr eure Arbeit und lasst den Schmied in Ruhe, denn wenn<br />
er einmal mit eurer Arbeit fertig ist, muss er an<strong>der</strong>en Geschäften<br />
nachgehen. Entfernt den Gestank und Abfall aus eurem Gedächtnis, und<br />
ihr werdet sicherlich den Schlüssel finden.<br />
Als Gott, <strong>der</strong> Unaussprechliche, euch aussprach, sprach Er sich<br />
selbst in euch aus. So seid auch ihr unaussprechlich.<br />
Gott hat euch nicht mit einem Teil seiner selbst versehen - denn Er ist<br />
unteilbar, son<strong>der</strong>n, Er hat euch alle mit seiner ganzen, unteilbaren,<br />
unaussprechlichen Göttlichkeit ausgestattet. Könnt ihr ein größeres Erbe<br />
verlangen? Und wer o<strong>der</strong> was kann euch daran hin<strong>der</strong>n, es in Besitz zu<br />
nehmen, als eure eigene Ängstlichkeit und Blindheit?<br />
Anstatt dankbar für ihr Erbe zu sein und sich zu bemühen, es in Besitz<br />
zu nehmen, möchten einige Menschen - die blinden Undankbaren - aus<br />
Gott eine Art Abfallgrube machen, um ihre Zahnschmerzen und ihre<br />
Leibschmerzen, ihre Handelsverluste, ihre Streitigkeiten, ihre<br />
Rachegedanken und ihre schlaflosen Nächte hineinzuwerfen.<br />
An<strong>der</strong>e möchten Gott als ihre private Schatzkammer nutzen, wo sie<br />
immer, wenn sie es wünschen, alles zu finden hoffen, was sie sich an<br />
flittergoldenem Geschmeide dieser Welt erbeten haben.<br />
Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e möchten aus Gott eine Art persönlichen Buchhalter
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Über das Gebet<br />
41<br />
machen. Er muss nicht nur darüber Buch führen, was sie schulden und was<br />
die an<strong>der</strong>en ihnen schulden, son<strong>der</strong>n muss ebenso ihre Schulden<br />
einkassieren und immer einen reichlichen und anständigen Saldo zu ihren<br />
Gunsten ausweisen.<br />
Ja, mannigfaltig und verschiedenartig sind die Aufgaben, welche die<br />
Menschen Gott abtreten. Aber wenige Menschen scheinen zu bedenken,<br />
dass, wenn Gott tatsächlich mit so vielen Aufgaben belastet wäre, Er sie<br />
alle allein ausführen würde und niemanden benötigte, um Ihn anzustacheln<br />
o<strong>der</strong> an seine Aufgaben zu erinnern.<br />
Erinnert ihr Gott an die Stunden, da die Sonne aufgehen und <strong>der</strong> Mond<br />
untergehen muss? Erinnert ihr Ihn an das Getreidekorn, das in jenem Feld<br />
zu keimen beginnt? Erinnert ihr Ihn an die Spinne, die ihren meisterhaften<br />
Unterschlupf spinnt? Erinnert ihr Ihn an die jungen Vögel in jenem<br />
Sperlingsnest? Erinnert ihr Ihn an die unzählbaren Dinge, die dieses<br />
grenzenlose Universum füllen?<br />
Warum prägt ihr euer winziges Selbst mit all seinen nichtigen Nöten<br />
Seinem Gedächtnis ein? Seid ihr in Seinen Augen weniger begünstigt als<br />
Sperlinge, Korn und Spinnen? Warum nehmt ihr nicht wie sie eure Gaben<br />
in Empfang und geht eurer Arbeit nach ohne Lärm, ohne Kniebeugen,<br />
ohne die Arme auszustrecken und ohne ängstlich nach dem morgigen Tag<br />
auszublicken?<br />
Und wo ist Gott, dass ihr eure Grillen und Eitelkeiten, eure<br />
Lobpreisungen und Klagen in Sein Ohr schreien müsstet? Ist Er nicht in<br />
euch und überall um euch? Ist Sein Ohr nicht eurem Mund viel näher als<br />
eure Zunge dem Gaumen?<br />
Für Gott ist es genug, dass ihr den Samen seiner Göttlichkeit besitzt.<br />
Wenn Gott, nachdem Er euch den Samen seiner Göttlichkeit gegeben hat,<br />
ihn pflegen müsste und nicht ihr, welche Verdienste hättet ihr dann? Und<br />
was wäre eure Lebensaufgabe? Und wenn ihr keine Arbeit zu verrichten<br />
hättet, son<strong>der</strong>n Gott sie für euch tun müsste, welchen Sinn hätte dann euer<br />
Leben? Welchen Vorteil hätten all eure Gebete?<br />
Geht nicht mit euren zahllosen Sorgen und Hoffnungen zu Gott. Fleht<br />
Ihn nicht an, dass Er für euch die Türen öffnen soll, für die Er euch mit<br />
Schlüsseln versorgt hat. Durchsucht vielmehr die ungeheure Größe eures<br />
Herzens. Denn in diesem ungeheuer großen Herzen könnt ihr den<br />
Schlüssel für jede Tür finden. Und in <strong>der</strong> ungeheuren Größe eures Herzens<br />
findet ihr alle Dinge, nach denen ihr dürstet und hungert, ganz gleich, ob<br />
sie schlecht o<strong>der</strong> gut sind.<br />
Ein mächtiges Heer ist euch zur Verfügung gestellt, um eure geringste<br />
Bitte zu erfüllen. Wenn es ordentlich ausgerüstet, klug in Zucht gehalten
42 Über das Gebet<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
und furchtlos befehligt wird, kann es Ewigkeiten überspannen und alle<br />
Schranken vor dem Ziel hinwegfegen. Wenn es schlecht ausgerüstet und<br />
zuchtlos ist, furchtsam geführt wird, verursacht es entwe<strong>der</strong> große Unruhe<br />
o<strong>der</strong> weicht vor dem kleinsten Wi<strong>der</strong>stand eilig zurück und erhält eine<br />
schwere Nie<strong>der</strong>lage.<br />
Dieses Heer besteht aus nichts an<strong>der</strong>em als aus den sehr kleinen roten<br />
Blutkörperchen, die nun ruhig durch eure A<strong>der</strong>n fließen. Jedes von ihnen<br />
ist ein Wun<strong>der</strong> an Kraft, jedes einzelne ist ein vollständiger und<br />
gewissenhafter Nachweis über euer ganzes Leben und über alles Leben in<br />
seinen verborgensten Einzelheiten.<br />
Im Herzen versammelt sich dieses Heer, vom Herzen aus entfaltet es<br />
sich. Darum ist das Herz so berühmt und so geehrt. Aus dem Herzen<br />
quellen eure Tränen <strong>der</strong> Freude und des Schmerzes empor. Zum Herzen<br />
eilen eure Ängste vor Leben und Tod.<br />
Eure Begierden und Wünsche bilden die Ausrüstung dieses Heeres.<br />
Euer Verstand ist <strong>der</strong> Zuchtmeister, euer Wille <strong>der</strong> Exerziermeister und<br />
Befehlshaber.<br />
Wenn ihr fähig seid, euer Blut mit einem beherrschenden Wunsch<br />
auszurüsten, <strong>der</strong> alle an<strong>der</strong>en Wünsche zum Schweigen bringt und in den<br />
Schatten stellt, und einem herrschenden Gedanken die Disziplin anvertraut<br />
und einem herrschenden Willen die Ausbildung und Befehlsleitung<br />
übertragt, dann könnt ihr sicher sein, dass dieser Wunsch erfüllt wird.<br />
Wie erlangt ein Heiliger die Heiligkeit, wenn er nicht seinen Blutstrom<br />
von jedem Wunsch und Gedanken, <strong>der</strong> nicht zur Heiligkeit passt, reinigt<br />
und ihn dann mit einem unwandelbaren Willen darauf richtet, kein an<strong>der</strong>es<br />
Ziel als die Heiligkeit zu suchen?<br />
Ich sage euch, dass je<strong>der</strong> heilige Wunsch, je<strong>der</strong> heilige Gedanke und<br />
je<strong>der</strong> heilige Wille von Adam bis auf diesen Tag dem so auf Heiligkeit<br />
gerichteten Menschen zu Hilfe eilen. Denn überall suchen die Wasser das<br />
Meer, so wie die Lichtstrahlen die Sonne suchen.<br />
Wie kann ein Mör<strong>der</strong> seine Absichten ausführen, wenn er nicht sein<br />
Blut zu einer wahnsinnigen Mordlust aufpeitscht und seine Zellen in<br />
dichten Reihen unter dem vom Mord beherrschten Gedanken anführt und<br />
ihnen dann mit einem rücksichtslosen Willen befiehlt, den tödlichen<br />
Schlag zu führen?<br />
Ich sage euch, dass je<strong>der</strong> Mör<strong>der</strong>, von Kain bis auf den heutigen Tag,<br />
unaufgefor<strong>der</strong>t herbeieilen wird, um den Arm des so mordtrunkenen<br />
Menschen zu stärken und zu festigen. Denn überall vereinigen Raben sich<br />
mit Raben und Hyänen mit Hyänen.<br />
Beten bedeutet daher, dem Blut einen herrschenden Wunsch, einen
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Über das Gebet<br />
43<br />
herrschenden Gedanken, einen herrschenden Willen einzuflößen. Das<br />
Selbst muss so abgestimmt werden, dass es in vollkommene Harmonie mit<br />
dem gelangt, um das ihr betet.<br />
Die Atmosphäre dieses Planeten, die sich in allen Einzelheiten in euren<br />
Herzen wi<strong>der</strong>spiegelt, ist angefüllt von umherschweifenden Erinnerungen<br />
an alle Dinge, bei denen sie seit ihrer Entstehung Zeuge war. Kein Wort<br />
o<strong>der</strong> keine Tat, keinen Wunsch o<strong>der</strong> Seufzer, keinen flüchtigen Gedanken<br />
o<strong>der</strong> vorüberziehenden Traum, keinen Atem von Mensch o<strong>der</strong> Tier, keinen<br />
Schatten, keine Illusion gibt es, die nicht bis auf den heutigen Tag ihre<br />
geheimnisvollen Bahnen darin ziehen und bis zum Ende <strong>der</strong> Zeit ziehen<br />
werden. Stimmt euer Herz auf irgendetwas davon ab, und es wird<br />
sicherlich herbeieilen, um die Saiten zu bespielen.<br />
Ihr braucht we<strong>der</strong> Lippe noch Zunge zum Beten. Vielmehr braucht ihr<br />
ein stilles, wachsames Herz, einen herrschenden Wunsch, einen<br />
herrschenden Gedanken und vor allem einen herrschenden Willen, <strong>der</strong><br />
we<strong>der</strong> zweifelt noch zögert. Denn Worte sind fruchtlos, wenn das Herz<br />
nicht in je<strong>der</strong> Silbe anwesend und bewusst ist. Und wenn das Herz<br />
anwesend und bewusst ist, dann geht die Zunge lieber schlafen und<br />
versteckt sich hinter versiegelten Lippen.<br />
Auch habt ihr keine Tempel zum Beten nötig. Wer in seinem Herzen<br />
keinen Tempel finden kann, <strong>der</strong> findet auch niemals sein Herz in<br />
irgendeinem Tempel.<br />
Doch sage ich dieses nur zu euch und zu denen, die euch gleich sind,<br />
jedoch nicht zu jedem Menschen. Denn die meisten Menschen irren bis<br />
jetzt noch umher. Sie haben das Bedürfnis zu beten, aber sie kennen den<br />
Weg nicht. Sie können nur mit Worten beten, und sie können keine Worte<br />
finden, wenn sie ihnen nicht in den Mund gelegt werden. Sie sind hilflos<br />
und von Angst erfüllt, wenn sie die Weite ihrer Herzen durchsuchen<br />
sollen, werden aber innerhalb Tempelmauern und in einer Herde von<br />
Geschöpfen wie sie selbst ruhig und getröstet.<br />
Lasst sie ihre Tempel errichten. Lasst sie ihre Gebete sprechen.<br />
Aber euch und jedem Menschen rate ich, um Einsicht zu bitten. Wer<br />
nach etwas an<strong>der</strong>em als danach hungert, wird niemals gesättigt werden.<br />
Erinnert euch daran, dass <strong>der</strong> Schlüssel zum Leben das schöpferische<br />
Wort ist. Der Schlüssel zum schöpferischen Wort ist die Liebe. Der<br />
Schlüssel zur Liebe ist die Einsicht. Füllt eure Herzen damit auf, und spart<br />
eurer Zunge die Mühe vieler Worte. Erspart eurem Verstand das Gewicht<br />
vieler Gebete, und befreit euer Herz von allen Bindungen an Götter, die<br />
euch mit einem Geschenk zum Sklaven machen wollen, die euch mit einer<br />
Hand liebkosen, nur um euch mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu schlagen, die zufrieden
44 Über das Gebet<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
und freundlich sind, wenn ihr sie lobt, aber zornig und rachedurstig, wenn<br />
ihr sie tadelt, die euch nicht hören, wenn ihr nicht ruft, und euch nichts<br />
geben, wenn ihr nicht bittet, und wenn sie euch gegeben haben, dieses nur<br />
allzu oft bedauern, <strong>der</strong>en Weihrauch eure Träne ist, <strong>der</strong>en Ruhm eure<br />
Schande ist.<br />
Ja, befreit euer Herz von all diesen Göttern, damit ihr darin den einen<br />
Gott finden könnt, <strong>der</strong> euch für immer sättigt, wenn Er euch mit sich selbst<br />
erfüllt hat.<br />
(Quelle: Das Buch des Mirdad)<br />
<br />
Der beste Weg<br />
Mahatma Gandhi wurde von einem christlichen Missionar — Dr. E.<br />
Stanly Jones — befragt, welches wohl <strong>der</strong> beste Weg sei, den nichtchristlichen<br />
Teil <strong>der</strong> Menschheit wirklich und dauernd für das Christentum<br />
zu gewinnen.<br />
Mahatma Gandhi dachte einen Augenblick nach und gab dann mit<br />
ernstem Blick den folgenden Rat:<br />
„Erstens würde ich raten, dass Ihr Christen alle miteinan<strong>der</strong> damit<br />
anfangt, so zu leben, wie Christus lebte; zweitens würde ich den Rat<br />
geben. Eure Religion voll und ganz in die Tat umzusetzen, ohne den<br />
Worten Christi Gewalt anzutun und ohne sie durch Abschwächung o<strong>der</strong><br />
Verän<strong>der</strong>ung zu entstellen; drittens würde ich vorschlagen, dass Ihr den<br />
Nachdruck auf die Liebe legtet; denn die Liebe ist Mittelpunkt und Seele<br />
des ganzen Christentums; viertens würde ich empfehlen, dass Ihr die nichtchristlichen<br />
Religionen und <strong>der</strong>en Kulturen mit mehr Verständnis studiert,<br />
damit Ihr das Gute erkennt, das auch in ihnen ist, und dass Ihr auch<br />
An<strong>der</strong>sdenkenden mit mehr Liebe begegnet.“<br />
<br />
„So du Mich suchest, da musst du Mich aber bei dir und nicht bei<br />
an<strong>der</strong>n suchen! Denn kann Der in <strong>der</strong> Fremde gesucht werden, <strong>der</strong> da<br />
beständig in dir zuhause ist und deiner harret!? – Wie du dein Leben<br />
nicht lebest in einem fremden Leibe, son<strong>der</strong>n in deinem eigenen, so<br />
musst du auch Mir in dir zu leben beginnen und Mich in dir suchen! Da<br />
wirst du Mich sicher finden! Denn für dich lebe Ich nur in dir! Und<br />
wäre es nicht also, wie möchtest du leben, atmen, denken, fühlen,<br />
wahrnehmen, empfinden und dann zu Mir beten!?“<br />
(Himmelsgaben .Bd. 1; S. 408,05)
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Liebe des Ewigen<br />
45<br />
Die Liebe des Ewigen<br />
H. TH. Hamblin<br />
„Mitten im Schweigen wurde in mir das geheime Wort gesprochen.“<br />
Was <strong>der</strong> Mystiker damit meint, ist das Wort des Ewigen, des unendlichen<br />
Geistes <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> in uns wohnt, wie wir in ihm.<br />
Lasst mich von dieser Liebe künden, die nie versagt und uns nie<br />
vergisst, auch wenn wir ihrer noch nicht immer bewusst sind, und davon,<br />
wie wir Gott, den Geist <strong>der</strong> Liebe, mitten in unserem Alltagsleben finden.<br />
Das Leben ist <strong>der</strong> beste Lehrer des Menschen, und es gibt keine<br />
Erfahrung, in <strong>der</strong> er Gott nicht finden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Liebe des Ewigen nicht<br />
bewusst werden könnte. Jede Erfahrung im Leben kann uns, recht<br />
gewertet, zum Segen werden o<strong>der</strong> zu einer Stufe zu höheren Zuständen.<br />
Im normalen Lebensablauf sind Sonnenschein und Schatten ziemlich<br />
gleichmäßig verteilt. Zeiten, in denen es uns gut geht, 'wechseln mit<br />
solchen, in denen die Schwierigkeiten sich zu häufen scheinen. Zeiten, in<br />
denen wir die Nähe des Ewigen spüren, folgen an<strong>der</strong>en, in denen Gott uns<br />
fern scheint. Gewiss ist beides notwendig, und die Zeiten <strong>der</strong> Dürre sind,<br />
recht gesehen, sogar die wertvolleren, denn in ihnen lernen wir die Liebe<br />
des Ewigen vollkommener kennen und kommen Gott am nächsten. In<br />
solchen Zeiten kann uns am deutlichsten bewusst werden, dass die Liebe<br />
Gottes stets mit uns ist und uns nie verlässt.<br />
Nun leben aber sehr viele im Schatten, die durchaus im Sonnenschein<br />
leben könnten. Wir sind alle von Licht und von Schönheit umgeben, die<br />
wir nur nicht beachten. Unsere Lebenserfahrungen sind voller Segnungen,<br />
die wir übersehen und von denen wir eben darum keinen Gewinn haben.<br />
Wenn wir dieser Tatsache bewusst wären und mehr die lichte Seite des<br />
Lebens bejahen würden, würden wir alle weit glücklicher sein, als wir es<br />
heute sind, und frei von vielen Sorgen und Bedrückungen, die uns heute<br />
quälen. Gewöhnen wir uns daran, so zu denken und uns von Herzen des<br />
Lebens zu freuen, dann finden wir täglich mehr Grund zum Freuen.<br />
Noch glücklicher wird <strong>der</strong>, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stille darum bittet, dass nur<br />
Gottes Wille geschehen möge. Durch die bewusste Hingabe an den<br />
Liebeswillen des Ewigen gelangt er endgültig auf jenen Weg zur<br />
Vollendung, den die Heiligen und Mystiker aller Zeiten gegangen sind.<br />
Von da an erweisen sich ihm alle Lebenserfahrungen als geistige<br />
Erfahrungen und Unterweisungen, von denen ihn jede auf seinem Wege<br />
zur Höhe för<strong>der</strong>t, weil sie sein Wesen verwandelt, durchlichtet - bis es zum<br />
reinen Spiegel des Wesens Christi geworden ist.<br />
Es genügt also nicht, die Macht <strong>der</strong> Gedanken nur zur Wandlung des
46 Die Liebe des Ewigen<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
äußeren Menschen und des äußeren Lebens zu betätigen; es gilt darüber<br />
hinaus, auch den inneren Menschen und das innere Leben von Grund auf<br />
zu erneuern. Und dazu ist es nötig, dass wir uns ganz dem Willen des<br />
Ewigen hingeben, uns von seiner Liebe getragen fühlen und uns von<br />
seinem Geiste leiten lassen.<br />
Jemand kann ein Meisterpsychologe sein und durch rechtes Denken,<br />
Verhalten und Tun außergewöhnliche Erfolge erzielen. Sie bedeuten<br />
nichts, weil er trotzdem erdgebunden und unfrei bleibt, solange er sich<br />
nicht <strong>der</strong> Liebe des Ewigen überlässt - jener Macht, die größer ist als alle<br />
menschliche Macht - und solange er sich nicht vom Geiste leiten lässt und<br />
sein Denken und Wollen nicht in Harmonie bringt mit dem Wesen und<br />
Wollen des Christus in ihm.<br />
„Die einzige Rettung“ - sagt Wilhelm Law, „ist ein Leben aus <strong>der</strong> Kraft<br />
Gottes in uns.“ Denn vom Ich aus vermögen wir uns nicht zu den<br />
göttlichen Höhen des Lebens zu erheben; mit <strong>der</strong> Hilfe Gottes in unserer<br />
Seele aber werden wir wie mit Adlerfittichen emporsteigen.<br />
Hierzu genügt es aber nicht, dass wir uns einwärtswenden, uns in stillen<br />
Stunden dem Ewigen hingeben und seinen Willen in uns wirken lassen,<br />
son<strong>der</strong>n wir müssen den Ewigen und seine unendliche Liebe auch in den<br />
Geschehnissen und Erfahrungen unseres täglichen Lebens erkennen und<br />
bejahen. Nur auf diese Weise werden wir zu <strong>der</strong> Erkenntnis finden, dass<br />
das Reich Gottes ‚mitten unter uns’ ist und wie unser Leben von innen her<br />
durchsonnt und verklärt wird.<br />
Wenn wir unsere täglichen Lebenserfahrungen bis ins Letzte und<br />
Kleinste als gott-gewollt und darum als gut ansehen, dann werden sie für<br />
uns zu Gelegenheiten, Gott in allen Erfahrungen und seine Liebe in jedem<br />
Geschehen zu erkennen.<br />
Wir erleben dann in immer höherem Maße, wie sehr unser Dasein unter<br />
dem Gesetz <strong>der</strong> göttlichen Ordnung und Liebe steht und wie sehr uns<br />
immer wie<strong>der</strong> geholfen wird - und zwar umso mehr, je rückhaltloser wir<br />
uns als Kin<strong>der</strong> des Ewigen bejahen und <strong>der</strong> Liebe des Ewigen vertrauen.<br />
Wenn einer schlechte Erfahrungen im Leben macht, so liegt das zur<br />
Hauptsache daran, dass er noch nicht tief genug von <strong>der</strong> Wahrheit<br />
durchdrungen ist, dass ihm in Wirklichkeit, nichts geschehen kann'.<br />
Schlechte Erfahrungen zeigen, dass sein Vertrauen auf die Liebe und Hilfe<br />
des Ewigen noch lange nicht fest genug in seiner Seele wurzelt. Denn je<br />
restloser unser Vertrauen, desto heilvoller und glücklicher wird unser<br />
Leben.<br />
Ist unser „Vertrauen zur Liebe Gottes vollkommen, dann offenbaren<br />
sich auch alle, wohlgemerkt: alle Erfahrungen des Lebens, die dunklen wie
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Gott wirkt durch uns<br />
47<br />
die lichten, als heilvolle Lehren, die unserer Erziehung und<br />
Vervollkommnung dienen und uns dem Ewigen näherbringen.<br />
Wir sehnen uns im Grunde unseres Herzen alle danach, Gott zu finden.<br />
Am sichersten begegnen wir ihm in den Erfahrungen des täglichen Lebens,<br />
und zwar kann das so weit gehen, dass wir uns <strong>der</strong> Gegenwart Gottes bei<br />
unserer täglichen Arbeit lebendiger bewusst werden als in den Übungen<br />
<strong>der</strong> Stille und Meditation.<br />
Es gilt, in jedem Ding, in jedem Erlebnis, in jedem Zustand die Nähe<br />
Gottes zu spüren, bis schließlich nur noch Gott und sonst nichts für uns<br />
wirklich ist. Wenn wir so handeln, erleben wir Gott immer deutlicher als<br />
den Geist <strong>der</strong> Liebe - einer Liebe, die ewig nur unser Bestes will - und<br />
gehen den uns bestimmten Weg des Lichts.<br />
(Quelle: H.TH. Hamblin - Psycho-Dynamik, Drei Eichen Verlag)<br />
Gott wirkt durch uns<br />
Agnes Sanford (1897-1982)<br />
Wenn beim Einschalten das elektrische Bügeleisen nicht warm wird,<br />
untersuchen wir den Stecker, <strong>der</strong> es mit dem Stromnetz verbindet o<strong>der</strong> die<br />
ganze Einrichtung. Wir bleiben nicht voller Bestürzung vor dem<br />
Bügeleisen stehen und rufen: „O bitte, Elektrizität, komm in das<br />
Bügeleisen und mache es wie<strong>der</strong> gebrauchsfähig!“ Es ist uns klar: obwohl<br />
die ganze Welt erfüllt ist von dieser geheimnisvollen Kraft, die wir<br />
Elektrizität nennen, so macht doch nur die Menge, die durch die Leitung<br />
des Bügeleisens strömt, sie für uns wirksam.<br />
Derselbe Grundsatz gilt auch für die schöpferische Kraft Gottes. Sie<br />
erfüllt das ganze Weltall, aber nur so viel, wie davon durch unser eigenes<br />
Sein strömt, wird in uns wirken können.<br />
Wir haben vielleicht schon oft versucht, diese Schöpferkraft in uns<br />
wirksam werden zu lassen, indem wir baten: „O Gott, tue dies o<strong>der</strong> jenes.“<br />
Wenn er dann dies o<strong>der</strong> jenes nicht tat, schlossen wir daraus, dass Beten<br />
nutzlos sei; denn Gott - wenn es ein solches Wesen überhaupt gibt - werde,<br />
unbekümmert um unsere Wünsche, nach seinem eigenen Willen verfahren.<br />
Wir zweifeln mit an<strong>der</strong>n Worten an <strong>der</strong> Geneigtheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fähigkeit<br />
Gottes, in unserem Leben und unserem Körper das zustande zu bringen,<br />
was wir so sehr wünschen. Wir bezweifeln keineswegs unsere eigene<br />
Fähigkeit, in seiner Gegenwart stehen o<strong>der</strong> uns von ihm erfüllen lassen zu<br />
können, wohl aber seinen Willen, in uns zu kommen und uns mit sich<br />
selber zu erfüllen.
48 Gott wirkt durch uns<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Mein kleines Kind lag sechs Wochen krank an einer eitrigen<br />
Ohrenentzündung. Verzweifelt betete ich zu Gott um seine Genesung.<br />
Mein Herz war ganz erfüllt mit furchtsamen und bitteren Gedanken, und<br />
solche sind nicht von Gott. Gott ist Liebe, und vollkommene Liebe treibt<br />
die Furcht aus. Gott konnte nichts durch mich wirken zur Heilung meines<br />
Kindes; denn die Leitung, die mich mit ihm verband, war unterbrochen.<br />
In seiner großen Güte tat er dennoch für mich, was er konnte. Er sandte<br />
mir einen seiner Diener. Das war ein Pfarrer, ein junger Mann mit frischen<br />
Wangen und klaren Augen, mit einem natürlichen und gesunden Interesse<br />
an Menschen und Leben.<br />
„Ich will hinaufgehen und mit Ihrem Bübchen beten“, sagte er. „Ich<br />
glaube nicht, dass dies irgendwie helfen wird“, antwortete ich müde, „er ist<br />
erst an<strong>der</strong>thalb Jahre alt. Er würde es noch nicht verstehen.“<br />
Bei mir selber aber dachte ich: wenn Gott meine Bitten nicht<br />
beantwortet, warum sollte er das Gebet dieses Mannes erhören? „O, das tut<br />
nichts zur Sache“, rief er, ohne meinen schwachen Einspruch zu beachten,<br />
und ging die Treppe hinauf.<br />
Ein Licht strahlte in seinen Augen. Ich schaute ihn an und sah seine<br />
Freude und glaubte. Denn Freude ist die göttliche Bestätigung eines<br />
Lebens mit innerer Vollmacht. Kein trübseliger Pfarrer mit to<strong>der</strong>nstem<br />
Gesicht hätte mein Kind heilen können. Ohne meinen Glauben wäre das<br />
Kind nicht gesund geworden, und die Freude auf dem Gesicht des<br />
Geistlichen hatte meinen Glauben hervorgelockt. Während ich ihn<br />
anschaute, erkannte ich, dass er mit dem Einen zusammen gewesen war,<br />
<strong>der</strong> kam, uns seine Freude zu bringen, und darum wusste ich, dass das<br />
Kind genesen werde.<br />
Der Pfarrer legte seine Hände auf die Ohren des Kindes und sagte:<br />
„Himmlischer Vater, wir bitten Dich, sende Du Dein Leben in diese Ohren<br />
und heile sie. Wir danken Dir, denn wir wissen, dass Du uns schon erhört<br />
hast. Amen.“<br />
Augenblicklich erlosch die Fieberglut auf dem Gesicht des Kleinen. Er<br />
wurde ganz bleich, schloss die Augen und schlief ein. Als er erwachte, war<br />
er gesund. Und nie wie<strong>der</strong> bekam er Ohrenentzündung.<br />
Dieses Erlebnis zündete in mir das Licht an in einer Welt, die so dunkel<br />
geworden war in all ihrer Nichtigkeit. Es zeigte mir, dass Gott eine<br />
machtvolle, handelnde Wirklichkeit ist. Sicherlich verstand ich noch sehr<br />
wenig von ihm. Ich dachte nur, dass <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> mich besucht hatte, die<br />
Gabe des Heilens besaß. Heute weiß ich, dass er keine an<strong>der</strong>e Gabe zu<br />
eigen hatte als die, die uns allen offen steht: das unendliche Geschenk des<br />
Lebens aus Gott selbst. Gottes Lebenswasser konnte durch ihn
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Gott wirkt durch uns<br />
49<br />
hindurchströmen, denn die Verbindung zwischen seinem Geist und Gottes<br />
Geist war unversehrt. Er war durch Jesus im Einklang mit Gott. Das Leben<br />
aus Gott flutete durch ihn, und er konnte es daher für die Genesung eines<br />
Kindes in Anspruch nehmen. Weil er dessen gewiss war, hatte er den Mut,<br />
mit Vollmacht zu sprechen.<br />
„Wir danken Dir, denn wir wissen, dass Du uns schon erhört hast“, so<br />
hatte er gesagt, und das Wort „Amen (so sei es)“ hinzugefügt. Das ist ein<br />
Befehlswort aus Zuversicht. Zwar enden alle Gebete mit „Amen“, aber für<br />
gewöhnlich ist das Wort bedeutungslos. Die Leute, die es aussprechen,<br />
denken nicht im Mindesten daran, einen so zuversichtlichen Befehl<br />
auszusprechen, dass sie zu sagen wagten: „Morgen, wenn das Kind<br />
erwacht, wird es gesund sein.“ Das ist ein Grund dafür, dass so viele<br />
Gebete unerhört zu bleiben scheinen (Jak. 1, 6-7).<br />
Gott wohnt zugleich in uns und außer uns. Er ist die Quelle alles<br />
Lebens, <strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Welten hinter den Welten, <strong>der</strong> Erschaffer von<br />
unvorstellbaren Tiefen und Räumen zwischen den Sternen, <strong>der</strong> Lichtjahre<br />
ohne Ende. Aber er ist durch Jesus auch das innewohnende Licht unseres<br />
eigenen kleinen Selbst. Und ebenso wenig wie eine ganze Welt voll<br />
Elektrizität ein Haus erleuchten kann, wenn es nicht selber dazu<br />
ausgerüstet ist, Elektrizität aufzunehmen, ebenso wenig kann das<br />
unendliche und ewige Leben Gottes uns helfen, bevor wir bereit sind,<br />
dieses Leben in uns selbst aufzunehmen. Nur soviel von Gott, wie wir in<br />
uns selbst haben, wird für uns wirksam sein.<br />
„Das Reich Gottes ist inwendig in euch“, sagte Jesus von denen, die an<br />
Ihn glaubten. Das innewohnende Licht, die verborgene Stelle <strong>der</strong><br />
Gegenwart des Allerhöchsten, ist das Königreich <strong>der</strong> Himmel in seiner<br />
gegenwärtigen Offenbarung auf dieser Erde. Im Königreich <strong>der</strong> Himmel<br />
leben zu lernen, heißt lernen, sich dem inwendigen Licht aus Gott<br />
zuzuwenden.<br />
Wir müssen lernen, dass Gott kein unvernünftiger, unberechenbarer<br />
Diktator ist, <strong>der</strong> seine eigenen Gesetze nach Gutdünken bricht. Sobald wir<br />
lernen, dass Gott durch uns (und nicht nur für uns) wirkt, wird die ganze<br />
Sache so natürlich wie das Atmen, so unvermeidlich wie ein Sonnenaufgang.<br />
„Aber Gott ist allmächtig“, sagen einige, „er kann alles tun, was er<br />
will.“ Sicherlich, doch hat er eine Welt geschaffen, die durch Gesetze<br />
erhalten wird, und er will diese Gesetze nicht brechen.<br />
Kaum jemand würde bei uns im Norden Gott bitten, eine Rose im<br />
Januar draußen blühen zu lassen. Und doch kann die Rose im Januar<br />
blühen, wenn wir unsere Treibhäuser Gottes Licht- und Wärmegesetzen
50 Gott wirkt durch uns<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
anpassen, und ihr so das Notwendige verschaffen. Und Gott kann unserem<br />
Gebet eine vollerblühte Antwort geben, wenn wir unser irdisches<br />
Heiligtum seinen Gesetzen <strong>der</strong> Liebe und des Glaubens anpassen und so<br />
die Erhörung unserer Gebete möglich wird.<br />
Eines Tages wird die Welt dazu kommen, diese Tatsache ebenso zu<br />
verstehen, wie sie heute das Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schallwellen versteht. Denn was<br />
einer Generation als ein Wun<strong>der</strong> erscheint, ist <strong>der</strong> nächsten etwas ganz<br />
Natürliches und Alltägliches.<br />
Eines Tages werden wir die Gesetze erkennen, die den<br />
wun<strong>der</strong>wirkenden Kräften Gottes zugrunde liegen, und wir werden Gottes<br />
Handeln darin so einfach und natürlich annehmen, wie wir das Radio heute<br />
verstehen und benutzen.<br />
Prof. Alexis Carrell, Arzt und Wissenschaftler, bezeugt, gesehen zu<br />
haben, wie ein Hautkrebs auf den Befehl eines glaubenden Menschen<br />
verschwand. Das war kein Brechen <strong>der</strong> Naturgesetze. Es war die<br />
Überordnung eines höheren Lebensgesetzes über ein niedrigeres. Darum<br />
war es die Erfüllung des Naturgesetzes. Sobald wir von einem Wun<strong>der</strong><br />
erkennen, dass es keine Verletzung göttlicher Gesetze bedeutet, son<strong>der</strong>n<br />
das Handeln Gottes mit seinen Gesetzen, dann ist die Welt voller Wun<strong>der</strong>.<br />
Ich habe selbst mit angesehen, wie eine Lungenentzündung innerhalb<br />
einer Viertelstunde erlosch, während <strong>der</strong> die Temperatur des Patienten von<br />
höchster Fieberhöhe auf die normale heruntersank, und <strong>der</strong> Schweiß aus<br />
seinem Körper brach, so dass die Leintücher ganz durchtränkt wurden.<br />
Dies war fast ebenso wun<strong>der</strong>bar wie die ewig wechselnden Muster, die <strong>der</strong><br />
Frost an die Fensterscheibe zaubert. Es war für mich beinahe ein ebenso<br />
großes Wun<strong>der</strong> wie das Wun<strong>der</strong> von Tag und Nacht, Sonnenaufgang und<br />
Sonnenuntergang, hervorgebracht durch die immer neuen Drehungen <strong>der</strong><br />
Erde, <strong>der</strong> Sonne und des Mondes in einem Kräftespiel, das von<br />
kosmischen Gesetzen beherrscht und geregelt wird und außerhalb des<br />
Gesichtskreises <strong>der</strong> Astronomen liegt. Gott schafft nichts ohne seine<br />
Gesetze. Aber er hat genügend Kraft in seine Ordnungen gelegt, dass alles<br />
getan werden kann, was seinem Willen gemäß ist. Unbegrenzte Wun<strong>der</strong><br />
sind darin eingeschlossen. An uns liegt es, seinen Willen zu erlernen und<br />
die Einfachheit und Schönheit <strong>der</strong> Gesetze zu erforschen, die seine Macht<br />
freigeben.<br />
(Heilendes Licht, Edel Verlag)<br />
„Gott ist allzeit bereit, wir aber sind sehr unbereit; Gott ist uns ‚nahe‘,<br />
wir aber sind ihm fern; Gott ist drinnen, wir aber sind draußen;<br />
Gott ist (in uns) daheim, wir aber sind in <strong>der</strong> Fremde.“<br />
(Meister Eckhart: Predigt 36).
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Meisterprüfung<br />
51<br />
Die Meisterprüfung<br />
Ein Meister hatte einen Schüler, <strong>der</strong> selbst längst zum Meister geworden<br />
war. Er hatte Erleuchtung erfahren und war im Höchsten Bewusstsein, aber<br />
er konnte dieses Bewusstsein noch nicht ständig halten. Er fragte seinen<br />
Meister: "Wie kann ich diesen letzten Schritt tun?"<br />
Und <strong>der</strong> Meister antwortete ihm: „Ich kenne einen König in einem<br />
entfernten Land, <strong>der</strong> ist ständig im höchsten Bewusstsein. Frage ihn, ob er<br />
dir sein Geheimnis verrät.“ Und so machte sich <strong>der</strong> Schüler auf den langen<br />
Weg. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Er trat vor den König, grüßte ihn<br />
von seinem Meister und fragte ihn, ob er ihm das Geheimnis verraten<br />
wolle, wie man ständig im Höchsten Bewusstsein bleibt.<br />
Der König sagte: „Ich will dir mein Geheimnis gern verraten, aber zuvor<br />
musst du eine Prüfung ablegen, damit ich sicher bin, dass du würdig bist.<br />
Doch die Prüfung ist gefährlich und kann dich dein Leben kosten.“ Der<br />
Schüler erwi<strong>der</strong>te: „Ich habe alles im Leben erreicht, aber es bedeutet mir<br />
nichts, ohne diesen letzten Schritt, und wenn es mein Leben kostet, ich bin<br />
bereit.“<br />
Der König erklärte ihm, worin die Prüfung bestehe. „Du gehst vor den<br />
Palast und bekommst eine Schüssel randvoll mit Wasser. Die musst du<br />
einmal um den Palast tragen. Aber hinter dir geht mein Scharfrichter mit<br />
gezogenem Schwert. Wenn du nur einen einzigen Tropfen verschüttest,<br />
schlägt er dir den Kopf ab.“<br />
Der Schüler war einverstanden, ging vor den Palast, bekam eine<br />
Schüssel randvoll mit Wasser und trug sie in höchster Konzentration um<br />
den Palast - Schritt für Schritt. Und hinter ihm hörte er den Scharfrichter<br />
des Königs und wusste, wenn er nur einen einzigen Tropfen verschütten<br />
würde, war sein Leben beendet. Und in höchster Konzentration schaffte er<br />
es, die Schüssel mit Wasser einmal um den ganzen Palast zu tragen, ohne<br />
einen Tropfen zu verschütten.<br />
Erleichtert ging er zum König und sagte: „Du siehst, ich lebe noch, ich<br />
habe die Prüfung also bestanden. Bist du nun bereit, mir dein Geheimnis zu<br />
verraten?“ Und <strong>der</strong> König sagte: „Ich bin bereit, aber du kennst es ja<br />
bereits, ich mache es genau so wie du eben, nur ständig!“<br />
„Dienet einan<strong>der</strong> ein je<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Gabe, die er empfangen hat, als die<br />
guten Haushalter <strong>der</strong> mancherlei Gnade Gottes!“<br />
(1.Petrus 4,10)
52 Weisheitsgeschichten<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Ein bewun<strong>der</strong>ungswerter Bauplan<br />
Ein Millionär, <strong>der</strong> meinte, dass für sein Geld alles möglich sei,<br />
beauftragte einen Architekten mit folgen<strong>der</strong> Aufgabe:<br />
„Sie sollen für mich einen Turm bauen, <strong>der</strong> einen Durchmesser von 4 m<br />
hat. Darin müssen Treppen und Gänge, Wasserleitung und<br />
Materialaufzüge eingebaut werden. Die Wände dürfen nur einen halben<br />
Meter dick sein. Die Höhe des Turmes aber muss 1500 m betragen. Er<br />
muss sich nach allen Seiten biegen können, und in seiner Spitze soll eine<br />
chemische Fabrik eingebaut werden.<br />
Wie weise <strong>der</strong> Mensch auch ist, so würde er doch nicht imstande sein,<br />
so etwas zu bauen.<br />
Aber es gibt einen „Turm“, dessen Höhe tatsächlich 400 mal größer ist<br />
als sein Durchmesser. Dieser „Turm“ ist <strong>der</strong> Roggenhalm.<br />
Seine Wand ist nur einen halben Millimeter dick, während sein<br />
Durchmesser vier Millimeter beträgt, und seine Höhe 1,5 Meter.<br />
In den Rippen des Halms finden sich Treppen und Gänge.<br />
Aufzüge für Nährmittel und Leitungen für das Wasser sind vorhanden.<br />
An <strong>der</strong> Spitze des Halms, in <strong>der</strong> Ähre, befindet sich eine chemische Fabrik,<br />
in <strong>der</strong> das Mehl für das Brot des Menschen in Form von Körnern<br />
hergestellt und gespeichert wird.<br />
So werden Milliarden von Ähren zum Zeugnis von <strong>der</strong> Größe und Güte<br />
Gottes.<br />
Die kleine Schraube<br />
Es gab einmal in einem riesigen Schiff eine ganz kleine Schraube, die<br />
mit vielen an<strong>der</strong>en ebenso kleinen Schrauben zwei große Stahlplatten<br />
miteinan<strong>der</strong> verband. Diese kleine Schraube fing an, bei <strong>der</strong> Fahrt mitten<br />
im Indischen Ozean, etwas lockerer zu werden und drohte herauszufallen.<br />
Da sagten die nächsten Schrauben: „Wenn du herausfällst, dann gehen<br />
wir auch.“ Und die Nägel unten am Schiffskörper sagten: „Uns wird es<br />
auch zu eng, wir lockern uns auch ein wenig.“<br />
Als die großen stählernen Rippen das hörten, riefen sie: „Bitte, bitte<br />
bleibt doch, denn wenn ihr nicht mehr haltet, dann ist es um uns<br />
geschehen!“<br />
Und das Gerücht von <strong>der</strong> kleinen Schraube verbreitete sich blitzschnell<br />
durch den ganzen riesigen Körper des Schiffes. Er ächzte und erbebte in<br />
allen Fugen.<br />
Da beschlossen die sämtlichen Rippen und Platten und Schrauben und
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Weisheitsgeschichten<br />
53<br />
auch die kleinsten Nägel eine Botschaft an die kleine Schraube zu senden,<br />
sie möchte doch bitte bleiben; denn sonst würde das ganze Schiff bersten<br />
und keiner von ihnen die Heimat erreichen.<br />
Das schmeichelte <strong>der</strong> kleinen Schraube, dass ihr solch große<br />
Bedeutung beigemessen wurde, und sie ließ allen sagen, sie wolle sitzen<br />
bleiben.<br />
Anleitung zum Unglücklichsein<br />
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, aber keinen<br />
Hammer.<br />
Der Nachbar hat einen. Also beschließt er, hinüberzugehen und ihn<br />
auszuborgen.<br />
Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn <strong>der</strong> Nachbar mir den<br />
Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig.<br />
Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt,<br />
und er hat etwas gegen mich. Aber was nur?<br />
Ich habe ihm doch nichts angetan; <strong>der</strong> bildet sich da etwas ein.<br />
Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm<br />
sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so<br />
einfachen Gefallen ausschlagen?<br />
Leute wie <strong>der</strong> Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich<br />
noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat.<br />
Jetzt reicht’s mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, <strong>der</strong><br />
Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Morgen“ sagen kann, schreit<br />
ihn unser Mann an: „Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel!“<br />
(Paul Watzlawick)<br />
Wer bin ich?<br />
Der Liebhaber klopfte an die Tür seiner Geliebten. »Wer ist da?«, fragte<br />
die Geliebte drinnen.<br />
„Ich bin's“, sagte <strong>der</strong> Liebhaber.<br />
„Geh weg! Dieses Haus will dir und mir keine Bleibe geben.“<br />
Der abgewiesene Liebhaber ging davon und zog in die Wüste. Dort<br />
meditierte er und sann vier Monate lang über die Worte <strong>der</strong> Geliebten<br />
nach. Schließlich kehrte er zurück und klopfte wie<strong>der</strong> an ihre Tür.<br />
„Wer ist da?“<br />
„Du bist es.“<br />
Und sogleich wurde die Tür geöffnet.
54 Göttlicher Gesundheitsrat<br />
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />
Göttlicher Gesundheitsrat<br />
„Du könntest schon lange <strong>der</strong> vollen Gesundheit dich erfreuen,<br />
wenn du ein volles Vertrauen auf Mich hättest. Allein wie da dein<br />
Vertrauen ein geteiltes, also ist auch deine Gesundheit eine solche. Was<br />
aber kann da Meine Hilfe bringen, so sie sogleich wie<strong>der</strong> von<br />
irgendeinem weltweisen Arzte vertrieben wird?<br />
Und habe Ich da neben einem Arzte auch jemandem aus <strong>der</strong> Not<br />
seines Leibes geholfen, wer erkennt solches und gibt Mir dann die<br />
Ehre, da er geteilten Glaubens ist in dem, ob Ich o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arzt ihm<br />
geholfen habe? Wenn aber Meine Hilfe nur gewisserart also mitzotteln<br />
muss mit <strong>der</strong> Hilfe des Arztes, siehe, da lasse Ich Mir auch Zeit und<br />
sage: Wie die Zahlung, so auch die Arbeit! - Wer hier am meisten<br />
bezahlt wird, <strong>der</strong> soll auch am meisten arbeiten!<br />
Was nützte es aber <strong>der</strong> Seele und somit auch dem Geiste, welcher ist<br />
das Leben <strong>der</strong> Seele, so Ich dem Leibeskranken helfen möchte in <strong>der</strong><br />
Medizin des Arztes? Würde er, wenn er sobald genesen würde, nicht<br />
auch sein ganzes, volles Zutrauen auf den Arzt setzen, Meine Hilfe aber<br />
nur als eine Chimäre und Mich somit nach und nach für ganz<br />
entbehrlich betrachten?<br />
Siehe, aus diesem Grunde habe Ich da mit den Leibeskranken nicht<br />
viel zu tun. So aber <strong>der</strong> Arzt Mir trauete und Mir allein die Ehre gäbe,<br />
und mit ihm auch <strong>der</strong> Kranke, so wäre das freilich wohl etwas an<strong>der</strong>es<br />
und Meine Hilfe sicherer, als so <strong>der</strong> Arzt sich noch schmählich darüber<br />
aufhält, wenn ein Gesundgewordener in seiner Gegenwart ausruft: "Der<br />
liebe Gott hat mir geholfen!" - <strong>der</strong> Arzt aber dann beisetzt: "Wenn dir<br />
Gott geholfen hat, warum hast du denn hernach mich zu dir rufen<br />
lassen? Hättest ja gleich können dich zu deinem Gott um Hilfe wenden!<br />
Hier habe ja nur ich, <strong>der</strong> Arzt, dir geholfen durch meine Kunst und<br />
Wissenschaft!"<br />
Willst du aber vollkommen gesund werden, dann vertraue dich nur<br />
Mir allein fest an, und das mehr denn deinen Alten und Ärzten, sonst<br />
kann Ich dir nicht helfen. Ich kann aus Meiner großen Erbarmung es<br />
wohl zulassen, dass du halbsiech erhalten wirst von den Ärzten; aber<br />
ganz gesund wohl sehr schwer o<strong>der</strong> nie!<br />
Wenn du wüsstest, wie gerne ich so manchem helfen möchte, wenn<br />
er nur zu Mir käme voll Vertrauens und Glaubens und Liebe! Aber jetzt<br />
kommen die Besten kaum mit einem Viertel Glauben, einem Sechstel<br />
Vertrauen und einem Achtel Liebe. Siehe, bei solchen Verhältnissen<br />
gibt es denn auch für Mich bei den Kranken aller Art wenig zu tun!<br />
Solches aber sage Ich dir dieweil Ich dich doppelt gesund machen will.<br />
Verstehe aber wohl, was das heißt: doppelt gesund! - Das alles sage<br />
Ich, dein lieber Jesus.“<br />
(Jakob <strong>Lorber</strong> - Heilungs- und Gesundheitspflege S. 220)
<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Verschiedenes<br />
55<br />
„Wissen ist etwas an<strong>der</strong>es und Fühlen auch ganz etwas an<strong>der</strong>es.<br />
Zum Wissen kann man durch, selbst den trockensten, Fleiß<br />
gelangen und zur Weltklugheit durch Erfahrungen;<br />
aber zum wahren Fühlen gehört mehr als viel lernen und<br />
erfahren!<br />
Vieles Wissen macht das menschliche Herz nicht fühlen<br />
und allzeit recht wollen, und die Erfahrung kann uns im<br />
Schlechten wie im Guten klug machen; nur ein rechtes Gefühl<br />
belebt alles und ordnet alles und gibt Ruhe und Seligkeit.“<br />
(Gr.Ev.Joh.. Bd. 3; 242,7-8)<br />
<strong>Lorber</strong>tagung 2014<br />
Die <strong>Lorber</strong>tagung <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> findet<br />
im nächsten Jahr wie<strong>der</strong> um Pfingsten statt,<br />
in <strong>der</strong> Zeit von Freitag, den 6. bis 10. Juni 2014.<br />
Das Tagungsprogramm und die Anmeldung zur Tagung<br />
erscheinen im nächsten Heft, welches Mitte Februar herauskommt.<br />
<strong>Lorber</strong>freundin sucht Lebenspartner<br />
<strong>Lorber</strong>freundin (43 Jahre) im Bereich Chemnitz sucht einen liebevollen,<br />
kin<strong>der</strong>lieben Partner mit geistigen Wertvorstellungen für ein<br />
gemeinsames Leben.<br />
Kontakt unter: 037360 - 79216<br />
Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen als MP3-CD und Video-DVD<br />
Alle Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen können auf MP3-Audio-CDs, auf<br />
denen mehrere Vorträge passen und individuell zusammengestellt werden<br />
können, zum Preis von 5,- €/CD plus Versandkosten bestellt werden.<br />
For<strong>der</strong>n Sie die Vortragsliste an.<br />
Bestellungen unter <strong>der</strong> Email: lorber-gesellschaft@web.de o<strong>der</strong> unter:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V. , Postfach, 83731 Hausham
Jakob-<strong>Lorber</strong>-Begegnungsstätte<br />
www.andritzquelle.de<br />
Ursprungblick 5a, A-8046 Graz-Stattegg<br />
Steiermark / Österreich<br />
Tel./Fax: 0043 / 316 - 691353 (von D)<br />
Tel./Fax: 0316 - 691353 (von A)<br />
Fernab vom Lärm <strong>der</strong> Welt, liegt<br />
<strong>der</strong> besinnliche Quellteich <strong>der</strong><br />
Andritz, umgeben von Felsen und<br />
alten Bäumen malerisch versteckt<br />
in einer kleinen Talbucht am Fuße<br />
des Schöckelgebirges. Eine hohe<br />
Mauer, welche im Grün <strong>der</strong> Bäume<br />
und Sträucher fast verschwindet,<br />
beschützt diesen ruhigen und<br />
beschaulichen Ort vor fremden<br />
Blicken. Hier, in dieser Oase <strong>der</strong> Stille und Ruhe, findet die nach inneren<br />
Frieden suchende Menschenseele einen Ort <strong>der</strong> Kraft zum Auftanken.<br />
Um den Quellteich führt ein Fußweg und Bänke laden zum Verweilen<br />
und Meditieren ein, um das innere Wesen dieses von <strong>der</strong> Natur so reich<br />
gesegneten Ortes zu erfahren.<br />
Das Gästehaus <strong>der</strong> Andritz-Quelle wurde 1905 erbaut und 2004<br />
mo<strong>der</strong>nisiert. Es steht als Seminar- und Begegnungsstätte allen nach<br />
Stille und Ruhe suchenden Menschen offen. Es bietet drei<br />
Doppelzimmer mit Dusche/WC, ein Doppelzimmer mit Etagendusche/<br />
WC, zwei Einzelzimmer mit Etagendusche/WC, einen Gästeraum und<br />
eine Gästeküche. Das Gästehaus ist von April bis Januar geöffnet.<br />
Anmeldungen und Anfragen an die:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Anita Strattner, Pfarrhofstr. 7, D-83132 Pittenhart<br />
Tel. / Fax : 08624-4114<br />
E-mail: mail@andritzquelle.de<br />
Homepage: www.andritzquelle.de
Neu digitalisierte Bearbeitung des <strong>Lorber</strong>films auf Video-DVD<br />
Der 1989 von <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> produzierte Dokumentarfilm<br />
über das Leben und Werk Jakob <strong>Lorber</strong>s war bisher nur im VHS-<br />
Format als Videokassette erhältlich.<br />
Da dies mittlerweile ein veraltetes und nicht mehr gebräuchliches<br />
System ist, hat sich die <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> entschlossen, den<br />
Film als Video-DVD herauszugeben und die Produktion auf Videokassetten<br />
einzustellen.<br />
Um den Film in einer bestmöglichen Qualität als Video-DVD<br />
anzubieten, wurde <strong>der</strong> Film durch ein professionelles Filmstudio<br />
digitalisiert und in Farbe und Ton neu überarbeitet.<br />
Der Film liegt nun zweisprachig in Deutsch und Englisch, sowie im<br />
4:3 und 16:9 Bildformat auf einer DVD vor. Die Spieldauer beträgt<br />
45 Min.<br />
Die DVD „Und hättet ihr nicht das ganze Universum in euch“<br />
ist zu einem Preis von 9,90 € plus Versandkosten erhältlich bei:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Postfach 114<br />
83731 Hausham / Deutschland<br />
Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />
Email: lorber-gesellschaft@web.de
Besinnliche Texte zur Meditation<br />
„Um Gott wahrhaft lieben zu können, muss man Gott<br />
stets mehr und mehr zu erkennen trachten. Wem<br />
daran nicht am meisten gelegen ist, <strong>der</strong> muss es sich<br />
am Ende selbst zuschreiben, wenn bei ihm das innere<br />
Gefühl und Bewusstsein über das ewige Fortleben <strong>der</strong><br />
Seele nach des Leibes Tode nur ein höchst schwaches<br />
ist und bleibt; denn dieses wahre Lebensgefühl ist<br />
eben ja nur die Folge <strong>der</strong> wahren, lebendigen Liebe zu Gott und<br />
daraus zum Nächsten.“ (GEJ.06_075,09)<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> (1800-1864)<br />
<br />
„Wer darauf achtet, kann wissen, dass je<strong>der</strong> Gedanke<br />
aus einem Gefühl, dem Ausfluss einer Liebe hervorgeht,<br />
und dass die Denkbil<strong>der</strong> (Vorstellungen) die mancherlei<br />
Formen sind, in die sich das allgemeinen Gefühl zerteilt<br />
hat; denn es gibt durchaus keinen Gedanken und kein<br />
Denkbild ohne ein Gefühl." (Himmel und Hölle 236)<br />
<br />
<br />
Emanuel Swedenborg (1688-1772)<br />
„Sammle dich und kehre ein, lerne schauen, lerne lesen!<br />
Sammle dich - und Welt wird Schein. Sammle dich - und<br />
Schein wird Wesen.“<br />
Hermann Hesse (1877-1962)<br />
„Ohne ein ganz persönliches Verhältnis zu Gott hat das<br />
Beten eigentlich überhaupt gar keinen Sinn.“<br />
<br />
Carl Hilty (1833-1909)<br />
„Ein Mensch, <strong>der</strong> Gott gehorcht, erwählt das beste Teil.<br />
Ein Mensch, <strong>der</strong> Gott verlässt, verlässt sein eignes<br />
Heil.“<br />
Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)