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GL 4/2013 - der Lorber-Gesellschaft eV

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Der Christbaum<br />

Die Lehre von den Entsprechungen<br />

Christ, <strong>der</strong> Retter ist da!<br />

Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

Vom gottgefälligen Sehnen<br />

Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge<br />

Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn<br />

Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

Der Zorn Gottes<br />

Über das Gebet<br />

Die Liebe des Ewigen<br />

Gott wirkt durch uns


INHALT<br />

Otto Hillig Der Weihnachtszauber S. 2<br />

Klaus W. Kardelke Editorial S. 3<br />

Gottfired Mayrhofer Der Christbaum S. 5<br />

Edith Mikeleitis Die Lehre von den Entsprechungen S. 12<br />

Susanne Zaich Christ, <strong>der</strong> Retter ist da! S. 17<br />

Jakob Ganz Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit S. 21<br />

Johannes Tauler Vom gottgefälligen Sehnen... S. 29<br />

Meister Eckhart Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge S. 30<br />

Heinrich Seuse Gott ist überall zu finden S. 31<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn S. 32<br />

Joahnnes Goßner Nach dir, Herr, verlanget mich S. 33<br />

Neue Kirche Biblische Bil<strong>der</strong> - Der Weinstock S. 34<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> Der Zorn Gottes S. 39<br />

Mikail Naimy Über das Gebet S. 40<br />

Mahatma Gandhi Der beste Weg S. 44<br />

H. TH. Hamblin Die Liebe des Ewigen S. 45<br />

Agnes Sanford Gott wirkt durch uns S. 47<br />

Weisheitsgeschichten Die Meisterprüfung S. 51<br />

Ein bewun<strong>der</strong>ungswerter Plan S. 52<br />

Die kleine Schraube S. 52<br />

Anleitung zum Unglücklichsein S. 53<br />

Wer bin ich S. 53<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> Göttlicher Gesundheitsrat S. 54<br />

Mit Namen des Verfassers versehene Beiträge müssen nicht mit <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong><br />

Schriftleitung übereinstimmen.<br />

Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich auf freiwilliger Spendenbasis.<br />

Beiträge richten Sie bitte an die Schriftleitung.<br />

IMPRESSUM<br />

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Redaktion:<br />

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Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />

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www.<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>.de<br />

Klaus W. Kardelke<br />

Angelika Penkin<br />

Baden-Württemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen<br />

Kto.: 7818500173 BLZ: 60050101<br />

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- Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -<br />

Jahrgang 33 <strong>2013</strong> Heft 4<br />

„Ehre sei Gott in <strong>der</strong> Höhe in Dem, <strong>der</strong> da kommt<br />

im Namen des Herrn!‘<br />

Tauet herab, ihr Himmel, den Gerechten! Friede den<br />

Menschen auf <strong>der</strong> Erde, die eines guten Willens sind!“<br />

(Jug.Jesu 18,25)<br />

„Hosianna in <strong>der</strong> Höhe, und Friede allen Völkern, die eines<br />

guten Willens sind; gelobet sei <strong>der</strong> Herr, <strong>der</strong> da kommt;<br />

Halleluja dem Sohne Davids; Halleluja dem Fürsten des<br />

Friedens; Halleluja Dem, <strong>der</strong> da kommt im Namen des Herrn<br />

Gott Zebaoth; Er allein ist würdig, allen Preis, allen Ruhm und<br />

alle Ehre zu nehmen von uns; Er ist <strong>der</strong> heilige, alleinige Vater<br />

unserer Herzen. Amen!“<br />

(HGt. 1; 32,1)


2 Der Weihnachtszauber<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Der Weihnachtszauber<br />

Otto Hillig<br />

Der Weihnachtszauber, <strong>der</strong> dich still umwehet,<br />

gab zur Geburt auch sein Gepräge dir;<br />

wo's Herz gleichsam vor Ehrfurcht stille stehet,<br />

wardst Bürger du von dieser Erde hier.<br />

So stehst du da als eine Himmelsrose,<br />

noch halb verschlossen ist die innere Pracht,<br />

verbunden ward mit deinem Erdenlose<br />

so eng, so eng die heil'ge Weihenacht<br />

Wie Engel einst die heil'ge Nacht besungen,<br />

wo unser Gott zur Erde nie<strong>der</strong>kam<br />

und Frieden für die Menschen ist erklungen,<br />

da Jesus all' die Sünden auf Sich nahm,<br />

so bist auch du als Engel hergekommen,<br />

sangst selbst im Geist das Hosianna mit,<br />

zu dienen hier <strong>der</strong> Welt zu ihrem Frommen,<br />

die in <strong>der</strong> Nacht <strong>der</strong> Gottentfremdung litt.<br />

Nun dufte du als Himmelsros' auf Erden<br />

durch deine Treu und Liebe fort und fort;<br />

es leuchte dir zu deinem geist'gen Werden<br />

des Liebe, guten Vaters Jesu Wort!<br />

Kein Zufall ist's, dass man dich so benannte,<br />

ein tief'rer Geist drückt sich darinnen aus,<br />

so solltest du in diesem Erdenlande<br />

den Himmelsduft streu'n in die Welt hinaus.<br />

So dufte du als Friedensrose weiter,<br />

von Jesu Gnad und Liebe hier gepflegt;<br />

bleib' Engel auf <strong>der</strong> Himmelsstufenleiter,<br />

dass Jesu Geist in dir auch Früchte trägt!<br />

(Gnadengaben Nr. 251)


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Editorial<br />

3<br />

Editorial<br />

Was wäre die Advents- und Weihnachtszeit ohne all die<br />

schönen und uns liebgewordenen Bräuche und<br />

Festlichkeiten, den geschmückten und erleuchteten Häusern<br />

und Straßen, dem Adventskranz, dem Weihnachtsbaum, den<br />

Geschenken und Kerzen und dem Geruch von frisch<br />

gebackenen Plätzchen und Bratäpfeln.<br />

Stellen wir uns doch einmal vor, wenn all diese äußeren<br />

weihnachtlichen Ausschmückungen wegfallen würden.<br />

Klaus W. Kardelke<br />

Vorstandsmitglied <strong>der</strong><br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />

Wenn es all die schönen und vertrauten Dinge nicht mehr gäbe, die<br />

Weihnachten zu dem machen, was es für uns heute geworden ist; was wäre<br />

Weihnachten dann noch für uns? Was bliebe dann noch übrig?<br />

Gehören diese äußeren Dinge denn alle wirklich dazu, um die Geburt<br />

des Herrn zu feiern und um eine weihnachtliche Stimmung zu erzeugen<br />

o<strong>der</strong> lenken sie uns nicht vielmehr nur vom Wesentlichen ab?<br />

Und wenn wir ehrlich sind, leben wir nicht auch in diesem äußeren<br />

Weihnachtsgeschehen, in denen wir vor lauter Weihnachtsrummel das<br />

Wesentliche <strong>der</strong> Weihnachtszeit vergessen haben.<br />

Was bliebe uns denn noch, wenn das äußere Weihnachtfest wegfiele,<br />

wenn all das weihnachtlich Vertraute nicht mehr wäre, ja, was bliebe dann<br />

von Weihnachten noch übrig?<br />

Lediglich das kleine Kind in <strong>der</strong> Krippe, gebettet auf Stroh, in einer<br />

kalten, kargen Höhle, neben Rin<strong>der</strong>n und Schafen, bliebe von<br />

Weihnachten noch übrig.<br />

Doch wem würde dies alleine noch genügen, bei all dem äußeren<br />

Glimmer und <strong>der</strong> Pracht und den vielen Geschenken, mit denen wir uns die<br />

Weihnachtszeit verschönern.<br />

Lei<strong>der</strong> haben wir das Unwesentliche zur Hauptsache gemacht und das<br />

Christuskind in einer Ecke neben unserem Weihnachtsbaum und den<br />

Geschenken verbannt, anstatt es in die Krippe unserer liebenden Herzen zu<br />

legen.<br />

Gott wurde Mensch in dem Kindlein Jesus. Er verließ all seine<br />

Herrlichkeit und Pracht, verließ sein himmlisches Königreich und kam in<br />

diese Welt zu seinen Kin<strong>der</strong>n, um sie heimzuführen.<br />

Und gerade dieses Kindlein, dieser menschgwordene Gott, ist es ja<br />

doch, dessentwegen wir das Weihnachtsfest jedes Jahr feiern. Er sollte<br />

doch die Hauptsache in dieser Zeit sein, denn all das äußere<br />

Weihnachtsgeschehen ist zu nichts nütze, wenn die Heilige Nacht nicht in<br />

unseren Herzen Einzug halten kann.


4 Editorial<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Doch all <strong>der</strong> äußere weihnachtliche Trubel von Glanz und Glimmer<br />

verhin<strong>der</strong>t ja gerade diese Einkehr in das eigene Herz.<br />

Erst wenn die äußere Weihnacht vergeht, wird die innere ihren Einzug<br />

halten können. Erst wenn alles Äußere wegfällt und wir es loslassen,<br />

gelangen wir zum eigentlichen Kern <strong>der</strong> Weihnacht, dem Herrn selbst.<br />

Erst wenn alle äußeren Schalen von uns abfallen, wird das Wesentliche,<br />

unser göttlicher Geistfunke, zum Vorschein kommen.<br />

Doch was bliebe von mir übrig, wenn alles Äußere wegfällt, wenn ich<br />

alles loslassen könnte, was mich hin<strong>der</strong>t zur Krippe zu kommen? Was und<br />

wie würde ich mich dann fühlen?<br />

Wenn ich alles Äußere loslassen könnte, so würde ich zum Kern <strong>der</strong><br />

Dinge und meines eigenen Wesens vordringen. Doch lei<strong>der</strong> klammern wir<br />

uns noch zu sehr am Äußeren und können nicht loslassen, um den wahren<br />

Wert unseres inneren göttlichen Wesens kennenzulernen.<br />

Wir haben uns dem Äußeren hingegeben, anstatt uns allein unserem<br />

himmlischen Vater hinzugeben, wann wird das ersichtlicher als gerade zur<br />

Weihnachtszeit.<br />

Einmal werden wir aber alles Äußere loslassen müssen, wenn wir diese<br />

Welt verlassen. Je eher wir dies noch hier lernen und uns selbst loslassen<br />

und ganz Gott überlassen, desto leichter wird unsere Loslösung von dieser<br />

Welt sein.<br />

So möchte ich mich auch an dieser Stelle nach zehnjähriger Tätigkeit<br />

als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> von allen Freunden und<br />

För<strong>der</strong>ern verabschieden und bedanke mich für die gute Zusammenarbeit<br />

und Unterstützung in dieser Zeit. Es war für mich eine intensive und<br />

gesegnete Zeit in dieser Position im Weinberg des Herrn tätig zu sein.<br />

Nun ist es an <strong>der</strong> Zeit für mich den Vorsitz abzugeben und Würde aber<br />

auch Bürde an an<strong>der</strong>e weiterzureichen und im Hintergrunde für den Herrn<br />

weiterzuwirken. Möge <strong>der</strong> Herr die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> auch<br />

weiterhin mit seinem Segen begleiten.<br />

Die <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> bedankt sich bei allen Freunden und För<strong>der</strong>ern<br />

für ihre Unterstützung durch Gebete und Spenden in diesem Jahr und<br />

wünscht allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesundes Neues Jahr.<br />

Euer Klaus Kardelke


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />

5<br />

Der Christbaum<br />

Gottfried Mayerhofer (1807-1877)<br />

Schon früher habe Ich (<strong>der</strong> Herr) euch einige Worte gegeben über das<br />

Fest Weihnachten, teils wie es gefeiert wird, teils wie ihr es geistig<br />

auffassen sollet. Heute will Ich zu dem Zeichen dieses Festes übergehen,<br />

welches an dem Vorabende des Festes vielfach in den Familien<br />

aufgepflanzt steht, mit Lichtern und Früchten geschmückt, und darunter<br />

allerlei Geschenke für Groß und Klein bergend, Freude und Zufriedenheit<br />

unter Gebenden und Empfangenden verbreiten soll.<br />

Ihr habt diese geschmückte junge Tanne „Christbaum“ getauft, und da<br />

doch in Allem etwas Geistiges verborgen liegt, so will Ich euch diese<br />

geistig entsprechende Seite des Christbaumes näher vor das Auge rücken,<br />

damit ihr wie<strong>der</strong> erkennen möget, wie oft ihr unbewusst mit geistigen o<strong>der</strong><br />

vielsagenden Dingen weltliche Beschäftigungen o<strong>der</strong> sogar Vergnügungen<br />

verbindet, ohne zu ahnen, was ihr eigentlich tut, o<strong>der</strong> was als Geister<br />

angesehen euch eine weit schönere, genussreichere Aussicht und Einsicht<br />

in Mein Reich geben könnte, wäret ihr fähig, die Entsprechungs- o<strong>der</strong><br />

symbolische Sprache <strong>der</strong> materiellen, sichtbaren Welt zu verstehen.<br />

Nun, ein altes Herkommen bei allen christlich-katholischen Völkern<br />

war es, am Abende o<strong>der</strong> Vorabende <strong>der</strong> Feier Meiner Geburt ein<br />

Familienfest zu veranstalten, und den Kin<strong>der</strong>n das Christuskind als<br />

Beispiel vorstellend, Geschenke allerlei Art zu geben, unter dem<br />

Vorwande, als hätte das „Christkindlein“ selbe den frommen Kin<strong>der</strong>n zum<br />

Andenken an seinen ersten Eintritt in die materielle Welt gegeben.<br />

Da das Christuskindlein als vollkommenstes Kind alle Eigenschaften<br />

besaß, die je nur ein weltliches Kind besitzen o<strong>der</strong> sich eigen machen<br />

sollte, so war auch bei Erwartung dieses Festes stets die Erwartung <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Furcht gemischt, weil sich in ihrem jugendlichen Gemüte<br />

<strong>der</strong> Gedanke oft lautbar machte: Verdiene ich auch ein Geschenk o<strong>der</strong><br />

nicht? da gewiss ein jedes Kind sich doch auch gewisser menschlicher<br />

Fehler bewusst war, die eher eine Rüge, als eine Belohnung verdient hätte?<br />

Umso größer war die Freude, wenn dann statt Recht die Gnade Geschenke<br />

brachte, und zumeist unerwartete. Später mischten sich auch die großen<br />

Kin<strong>der</strong> in dieses Fest <strong>der</strong> Jugend, und beschenkten zeremoniell auch<br />

einan<strong>der</strong>, ohne jedoch we<strong>der</strong> an den primitiven Grund, noch weniger an<br />

die symbolische Deutung dieses Weihnachtgeschenkes zu denken.<br />

Nun, das Fest <strong>der</strong> „Weihnachten“ steht vor <strong>der</strong> Türe, ein je<strong>der</strong> Vater<br />

beschenkt seine Kin<strong>der</strong>, so viel es ihm möglich ist, und so will auch Ich<br />

euch, die ihr Meine Kin<strong>der</strong> seid, mit Etwas beschenken, damit, wenn Ich


6 Der Christbaum<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

bei euch eintrete, Ich auch freudestrahlende Gesichter erblicken kann, wo<br />

im Blicke des Auges Dank und Ergebung mir entgegenleuchten mögen! _<br />

Dieses Geschenk sei die geistige Erklärung eures Christbaumes, <strong>der</strong><br />

doch Meinen Namen trägt, und Mir zuliebe aufgerichtet wird. __<br />

Als Ich vor fast zweitausend Jahren eure kleine Erde betrat, und die<br />

Engel bei Meiner Geburt „Hosianna“ sangen, und euch Menschen allen<br />

zuriefen: „Freuet euch, denn es ist euch eine große Ehre angetan worden!<br />

Friede sei auf Erden und in den Himmeln! da legte Ich den ersten Keim<br />

dieses geistigen Christbaumes, daran Ich Selbst (wie am höchsten Punkte,<br />

bildlich wie euer Christbaum eine pyramidale Form hat,) als<br />

Ausgangspunkt alles Geschaffenen throne, und auch die Wurzel desselben<br />

ausmache, und so wie Ich einst sagte: „Ich bin <strong>der</strong> Anfang und das Ende,<br />

das Alpha und das Omega“ __ Meine Allgegenwart bildlich darstellte.<br />

So wie euer Christbaum seine Arme nach allen Seiten ausbreitet, stets<br />

in geraden Linien, wie auch <strong>der</strong> Stamm eines Tannenbaumes stets nur<br />

gerade ist, also sollte auch Mein geistiger Christbaum, <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong><br />

geistigen Erkenntnis und des Wertes <strong>der</strong> Menschenwürde, geradeaus,<br />

vorwärts und aufwärts dringen nach dem Lichte, das von Oben ihn<br />

beleuchtet und erwärmt, wie <strong>der</strong> materielle Baum selbst.<br />

Dieser Christbaum, den Ich in jenen Zeiten pflanzte, sollte <strong>der</strong> Baum<br />

sein, auf welchem Meine ganze geistige und materielle Schöpfung gleich<br />

euren Lichtern und Kerzen auf den Tannenzweigen, zu Gottes Ehre, zur<br />

Ehre ihres Schöpfers ewig brennen und leuchten sollte; wie jetzt in den<br />

Tannenwäl<strong>der</strong>n die Bäume mit kristallisierten Tautropfen und<br />

Schneeflocken geziert, trotz <strong>der</strong> klimatischen Kälte des Winters doch<br />

durch ihre Nadeln Elektrizität einsaugen, und während die ganze Natur um<br />

sie her in den mehrmonatlichen Winterschlaf versunken ist, sie noch<br />

gründend erhält, ebenso leuchten auf dem großen Christbaume Meiner<br />

ganzen Schöpfung, wie ihr es in je<strong>der</strong> sternenhellen Nacht sehen könnet,<br />

Millionen und Millionen Welten, die Ich als lieben<strong>der</strong> Vater als leuchtende<br />

Kerzen und Lichter angesteckt habe, damit alle Meine Geschöpfe und<br />

Meine Geisterwelt erkennen mögen, dass ein lieben<strong>der</strong> Vater seine Kin<strong>der</strong><br />

zu beschenken weiß, je nach ihrem Verdienste, und meistens mit mehr, als<br />

sie verdienen.<br />

Mein Christbaum, welchen Ich in <strong>der</strong> Schöpfung und auf eurer Erde in<br />

jener Zeit aufpflanzte, war <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> Erkenntnis, dass ein<br />

Vater, will er diesen Namen verdienen, nur ein lieben<strong>der</strong> Vater sein kann!<br />

Bei Meiner Geburt auf eurer Erde beging Ich für Mich den größten<br />

Erniedrigungsakt, um euch die Gelegenheit zu geben, euch so hoch als<br />

möglich zu erheben.


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />

7<br />

Wie ein je<strong>der</strong> Baum mit dem Samen und <strong>der</strong> Wurzel anfängt, so legte<br />

auch Ich durch Mein Darnie<strong>der</strong>steigen den Samen des Erhabenen vorerst<br />

durch Mich Selbst in eine materielle, sichtbare Gestalt, und ferner als<br />

geistigen Keim in die Herzen <strong>der</strong> Menschen, dass sie erkennen mögen,<br />

woher sie gekommen sind, und wohin sie gehen müssen.<br />

Mein Christbaum richtete sich nach und nach auf, musste, wie mancher<br />

Tannenbaum auf den hohen Gebirgen, viele Stürme und Gewitter<br />

ausstehen, musste sogar wie mancher Baum seine sonst gerade auf- o<strong>der</strong><br />

vorwärts stehenden Äste nach dem Winde drehen; aber <strong>der</strong> Baum blieb<br />

doch, was er sein sollte, und zu was Ich ihn in die Schöpfung gestellt hatte:<br />

Ein Läuterer <strong>der</strong> Atmosphäre, ein Einsauger himmlischen, ätherischen<br />

Lichtes, und ein Verbreiter heilsamer Gerüche, <strong>der</strong>en Substanzen in<br />

verschiedenen Formen den kranken und leidenden Menschen zugute<br />

kommen werden, je mehr die Wichtigkeit dieses Baumes in so heilsamer<br />

Bedeutung anerkannt wird.<br />

Alle diese Eigenschaften, die euer Tannenbaum besitzt, welchen als<br />

junge Tännlein ihr oft zum „Christbaum“ schmücket, alle diese nämlichen<br />

Eigenschaften hat auch Mein großer Christbaum, <strong>der</strong> Baum Meiner<br />

Weltenschöpfung; auch er strebt aufwärts zu Mir, als höchstem Punkte,<br />

von dem er ausgegangen ist; auch er breitet seine Äste in die<br />

Unendlichkeit hinaus, mit tausend und tausend Wun<strong>der</strong>n prangend, saugt<br />

materiell aus dem Äther seinen Lebensstoff zur Fortdauer und<br />

Vervollkommnung, und gibt den in ihm lebenden Wesen Leben, Wärme<br />

und Licht wie<strong>der</strong>.<br />

Auch geistig vollführt er das Nämliche; Mein Geisterreich steckt seine<br />

Arme nach allen Seiten aus, Mein Geisterreich hat seine höchste Spitze in<br />

Mir, und bereitet allen jenen, welche es verstehen, suchen und lieben<br />

lernen, den geistigen Genuss einer Liebe, die, weiter haben über alles<br />

Menschliche, nie schwächer und nie enden wird, nämlich die<br />

allumfassende Vaterliebe, welcher <strong>der</strong> kleinste Wurm, sowie <strong>der</strong> größte<br />

Engelsgeist gleich sehr am Herzen liegt. __<br />

Wenn ihr nun im häuslichen Kreise mitten zwischen steinernen Mauern<br />

einen grünenden jungen Tannenbaum aufgerichtete habt, wenn ihr selben<br />

mit Lichtern und Geschenken verzieret, und die Kin<strong>der</strong>chen freudig um<br />

selben herumspringen, und jedes sein ihm beschertes Geschenk mit<br />

freudigem Auge betrachtet, so bedenket, wie viele Geschenke Ich, euer<br />

Vater, euch stets zu Teil werden lasse, wie viele Lichter Ich euch anzünde,<br />

damit ihr Meine Geschenke im größten Glanze Meines himmlischen<br />

Lichtes besehen und euch daran erfreuen könnet; wenn ihr an diesem<br />

Abende eure eigenen vergangenen Kin<strong>der</strong>freuden wie<strong>der</strong> in den Freuden


8 Der Christbaum<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

eurer Nachkommen zum zweiten Male und zwar alljährlich erlebet, so<br />

erinnert euch jener Worte aus Meinen Lehrjahren, wo Ich sprach:<br />

„Lasset die Kindlein zu Mir kommen; denn ihnen ist das Himmelreich,“<br />

und noch beifügte: „Wenn ihr nicht werdet, wie diese, so könnt ihr nicht<br />

eingehen in Mein Reich!“<br />

Ja, Kin<strong>der</strong> sollet ihr werden! d.h. kindliches Gemüt, kindliches<br />

Vertrauen zu Mir haben; nur dann könnet ihr Geschenke von Mir, wie eure<br />

Kin<strong>der</strong> am Christabende, so ganz mit reiner unschuldiger Freude genießen;<br />

dann blüht auch für euch ein Baum, den die Christenliebe gepflegt und<br />

groß gezogen hat, <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong> ersten Gottes- und Vater-Liebe.<br />

Daher befleißet euch, Kin<strong>der</strong> zu werden! seid nicht, wie eine kleine<br />

Pflanze, die zwar bei Bewegung des Lebenswassers auf dessen Oberfläche<br />

auf einige Zeit schwimmend, sich des Einflusses des Sonnenlichtes und<br />

seiner Wärme erfreut; aber kaum dass die Bewegung aufhört, wie<strong>der</strong> dem<br />

Zuge <strong>der</strong> Schwere gehorcht und auf den Boden des weltlichen Lebens<br />

zurücksinkt, ganz die vorige selige Stimmung sowohl, als den Grund<br />

<strong>der</strong>selben vergessend. __<br />

Wie <strong>der</strong> Christbaum als Symbol des Friedens, <strong>der</strong> Ruhe und<br />

Glückseligkeit in den Familien alle Verwandte vereinigt, so solltet auch ihr<br />

trachten, „mit <strong>der</strong> Welt im Frieden zu leben.“<br />

Am Tage Meiner Geburt sangen die Engel: „Friede sei mit euch! „Bei<br />

jedem Weihnachtsfeste, bei jedem Weihnachtsabende tönt dieser Ruf in<br />

euer Herz, es ist <strong>der</strong> Ruf, den einst die Engel bei Meiner Geburt sangen,<br />

und den Ich jetzt Selbst wie<strong>der</strong>hole: „Friede sei mit euch!“<br />

Friede des reinen Bewusstseins <strong>der</strong> wahren Liebe !<br />

Und wie jetzt um einen mit Kerzen beleuchteten Christbaum nur<br />

freudige Blicke Allen entgegenstrahlen, so sollen in Meiner Schöpfung,<br />

auf Meinem großen Christbaume die Welten und geistigen Sphären-<br />

Bewohner ebenfalls einst Den erkennen, Welcher als Liebe den Keim zu<br />

diesem Schöpfungsbaume legte, und als höchste Vaterliebe an dessen<br />

Spitze thront, wohin alle Triebe, alle Nadeln des Baumes gerichtet, nur<br />

von dort die geistigen Genüsse erhalten, welche fähig sind, euch die ganze<br />

Welt zu einem Paradiese zu umstalten, wie eben jetzt bei dieser<br />

Gelegenheit des Weihnachtsfestes durch das Errichten des Christbaumes<br />

ein Paradies im Familienkreise geschaffen wurde.<br />

Ihr habt Meine Geburt, Mein Darnie<strong>der</strong>steigen auf eure Erde mit einem<br />

Symbole schmücken wollen, welches euch gerade eben im Winter<br />

entsprechend nichts an<strong>der</strong>es sagen will, als steril, ohne Herz, ohne Wärme<br />

sind eure steinernen Wohnungen; aber inmitten <strong>der</strong>selben grünt <strong>der</strong> nie<br />

verwelkende Baum eines geistigen Lebens, <strong>der</strong> symbolisch als junger


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />

9<br />

Tannenbaum vor euch steht.<br />

Wie er seine Düfte in die Himmelslüfte ausstreut, so streuet auch ihr<br />

eure Menschen-, Nächsten- und Bru<strong>der</strong>-Liebe in alle Welt aus, damit die<br />

Welt wisse, dass ihr „Kin<strong>der</strong> eines himmlischen Vaters“ seid, welche nicht<br />

nur gerade am Weihnachtsfeste, son<strong>der</strong>n stets Freuden bereiten wollen,<br />

wann und wo sich Gelegenheit zeigt.<br />

Dann grünet für euch stets <strong>der</strong> Baum <strong>der</strong> Erkenntnis, <strong>der</strong> Christbaum,<br />

denn ihr benehmet euch Meiner, des einstigen Zimmermanns-Sohnes<br />

„Christus“ würdig, und dankbare, von Freude trunkene Augen mögen die<br />

Lichter sein, welche an eurem Christbaume leuchten mögen, immer und<br />

ewig als Beweis, dass ihr wahre Christen und wahre Nachfolger<br />

Desjenigen sein wollet, <strong>der</strong>einst im dürftigsten Zustand geboren, euch das<br />

reichste Geschenk eines geistigen Christbaumes brachte, an dem unzählige<br />

Geschenke hängen für diejenigen, die während ihres Lebens es verstanden<br />

haben, Kin<strong>der</strong> zu werden, kindlich zu denken und kindlich zu lieben<br />

denjenigen, Der in diesen Tagen von Vielen wohl gefeiert, aber bis heute<br />

doch von Wenigen verstanden und aufgefasst worden ist . __<br />

O, wie manche schöne Gebräuche habt ihr, die aus einer besseren Zeit<br />

entstammend, euch künden könnten, was sie einst bedeuteten; allein nicht<br />

immer findet sich ein Vater, wie Ich, Der den Verirrten hilft, die Schale<br />

des Zeremoniells zu zerbrechen, um ihnen den leuchtenden Kern zu<br />

zeigen.<br />

Daher feiern dieses Fest meist nur die unmündigen Kin<strong>der</strong>, die das<br />

Geistige nicht ahnen, und mündige Erwachsene, die nur das Materielle im<br />

Auge haltend, von dem Geistigen keine Idee haben, und nur Wenigen ist<br />

es gegönnt, mit wahrer Christusliebe diese Feier und den Sinn des<br />

Christbaumes zu erkennen, zu begreifen und den Geber desselben geistig<br />

zu beurteilen.<br />

Damit aber ihr in den Kreis <strong>der</strong>jenigen tretet, welche schon längst Mein<br />

Wort haben, und daher auch verstehen sollten, was unter Gebräuchen oft<br />

Geistiges verborgen liegt, so ist euch dieses Wort gegeben, das am<br />

Vorabende <strong>der</strong> geweihten Nacht gelesen, euch wie<strong>der</strong> beweisen soll, wie<br />

viel Liebe Ich schon gespendet und an euch vergeudet habe, um euch eben<br />

zu solchen Kin<strong>der</strong>n zu machen, die freudig mit liebestrahlenden Blicken<br />

Meinen Christbaum umstehen sollen, um das „Hosianna“ anzustimmen.<br />

„Friede sei mit Allen, ewiger Friede, den Du, Vater, als Sohn uns einst<br />

gebracht hast, und jetzt als größter Geist in unsere Herzen gießen willst! __<br />

Ewig grünend, wie das Symbol des Tannenreises, blühe unsere Liebe zu<br />

Dir und zur Menschheit, und unser Herz sei erleuchtet, wie so viele<br />

Bäumchen mit Lichtern, mit guten Taten und heiligen Vorsätzen, um ein


10 Der Christbaum<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

jedes Jahr dieses Fest mit noch schönerem Tatenkranze zu begehen, damit,<br />

wenn unser Auge für das irdische Licht erlischt, <strong>der</strong> geistige, große<br />

Christus-Baum im vollen Glanze seiner unendlichen Wun<strong>der</strong> uns<br />

entgegenstrahle, wo auch wir, wie hier die kleinen Kin<strong>der</strong>chen, dann die<br />

Geschenke des liebenden Vaters vom ewig grünenden Baume <strong>der</strong><br />

Erkenntnis pflücken und uns kindlich daran erfreuen können, Kin<strong>der</strong> eines<br />

liebenden Vaters zu sein, Der hier auf dieser Erde den Baum <strong>der</strong> Liebe<br />

gepflanzet hat, welcher so weit hinausreicht, noch dorthin, von wo des<br />

langsamen Fluges des Lichtes wegen noch kein Strahl von Welten zu uns<br />

gekommen ist, um uns zu beweisen, dass auch dort noch Leben, Licht und<br />

Liebe weilen, und die Liebe nicht erloschen ist, son<strong>der</strong>n in bei weitem<br />

höherem Maße noch blüht, als Produkt <strong>der</strong> ewigen Quelle, aus <strong>der</strong> sie<br />

geflossen ist und zu <strong>der</strong> sie zurückkehren will!“ __<br />

So, Meine Kin<strong>der</strong>, feiert das Weihnachtsfest; die geweihte Nacht war<br />

<strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> eines geweihten Tages, <strong>der</strong> Christbaum ist ein stetes Symbol<br />

<strong>der</strong> ewigen Liebe, die auszuüben o<strong>der</strong> in selber euch einzuüben ihr euer<br />

Prüfungsleben beginnen musstet, das ihr mit Meiner Hilfe glorreich<br />

vollenden werdet; wohlgemerkt, solange ihr „Kin<strong>der</strong>“ seid und Ich euer<br />

Vater bin, so lange wird <strong>der</strong> Christbaum für euch Geschenke und Früchte,<br />

und für Mich Freuden besitzen, welche nicht verwelken werden.<br />

Jetzt, denke Ich, werdet ihr auch diesem Tannenreise in eurem Zimmer<br />

eine höhere Bedeutung zu geben vermögen, und dadurch in den Stand<br />

gesetzt werden, auch bei an<strong>der</strong>n herkömmlichen Gebräuchen etwas tiefer<br />

zu suchen, wo und was eigentlich <strong>der</strong> Kern des ganzen ist.<br />

So übet denn euer geistiges Auge, veredelt euer Herz und bestärket euer<br />

Vertrauen und euren Glauben an Mich stets stärker, und bereitet euch vor,<br />

mitten im Weltlichen und Materiellen nur Geistiges zu sehen, zu finden<br />

und zu verstehen, wie es Meinen Kin<strong>der</strong>n geziemt, die mit kindlichem<br />

Gemüte die geistige Sehe verbinden soll.<br />

An dem Tage, welchen ihr als Weihnachtfest feiert, lag Ich einst in den<br />

Windeln, und nach und nach befreite Ich Mich davon; jetzt seid ihr o<strong>der</strong><br />

wenigstens viele noch in geistigen Windeln; daher befreiet auch ihr euch<br />

von diesen, damit auch über euch bei eurer geistigen Taufe <strong>der</strong> Ruf<br />

erschallen möge: „Das ist Mein Sohn, o<strong>der</strong> Meine Tochter, an denen Ich<br />

Mein Wohlgefallen habe; denn Ich errichte in jener Zeit, was jetzt seine<br />

Früchte tragen soll! __ Geistig ist Mein Reich und nur Geistesfrüchte sind<br />

dort von Wert; traget Sorge, euch davon so viel als möglich zu sammeln,<br />

damit nicht, wie an vielen von euren heurigen Tannenreisern o<strong>der</strong><br />

Christbäumchen vergoldete Nüsse hängen, <strong>der</strong>en Außenseite zwar glänzt,<br />

die aber im Innern einen verfaulten Kern einschließen.


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Christbaum<br />

11<br />

Lebendige Früchte o<strong>der</strong> geistige Lichter sollen euren Christbaum<br />

zieren, und Tränen des Dankes als Geschenke euch jene Freuden genießen<br />

lassen, die ein geistiges Kind nur von seinem himmlischen Vater erhalten<br />

kann, so wird dann je<strong>der</strong> Abend zu einer Weihnachtsfeier, und je<strong>der</strong> Tag<br />

zu einem Feste, an welchem euer geistiger Christbaum ein Lichtlein mehr<br />

erhält.<br />

So sollet ihr die Feste und ihre geistige Bedeutung auffassen, damit<br />

euer ganzes Leben ein geistiges Fest werde, wo steter Lobgesang und stete<br />

Erhebung über die irdische Welt das Resultat sind. __ Feiert also dieses<br />

Fest, als Christen eines „Christbaumes“ würdig, und Ich werde mit euch<br />

diese Freuden genießen, wie je<strong>der</strong> Vater unter Seinen geliebten Kin<strong>der</strong>n!<br />

Amen!


12 Die Lehre von den Entsprechungen<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Die Lehre von den Entsprechungen<br />

Edith Mikeleitis<br />

Die Symbolsprache ist so alt wie die Menschheit. Immer bedienten sich<br />

die Menschen <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>, um den inneren Sinn zwischen Idee und <strong>der</strong><br />

Anwendung im Leben darzustellen. Die Verknüpfung himmlischer,<br />

geistiger und natürlicher Welt geschieht durch Entsprechungen. Emanuel<br />

Swedenborg sagt: „Ohne die Wissenschaft <strong>der</strong> Entsprechungen, den<br />

goldenen Schlüssel, <strong>der</strong> die Pforte zu den geistigen Dingen öffnet, kann<br />

man we<strong>der</strong> die Erscheinungen in <strong>der</strong> geistigen Welt, noch das<br />

Hervorgehen <strong>der</strong> natürlichen Welt aus dieser, noch den Zustand <strong>der</strong> Seelen<br />

nach dem Tode, noch die Heilige Schrift verstehen. Die himmlische, die<br />

geistige und die natürliche Welt entsprechen einan<strong>der</strong>." Schon in den<br />

ersten Versuchen <strong>der</strong> Völker, sich Symbole für die Grundkräfte des<br />

Lebendigen zu schaffen, finden wir Entsprechungen in Gestalten wie ,die<br />

große Mutter', ,die Fruchtbarkeit', ,die Gerechtigkeit', ,das Kind' dargestellt<br />

als Figuren, zu denen man betete, aber ursprünglich nicht, um diese<br />

Figuren anzubeten, son<strong>der</strong>n um sich mit den Kräften in Verbindung zu<br />

setzen, die sie verkörperten. Der Schritt, das äußere Sinnbild für das<br />

Tatsächliche und Wirkende zu halten, war leicht gegeben, weil es dem<br />

Menschen schwer fällt, sich geistig zu erheben, während es bequem ist,<br />

sich persönlicher Machtentfaltung, die für ihn die Bil<strong>der</strong> gewannen,<br />

unterzuordnen. Dadurch entartete die alte Symbolik zum Götter- und<br />

Götzendienst.<br />

Jesus bediente sich gern <strong>der</strong> Gleichnisse, um seine Zuhörer über die<br />

Verbindung von himmlischen und irdischen Dingen zu belehren. Er<br />

benutzte Bil<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Natur, die Lilien auf dem Felde, die Sperlinge<br />

unter dem Himmel, das Weizenkorn, das erstirbet, das Senfkorn, das klein<br />

ist und hoch aufwächst, um den Vögeln Schutz zu gewähren - man könnte<br />

die Entsprechungsbil<strong>der</strong> unendlich fortsetzen. Swedenborg: „... im ganzen<br />

Bereich <strong>der</strong> Natur zeigen sich Erscheinungen, die so genau den<br />

erhabensten geistigen Erscheinungen entsprechen, dass einer schwören<br />

möchte, die physische Welt sei nur ein Symbol <strong>der</strong> geistigen Welt."<br />

Die Wissenschaft <strong>der</strong> Entsprechungen war nicht nur auf den ägyptischsemitischen<br />

Kulturkreis beschränkt, son<strong>der</strong>n in den alt-indischen Epen und<br />

in <strong>der</strong> germanischen Religionssymbolik ergeben sich Gemeinsamkeiten,<br />

die auf ein Urwissen <strong>der</strong> Menschheit schließen lassen. „Die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Höhe", Patriarchen, Propheten und Eingeweihte konnten und können aus<br />

ihrer geistigen Schau heraus die Entsprechungslehre im größten Maß


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Lehre von den Entsprechungen<br />

13<br />

betätigen. Eine unausschöpfbare Welt geistig-göttlicher und kosmischmenschlicher<br />

Beziehungen finden wir in Mythen, Sagen und Märchen,<br />

jenem Geistesgut, das auch intellektuell nicht geschulte Menschen zu<br />

begreifen fähig sind. Je<strong>der</strong> Dichter, je<strong>der</strong> Künstler bewältigen nur durch<br />

Darlegungen und Gestaltungen irdischer Erscheinungen in Verbindung mit<br />

geistigen Ursachen ihre Werke. Das Wesen <strong>der</strong> Entsprechungen können<br />

wir dadurch erklären, dass Dinge o<strong>der</strong> Tatsachen aus ganz verschiedenen<br />

Lebensbereichen durch die einheitliche geistige Idee, die man durch sie<br />

hindurchschimmern sieht, verbunden werden. Wir nennen das in <strong>der</strong><br />

heutigen philosophischen Sprache: die Erscheinungen „transparent"<br />

machen. Wenn wir ,Welt' sagen, so meinen wir in <strong>der</strong> Entsprechung damit<br />

jene Gegenkräfte irdischer und dämonischer Natur, die <strong>der</strong> himmlischen<br />

Ordnung wi<strong>der</strong>streben. Immer ist das schöpferische Urbild die Idee, von<br />

<strong>der</strong> unendliche, vielfältige Entsprechungen in die seelische und die<br />

materielle Welt ausgehen. Nehmen wir einen Begriff: Leichtigkeit, so<br />

werden wir ohne Mühe die irdischen Entsprechungen im Vogelflug, im<br />

Gedankenflug, in <strong>der</strong> Freude, in <strong>der</strong> Begeisterung o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> mühelosen<br />

Gotteskraft erblicken können. Der Dichter Friedrich von Schiller: „Freude,<br />

schöner Götterfunke, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken,<br />

Himmlische, dein Heiligtum." Diese dichterische Aussage ist voller<br />

Entsprechungen und wird gerade dadurch unmittelbar verstanden.<br />

Das Werk Jakob <strong>Lorber</strong>s will ebenso unmittelbar sich an Menschen,<br />

„die Ohren haben, zu hören", wenden. Seine Beschreibungen jenseitiger<br />

Sphären in seinen Büchern .Bischof Martin' und .Robert Blum' wären ohne<br />

die Anwendung von symbolischen Bil<strong>der</strong>n nicht zu begreifen. Es gibt<br />

außer <strong>der</strong> Bildsprache keine Worte, um seelisch-geistige Dinge dem<br />

Verstand deutbar zu machen. Hier liegt auch <strong>der</strong> Gefahrenpunkt für den<br />

Verstandesmenschen, dem die geistige Einfühlung fehlt. Er lehnt alles<br />

Metaphysische ab, weil er die Brücke nicht finden kann, die materielles<br />

Denken und geistige Intuition miteinan<strong>der</strong> verbindet. Denken wir an die<br />

Jakobsleiter', von <strong>der</strong> Jakob träumte, und auf <strong>der</strong> er Engel vom Himmel auf<br />

die Erde und von <strong>der</strong> Erde in den Himmel gehen sah, so haben wir darin<br />

das Symbol für die Symbolsprache. Das Gesetz <strong>der</strong> Entsprechung ist das<br />

Gesetz des Einfließens geistiger Wirklichkeit in irdische Erscheinlichkeit.<br />

Verstehen wir, die Entsprechungen zu deuten - je<strong>der</strong> wird es auf seine<br />

eigene Weise tun -, so kommen wir aus <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Wirkungen in die<br />

Welt <strong>der</strong> geistigen Ursachen hinüber. Goethe sagt: „Ein Symbol ist nicht<br />

ein von außen herangebrachtes Bild einer Idee, eines Gefühls, son<strong>der</strong>n<br />

Sinnbild für das Unaussprechliche. Der schauende Mensch erblickt im<br />

Symbol (Baum, Blume, Sonne, Planet) auf spontane Weise den ihm


14 Die Lehre von den Entsprechungen<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

immanenten geistigen Sinn." Die Urmenschen, die noch nicht zum<br />

Ichbewusstsein in unserem heutigen selbstsüchtigen Sinn gelangt waren,<br />

besaßen die Gabe, alle sichtbaren Dinge auf die Urwirklichkeit und damit<br />

auf den Schöpfer zurückzubeziehen. Sahen sie einen Berg, so verband sich<br />

damit die Vorstellung <strong>der</strong> Höhe und des Himmels, so dass auch heute noch<br />

Gott <strong>der</strong> Höchste genannt wird. <strong>Lorber</strong> spricht von Pol und Gegenpol<br />

Gottes und fasst die Sprache als Symbolprägung von Gott her kommen<strong>der</strong><br />

Gedanken auf. „Wenn <strong>der</strong> ewige, allmächtige Geist Gottes Sich nicht eben<br />

schon von Ewigkeit her einen Gegenpol gesetzt hätte, so wäre es ihm als<br />

rein positivem Gotte nie möglich geworden, Sonnen, Welten und all die<br />

zahllos vielen Wesen auf ihnen ins Dasein zu rufen. Wie aber sieht dieser<br />

Gottesgegenpol aus, und worin besteht er? Ist er ein dem positiven, freien<br />

Gotteslebens- und Machtpole ganz frem<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ein in einer gewissen<br />

Hinsicht ganz gleichartiger? Ist er ein Selbstherr, o<strong>der</strong> hängt er in allen<br />

seinen Teilen nur von dem positiven Gottesmachtpole ab? Diese wichtigen<br />

Fragen werde Ich euch so lichtvoll als möglich beantworten, und ihr<br />

werdet dann einsehen, wer <strong>der</strong> so genannte Satan, und wer so ganz<br />

eigentlich seine Teufel sind ... Wenn ein Mensch zum Beispiel etwas<br />

darstellen will, so fängt er an zu denken, und es werden eine Menge<br />

flüchtiger Bil<strong>der</strong> als einzelne Gedanken sein Gemüt durchstürmen. Wenn<br />

sich <strong>der</strong> Denker längere Zeit mit <strong>der</strong> Anschauung seiner inneren<br />

Geistbil<strong>der</strong>, die man Gedanken nennt, abgibt und sie festzuhalten beginnt,<br />

wird er bald und leicht gewahr, dass sich einige bessere Gedanken<br />

angezogen und gewisserart schon zu einer leichteren Idee verbunden<br />

haben. Solch eine Idee behält dann die Seele wie ein ausgeprägtes Bild<br />

festhaftend in ihrem Gedächtnissensorium, und man könnte das eine<br />

Grundidee nennen. Ist <strong>der</strong> Denker einmal zu einem gänzlich ausgeprägten<br />

klaren Begriff gekommen, so findet er ein Wohlgefallen an ihm, erfasst und<br />

durchdringt ihn sofort mit dem Lebensfeuer seiner Liebe. Die Liebe<br />

erweckt den Willen und die Tatkraft des Denkers, und es wird sodann<br />

unaufhaltsam <strong>der</strong> innere Begriff zur materiellen Verwirklichung<br />

erhoben ... Jetzt steht <strong>der</strong> frühere, rein geistige Begriff nicht mehr allein<br />

nur als ein geistiges Bild in seiner vollen Klarheit im Sensorium <strong>der</strong> Seele,<br />

son<strong>der</strong>n auch als ein gleichsam eingegrenztes festes Ebenmaß des inneren,<br />

geistigen Bildes in <strong>der</strong> materiellen Natur und ist zur Benutzung dessen<br />

bestellt, <strong>der</strong> es früher erdacht hatte. Die einzelnen Gedanken und Ideen,<br />

aus denen dann ein vollständig konkreter Begriff gebildet wurde, sind noch<br />

ganz geistiger Art und machen mit dem Geist einen und denselben Pol aus.<br />

Wir wollen ihn den Haupt- und Lebenspol nennen. Aber <strong>der</strong> konkrete, aus<br />

vielen verschiedenen Gedanken und Ideen bestehende Gesamtbegriff -


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Lehre von den Entsprechungen<br />

15<br />

wenn auch noch als ein rein geistiges Bild in <strong>der</strong> Seele - ist, weil er schon<br />

ein gewisses fixiertes Bestehen hat, nicht mehr dem Hauptpole angehörig,<br />

son<strong>der</strong>n dem Gegenpole, weil er gewisserart so wie ein ausgeschiedenes<br />

Ganzes für sich <strong>der</strong> Seele gegenüber in allen seinen Teilen anschaubar<br />

dasteht und durch die weitere Tätigkeit als materielle Sache hinausgestellt<br />

werden kann. Ein begrenztes und fixiertes Ding kann nicht mehr <strong>der</strong><br />

Lebenssphäre des Geistes und <strong>der</strong> Seele angehören." (Evgl. Joh. V, 228)<br />

Die heutige Psychologie mit ihrer Lehre von Assoziation und Begriffsbildung<br />

könnte sich nicht präziser ausdrücken, wenn sie das Denken als<br />

vom göttlichen positiven Pol aus zu begreifen lernte. Ernst Benz sagt:<br />

„Wer den Schlüssel zu den Entsprechungen <strong>der</strong> Dinge besäße, dem würde<br />

<strong>der</strong> Staub die Wahrheiten des Himmels verkündigen." Ohne zu übertreiben<br />

dürfen wir behaupten, dass alles, was sichtbar und hörbar existiert,<br />

Entsprechung geistig-göttlichen Wesens ist. „Die ganze Schöpfung und<br />

alles, was ihr mit euren Sinnen wahrnehmt, sind fixierte Gedanken, Ideen<br />

und Begriffe Gottes - auch ihr Menschen eurem sinnlichen Leibe nach, und<br />

wieweit die Seele mit dem Leib durch seinen Nerven- und Blutäther<br />

verbunden ist, ist auch sie fixierter Begriff und somit im Tode desselben<br />

haftend, denn im Gegenpole ist <strong>der</strong> Tod, die Trägheit und das Gericht, weil<br />

alles Fixierte nicht ewig ist, son<strong>der</strong>n sich in Geistiges zurückverwandeln<br />

muss. Die Seele kann sich dadurch, dass sie durch ihren freien Willen<br />

nach den Gesetzen Gottes dem rein Geistigen nachstrebt, befreien und mit<br />

ihrem Geist aus Gott ganz eins werden. Dadurch ist sie als selbsttätig und<br />

selbständig von ihrem alten Tode in das freie, ewige Leben übergegangen.<br />

Ist das Erkennen ein geistiges und zu Gott hinlenkendes, so wird die Liebe<br />

sich zu dem Geistigen und sonach zu Gott hinneigen und auch also tätig<br />

werden. Wird aber ein Mensch schon von <strong>der</strong> Wiege an mit nichts an<strong>der</strong>em<br />

in seinem Erkennen bereichert als mit dem, was dem Leibe dient, so wird<br />

auch seine Liebe ganz <strong>der</strong> Materie sich zuwenden und danach tätig werden,<br />

um sich materielle Schätze zu sammeln und durch sie dem Fleische<br />

mehr Annehmlichkeiten zu bereiten." (Evgl. Joh. V, 229) Das Erkennen ist<br />

zugleich ein Erfassen <strong>der</strong> Entsprechungen, ja, es gibt keine Erkenntnis, die<br />

sich nicht <strong>der</strong> Symbolsprache bedient. Wie <strong>der</strong> Mensch von <strong>der</strong> Sonne als<br />

von <strong>der</strong> Quelle des Lichts und <strong>der</strong> Wärme spricht, die seine irdische Welt<br />

erwärmt und erleuchtet, so folgert er daraus, dass die Einwirkung Gottes<br />

auf die geistige Schöpfung erleuchtend und erwärmend gleich <strong>der</strong><br />

irdischen Sonne ist. Bei dem Menschen sind seine Handlungen Wirkungen<br />

dessen, was er geistig gewählt hat. Sie sind Entsprechungen entwe<strong>der</strong><br />

seiner himmlischen o<strong>der</strong> seiner höllischen Beziehungen. Swedenborg sagt:<br />

„Ist <strong>der</strong> Mensch in <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Entsprechungen, so kann er mit den


16 Die Lehre von den Entsprechungen<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Engeln des Himmels zusammen sein in den Gedanken seines Gemütes und<br />

so seinem inneren Menschen nach mit ihnen verbunden werden. Damit<br />

eine Verbindung des Himmels mit dem Menschen möglich sei, ist die<br />

Heilige Schrift in lauter Entsprechungen geschrieben worden."<br />

Durch Jakob <strong>Lorber</strong> hören wir: „Die Entsprechungswissenschaft ist die<br />

innere Schrift und Sprache <strong>der</strong> Seele und des Geistes in <strong>der</strong> Seele. Wer<br />

diese Sprache verloren hat, <strong>der</strong> versteht die Schrift unmöglich, und ihre<br />

Sprache kommt ihm in seinem toten Weltlichte wie eine Torheit vor. Denn<br />

die Lebensverhältnisse des Geistes und <strong>der</strong> Seele sind ganz an<strong>der</strong>er Art als<br />

die des Leibes. So ist denn auch das Hören, Sehen, Fühlen, Denken, Reden<br />

und die Schrift des Geistes an<strong>der</strong>s beschaffen als hier unter den Menschen<br />

in <strong>der</strong> Naturwelt, und darum kann das, was ein Geist tut und spricht, nur<br />

auf dem Wege <strong>der</strong> alten Entsprechungswissenschaft dem Naturmenschen<br />

begreiflich gemacht werden." (Ev. IX) Die Worte <strong>der</strong> Schrift sind gleich<br />

<strong>der</strong> Schale eines Eies, innerhalb welcher sich auch ein Dreifaches birgt,<br />

nämlich das Weiße und das Gelbe und in <strong>der</strong> Mitte des Gelben erst das<br />

rötliche Lebensknäulchen, welches den Lebenskeim birgt. Diese<br />

Umhülsung muss in <strong>der</strong> materiellen Welt überall da sein, wo nur immer<br />

etwas ist, auf dass das innerste Göttliche nirgends, nie und von niemandem<br />

je verunreinigt werden kann. Weil aber überall in allem Naturmäßigen<br />

Geistiges, Himmlisches und Göttliches steckt, was doch offenbar die<br />

Allgegenwart des göttlichen Willens beweist, so besteht auch<br />

Entsprechung zwischen allem, was in <strong>der</strong> Welt, im Geisterreiche, im<br />

Himmel und endlich gar in Gott selbst sich vorfindet." (Evgl. Joh. V)<br />

Das zweckrationale Denken hat eine „Bil<strong>der</strong>verarmung" mit sich gebracht,<br />

obwohl wir von einer Flut von Bil<strong>der</strong>n durch Fernsehen, Film,<br />

Fotografie und Magazinen überschwemmt sind. Die Bil<strong>der</strong>, die wir täglich<br />

vom Kind bis zum Greis in uns aufnehmen, sind in gewisser Weise,<br />

gefälschte Entsprechungen, weil sie nicht mehr geistige Symbolkraft<br />

besitzen, son<strong>der</strong>n einen Reiz <strong>der</strong> Unterhaltung bilden. Wenn Goethe sagt<br />

„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“, so hat sich die Sicht auf das<br />

Gleichnishafte im heutigen Menschen durch die Fixierung auf das<br />

Nurmaterielle <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> verengt und verflacht. Man kann den Sinngehalt<br />

aller Erscheinungen nicht mehr begreifen. Die Eröffnung des Blicks für<br />

das Ganze <strong>der</strong> Schöpfung ist die Aufgabe <strong>der</strong> neuen Zeit, und das Werk<br />

Jakob <strong>Lorber</strong>s gehört mit an die erste Stelle <strong>der</strong> Möglichkeiten, diesen<br />

Blick schrankenlos zu öffnen.<br />

(Quelle: Der Plan Gottes, <strong>Lorber</strong>-Verlag)


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />

17<br />

Christ, <strong>der</strong> Retter ist da!<br />

Susanne Zaich<br />

Wir feiern Weihnachten - alle Jahre wie<strong>der</strong> - je<strong>der</strong> auf seine Weise.<br />

Manchmal möchte ich einfach aussteigen aus Geschäftigkeit, Bräuchen<br />

und Erwartungen, die oft mit dem Wesentlichen des Festes nur noch im<br />

Entferntesten zu tun haben.<br />

Geht es uns bei all dem wirklich um diesen Retter, um den Gottessohn,<br />

<strong>der</strong> zu unserer Rettung Mensch wurde?<br />

Leben wir wie Gerettete, leben wir aus <strong>der</strong> Erlösung?<br />

Sind wir gerettet o<strong>der</strong> sind wir überhaupt noch zu retten?<br />

Wozu brauchen wir diesen Retter, wozu die Erlösung – und von was?<br />

Wir sind vielmehr gewohnt, selbst Lösungen für all unsere Probleme zu<br />

finden.<br />

Da ist das Geld. Man sagt, es regiere die Welt. Wer die Spielregeln <strong>der</strong><br />

Geldwirtschaft beherrscht, gewinnt Macht und scheint umso freier zu sein,<br />

Gottes Ordnungen zu übertreten.<br />

Da ist unser Verstandeswissen. Es sieht so aus, als hätten wir uns selbst<br />

von <strong>der</strong> Last göttlicher Gesetze befreit und diese durch unseren Verstand<br />

und unzählige eigene Gesetze und Zwänge ersetzt.<br />

Wozu also ein Erlöser?<br />

Da ist wohl die tief verborgene Sehnsucht in unseren Herzen nach<br />

dieser vollkommenen Liebe, nach Geborgenheit, Heilung, Befreiung von<br />

allen Süchten und Übeln, nach dem Sieg des Guten über das Böse - und<br />

nach dem Helden, <strong>der</strong> nicht käuflich ist.<br />

Zu gerne würden wir diesen Helden in unseren Eltern, in unserem<br />

Partner, Freund, Kind o<strong>der</strong> am besten in uns selbst sehen, doch früher<br />

o<strong>der</strong> später kommen sie zum Vorschein, die Schattenseiten, die<br />

Enttäuschungen, Schmerzen, Fehler, Krankheiten, Vergänglichkeiten und<br />

die Schuld.<br />

Wie kommen wir von all <strong>der</strong> unguten Last los?<br />

Unsere Lösungen auf <strong>der</strong> materiellen Ebene scheinen dabei eine<br />

Verschiebung <strong>der</strong> Nöte und Drangsal auf die seelische Ebene zu bewirken.<br />

Und wer kennt sich hier wirklich aus?<br />

Psychologen? Wo doch die Seele wissenschaftlich nicht erfasst werden<br />

kann. Theologen, die die Seele bereits „abgeschafft“ haben?<br />

Zu sehr haben wir unser Leben an <strong>der</strong> verstandesgebundenen<br />

materiellen Seinsebene festgemacht, anstatt den göttlich spirituellen<br />

Ursprung und die göttliche Bestimmung unseres Seins ins Zentrum zu


18 Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

stellen.<br />

Überwältigend, aber auch ebenso beängstigend sind unsere Fortschritte,<br />

Erkenntnisse und unser Wissen auf allen Ebenen. Wie weit sind wir doch<br />

gekommen nach dem verhängnisvollen Biss in die verbotene Frucht des<br />

Baumes <strong>der</strong> Erkenntnis von Gut und Böse. Der Baum, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Wurzel<br />

des Hochmuts, des Besserwissens im Menschen emporwächst.<br />

Wie angestrengt suchen wir gerade in den letzten Jahren nach<br />

künstlichen Mitteln und Wegen, um dem göttlichen Fluch zu entkommen:<br />

„ im Schweiße deines Angesichtes sollst du arbeiten.“ und „…in<br />

Schmerzen sollst du gebären…“ (Gen.3, 16). Doch diese Mittel haben alle<br />

ihren Preis und erschreckende Schattenseiten.<br />

Wir können uns noch so sehr um das Gut-Sein bemühen, das Böse<br />

kommt dennoch zum Vorschein. Irgendwann, in den Kin<strong>der</strong>schuhen<br />

unseres Mensch-Seins, sind wir alle, ausnahmslos, herausgefallen aus<br />

Seinem Gut. Und das ohne Rückfahrkarte: „wenn ihr davon esst, müsst ihr<br />

sterben!“ (Gen.3,3)<br />

Ganz offensichtlich war es Gott sehr ernst mit seinem Verbot und Er<br />

hält Sein Wort.<br />

Das Böse hat im Guten keinen Platz. Wir haben die Anlage, Kin<strong>der</strong><br />

Gottes zu sein, durch unser eigenmächtiges „So-Sein-Wollen´- wie Gott“<br />

verspielt. Der Tod, <strong>der</strong> hier gemeint ist, betrifft nicht nur unseren<br />

materiellen Leib, son<strong>der</strong>n auch und gerade Seele und Geist. Unsere heile<br />

innere Welt, unser Seelenheil hat ein Leck bekommen. Und das<br />

verheerende ist, dass kein Mensch dieses aus sich selbst heraus wie<strong>der</strong><br />

reparieren kann, auch nicht im Jenseits o<strong>der</strong> in einer neuen Inkarnation.<br />

Wir können nicht in das Gute zurückkehren, solange uns das Böse noch<br />

anhängt und uns verunreinigt. Diese Tragik bringt uns das Alte Testament,<br />

im Ringen des Volkes Israel , ausdrucksvoll vor Augen. Um vor Gott<br />

doch endlich bestehen zu können, ist es einem endlosen Wechsel von<br />

Gehorsam, Fall, Reue und Opfer ausgesetzt. Doch keiner besteht ohne<br />

Schuld. Das passt irgendwie nicht in unser heutiges Bild vom<br />

barmherzigen Gott. So viele Opfer wurden gebracht, doch keines war<br />

ausreichend. Die Versöhnung war nur durch den lange verheißenen<br />

Messias in Aussicht gestellt. Gott selbst hat sie von langer Hand geplant.<br />

Er ist in Jesus Mensch geworden, hat sich als Menschensohn allem Bösen<br />

bis zum Äußersten ausgesetzt und blieb dennoch ganz eins mit dem Guten,<br />

mit dem Vater. Er hat das Böse ans Kreuz getragen, ohne jemals selbst<br />

böse zu sein. Er hat das Böse besiegt und so kann auch nur Er uns vom<br />

Bösen erlösen. Darum sollen wir in Seinem Gebet bitten: „ …son<strong>der</strong>n<br />

erlöse uns von dem Bösen“


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />

19<br />

Es gibt ihn wirklich, diesen Kampf von guten und bösen Mächten um<br />

unsere Seele, doch auch heute lassen wir uns wie<strong>der</strong> durch Lügen<br />

Trugbil<strong>der</strong> vortäuschen. Die einen erklären Satan und somit auch Gott als<br />

nicht existent, damit gibt es auch keine Konsequenzen für Schuld.<br />

Zerstörung und Tod sind die Folgen. An<strong>der</strong>e gaukeln uns vor, dass das<br />

Böse stärker sei. Und wenn wir unsere Welt betrachten, hat es auch auf<br />

allen Ebenen diesen Anschein. Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e glauben, selbst das Böse zu<br />

besiegen.<br />

Der Sieg, den Jesus am Kreuz für uns erkämpft hat, ist noch nicht in<br />

unserem Herzen zur Realität geworden- wenn wir auch 2000 Jahre nach<br />

Jesu Auferstehung noch immer glauben, selbst das Böse in und um uns<br />

besiegen zu können. Bei all unserer Anstrengung, so sein zu wollen wie<br />

Gott, merken wir nicht einmal, dass wir gerade dadurch dem wahren<br />

Guten, dem Besseren, im Weg stehen und dem Negativen Vorschub<br />

leisten. Wir beten zwar das Vater unser, aber ob es uns mit unseren Bitten,<br />

die darin vorkommen, so ernst ist, sei dahin gestellt. Spüren wir unsere<br />

tiefste Bedürftigkeit, dass wir befreit werden müssen von göttlicher Hand,<br />

dass es tatsächlich um ewiges Leben in Fülle o<strong>der</strong> ewiges Getrenntsein von<br />

Gott (den ewigen Tod) geht?<br />

Die Rettung ist seit 2000 Jahren möglich, doch ergreifen wir die<br />

rettende Hand und lassen alles an<strong>der</strong>e los – auch die Vorstellung, uns<br />

selbst aus dem Sumpf ziehen zu können?<br />

Haben wir uns einmal bewusst gemacht, dass wir alle etwas in uns<br />

tragen, das unseren Gott, Schöpfer und Vater zu tiefst beleidigt hat? So<br />

tief, dass Er so lange unversöhnlich war. Und lei<strong>der</strong> beleidigen wir Ihn<br />

auch jetzt immer noch - bewusst o<strong>der</strong> unbewusst.<br />

Als Eltern erleben wir mit unseren Kin<strong>der</strong>n einen winzigen Anteil<br />

dessen, was unser himmlischer Vater mit all seinen Kin<strong>der</strong>n erfährt und<br />

erleidet. Wie hart ist es, wenn die eigenen Kin<strong>der</strong> sich gegen uns stellen,<br />

unseren Rat nicht befolgen, uns anlügen, gefährliche und verbotene Wege<br />

gehen, fallen, in Süchte verfallen, ihr Leben aufs Spiel setzen, von uns fort<br />

gehen, ihr Erbe vergeuden.<br />

Wie unbeschreiblich gut tut es, wenn <strong>der</strong> verlorene Sohn heimkommt.<br />

Wie wenig wollen wir wahrhaben, dass dieser unfassbare Gott, den wir<br />

auch den Gott <strong>der</strong> Liebe nennen, nicht nur wie ein Vater ist, son<strong>der</strong>n als<br />

unser Vater die Beziehung zu uns sucht. Er hat uns in Beziehung zu sich<br />

geschaffen, denn nur in einer innigen Beziehung und Zuwendung kann<br />

Liebe gelebt werden. Er sehnt sich nach unserer Liebe und Hingabe. Und<br />

wahre Liebe ist bereit, Opfer zu bringen. Ist es nicht das höchste Opfer,<br />

wenn <strong>der</strong> Vater seinen einzigen, vollkommen guten Sohn, seinen einzigen


20 Christ, <strong>der</strong> Retter ist da<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Augenstern, ausliefert, damit das Böse im Menschen sich an ihm bis zum<br />

Äußersten vergehen kann? Der Vater muss mit ansehen, wie sein geliebter<br />

Sohn freiwillig auf alle göttliche Macht und Hilfe verzichtet und wie er<br />

erduldet, dass das Geschöpf den Schöpfer bis aufs Äußerste demütigt,<br />

verletzt, ja ermordet dem Leibe nach.<br />

Gibt es ein größeres Opfer und gibt es eine größere Schuld? Und doch<br />

liegt das Potential zu diesem furchtbaren Vergehen im Bösen und somit in<br />

uns allen. Es musste das Böse bis zum Äußersten gehen, damit die Liebe<br />

sich in <strong>der</strong> äußersten Barmherzigkeit entäußere. Die Liebe besiegte das<br />

Böse und <strong>der</strong> Vater nahm das Opfer als ‚Ver-Söhnung‘ an. Durch, mit und<br />

in dem Sohn können nun auch wir alle mit dem Vater versöhnt sein, eins<br />

werden und zu dem werden, zu was wir eigentlich vom Vater bestimmt<br />

sind von Ewigkeit.<br />

Nicht dass wir es verdient hätten. Es ist Begnadigung aufgrund eines<br />

gewaltigen Opfers. Gott starb, damit wir leben. Doch erst wenn wir<br />

erfahren, was eigentlich auf dem Spiel steht, wie verloren wir sind, wie<br />

leer und tot unser Leben ohne Ihn ist, macht die Rettung und Begnadigung<br />

einen Sinn.<br />

Die Heiligen Schriften bezeugen es und schließen uns gewaltige<br />

Geheimnisse um den Heils- und Rettungsplan Gottes mit uns Menschen<br />

auf. Doch nicht durch Wissen, Lesen und Forschen, son<strong>der</strong>n in erster Linie<br />

durch eine persönliche Beziehung, erschließt sich uns Seine Liebe und<br />

Weisheit. Diese findet ihren Ausdruck in Zuwendung, Glaube und<br />

Vertrauen.<br />

Glauben wir das?! Wollen wir uns beschenken lassen?<br />

Christ <strong>der</strong> Retter ist da! Halleluja!<br />

<br />

„Wie Gott als Mensch geboren ist, also soll auch <strong>der</strong> Mensch für<br />

Gott geboren werden, aus Gott, in Gott, mit Gott, nicht von Natur,<br />

son<strong>der</strong>n von Gnaden. Dann kommt Gott und nimmt den Menschen an,<br />

erneuert ihn, herrscht in ihm, lebt in ihm, und also wird Gott<br />

Mensch, denn er nimmt den ganzen Menschen an, und also wird <strong>der</strong><br />

Mensch Gottes Sohn, nicht von Natur, son<strong>der</strong>n aus Gnade.<br />

Das meint die neue Geburt, <strong>der</strong> neue Mensch, Bekehrung, wahrer<br />

Gehorsam. Wir dürfen Christus in uns suchen, nicht außer uns.<br />

Darum beten wir, dass wir lernen in uns das Reich Gottes zu finden, zu<br />

fühlen, zu schmecken.“<br />

Valentin Weigel (1533-1588)


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

21<br />

Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

Jakob Ganz (1791-1867)<br />

Christus in uns ist <strong>der</strong> Hauptgrund, um den sich alles<br />

dreht, und auf den alles ankommt, wenn wir wie<strong>der</strong> in<br />

unsern ersten Ursprung eingehen, und hiermit wesentlich<br />

mit Gott vereinigt werden wollen. Christus in uns ist das<br />

große Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit, das Reich Gottes in<br />

uns, das A und das O, <strong>der</strong> Anfang und das Ende, <strong>der</strong> Erste<br />

und <strong>der</strong> Letzte.<br />

Wie nun dieser inwendig verborgene, geistige,<br />

himmlische Christus einst in <strong>der</strong> Person Jesu von Nazareth<br />

Jakob Ganz<br />

Schweizer Pfarrvikar<br />

und Erweckungsprediger<br />

Mensch geworden, und das große Erlösungswerk äußerlich ausgeführt hat;<br />

also will eben <strong>der</strong>selbe innere, unsichtbare, geistige und himmlische<br />

Christus noch in einem jeden von uns Mensch werden, eine Gestalt<br />

gewinnen, und dieses Erlösungswerk innerlich in jedem Einzelnen<br />

ausführen; uns auch <strong>der</strong> himmlischen, göttlichen Natur teilhaftig machen,<br />

wie einst den Erstgeborenen, <strong>der</strong> in allem uns gleich war, ausgenommen<br />

die Sünde, und deswegen in allen Dingen den Vorrang hat.<br />

Lasst uns also von dem äußeren Christus im Fleisch einmal zu dem<br />

inneren Christus, dem Christus im Geist schreiten! Solange du, o Mensch!<br />

nur die äußere Person des Erstgeborenen betrachtest, und bei diesem Bild<br />

stehen bleibst, kannst du nicht zur wahren Erkenntnis Gottes und Jesu<br />

Christi gelangen, welches doch das ewige Leben ist. Du kannst nie<br />

gründlich heil, nie wahrhaftig erlöst und vollkommen werden. Dein<br />

Glaubensgebäude ruht nur auf Sand, und am Ende bist du betrogen. Statt<br />

also nur bei <strong>der</strong> äußeren Person Christi stehen zu bleiben, musst du dein<br />

Geistesauge auf den inneren, unsichtbaren, geistigen Christus und Sohn<br />

Gottes richten, <strong>der</strong> eben in jener sichtbaren Person Jesu verborgen war,<br />

und durch dieselbe sprach und wirkte. So wird einem das Geheimnis <strong>der</strong><br />

Gottseligkeit auf einmal aufgeschlossen, und zur höchsten Verwun<strong>der</strong>ung<br />

sonnenklar, so dass es kein Geheimnis mehr ist.<br />

Damit es aber diesem himmlischen Christus gelingt, uns wie<strong>der</strong><br />

vollkommen zu erlösen, und in unsere erste paradiesische und himmlische<br />

Heimat zurückzuführen, so müssen wir von allem Eigenwirken und<br />

Eigenwollen abstehen, uns Ihm zum Opfer hingeben, stillhalten, seiner<br />

Stimme in uns folgen, und wie ein Lamm leiden, geduldig, ergeben und<br />

gelassen, mit gewisser Zuversicht und lebendiger Hoffnung, dass das Werk<br />

herrlich werde ausgeführt werden. Der göttliche Same zu einem neuen<br />

Menschen liegt in einem jedem. Das ist eben, was Paulus zu Timotheus


22 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

sagen wollte: „Erwecke die Gabe, die in dir ist - ergreife das ewige<br />

Leben!“<br />

Wenn Christus nach seinem Geist in uns kommt, und wir Ihn innerlich<br />

im Glauben annehmen, und uns an Ihm festhalten, so ist Er gleich hinter<br />

unserem alten Menschen her, <strong>der</strong> durch Lüste und Irrtum verdorben ist, um<br />

ihn durch allerlei Leiden von außen und innen zu kreuzigen, zu töten und<br />

ganz und gar abzutun, damit <strong>der</strong> sündliche Leib aufhöre, und wir hinfort<br />

<strong>der</strong> Sünde nicht dienen, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten.<br />

Bei dieser geistlichen Kreuzigung, welche in <strong>der</strong> wahren Verleugnung<br />

<strong>der</strong> Welt und unser selbst besteht, haben wir also weiter nichts zu tun, als<br />

alles zu lassen, was Christus von uns for<strong>der</strong>t, weil hier Geben seliger ist<br />

als Nehmen. Auch sollen wir nach dem Vorbild des Erstgeborenen mit<br />

Lammesgeduld leiden, bis Christus das falsche Natur- und Sinnenleben<br />

völlig getötet, das Opfer vollendet, alle uns selbst angemaßte Rechte<br />

dem Vater wie<strong>der</strong> zurückgestellt, und Ihn hiermit gänzlich befriedigt<br />

hat, dass Christus in einem solchen Menschen rufen kann: „Es ist<br />

vollbracht!“<br />

Durch diesen Leidens- und Sterbensprozess ist nun <strong>der</strong> Mensch mit<br />

Christo in seinem Tod getauft und begraben, dem Gesetz und <strong>der</strong> Sünde<br />

für immer und ewig abgestorben, gerechtfertigt, und von <strong>der</strong> Strafe frei,<br />

und los von allen Sünden. Auch das Fortsündigen hat nun bei ihm ein<br />

für allemal aufgehört. Er steht jetzt unter dem Gesetz des Geistes, <strong>der</strong><br />

da lebendig macht in Christo Jesu. O seliger Stand, wo <strong>der</strong> alte Sün<strong>der</strong><br />

geschlachtet und abgetan (Röm. 8,10), die Gerechtigkeit, vom Gesetz<br />

gefor<strong>der</strong>t, in einem solchen geistlich gestorbenen Menschen erfüllt, und<br />

er also mit Gott dem Vater ausgesöhnt und vereinigt ist. Nun befindet<br />

sich <strong>der</strong>selbe in einer völligen Todesstille und tiefen Grabesruhe.<br />

Alle eigene Kraft und Wirksamkeit ist verschwunden, und er geht<br />

nun auch dem Auferstehungszustand Christi entgegen. Derselbe Geist,<br />

welcher Jesum, den Erstgeborenen, vom Tode auferweckt hat, wird<br />

einen solchen Menschen auch auferwecken, ihn zum neuen, göttlichen<br />

und ewigen Leben hervorrufen, so dass er jetzt nicht mehr im alten<br />

Wesen des Buchstabens, son<strong>der</strong>n im neuen Wesen des Geistes lebt!<br />

Durch dieses geistige Sterben mit Christo wird <strong>der</strong> Mensch hier in <strong>der</strong><br />

Zeit schon zu einer neuen Kreatur in Christo, wahrhaftig<br />

wie<strong>der</strong>geboren, <strong>der</strong> göttlichen Natur teilhaftig, und also zu einem<br />

wirklichen Sohn Gottes umgeschaffen, dass er die Gebote Gottes wie<br />

<strong>der</strong> Erstgeborene (Joh. 12,37) vollkommen erfüllen und des Vaters<br />

Wille vollkommen tun kann. Es fällt ihm nicht schwer, son<strong>der</strong>n ist ihm<br />

ganz natürlich, eine himmlische Lust und Freude, ein sanftes Joch und


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

23<br />

eine leichte Last!<br />

Ein solcher braucht nun kein gesetzliches Wesen mehr, hat auch<br />

nicht nötig, dass ihn jemand lehre, denn er hat die Salbung von dem,<br />

<strong>der</strong> da heilig ist, und weiß alles. Die Salbung lehrt ihn allerlei, er<br />

wandelt vor Gott wie Abraham, und wird vollkommen. Er wird selbst<br />

eine lebendige Kirche, eine Wohnung Gottes und ein Tempel des<br />

Heiligen Geistes. Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele,<br />

mit ganzem Gemüte, ja aus allen Kräften lieben, und den Nächsten wie<br />

sich selbst! seht, das ist nun sein ganzer Gottesdienst!<br />

Alle seine bisherigen Besserungs- und För<strong>der</strong>ungsmittel zur<br />

Seligkeit sind jetzt für ihn ganz überflüssig, weil er den Zweck erreicht<br />

hat. Das Wort des Herrn wird an ihm erfüllt: „Ich will reines Wasser<br />

über euch sprengen, dass ihr rein werdet von aller eurer Unreinigkeit,<br />

und von allen euren Götzen will ich euch reinigen; und will euch ein<br />

neues Herz und einen neuen Geist in euch geben, und will das steinerne<br />

Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischernes Herz<br />

geben. Ich will meinen Geist in euch geben, und will solche Leute aus<br />

euch machen, die in meinen Geboten wandeln, meine Rechte halten und<br />

darnach tun. Und ihr sollt wohnen im Lande, das ich euren Vätern<br />

gegeben habe, und sollt mein Volk sein, und ich will euer Gott sein. Ich<br />

will mein Gesetz in euer Herz geben, und in euren Sinn schreiben, und<br />

ihr sollt mein Volk sein, so will ich euer Gott sein. Und keiner wird den<br />

an<strong>der</strong>n, noch ein Bru<strong>der</strong> den an<strong>der</strong>n, lehren und sagen: Erkenne den<br />

Herrn! son<strong>der</strong>n ihr sollt mich alle kennen, beide, klein und groß, spricht<br />

<strong>der</strong> Herr. Denn ich will eure Missetat vergeben, und eurer Sünden nicht<br />

mehr gedenken.“ (Jer. 31 u. Hesek. 36).<br />

So lasse denn, o Seele! den geistigen Christus, den zweiten Adam,<br />

auch in dich kommen, wie er in dem Menschen Jesu war, so wirst du<br />

auch ein Sohn Gottes, dass du sagen kannst: „Ich und <strong>der</strong> Vater sind<br />

eins! meine Speise ist, dass ich den Willen des Vaters tue; dein Gesetz,<br />

o mein Gott! habe ich in meinem Herzen!“ So kannst du in diesem<br />

Leben schon dazu gelangen, dass du nicht mehr sündigst, nicht mehr zu<br />

streiten und zu kämpfen hast mit Sünde, Welt, Fleisch und Blut; denn<br />

du bist durch Christus in dir vollkommen erlöst, und mit Ihm gleicher<br />

Natur teilhaftig, also mit Ihm ins himmlische Wesen versetzt worden.<br />

Du lebst nun in <strong>der</strong> herrlichen Freiheit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Gottes im Paradies,<br />

in Gott, deinem Ursprung, genießest den göttlichen Frieden, bist in<br />

sicheren Wohnungen, in stolzer Ruhe im Lande <strong>der</strong> Verheißung, in<br />

Kanaan, worin Milch und Honig fließt! Da ist kein Leid, kein Geschrei,<br />

kein Schmerz mehr, denn das Erste ist vergangen! Der Ankläger ist


24 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

verworfen, die Klagen über Schwachheit, Sünden, Unwürdigkeit und<br />

Unvollkommenheit sind verstummt, weil da kein Einwohner sagen<br />

wird: „Ich bin schwach!“ son<strong>der</strong>n: „Im Herrn habe ich Gerechtigkeit<br />

und Stärke.“ Wenn schon <strong>der</strong> Teufel diesen glückseligen Seelenzustand<br />

beneidet, und allerlei Lästern, Schelten und Stürme zu erregen sucht, so<br />

sind das nur unbedeutende Schrecknisse und letzte Zuckungen, die dir,<br />

o unaussprechlich selige Seele, weiter keinen Schaden zufügen können!<br />

Nur Dank und Ruhm, Lob und Preis wird da gehört, und ist dies also<br />

das eigentliche Himmelreich im Menschen, wie es nach und nach<br />

überall auf <strong>der</strong> ganzen Erde sein wird. Einen solchen starken,<br />

allmächtigen und vollkommenen Heiland haben wir an dem inneren<br />

Christus im Geist, wenn wir Ihm Platz machen, Ihm unser ganzes<br />

Inwendiges einräumen, und uns von Ihm ausarbeiten lassen.<br />

O meine teuren Geliebten! die ihr von ganzem Herzen neugeboren,<br />

neue Kreaturen in Christo werden, und Gott dienen möchtet in<br />

rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, wie es vor Ihm<br />

wohlgefällig ist; wandelt nur den kurzen, einfachen und sicheren Weg,<br />

<strong>der</strong> euch im Wort des Herrn vorgeschrieben ist. Er spricht: Wenn ihr<br />

stille bleibet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen<br />

würdet ihr stark sein." (Jes. 30,I5).<br />

Dieses Stillesein besteht in <strong>der</strong> völligen Überlassung unserer selbst,<br />

und was uns angeht, für Zeit und Ewigkeit - an Gott, dass wir nämlich<br />

nicht mehr ängstlich sorgen, nicht in eigener Kraft wirken, son<strong>der</strong>n mit<br />

unseren Sinnen, Gedanken, Wollen und Wirken uns zu Grund<br />

versenken, und uns Ihm also hingeben zum Opfer und ewigen<br />

Eigentum, damit wir Ihm nicht mehr im Wege stehen und seine<br />

gnadenreiche Wirkung in uns verhin<strong>der</strong>n! Dann erst, wenn wir uns Ihm<br />

so gelassen, ruhig, friedsam und leidend aufopfern, kann und wird Er<br />

ein Neues im Lande unseres Innern erschaffen. Er wird aus dem<br />

schrecklichen Chaos unserer selbst eine herrliche, neue und zweite<br />

Schöpfung hervorbringen. Erst dann kann <strong>der</strong> Vater seinen Sohn in uns<br />

zeugen, und uns also den Heiland innerlich senden, <strong>der</strong> uns nach und<br />

nach von dem alten Menschen befreit, und uns den neuen Menschen<br />

anzieht, <strong>der</strong> nach Gottes Gleichnis geschaffen ist. -<br />

O wer doch die ewige, unverän<strong>der</strong>liche Gemütsstille in Gott recht<br />

verstünde, die tiefe Sabbatruhe, <strong>der</strong> würde in kurzer Zeit an Geist, Seele<br />

und Leib sich verän<strong>der</strong>t fühlen! An diesem Sabbat heilt Christus, und<br />

macht den ganzen Menschen gesund. An diesem Sabbat legt Er dem<br />

Blinden Kot auf die Augen, und öffnet sie! - Als jener Kämmerer aus<br />

Mohrenland sich durch Philippus wollte taufen lassen, hieß es: "Und er


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

25<br />

hieß den Wagen stille halten." So muss eben <strong>der</strong> Wagen unseres<br />

Eigenwirkens, Treibens, Sorgens, Wollens und Laufens stille halten,<br />

dann können wir erst mit Geist und Feuer getauft werden! Ach wie gut<br />

kann man es doch haben, wenn man sich in Demut Gott aufopfert, und<br />

sich Ihm wie ein hilfloses Kind überlässt! Aber sehr wenige dürfen<br />

diesen Schritt wagen; sie fürchten, ihre Seele möchte verloren gehen,<br />

sie wollen sie nicht überlassen, darum werden sie sie einst im traurigen<br />

Sinn des Wortes lassen müssen. „Wer sein Leben verliert um<br />

meinetwillen“, heißt es, „<strong>der</strong> wird es erhalten, und wer sein Leben<br />

erhalten will, <strong>der</strong> wird es verlieren.“ Ach, wie sind die Menschen so<br />

äußerlich und fleischlich, und verbildet worden! Wie sehr sind sie in<br />

diesinnlichen Dinge zerstreut.<br />

Ihr Herz und ihre Lust ist ganz in dieselben ergossen. Ihre Sinne<br />

sind auswärts statt einwärts gekehrt. Sie sind fast nie zu Hause bei<br />

ihnen selbst, und hören also dem ewigen Wort nicht zu, dass sie weise<br />

würden! Wer demselben hingegen beständig zuhört und gehorsam ist,<br />

hat an<strong>der</strong>e Prediger nicht nötig, er ist immer in <strong>der</strong> Kirche, denn <strong>der</strong><br />

Herr lehrt noch täglich im Tempel des Herzens, wie Er sich ehemals im<br />

Äußeren vernehmen ließ. O heidnisches Sorgen, Eigenwirken und<br />

Zappeln! du mordest Christum im Geist! Er kann ja so nicht<br />

aufkommen und eine Gestalt in dir gewinnen, wenn du Ihn so<br />

unterdrückst, obwohl du es gut meinst!<br />

Ihr aber, die ihr euch gerne stille zum Opfer hingebt, und Gott wollt<br />

machen lassen - Ruhe mit euch und Friede in aller Fülle! Erschrecket<br />

nicht, wenn ihr schon in eurem Innern hört Krieg und Kriegsgeschrei;<br />

wenn teure Zeiten kommen, wo euch Trost und Glaubensgewissheit<br />

gebricht. Fürchtet euch nicht, wenn die Pestilenz eintritt, wo ihr alles<br />

Eigene in euch verwelken und absterben sehet; wenn ein Königreich<br />

wi<strong>der</strong> das an<strong>der</strong>e sich empört, d.h. wenn das Reich Gottes in euch das<br />

Reich des Satans zerstört, wo <strong>der</strong> neue Mensch mit dem alten Krieg<br />

führt, wo lauter Streit und Kampf mit Sünde, Welt, Fleisch und Blut, ja<br />

gar mit dem Fürsten <strong>der</strong> Finsternis ist. Fürchtet euch nicht, wenn sich<br />

ein Kriegsheer von schrecklichen Zweifeln, Unglauben, bösen<br />

Gedanken und grimmigen Leidenschaften vor eure Seele lagert, solange<br />

ihr den inneren Christus im Geist festhaltet, und euch Ihm stets<br />

überlasset.<br />

Alles dieses kann euch nichts schaden, son<strong>der</strong>n muss euch zum<br />

ewigen Besten dienen! Wenn alles drunter und drüber geht, so brechet<br />

getrost hindurch durch alle Donnerwetter und Gewitterstürme von<br />

Missverständnissen, Verleumdungen, Lästerungen und Verfolgungen!


26 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und ihr könnet während <strong>der</strong> Zeit<br />

dieser Kreuzigung und Sterben mit Christo dennoch wie im Himmel<br />

sein, durch eine lebendige Hoffnung, dass diese Kämpfe und Leiden die<br />

unverwelkliche Krone <strong>der</strong> Ehren euch einbringen werden! Alles hat<br />

seine Zeit! Man muss nicht immer kämpfen, sich verleugnen und<br />

absterben. Christus im Geist macht diesem alten Menschen um so eher<br />

ein Ende, je treuer wir sind im Absterben. Der alte Sün<strong>der</strong> muss bald<br />

sterben, wenn man ihm alle Nahrung seines falschen Lebens entzieht,<br />

und nur nach ewig bleibenden Gütern strebt.<br />

Frohlocket demnach, hüpfet auf vor Jubel, die ihr den inneren<br />

Christus im Geist kennet, und von Ihm erkannt seid, die ihr eine<br />

lebendige Überzeugung und Gewissheit habt, dass Er euch vollkommen<br />

erlösen wird! Schon während eures Leidens und Sterbens mit Christo<br />

könnt und dürft ihr euch im Geist unaussprechlich freuen, weil ihr<br />

durch eine lebendige Hoffnung wisset, dass auf dieses geistige Sterben<br />

ein neues, ewiges und unsterbliches Leben folgt, eine selige<br />

Auferstehung, <strong>der</strong> volle Tag <strong>der</strong> Ewigkeit. Auf die Tränensaat folgt<br />

eine ewige Freudenernte. Selig ist also <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> die Anfechtung<br />

erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens<br />

empfangen, welche Gott verheißen hat allen denen, die Ihn lieben.<br />

Auf denn, ihr geistlich Gekreuzigten und Sterbenden! Lasst euch<br />

nicht lass und mutlos machen durch kleine Leiden, Anfechtungen und<br />

Wi<strong>der</strong>wärtigkeiten, sie mögen heißen wie sie wollen. Sterbet fort und<br />

fort dem alten Adam ab, bis <strong>der</strong> neue Adam, <strong>der</strong> Herr vom Himmel, als<br />

<strong>der</strong> Letzte über dem Staub eurer geistigen Vernichtigung stehen und<br />

siegreich überwunden haben wird. Keine Spur darf mehr übrig bleiben<br />

vom alten Sinnenleben, son<strong>der</strong>n das göttliche Leben Christi, das Leben<br />

<strong>der</strong> Ewigkeit, soll an dessen Stelle sein, welches hier in dieser Zeit<br />

noch geschehen kann.<br />

Fangt nur herzhaft an zu glauben, dass es dem Herrn möglich sei,<br />

euch dahin zu bringen. Tut Ihm doch diese Ehre an, so werdet ihr gleich<br />

seine verborgene Kraft in euch empfinden, allem Bösen zu wi<strong>der</strong>stehen,<br />

und alles zu überwinden, was euch hin<strong>der</strong>n könnte, nach dem<br />

vorgesteckten Ziel eurer himmlischen Berufung Gottes in Christo Jesu<br />

nachzujagen. Wenn ihr fallet, so stehet bisher im Allgemeinen, son<strong>der</strong>n<br />

im Geist und in <strong>der</strong> Wahrheit. - O herrliche Zeit! o angenehmer Tag des<br />

Heils! o Licht <strong>der</strong> Wahrheit, wie hell leuchtest du in <strong>der</strong> Finsternis, die<br />

dich zwar nicht begreifen kann, aber von deinem allmächtigen Glanz<br />

verschlungen wird.<br />

O ihr Wahrheit suchenden Seelen! lasst euch doch nicht länger mehr


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

27<br />

durch den großen Unglauben zurückhalten, als wäre es unmöglich, in<br />

diesem Leben schon gänzlich erlöst und in den paradiesischen Stand<br />

des Friedens und <strong>der</strong> wesentlichen Wie<strong>der</strong>vereinigung mit Gott zu<br />

gelangen.<br />

Dafür ist Er ja im Fleisch erschienen, und hat uns die Möglichkeit<br />

erworben, dazu zu gelangen Es ist die ewige Wahrheit, aber sie scheint<br />

fremd, neu und unbekannt, dass es einem das Herz zerreißen möchte.<br />

Die Wahrheit muss wie<strong>der</strong> öffentlich gelehrt und befolgt werden, dass<br />

wir nämlich durch das Leiden, Sterben und Auferstehen mit Christo im<br />

Geist, schon in dem Leben zur himmlischen, göttlichen Natur hinauf<br />

geadelt, und also in den Stand gesetzt werden können, nicht mehr zu<br />

sündigen. Denn wer Sünde tut ist ja vom Teufel, sagt Johannes, und<br />

dazu ist <strong>der</strong> Sohn Gottes eben erschienen, dass Er die Werke des<br />

Teufels zerstöre - erschienen, dass Er unsere Sünden hinwegnehme,<br />

und in Ihm ist keine Sünde - dass wir also dann kraft dieser göttlichen<br />

Natur auch Gottes Gebote vollkommen halten, und des Vaters Willen<br />

vollkommen tun können.<br />

Es ist ja so natürlich, dass wenn <strong>der</strong> wahre Christus in uns erscheint,<br />

lebendig und offenbar wird, Er noch das gleiche Geschäft verrichtet,<br />

wie vor 2000 Jahren in <strong>der</strong> Person Jesu von Nazareth! O ewige<br />

Wahrheit! Warum wirst du so verkannt und bestritten! Warum sollen<br />

die armen Seelen glauben, dass sie bis zum Tode immer die gleichen<br />

armen, schwachen, elenden, sündigen und unvollkommenen Menschen<br />

bleiben müssten, da doch dies im Worte Gottes nirgends ausgedrückt<br />

wird, und also <strong>der</strong> Wahrheit ganz entgegen ist! Wohl aber heißt es: Ihr<br />

sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.<br />

Wandle vor mir und sei vollkommen, heißt es eigentlich im Grundtext.<br />

Ach seid doch nicht mehr so ungläubig, so engherzig und in euch<br />

selbst eingesperrt, gebt doch Gott einmal die Ehre! Schleppt euch doch<br />

nicht mit dem alten Adam bis zum leiblichen Tod herum. Stützt euch<br />

nicht nur auf diejenigen Schriftstellen, die den Menschen zum Sün<strong>der</strong><br />

machen, weil er noch nicht durch Christum erlöst ist, und wodurch ihr<br />

euch im Unglauben nur noch mehr versteift. Durch den leiblichen Tod<br />

werdet ihr ja um kein Jota seliger und vollkommener. Wie <strong>der</strong> Baum<br />

fällt, so bleibt er liegen; wie ihr sterbet, so findet ihr euch in demselben<br />

Augenblick in <strong>der</strong> Ewigkeit wie<strong>der</strong>. Ach raubt doch Christo nicht<br />

länger seine Ehre, vernichtet doch nicht seine Vollkommenheit. Er ist ja<br />

ein vollkommener Gott, und kann vollkommen selig machen. Christus<br />

im Geist macht ja allen Klagen über Sünden, Schwachheit,<br />

Unwürdigkeit und Unvollkommenheit ein Ende, laut den klaren


28 Das Geheimnis <strong>der</strong> Gottseligkeit<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Aussprüchen <strong>der</strong> Heiligen Schrift (Rom. 6,1; Joh, 3 usw.)<br />

Ihr macht Ihm so keine Ehre, son<strong>der</strong>n tut Ihm Schmach an, und<br />

macht Ihn zum Lügner! Klagen, Schmerz und Jammern über die<br />

Sünden hat seine Zeit und muss auch sein, wer aber von ganzem Herzen<br />

<strong>der</strong> Sünde absagt, und von nun an Gott lieben und seinen Willen tun<br />

will, ein solcher hat gleich Vergebung aller seiner vormals begangenen<br />

Sünden. Es wird ihrer ewig nicht mehr gedacht werden, wie <strong>der</strong> Herr<br />

selbst bezeugt, nur dass ein solcher treu nach dem Wort des Lebens<br />

fortwandelt. So muss er ja nicht die ganze Lebenszeit mühselig und<br />

beladen sein, nicht immer jammern, zagen und mit dem Ich geplagt<br />

sein, und in Sünden leben, son<strong>der</strong>n er wird durch CHRISTUS IN UNS<br />

ins himmlische Wesen versetzt, in ewige Ruhe und unwandelbaren<br />

Frieden, nachdem '<strong>der</strong> alte Sün<strong>der</strong> ist geschlachtet und gänzlich abgetan<br />

worden, auch <strong>der</strong> volle Stolz, die Ichheit, die Selbstgefälligkeit und<br />

alles ungöttliche Wesen. Stattdessen herrscht <strong>der</strong> im Geist<br />

auferstandene neue Mensch, CHRISTUS, und dieser kann und will ja<br />

nicht sündigen, denn Er ist vollkommen und heilig wie Gott, sein<br />

Vater!<br />

O ihr ewig seligen Seelen! denen dieses große, gottselige Geheimnis<br />

innerlich kundgeworden ist, und die ihr es an euch selbst erfahret -<br />

trinket unaufhörlich aus <strong>der</strong> unversiegbaren Quelle des lebendigen<br />

Wassers, von dem neuen Wein des Reiches Gottes, das wirklich in euch<br />

gekommen ist! Keine Macht <strong>der</strong> Hölle kann euch aus eures Vaters<br />

Hand herausreißen, nichts mehr euch scheiden von <strong>der</strong> Liebe Gottes,<br />

die da ist in Christo Jesu, unserem Herrn! Ihr seid es, die mit Paulus das<br />

Siegeslied anstimmen können: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg!<br />

Tod! wo ist dein Stachel? Hölle! wo ist dein Sieg? Der Stachel des<br />

Todes aber ist die Sünde, und die Kraft <strong>der</strong> Sünde ist das Gesetz. Gott<br />

aber sei Dank, <strong>der</strong> uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn<br />

Jesum Christum!“<br />

So kann und soll sich billig <strong>der</strong> durch Christum in uns freigewordene<br />

und in Ihm auferstandene Christ freuen und sich abermals freuen, <strong>der</strong><br />

jetzt den neuen, auf dem weißen Stein <strong>der</strong> Versöhnung, Unschuld und<br />

Reinheit gegrabenen Namen trägt, den niemand kennt, als <strong>der</strong> ihn<br />

empfängt? Nun erst geht es an ein Wachsen und Fortschreiten in Gott,<br />

von Klarheit zu Klarheit, von Vollkommenheit zu Vollkommenheit! So<br />

ziehe denn aus, o ewige Wahrheit! Siege, siege und triumphiere über das<br />

Reich <strong>der</strong> Lüge und <strong>der</strong> Finsternis, damit das Reich Gottes in allen<br />

Gemütern und endlich auf <strong>der</strong> ganzen Erde offenbar, und Gott durch<br />

Christum König werde überall! Amen!


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Vom gottgefälligen Sehnen<br />

29<br />

Vom gottgefälligen Sehnen<br />

des menschlichen Geistes nach Gott<br />

Johannes Tauler (1300-1361)<br />

Meine allerliebsten Kin<strong>der</strong> in Christo! Es fragte mich ein gutes Herz<br />

und sprach: „Ich bin ein armes Waislein Gottes, ganz einsam und<br />

verlassen, und weiß nicht, was ich tun soll. Nachdem es mir so befohlen<br />

ward, so habe ich mich etliche Tage in mich zurückgezogen und mich<br />

geübt in Anfachung und Erhaltung des geheimen Fünkleins <strong>der</strong> Begierde,<br />

alle Dinge, außer Gott, für nichts zu achten. Ich überstieg alle Gaben,<br />

Erleuchtungen, Süßigkeiten, Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vernunft, und was sonst noch die<br />

Seele mit natürlicher Freude in sich selbst gestalten kann. Da fand ich<br />

nichts als Armut; da kam ich in eine weite, inwendige Wüste, wo we<strong>der</strong><br />

gute noch böse Phantasien Statt haben mögen. Und so bin ich nun wie ein<br />

Bettler, <strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Tür liegt, und auf die Gnade seines Herrn wartet. Und<br />

ich weiß nicht, wie es kommt: das Fünklein <strong>der</strong> Begierde ruhet nicht, bis<br />

alle Kräfte meines Herzens und Kopfes verzehrt sind; und wann mir dann<br />

eine kurze Ruhe gegönnt wird, so sind die Kräfte zur Stunde wie<strong>der</strong><br />

ersetzt. Je mehr ich von allen Dingen abgeschieden bin, desto mehr Lust<br />

hat mein inwendiger Mensch in all dieser Demut. Aber <strong>der</strong> auswendige<br />

Mensch wollte gern davon fliehen, wenn er könnte. Was hieraus geboren<br />

werden soll, das Leben o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tod, das weiß ich nicht. Aber nach<br />

meinem Bedünken werden hierdurch Glaube, Hoffnung und Liebe sehr<br />

gestärkt. Darum hätte ich nun eine bleibende Stätte hierin; ich bliebe<br />

gern.“<br />

Hierauf antwortete ich nach <strong>der</strong> Gnade Gottes, die mir gegeben ist:<br />

„Wer sich in diesem Zustande befindet, muss sich mit unwandelbarem<br />

Gemüte und in freier Gelassenheit, mit dem liebsten Willen Gottes<br />

einigen, wie Paulus, als er fragte: „Herr, was willst Du, dass ich tun<br />

soll?“ und diesen Vorsatz <strong>der</strong> Einigung oft erneuern und darin bis ans<br />

Ende verharren. Hierzu kommt kein menschliches Laufen und Rennen, nur<br />

das wahrhaftige Innebleiben und Nachjagen nach Gott, das allein hilft. Die<br />

Werke des Herrn im Menschen sind so freitätig, dass, wenn sie <strong>der</strong><br />

Mensch selbst nicht hin<strong>der</strong>t, sie alles aufs höchste vollbringen.“<br />

Christus ist das Ziel für alle Menschen. Wie nahe Du zu dem Ziele<br />

kommst, so nahe kommst Du zu Gott. Wie viel Du Tugend hast, so nahe<br />

bist Du bei Christus. Hast Du alle Tugend, und bist ganz von Dir<br />

ausgegangen, so hast Du das Ziel erreicht. - Ein gottergebener Wille macht<br />

alle Werke gut, denn es ist die gute Quelle, aus <strong>der</strong> nur gute Abflüsse<br />

kommen. - Wie die Sonne den Tag erleuchtet, so das Leiden die Vernunft.


30 Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Bitterkeit <strong>der</strong> Dinge nötigt die Vernunft, dass sie sich von allen Dingen<br />

kehre; und so wird im Menschen durch Leiden Abgeschiedenheit, und in<br />

dieser ist Erkenntnis <strong>der</strong> bloßen Wahrheit. Durchgelittene Menschen sind<br />

die allervernünftigsten Menschen. - Je<strong>der</strong> sei ein Inwohner seines Herzens<br />

und ergebe sich Gott ganz, und folge, wohin und welchen Weg er ihn<br />

führen will. - Das Nichthaben ist oft mehr nütze als das Haben, denn im<br />

Nichthaben erkennt sich <strong>der</strong> Mensch besser als im Haben, und das Darben<br />

an zeitlichen Dingen bereitet den Menschen zur Empfangung <strong>der</strong> ewigen.<br />

Vom Lassen <strong>der</strong> Dinge<br />

Meister Eckhart (1260-1328)<br />

Die Leute sagen einem: „Ach ja, lieber Herr, ich wollte gerne, ich<br />

stünde auch mit Gott auf so gutem Fuß und hätte so viel Sammlung und<br />

Frieden mit Gott, wie an<strong>der</strong>e Leute haben. Hätt ich’s nur auch so gut und<br />

könnte so arm sein!“ O<strong>der</strong>: „Ich komme nie in die rechte Stimmung, außer<br />

ich weile da o<strong>der</strong> dort, treib es so o<strong>der</strong> so, ich muss ohne Dach und Decke<br />

leben, o<strong>der</strong> in einer Klause, o<strong>der</strong> im Kloster.“<br />

Aber daran bist du wahrhaftig ganz alleine schuld; eigener Wille ist es,<br />

weiter nichts, ob du’s auch nicht Wort haben willst. Nimmer steht ein<br />

Unfriede in dir auf, er entspringt aus Eigenwillen, man sei sich dessen<br />

bewusst o<strong>der</strong> nicht. Was wir uns da einreden: Man müsse diese Dinge<br />

fliehen und jene suchen, ausgerechnet diese Stätten und Menschen, diese<br />

Weise, diese Richtung, diese Beschäftigung – nicht das ist schuld, dass die<br />

Lage o<strong>der</strong> die Dinge dich hin<strong>der</strong>ten. Son<strong>der</strong>n du bist es in den Dingen<br />

selber, was dich hin<strong>der</strong>t, deine Stellung zu den Dingen ist verkehrt.<br />

Bei dir also setz den Hebel an und l ass dich! Denn wahrlich: Fliehst<br />

du d i c h nicht zuerst, dann, wo du auch hinfliehst, findest du immer nur<br />

Behin<strong>der</strong>ung und Unfrieden. Die Leute, die Frieden suchen in äußeren<br />

Dingen: bei Orten und Weisen, durch Menschen o<strong>der</strong> Werke, durch<br />

Unbehaustheit, Armut und Niedrigkeit – wie stattlich sich’s auch<br />

ausnimmt, das ist dennoch alles nichts und gibt keinen Frieden. Sie suchen<br />

ganz verkehrt, die also suchen. Je ferner sie fortgehen, umso weniger<br />

finden sie, was sie suchen. Sie gehen wie einer, <strong>der</strong> seines Wegs vermisst:<br />

Je weiter er geht, je mehr er irrt. „Aber wie soll man’s denn machen?“<br />

Zuerst einmal sich selber lassen. Damit hat man auch alle Dinge<br />

gelassen. Ohne Übertreibung: Ließe einer ein Königreich, ja die ganze<br />

Welt, und behielte sich, er hätte gar nichts gelassen. Ja, und gibt er sich<br />

auf, so kann er behalten, was er will, Reichtum, Ehre o<strong>der</strong> was immer: Er<br />

hat alles aufgegeben.


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Gott ist überall zu finden<br />

31<br />

Ein Heiliger bemerkt zu dem Ausspruch Sankt Peters: „Sieh, Herr, wir<br />

haben alles gelassen“ – und er hatte doch weiter nichts gelassen als ein<br />

armes Netz und seinen Kahn –, <strong>der</strong> Heilige sagt: Wer das Kleine willig<br />

lässt, <strong>der</strong> lässt nicht nur dieses, er lässt alles, was die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt je<br />

gewinnen, ja sich auch nur wünschen mögen. Denn wer seinen Willen, wer<br />

sich selber lässt, <strong>der</strong> hat die ganze Welt gelassen, so gut, als ob sie sein<br />

freies Eigen wär und sie zu voller Gewalt besessen hätte. Alles, was du<br />

ausdrücklich nicht begehrst, des hast du dich begeben, hast es gelassen um<br />

Gott. „Selig sind die Armen im Geist“, hat unser Herr gesagt; es bedeutet:<br />

die arm sind an Willen. Und daran soll niemand zweifeln: Gäb es einen<br />

bessern Weg, unser Herr hätt ihn uns gewiesen. Wie er auch sagt: „Wer<br />

mir nachfolgen will, <strong>der</strong> verzichte zuerst auf sich selber.“ Darauf allein<br />

kommt’s an. Fahnde auf dich, und wo du d i c h findest, da gib dich auf.<br />

Das ist das Heilsamste.<br />

Und lass dir sagen: Es hat sich noch nie einer in diesem Leben so<br />

darangegeben, er findet immer, wie er sich noch mehr begebe. Derer sind<br />

wenige, die das recht wahrnehmen und darin sicher stehen. Es ist recht ein<br />

Gleich-mit-Gleich-Vergelten und ein gerechter Kauf: So weit du selber<br />

ausgehst aus den Dingen, genauso weit, keinen Schritt weniger o<strong>der</strong> mehr,<br />

geht Gott ein mit allem, was sein ist. Hier heb an und lass dich’s kosten,<br />

was du nur leisten kannst, so findest du wahren Frieden. Und an<strong>der</strong>s nicht.<br />

(Hermann Büttner, Meister Eckhart, Eugen Die<strong>der</strong>ichs Verlag, Jena 1938)<br />

Gott ist überall zu finden<br />

Heinrich Seuse (1295-1366)<br />

Ein weiser Mann muss auch bei seinem äußeren Tun die Achtsamkeit<br />

auf das Innere festhalten und bei <strong>der</strong> Achtsamkeit auf das Innere das<br />

äußere Tun, wozu er Anlass und Beruf hat, nicht versäumen; nur muss er<br />

bei äußerlichen Arbeiten im Innern die heiligen Begierden unterhalten,<br />

damit er wie<strong>der</strong> früh genug in das Innere eingehen kann; und zugleich bei<br />

den Übungen des inneren Lebens so ganz ergeben in dem Willen Gottes<br />

bleiben, dass er nach Zeit und Anlass sich den äußerlichen Geschäften<br />

gern leihen kann. Auf diese Weise wird er aus- und eingehen und überall<br />

Ruhe finden, wie sie <strong>der</strong> Weise überall sucht - wird überall Weiden finden,<br />

wie unser Heiland sagt.<br />

Dies habe ich dir, <strong>der</strong> du deinem Gott so weit außer deinem Vaterland<br />

nachgegangen bist, geschrieben, damit du Ihn überall, in <strong>der</strong> Nähe und<br />

Ferne, finden mögest. Denn Er ist überall zu finden, weil Er überall nahe<br />

ist.


32 Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Von <strong>der</strong> Anrufung des Herrn<br />

Der Herr ist zwar überall <strong>der</strong> allmächtige Helfer und Besieger aller<br />

Hin<strong>der</strong>nisse, aber Er muss auch nach dem Grade und Maße des<br />

Hin<strong>der</strong>nisses zu Hilfe gerufen werden, sodann erst wird es geschehen, was<br />

da geschehen soll.<br />

Ihr saget hier freilich: Ja, warum aber das? So wir den Herrn um Hilfe<br />

anflehen, da wird Er uns wohl nicht weniger helfen, als wir es vonnöten<br />

haben. Ich sage euch: Ihr habt in einer Hinsicht zwar wohl recht, aber nur<br />

insoweit, als ihr daneben irrigerweise anzunehmen genötigt seid, dem<br />

Herrn sei wenig o<strong>der</strong> gar nichts daran gelegen, wie euer eigenes<br />

Erkenntnisvermögen bestellt ist. So etwas aber anzunehmen, meine ich,<br />

dürfte doch ein wenig zu töricht sein.<br />

Der Herr aber will ja vor allem die Selbsterkenntnis <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

erheben; daher lässt Er auch alles von ihnen (selbst) eher beurteilen und<br />

bemessen, also auch ihre Not, auf dass sie Ihm dann dieselbe nach ihrer<br />

Erkenntnis vortragen sollen, und Er ihnen dann helfe nach ihrer<br />

eigenen Erkenntnis und Verlangen.<br />

Aus diesem Grunde aber, meine lieben Freunde und Brü<strong>der</strong>, soll da auf<br />

<strong>der</strong> Erde auch niemand ein sündiges Hin<strong>der</strong>nis auf <strong>der</strong> eben sein sollenden<br />

Bahn seines Lebens mit einem leichtfertigen Maßstabe bemessen, sonst<br />

muss er es sich selbst zuschreiben, wenn ihm nach vielen Gebeten nicht<br />

die erwünschte völlige Hilfe wird.<br />

Denn <strong>der</strong> Herr ist zwar überaus liebevollst gut und freigebig mit Seiner<br />

Gnade und Erbarmung, aber dabei dennoch stets im vollkommensten<br />

Grade respektierend die freie Tätigkeit des Geistes in je<strong>der</strong> Beziehung,<br />

sowohl in <strong>der</strong> Willens- als in <strong>der</strong> Erkenntnissphäre.<br />

Unter uns aber gesagt, tut (daher) ein je<strong>der</strong> Mensch für sich genommen<br />

besser, wenn er in Anbetracht seiner selbst, wie ihr zu sagen pfleget, aus<br />

einer Mücke einen Elefanten macht, als umgekehrt, und es wird dann sein,<br />

dass <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> von solch einem Standpunkte aus um vieles bittet, auch<br />

viel empfangen wird; wer aber um weniges bittet, <strong>der</strong> erwarte ja nicht, dass<br />

ihm <strong>der</strong> Herr ein unerkanntes und unverlangtes Plus auf den Rücken<br />

nachwerfen wird.<br />

Tut ihr ja auch das gleiche auf <strong>der</strong> Erde untereinan<strong>der</strong>. Warum sollte es<br />

<strong>der</strong> Herr nicht tun, <strong>der</strong> dafür den liebeweisesten Grund hat? Wird wohl<br />

selbst ein allerbestgesinnter reicher Mann einem, <strong>der</strong> ihn bittet, ihm<br />

zweihun<strong>der</strong>t Taler zu leihen, allenfalls streng benötigte zweitausend Taler<br />

geben? Ich sage euch: Solches wird er nicht tun, und wüsste er es auch<br />

augenscheinlichst, dass <strong>der</strong> bittende Entleiher unumgänglich notwendig


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Nach dir, Herr, verlanget mich<br />

33<br />

<strong>der</strong> größeren Summe vonnöten hat.<br />

Er wird wohl, ebenfalls aus dem edlen Grunde seines Herzens, zum<br />

Entleiher sagen: Ich leihe dir recht gerne die verlangte Summe, wenn sie<br />

dir in deinem Bedürfnisse nur genügen wird. Wenn bei solch einem<br />

Stupfer <strong>der</strong> Entleiher noch immer in seinen blindtörichten<br />

Schüchternheitsschranken sich bewegt und bleibt bei seiner ersten Petition,<br />

saget euch selbst, wer dann die Schuld trägt, wenn dem Entleiher mit 200<br />

Talern nicht gedient ist.<br />

Aus dem Grunde aber soll sich ein je<strong>der</strong> genau erforschen und seine<br />

Not genau bemessen, und dann erst an den heiligen, allmächtigen Helfer<br />

sich wenden, so wird ihm schon sicher die gerechte Hilfe werden, wenn er<br />

dieselbe glaubensfest, vertrauensvoll und liebeernstlich von Ihm erwartet.<br />

(Geistige Sonne Bd. 2; 30,10-18)<br />

Nach dir, Herr, verlanget mich<br />

Johannes Goßner (1773-1858)<br />

Nach dir, Herr, verlanget mich. Meine Augen sehen stets zu dem Herrn. Meine<br />

Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin<br />

kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? (Ps. 25, 1. 15. u. 42, 3.) Wen da<br />

dürstet, <strong>der</strong> komme zu mir und trinke. (Joh. 7, 37.)<br />

Findest du den Heiland nicht in deiner Seele, fühlst du seine heilige<br />

Nähe nicht, so ruhe nicht, bis du ihn wie<strong>der</strong> findest. Suche nicht an<strong>der</strong>swo,<br />

außer ihm, Trost. Schande wäre es, wenn du den so leicht entbehren<br />

könntest, ohne den du nicht selig sein kannst; und Verbrechen wäre es, ihn<br />

missen und sich nach einem An<strong>der</strong>n umsehen. Werde daher nicht müde,<br />

ihn, wenn er sich dir zuweilen verbirgt, mit Treue, wie die Heiligen, zu<br />

suchen. Er entzieht sich dir nicht, er hat sich nur verborgen, um deine<br />

Sehnsucht, dein Verlangen nach ihm zu vermehren. Wirst du müde, lässt<br />

du nach, ihn zu suchen, nach ihm dich zu sehnen, so beleidigst du ihn so,<br />

dass er sich noch weiter von dir entfernt, und du seine freundliche<br />

Gegenwart noch länger entbehren musst.<br />

Wo ist dein Verlangen, wo die Sehnsucht nach ihm? Sieht dein inneres<br />

Auge stets nach ihm? Dürstet deine Seele immer nach ihm, nach dem<br />

lebendigen Gott? Bist du nicht mit einem bloßen Gedanken, o<strong>der</strong> einem<br />

kalten Begriffe von Gott und Christus zufrieden? Suchst du das Leben, die<br />

Kraft Gottes und Christi in deinem Herzen zu spüren? Trachtest du, dahin<br />

zu kommen, in die Stille und Ruhe des Gemütes, in das Allerheiligste<br />

deiner Seele, um Gottes Angesicht zu schauen, so weit man es hier<br />

schauen kann? Dürste, sehne dich, verlange nach ihm wie David und du<br />

wirst den lebendigen Gott erfahren wie er - und mehr noch.


34 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

Sonntagabendgespräche einer Familie<br />

Der Weinstock, seine Trauben und <strong>der</strong> Wein<br />

Vater: Nun, liebe Kin<strong>der</strong>, habt ihr vergangene Woche getan, was ich<br />

euch letzten Sonntagabend geraten habe?<br />

Anna: Ich finde, Vater, dass es nicht immer und unter allen Umständen<br />

so leicht ist, den Fuß in Öl zu tauchen. Ich habe mir aber Mühe gegeben,<br />

es zu tun.<br />

Paul: Meine Erfahrung in dieser Beziehung ist <strong>der</strong> Annas sehr ähnlich.<br />

Aber diesen Abend, werden wir ja etwas über den neuen Wein hören, von<br />

welchem im Evangelium die Rede ist.<br />

Vater: Es ist unsere Absicht den biblischen Charakter des Weinstockes<br />

und seines Gewächses zu betrachten.<br />

Anna: Ich weiß bereits, und ich glaube, auch Paul weiß, dass <strong>der</strong><br />

Weinstock ein Bild <strong>der</strong> Kirche ist.<br />

Vater: Ich denke, Anna, wir werden finden, dass <strong>der</strong> Weinstock das<br />

Bild eines und desselben Dinges unter vier verschiedenen Gestaltungen ist.<br />

Fürs erste ist er ein Bild unseres Herrn Jesus Christus; zweitens ist er ein<br />

Bild <strong>der</strong> Kirche, die Ihn als ihr Leben aufnimmt; drittens ist er ein Bild des<br />

Gliedes einer solchen Kirche; und viertens ein Bild des Grundsatzes <strong>der</strong><br />

Wahrheit, welcher in das Gemüt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Gottes eingepflanzt wird.<br />

Paul: Was meinst du, Vater, unter einem und demselben Ding in vier<br />

verschiedenen Gestaltungen?<br />

Vater: Ich meine, dass in allen Fällen <strong>der</strong> Weinstock in Wirklichkeit<br />

ein Bild Jesu ist. Die Kirche lebt und jedes ihrer Glie<strong>der</strong> lebt, weil Jesus in<br />

ihnen ist, und Er ist, sozusagen, die in unsere Seelen eingepflanzte<br />

Wahrheit.<br />

Paul: Ich verstehe dich vollkommen. Ich weiß, dass Jesus <strong>der</strong> wahre<br />

Weinstock ist, weil Er uns in Johannes Kapitel 15 so gelehrt hat.<br />

Anna: Darüber kann kein Zweifel sein, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild<br />

Jesu ist. „Ich bin,“ sagte Er, „<strong>der</strong> wahre Weinstock, und mein Vater ist <strong>der</strong><br />

Weingärtner“ (Joh.15,1).<br />

Vater: Damit wäre unser erster Punkt, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild<br />

Jesu ist, festgestellt. Nun zum zweiten Punkt, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild<br />

<strong>der</strong> Kirche ist.<br />

Mutter: Ich glaube, das ergibt sich ganz klar aus Psalm 80.<br />

Vater: Ganz richtig. Die Geschichte des Weinstocks, welche in jenem<br />

Psalm erwähnt wird, ist, wie deutlich zu ersehen, die Geschichte <strong>der</strong>


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

35<br />

jüdischen Kirche.<br />

Paul: Nichts an<strong>der</strong>es kann im neunten Vers gemeint sein: „Du hast<br />

einen Weinstock aus Ägypten gebracht, und hast vertrieben die Heiden,<br />

und denselben gepflanzt“.<br />

Anna: In Hosea 10,1 heißt es, „Israel ist ein leerer Weinstock“, und das<br />

beweist deutlich, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild <strong>der</strong> Kirche ist.<br />

Vater: Sehr gut. Das setzt unseren zweiten Punkt fest. In Bezug auf<br />

unseren dritten Punkt, möchte ich euch fragen, ist nicht je<strong>der</strong> Angehörige<br />

<strong>der</strong> Kirche ein 'leerer Weinstock', wenn er keine Frucht bringt?<br />

Paul: Gewiss Vater. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> zur Kirche gehört, und nicht, was man<br />

Früchte des Glaubens nennt, hervorbringt, ist ein leerer Weinstock.<br />

Vater: Wenn ihr 5. Mose 32,31-32 aufschlaget, werdet ihr finden, dass<br />

<strong>der</strong> Weinstock ein Bild des Glaubensgrundsatzes ist, <strong>der</strong> im Gemüt des<br />

Volkes Wurzel gefasst hat, und damit wäre <strong>der</strong> vierte Punkt festgestellt.<br />

Anna: Hier ist die Stelle. „Denn nicht wie unser Fels ist ihr Fels;<br />

unsere Feinde seien Richter! Denn von den Reben Sodoms sind ihre<br />

Reben, und von den Gefilden Gomorrahs; ihre Trauben sind giftige<br />

Trauben; bittere Beeren haben sie.“<br />

Vater: Das ist genug. Was meint ihr nun, dass unter den „Reben<br />

Sodoms“, <strong>der</strong>en Trauben „giftig“ sind und „bittere“ Beeren haben,<br />

verstanden sei?<br />

Paul: Sicher nichts an<strong>der</strong>es, Vater, als irgendein falsches und boshaftes<br />

Prinzip des Herzens, das böse Taten hervorbringt.<br />

Vater: Mit dieser Tatsache bekannt, werden wir leicht die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Trauben erkennen. In Wirklichkeit ist sie bereits angedeutet.<br />

Paul: Alle Früchte, sagtest du uns, seien die Symbole von Handlungen,<br />

und die Handlungen <strong>der</strong> Menschen sind verschieden je nach den<br />

Grundsätzen, welche in dieselben eingepflanzt sind.<br />

Vater: Das ist vollkommen wahr. Wie nun Oliven ein Bild <strong>der</strong><br />

Handlungen sind, welche aus <strong>der</strong> Liebe fließen, und voll des Öles <strong>der</strong><br />

Liebe sind, so sind Trauben Bil<strong>der</strong> von Handlungen, die aus dem Glauben<br />

fließen, und die von dem Wein des Glaubens durchdrungen sind.<br />

Paul: Verstehst du unter Glauben dasselbe, wie unter Wahrheit?<br />

Vater: Jawohl. Wenn wir die Wahrheit aufnehmen, eignen wir uns den<br />

Glauben an. Erinnert ihr euch <strong>der</strong> ersten Verse in Jesaja 5 ?<br />

Anna: O ja, Vater. Sie handeln von einem Weinberg, <strong>der</strong> an einem<br />

fruchtbaren Hügel gelegen war, in welchem die besten Weine angebaut<br />

wurden.<br />

Vater: Ja, es heißt: „Mein Freund besaß auf einem fetten Hügel einen<br />

Weinberg; er grub ihn um, und reinigte ihn von den Steinen; bepflanzte ihn


36 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

mit edlen Weinreben“. Nachher heißt es weiter, „und hoffte, dass er<br />

Trauben brächte; da trug er giftiges Gewächs.“<br />

Anna: Es ist vollkommen klar, dass unter den edlen Weinreben hier die<br />

israelitische Kirche zu verstehen ist.<br />

Vater: Wenn das so ist, was ist dann <strong>der</strong> Weinberg, in welchen die<br />

Weinreben gepflanzt sind?<br />

Paul: Unter dem Weinberg wird die israelitische Kirche und unter den<br />

darein gepflanzten edlen Weinreben werden die Grundsätze <strong>der</strong> Wahrheit<br />

verstanden, welche <strong>der</strong> Kirche mitgeteilt werden.<br />

Vater: Das ist richtiger. Was die Trauben des Weinstockes bedeuten,<br />

wisst ihr alle.<br />

Paul: Die wilden Trauben bedeuten die bösen Taten <strong>der</strong> Juden.<br />

Vater: Es wird unter ihnen etwas Ähnliches verstanden, wie unter den<br />

bitteren Trauben, welche an den Reben von Sodom wachsen. Die Reben<br />

von Sodom bedeuten ver<strong>der</strong>bliches Falsche, welches notwendigerweise die<br />

bitteren Früchte eines bösen Lebens hervorbringen. Aber die edlen<br />

Weinreben, welche wilde Trauben hervorbrachten, sind die himmlischen<br />

Wahrheiten, missbraucht und verdorben durch diejenigen, welchen sie<br />

geoffenbart sind, <strong>der</strong>en Ergebnis daher nur boshafte Handlungen sind.<br />

Mutter: Ich danke dir, Vater. Mir scheint, die Kin<strong>der</strong> können jetzt<br />

recht deutlich einsehen, dass <strong>der</strong> Weinstock ein Bild Jesu ist; o<strong>der</strong>, was<br />

dasselbe ist, ein Bild seiner Wahrheit, wie sie in unsere Seelen gepflanzt<br />

ist, sowie dass Traubenbüschel und Traubenbeeren ein Bild jener<br />

Handlungen <strong>der</strong> Nächstenliebe sind, welche das menschliche Geschlecht<br />

beglücken und erfreuen.<br />

Vater: Was sie über diesen Gegenstand vorher nicht verstanden, hast<br />

du sie jetzt gelehrt. Was sollen wir aber in Bezug auf den Wein sagen?<br />

Mutter: Meine Ansicht ist, <strong>der</strong> Wein steht zum Weinstock in <strong>der</strong><br />

gleichen Beziehung, wie das Öl zum Ölbaum.<br />

Vater: Genauso. Vergesset nicht, dass alles, was mit dem Ölbaum<br />

zusammenhängt, sich auf die Liebe o<strong>der</strong> Güte bezieht, und alles, was mit<br />

dem Weinstock zusammenhängt, sich auf die Wahrheit o<strong>der</strong> den Glauben<br />

bezieht. Dieses sind die zwei hauptsächlichen Grundsätze <strong>der</strong> Kirche.<br />

Paul: Wie das Öl ein Bild des Angenehmen und Guten <strong>der</strong> Liebe ist, so<br />

muss <strong>der</strong> Wein ein Bild des Angenehmen und Guten <strong>der</strong> Wahrheit sein.<br />

Anna: Ob uns das wohl befähigt, Vater, zu verstehen, was im Buch <strong>der</strong><br />

Offenbarung Kapitel 6,6 gemeint ist, wo es heißt, dass eine Stimme<br />

inmitten <strong>der</strong> vier Tiere sprach: „Am Öl und Wein vergreife dich nicht“.<br />

Vater: Ohne Zweifel wird es das, Anna. Was bedeuten Öl und Wein?<br />

Anna: Liebe und Wahrheit.


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

37<br />

Vater: Sorget nicht Gott dafür, dass Liebe und Wahrheit niemals<br />

Schaden leiden? Hat Er diese nicht in seinem Worte bewahrt, und bewahrt<br />

er sie nicht in unseren Seelen?<br />

Anna: Daran habe ich früher nicht gedacht; also Gott sorgt dafür, dass<br />

heilige Liebe und Wahrheit für immer beim Menschen unverletzt erhalten<br />

bleiben? Das ist es daher, was unter den Worten verstanden wird, „am Öl<br />

und Wein vergreife dich nicht.“<br />

Paul: Ich habe oft gedacht, was wohl die Bedeutung von Jesajas<br />

Worten sein möge, wo er sagt: „Kommet her, kaufet ohne Geld beides,<br />

Wein und Milch“.<br />

Vater: Du liest vielleicht lieber die ganze Stelle, dann werden wir<br />

sehen.<br />

Paul: Es ist in Jesaja 25,1: „Wohlan alle, die ihr durstig seid, kommt<br />

her zum Wasser; und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kaufet und esset;<br />

kommt her und kaufet ohne Geld und umsonst, beides Wein und Milch.“<br />

Vater: Hier werden drei Substanzen genannt, die zum Trinken<br />

gebraucht werden - Wasser, Wein und Milch. Jede ist ein Bild <strong>der</strong><br />

Wahrheit von verschiedener Art und Stufe. Das Wasser ist ein Bild <strong>der</strong><br />

Wahrheit, die unser Gemüt reinigt und erfrischt; <strong>der</strong> Wein ist ein Bild <strong>der</strong><br />

Wahrheit, welche ermuntert und stärkt; die Milch <strong>der</strong> Wahrheit, welche<br />

nährt und sättigt.<br />

Paul: Wein kaufen, heißt daher, sich von Jesus die ermunternden und<br />

stärkenden Wahrheiten seines Wortes erwerben.<br />

Vater: Ganz richtig. Die Wahrheiten des Wortes sind geistiger Wein.<br />

Und wenn wir in <strong>der</strong> Bibel forschen, mit dem Wunsche ihre Lehren<br />

anzunehmen, trinken wir in tiefen Zügen den Wein des Reiches Gottes.<br />

Anna: Der Wein des Reiches Gottes! Ist nicht im Neuen Testament<br />

irgendwo eine Stelle, welche etwas Ähnliches sagt?<br />

Vater: Du meinst wohl in Matth. 26,29 : „Ich sage euch, ich werde von<br />

nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstockes trinken, bis an<br />

den Tag, da ich es neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich“.<br />

Anna: Das ist <strong>der</strong> Vers, an den ich dachte. Darüber möchte ich sehr<br />

gerne eine Erklärung haben.<br />

Vater: Das Gewächs des Weinstockes, welches <strong>der</strong> Herr im Himmel<br />

mit seinen Jüngern trinkt, ist die himmlische Wahrheit o<strong>der</strong> Weisheit, denn<br />

daran werden alle Gläubigen mit dem Herrn in <strong>der</strong> Auferstehung<br />

teilnehmen.<br />

Paul: Und ist es das, was verstanden wird unter dem Wein, welchen<br />

unser Herr seinen Jüngern beim letzten Abendmahl gab, und welchen Er<br />

sein Blut, das Blut des Neuen Testamentes nannte?


38 Biblische Bil<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Bedeutung<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Vater: Das ist es. Das Blut des Neuen Testaments ist die Wahrheit des<br />

Neuen Testaments o<strong>der</strong> Bundes, und <strong>der</strong> Wein ist das Bild jener Wahrheit.<br />

Mutter: Jesus sprach auch in einer seiner Gleichnisreden von neuem<br />

Wein, <strong>der</strong> in neue Schläuche gefasst werden müsse, damit beide erhalten<br />

bleiben.<br />

Vater: Das ist ein sehr wichtiges und viel in sich fassendes Gleichnis.<br />

Ihr wisset, was <strong>der</strong> Wein ist; was meint ihr aber, was unter den Schläuchen<br />

verstanden wird?<br />

Paul: Wenn <strong>der</strong> Wein Wahrheit bezeichnet, so sind natürlich die<br />

Schläuche ein Bild solcher Dinge, welche die Wahrheit enthalten.<br />

Anna: Ei, Vater, dann scheint mir, ist das Alte Testament <strong>der</strong> alte, und<br />

das Neue Testament <strong>der</strong> neue Wein, denn diese sind es, die geistige<br />

Wahrheit enthalten.<br />

Vater: Die Antwort ist so übel nicht. Die alten Gesetze und<br />

Vorschriften <strong>der</strong> jüdischen Kirche sind die alten Schläuche, in welchen <strong>der</strong><br />

alte Wein enthalten ist; während die neuen Gesetze und Vorschriften des<br />

Christentums die neuen Schläuche sind, voll von dem neuen Wein des<br />

Reiches Gottes.<br />

Paul: Danke dir, Vater; das scheint wirklich sehr befriedigend. Wie ich<br />

mich zu erinnern glaube, sagte Jesus auch: „Niemand, <strong>der</strong> alten Wein<br />

getrunken hat, wünschet bald den neuen; denn er sagt, <strong>der</strong> alte ist besser.“<br />

Vater: Die Juden sagen bis auf den heutigen Tag noch so. Sie bleiben<br />

bei ihren alten Ansichten und Lehren, und ziehen sie denen <strong>der</strong> Evangelien<br />

vor. Und indem sie das tun, bewahrheiten sie die Worte des Herrn, denn<br />

sie sagen, „<strong>der</strong> alte Wein ist besser als <strong>der</strong> neue“.<br />

Paul: Je<strong>der</strong>, meiner Meinung nach, <strong>der</strong> an alten Ansichten und<br />

Meinungen hängt, und sie, wie irrig sie auch sein mögen, neuen<br />

Meinungen und Ansichten vorzieht, sagt in dem Sinne, wie es unser Herr<br />

meinte, „<strong>der</strong> alte ist besser“.<br />

Vater: Ganz genauso. Glaubt ihr jetzt, Kin<strong>der</strong>, dass ihr einen richtigen<br />

Begriff über den bildlichen Charakter des Weinstocks, seiner Trauben und<br />

seines Weines erhalten habt?<br />

Anna: Ich glaube, wir haben, Vater. Während <strong>der</strong> Ölbaum, seine<br />

Frucht und sein Öl sich auf die Liebe beziehen, beziehen sich <strong>der</strong><br />

Weinstock, seine Trauben und sein Wein auf die Wahrheit.<br />

Vater: Jetzt will ich es euch überlassen, über diese Dinge nachzudenken,<br />

und euch zu bemühen, sie aus <strong>der</strong> Bibel zu bestätigen. Nächste Woche<br />

wollen wir dann den bildlichen Charakter des Feigenbaumes, seiner<br />

Früchte und Blätter, näher betrachten.


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Der Zorn Gottes<br />

39<br />

Der Zorn Gottes<br />

„Liebe und Zorn ist das Allerentgegengesetzteste, was sich nur je ein<br />

allertiefst denken<strong>der</strong> lebendigster Geist denken kann!<br />

Liebe ist das alles ewig erhaltende –, und <strong>der</strong> Zorn aber das alles ewig<br />

zerstörende Prinzip.<br />

Wäre somit aber in Mir je irgendein barster Zorn möglich, so würde<br />

dieser ja alsbald alle Liebe vernichten und mit ihr alles, was da von ihr<br />

erschaffen wurde, – ja endlich sogar sich selbst!<br />

Siehe, nun aber ist alles noch da; wo wäre demnach Mein Zorn?!<br />

Es kann wohl ein Mensch zornig werden, weil er ist zufolge seiner<br />

Freiheitsprobe ein von Mir entferntes Wesen, und somit ein zeitweiliger<br />

Gegensatz zu Mir, darum er sich dann eben auch nur wie<strong>der</strong> durch die<br />

Liebe zu Mir mit Mir vereinen kann, – aber Ich als die allerreinste Liebe<br />

bin durchaus des Zornes unfähig!<br />

Ja einst war die Liebe in Mir wohl auch mit dem Zorne umfangen; da<br />

aber war die Unendlichkeit auch noch leer von allen Geschöpfen, sowohl<br />

geistig als materiell!<br />

Aber die Liebe ergriff den sie drückenden Zorn und stellte ihn<br />

körperlich wesenhaft außer Sich.<br />

Und siehe, aus diesem Zorne sind dann geschaffen worden alle die<br />

zahllosen Geister, Sonnen und Welten, diese Erde und alles, was auf ihr<br />

ist!<br />

Willst du demnach in <strong>der</strong> Wahrheit den Zorn Gottes sehen, da schaue<br />

die geschaffenen Dinge an; diese sind <strong>der</strong> Zorn Gottes!<br />

Aber sie sind nicht etwa ein ledig Zorn, son<strong>der</strong>n Meine Liebe ist<br />

allenthalben das mächtigste Wesen dabei.<br />

Diese hält und trägt nun alles, und außer ihr gibt es keine Macht mehr,<br />

die da stärker wäre denn sie.<br />

Darum soll auch <strong>der</strong> Mensch nicht an <strong>der</strong> Welt hängen, son<strong>der</strong>n sich<br />

von ihr ganz losreißen, damit er am Ende nicht von ihr verschlungen wird<br />

und somit nicht gerät in Meinen Zorn! Denn die Welt ist ja Mein<br />

gefesselter Zorn; wer aber mit <strong>der</strong> Welt ist, <strong>der</strong> wird auch mit ihrer ewigen<br />

Todesfessel sein!<br />

Was du aber bei Mir etwa als ,Zorn‘ ansehen möchtest, siehe, das ist<br />

nur Mein göttlicher, allerlebendigster Liebeeifer, welcher an und für<br />

sich ist Meine Erbarmung!“<br />

(HGt. Bd.2; 231,23-35)


40 Über das Gebet<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Über das Gebet<br />

Mikail Naimy<br />

Ihr betet vergeblich, wenn ihr euch an irgendwelche<br />

an<strong>der</strong>en Götter wendet anstatt an euer eigenes (göttliches)<br />

Selbst. Denn in euch ist die Kraft des Anziehens, wie in<br />

euch die Kraft des Abstoßens ist. Und in euch sind die<br />

Dinge, die ihr anziehen wollt, wie auch die Dinge in euch<br />

sind, die ihr abstoßen wollt. Denn imstande sein, etwas zu<br />

empfangen, bedeutet auch, imstande sein, es zu verlieren.<br />

Wo Hunger ist, da ist auch Nahrung. Wo Nahrung ist,<br />

Mikhail Naimy<br />

Libanesischer<br />

Schriftsteller<br />

da muss auch Hunger sein. Wer vom Hungergefühl geplagt wird, kann sich<br />

auch über den Segen <strong>der</strong> Sättigung freuen. Ja, <strong>der</strong> Bedarf schließt die<br />

Versorgung des Bedarfes ein.<br />

Ist nicht <strong>der</strong> Schlüssel eine Rechtfertigung für das Schloss? Ist nicht das<br />

Schloss eine Rechtfertigung für den Schlüssel? Sind nicht beide, Schloss<br />

und Schlüssel eine Rechtfertigung für die Tür?<br />

Fallt nicht jedes Mal dem Schmied lästig, wenn ihr einen Schlüssel<br />

verloren o<strong>der</strong> verlegt habt. Der Schmied hat seine Arbeit getan, und er hat<br />

sie gut getan, und man muss nicht immer wie<strong>der</strong> dieselbe Arbeit von ihm<br />

verlangen. Tut ihr eure Arbeit und lasst den Schmied in Ruhe, denn wenn<br />

er einmal mit eurer Arbeit fertig ist, muss er an<strong>der</strong>en Geschäften<br />

nachgehen. Entfernt den Gestank und Abfall aus eurem Gedächtnis, und<br />

ihr werdet sicherlich den Schlüssel finden.<br />

Als Gott, <strong>der</strong> Unaussprechliche, euch aussprach, sprach Er sich<br />

selbst in euch aus. So seid auch ihr unaussprechlich.<br />

Gott hat euch nicht mit einem Teil seiner selbst versehen - denn Er ist<br />

unteilbar, son<strong>der</strong>n, Er hat euch alle mit seiner ganzen, unteilbaren,<br />

unaussprechlichen Göttlichkeit ausgestattet. Könnt ihr ein größeres Erbe<br />

verlangen? Und wer o<strong>der</strong> was kann euch daran hin<strong>der</strong>n, es in Besitz zu<br />

nehmen, als eure eigene Ängstlichkeit und Blindheit?<br />

Anstatt dankbar für ihr Erbe zu sein und sich zu bemühen, es in Besitz<br />

zu nehmen, möchten einige Menschen - die blinden Undankbaren - aus<br />

Gott eine Art Abfallgrube machen, um ihre Zahnschmerzen und ihre<br />

Leibschmerzen, ihre Handelsverluste, ihre Streitigkeiten, ihre<br />

Rachegedanken und ihre schlaflosen Nächte hineinzuwerfen.<br />

An<strong>der</strong>e möchten Gott als ihre private Schatzkammer nutzen, wo sie<br />

immer, wenn sie es wünschen, alles zu finden hoffen, was sie sich an<br />

flittergoldenem Geschmeide dieser Welt erbeten haben.<br />

Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e möchten aus Gott eine Art persönlichen Buchhalter


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Über das Gebet<br />

41<br />

machen. Er muss nicht nur darüber Buch führen, was sie schulden und was<br />

die an<strong>der</strong>en ihnen schulden, son<strong>der</strong>n muss ebenso ihre Schulden<br />

einkassieren und immer einen reichlichen und anständigen Saldo zu ihren<br />

Gunsten ausweisen.<br />

Ja, mannigfaltig und verschiedenartig sind die Aufgaben, welche die<br />

Menschen Gott abtreten. Aber wenige Menschen scheinen zu bedenken,<br />

dass, wenn Gott tatsächlich mit so vielen Aufgaben belastet wäre, Er sie<br />

alle allein ausführen würde und niemanden benötigte, um Ihn anzustacheln<br />

o<strong>der</strong> an seine Aufgaben zu erinnern.<br />

Erinnert ihr Gott an die Stunden, da die Sonne aufgehen und <strong>der</strong> Mond<br />

untergehen muss? Erinnert ihr Ihn an das Getreidekorn, das in jenem Feld<br />

zu keimen beginnt? Erinnert ihr Ihn an die Spinne, die ihren meisterhaften<br />

Unterschlupf spinnt? Erinnert ihr Ihn an die jungen Vögel in jenem<br />

Sperlingsnest? Erinnert ihr Ihn an die unzählbaren Dinge, die dieses<br />

grenzenlose Universum füllen?<br />

Warum prägt ihr euer winziges Selbst mit all seinen nichtigen Nöten<br />

Seinem Gedächtnis ein? Seid ihr in Seinen Augen weniger begünstigt als<br />

Sperlinge, Korn und Spinnen? Warum nehmt ihr nicht wie sie eure Gaben<br />

in Empfang und geht eurer Arbeit nach ohne Lärm, ohne Kniebeugen,<br />

ohne die Arme auszustrecken und ohne ängstlich nach dem morgigen Tag<br />

auszublicken?<br />

Und wo ist Gott, dass ihr eure Grillen und Eitelkeiten, eure<br />

Lobpreisungen und Klagen in Sein Ohr schreien müsstet? Ist Er nicht in<br />

euch und überall um euch? Ist Sein Ohr nicht eurem Mund viel näher als<br />

eure Zunge dem Gaumen?<br />

Für Gott ist es genug, dass ihr den Samen seiner Göttlichkeit besitzt.<br />

Wenn Gott, nachdem Er euch den Samen seiner Göttlichkeit gegeben hat,<br />

ihn pflegen müsste und nicht ihr, welche Verdienste hättet ihr dann? Und<br />

was wäre eure Lebensaufgabe? Und wenn ihr keine Arbeit zu verrichten<br />

hättet, son<strong>der</strong>n Gott sie für euch tun müsste, welchen Sinn hätte dann euer<br />

Leben? Welchen Vorteil hätten all eure Gebete?<br />

Geht nicht mit euren zahllosen Sorgen und Hoffnungen zu Gott. Fleht<br />

Ihn nicht an, dass Er für euch die Türen öffnen soll, für die Er euch mit<br />

Schlüsseln versorgt hat. Durchsucht vielmehr die ungeheure Größe eures<br />

Herzens. Denn in diesem ungeheuer großen Herzen könnt ihr den<br />

Schlüssel für jede Tür finden. Und in <strong>der</strong> ungeheuren Größe eures Herzens<br />

findet ihr alle Dinge, nach denen ihr dürstet und hungert, ganz gleich, ob<br />

sie schlecht o<strong>der</strong> gut sind.<br />

Ein mächtiges Heer ist euch zur Verfügung gestellt, um eure geringste<br />

Bitte zu erfüllen. Wenn es ordentlich ausgerüstet, klug in Zucht gehalten


42 Über das Gebet<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

und furchtlos befehligt wird, kann es Ewigkeiten überspannen und alle<br />

Schranken vor dem Ziel hinwegfegen. Wenn es schlecht ausgerüstet und<br />

zuchtlos ist, furchtsam geführt wird, verursacht es entwe<strong>der</strong> große Unruhe<br />

o<strong>der</strong> weicht vor dem kleinsten Wi<strong>der</strong>stand eilig zurück und erhält eine<br />

schwere Nie<strong>der</strong>lage.<br />

Dieses Heer besteht aus nichts an<strong>der</strong>em als aus den sehr kleinen roten<br />

Blutkörperchen, die nun ruhig durch eure A<strong>der</strong>n fließen. Jedes von ihnen<br />

ist ein Wun<strong>der</strong> an Kraft, jedes einzelne ist ein vollständiger und<br />

gewissenhafter Nachweis über euer ganzes Leben und über alles Leben in<br />

seinen verborgensten Einzelheiten.<br />

Im Herzen versammelt sich dieses Heer, vom Herzen aus entfaltet es<br />

sich. Darum ist das Herz so berühmt und so geehrt. Aus dem Herzen<br />

quellen eure Tränen <strong>der</strong> Freude und des Schmerzes empor. Zum Herzen<br />

eilen eure Ängste vor Leben und Tod.<br />

Eure Begierden und Wünsche bilden die Ausrüstung dieses Heeres.<br />

Euer Verstand ist <strong>der</strong> Zuchtmeister, euer Wille <strong>der</strong> Exerziermeister und<br />

Befehlshaber.<br />

Wenn ihr fähig seid, euer Blut mit einem beherrschenden Wunsch<br />

auszurüsten, <strong>der</strong> alle an<strong>der</strong>en Wünsche zum Schweigen bringt und in den<br />

Schatten stellt, und einem herrschenden Gedanken die Disziplin anvertraut<br />

und einem herrschenden Willen die Ausbildung und Befehlsleitung<br />

übertragt, dann könnt ihr sicher sein, dass dieser Wunsch erfüllt wird.<br />

Wie erlangt ein Heiliger die Heiligkeit, wenn er nicht seinen Blutstrom<br />

von jedem Wunsch und Gedanken, <strong>der</strong> nicht zur Heiligkeit passt, reinigt<br />

und ihn dann mit einem unwandelbaren Willen darauf richtet, kein an<strong>der</strong>es<br />

Ziel als die Heiligkeit zu suchen?<br />

Ich sage euch, dass je<strong>der</strong> heilige Wunsch, je<strong>der</strong> heilige Gedanke und<br />

je<strong>der</strong> heilige Wille von Adam bis auf diesen Tag dem so auf Heiligkeit<br />

gerichteten Menschen zu Hilfe eilen. Denn überall suchen die Wasser das<br />

Meer, so wie die Lichtstrahlen die Sonne suchen.<br />

Wie kann ein Mör<strong>der</strong> seine Absichten ausführen, wenn er nicht sein<br />

Blut zu einer wahnsinnigen Mordlust aufpeitscht und seine Zellen in<br />

dichten Reihen unter dem vom Mord beherrschten Gedanken anführt und<br />

ihnen dann mit einem rücksichtslosen Willen befiehlt, den tödlichen<br />

Schlag zu führen?<br />

Ich sage euch, dass je<strong>der</strong> Mör<strong>der</strong>, von Kain bis auf den heutigen Tag,<br />

unaufgefor<strong>der</strong>t herbeieilen wird, um den Arm des so mordtrunkenen<br />

Menschen zu stärken und zu festigen. Denn überall vereinigen Raben sich<br />

mit Raben und Hyänen mit Hyänen.<br />

Beten bedeutet daher, dem Blut einen herrschenden Wunsch, einen


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Über das Gebet<br />

43<br />

herrschenden Gedanken, einen herrschenden Willen einzuflößen. Das<br />

Selbst muss so abgestimmt werden, dass es in vollkommene Harmonie mit<br />

dem gelangt, um das ihr betet.<br />

Die Atmosphäre dieses Planeten, die sich in allen Einzelheiten in euren<br />

Herzen wi<strong>der</strong>spiegelt, ist angefüllt von umherschweifenden Erinnerungen<br />

an alle Dinge, bei denen sie seit ihrer Entstehung Zeuge war. Kein Wort<br />

o<strong>der</strong> keine Tat, keinen Wunsch o<strong>der</strong> Seufzer, keinen flüchtigen Gedanken<br />

o<strong>der</strong> vorüberziehenden Traum, keinen Atem von Mensch o<strong>der</strong> Tier, keinen<br />

Schatten, keine Illusion gibt es, die nicht bis auf den heutigen Tag ihre<br />

geheimnisvollen Bahnen darin ziehen und bis zum Ende <strong>der</strong> Zeit ziehen<br />

werden. Stimmt euer Herz auf irgendetwas davon ab, und es wird<br />

sicherlich herbeieilen, um die Saiten zu bespielen.<br />

Ihr braucht we<strong>der</strong> Lippe noch Zunge zum Beten. Vielmehr braucht ihr<br />

ein stilles, wachsames Herz, einen herrschenden Wunsch, einen<br />

herrschenden Gedanken und vor allem einen herrschenden Willen, <strong>der</strong><br />

we<strong>der</strong> zweifelt noch zögert. Denn Worte sind fruchtlos, wenn das Herz<br />

nicht in je<strong>der</strong> Silbe anwesend und bewusst ist. Und wenn das Herz<br />

anwesend und bewusst ist, dann geht die Zunge lieber schlafen und<br />

versteckt sich hinter versiegelten Lippen.<br />

Auch habt ihr keine Tempel zum Beten nötig. Wer in seinem Herzen<br />

keinen Tempel finden kann, <strong>der</strong> findet auch niemals sein Herz in<br />

irgendeinem Tempel.<br />

Doch sage ich dieses nur zu euch und zu denen, die euch gleich sind,<br />

jedoch nicht zu jedem Menschen. Denn die meisten Menschen irren bis<br />

jetzt noch umher. Sie haben das Bedürfnis zu beten, aber sie kennen den<br />

Weg nicht. Sie können nur mit Worten beten, und sie können keine Worte<br />

finden, wenn sie ihnen nicht in den Mund gelegt werden. Sie sind hilflos<br />

und von Angst erfüllt, wenn sie die Weite ihrer Herzen durchsuchen<br />

sollen, werden aber innerhalb Tempelmauern und in einer Herde von<br />

Geschöpfen wie sie selbst ruhig und getröstet.<br />

Lasst sie ihre Tempel errichten. Lasst sie ihre Gebete sprechen.<br />

Aber euch und jedem Menschen rate ich, um Einsicht zu bitten. Wer<br />

nach etwas an<strong>der</strong>em als danach hungert, wird niemals gesättigt werden.<br />

Erinnert euch daran, dass <strong>der</strong> Schlüssel zum Leben das schöpferische<br />

Wort ist. Der Schlüssel zum schöpferischen Wort ist die Liebe. Der<br />

Schlüssel zur Liebe ist die Einsicht. Füllt eure Herzen damit auf, und spart<br />

eurer Zunge die Mühe vieler Worte. Erspart eurem Verstand das Gewicht<br />

vieler Gebete, und befreit euer Herz von allen Bindungen an Götter, die<br />

euch mit einem Geschenk zum Sklaven machen wollen, die euch mit einer<br />

Hand liebkosen, nur um euch mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu schlagen, die zufrieden


44 Über das Gebet<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

und freundlich sind, wenn ihr sie lobt, aber zornig und rachedurstig, wenn<br />

ihr sie tadelt, die euch nicht hören, wenn ihr nicht ruft, und euch nichts<br />

geben, wenn ihr nicht bittet, und wenn sie euch gegeben haben, dieses nur<br />

allzu oft bedauern, <strong>der</strong>en Weihrauch eure Träne ist, <strong>der</strong>en Ruhm eure<br />

Schande ist.<br />

Ja, befreit euer Herz von all diesen Göttern, damit ihr darin den einen<br />

Gott finden könnt, <strong>der</strong> euch für immer sättigt, wenn Er euch mit sich selbst<br />

erfüllt hat.<br />

(Quelle: Das Buch des Mirdad)<br />

<br />

Der beste Weg<br />

Mahatma Gandhi wurde von einem christlichen Missionar — Dr. E.<br />

Stanly Jones — befragt, welches wohl <strong>der</strong> beste Weg sei, den nichtchristlichen<br />

Teil <strong>der</strong> Menschheit wirklich und dauernd für das Christentum<br />

zu gewinnen.<br />

Mahatma Gandhi dachte einen Augenblick nach und gab dann mit<br />

ernstem Blick den folgenden Rat:<br />

„Erstens würde ich raten, dass Ihr Christen alle miteinan<strong>der</strong> damit<br />

anfangt, so zu leben, wie Christus lebte; zweitens würde ich den Rat<br />

geben. Eure Religion voll und ganz in die Tat umzusetzen, ohne den<br />

Worten Christi Gewalt anzutun und ohne sie durch Abschwächung o<strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung zu entstellen; drittens würde ich vorschlagen, dass Ihr den<br />

Nachdruck auf die Liebe legtet; denn die Liebe ist Mittelpunkt und Seele<br />

des ganzen Christentums; viertens würde ich empfehlen, dass Ihr die nichtchristlichen<br />

Religionen und <strong>der</strong>en Kulturen mit mehr Verständnis studiert,<br />

damit Ihr das Gute erkennt, das auch in ihnen ist, und dass Ihr auch<br />

An<strong>der</strong>sdenkenden mit mehr Liebe begegnet.“<br />

<br />

„So du Mich suchest, da musst du Mich aber bei dir und nicht bei<br />

an<strong>der</strong>n suchen! Denn kann Der in <strong>der</strong> Fremde gesucht werden, <strong>der</strong> da<br />

beständig in dir zuhause ist und deiner harret!? – Wie du dein Leben<br />

nicht lebest in einem fremden Leibe, son<strong>der</strong>n in deinem eigenen, so<br />

musst du auch Mir in dir zu leben beginnen und Mich in dir suchen! Da<br />

wirst du Mich sicher finden! Denn für dich lebe Ich nur in dir! Und<br />

wäre es nicht also, wie möchtest du leben, atmen, denken, fühlen,<br />

wahrnehmen, empfinden und dann zu Mir beten!?“<br />

(Himmelsgaben .Bd. 1; S. 408,05)


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Liebe des Ewigen<br />

45<br />

Die Liebe des Ewigen<br />

H. TH. Hamblin<br />

„Mitten im Schweigen wurde in mir das geheime Wort gesprochen.“<br />

Was <strong>der</strong> Mystiker damit meint, ist das Wort des Ewigen, des unendlichen<br />

Geistes <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> in uns wohnt, wie wir in ihm.<br />

Lasst mich von dieser Liebe künden, die nie versagt und uns nie<br />

vergisst, auch wenn wir ihrer noch nicht immer bewusst sind, und davon,<br />

wie wir Gott, den Geist <strong>der</strong> Liebe, mitten in unserem Alltagsleben finden.<br />

Das Leben ist <strong>der</strong> beste Lehrer des Menschen, und es gibt keine<br />

Erfahrung, in <strong>der</strong> er Gott nicht finden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Liebe des Ewigen nicht<br />

bewusst werden könnte. Jede Erfahrung im Leben kann uns, recht<br />

gewertet, zum Segen werden o<strong>der</strong> zu einer Stufe zu höheren Zuständen.<br />

Im normalen Lebensablauf sind Sonnenschein und Schatten ziemlich<br />

gleichmäßig verteilt. Zeiten, in denen es uns gut geht, 'wechseln mit<br />

solchen, in denen die Schwierigkeiten sich zu häufen scheinen. Zeiten, in<br />

denen wir die Nähe des Ewigen spüren, folgen an<strong>der</strong>en, in denen Gott uns<br />

fern scheint. Gewiss ist beides notwendig, und die Zeiten <strong>der</strong> Dürre sind,<br />

recht gesehen, sogar die wertvolleren, denn in ihnen lernen wir die Liebe<br />

des Ewigen vollkommener kennen und kommen Gott am nächsten. In<br />

solchen Zeiten kann uns am deutlichsten bewusst werden, dass die Liebe<br />

Gottes stets mit uns ist und uns nie verlässt.<br />

Nun leben aber sehr viele im Schatten, die durchaus im Sonnenschein<br />

leben könnten. Wir sind alle von Licht und von Schönheit umgeben, die<br />

wir nur nicht beachten. Unsere Lebenserfahrungen sind voller Segnungen,<br />

die wir übersehen und von denen wir eben darum keinen Gewinn haben.<br />

Wenn wir dieser Tatsache bewusst wären und mehr die lichte Seite des<br />

Lebens bejahen würden, würden wir alle weit glücklicher sein, als wir es<br />

heute sind, und frei von vielen Sorgen und Bedrückungen, die uns heute<br />

quälen. Gewöhnen wir uns daran, so zu denken und uns von Herzen des<br />

Lebens zu freuen, dann finden wir täglich mehr Grund zum Freuen.<br />

Noch glücklicher wird <strong>der</strong>, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Stille darum bittet, dass nur<br />

Gottes Wille geschehen möge. Durch die bewusste Hingabe an den<br />

Liebeswillen des Ewigen gelangt er endgültig auf jenen Weg zur<br />

Vollendung, den die Heiligen und Mystiker aller Zeiten gegangen sind.<br />

Von da an erweisen sich ihm alle Lebenserfahrungen als geistige<br />

Erfahrungen und Unterweisungen, von denen ihn jede auf seinem Wege<br />

zur Höhe för<strong>der</strong>t, weil sie sein Wesen verwandelt, durchlichtet - bis es zum<br />

reinen Spiegel des Wesens Christi geworden ist.<br />

Es genügt also nicht, die Macht <strong>der</strong> Gedanken nur zur Wandlung des


46 Die Liebe des Ewigen<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

äußeren Menschen und des äußeren Lebens zu betätigen; es gilt darüber<br />

hinaus, auch den inneren Menschen und das innere Leben von Grund auf<br />

zu erneuern. Und dazu ist es nötig, dass wir uns ganz dem Willen des<br />

Ewigen hingeben, uns von seiner Liebe getragen fühlen und uns von<br />

seinem Geiste leiten lassen.<br />

Jemand kann ein Meisterpsychologe sein und durch rechtes Denken,<br />

Verhalten und Tun außergewöhnliche Erfolge erzielen. Sie bedeuten<br />

nichts, weil er trotzdem erdgebunden und unfrei bleibt, solange er sich<br />

nicht <strong>der</strong> Liebe des Ewigen überlässt - jener Macht, die größer ist als alle<br />

menschliche Macht - und solange er sich nicht vom Geiste leiten lässt und<br />

sein Denken und Wollen nicht in Harmonie bringt mit dem Wesen und<br />

Wollen des Christus in ihm.<br />

„Die einzige Rettung“ - sagt Wilhelm Law, „ist ein Leben aus <strong>der</strong> Kraft<br />

Gottes in uns.“ Denn vom Ich aus vermögen wir uns nicht zu den<br />

göttlichen Höhen des Lebens zu erheben; mit <strong>der</strong> Hilfe Gottes in unserer<br />

Seele aber werden wir wie mit Adlerfittichen emporsteigen.<br />

Hierzu genügt es aber nicht, dass wir uns einwärtswenden, uns in stillen<br />

Stunden dem Ewigen hingeben und seinen Willen in uns wirken lassen,<br />

son<strong>der</strong>n wir müssen den Ewigen und seine unendliche Liebe auch in den<br />

Geschehnissen und Erfahrungen unseres täglichen Lebens erkennen und<br />

bejahen. Nur auf diese Weise werden wir zu <strong>der</strong> Erkenntnis finden, dass<br />

das Reich Gottes ‚mitten unter uns’ ist und wie unser Leben von innen her<br />

durchsonnt und verklärt wird.<br />

Wenn wir unsere täglichen Lebenserfahrungen bis ins Letzte und<br />

Kleinste als gott-gewollt und darum als gut ansehen, dann werden sie für<br />

uns zu Gelegenheiten, Gott in allen Erfahrungen und seine Liebe in jedem<br />

Geschehen zu erkennen.<br />

Wir erleben dann in immer höherem Maße, wie sehr unser Dasein unter<br />

dem Gesetz <strong>der</strong> göttlichen Ordnung und Liebe steht und wie sehr uns<br />

immer wie<strong>der</strong> geholfen wird - und zwar umso mehr, je rückhaltloser wir<br />

uns als Kin<strong>der</strong> des Ewigen bejahen und <strong>der</strong> Liebe des Ewigen vertrauen.<br />

Wenn einer schlechte Erfahrungen im Leben macht, so liegt das zur<br />

Hauptsache daran, dass er noch nicht tief genug von <strong>der</strong> Wahrheit<br />

durchdrungen ist, dass ihm in Wirklichkeit, nichts geschehen kann'.<br />

Schlechte Erfahrungen zeigen, dass sein Vertrauen auf die Liebe und Hilfe<br />

des Ewigen noch lange nicht fest genug in seiner Seele wurzelt. Denn je<br />

restloser unser Vertrauen, desto heilvoller und glücklicher wird unser<br />

Leben.<br />

Ist unser „Vertrauen zur Liebe Gottes vollkommen, dann offenbaren<br />

sich auch alle, wohlgemerkt: alle Erfahrungen des Lebens, die dunklen wie


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Gott wirkt durch uns<br />

47<br />

die lichten, als heilvolle Lehren, die unserer Erziehung und<br />

Vervollkommnung dienen und uns dem Ewigen näherbringen.<br />

Wir sehnen uns im Grunde unseres Herzen alle danach, Gott zu finden.<br />

Am sichersten begegnen wir ihm in den Erfahrungen des täglichen Lebens,<br />

und zwar kann das so weit gehen, dass wir uns <strong>der</strong> Gegenwart Gottes bei<br />

unserer täglichen Arbeit lebendiger bewusst werden als in den Übungen<br />

<strong>der</strong> Stille und Meditation.<br />

Es gilt, in jedem Ding, in jedem Erlebnis, in jedem Zustand die Nähe<br />

Gottes zu spüren, bis schließlich nur noch Gott und sonst nichts für uns<br />

wirklich ist. Wenn wir so handeln, erleben wir Gott immer deutlicher als<br />

den Geist <strong>der</strong> Liebe - einer Liebe, die ewig nur unser Bestes will - und<br />

gehen den uns bestimmten Weg des Lichts.<br />

(Quelle: H.TH. Hamblin - Psycho-Dynamik, Drei Eichen Verlag)<br />

Gott wirkt durch uns<br />

Agnes Sanford (1897-1982)<br />

Wenn beim Einschalten das elektrische Bügeleisen nicht warm wird,<br />

untersuchen wir den Stecker, <strong>der</strong> es mit dem Stromnetz verbindet o<strong>der</strong> die<br />

ganze Einrichtung. Wir bleiben nicht voller Bestürzung vor dem<br />

Bügeleisen stehen und rufen: „O bitte, Elektrizität, komm in das<br />

Bügeleisen und mache es wie<strong>der</strong> gebrauchsfähig!“ Es ist uns klar: obwohl<br />

die ganze Welt erfüllt ist von dieser geheimnisvollen Kraft, die wir<br />

Elektrizität nennen, so macht doch nur die Menge, die durch die Leitung<br />

des Bügeleisens strömt, sie für uns wirksam.<br />

Derselbe Grundsatz gilt auch für die schöpferische Kraft Gottes. Sie<br />

erfüllt das ganze Weltall, aber nur so viel, wie davon durch unser eigenes<br />

Sein strömt, wird in uns wirken können.<br />

Wir haben vielleicht schon oft versucht, diese Schöpferkraft in uns<br />

wirksam werden zu lassen, indem wir baten: „O Gott, tue dies o<strong>der</strong> jenes.“<br />

Wenn er dann dies o<strong>der</strong> jenes nicht tat, schlossen wir daraus, dass Beten<br />

nutzlos sei; denn Gott - wenn es ein solches Wesen überhaupt gibt - werde,<br />

unbekümmert um unsere Wünsche, nach seinem eigenen Willen verfahren.<br />

Wir zweifeln mit an<strong>der</strong>n Worten an <strong>der</strong> Geneigtheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fähigkeit<br />

Gottes, in unserem Leben und unserem Körper das zustande zu bringen,<br />

was wir so sehr wünschen. Wir bezweifeln keineswegs unsere eigene<br />

Fähigkeit, in seiner Gegenwart stehen o<strong>der</strong> uns von ihm erfüllen lassen zu<br />

können, wohl aber seinen Willen, in uns zu kommen und uns mit sich<br />

selber zu erfüllen.


48 Gott wirkt durch uns<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Mein kleines Kind lag sechs Wochen krank an einer eitrigen<br />

Ohrenentzündung. Verzweifelt betete ich zu Gott um seine Genesung.<br />

Mein Herz war ganz erfüllt mit furchtsamen und bitteren Gedanken, und<br />

solche sind nicht von Gott. Gott ist Liebe, und vollkommene Liebe treibt<br />

die Furcht aus. Gott konnte nichts durch mich wirken zur Heilung meines<br />

Kindes; denn die Leitung, die mich mit ihm verband, war unterbrochen.<br />

In seiner großen Güte tat er dennoch für mich, was er konnte. Er sandte<br />

mir einen seiner Diener. Das war ein Pfarrer, ein junger Mann mit frischen<br />

Wangen und klaren Augen, mit einem natürlichen und gesunden Interesse<br />

an Menschen und Leben.<br />

„Ich will hinaufgehen und mit Ihrem Bübchen beten“, sagte er. „Ich<br />

glaube nicht, dass dies irgendwie helfen wird“, antwortete ich müde, „er ist<br />

erst an<strong>der</strong>thalb Jahre alt. Er würde es noch nicht verstehen.“<br />

Bei mir selber aber dachte ich: wenn Gott meine Bitten nicht<br />

beantwortet, warum sollte er das Gebet dieses Mannes erhören? „O, das tut<br />

nichts zur Sache“, rief er, ohne meinen schwachen Einspruch zu beachten,<br />

und ging die Treppe hinauf.<br />

Ein Licht strahlte in seinen Augen. Ich schaute ihn an und sah seine<br />

Freude und glaubte. Denn Freude ist die göttliche Bestätigung eines<br />

Lebens mit innerer Vollmacht. Kein trübseliger Pfarrer mit to<strong>der</strong>nstem<br />

Gesicht hätte mein Kind heilen können. Ohne meinen Glauben wäre das<br />

Kind nicht gesund geworden, und die Freude auf dem Gesicht des<br />

Geistlichen hatte meinen Glauben hervorgelockt. Während ich ihn<br />

anschaute, erkannte ich, dass er mit dem Einen zusammen gewesen war,<br />

<strong>der</strong> kam, uns seine Freude zu bringen, und darum wusste ich, dass das<br />

Kind genesen werde.<br />

Der Pfarrer legte seine Hände auf die Ohren des Kindes und sagte:<br />

„Himmlischer Vater, wir bitten Dich, sende Du Dein Leben in diese Ohren<br />

und heile sie. Wir danken Dir, denn wir wissen, dass Du uns schon erhört<br />

hast. Amen.“<br />

Augenblicklich erlosch die Fieberglut auf dem Gesicht des Kleinen. Er<br />

wurde ganz bleich, schloss die Augen und schlief ein. Als er erwachte, war<br />

er gesund. Und nie wie<strong>der</strong> bekam er Ohrenentzündung.<br />

Dieses Erlebnis zündete in mir das Licht an in einer Welt, die so dunkel<br />

geworden war in all ihrer Nichtigkeit. Es zeigte mir, dass Gott eine<br />

machtvolle, handelnde Wirklichkeit ist. Sicherlich verstand ich noch sehr<br />

wenig von ihm. Ich dachte nur, dass <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> mich besucht hatte, die<br />

Gabe des Heilens besaß. Heute weiß ich, dass er keine an<strong>der</strong>e Gabe zu<br />

eigen hatte als die, die uns allen offen steht: das unendliche Geschenk des<br />

Lebens aus Gott selbst. Gottes Lebenswasser konnte durch ihn


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Gott wirkt durch uns<br />

49<br />

hindurchströmen, denn die Verbindung zwischen seinem Geist und Gottes<br />

Geist war unversehrt. Er war durch Jesus im Einklang mit Gott. Das Leben<br />

aus Gott flutete durch ihn, und er konnte es daher für die Genesung eines<br />

Kindes in Anspruch nehmen. Weil er dessen gewiss war, hatte er den Mut,<br />

mit Vollmacht zu sprechen.<br />

„Wir danken Dir, denn wir wissen, dass Du uns schon erhört hast“, so<br />

hatte er gesagt, und das Wort „Amen (so sei es)“ hinzugefügt. Das ist ein<br />

Befehlswort aus Zuversicht. Zwar enden alle Gebete mit „Amen“, aber für<br />

gewöhnlich ist das Wort bedeutungslos. Die Leute, die es aussprechen,<br />

denken nicht im Mindesten daran, einen so zuversichtlichen Befehl<br />

auszusprechen, dass sie zu sagen wagten: „Morgen, wenn das Kind<br />

erwacht, wird es gesund sein.“ Das ist ein Grund dafür, dass so viele<br />

Gebete unerhört zu bleiben scheinen (Jak. 1, 6-7).<br />

Gott wohnt zugleich in uns und außer uns. Er ist die Quelle alles<br />

Lebens, <strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Welten hinter den Welten, <strong>der</strong> Erschaffer von<br />

unvorstellbaren Tiefen und Räumen zwischen den Sternen, <strong>der</strong> Lichtjahre<br />

ohne Ende. Aber er ist durch Jesus auch das innewohnende Licht unseres<br />

eigenen kleinen Selbst. Und ebenso wenig wie eine ganze Welt voll<br />

Elektrizität ein Haus erleuchten kann, wenn es nicht selber dazu<br />

ausgerüstet ist, Elektrizität aufzunehmen, ebenso wenig kann das<br />

unendliche und ewige Leben Gottes uns helfen, bevor wir bereit sind,<br />

dieses Leben in uns selbst aufzunehmen. Nur soviel von Gott, wie wir in<br />

uns selbst haben, wird für uns wirksam sein.<br />

„Das Reich Gottes ist inwendig in euch“, sagte Jesus von denen, die an<br />

Ihn glaubten. Das innewohnende Licht, die verborgene Stelle <strong>der</strong><br />

Gegenwart des Allerhöchsten, ist das Königreich <strong>der</strong> Himmel in seiner<br />

gegenwärtigen Offenbarung auf dieser Erde. Im Königreich <strong>der</strong> Himmel<br />

leben zu lernen, heißt lernen, sich dem inwendigen Licht aus Gott<br />

zuzuwenden.<br />

Wir müssen lernen, dass Gott kein unvernünftiger, unberechenbarer<br />

Diktator ist, <strong>der</strong> seine eigenen Gesetze nach Gutdünken bricht. Sobald wir<br />

lernen, dass Gott durch uns (und nicht nur für uns) wirkt, wird die ganze<br />

Sache so natürlich wie das Atmen, so unvermeidlich wie ein Sonnenaufgang.<br />

„Aber Gott ist allmächtig“, sagen einige, „er kann alles tun, was er<br />

will.“ Sicherlich, doch hat er eine Welt geschaffen, die durch Gesetze<br />

erhalten wird, und er will diese Gesetze nicht brechen.<br />

Kaum jemand würde bei uns im Norden Gott bitten, eine Rose im<br />

Januar draußen blühen zu lassen. Und doch kann die Rose im Januar<br />

blühen, wenn wir unsere Treibhäuser Gottes Licht- und Wärmegesetzen


50 Gott wirkt durch uns<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

anpassen, und ihr so das Notwendige verschaffen. Und Gott kann unserem<br />

Gebet eine vollerblühte Antwort geben, wenn wir unser irdisches<br />

Heiligtum seinen Gesetzen <strong>der</strong> Liebe und des Glaubens anpassen und so<br />

die Erhörung unserer Gebete möglich wird.<br />

Eines Tages wird die Welt dazu kommen, diese Tatsache ebenso zu<br />

verstehen, wie sie heute das Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schallwellen versteht. Denn was<br />

einer Generation als ein Wun<strong>der</strong> erscheint, ist <strong>der</strong> nächsten etwas ganz<br />

Natürliches und Alltägliches.<br />

Eines Tages werden wir die Gesetze erkennen, die den<br />

wun<strong>der</strong>wirkenden Kräften Gottes zugrunde liegen, und wir werden Gottes<br />

Handeln darin so einfach und natürlich annehmen, wie wir das Radio heute<br />

verstehen und benutzen.<br />

Prof. Alexis Carrell, Arzt und Wissenschaftler, bezeugt, gesehen zu<br />

haben, wie ein Hautkrebs auf den Befehl eines glaubenden Menschen<br />

verschwand. Das war kein Brechen <strong>der</strong> Naturgesetze. Es war die<br />

Überordnung eines höheren Lebensgesetzes über ein niedrigeres. Darum<br />

war es die Erfüllung des Naturgesetzes. Sobald wir von einem Wun<strong>der</strong><br />

erkennen, dass es keine Verletzung göttlicher Gesetze bedeutet, son<strong>der</strong>n<br />

das Handeln Gottes mit seinen Gesetzen, dann ist die Welt voller Wun<strong>der</strong>.<br />

Ich habe selbst mit angesehen, wie eine Lungenentzündung innerhalb<br />

einer Viertelstunde erlosch, während <strong>der</strong> die Temperatur des Patienten von<br />

höchster Fieberhöhe auf die normale heruntersank, und <strong>der</strong> Schweiß aus<br />

seinem Körper brach, so dass die Leintücher ganz durchtränkt wurden.<br />

Dies war fast ebenso wun<strong>der</strong>bar wie die ewig wechselnden Muster, die <strong>der</strong><br />

Frost an die Fensterscheibe zaubert. Es war für mich beinahe ein ebenso<br />

großes Wun<strong>der</strong> wie das Wun<strong>der</strong> von Tag und Nacht, Sonnenaufgang und<br />

Sonnenuntergang, hervorgebracht durch die immer neuen Drehungen <strong>der</strong><br />

Erde, <strong>der</strong> Sonne und des Mondes in einem Kräftespiel, das von<br />

kosmischen Gesetzen beherrscht und geregelt wird und außerhalb des<br />

Gesichtskreises <strong>der</strong> Astronomen liegt. Gott schafft nichts ohne seine<br />

Gesetze. Aber er hat genügend Kraft in seine Ordnungen gelegt, dass alles<br />

getan werden kann, was seinem Willen gemäß ist. Unbegrenzte Wun<strong>der</strong><br />

sind darin eingeschlossen. An uns liegt es, seinen Willen zu erlernen und<br />

die Einfachheit und Schönheit <strong>der</strong> Gesetze zu erforschen, die seine Macht<br />

freigeben.<br />

(Heilendes Licht, Edel Verlag)<br />

„Gott ist allzeit bereit, wir aber sind sehr unbereit; Gott ist uns ‚nahe‘,<br />

wir aber sind ihm fern; Gott ist drinnen, wir aber sind draußen;<br />

Gott ist (in uns) daheim, wir aber sind in <strong>der</strong> Fremde.“<br />

(Meister Eckhart: Predigt 36).


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Die Meisterprüfung<br />

51<br />

Die Meisterprüfung<br />

Ein Meister hatte einen Schüler, <strong>der</strong> selbst längst zum Meister geworden<br />

war. Er hatte Erleuchtung erfahren und war im Höchsten Bewusstsein, aber<br />

er konnte dieses Bewusstsein noch nicht ständig halten. Er fragte seinen<br />

Meister: "Wie kann ich diesen letzten Schritt tun?"<br />

Und <strong>der</strong> Meister antwortete ihm: „Ich kenne einen König in einem<br />

entfernten Land, <strong>der</strong> ist ständig im höchsten Bewusstsein. Frage ihn, ob er<br />

dir sein Geheimnis verrät.“ Und so machte sich <strong>der</strong> Schüler auf den langen<br />

Weg. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Er trat vor den König, grüßte ihn<br />

von seinem Meister und fragte ihn, ob er ihm das Geheimnis verraten<br />

wolle, wie man ständig im Höchsten Bewusstsein bleibt.<br />

Der König sagte: „Ich will dir mein Geheimnis gern verraten, aber zuvor<br />

musst du eine Prüfung ablegen, damit ich sicher bin, dass du würdig bist.<br />

Doch die Prüfung ist gefährlich und kann dich dein Leben kosten.“ Der<br />

Schüler erwi<strong>der</strong>te: „Ich habe alles im Leben erreicht, aber es bedeutet mir<br />

nichts, ohne diesen letzten Schritt, und wenn es mein Leben kostet, ich bin<br />

bereit.“<br />

Der König erklärte ihm, worin die Prüfung bestehe. „Du gehst vor den<br />

Palast und bekommst eine Schüssel randvoll mit Wasser. Die musst du<br />

einmal um den Palast tragen. Aber hinter dir geht mein Scharfrichter mit<br />

gezogenem Schwert. Wenn du nur einen einzigen Tropfen verschüttest,<br />

schlägt er dir den Kopf ab.“<br />

Der Schüler war einverstanden, ging vor den Palast, bekam eine<br />

Schüssel randvoll mit Wasser und trug sie in höchster Konzentration um<br />

den Palast - Schritt für Schritt. Und hinter ihm hörte er den Scharfrichter<br />

des Königs und wusste, wenn er nur einen einzigen Tropfen verschütten<br />

würde, war sein Leben beendet. Und in höchster Konzentration schaffte er<br />

es, die Schüssel mit Wasser einmal um den ganzen Palast zu tragen, ohne<br />

einen Tropfen zu verschütten.<br />

Erleichtert ging er zum König und sagte: „Du siehst, ich lebe noch, ich<br />

habe die Prüfung also bestanden. Bist du nun bereit, mir dein Geheimnis zu<br />

verraten?“ Und <strong>der</strong> König sagte: „Ich bin bereit, aber du kennst es ja<br />

bereits, ich mache es genau so wie du eben, nur ständig!“<br />

„Dienet einan<strong>der</strong> ein je<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Gabe, die er empfangen hat, als die<br />

guten Haushalter <strong>der</strong> mancherlei Gnade Gottes!“<br />

(1.Petrus 4,10)


52 Weisheitsgeschichten<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Ein bewun<strong>der</strong>ungswerter Bauplan<br />

Ein Millionär, <strong>der</strong> meinte, dass für sein Geld alles möglich sei,<br />

beauftragte einen Architekten mit folgen<strong>der</strong> Aufgabe:<br />

„Sie sollen für mich einen Turm bauen, <strong>der</strong> einen Durchmesser von 4 m<br />

hat. Darin müssen Treppen und Gänge, Wasserleitung und<br />

Materialaufzüge eingebaut werden. Die Wände dürfen nur einen halben<br />

Meter dick sein. Die Höhe des Turmes aber muss 1500 m betragen. Er<br />

muss sich nach allen Seiten biegen können, und in seiner Spitze soll eine<br />

chemische Fabrik eingebaut werden.<br />

Wie weise <strong>der</strong> Mensch auch ist, so würde er doch nicht imstande sein,<br />

so etwas zu bauen.<br />

Aber es gibt einen „Turm“, dessen Höhe tatsächlich 400 mal größer ist<br />

als sein Durchmesser. Dieser „Turm“ ist <strong>der</strong> Roggenhalm.<br />

Seine Wand ist nur einen halben Millimeter dick, während sein<br />

Durchmesser vier Millimeter beträgt, und seine Höhe 1,5 Meter.<br />

In den Rippen des Halms finden sich Treppen und Gänge.<br />

Aufzüge für Nährmittel und Leitungen für das Wasser sind vorhanden.<br />

An <strong>der</strong> Spitze des Halms, in <strong>der</strong> Ähre, befindet sich eine chemische Fabrik,<br />

in <strong>der</strong> das Mehl für das Brot des Menschen in Form von Körnern<br />

hergestellt und gespeichert wird.<br />

So werden Milliarden von Ähren zum Zeugnis von <strong>der</strong> Größe und Güte<br />

Gottes.<br />

Die kleine Schraube<br />

Es gab einmal in einem riesigen Schiff eine ganz kleine Schraube, die<br />

mit vielen an<strong>der</strong>en ebenso kleinen Schrauben zwei große Stahlplatten<br />

miteinan<strong>der</strong> verband. Diese kleine Schraube fing an, bei <strong>der</strong> Fahrt mitten<br />

im Indischen Ozean, etwas lockerer zu werden und drohte herauszufallen.<br />

Da sagten die nächsten Schrauben: „Wenn du herausfällst, dann gehen<br />

wir auch.“ Und die Nägel unten am Schiffskörper sagten: „Uns wird es<br />

auch zu eng, wir lockern uns auch ein wenig.“<br />

Als die großen stählernen Rippen das hörten, riefen sie: „Bitte, bitte<br />

bleibt doch, denn wenn ihr nicht mehr haltet, dann ist es um uns<br />

geschehen!“<br />

Und das Gerücht von <strong>der</strong> kleinen Schraube verbreitete sich blitzschnell<br />

durch den ganzen riesigen Körper des Schiffes. Er ächzte und erbebte in<br />

allen Fugen.<br />

Da beschlossen die sämtlichen Rippen und Platten und Schrauben und


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Weisheitsgeschichten<br />

53<br />

auch die kleinsten Nägel eine Botschaft an die kleine Schraube zu senden,<br />

sie möchte doch bitte bleiben; denn sonst würde das ganze Schiff bersten<br />

und keiner von ihnen die Heimat erreichen.<br />

Das schmeichelte <strong>der</strong> kleinen Schraube, dass ihr solch große<br />

Bedeutung beigemessen wurde, und sie ließ allen sagen, sie wolle sitzen<br />

bleiben.<br />

Anleitung zum Unglücklichsein<br />

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, aber keinen<br />

Hammer.<br />

Der Nachbar hat einen. Also beschließt er, hinüberzugehen und ihn<br />

auszuborgen.<br />

Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn <strong>der</strong> Nachbar mir den<br />

Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig.<br />

Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt,<br />

und er hat etwas gegen mich. Aber was nur?<br />

Ich habe ihm doch nichts angetan; <strong>der</strong> bildet sich da etwas ein.<br />

Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm<br />

sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so<br />

einfachen Gefallen ausschlagen?<br />

Leute wie <strong>der</strong> Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich<br />

noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat.<br />

Jetzt reicht’s mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, <strong>der</strong><br />

Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Morgen“ sagen kann, schreit<br />

ihn unser Mann an: „Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel!“<br />

(Paul Watzlawick)<br />

Wer bin ich?<br />

Der Liebhaber klopfte an die Tür seiner Geliebten. »Wer ist da?«, fragte<br />

die Geliebte drinnen.<br />

„Ich bin's“, sagte <strong>der</strong> Liebhaber.<br />

„Geh weg! Dieses Haus will dir und mir keine Bleibe geben.“<br />

Der abgewiesene Liebhaber ging davon und zog in die Wüste. Dort<br />

meditierte er und sann vier Monate lang über die Worte <strong>der</strong> Geliebten<br />

nach. Schließlich kehrte er zurück und klopfte wie<strong>der</strong> an ihre Tür.<br />

„Wer ist da?“<br />

„Du bist es.“<br />

Und sogleich wurde die Tür geöffnet.


54 Göttlicher Gesundheitsrat<br />

<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong><br />

Göttlicher Gesundheitsrat<br />

„Du könntest schon lange <strong>der</strong> vollen Gesundheit dich erfreuen,<br />

wenn du ein volles Vertrauen auf Mich hättest. Allein wie da dein<br />

Vertrauen ein geteiltes, also ist auch deine Gesundheit eine solche. Was<br />

aber kann da Meine Hilfe bringen, so sie sogleich wie<strong>der</strong> von<br />

irgendeinem weltweisen Arzte vertrieben wird?<br />

Und habe Ich da neben einem Arzte auch jemandem aus <strong>der</strong> Not<br />

seines Leibes geholfen, wer erkennt solches und gibt Mir dann die<br />

Ehre, da er geteilten Glaubens ist in dem, ob Ich o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arzt ihm<br />

geholfen habe? Wenn aber Meine Hilfe nur gewisserart also mitzotteln<br />

muss mit <strong>der</strong> Hilfe des Arztes, siehe, da lasse Ich Mir auch Zeit und<br />

sage: Wie die Zahlung, so auch die Arbeit! - Wer hier am meisten<br />

bezahlt wird, <strong>der</strong> soll auch am meisten arbeiten!<br />

Was nützte es aber <strong>der</strong> Seele und somit auch dem Geiste, welcher ist<br />

das Leben <strong>der</strong> Seele, so Ich dem Leibeskranken helfen möchte in <strong>der</strong><br />

Medizin des Arztes? Würde er, wenn er sobald genesen würde, nicht<br />

auch sein ganzes, volles Zutrauen auf den Arzt setzen, Meine Hilfe aber<br />

nur als eine Chimäre und Mich somit nach und nach für ganz<br />

entbehrlich betrachten?<br />

Siehe, aus diesem Grunde habe Ich da mit den Leibeskranken nicht<br />

viel zu tun. So aber <strong>der</strong> Arzt Mir trauete und Mir allein die Ehre gäbe,<br />

und mit ihm auch <strong>der</strong> Kranke, so wäre das freilich wohl etwas an<strong>der</strong>es<br />

und Meine Hilfe sicherer, als so <strong>der</strong> Arzt sich noch schmählich darüber<br />

aufhält, wenn ein Gesundgewordener in seiner Gegenwart ausruft: "Der<br />

liebe Gott hat mir geholfen!" - <strong>der</strong> Arzt aber dann beisetzt: "Wenn dir<br />

Gott geholfen hat, warum hast du denn hernach mich zu dir rufen<br />

lassen? Hättest ja gleich können dich zu deinem Gott um Hilfe wenden!<br />

Hier habe ja nur ich, <strong>der</strong> Arzt, dir geholfen durch meine Kunst und<br />

Wissenschaft!"<br />

Willst du aber vollkommen gesund werden, dann vertraue dich nur<br />

Mir allein fest an, und das mehr denn deinen Alten und Ärzten, sonst<br />

kann Ich dir nicht helfen. Ich kann aus Meiner großen Erbarmung es<br />

wohl zulassen, dass du halbsiech erhalten wirst von den Ärzten; aber<br />

ganz gesund wohl sehr schwer o<strong>der</strong> nie!<br />

Wenn du wüsstest, wie gerne ich so manchem helfen möchte, wenn<br />

er nur zu Mir käme voll Vertrauens und Glaubens und Liebe! Aber jetzt<br />

kommen die Besten kaum mit einem Viertel Glauben, einem Sechstel<br />

Vertrauen und einem Achtel Liebe. Siehe, bei solchen Verhältnissen<br />

gibt es denn auch für Mich bei den Kranken aller Art wenig zu tun!<br />

Solches aber sage Ich dir dieweil Ich dich doppelt gesund machen will.<br />

Verstehe aber wohl, was das heißt: doppelt gesund! - Das alles sage<br />

Ich, dein lieber Jesus.“<br />

(Jakob <strong>Lorber</strong> - Heilungs- und Gesundheitspflege S. 220)


<strong>GL</strong> 4/<strong>2013</strong> Verschiedenes<br />

55<br />

„Wissen ist etwas an<strong>der</strong>es und Fühlen auch ganz etwas an<strong>der</strong>es.<br />

Zum Wissen kann man durch, selbst den trockensten, Fleiß<br />

gelangen und zur Weltklugheit durch Erfahrungen;<br />

aber zum wahren Fühlen gehört mehr als viel lernen und<br />

erfahren!<br />

Vieles Wissen macht das menschliche Herz nicht fühlen<br />

und allzeit recht wollen, und die Erfahrung kann uns im<br />

Schlechten wie im Guten klug machen; nur ein rechtes Gefühl<br />

belebt alles und ordnet alles und gibt Ruhe und Seligkeit.“<br />

(Gr.Ev.Joh.. Bd. 3; 242,7-8)<br />

<strong>Lorber</strong>tagung 2014<br />

Die <strong>Lorber</strong>tagung <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> findet<br />

im nächsten Jahr wie<strong>der</strong> um Pfingsten statt,<br />

in <strong>der</strong> Zeit von Freitag, den 6. bis 10. Juni 2014.<br />

Das Tagungsprogramm und die Anmeldung zur Tagung<br />

erscheinen im nächsten Heft, welches Mitte Februar herauskommt.<br />

<strong>Lorber</strong>freundin sucht Lebenspartner<br />

<strong>Lorber</strong>freundin (43 Jahre) im Bereich Chemnitz sucht einen liebevollen,<br />

kin<strong>der</strong>lieben Partner mit geistigen Wertvorstellungen für ein<br />

gemeinsames Leben.<br />

Kontakt unter: 037360 - 79216<br />

Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen als MP3-CD und Video-DVD<br />

Alle Vorträge <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>tagungen können auf MP3-Audio-CDs, auf<br />

denen mehrere Vorträge passen und individuell zusammengestellt werden<br />

können, zum Preis von 5,- €/CD plus Versandkosten bestellt werden.<br />

For<strong>der</strong>n Sie die Vortragsliste an.<br />

Bestellungen unter <strong>der</strong> Email: lorber-gesellschaft@web.de o<strong>der</strong> unter:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V. , Postfach, 83731 Hausham


Jakob-<strong>Lorber</strong>-Begegnungsstätte<br />

www.andritzquelle.de<br />

Ursprungblick 5a, A-8046 Graz-Stattegg<br />

Steiermark / Österreich<br />

Tel./Fax: 0043 / 316 - 691353 (von D)<br />

Tel./Fax: 0316 - 691353 (von A)<br />

Fernab vom Lärm <strong>der</strong> Welt, liegt<br />

<strong>der</strong> besinnliche Quellteich <strong>der</strong><br />

Andritz, umgeben von Felsen und<br />

alten Bäumen malerisch versteckt<br />

in einer kleinen Talbucht am Fuße<br />

des Schöckelgebirges. Eine hohe<br />

Mauer, welche im Grün <strong>der</strong> Bäume<br />

und Sträucher fast verschwindet,<br />

beschützt diesen ruhigen und<br />

beschaulichen Ort vor fremden<br />

Blicken. Hier, in dieser Oase <strong>der</strong> Stille und Ruhe, findet die nach inneren<br />

Frieden suchende Menschenseele einen Ort <strong>der</strong> Kraft zum Auftanken.<br />

Um den Quellteich führt ein Fußweg und Bänke laden zum Verweilen<br />

und Meditieren ein, um das innere Wesen dieses von <strong>der</strong> Natur so reich<br />

gesegneten Ortes zu erfahren.<br />

Das Gästehaus <strong>der</strong> Andritz-Quelle wurde 1905 erbaut und 2004<br />

mo<strong>der</strong>nisiert. Es steht als Seminar- und Begegnungsstätte allen nach<br />

Stille und Ruhe suchenden Menschen offen. Es bietet drei<br />

Doppelzimmer mit Dusche/WC, ein Doppelzimmer mit Etagendusche/<br />

WC, zwei Einzelzimmer mit Etagendusche/WC, einen Gästeraum und<br />

eine Gästeküche. Das Gästehaus ist von April bis Januar geöffnet.<br />

Anmeldungen und Anfragen an die:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />

Anita Strattner, Pfarrhofstr. 7, D-83132 Pittenhart<br />

Tel. / Fax : 08624-4114<br />

E-mail: mail@andritzquelle.de<br />

Homepage: www.andritzquelle.de


Neu digitalisierte Bearbeitung des <strong>Lorber</strong>films auf Video-DVD<br />

Der 1989 von <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> produzierte Dokumentarfilm<br />

über das Leben und Werk Jakob <strong>Lorber</strong>s war bisher nur im VHS-<br />

Format als Videokassette erhältlich.<br />

Da dies mittlerweile ein veraltetes und nicht mehr gebräuchliches<br />

System ist, hat sich die <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> entschlossen, den<br />

Film als Video-DVD herauszugeben und die Produktion auf Videokassetten<br />

einzustellen.<br />

Um den Film in einer bestmöglichen Qualität als Video-DVD<br />

anzubieten, wurde <strong>der</strong> Film durch ein professionelles Filmstudio<br />

digitalisiert und in Farbe und Ton neu überarbeitet.<br />

Der Film liegt nun zweisprachig in Deutsch und Englisch, sowie im<br />

4:3 und 16:9 Bildformat auf einer DVD vor. Die Spieldauer beträgt<br />

45 Min.<br />

Die DVD „Und hättet ihr nicht das ganze Universum in euch“<br />

ist zu einem Preis von 9,90 € plus Versandkosten erhältlich bei:<br />

<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />

Postfach 114<br />

83731 Hausham / Deutschland<br />

Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />

Email: lorber-gesellschaft@web.de


Besinnliche Texte zur Meditation<br />

„Um Gott wahrhaft lieben zu können, muss man Gott<br />

stets mehr und mehr zu erkennen trachten. Wem<br />

daran nicht am meisten gelegen ist, <strong>der</strong> muss es sich<br />

am Ende selbst zuschreiben, wenn bei ihm das innere<br />

Gefühl und Bewusstsein über das ewige Fortleben <strong>der</strong><br />

Seele nach des Leibes Tode nur ein höchst schwaches<br />

ist und bleibt; denn dieses wahre Lebensgefühl ist<br />

eben ja nur die Folge <strong>der</strong> wahren, lebendigen Liebe zu Gott und<br />

daraus zum Nächsten.“ (GEJ.06_075,09)<br />

Jakob <strong>Lorber</strong> (1800-1864)<br />

<br />

„Wer darauf achtet, kann wissen, dass je<strong>der</strong> Gedanke<br />

aus einem Gefühl, dem Ausfluss einer Liebe hervorgeht,<br />

und dass die Denkbil<strong>der</strong> (Vorstellungen) die mancherlei<br />

Formen sind, in die sich das allgemeinen Gefühl zerteilt<br />

hat; denn es gibt durchaus keinen Gedanken und kein<br />

Denkbild ohne ein Gefühl." (Himmel und Hölle 236)<br />

<br />

<br />

Emanuel Swedenborg (1688-1772)<br />

„Sammle dich und kehre ein, lerne schauen, lerne lesen!<br />

Sammle dich - und Welt wird Schein. Sammle dich - und<br />

Schein wird Wesen.“<br />

Hermann Hesse (1877-1962)<br />

„Ohne ein ganz persönliches Verhältnis zu Gott hat das<br />

Beten eigentlich überhaupt gar keinen Sinn.“<br />

<br />

Carl Hilty (1833-1909)<br />

„Ein Mensch, <strong>der</strong> Gott gehorcht, erwählt das beste Teil.<br />

Ein Mensch, <strong>der</strong> Gott verlässt, verlässt sein eignes<br />

Heil.“<br />

Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)

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