GL 2/2008 - der Lorber-Gesellschaft eV
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Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn<br />
Unser Gottesbild<br />
Von Tod und Todesnot<br />
Ruhen in Gott<br />
Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
Vom Wesen <strong>der</strong> Fürbitte<br />
Aus meines Herzens Grunde<br />
Die Stille
INHALT<br />
A. v. Droste-Hülshoff Liebe S. 2<br />
Klaus W. Kardelke Editorial S. 3<br />
Antnoni Großheim Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn S. 5<br />
Bernd Kössler Unser Gottesbild S. 11<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Von Tod und Todesnot S. 18<br />
Jörg Zink Ruhen in Gott S. 19<br />
Miguel de Molinos Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann S. 24<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Vom Wesen <strong>der</strong> Fürbitte S. 30<br />
Gerhard Wehr Aus meines Herzens Grunde S. 32<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Gott und Vater S. 39<br />
Jack H. Holland Die Stille S. 41<br />
G. Dell Britt Der zerstörte Bambus S. 48<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Der Herr als prüfende Braut S. 49<br />
Sundar Singh Warum musste Gott Mensch werden S. 51<br />
Brief von einem Freund S. 51<br />
Jakob <strong>Lorber</strong> Wo bleibt Gott S. 52<br />
Kanal 23 S. 53<br />
Begegnung an <strong>der</strong> Andritz-Quelle S. 54<br />
Jahrestagung <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> S. 55<br />
Mit Namen des Verfassers versehene Beiträge müssen nicht mit <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong><br />
Schriftleitung übereinstimmen.<br />
Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich auf freiwilliger Spendenbasis.<br />
Beiträge richten Sie bitte an die Schriftleitung.<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Verwaltungsanschrift: Postfach 114<br />
83731 Hausham / Deutschland<br />
Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294<br />
E-Mail-Anschrift:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>@web.de<br />
Internet-Seite:<br />
www.<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>.de<br />
Schriftleitung:<br />
Klaus W. Kardelke<br />
Redaktion:<br />
Angelika Penkin, Michael Nolten<br />
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- Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -<br />
Jahrgang 28 <strong>2008</strong> Heft 2<br />
Da sprach Jesus zu seinen Jüngern:<br />
Will mir jemand nachfolgen, <strong>der</strong> verleugne sich<br />
selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.<br />
Denn wer sein Leben erhalten will, <strong>der</strong> wird's<br />
verlieren; wer aber sein Leben verliert um<br />
meinetwillen, <strong>der</strong> wird's finden. Was hülfe es dem<br />
Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme<br />
Schaden an seiner Seele O<strong>der</strong> was kann <strong>der</strong><br />
Mensch geben, damit er seine Seele wie<strong>der</strong> löse<br />
Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir<br />
nach, <strong>der</strong> ist mein nicht wert.<br />
(Mt. 16,24 + 10,38)
2 Liebe<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Liebe<br />
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)<br />
Das ist mein Trost in allen Leiden,<br />
Dass nichts mich kann von Jesu scheiden,<br />
Von seiner Liebe keine Macht,<br />
Der größte aller Erdenschmerzen<br />
Hat nicht Gewalt ob einem Herzen,<br />
Worin die Liebe Jesu wacht.<br />
Wenn er mir bleibt, was kann mir fehlen<br />
Wenn er mich labt, was kann mich quälen<br />
Wie hat er Alles wohl bestellt!<br />
Wenn ich nur seinen Namen nenne,<br />
Dann ist‘s, als ob das Herz mir brenne;<br />
Im Lichte steht die ganze Welt.<br />
Sein Kreuz ist wie <strong>der</strong> Himmelsbogen<br />
Um meinen Horizont gezogen;<br />
Wohin ich schau, da steht es schon.<br />
O süßes Kreuz, lass dich umfangen,<br />
Woran mein liebstes Lieb gehangen<br />
Für unsrer Sünden bittern Lohn!<br />
Wenn meine Pflichten oft mich drücken,<br />
Dann muss ich Liebesrosen pflücken<br />
Aus seinem bittern Kreuzestod.<br />
Wie kommt mir wun<strong>der</strong>bare Stärke!<br />
Wie sind so leicht die schweren Werke,<br />
Dieweil mein Jesu sie gebot!<br />
Mein Leid muss mir zu Freuden werden,<br />
Denk‘ ich an Jesu Leid auf Erden<br />
Und seinen blut‘gen Kreuzespfad.<br />
Mein Jesu ist vorangegangen;<br />
Wie kann mir noch vor Dornen bangen<br />
Auf Wogen, die mein Gott betrat<br />
Er hat den bittern Weg erkoren:<br />
Was flieht ihr denn, ihr schwachen Toren<br />
So sehr die Bitterkeit und Pein<br />
Muss ich durch Dornenweg‘ mich schlagen,<br />
So soll mein Mund frohlockend sagen:<br />
»Mein Jesu kann nicht ferne sein«.<br />
Er ist nicht fern, auf allen Wegen<br />
Kommt mir ein Strahl von ihm entgegen,<br />
In himmlisch trösten<strong>der</strong> Gestalt;<br />
Er ist nicht fern, im Sturmesgrimme<br />
Da hör ich seine liebe Stimme,<br />
Er ist nicht fern, ich find ihn bald.<br />
Sein Bild steht überall geschrieben,<br />
Ich kann nur Ihn, nur Ihn noch lieben,<br />
Ich kann nur Ihn allein noch sehn;<br />
Ich weiß, Er muss mir ewig bleiben,<br />
Ach wollte Er mich von sich treiben,<br />
Ich müsste gleich in Schmerz vergeh‘n.<br />
Ach könnt‘ ich diese Hülle meiden!<br />
Doch still, mein Herz, verschließ bescheiden<br />
Den heißen Wunsch in deine Brust;<br />
Es ist ja meines Jesu Wille,<br />
Und dass ich den getreu erfülle,<br />
Das ist doch meine ganze Lust.<br />
Geduld! sie wird doch endlich kommen,<br />
Die Stunde, mir zum Heil und Frommen,<br />
Gott hat sie Keinem noch versagt.<br />
Bis dahin denk‘ in allen Leiden,<br />
Dass nichts dich kann von Jesu scheiden,<br />
Von seiner Liebe keine Macht.
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Editorial<br />
3<br />
Editorial<br />
Der Menschensohn Jesus unterstellte sich durch sein<br />
Leben, Leiden und Sterben ganz dem göttlichen Willen des<br />
Vaters in ihm. In allem erkannte er Gottes Willen und<br />
beugte sich vollständig unter diesen. „Denn ich bin vom<br />
Himmel gekommen, nicht dass ich meinen Willen tue,<br />
son<strong>der</strong>n den Willen des, <strong>der</strong> mich gesandt hat.“ (Joh. 6,38)<br />
Ohne Klagen und Murren, ohne Wi<strong>der</strong>stand und ganz in<br />
den göttlichen Willen ergeben, ließ er sich aus Liebe zu<br />
den Menschen von seinen eigenen Geschöpfen martern und<br />
ans Kreuz schlagen.<br />
Klaus W. Kardelke<br />
Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />
In seiner schwersten Stunde sprach Jesus die Worte: „Vater, willst du,<br />
so nehme diesen Kelch von mir, doch nicht mein, son<strong>der</strong>n dein Wille<br />
geschehe!“ (Luk. 22,42)<br />
So beten ja auch wir im Vaterunser immer wie<strong>der</strong>: „Dein Wille<br />
geschehe.“ Doch wie schwer fällt es uns in unserem Alltagsleben, den<br />
Willen Gottes zu erkennen, geschweige denn geschehen zu lassen, indem<br />
wir unseren eigenen Willen loslassen und uns ganz dem göttlichen Willen<br />
überlassen.<br />
Aber nicht aus Angst, son<strong>der</strong>n aus Freude und im Bewusstsein, dass<br />
Gott keine Fehler macht, sollen wir den Willen Gottes für unser Leben<br />
annehmen, denn „wenn du voll Angst und Kleinmut sprichst: „Herr, Dein<br />
Wille geschehe!“ – so gilt das bei Mir nichts,“ sagt <strong>der</strong> Herr. „Aber so du<br />
das mit freiem und freudigem Herzen sprichst, da wirst du allezeit Hilfe<br />
finden. Denn nur in einem in Meinem Namen freien und freudigen<br />
Herzen wohne Ich kräftig; in einem bedrückten, seufzenden und ängstlichen<br />
aber ebenfalls bedrückt, seufzend und ohnmächtig.“ (HiG.02; S. 414)<br />
Es gilt also das, was in unserem Leben geschieht, und was wir nicht zu<br />
än<strong>der</strong>n vermögen, zu bejahen und freudig und dankbar anzunehmen, in <strong>der</strong><br />
festen Gewissheit, „dass denen, die Gott lieben alle Dinge zum Besten<br />
dienen.“ (Röm. 8,28)<br />
Schon Pfarrer Friedrich Christoph Oetinger (1702 -1782) erkannte dies<br />
in einem Gebet indem er spricht: „Herr, gib mir die Gelassenheit, Dinge<br />
hinzunehmen, die ich nicht än<strong>der</strong>n kann. Gib mir den Mut, Dinge zu<br />
än<strong>der</strong>n, die ich än<strong>der</strong>n kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom<br />
an<strong>der</strong>n zu unterscheiden.“<br />
Aber „wer da ungeduldig wird und über dies und jenes, das er doch<br />
nicht än<strong>der</strong>n kann, murrt und oft sogar in seinem gemeinen Grimme<br />
Lästerungen über die ihm widrig vorkommenden Erscheinungen in dieser
4 Editorial<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Welt denkt und offen ausspricht, <strong>der</strong> eignet sich die Liebe Gottes nicht<br />
an.“ (GEJ.08; 140,07) Denn nur „die Gottlosen murren und klagen mit ihrem<br />
Geschick, aber wandeln dabei nach ihren Lüsten.“ (Judas 16)<br />
Selten sind auch wir mit allem einverstanden, was in unserem Leben<br />
geschieht, klagen und murren dann gegen unser Schicksal, ja sogar gegen<br />
Gott und fühlen uns dabei noch als unschuldige Opfer <strong>der</strong> äußeren<br />
Umstände im Recht und suchen die Schuld bei an<strong>der</strong>en und nicht bei uns.<br />
Dabei rät uns <strong>der</strong> Herr: „Klage aber auch nicht über die Welt, son<strong>der</strong>n<br />
opfere alles Mir auf! Ich werde zur rechten Zeit alles so machen und<br />
gestalten, wie es am allerrechtesten sein wird.“ (HiG.03 S. 216)<br />
Auch Jesus lernte als Mensch alles, Freude wie Leid, aus <strong>der</strong> Hand<br />
Gottes anzunehmen. Als seine Nachfolger sollen auch wir diese<br />
Lebenslektion lernen, indem wir uns und unser Leben akzeptieren und<br />
annehmen, so wie es ist, als ein Geschenk unseres himmlischen Vaters.<br />
Denn „wer Mein Jünger sein will,“ spricht <strong>der</strong> Herr, „darf über die<br />
bitteren Vorkommnisse auf dieser Erde (und in seinem Leben) nicht klagen<br />
o<strong>der</strong> darüber gar ärgerlich zu murren anfangen.“ (GEJ.02; 8,7) „denn ohne<br />
Meine Zulassung kann nichts geschehen; wenn Ich aber irgendetwas<br />
zulasse, so habe Ich allzeit Meinen besten Grund dazu!“ (HGt.02 158,26)<br />
„Denn alles geschieht ja nur durch die Liebe Gottes zum wahren Wohle<br />
des Menschen.“ (GEJ.08; 140,07)<br />
Dies gilt es sich in allem Geschehen unseres Lebens und auf dieser<br />
Erde immer wie<strong>der</strong> bewusst zu machen. Bereits Paulus sagte treffend: „Es<br />
geschieht alles um euretwillen.“ (2. Kor. 4,15)<br />
Es geschehen viele Dinge in unserem Leben, die wir nicht än<strong>der</strong>n<br />
können, an denen wir aber unsere Lektionen zu lernen haben, indem wir in<br />
ihnen Gottes Zulassungen zu unserer Erziehung zum Gotteskind erkennen.<br />
„Herr! Geschehe da, was da wolle, Du allein bist unser Vater zeitlich<br />
und ewig. Von Dir und von niemand an<strong>der</strong>em hängt unser künftiges<br />
Wohl ab; denn wir wissen es ja, dass aller Menschen Hilfe, wer sie auch<br />
sein mögen, zu nichts nütze ist. Dein Wille geschehe! Wir wollen<br />
niemand fürchten, außer allein Dich, o Herr, und von niemand eine<br />
Hilfe erwarten, als allein von Dir, o Du guter Vater! – Dein wollen wir<br />
ganz sein im Leben dieser Welt und ebenso in ihrem notwendigen Tode,<br />
<strong>der</strong> uns frei machen wird vom Fleische und uns dann endlich führen zu<br />
Dir hin, <strong>der</strong> Du bist unsere alleinige lebendige Hoffnung durch den<br />
Glauben und unsere alleinige Liebe im erweckten Leben unseres<br />
Geistes!“ (HiG.03 S.278,20)<br />
Euer Klaus W. Kardelke
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn<br />
5<br />
Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn<br />
„Ich <strong>der</strong> Herr sage euch, als Ich in Meinem irdischen Leibe unter euch<br />
Menschenkin<strong>der</strong>n auf Erden gewandelt, habe Ich Sün<strong>der</strong> und Zöllner,<br />
welche damals als das verachteteste Volk angesehen wurden, um Mich<br />
versammelt, und deshalb war Ich bei den Großen und Vornehmen<br />
verachtet und verhasst, so dass Ich allerorts als ein schlauer Volksbetrüger<br />
und selbst heimlicher Sün<strong>der</strong> verschrien war; doch Ich kam nicht <strong>der</strong><br />
Gerechten wegen zur Erde nie<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kranken im Geist und <strong>der</strong><br />
Sün<strong>der</strong> wegen, für welche ich Mein Leben und Blut hingab.<br />
Zur Zeit meiner Kreuzigung aber umstanden Mich Meine Mir noch treu<br />
gebliebenen Freunde, sowie eine große Menge schadenfrohes Volk,<br />
welches mit Hohnlachen schrie: Früher hat Er an<strong>der</strong>n geholfen, jetzt kann<br />
Er Sich selbst nicht helfen; welches die Feinde umso mehr in ihrem<br />
Glauben bestärkte, dass Ich nicht Gott, wohl aber ein von Gott verlassener<br />
großer Verbrecher sei. Auch habe Ich in Meinen Ängsten am Kreuze in<br />
Meinem irdischen Fleische sieben Worte zu den Umstehenden in<br />
althebräischer Zunge gesprochen, wovon bis auf den heutigen Tag noch<br />
keine wahre Auslegung existiert; daher Ich Mich in Meiner Gnade<br />
bewogen gefunden habe, selbige nochmals, und zwar mit genauer<br />
Auslegung, was dieselben für die zukünftigen (d.h. die jetzigen) Zeiten zu<br />
bedeuten haben, zu wie<strong>der</strong>holen, und so (<strong>der</strong>en Sinn) den Menschen, die<br />
eines guten Willens sind, zu offenbaren.<br />
Als Ich nach langen Leiden und Peinen, welche Ich durch die<br />
Ruchlosigkeit <strong>der</strong> Schergen erdulden musste, so weit gekommen war, dass<br />
die Hohenpriester sahen, dass es mit Mir zu Ende gehen könnte, bevor sie<br />
ihre Rache und Bosheit an Mir gekühlt hätten, so trachteten dieselben das<br />
Todesurteil von dem obersten römischen Gerichtshofe zu erlangen, um<br />
doch die Freude zu erleben, Mich qualvoll sterben zu sehen. Als demnach<br />
die Todesbotschaft, wonach ich sollte gekreuzigt werden, ankam,<br />
frohlockten Meine Feinde überlaut und trachteten, dieselbe sogleich in<br />
Vollzug zu setzen.<br />
Als endlich Meine Hinrichtung erfolgte, da kamen Meine Freunde,<br />
welche heimlich sich unter dem Volke verborgen gehalten, zum Kreuze,<br />
um Mich zu trösten und zu stärken; allein die böse Rotte wollte dieselben<br />
zurücktreiben, und nur durch die Vermittelung des Pilatus war es Meiner<br />
Mutter, sowie Johannes, Meinem Lieblingsjünger, nebst noch einigen<br />
Frauen möglich, bis zum Fuße des Kreuzes zu gelangen, und so bei<br />
Meinem Leibestode gegenwärtig zu sein.<br />
Nun, als die freche Rotte Mich Meiner Klei<strong>der</strong> beraubte, und so
6 Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn <strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
entblößt Mir Hände und Füße an das Holz band, und zum Überflusse<br />
dieselben noch mit stumpfen Nägeln durchstach, so geschah es, dass Ich in<br />
Meinem gequältem Fleische aufseufzte und sprach: „Herr vergib Ihnen, sie<br />
wissen nicht, was sie tun.“ Das nämlich war das erste bedeutungsvolle<br />
Wort, welches Ich in Meinem Schmerz und in Voraussicht <strong>der</strong> künftigen<br />
Menschen und ihrer Sünden gesprochen.<br />
Als Ich am Kreuze aufgerichtet wurde, da sah Mein Leib, von Blut und<br />
Staub bedeckt, so erbarmungswürdig aus, das selbst den umstehenden<br />
Feinden das Herz mitleidig bewegt wurde; Ich aber sah, dass es nur<br />
vorübergehend war und ihre Erbarmnis nicht Mir, son<strong>der</strong>n nur ihren<br />
Schönheitsgefühle galt. Deshalb sprach Ich: „Mich dürstet!“ Allein die<br />
Schergen verstanden nicht, was Ich mit diesen Worten meinte, dass Mich<br />
um das Heil so vieler Seelen, welche Ich in ihrem Wahne zu Grunde gehen<br />
sah, dürstete, - so gaben sie Mir, um Mich noch mehr zu quälen, Galle mit<br />
Essig vermengt zum Trinken, welches Ich aber verschmähte.<br />
Alsbald begann die ganze Natur zu beben und die Elemente aus ihrer<br />
Ordnung zu treten, die Sonne als Vorbild des ewigen Lichts verlor ihren<br />
Glanz, als Zeichen, dass die Menschen in ihrer geistigen Blindheit nicht<br />
sahen, dass Sie die Gottheit unter <strong>der</strong> sterblichen Hülle Meines Leibes<br />
zurückdrängte und den Leib dem materiellen Tode übergab; deshalb<br />
sprach Ich die Worte: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich<br />
verlassen!“<br />
Nicht ein an<strong>der</strong>er Gott außer Mir war es, zu dem Ich rief, son<strong>der</strong>n die<br />
Gottheit in Mir, Gottes-Geist und Urkraft in ihrem Vollmaße; allein die<br />
Leibeshülle war aus Erdenstoff, gleich wie bei den Menschenkin<strong>der</strong>n<br />
genommen, und diese musste auch in Mir untertänig sein, deshalb suchte<br />
die Materie in ihrer Verlassenheit Hilfe, zum Vorbilde, dass je<strong>der</strong><br />
Erdenmensch Hilfe allein bei Gott suchen soll.<br />
Die Zeit nahte heran, wo Ich immer schwächer Mich fühlend, die Seele<br />
Meinem himmlischen Vater überantwortend, zum Himmel blickend<br />
sprach: „Eli! Eli!“ (Eli, Eli, sa mi sabach tani - Der Sohn <strong>der</strong> Söhne ist für<br />
Mich und für Gott dahin gegeben.) Da sah Ich unter dem Kreuze Meine<br />
Mir so liebe und treue Mutter Maria nebst Meinem Jünger Johannes<br />
(welcher zugleich mein Geheimschreiber gewesen), zum Tode getrübt<br />
stehen, und sprach Ich da zu Beiden die bedeutungsvollen Worte: „Maria,<br />
siehe deinen Sohn“ und zu Johannes „siehe deine Mutter“. Mit diesen<br />
Worten gleichsam andeutend, dass Ich die Weltkin<strong>der</strong> dem Gottesgeiste<br />
übergeben habe, demnach Mein geistiges Testament machte, und Maria<br />
zur Mutter <strong>der</strong> schwachen und kranken Seelen im Fleische.<br />
Als es nach jüdischer Zeitrechnung drei Uhr geworden, so war die Zeit
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn<br />
7<br />
meines Leibestodes heran gekommen, und Ich erzitterte in Meinem Gebein<br />
im Todesschauer. In solchem Augenblick sah Ich Mir den mit zugleich an<br />
das Kreuz gebundenen Verbrecher Dismas, welcher seine Augen in<br />
Sehnsucht nach mir wandte, in Gnaden an, und versprach ihm, dass er<br />
heute noch bei Mir im Paradiese sein werde, welches nach Meiner<br />
Auffahrt bis auf den heutigen Tag zu vielen Auslegungen Anlass gab; die<br />
allein wahre und einzige aber ist diese: Dass jede Menschenseele nach<br />
ihrem Leibestode in einen nie<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> höheren Grad je nach ihrer<br />
Vollkommenheit gelangt, und selbst Seelen, welche alles Irdische schon<br />
diesseits abgebüßt haben, zuerst nur in das Paradies o<strong>der</strong> in den nie<strong>der</strong>n<br />
Grad <strong>der</strong> Seligkeit gelangen können; denn keine Seele, bevor dieselbe<br />
nicht ganz geläutert und gereinigt ist, kann in den Liebehimmel o<strong>der</strong> gar<br />
zur höheren Seligkeit eingehen; und ebenso hat Dismas durch die Liebe<br />
und das Vertrauen zu mir den ersten Grad erreicht, und so war es möglich,<br />
ihm das Paradies zu verheißen.<br />
Ich war schon in den Todeszügen, als Ich die Worte sprach: „Vater, in<br />
Deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ Dieses ist ebenfalls ein sehr<br />
bedeutendes Wort für die Menschen; denn weshalb sollte Ich, Gott selbst,<br />
Meinen Geist in die Hände eines Gottes außer Mir empfehlen, da würden<br />
ja zwei Götter in die Erscheinung treten (o<strong>der</strong> wie später - drei!) Allein<br />
dem ist nicht so, und soll sich daher niemand irre führen lassen durch<br />
diesen Ausspruch; denn je<strong>der</strong>mann verstehe damit, dass nur die äußerste<br />
Umhüllung Meines inneren Gottesgeistes diese Worte sprach, und solche<br />
also nur in eben dem Sinne zu verstehen sind, so wie Ich bei Meinen<br />
Leibes-Lebzeiten von Mir sagte: Ich, des Menschen Sohn, sage euch<br />
dieses o<strong>der</strong> jenes Gleichnis, ebenso sprach die Lebenskraft o<strong>der</strong> seelische<br />
Potenz meines irdischen Leibes die Worte: „Vater, in Deine Hände<br />
empfehle Ich Meinen Geist.“<br />
Sobald als sich die Seele drängte, den Leib zu verlassen, so wurde Ich<br />
immer schwächer, und das umstehende Volk frohlockte und spottete<br />
Meiner. Doch Ich musste den Kelch bis zur Neige leeren, und deshalb sah<br />
Ich voraus, dass die tobende Menge ungerührt von Meinem Schmerz und<br />
Todeskampf bleiben werden, und so denn, als schon <strong>der</strong> letzte Augenblick<br />
Meines irdischen Lebens gekommen war, sprach Ich das letzte auf Erden:<br />
„Es ist vollbracht!“<br />
O Menschen! Wenn ihr im Stande wäret, dieses einzige Wort nur so<br />
recht vom Grunde aus zu verstehen, was es heißt, dass Gottes Sohn das<br />
große Werk <strong>der</strong> Erlösung des ganzen Menschengeschlechtes vollbrachte,<br />
so würde keine Seele zu Grunde gehen; doch die Sünde ist durch Adam in<br />
die Welt gekommen, und deshalb wird, so lange noch eine gefestete
8 Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn <strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Materie den Weg des Fleisches durchs irdische Leben gehen muss, die<br />
Sünde und <strong>der</strong> materielle Tod <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Menschenkin<strong>der</strong> sein, und<br />
wurde darum durch Gottes Sohn und sein Mittleramt nur die Kraft des<br />
Bösen und <strong>der</strong> Satan in <strong>der</strong> Materie gebrochen.<br />
Auf dieses Mein letztes Wort verschied Ich, o<strong>der</strong> vielmehr Meine Seele<br />
o<strong>der</strong> Lebenspotenz trat aus <strong>der</strong> Materie, und vereinte sich mit Meinem<br />
Urgeiste, welcher Gottesgeist war; und Ich stieg hinab in den Ort, wo die<br />
Seelen <strong>der</strong> Urväter <strong>der</strong> Stunde <strong>der</strong> Erlösung harrten; denn kein Geschöpf<br />
konnte, bevor die Gerechtigkeit Gottes durch das große Liebeswerk <strong>der</strong><br />
Erlösung versöhnt war, in den Frieden des Himmels eingehen. Ich machte<br />
also wie<strong>der</strong> frei die Bahn, welche ursprünglich allen Wesen frei gegeben<br />
war, und einst schon durch den Abfall <strong>der</strong> Engel abgebrochen wurde.<br />
Adam sollte diesen Pfad wie<strong>der</strong> errichten und die in Erstarrung<br />
getretene Materie, welche alles geistige Leben umhüllte, zu ihrem<br />
Ursprunge zurückführen, wozu ihm <strong>der</strong> Wille frei gegeben wurde; aber er<br />
verlor die Freiheit wie<strong>der</strong> durch die Sünde des Ungehorsams gegen Gott,<br />
und verfiel nebst allen Nachkommen immer tiefer in das Gericht des<br />
Todes, wovon ewig keine Erlösung zu erhoffen war. Da trat die unendliche<br />
Erbarmung und Liebe des Urewigen ins Mittel, und Er schied sie als<br />
„Gottessohn“ für eine Zeit, um in Erdstoff (als Menschensohn) umhüllt,<br />
Seine Geschöpfe frei zu machen, und sie zurückzuführen zu ihrer ersten<br />
und einstigen Bestimmung.<br />
Als ich die vorgeschriebene Zeit nach jüdischem Gesetz am Kreuze<br />
gehangen, so kam die Zeit heran, dass die Leiber <strong>der</strong> drei Verbrecher,<br />
unter welche Ich mitgezählt war, abgenommen werden sollten; denn es<br />
war die Zeit <strong>der</strong> Rüsttage, während <strong>der</strong> niemand auf <strong>der</strong> Richtstätte bleiben<br />
durfte. Da kamen Meine Freunde, welche zumeist Römer und Griechen<br />
waren, auch einige Juden gab’s unter denselben, als heimliche Anhänger<br />
Meiner Lehre, und wollten Mir den letzten Liebesdienst auf Erden<br />
erweisen. Sie hatten nämlich Meinen Leichnam vom obersten Statthalter<br />
erkauft, um denselben in ein Grab legen zu können, und so wurde Ich von<br />
Meinem wenigen Mir noch treu gebliebenen Freunden unter Spott und<br />
Hohn des Judenvolkes vom Kreuze genommen, und Meine zum Tode<br />
betrübte Mutter Maria sank zu Mir auf die Erde nie<strong>der</strong> und nahm Mein<br />
Haupt auf ihren Schoß unter tiefem Wehklagen und unzähligen Tränen, als<br />
sie ihr Kind entstellt, blutend und Tod in ihrem Schoße liegen sah. -<br />
Du fragst Mich, wie es mit <strong>der</strong> Seitenwunde aussieht, welche Ich<br />
vergessen haben müsste, da ich davon keine Erwähnung gemacht hätte;<br />
doch sorge dich darum nicht, denn diese Wunde ist Mir erst als Ich irdisch<br />
verschieden war, beigebracht worden, und war nur die willkürliche
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn<br />
9<br />
Handlung eines barmherzigen Soldaten, welcher <strong>der</strong> Meinung war, dass<br />
Ich vielleicht nur in Todesohnmacht wäre und dadurch von Meinem<br />
grausamen Leiden früher erlöst würde, deshalb ihm auch die Gnade zu<br />
Teil wurde, dass in eben demselben Augenblick, als sein Speer Mein Herz<br />
durchstach, sein Herz von namenlosem Schmerz durchzuckt wurde, und er<br />
erkannte, wessen Herz er da durchstochen hat.<br />
Nun wurde Ich (das heißt Meine Hülle) zu Grabe getragen, welches<br />
eine ziemliche Strecke außer <strong>der</strong> Stadt Jerusalem gelegen und dem<br />
Hohepriester Nikodemus gehörte. Als Mein Leib mit Spezereien nach<br />
morgenländischer Sitte wohl versehen und in weiße Linnen gehüllt in die<br />
Gruft versenkt wurde, umstanden Mich weinend und klagend Meine<br />
Freunde. Welch ein Schmerz die treuen Seelen durchzog, als sie Mich<br />
ihrer Meinung nach zum letzten Male auf dieser Erde zu sehen wähnten,<br />
und von Mir den traurigsten Abschied nahmen, davon ist in Meiner<br />
Leidensgeschichte bereits Erwähnung geschehen. Hier in diesem<br />
Werkchen soll bloß von Meinem Tode und von den nun bald in Erfüllung<br />
gehenden Vorhersagungen, welche durch die sieben Worte, die Ich für die<br />
blinde Volksmenge unverständlich gesprochen, angedeutet, vorherbestimmend<br />
die Rede sein wird.<br />
Denn nun ist die Zeit herangekommen, in <strong>der</strong> Ich die Worte zur Tat<br />
machen werde; und durch das erste Wort, das Ich gesprochen, wollte Ich<br />
anzeigen, dass Ich die Menschen in ferneren Zeiten, welche die Jetztzeit<br />
ist, ihres Übermutes und ihrer Sittenlosigkeit wegen, <strong>der</strong> Gnade <strong>der</strong><br />
Gottheit in Mir übergab; denn die Menschen werden das Maß ihrer Sünden<br />
voll machen, und so die Strafe sich selbst durch Glaubens- und<br />
Lieblosigkeit zuziehen, und so ohne Aufenthalt ihrem Ver<strong>der</strong>ben<br />
entgegeneilen.<br />
Als ich durch fast zwei Tage im Grabe gelegen hatte, so war, um die<br />
Schrift zu erfüllen, die Zeit meiner Verklärung o<strong>der</strong> Auferstehung<br />
gekommen, und es war daher des dritten Tages Morgen angebrochen, als<br />
Ich Mich von den Banden des Todes frei und ungehemmt und die Seele<br />
mit dem vergeistigten Leibe vereint, zu Meinem himmlischen Vater o<strong>der</strong><br />
Urgeist erhob, und daher glorreich als Überwin<strong>der</strong> des Todes und Satans in<br />
<strong>der</strong> Materie auferstand. - Es waren die ersten Stunden des Morgens, als Ich<br />
<strong>der</strong> Maria von Magdalon im Garten erschien, welche Mich in tiefem<br />
Schmerz im Grabe besuchen wollte, und - als sie Mich erblickte, vor<br />
Freuden außer sich in Liebestränen aufgelöst zu meine Füßen sank, und<br />
kaum zur Ruhe gebracht werden konnte. O wie segenbringend ist eine<br />
solche Liebe! -<br />
Ich erschien an diesem Tage auch noch einigen Meiner Jünger, ebenso
10 Von <strong>der</strong> Kreuzigung und Auferstehung des Herrn <strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
auch Meiner Mutter Maria. Da war endlich die Zeit herangekommen, wo<br />
Ich nach Erfüllung Meines Mir vom himmlischen Vater auferlegten<br />
Opfertodes noch Zeit und Muße hatte, mit Meinen Freunden zu verkehren,<br />
und ihnen den Wert und die Bedeutung Meines so schmerzlichen Leidens<br />
und Todes zu erklären; und es ist bis zur Stunde noch nirgends in <strong>der</strong> Welt<br />
verzeichnet vorgefunden worden, was Ich während <strong>der</strong> Zeit bis zu Meiner<br />
Auffahrt alles mit Meinen Jüngern geredet habe, da nur einiges in den<br />
Briefen Pauli an die Epheser vorkommt, was mit Meinen Lehren während<br />
Meines noch irdischen Aufenthaltes fast gleichbedeutend ist.<br />
Im Eingange dieser Schrift hab’ Ich die Andeutung gegeben, dass Ich<br />
die Zeit <strong>der</strong> Heimsuchung, o<strong>der</strong> die sieben Worte bedeutungsweise<br />
vorhergesagt habe, und Ich dieselben jetzt den noch nicht ganz im<br />
Sündenschlafe verfallenen Menschen zum Nutzen erklären will, um <strong>der</strong><br />
Welt zu zeigen, dass Gott nicht den Tod des Sün<strong>der</strong>s will, son<strong>der</strong>n dass er<br />
sich bekehre und lebe.<br />
Sobald Ich sah, dass meine Jünger Mich erkannten und mir wie<strong>der</strong> wie<br />
früher anhingen, so versammelte Ich sie in eine von <strong>der</strong> Stadt abgelegene<br />
Herberge, und besprach Mich mit ihnen von Meinem Tode, von Meiner<br />
Auferstehung, sowie auch von Meinem baldigen Hinübertritt o<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Auffahrt zum Vater, welches Meine Freunde sehr betrübte, als sie hörten,<br />
dass Ich sie auf immer verlassen werde. Doch Ich vertröstete sie, und<br />
versprach ihnen einen Tröster zu senden, welcher sie stärken und in alle<br />
Wahrheit leiten werde. Mit diesem Troste gaben sich endlich Meine<br />
Freunde zufrieden.“ (Antonie Großheim - Die sieben Worte am Kreuz, <strong>Lorber</strong>-Verlag)<br />
Jesus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an<br />
mich glaubt, <strong>der</strong> wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet<br />
und glaubet an mich, <strong>der</strong> wird nimmermehr sterben.<br />
Glaubst du das“ (Joh. 11,25-26)<br />
„Ich bin die Auferstehung und das ewige Leben! Wer an Mich<br />
glaubt in <strong>der</strong> Tat, <strong>der</strong> ist in Mir schon auferstanden und wird <strong>der</strong><br />
Seele nach gleichfort leben, so er dem Leibe nach, so es möglich<br />
wäre, stürbe tausendmal; denn wer da nun lebt und glaubt an<br />
Mich in <strong>der</strong> Tat, <strong>der</strong> wird nimmermehr sterben.“<br />
(Himmelsgaben Bd. 3, S. 322)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Unser Gottesbild<br />
11<br />
Unser Gottesbild<br />
Bernd Kössler<br />
„Müde bin ich geh zur Ruh, schließe beide Augen zu.<br />
Vater lass die Augen dein über meinem Bette sein. Hab ich<br />
Unrecht heut getan, sieh‘ es lieber Gott nicht an. Deine<br />
Gnad‘ und Jesu Blut machen allen Schaden gut.“<br />
Dieses Gebet habe ich abends im Bett, warm in die<br />
Bettdecke eingekuschelt, gesprochen und fühlte mich<br />
geborgen und geschützt vor allen Unbilden, die mein<br />
jugendliches Leben bedrohten o<strong>der</strong> belasteten. Im<br />
Bernd Kössler<br />
ist Finanzpräsident a.D.<br />
und lebt mit seiner<br />
Familie bei Bonn<br />
Kin<strong>der</strong>gottesdienst und später im Konfirmandenunterricht hörte ich auch<br />
vom heiligen Geist, <strong>der</strong> bei uns Wohnung nehmen möge. Hatte ich bis<br />
dahin Vertrauen in einen liebevollen, mächtigen Vatergott, so begann ich<br />
mir allmählich Gedanken darüber zu machen, was es denn mit dem Vater,<br />
dem Sohn, dem Heiligen Geist und dem lieben Gott für eine Bewandtnis<br />
hat und wie sie zueinan<strong>der</strong> stehen.<br />
Diese Frage beschäftigte mich bis ins hohe Erwachsenenalter hinein.<br />
Ich fragte nach <strong>der</strong> Erklärung meiner Kirche und stieß auf das für nahezu<br />
die gesamte Christenheit geltende Glaubensbekenntnis von Nicäa und<br />
Konstantinopel. Danach hat <strong>der</strong> allmächtige Vater vor aller Zeit einen<br />
Sohn gezeugt, von ihm sei auch <strong>der</strong> Heilige Geist als dritter Gott<br />
ausgegangen. Im Mittelalter ließ <strong>der</strong> Vatikan den heiligen Geist zusätzlich<br />
auch vom Sohn ausgehen. So konnte dessen Stellvertreter auf Erden, <strong>der</strong><br />
Papst, diesen Geist hier auf Erden verwalten, verteilen und entziehen. Die<br />
orthodoxen Kirchen hatten sich dem allerdings nicht angeschlossen.<br />
„Die drei göttlichen Personen erscheinen dem menschlichen Gemüt<br />
somit als die Regierung dreier Könige in einem Reich.“ schreibt Emanuel<br />
Swedenborg: „Wollte jemand diese Herrschaft dreier und zugleich <strong>der</strong>en<br />
Einheit im Bild o<strong>der</strong> Schattenriss vor dem Auge des Geistes darstellen, so<br />
könnte er sie seinem Blick nicht an<strong>der</strong>s vorstellen, als in <strong>der</strong> Gestalt eines<br />
Menschen mit drei Köpfen auf einem Körper o<strong>der</strong> dreier Körper unter<br />
einem Kopf.“ (Swedenborg, Wahre Christliche Religion (WCR) 171)<br />
Ein ungeheuerliches Bild! Haben wir schon mal einen Christen,<br />
geschweige denn einen Angehörigen einer an<strong>der</strong>en Religion getroffen,<br />
dem ein solches Bild einleuchtet, <strong>der</strong> es plausibel erklären kann Meist<br />
herrscht bei dem Thema betretenes Schweigen o<strong>der</strong> es wird auf ein<br />
„Mysterium des Glaubens“, das sich unserem Verständnis entzieht,<br />
verwiesen.<br />
Emanuel Swedenborg sieht in dieser Dreipersonenlehre den Ursprung
12 Unser Gottesbild<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
für all die Misslichkeiten, ja letztlich den Untergang <strong>der</strong> verfassten<br />
christlichen Kirchen. Dadurch „sei das Licht im Wort ausgelöscht und <strong>der</strong><br />
Herr „von <strong>der</strong> Kirche entfernt, und so <strong>der</strong>en Morgen in die Nacht<br />
hinabgestürzt“ worden. (WCR 177).<br />
Und in <strong>der</strong> Tat, in <strong>der</strong> Rheinischen Kirche, <strong>der</strong> ich angehöre, sehe ich,<br />
was das Gottesbild anbelangt, viel geistige Blindheit, ja Dunkelheit. So<br />
erklärt <strong>der</strong> Präses (Bischof) Schnei<strong>der</strong> im Jahre 2007 in einem<br />
Fernsehinterview, seit den Konzentrationslagern seien Liebe und Allmacht<br />
nicht gleichzeitig bei Gott zu finden. Entwe<strong>der</strong> sei Gott liebevoll, dann<br />
fehle ihm die Allmacht, das Unrecht zu verhin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> er sei allmächtig,<br />
dann sei er lieblos. Diese Spannung müsse man als Christ aushalten.<br />
Der allseits durch das Wort zum Sonntag bekannte frühere<br />
Superintendent des Kirchenkreises Bonn, Müller, führt in einem Leitartikel<br />
in <strong>der</strong> Zeitschrift „Der Protestant“ im Dezember 2007 folgendes aus:<br />
„Einen mächtigen Gott habe ich nirgends gesehen… Er hat auf einen Teil<br />
seiner Allmacht verzichtet. Er hat <strong>der</strong> Welt auf seine Kosten Platz<br />
eingeräumt. Darum konnte und musste sich die Welt ganz allein<br />
entwickeln, Evolution heißt das Stichwort. Darum muss auch <strong>der</strong> Mensch<br />
als Produkt dieser Evolution machen, was er will. - Die beachtliche Menge<br />
Hirn, die uns die Evolution gegeben hat, sind eine gute Voraussetzung, das<br />
Unglück in <strong>der</strong> Welt intelligent zu min<strong>der</strong>n.“<br />
An<strong>der</strong>e Pfarrer ziehen die Botschaften <strong>der</strong> Bibel sehr ins Weltliche. Ein<br />
Kölner Pfarrer sagte in <strong>der</strong> Adventszeit: „Jesus ist <strong>der</strong> natürliche Sohn von<br />
Josef und Maria und wurde bei seiner Taufe im Jordan von Gott adoptiert.<br />
Seither hat sich Gott seiner angenommen.“ Die Christen würden so durch<br />
die Taufe, wie Jesus, zu Töchtern und Söhnen Gottes.<br />
In <strong>der</strong> katholischen Kirche werden die Heiligen vergöttert. Sie werden<br />
als Fürsprecher bei einem strengen Vatergott eingesetzt. Es herrscht die<br />
Vorstellung, durch Ablässe und gute, zeremonielle Werke Gott gnädig zu<br />
stimmen und sich Erleichterungen im Fegefeuer erwerben zu können. Der<br />
Papst wird als Stellvertreter Christi auf Erden zum „Heiligen Vater“<br />
ausgerufen und verehrt.<br />
Da die Kirchen die im Neuen Testament angekündigte Wie<strong>der</strong>kunft des<br />
Herrn „in den Wolken des Himmels“, d.h. im Wort durch seinen Seher<br />
Swedenborg und seinen Propheten <strong>Lorber</strong> nicht anerkennen o<strong>der</strong> gar zur<br />
Kenntnis nehmen, bleibt ihnen das wahre Wesen Gottes verborgen. Sie<br />
können deshalb den suchenden Menschen innerhalb und außerhalb <strong>der</strong><br />
Kirchen in diesem so wichtigen Punkt kein Licht bringen.<br />
Es gibt glücklicherweise Geistliche, die sich dieser Botschaft des Herrn<br />
öffnen o<strong>der</strong> die aus dem inneren Geist ihrer Verbundenheit mit dem Herrn
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Unser Gottesbild<br />
13<br />
heraus, die Wahrheit erkennen.<br />
Durch Swedenborg werden wir darauf hingewiesen, dass „<strong>der</strong> richtige<br />
Begriff von Gott in <strong>der</strong> Kirche wie das innere Heiligtum und <strong>der</strong> Altar im<br />
Tempel und wie die Krone auf dem Haupt“ ist „von ihm hängt auch wie<br />
eine Kette von ihrem obersten Ring <strong>der</strong> ganze theologische Organismus<br />
ab, und es erhält - jeglicher seine Stelle in den Himmeln gemäß seinem<br />
Begriff von Gott.“ (WCR 163)<br />
Ein wichtiges Wort für unser irdisches und ewiges Leben im Jenseits<br />
sagt uns <strong>der</strong> Herr durch <strong>Lorber</strong>; nach Ablegung unseres irdischen Körpers<br />
kommen wir in den Himmel, den wir uns schon auf Erden in unseren<br />
Herzen gestaltet haben. In den Liebehimmel zu Jesus können wir aber nur<br />
mit <strong>der</strong> rechten Gottesvorstellung kommen. (Geistige Sonne Bd.1 48,22)<br />
Der Herr gibt uns in wun<strong>der</strong>barer Weise Aufschluss über Sein Wesen<br />
und Seine Absichten mit uns; „Jesus, <strong>der</strong> Gekreuzigte, ist allein Gott über<br />
alle Himmel und über alles, was den unendlichen Raum erfüllt… Er ist <strong>der</strong><br />
Vater Seinem urewigen Liebewesen nach, <strong>der</strong> ewige Sohn Seiner Weisheit<br />
und <strong>der</strong> allein Heilige Geist Seiner unendlichen Macht, Kraft und Wirkung<br />
nach.“ (<strong>Lorber</strong> , Robert Blum Bd.1, 126,1-5)<br />
Es ist für unser Seelenheil wichtig, dass wir die Tiefe dieser<br />
Mitteilungen in unseren Herzen recht erfassen.<br />
Den Weg, den Jesus Christus gegangen ist, gilt es nachzuvollziehen,<br />
um den rechten Begriff vom Wesen Gottes und <strong>der</strong> Dreifaltigkeit zu<br />
bekommen.<br />
Er, <strong>der</strong> Schöpfer des Weltalls, <strong>der</strong> die Unendlichkeit erfüllt, ist auf<br />
unsere winzige Erde herabgekommen, hat durch die Jungfrau Maria das<br />
Menschliche angenommen und es durch sein Leben und Sterben am Kreuz<br />
verherrlicht und vergöttlicht, d.h. sich mit <strong>der</strong> Gottheit untrennbar für ewig<br />
vereint.<br />
Um Sinn und Zweck dieses ungeheuren Geschehens begreifen zu<br />
können ist es erfor<strong>der</strong>lich, sich in die Zeit des ersten Sündenfalls von<br />
Adam und Eva zurückzuversetzen.<br />
Gott lässt uns durch <strong>Lorber</strong> einmalige wun<strong>der</strong>bare Aufschlüsse in Seine<br />
Haushaltung tun, über Ereignisse, wie sie die Menschheit bisher noch nie<br />
erfahren hatte.<br />
Die in ihrer Heiligkeit durch Adam und Eva verletzte Gottheit drohte,<br />
in einem Strafgericht die gesamte aus ihrer Liebe entstandene Schöpfung<br />
zu vernichten. Um dieses Strafgericht abzuwenden, erbarmte sich die<br />
ewige Liebe ihrer Geschöpfe und erklärte sich bereit, in <strong>der</strong> „großen Zeit<br />
<strong>der</strong> Zeiten“ (gemeint ist <strong>der</strong> Erdenwandel des Herrn) für alle am Kreuz zu<br />
bluten. (<strong>Lorber</strong>, Haushaltung Gottes Bd.1 9,9-23).
14 Unser Gottesbild<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Unter dieser später dann einzulösenden Bedingung sah die Gottheit von<br />
ihrem ursprünglichen Plan <strong>der</strong> Vernichtung ab und gewährte <strong>der</strong><br />
Menschheit eine Art Gnadenfrist. „Als nun die ewige Liebe die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen annahm und dadurch schon im voraus <strong>der</strong> Heiligkeit<br />
Gottes Genüge tat, da ließ die Gottheit - Ihren heiligen Willen vernehmen<br />
und sprach: „Siehe, Deine große Barmherzigkeit ist in Mir aufgestiegen<br />
und ist getreten vor Meine allsehenden Augen und Ich habe erkannt in <strong>der</strong><br />
Ruhe Meiner Heiligkeit Deine große Aufrichtigkeit und ewige Treue und<br />
habe gezählt die Reuetropfen Adams und die Trauertropfen Evas und bin<br />
mitleidig geworden durch Deine große Erbarmung durch und durch. Und<br />
siehe, daher will Ich Meine Gerichte zurückziehen in dieser Zeit und nach<br />
Deinem Verlangen Gnade für Recht ausströmen lassen in großer Fülle und<br />
will den Schaden, welchen Meine Gerichte angerichtet haben, wie<strong>der</strong><br />
gutmachen.“ (<strong>Lorber</strong> HGt Bd. 1 Kap. 9,24-26)<br />
In <strong>der</strong> „großen Zeit <strong>der</strong> Zeiten“ begibt sich die Liebe in den<br />
Mutterschoß <strong>der</strong> Jungfrau Maria und kommt als kleines Menschlein Jesus<br />
mit einem materiellen Körper und einer substanziellen Seele zu Bethlehem<br />
auf unsere finstere Welt. Körper und Seele stammen wie bei allen<br />
Menschen aus den gefallenen Intelligenzspezifika, kleinste lebendige<br />
Seelenfunken aus <strong>der</strong> Sphäre Luzifers. Die Ewige Liebe hat es sich zur<br />
Aufgabe gemacht, das Gefallene aufzusuchen, zu läutern, ins Göttlich-<br />
Geistige zu transformieren und so wie<strong>der</strong> mit Gott zu vereinen. Sie will<br />
dadurch eine Brücke für alle gefallenen Wesen ins geistige, himmlische<br />
Reich bauen. Ein Plan, den Luzifer mit aller Macht und List zu verhin<strong>der</strong>n<br />
sucht.<br />
Der Menschensohn Jesus, in dessen Seele das personale Zentrum<br />
Gottes wohnte, war deshalb auch beson<strong>der</strong>en Versuchungen ausgesetzt. Es<br />
lohnt sich hierzu die Darstellungen des Herrn bei <strong>Lorber</strong> in <strong>der</strong> Jugend<br />
Jesus (Kap. 299) nachzulesen. Es heißt dort über den Gottmenschen Jesus:<br />
„Seine Seele war gleich wie die eines jeden Menschen und war mit um so<br />
mehr Schwächen behaftet, weil <strong>der</strong> allmächtige Gottgeist Sich Selbst in die<br />
gewaltigsten Bande legen musste, um in Seiner Seele gehalten werden zu<br />
können. Also musste die Seele Jesu auch die größten Versuchungen, Sich<br />
Selbst verleugnend, bestehen, um Ihrem Gottgeist die Bande abzunehmen,<br />
Sich damit zu stärken für die endloseste Freiheit des Geistes aller Geister,<br />
und also völlig eins zu werden mit Ihm.“<br />
Jesus, die Liebe, wird nun gegenüber <strong>der</strong> Heiligkeit Gottes zum größten<br />
„Verbrecher und Sün<strong>der</strong>“, da er alle Sünden, die großen und die kleinen<br />
vom Anfang <strong>der</strong> Welt bis zu <strong>der</strong>en Ende auf sich nimmt. (<strong>Lorber</strong>,<br />
Himmelsgaben Bd. 3, S. 76,2-14).
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Unser Gottesbild<br />
15<br />
Und nun kommt die für uns alle und die gesamte Schöpfung<br />
entscheidende Szene im Garten Gethsemane. Jesus, in dem die göttliche<br />
Liebe und Weisheit wohnt, muss sich in Kenntnis <strong>der</strong> unermesslichen<br />
Leiden und Demütigungen, die ihm Seine eigenen Geschöpfe, zufügen<br />
werden, entscheiden. Will Ich die bei <strong>der</strong> oben dargestellten Gerichtsszene<br />
<strong>der</strong> Gottheit gegebene Zusage einhalten, den dargebotenen Kelch leeren,<br />
damit Meine Schöpfung erhalten bleibt, o<strong>der</strong> will Ich ihn vorübergehen<br />
lassen, die Mission abbrechen und ins „Vaterhaus“ zurückkehren Dann<br />
würde das seinerzeit gefällte Urteil über die Schöpfung wie<strong>der</strong> wirksam,<br />
die gesamte Schöpfung und damit auch wir Menschen wären vernichtet.<br />
Nun erfahren wir ein Geheimnis. Die Last <strong>der</strong> Entscheidung war so<br />
schwer, dass die Liebe in <strong>der</strong> unendlichen Entfernung von Gott schwach<br />
wurde. Da geschah das Wun<strong>der</strong>, Gott erbarmte sich Seiner Liebe Selbst,<br />
stärkte Sie und gebot Ihr, den bitteren Kelch zu trinken. Jesus folgte<br />
diesem Gebot bis ans Kreuz und konnte dann ausrufen: „Es ist vollbracht.<br />
In Deine Hände empfehle Ich Meine Seele.“ (<strong>Lorber</strong>, Hi. 3, S.79,15-18)<br />
Bei Lukas heißt es: „Jesus aber rief laut: Vater, in deine Hände lege ich<br />
meinen Geist.“ (Lukas 23,46)<br />
Wir können diese Textstellen so deuten, dass Jesus durch die<br />
Überwindung dieser letzten Versuchung (es wäre Ihm ein Leichtes<br />
gewesen vom Kreuz herabzusteigen), das seinerzeit gegebene Versprechen<br />
einhielt, wodurch Seine Seele mit dem in Ihm wohnenden allmächtigen<br />
Gottgeist sich wie<strong>der</strong> vereinigte. Die gefallenen Seelensubstanzen des<br />
Menschensohnes Jesus wurden wie<strong>der</strong> in die göttliche Ordnung gebracht,<br />
vergöttlicht, verherrlicht.<br />
Vom Ostergeschehen wissen wir, dass auch Jesu materieller Körper<br />
diesem Weg folgte, er wurde ebenfalls in die höchste Schwingungsebene<br />
des Gottgeistes erhoben. Matthäus berichtet von einem Blitz, <strong>der</strong> die<br />
Grabwächter zu Boden warf. (Matth.28.3-4)<br />
Können wir nachvollziehen, was sich geistig gesehen am Kreuz und zu<br />
Ostern wirklich abspielte, wie <strong>der</strong> Menschensohn Jesus verherrlicht<br />
wurde<br />
Jesu Jünger, die doch drei Jahre lang mit Ihm zusammen waren, hatten<br />
damit offensichtlich Schwierigkeiten. So redete sie <strong>der</strong> Herr nach Seiner<br />
Auferstehung wie folgt an: „Was seid ihr doch blind! Wie schwer tut ihr<br />
euch zu glauben, was die Propheten vorausgesagt haben! Der versprochene<br />
Retter musste doch erst dies alles erleiden, um zu seiner Herrlichkeit zu<br />
gelangen.“ (Lukas 24,25-26)<br />
Was bedeutet dies Geschehen vor mehr als zweitausend Jahren für uns<br />
heute lebenden Menschen Als Christen wissen wir, Jesus for<strong>der</strong>t uns auf,
16 Unser Gottesbild<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
unser Kreuz auf uns zu nehmen und seinem Vorbild zu folgen, und den<br />
Kampf mit <strong>der</strong> Welt aufzunehmen.<br />
Was bei Ihm, in dem das Zentrum Gottes wohnte, die Verherrlichung<br />
des Menschensohnes Jesus war, soll bei uns mit dem göttlichen<br />
Geistfunken Begabte durch die Wie<strong>der</strong>geburt erreicht werden. Nur durch<br />
diese neue Geburt „aus Wasser und Geist“ können wir in Gottes Reich<br />
kommen. (Joh.3, 3-6)<br />
Wir sind in Sünde geboren, Körper und Seele stammen wie bei Jesus<br />
aus dem luziferischen Bereich. Als irdische Menschen sehen und fürchten<br />
wir die Vergänglichkeit, den Tod. Daher das Bestreben, möglichst viel im<br />
Leben mitzunehmen, seien es materielle Güter, Anerkennung o<strong>der</strong><br />
Bewun<strong>der</strong>ung. Die Menschen wollen sich von dem Gedanken an die<br />
Endlichkeit des Lebens ablenken, viel erleben und genießen. Wir sind<br />
voller Unrast und Unruhe, um auch nichts zu verpassen o<strong>der</strong> zu kurz zu<br />
kommen. Unser Denken und Tun ist verunreinigt durch Eigennutz: „Was<br />
ist mit mir Wo bleiben meine Interessen Warum haben an<strong>der</strong>e mehr als<br />
ich Warum geht es an<strong>der</strong>en besser als mir Warum bekomme ich nicht<br />
die Beachtung und Anerkennung, die ich verdiene. Ich bin besser, schöner,<br />
klüger, geschickter als an<strong>der</strong>e.<br />
Nur wenn wir diese Welt- und Eigenliebe überwinden, den Weg <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>geburt beschreiten, den Kampf mit unserem Ego aufnehmen und<br />
den Liebegeist in uns frei machen, werden wir unser himmlisches Ziel<br />
erreichen.<br />
Der erste Schritt dazu ist die Selbsterkenntnis dieser unserer<br />
Schwächen, die wir so gern verdrängen o<strong>der</strong> bemänteln, vielleicht noch<br />
nicht einmal bewusst erkennen. Es ist deshalb wichtig, sich täglich aus<br />
dem Alltagsgeschehen für eine Zeit <strong>der</strong> Besinnung und Sammlung<br />
zurückzuziehen.<br />
Es wäre aber ein Illusion zu glauben, wir könnten uns selbst aus diesen<br />
irdischen Fesseln befreien. Jesus spricht: „Ich bin <strong>der</strong> Weinstock, und ihr<br />
seid die Reben. Wer in mir lebt, so wie ich in ihm <strong>der</strong> bringt reiche Frucht.<br />
Denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht mit mir vereint bleibt, <strong>der</strong><br />
wird wie eine abgeschnittene Rebe fortgeworfen und vertrocknet.“ (Joh.<br />
15,5-6)<br />
Wir haben es nun seit <strong>der</strong> „großen Zeit <strong>der</strong> Zeiten“, dem siegreichen<br />
Gang des Herrn zum Kreuz und Auferstehung nicht mehr mit einen fernen,<br />
nicht schaubaren Gott in seiner Gerechtigkeit zu tun, son<strong>der</strong>n mit einem<br />
menschlichen Gegenüber, einem liebevollen Bru<strong>der</strong>, unserem Herrn Jesus.<br />
Die Liebesbeziehung zu Ihm gilt es zu suchen und zu vertiefen. Sie<br />
entscheidet unser irdisches und jenseitiges Leben und bestimmt die Art
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Unser Gottesbild<br />
17<br />
und Weise wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Zur Pflege dieser<br />
Beziehung gehört Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zeit. In <strong>der</strong> Stille, im<br />
Gespräch mit Ihm, erhalten wir Hilfe und Stärkung auf unserem Weg.<br />
Jesus sagte zu seinen Jüngern und damit auch zu uns folgendes: „Wer<br />
mich liebt, <strong>der</strong> wird sich nach meinen Worten richten.“ (Joh. 14,23) Dies ist<br />
kein Gebot son<strong>der</strong>n eine wun<strong>der</strong>bare Verheißung, eine Zusage des Herrn<br />
auf unserem Weg <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt; gestärkt durch Seine Liebe werden wir<br />
es schaffen!<br />
Sobald wir uns aus dieser Beziehung entfernen, uns von weltlichen<br />
Dingen ablenken lassen, sind wir in Gefahr zu straucheln, in alte<br />
Gewohnheiten und Schwächen zurückzufallen, zu sündigen. Wir starten<br />
nun mal in diesem Leben als Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt und es fällt schwer, davon<br />
frei zu werden. Aber auch wenn uns vieles misslingt, brauchen wir den Mut<br />
nicht zu verlieren. Der Herr kennt uns und unsere Schwächen besser als wir<br />
selbst Er liebt uns mehr als wir ahnen und wird uns, wie <strong>der</strong> Vater im<br />
Gleichnis bei <strong>der</strong> Rückkehr seines verlorenen Sohnes, mit Freuden wie<strong>der</strong><br />
empfangen. Darauf können wir vertrauen.<br />
Wenn wir nun diese tiefen Erkenntnisse aus den Schriften <strong>der</strong><br />
Neuoffenbarung und <strong>der</strong> Bibel über das Wesen unseres lieben himmlischen<br />
Vaters Jesus gewonnen haben, welche Einstellung sollten wir dann zu den<br />
Irrtümern, die wir in den christlichen Kirchen finden, einnehmen.<br />
Der Herr gibt uns da den Rat, das empfangene Licht in unsere<br />
abgestammte Kirche hineinzutragen: „Wer aber recht leben will, <strong>der</strong> kann<br />
es in je<strong>der</strong> Kirche; denn eine Hauptregel ist: Prüfet alles, und das Gute<br />
davon behaltet!<br />
Wenn ihr ein Kind gebadet habt, so schüttet bloß das Badewasser weg,<br />
das Kind aber behaltet, – und das Kind ist die Liebe!<br />
Ich sage zu niemandem: Werde ein Katholik o<strong>der</strong> werde ein Protestant<br />
o<strong>der</strong> werde ein Grieche, son<strong>der</strong>n: was einer ist, das bleibe er, – wenn er<br />
will. Sei er aber was er wolle, so sei er ein werktätiger Christ, und das im<br />
Geiste und in <strong>der</strong> Wahrheit; denn je<strong>der</strong> kann, wenn er es will, das reine<br />
Wort Gottes haben.“ (<strong>Lorber</strong>, Erde 73,13-15)<br />
Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, so ist‘s uns genug.<br />
Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch, und du kennst mich<br />
immer noch nicht, Philippus Wer mich sieht, <strong>der</strong> sieht den Vater!<br />
Wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater<br />
Glaubst du nicht, dass ich im Vater und <strong>der</strong> Vater in mir ist<br />
(Joh. 14,8-10)
18 Von Tod und Todesnot<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Von Tod und Todesnot<br />
Des Leibes Tod ist des Lebens letzte Not und ist gleichsam die<br />
Anheftung ans Kreuz.<br />
Wäre nicht des Leibes Tod, so ginge alles Leben verloren. Aber durch<br />
des Leibes Tod wird das Leben gesammelt und gefestet, damit es nach<br />
dem Abfalle des Leibes selbst im schlimmsten Falle doch noch als etwas<br />
bestehen kann.<br />
Die mit dem Tode verbundene, vorhergehende Angst ist eben <strong>der</strong> Akt<br />
<strong>der</strong> Vereinigung des Lebens, welches vorher nur gar zu häufig schon in<br />
alle Weltwinde zerstreut war.<br />
Daher geschieht es auch, und das überaus notwendig, dass die<br />
Weltlichen einen oft überaus bitteren Tod schmecken müssen. Denn würde<br />
solches nicht geschehen aus Meiner übergroßen Erbarmung, so würden sie<br />
vollends ewig zunichte.<br />
Und dass solche weltliche Seelen nach dem herben irdischen Tode in<br />
einen höchst unfreien Zustand kommen, ist ebenfalls wie<strong>der</strong> nur, damit ihr<br />
im Leibestode nur schwer gesammeltes Leben sich nicht wie<strong>der</strong><br />
verflüchtige und endlich gänzlich zunichte werde.<br />
Und so ist denn selbst <strong>der</strong> angst- und qualvolle so genannte ewige Tod<br />
nichts als eine durch Meine große Erbarmung gesetzte Lebensverwahrung.<br />
Welche Menschen aber schon bei ihrem Leibesleben ihr Leben durch<br />
Selbstverleugnung, Demut und Liebe zu Mir in Mir vereinigt haben,<br />
wahrlich, diese werden von des Leibestodes Angst nicht viel verspüren. -<br />
Und wenn ihr irdisches Lebensschifflein einmal an den trüglichen<br />
Weltklippen zerstäuben wird, so wird <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er schmerz- und sorglos<br />
sagen: „Ich bin mit meiner Habe im trockenen!“<br />
Bemühet euch daher, euer Leben schon hier zu vereinen in Mir, so wird<br />
euch <strong>der</strong> Tod des Leibes <strong>der</strong>einst vorkommen wie eine große aufgehende<br />
Sonne dem nächtlichen Wan<strong>der</strong>er an einem Meeresgestade, welches voller<br />
Klippen und Abgründe ist.<br />
Glaubet es Mir, dass es also ist, so wird niemand mehr euch den innern<br />
Frieden rauben!<br />
Das sagt <strong>der</strong> Herr des Lebens und des Todes! - Amen. Amen. Amen!<br />
(Himmelsgaben Bd. 1 S. 336)<br />
„Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel Hölle,<br />
wo ist dein Sieg Aber <strong>der</strong> Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft aber<br />
<strong>der</strong> Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, <strong>der</strong> uns den Sieg gegeben<br />
hat durch unsern HERRN Jesus Christus!“ (1. Kor. 15,55)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Ruhen in Gott<br />
19<br />
Ruhen in Gott<br />
Jörg Zink<br />
Es gibt ein Ziel, das wir mit unserem inneren Menschen<br />
erreichen, in dem alles Fragen und Zweifeln zur Ruhe<br />
kommt, nicht erst in <strong>der</strong> größeren Welt, son<strong>der</strong>n mitten im<br />
Tag auf dieser Erde: die Stille <strong>der</strong> Gegenwart vor Gott, die<br />
Stille <strong>der</strong> Ruhe in Gott, die wir „Kontemplation“ nennen.<br />
„Kontemplation“, sagt <strong>der</strong> große spanische Mystiker<br />
Johannes vom Kreuz, „ist ein verborgenes, friedvolles und<br />
liebeerfülltes Einströmen Gottes.“ Es ist die von allem, was<br />
Dr. Jörg Zink<br />
Ev. Pfarrer und<br />
Schriftsteller<br />
uns beschäftigen o<strong>der</strong> umtreiben mag, gelöste Betrachtung <strong>der</strong> Nähe und<br />
<strong>der</strong> Fülle Gottes.<br />
In dem Wort Kontemplation steckt das Wort „Tempel“, das ja aus dem<br />
Lateinischen kommt. Das bedeutet ursprünglich nicht ein Bauwerk, das für<br />
Gottesdienste bestimmt ist. Es meinte zunächst einen abgegrenzten,<br />
ausgemessenen Bezirk am Himmel. Einen bestimmten Ausschnitt des<br />
Sternhimmels, aus dem noch die römischen Auguren ihre Deutungen des<br />
Menschenlebens ablasen und vor ihnen die Sterndeuter <strong>der</strong> ältesten Zeit.<br />
Sie gewannen in ihrer Schau am Himmel die Einsicht in die höhere, die<br />
göttliche Ordnung, die ihnen das Maß war für das, was auf <strong>der</strong> Erde gelten<br />
sollte. Und weil es auf <strong>der</strong> Erde gelten sollte, grenzten sie auf <strong>der</strong> Erde<br />
einen entsprechenden Bezirk ab, <strong>der</strong> sein Maß hatte von dem Ausschnitt<br />
am Himmel.<br />
„Tempel“ heißt danach auch „Beobachtungsplatz“, „Ort <strong>der</strong> Schau“,<br />
„Platz des Priesters“, <strong>der</strong> den Himmel betrachtet, und auch „Gesichtsfeld“.<br />
Und erst danach wurde das Wort zum Ausdruck für ein Gebäude, in dem<br />
gefeiert wurde, was am Himmel zu sehen war: nämlich <strong>der</strong><br />
Zusammenhang zwischen oben und unten, zwischen Himmel und Erde,<br />
die Zusammengehörigkeit von göttlicher und menschlicher Welt. Die<br />
Silbe, „kon“ bedeutet „zusammen“. Kontemplation ist also die Schau des<br />
Gemeinsamen, das <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> Erde, dem Dasein und dem Menschen<br />
selbst eigen ist, die Schau <strong>der</strong> Ganzheit und <strong>der</strong> Sinnfülle, die Schau<br />
Gottes und des Menschen in ihrer dichten Verbindung. Die Welt ist eine in<br />
sich, ein Einvernehmen ist zwischen Gott und Mensch, und alles ist gut,<br />
wie es auch sei. Und alles führt zu dem Ziel, das Gott <strong>der</strong> Welt und uns<br />
Menschen gesetzt hat.<br />
Was geschieht aber dort, wo wir in den Raum <strong>der</strong> Kontemplation<br />
eintreten Wir können es beschreiben als „Gebet“. Aber was ist das<br />
Gebet
20 Ruhen in Gott<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Im Allgemeinen ist es für uns ein Reden des Herzens o<strong>der</strong> ein Reden<br />
des Mundes. Dass geredet wird, macht das Gebet aus. Und das ist gut. Wir<br />
treten, indem wir sprechen, aus uns selbst heraus und begegnen dem<br />
großen Du Gottes. Die Mühe, die wir damit haben, ist aber eben die, dass<br />
wir dabei immer etwas sagen müssen, etwas formulieren, etwas, wozu<br />
Worte fehlen, in Sprache zu fassen versuchen. Und manchmal werden die<br />
gesprochenen Gebete deshalb so leer und so formelhaft. Ich habe aber im<br />
Lauf meines Lebens mehr und mehr gefunden, dass ich auch vor Gott sein<br />
kann, ohne zu reden. Wenn ich glaube, dass Gott mein Wort hört, dann ist<br />
mein Wort im Grunde unnötig. Dann hört Gott auch, was ich denke, ohne<br />
es auszusprechen. Dann sieht Gott, was in mir ist, und nimmt mich an, wie<br />
ich, ohne Wort, vor ihm anwesend bin, mich vor ihm ausbreite, ohne mich<br />
o<strong>der</strong> irgendetwas in mir zu verbergen. Wenn Menschen um mich sind, die<br />
von mir Worte des Gebets brauchen, dann bete ich mit Worten; aber mein<br />
eigenes Gebet wurde im Lauf meines Lebens immer leiser, bis es fast nur<br />
noch in meiner wortlosen Gegenwart vor Gott besteht, einem wortlosen<br />
Hören auf das, was Gott redet, und einem wortlosen Nachsprechen dessen,<br />
was Gott mir sagt.<br />
Wir haben in unseren Betrachtungen unterschieden zwischen Gott, wie<br />
er uns als Person gegenübersteht, wie er uns hört und sieht, und Gott, wie<br />
er uns als Meer umgibt und durchdringt. Ist nun Gott uns gegenüber wie<br />
eine Person, so ist die angemessene Weise des Gebets das Hören und das<br />
Antworten, die Rede und das Gespräch. Der Ruf und <strong>der</strong> Dank. Ich nehme<br />
dann ein Wort, das von Gott kommt, auf und verlasse mich auf seine<br />
Gültigkeit. Ich verlasse mich „auf Gott“.<br />
Bin ich „in Gott“, so weiß ich mich von allen Seiten umgeben und<br />
umfangen. Ich bin an einem Ort unendlicher Ruhe und Geborgenheit. Ich<br />
verlasse mich selbst und finde mich in Gott. Ich wende mich im<br />
schweigenden Gebet von mir selbst weg in die Unendlichkeit Gottes. Ich<br />
werde weit und groß.<br />
Es gibt also ein schweigendes Gebet, das ich ein „Gebet <strong>der</strong> Weitung“<br />
nennen könnte, und ein an<strong>der</strong>es, das „Gebet <strong>der</strong> Einziehung“: Ich mache<br />
mich klein und suche das Wort, das in mir selbst ergeht, das Gott in mir<br />
selbst spricht. Und ich versinke dabei in Gott.<br />
Damit aber begegne ich Gott nicht nur in zweierlei, son<strong>der</strong>n in dreierlei<br />
Gestalt. Ich begegne ihm als dem Vater, und ich rede schlicht zu ihm mit<br />
meinen vielen o<strong>der</strong> wenigen Worten. Ich finde ihn in Jesus Christus, <strong>der</strong><br />
für Gott steht überall, wo ich seine Nähe und seine Unendlichkeit<br />
empfinde, und dehne mich in seine große Gestalt. Und ich finde ihn in<br />
dem Wehen des Geistes, das durch meine eigene Seele geht und das alles
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Ruhen in Gott<br />
21<br />
weckt und hervorbringt, das wert ist, ein Ort Gottes zu sein. Ich werde also<br />
reden, wenn ich bete. Ich werde schweigen. Und in diesem Schweigen<br />
werde ich mich ausdehnen und weit werden über die ganze Welt hin und<br />
über die Fülle ihrer Schicksale, ihrer Leiden und ihrer Mühen. Es ist das<br />
Gebet, in dem ich für alle Menschen dieser Erde und für alle Geschöpfe<br />
vor Gott bin. Und ich werde klein werden, sehr klein. Ich werde mich<br />
einziehen, ich werde aufnehmen, horchen und empfangen, mich auffüllen<br />
mit <strong>der</strong> Kraft aus dem Geist Gottes.<br />
Ich halte Gott einfach mein krankes Ich hin und wünsche mir, er möge<br />
mich berühren. Ich halte ihm mein schwaches und müdes Ich hin und<br />
wünsche mir, er möge es mit seiner Kraft füllen. Meine ungenauen und<br />
flackernden Gedanken halte ich ihm hin und wünsche mir, er selbst möge<br />
die Worte des schweigenden Gebetes in mir sprechen. Und so werde ich<br />
selbst ein in Zeit und Vergänglichkeit nicht mehr gefangener Mensch, <strong>der</strong><br />
den Schritt in die Ewigkeit tut.<br />
Wenn ich schweigend vor Gott anwesend bin, finde ich darum auch<br />
näher zu mir selbst. Aber wichtig ist dabei nicht, dass ich mich selbst<br />
finde, son<strong>der</strong>n dass ich selbst so unwichtig werde, dass Gott in mir<br />
gegenwärtig sein kann. Und immer wird dabei, wenn es denn gegeben<br />
wird, ein Wort das Wichtige sein, das zwischen Gott und mir hin und her<br />
geht, eines, das in <strong>der</strong> Gestalt von Sprache ergeht, o<strong>der</strong> eines, das sich <strong>der</strong><br />
Sprache entzieht.<br />
Darin liegt nichts, das selbstverständlich wäre. Es kann lange Zeiten<br />
des Schweigens und Wartens geben, in denen keine Stimme ergeht, und<br />
Zeiten, in denen es sinnlos zu sein scheint, auf ein Wort von Gott zu<br />
hoffen. Die alten Meister reden darum von den „Wüstenzeiten“, die <strong>der</strong><br />
Betende durchwan<strong>der</strong>n müsse, analog <strong>der</strong> Wüstenwan<strong>der</strong>ung des Volkes<br />
Israel, die es durchstehen musste, ehe es das verheißene Land erreichte.<br />
Im Gebet ohne Worte ruhen wir im einfachen Bewusstsein: Gott ist. Er<br />
ist da. Wir denken nicht darüber nach, wer o<strong>der</strong> was er sei, son<strong>der</strong>n<br />
wurzeln ein in ihn als in einen festen Grund. Meister Eckhart hat gesagt:<br />
„Genauso weit, wie wir in Gott sind, so weit sind wir im Frieden.“<br />
Es liegt darin auch eine wun<strong>der</strong>bare Entlastung für unser ganzes Leben.<br />
Wir brauchen nichts Großes zu werden, wir brauchen we<strong>der</strong> berühmte<br />
noch geniale Menschen o<strong>der</strong> auch Heilige zu sein, son<strong>der</strong>n nichts als<br />
achtsame Tänzer nach <strong>der</strong> Musik Gottes.<br />
Dabei können wir erfahren, was Segen ist. Dass nämlich das Dasein<br />
leuchtet. Dass es strahlt. Dass es die starken Farben <strong>der</strong> Schönheit und <strong>der</strong><br />
Sinnhaftigkeit trägt. Wer das einmal erfahren hat, <strong>der</strong> weiß, dass die<br />
Dankbarkeit und <strong>der</strong> Lobpreis im Grunde das einzig sinnvolle Gebet sind.
22 Ruhen in Gott<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Und dass die Freude am Dasein, die Freude an allem, was ist, aus <strong>der</strong><br />
Dankbarkeit erwächst. Denn im Dank fügt sich das Dasein von seinen<br />
beiden Polen her. Von Gott, dem Geber <strong>der</strong> Erfahrung, und mir, dem<br />
Erfahrenden, her wird es ganz, und wir entdecken, was <strong>der</strong> Epheserbrief<br />
die „vielfarbige Weisheit Gottes“ nennt. Die Fülle des Lebens. Den<br />
Reichtum, <strong>der</strong> uns mit unserem Leben in dieser Welt gegeben ist. Die<br />
Vielfarbigkeit auch jedes einzelnen Menschen, mit dem wir zu tun haben,<br />
die Vielfarbigkeit jedes Tages, den wir auf dieser Erde zubringen. Ich<br />
könnte auch sagen: die Vielsprachigkeit Gottes, <strong>der</strong> in allem zu uns<br />
spricht. Ich könnte auch sagen: die Musik, die in allem ist, die durch alles<br />
hindurch klingt von <strong>der</strong> harmonia mundi Keplers bis zu <strong>der</strong> Musik, die ich<br />
in mir selbst höre. Und ich könnte auch sagen: Das Leben ist ein Tanz, mit<br />
dem wir Geschöpfe auf die Musik antworten, die wir hören, die durch uns<br />
hindurchgeht. Und diese Musik will uns verbinden mit allen Menschen,<br />
auch den An<strong>der</strong>sdenkenden, den An<strong>der</strong>sglaubenden, den An<strong>der</strong>slebenden.<br />
Unser Tanz aber wird sich um die eine Mitte bewegen, die wir Gott<br />
nennen, von dem die Musik dieses Daseins ausgeht.<br />
Den Weg des schweigenden Gebets nennen die Mystiker die „unio<br />
mystica“, das innerste Einssein mit Gott. Dieses innerste Einssein ist nicht<br />
so sehr ein himmlisches Ziel, in ihm liegt vielmehr <strong>der</strong> Sinn unseres<br />
Weges auf dieser Erde. In diesem innersten Einssein rühmen wir Gott.<br />
„Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott“, sagt <strong>der</strong> Psalm<br />
(84,3).<br />
Unser Auge ist offen, und wir schauen. Unser Auge aber und das, was<br />
es schaut, sind eins. „Wir schauen, und wir werden verwandelt in das, was<br />
wir schauen“, sagt Paulus (2. Korinther 3,18).<br />
Die Geistes- und Kunstgeschichte <strong>der</strong> Religionen haben immer wie<strong>der</strong><br />
versucht, für Gott ein Symbol zu finden, das zugleich zeigt, wie Gott die<br />
Mitte und zugleich das Umgreifende allen Seins sei. Sie zeigten sein<br />
Geheimnis als Kreis, als Rad, als Rose o<strong>der</strong> Rosette. Gemeinsam ist diesen<br />
Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gedanke, Gott sei ebenso im noch so kleinen Zentrum <strong>der</strong><br />
Dinge wie in <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> Welt gegenwärtig, er ruhe in sich und<br />
bewege doch alles, er sei fasslich und unfasslich zugleich. So stehen über<br />
den Portalen vor allem <strong>der</strong> französischen Kathedralen die großen Rosetten,<br />
oft so gestaltet, dass sie einer Blume mit zwölf Blütenblättern o<strong>der</strong> einem<br />
Stern mit zwölf Strahlen gleichen. Und wenn wir Dante auf seinem Weg in<br />
die obere Welt, in die Herrlichkeit Gottes begleiten, sehen wir mit ihm,<br />
wie Gott sich dem geistigen Auge öffnet wie eine riesige, leuchtende Rose<br />
mit unendlichen Blättern.<br />
Wenn das geschieht, schließt sich für uns endgültig <strong>der</strong> große, volle
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Ruhen in Gott<br />
23<br />
Kreisbogen und gibt uns eine leuchtende Ahnung von dem, was sein wird,<br />
damit wir Gelassenheit und Gewissheit finden auch in unserer Sorge um<br />
diese Erde und um die Menschen auf ihr.<br />
Da bleibt nur die Anbetung, das Sein in Gott. Da lassen wir, was unsere<br />
Gedanken bewegt, in Gott ruhen. Da lassen wir alle Bil<strong>der</strong>, die uns vor<br />
Augen stehen, einsinken in Gott. Da geben wir, was wir über das<br />
Gottesreich gedacht haben, Gott zurück, wie Christus am Ende das Reich<br />
ihm zurückgeben wird (1. Korinther 15,27-28). Da legen wir unsere Fragen<br />
und Sorgen Gott in die Hände und nehmen aus seinen Händen wie<strong>der</strong>, was<br />
er uns als seine Antwort zugedacht hat.<br />
Paulus sagt einmal: „Was aber kein Auge gesehen und kein Ohr gehört<br />
hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott denen<br />
bereitet, die ihn lieben.“ (1. Korinther 2,9)<br />
Was kein Auge sieht und kein Ohr vernimmt, was kein Herz sich<br />
erdenkt, das macht Gott aus denen, die sich seiner Liebe anvertrauen. Sie<br />
tun dies und versuchen jenes und wissen, dass das Geringe, da und dort in<br />
aller Einfachheit getan, die Welt vom Tode zum Leben bringt.<br />
Und wenn uns eines Tages — nach allen Schrecknissen dieses<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts — wie<strong>der</strong> und noch schrecklicher das Grauen überfällt, das<br />
Geschrei des Krieges und <strong>der</strong> tausendfache ökologische Tod, dann gebe<br />
Gott, dass <strong>der</strong> große leuchtende Bogen, das Zeichen des Bundes Gottes mit<br />
den Menschen, vor unseren Augen über <strong>der</strong> Erde stehen bleibt als Zeichen<br />
einer Rettung, auf die wir durch alles, was geschieht, hindurch zugehen.<br />
Ich werde einmal sterben. Vielleicht ist es gar nicht so lange bis dahin.<br />
Aber das Ganze <strong>der</strong> Welt wird leben, solange Gott es mit Leben segnet.<br />
Auch ich werde weiterleben, in einer an<strong>der</strong>en Gestalt und mit einer<br />
an<strong>der</strong>en Leiblichkeit. Meine Seele hatte einen Körper, <strong>der</strong> aus allem<br />
bestand, was in dieser Welt lebt und ist. Die ganze Erde war mein Körper.<br />
Und ich werde wie<strong>der</strong> eine Welt als meinen Körper empfangen. Man mag<br />
sie „geistig“ nennen, aber das würde vermutlich irreführen. Gott wird mir<br />
wie<strong>der</strong> einen Segen zusprechen und sagen: Lebe! Sei lebendig und tu' das<br />
Deine in <strong>der</strong> größeren Welt, die ich dir zeige.<br />
(Quelle: Jörg Zink - Dornen können Rosen tragen,<br />
Mystik, die Zukunft des Christentums, Kreuz-Verlag)<br />
„Ihr seid bisher noch nicht zur Ruhe gekommen noch zu dem<br />
Erbteil, das dir <strong>der</strong> HERR, dein Gott, geben wird.“<br />
(5. Mos. 12,9)
24 Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
Miguel de Molinos (1628-1696)<br />
Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann, muss das Gemüt in allem Ungemach,<br />
Versuchungen und Leiden in Ruhe erhalten werden.<br />
Du sollst wissen, dass deine Seele das Zentrum, die<br />
Wohnung und das Königreich Gottes ist. Damit nun <strong>der</strong><br />
Beherrscher dieses Reiches auf dem Throne deiner Seele<br />
ruhen kann, solltest du dich bemühen, denselben rein, ruhig,<br />
leer und friedvoll zu erhalten; rein von Schuld und Fehlern;<br />
ruhig vor Befürchtungen; leer von Leidenschaften,<br />
Begierden, Vorstellungen und friedvoll in Versuchungen und<br />
Trübsalen.<br />
Miguel de Molinos<br />
Span. Priester und<br />
Mystiker<br />
Du sollst dein Herz daher stets in Frieden erhalten, damit <strong>der</strong> Tempel<br />
Gottes rein bleibt und sollst mit einem rechten und reinen Vorsatz arbeiten,<br />
beten, gehorchen und dulden, ohne im mindesten beunruhigt zu werden,<br />
bei allem, was Gott gefällt, dir zu schicken. Denn sicherlich wird Gott dem<br />
neidischen Erzfeind zulassen, die Stadt des Friedens und den Thron <strong>der</strong><br />
Seele durch Versuchungen, Einflüsterungen und Beschwerden zu<br />
beunruhigen, vermittelst <strong>der</strong> Kreaturen, durch quälende Sorgen, kränkende<br />
Verfolgungen usw.<br />
Sei standhaft und gefassten Sinnes, was für Pein solche Leiden dir auch<br />
bereiten mögen. Unterziehe dich ihr willig, damit du sie zu überwinden<br />
vermagst, denn die göttliche Kraft ist in ihr verborgen, welche dich<br />
verteidigt, beschützt und für dich kämpft. Wenn jemand eine sichere Burg<br />
besitzt, so ist er nicht beunruhigt, obgleich ihm seine Feinde nachstellen,<br />
weil <strong>der</strong>en Absichten vereitelt werden, da er sich ja in die Burg<br />
zurückziehen kann. Die starke Festung, welche dich über alle deine<br />
sichtbaren und unsichtbaren Feinde, wie über <strong>der</strong>en Ränke und<br />
Kränkungen triumphieren lassen wird, befindet sich in deiner eigenen<br />
Seele, weil in ihr die göttliche Hilfe und des Herrn Beistand wohnt. Ziehe<br />
dich in sie zurück und alles wird still, ruhig, sicher und friedevoll sein.<br />
Es sollte dein vornehmstes und unausgesetztes Bestreben sein, jenen<br />
Thron deines Herzens zu beruhigen, damit <strong>der</strong> höchste Herrscher darauf<br />
verweilen kann. Der Weg dazu wird sein, in dich selbst, durch innerliche<br />
Sammlung, einzukehren; dein ganzer Schutz soll das Gebet und eine<br />
liebreiche Sammlung in <strong>der</strong> göttlichen Gegenwart sein. Wenn du dich<br />
heftiger angegriffen siehst, ziehe dich in jene Region des Friedens zurück,<br />
wo du die Festung finden wirst. Wenn du dich schwächer fühlst, nimm<br />
deine Zuflucht zum Gebet, <strong>der</strong> einzigen Waffe zur Überwindung des
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
25<br />
Feindes und zur Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Trübsal. Du solltest im Sturm nicht fern<br />
von ihm sein, damit du, ein zweiter Noah, Ruhe, Sicherheit und Klarheit<br />
erfahren kannst, und damit dein Wille gelassen, ergeben, friedfertig und<br />
mutig zu werden vermag.<br />
Sei endlich nicht bekümmert noch entmutigt, wenn du dich kleinmütig<br />
siehst. Er kehrt wie<strong>der</strong> zu dir zurück, um dich zu besänftigen, damit er dich<br />
aufs neue bewegen (anfeuern) kann, weil <strong>der</strong> göttliche Herr mit dir allein<br />
sein will, um in deiner Seele zu ruhen und darin einen reichen Thron des<br />
Friedens zu errichten, damit du in deinem eigenen Herzen, vermöge<br />
innerlicher Sammlung und durch seine himmlische Gnade, nach Stille in<br />
Erregung, Einsamkeit in <strong>Gesellschaft</strong>, Licht in Dunkelheit, Vergessenheit<br />
in Bedrückungen, Stärke in Verzagtheit, Mut in Furcht, Kraft in<br />
Versuchung, Friede im Streit und Ruhe in Trübsal ausblicken kannst.<br />
Wenn sich die Seele auch von <strong>der</strong> eigenen Verstandestätigkeit ledig fühlt,<br />
sollte sie doch im Gebet ausharren und nicht bekümmert sein,<br />
weil dies ein größeres Glück für sie ist.<br />
Du wirst dich, gleich allen an<strong>der</strong>en Seelen, welche vom Herrn zu dem<br />
inneren Wege berufen sind, voll Verwirrung und Zweifel finden, weil du<br />
im Gebet <strong>der</strong> Unzulänglichkeit deiner Verstandeskraft gewahr geworden<br />
bist. Es wird dir scheinen, dass Gott dir nicht mehr wie früher beisteht;<br />
dass die Ausübung des Gebets nicht in deiner Macht steht; dass du lange<br />
säumst, bevor du mühsam und mit vieler Schwierigkeit ein einziges kurzes<br />
Gebet, wie du gewohnt, sprechen kannst.<br />
Dieser Mangel, dich in verstandesmäßiger Überlegung zu ergehen, wird<br />
in dir große Verwirrung und Unruhe hervorbringen! Und wenn du in solch<br />
bedenklicher Lage nicht einen geistlichen Vater hast, <strong>der</strong> erfahren ist auf<br />
dem mystischen Wege, wirst du gewiss glauben, dass deine Seele in<br />
Unordnung sei und du zum Schutze deines Gewissens einer Beichte<br />
bedürfest. Damit erreichst du aber nichts als Scham und Bestürzung. Ach,<br />
wie viele Seelen sind zu dem inneren Wege berufen, und werden durch die<br />
geistlichen Väter, aus Mangel an Verständnis, auf ihrer Bahn gehemmt<br />
und ins Ver<strong>der</strong>ben geführt, anstatt von ihnen geleitet und vorwärts<br />
gebracht zu werden.<br />
Um nicht abfällig zu werden, wenn du im Gebete des eigenen Denkens<br />
und Erwägens ermangelst, solltest du davon überzeugt sein, dass dies dein<br />
größtes Glück ist, weil es klar bezeugt, dass <strong>der</strong> Herr dich durch Glauben<br />
und Stillschweigen in seine göttliche Gegenwart kommen lassen will, was<br />
<strong>der</strong> nützlichste und leichteste Pfad ist. Bedenke doch, dass die Seele mit<br />
einfältigem Hinschauen o<strong>der</strong> innigem (liebevollem) Aufhorchen auf Gott,
26 Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
gleich einem demütigen Bittsteller vor ihrem Herrn erscheint, o<strong>der</strong> wie ein<br />
unschuldiges Kind, welches sich an den süßen und sicheren Busen seiner<br />
treuen Mutter wirft. Gerson drückte dies so aus: „Obgleich ich 40 Jahre<br />
mit Lesen und im Gebet verbracht habe, konnte ich doch niemals etwas<br />
Wirksameres noch Kürzeres ausfindig machen, um zur mystischen<br />
Theologie (Theosophie) zu gelangen, als dass unser Geist in Gottes<br />
Gegenwart gleich einem kleinen Kinde o<strong>der</strong> einem Bettler werden sollte.“<br />
Diese Art zu beten ist nicht allein die leichteste, son<strong>der</strong>n auch die<br />
sicherste, weil sie von <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Vorstellung, welche immerdar den<br />
Fallstricken des Bösen ausgesetzt ist, sowie von den Übertreibungen <strong>der</strong><br />
Schwermut und Grübelei, worin sich die Seele leicht verfängt und (in<br />
Spekulation vertieft) über sich selbst nachbrütet, entbunden ist.<br />
Als es Gott gefiel, seinen Feldherrn Moses (2.Mose Kap.24) zu<br />
unterweisen, und ihm die zwei in Stein geschriebenen Gesetzestafeln zu<br />
übergeben, berief er ihn auf den Berg, welcher zu <strong>der</strong> Zeit, da Gott mit<br />
Moses dort verweilte, verfinstert und mit dicken Wolken umhüllt war.<br />
Nachdem Moses sieben Tage hindurch, ohne zu wissen was er denken und<br />
sprechen sollte, untätig gewartet hatte, befahl ihm Gott, auf den Gipfel des<br />
Berges hinaufzusteigen, wo er ihm seine Herrlichkeit enthüllte und reichen<br />
Trost spendete.<br />
So lässt Gott, wenn er nach einer außergewöhnlichen Leitung die Seele<br />
in die Schule <strong>der</strong> göttlichen und liebevollen Belehrung über das innere<br />
Leben einführen will, diese in Dunkelheit und Dürre wandeln, damit er sie<br />
näher zu sich heraufzuziehen vermag. Denn die göttliche Herrlichkeit weiß<br />
sehr wohl, dass eine Seele nicht durch eigene Entschließung zu ihm<br />
empordringt, son<strong>der</strong>n durch ruhige und demütige Ergebung.<br />
Der Patriarch Noah gab hiefür ein bedeutsames Beispiel. Er wurde von<br />
allen Menschen als Narr angesehen, weil er inmitten des tosenden Meeres,<br />
welches die ganze Erde überflutete, ohne Segel und Ru<strong>der</strong> schwamm. Von<br />
wilden Tieren umgeben, welche in <strong>der</strong> Arche eingeschlossen waren, zog er<br />
durch seinen Glauben allein hinaus, ohne zu wissen, was Gott mit ihm zu<br />
tun gefallen würde.<br />
Was dir vor allem frommt, o freigewordene Seele, das ist Standhaftigkeit,<br />
nicht abzulassen vom begonnenen Gebet, obgleich du dabei<br />
dein eigenes Denken beherrschen musst. Verharre in festem Glauben und<br />
heiligem Frieden, deinem Ich mit all seinen natürlichen Bestrebungen<br />
absterbend, im Vertrauen, dass Gott, welcher unverän<strong>der</strong>lich <strong>der</strong>selbe<br />
bleibt, niemals irren kann und nur dein Bestes im Auge hat. Es ist klar,<br />
dass <strong>der</strong>jenige, welcher sich selbst abstirbt, dies notwendigerweise<br />
schmerzlich empfinden muss. Aber wie wohl ist die Zeit angewendet
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
27<br />
worden, wenn die Seele tot, stumm und ergeben in Gottes Gegenwart ist,<br />
um ohne Unruhe und Zerstreutheit die himmlischen Eingebungen zu<br />
empfangen.<br />
Die Sinne sind für die göttlichen Gnadengaben nicht empfänglich;<br />
willst du daher weise und glücklich sein, so sei still und beständig, glaube<br />
und dulde, und schreite vertrauensvoll vorwärts. Es ist dir weit besser,<br />
Frieden zu halten und dich von Gottes Hand führen zu lassen, als dich<br />
aller Güter dieser Welt zu erfreuen. Und ob es dir gleich scheinen mag,<br />
als ob du bei alledem nichts tust und müßig bist, so ist dies doch von<br />
unendlichem Nutzen.<br />
Schaue das blinde Tier an, welches das Rad <strong>der</strong> Mühle dreht, wie es,<br />
ohne zu sehen o<strong>der</strong> zu wissen was es tut, doch ein nützliches Werk mit<br />
dem Mahlen des Kornes verrichtet. Wenn es auch nicht davon kostet, so<br />
empfängt doch sein Herr die Frucht und genießt von ihr. Wer sollte,<br />
während <strong>der</strong> langen Zeit, da <strong>der</strong> Same in <strong>der</strong> Erde schlummert, nicht<br />
glauben, dass <strong>der</strong>selbe zugrunde gegangen sei Und doch sieht man die<br />
Saat nachher aufgehen, wachsen und sich vermehren. Das gleiche lässt<br />
Gott mit <strong>der</strong> Seele geschehen, wenn er ihr das eigene, überlegende Denken<br />
nimmt. Während sie glaubt, müßig und gleichsam vernichtet zu sein,<br />
kommt sie nach gewisser Zeit wie<strong>der</strong> zu sich selbst, veredelt, frei und<br />
vollkommen, ohne jemals auf eine so große Gnadengunst gefasst gewesen<br />
zu sein.<br />
Hüte dich darum, dich selbst zu quälen o<strong>der</strong> abfällig zu werden, wenn<br />
du durch dein eigenes Denken dich im Gebete nicht emporschwingen<br />
kannst. Dulde, bleibe ruhig und ergib dich in Gottes Gegenwart. Harre<br />
standhaft aus und vertraue auf seine unendliche Güte, welche dir stetigen<br />
Glauben, wahre Erleuchtung und himmlische Gnade zu verleihen vermag.<br />
Wandle, gleich als ob deine Augen verbunden wären, ohne zu denken und<br />
zu überlegen. Gib dich in seine gütigen, väterlichen Hände, mit dem festen<br />
Vorsatz, nichts zu tun, was nicht nach seinem göttlichen Willen und<br />
Gefallen ist.<br />
Es ist die gemeinsame Überzeugung aller heiligen Männer, welche über<br />
den Geist und alle an<strong>der</strong>en mystischen Gegenstände geschrieben haben,<br />
dass die Seele vermittelst <strong>der</strong> Betrachtung und Verstandestätigkeit nicht<br />
zur Vollkommenheit und Vereinigung mit Gott gelangen kann, weil diese<br />
nur am Anfange des geistigen Weges för<strong>der</strong>lich sind, um einen gewissen<br />
Grad von Kenntnis über die Schönheit <strong>der</strong> Tugend und die Hässlichkeit<br />
des Lasters gewinnen zu können. Dieses Wissen kann nach <strong>der</strong> Meinung<br />
<strong>der</strong> heiligen Theresa innerhalb sechs Monaten, und gemäß des heiligen<br />
Bonaventura in zwei Monaten erworben werden.
28 Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Ach wie bedauernswert sind in dieser Beziehung unendlich viele<br />
Seelen, welche von Beginn bis zum Ende ihres Lebens mit bloßem<br />
Nachgrübeln beschäftigt sind, und sich ganz auf ihren Verstand<br />
beschränken; und das obwohl <strong>der</strong> allmächtige Gott sie des eigenen<br />
Denkens beraubt, um sie zu einem an<strong>der</strong>en Zustand zu erheben und zu<br />
einer vollkommeneren Art <strong>der</strong> Anbetung heimzuführen. Sie aber bleiben<br />
viele Jahre unvollkommen und bleiben im Anfang stecken, o<strong>der</strong> kommen<br />
nur einen Schritt auf dem Wege des Geistes voran. Sie quälen ihren<br />
Verstand mit dem Suchen nach Örtlichkeit und Zeit, mit Einbildungen und<br />
angestrengten Erwägungen, indem sie Gott, welcher doch in ihnen selbst<br />
wohnt, stets außerhalb suchen.<br />
Darüber beklagte sich <strong>der</strong> heilige Augustinus, als ihn Gott auf den<br />
mystischen Weg brachte, indem er zu <strong>der</strong> göttlichen Allmacht sprach:<br />
„Umherirrend wie ein verlaufenes Schaf, suchte ich dich, o Herr,<br />
während du in mir selbst weiltest. Ich mühte mich ab, außen nach dir zu<br />
suchen, und doch hast du deine Wohnung in mir, wenn ich nach dir<br />
verlange und an dich denke. Ich wan<strong>der</strong>te durch die Strassen und Plätze<br />
dieser Welt, um dich zu suchen, und fand dich nicht, weil ich vergebens<br />
draußen nach Ihm forschte, <strong>der</strong> doch in meinem Inneren war.“<br />
Der Doktor Angelicus, St. Thomas, mag (ungeachtet seiner<br />
bedeutsamen Schreibweise) doch <strong>der</strong>jenigen zu spotten scheinen, welche<br />
mit Vernunftschlüssen immer außen nach Gott forschen, während er doch<br />
in ihnen selbst gegenwärtig ist. Dieser Heilige sagt: „Es herrscht eine<br />
große Blindheit und maßlose Torheit in jenen, welche unablässig Gott<br />
suchen, fortwährend nach Gott seufzen und Gott täglich im Gebet<br />
anrufen, während sie (nach den Worten des Apostels) selbst <strong>der</strong><br />
lebendige Tempel Gottes und seine wahre Wohnung sind, da in ihrer<br />
Seele <strong>der</strong> Sitz und Thron des Höchsten sich befindet, wo er<br />
immerwährend verweilt. Wer an<strong>der</strong>s als ein Narr wird daher nach einem<br />
Werkzeug draußen suchen, welches er sich erinnert, im Hause selbst<br />
eingeschlossen zu haben O<strong>der</strong> wer kann sich an <strong>der</strong> begehrten Nahrung<br />
erquicken, ohne von ihr zu kosten. Gerade so ist das Leben von einigen<br />
tugendhaften Männern, welche immer forschen und sich des Besitzes<br />
niemals wirklich erfreuen. Deshalb ist all ihr Tun unvollkommen.“<br />
Es ist gewiss, dass unser Herr Jesus Christus die Vollkommenheit allen<br />
lehrte, und alle zur Vollkommenheit gelangen lassen will, beson<strong>der</strong>s die<br />
Unwissenden und Einfältigen. Diese Wahrheit bezeugte er dadurch<br />
deutlich, dass er zu seinen Aposteln geringe und unwissende erwählte,<br />
indem er zu seinem ewigen Vater sagte: „Ich danke dir, o Vater, Herr des<br />
Himmels und <strong>der</strong> Erde, dass du diese Dinge vor den Weisen und Klugen
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Damit Gott in <strong>der</strong> Seele ruhen kann<br />
29<br />
verborgen und den Kin<strong>der</strong>n offenbart hast.“<br />
Es ist gewiss, dass diese, wenn sie auch nicht durch scharfsinnige<br />
Überlegungen und spitzfindige Untersuchungen zur Vollkommenheit<br />
gelangen können, doch ebenso wohl wie die gelehrtesten Männer fähig<br />
sind, diese zu erwerben und zwar durch Eingabe ihres Willens, worin sie<br />
hauptsächlich besteht. Der heilige Bonaventura belehrt uns, keine<br />
Vorstellungen von irgendetwas zu bilden, auch nicht von Gott, weil es<br />
Unvollkommenheit ist, Darstellungen, Bil<strong>der</strong> und Ideen, wie fein und<br />
geistreich sie auch immer seien, entwe<strong>der</strong> von dem Willen, <strong>der</strong> Güte o<strong>der</strong><br />
von <strong>der</strong> Dreieinigkeit und Einheit zu machen; ja sogar von dem göttlichen<br />
Geiste selbst - in Rücksicht darauf, dass alle diese Sinnbil<strong>der</strong>, obgleich sie<br />
Gott ähnlich erscheinen, doch nicht Gott sind, welcher über jedes Bild und<br />
Gleichnis erhaben ist.<br />
Weiter sagt <strong>der</strong> Heilige: „Wir dürfen hier nicht an etwas Erschaffenes<br />
o<strong>der</strong> Himmlisches noch auch Göttliches denken, weil diese Weisheit und<br />
Vollkommenheit nicht durch feines und zielbewusstes Forschen, son<strong>der</strong>n<br />
nur durch die Sehnsucht und Hingabe des Willens erlangt werden kann.“<br />
Der heilige Mann kann nicht klarer sprechen; und würdest du dich<br />
beunruhigen und vom Gebet ablassen, weil du nicht weißt o<strong>der</strong> nicht zu<br />
sagen vermagst, wie du dich darin emporschwingen kannst, obgleich du<br />
einen guten Willen, starkes Verlangen und eine reine Absicht hast Wenn<br />
die jungen Raben, welche von den Alten verlassen worden sind (weil<br />
diese, da sie keine schwarzen Fe<strong>der</strong>n an ihnen sahen, sie für unecht<br />
hielten), von dem Tau des Himmels ernährt werden, damit sie nicht<br />
zugrunde gehen; was wird er tun, um Seelen zu erlösen, obgleich sie nicht<br />
sprechen und denken können, wenn sie nur glauben, vertrauen und ihr<br />
Antlitz zum Himmel emporwenden, um ihre Wünsche zu verkünden Ist<br />
es nicht gewisser, dass Gottes Güte für sie sorgen und ihnen die<br />
notwendige Speise geben wird<br />
Es ist offenbar ein großes Martyrium und keine geringe Prüfung des<br />
Herrn für die Seele, welche sich <strong>der</strong> früheren Sinnesfreuden beraubt findet,<br />
mit innigem Glauben allein, die dunklen und verlassenen Pfade <strong>der</strong><br />
Vollkommenheit zu wandeln, welche sie nichtsdestoweniger niemals<br />
an<strong>der</strong>s, als durch diese schmerzvollen aber sicheren Mittel erreichen kann.<br />
Deshalb bemühe dich, standhaft zu sein und nicht abfällig zu werden,<br />
obgleich du des eigenen Denkens im Gebet ermangelst. So glaube zu<br />
dieser Zeit fest, sei sanft und gelassen, und harre geduldig aus, wenn du<br />
wünschest glücklich zu sein und zu <strong>der</strong> göttlichen Vereinigung, erhabenen<br />
Ruhe und zum höchsten innerlichen Frieden zu gelangen.
30 Vom Wesen <strong>der</strong> Fürbitte<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Vom Wesen <strong>der</strong> Fürbitte<br />
„Wenn du siehst, dass da irgendein wie immer geartet armer Bru<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> auch Schwester wandelt, das heißt, dass er entwe<strong>der</strong> arm ist am Leibe<br />
durch die Schwäche o<strong>der</strong> gar gänzliche Unbrauchbarkeit eines und des<br />
an<strong>der</strong>n Sinnes, o<strong>der</strong> dass er arm ist im Herzen, arm an <strong>der</strong> Liebe, arm in<br />
<strong>der</strong> Kraft zur Tat, arm am Willen, arm in <strong>der</strong> Einsicht, arm am Verstande<br />
o<strong>der</strong> ganz verarmt am Geiste und an allem, was des Geistes ist, und du<br />
erbarmst dich seiner aus <strong>der</strong> Liebe deines Herzens zu Mir und daraus erst<br />
zum Bru<strong>der</strong> o<strong>der</strong> zur Schwester, siehe, dann ist dein Erbarmen ein<br />
vollkommenes, da es dann schon eine Aufnahme Meiner großen<br />
Erbarmung ist auf gleiche Art, als so <strong>der</strong> Wind zieht durch den Wald und<br />
bewegt da die Bäume und rührt jegliches Blättchen am Baume, darum<br />
dann jegliches Blättchen fächelt und durch das Fächeln auch einen eigenen<br />
kleinen Wind zuwege bringt, welcher vom allgemeinen großen Winde<br />
aufgenommen wird also, als wäre er im Verhältnisse zu ihm wirklich<br />
etwas.<br />
Du wirst aber auch schon öfters bemerkt haben, wenn <strong>der</strong> Wind geht,<br />
dass er da auch die dürren Blätter rührt; allein, da sie dürre sind und darum<br />
steif und tot, so halten sie den Zug des Windes nicht aus, brechen bald<br />
vom Zweige und flattern dann tot zur toten Erde nie<strong>der</strong>. Und führt sie <strong>der</strong><br />
große Wind auch eine Zeitlang mit, so senken sie sich nach und nach aber<br />
doch dahin, wo die Vernichtung ihrer harrt!<br />
Das Blatt des Baumes hat solche Bestimmung; aber nicht also <strong>der</strong><br />
Mensch! Wehe ihm aber, so er am Baume des Lebens ist dürre geworden;<br />
wahrlich, er wird seiner Vernichtung nicht entgehen!<br />
Solches aber ist zu entnehmen dem Gleichnisse, dass nur <strong>der</strong> Lebendige<br />
zur lebendigen Erbarmung gerührt werden kann durch Meine große<br />
Erbarmung; seine Erbarmung wird somit von Meiner aufgenommen, als<br />
wäre sie etwas. Gleichwie aber <strong>der</strong> Wind aufnimmt das gefächelte<br />
Lüftchen des Blattes und, es alsdann mit sich führend, es seine Mitblätter<br />
bespülen lässt, also auch verhält es sich mit <strong>der</strong> Erbarmung des Menschen<br />
gegen seinen Mitmenschen, darum da ein Bru<strong>der</strong> dem an<strong>der</strong>n so viel tun<br />
soll, als er kann aus <strong>der</strong> lebendigen, ja von Mir aus und durch Mich<br />
lebendigen Liebe heraus, und Ich werde dann seine Tat und seine Fürbitte<br />
also ansehen, als wäre sie etwas vor Mir!<br />
Siehe, wenn also <strong>der</strong> Wind geht, so nimmt er deinen Hauch mit, als<br />
wäre er etwas! Aber meinst du wohl, dein Hauch werde entwe<strong>der</strong> den<br />
Wind verstärken o<strong>der</strong> ihm wohl gar eine an<strong>der</strong>e Richtung geben!<br />
O siehe, solches vermag wohl <strong>der</strong> Hauch aller lebenden Menschen
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Vom Wesen <strong>der</strong> Fürbitte<br />
31<br />
zusammengenommen nicht! Denn <strong>der</strong> mächtige Wind kommt, niemand<br />
<strong>der</strong> Menschen weiß es, woher; und wohin er zieht, weiß auch niemand,<br />
son<strong>der</strong>n allein seine ordnungsmäßige Richtung lässt er aus seinem Zuge<br />
dich gewahren. So du hauchst mit <strong>der</strong> Richtung, da wird dein Hauch<br />
aufgenommen und mitgeführt werden; hauchst du aber eigenmächtig dem<br />
Zuge entgegen, da wird dein Hauch zurückgestoßen werden und wird sich<br />
brechen an deinem eigenen Munde und also ersticken helfen dein eigenes<br />
Leben!<br />
So du an einem Strome weinst und Tränen des Mitleids entfallen<br />
deinem Auge, wahrlich, auch sie werden, hast du deine Tränen fallen<br />
lassen ins Wasser des Stromes, dass sie darum eins geworden sind mit des<br />
Stromes Wasser, dem Meere <strong>der</strong> Erbarmung zugeführt werden! Wenn aber<br />
jemand auch weinen möchte am Strome, hätte aber nicht beachtet des<br />
Stromes Wasser und ließe seine Tränen fallen auf des Stromes Ufersand,<br />
werden solche Tränen wohl auch gelangen in das Meer!<br />
Siehe, wer da Mich zu einer Miterbarmung durch seine Fürbitte zu<br />
bewegen wähnt, ist <strong>der</strong> nicht noch dümmer als einer, <strong>der</strong> da <strong>der</strong> Meinung<br />
wäre, wo er immer eine Träne geweint hat, müsse das Meer hinkommen<br />
und da seine Träne aufnehmen, ohne nur im Geringsten zu beachten, was<br />
das Meer ist, und wohin ohnedies sogar jegliches Bächlein seine Richtung<br />
nimmt!<br />
Wer aber sich durch Mich bewegen lässt, <strong>der</strong> ist mit seiner Erbarmung<br />
in <strong>der</strong> Ordnung, und seine Tränen fallen schon sogleich ins Meer!<br />
Wer hat denn dann bei Mir vorgebeten o<strong>der</strong> Mich bewogen, euch zu<br />
erschaffen, als außer Mir noch nichts war! O<strong>der</strong> bin Ich etwa seitdem<br />
härter geworden und liebloser, darum Ich Mich durch Meine Geschöpfe<br />
sollte zu etwas bewegen lassen!<br />
O siehe, dessen hat es wahrlich nicht vonnöten, wohl aber dessen, dass<br />
Meine Kin<strong>der</strong> sich von Mir bewegen lassen in ihren Herzen und Mich<br />
aufnehmen in <strong>der</strong> reinen Liebe, dann des Zuges Meiner großen<br />
Erbarmungen achten und sodann lebendig mitbarmherzig werden! Siehe,<br />
das ist Mein Wille!“ (Haushaltung Gottes Bd. 1, Kap. 172,19-29)<br />
„So ermahne ich euch nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte,<br />
Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und<br />
alle Obrigkeit, auf dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen<br />
in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Denn solches ist gut und<br />
angenehm vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen<br />
geholfen werde und sie zur Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit kommen.“<br />
(1. Tim 2,1)
32 Aus meines Herzens Grunde<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Aus meines Herzens Grunde<br />
Mystische Motive im protestantischen Kirchenlied<br />
Gerhard Wehr<br />
Seit Martin Luther verfügt die evangelische Christenheit über einen viel<br />
gepriesenen großen Schatz an Lie<strong>der</strong>n. Unzählige Gesangbuchausgaben<br />
sind im Laufe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te entstanden, um das „mit Herz und Mund“<br />
Gesungene und Gebetete für den Gottesdienst wie für die private Andacht<br />
griffbereit zu halten. Aber nur wenige sind sich <strong>der</strong> Tatsache bewusst, dass<br />
sich in vielen Liedversen eine eigenständige mystische<br />
Frömmigkeitshaltung manifestiert. Da kommen Menschen zu Wort, die<br />
jeweils einer bestimmten Erfahrung teilhaftig geworden sind und die das<br />
Empfangene nicht für sich behalten können. Oft sind es Verse, die über<br />
das persönliche Zeugnis <strong>der</strong> Dichter hinaus in die meditative „Innerung“<br />
hineinführen, so dass man auch auf diese Weise, eben singend, betend,<br />
betrachtend an „protestantischer Mystik“ in individueller Weise teilhaben<br />
kann.<br />
Die nachfolgenden ausgewählten Beispiele sind als Anregung für die<br />
eigene Spurensuche gedacht. Da ist freilich mit <strong>der</strong> Beobachtung zu<br />
rechnen, dass Lie<strong>der</strong>, die noch vor ein o<strong>der</strong> zwei Generationen zum<br />
Grundbestand des protestantischen Liedgutes gezählt wurden, dem<br />
heutigen Lebensgefühl und Frömmigkeitsempfinden fremd geworden sind,<br />
sodass sie aus dem Gesangbuch verschwunden und durch „mo<strong>der</strong>ne“<br />
Lie<strong>der</strong> ersetzt wurden, in <strong>der</strong> Regel unter Verzicht auf eine mystische<br />
Note. Der damit eingetretene Verlust ist nicht zuletzt darin zu sehen, dass<br />
<strong>der</strong> bislang selbstverständliche Rückbezug auf die christliche<br />
Gesamttradition nahezu vollständig verloren ging. Das Verlangen nach<br />
spirituellem Erleben, nach Wandlung und nach echter Selbst-<br />
Verwirklichung wird zwar von immer mehr Menschen erfahren und die<br />
mystisch ausgerichtete Spiritualität hat in <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong><br />
Meditationsbewegung so etwas wie eine Renaissance erlangt. Aber dieses<br />
auch von <strong>der</strong> jungen Generation mitgetragene Bestreben hat sich in den<br />
neuen Liedtexten noch nicht in angemessener Weise nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />
An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> vom Geistfeuer <strong>der</strong> Mystik ergriffenen Lie<strong>der</strong>dichter<br />
steht zweifellos <strong>der</strong> Theologe Paul Gerhardt (1607-1676). Im Zeitalter des<br />
Dreißigjährigen Kriegs hat <strong>der</strong> leidgeprüfte Mann die Christenheit für die<br />
Feier aller Feste des Kirchenjahres mit Gedichten beschenkt, die zu den<br />
eindrucksvollsten <strong>der</strong> Barocklyrik gezählt werden. Welche Tiefe er zu<br />
erreichen vermochte, zeigt sein Weihnachtslied „Ich steh an deiner
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Aus meines Herzens Grunde<br />
33<br />
Krippen hier, o Jesu, du mein Leben“, dem <strong>der</strong> Dichter „Geist und Sinn,<br />
Herz, Seel und Mut“, seine Lebensganzheit hingeben will. Dann setzt er in<br />
<strong>der</strong> zweiten Strophe zu einer überaus kühnen, keine paradoxe<br />
Formulierung scheuenden Betrachtung an: Das Jesuskind in <strong>der</strong> Krippe,<br />
vor dem <strong>der</strong> andächtige Betrachter steht, ist mit einem Male <strong>der</strong><br />
präexistente, vor allem Sein wirkende göttliche Logos von Johannes Kap.<br />
1 („Im Urbeginn war das Wort ...“). Und dieses weltschöpferische Wort<br />
„Gott“, ist es, das vor die Existenz des Betrachters zurückgreift, sich für<br />
ihn - vor aller Zeit - entschieden hat, um sich diesem noch gar nicht<br />
existierenden Menschen zu eigen zu geben:<br />
Da ich noch nicht geboren war,<br />
da bist du mir geboren<br />
und hast mich dir zu eigen gar,<br />
eh ich dich kannt' erkoren.<br />
Eh ich durch deine Hand gemacht,<br />
da hast du schon bei dir bedacht,<br />
wie du mein wolltest werden.<br />
Daran schließt sich die 3. Strophe mit <strong>der</strong> überwältigenden<br />
Grenzerfahrung an: Ich lag in tiefster Todesnacht. Sie wird überstrahlt -<br />
vom Anblick eines Neugeborenen, <strong>der</strong> zugleich als das „Licht <strong>der</strong> Welt“<br />
somit ein einzigartiges kosmisches Ereignis darstellt, das dem Menschen<br />
gilt: Du wärest meine Sonne ... Dann kommt wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Betrachter des<br />
Neugebornen zu Wort: Ich sehe mich mit Freuden an ... Aber dieses<br />
freudig erstaunende Hinsehen wandelt sich alsbald in stille Anbetung.<br />
Dahinein bricht sogleich die Sehnsucht nach dem Umfassenwollen, nach<br />
lieben<strong>der</strong> Umarmung, wie wir sie von <strong>der</strong> mittelalterlichen Brautmystik<br />
kennen. Gleichzeitig wird <strong>der</strong> Dichter inne, dass diese personale<br />
Vorstellung seinem Verlangen ganz unangemessen ist, dass sie das<br />
menschliche Vermögen sprengt. Deshalb:<br />
O dass mein Sinn ein Abgrund wär,<br />
und meine Seel ein weites Meer,<br />
dass ich dich möchte fassen!<br />
Schließlich lenkt er seine Gedanken auf die konkreten Möglichkeiten<br />
einer spirituellen Vergegenwärtigung des vor <strong>der</strong> Krippe Erlebten hin,<br />
wenn er hofft, dass er für und für in <strong>der</strong> Christusnähe leben, als<br />
Christophorus d.h. als ein Christusträger, existieren möge:<br />
Eins aber, hoff ich, wirst du mir,<br />
mein Heiland, nicht versagen:
34 Aus meines Herzens Grunde<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
dass ich dich möge für und für<br />
in, bei und an mir tragen.<br />
So lass mich doch dein Kripplein sein;<br />
komm, komm und lege dich hinein<br />
mit allen deinen Freuden!<br />
Und nicht nur mit seinen Freuden, son<strong>der</strong>n in gleich intensiver Weise<br />
mit seinen Leiden. Insofern korrespondiert das Weihnachtslied mit einer<br />
Strophe aus Paul Gerhardts Passionslied „Ein Lämmlein geht und trägt die<br />
Schuld“ (Joh. 1,29), in dem es analogerweise heißt:<br />
Mein Lebetage will ich dich<br />
aus meinem Sinn nicht lassen.<br />
Dich will ich stets gleichwie du mich<br />
mit Liebesarmen fassen.<br />
Du sollst sein meines Herzens Licht<br />
und wann mein Herz in Stücke bricht,<br />
sollst du mein Herze bleiben.<br />
Daran ist ein Gelöbnis geknüpft, das auch von an<strong>der</strong>en Mystikern -<br />
etwa Heinrich Seuse o<strong>der</strong> auch Gerhard Tersteegen - auf eine je<br />
eigentümliche Weise vollzogen worden ist, wenn es heißt:<br />
Ich will mich dir, mein höchster Ruhm,<br />
hiermit zu deinem Eigentum<br />
beständiglich verschreiben.<br />
Unter <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> Liedtexte Paul Gerhardts sind eine auffallend<br />
große Zahl <strong>der</strong> Passion Christi gewidmet. Der bekannteste ist zweifellos O<br />
Haupt voll Blut und Wunden, wenngleich die sinnende, anbetende<br />
Betrachtung des Blutes und des Leibes Christi dem heutigen Menschen<br />
Probleme bereiten dürfte, - und sei es, weil die millionenfache Leid- und<br />
Todeserfahrung unserer Tage an<strong>der</strong>er Bil<strong>der</strong> und Symbole bedarf, etwa<br />
solcher <strong>der</strong> Todesüberwindung, <strong>der</strong> Auferstehung und des Ewigen<br />
angesichts des Vergänglichen. Was den Dichter anlangt, so folgt er hier<br />
lateinischen Vorlagen. Man vermutete als Autor lange Zeit den<br />
Zisterzienser-Mystiker Bernhard von Clairvaux (1090-1153). Unbestritten<br />
aber ist, dass sich Gerhardt mit den Schriften Johann Arndts („Vier Bücher<br />
vom wahren Christentum“) vertraut machte, <strong>der</strong> seinerseits mit Inhalten<br />
<strong>der</strong> mittelalterlichen Mystiker und Mystikerinnen lebte. Bei diesem seinem<br />
lutherischen Kollegen konnte er den Hinweis finden, den er in seinem<br />
Liedschaffen beherzigt hat: Durch das Anschauen des gekreuzigten<br />
Christus wird das Gebet erwecket. Auch das Motiv <strong>der</strong> innerlich
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Aus meines Herzens Grunde<br />
35<br />
anschauenden Übung, das wir von Ignatius von Loyola („Exercitia<br />
Spiritualia“) her kennen, konnte <strong>der</strong> Dichter bei Arndt finden:<br />
Denn was ist's, dass du an das heilige Leiden deines Herrn gedenkest in<br />
einer erloschenen, blinden Liebe, bringst aber Christi Leiden nicht in die<br />
Übung ... So wirst du Christum nimmermehr recht sehen können, noch<br />
seine Wirkungen in dir empfinden.<br />
Um eine erfahrende Teilnahme ging es also, weil <strong>der</strong> Weg des mystisch<br />
verstandenen Christus mit dem Weg des Menschen aufs innigste<br />
korrespondiert:<br />
Dein Kampf ist unser Sieg,<br />
dein Tod ist unser Leben.<br />
Der Gerhardt-Biograph Christian Bunners deutet in die gleiche<br />
Richtung: „Aus dem meditativen Schauen lässt Gerhardt den Glaubenden<br />
ein wahres Bild seiner selbst gewinnen. Wirklicher Bewusstseinswandel<br />
hat ein Erschrecken über das eigene Ich zur Voraussetzung: Ich bins, ich<br />
sollte büßen... Doch wer sich dem Leiden Christi singend verbindet, dem<br />
vermittelt sich auch die Lebensgemeinschaft mit Christus“:<br />
Ich bin, mein Heil, verbunden<br />
all Augenblick und Stunden<br />
dir überhoch und sehr.<br />
Eine solche, „mein Lebetage“ andauernde Verbundenheit mit dem<br />
inneren Christus ist es also, und nicht etwa nur hie und da auftretende<br />
ekstatische Seelenaufschwünge, Visionen o<strong>der</strong> Auditionen, die die<br />
christliche Mystik ausmachen. Der konkrete Lebensvollzug im Alltag mit<br />
allem, was das Menschsein in seinen Höhen und Tiefen bestimmt, gehört<br />
immer dazu. Blickt man nach Halle und zu dem hallschen Pietismus, dann<br />
findet man auch dort vielfältige Beispiele einer nach innen gerichteten<br />
Frömmigkeit. August Hermann Francke (1663-1727), <strong>der</strong> vielseitig Tätige,<br />
hat als <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> dieser Richtung zu gelten. In seinem geistlichen Lied<br />
Gottlob, ein Schritt zur Ewigkeit / ist abermals vollendet bringt er Motive<br />
<strong>der</strong> Brautmystik zum erklingen. Besungen wird <strong>der</strong> ersehnte Bräutigam<br />
und die Vermählung mit ihm. Naturgemäß ergeht dieser Ruf angesichts <strong>der</strong><br />
Spannung, unter <strong>der</strong> <strong>der</strong> immer noch allhier lebende, auf dem Pilgerweg<br />
befindliche Mensch ausharren muss.<br />
Vom Feuer deiner Liebe glüht<br />
mein Herz, das sich entzündet,<br />
was in mir ist und mein Gemüt<br />
sich so mit dir verbindet,
36 Aus meines Herzens Grunde<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
dass du in mir und ich in dir<br />
und ich doch immer noch allhier<br />
will näher in dich dringen.<br />
Daran schließen sich Worte einer getrosten Zuversicht an:<br />
Ich bin vergnügt, dass mich nichts kann<br />
von deiner Liebe trennen<br />
und dass ich frei von je<strong>der</strong>mann<br />
dich darf den Bräut'gam nennen<br />
und du, o teurer Lebensfürst<br />
dich dort mit mir vermählen wirst<br />
und mir dein Erbe schenken<br />
Auch Christian Friedrich Richter (1676—1711) gehört in den<br />
Mitarbeiterkreis A. H. Franckes. Als Inspektor wirkte er im Pädagogium<br />
mit, als Arzt am Waisenhaus <strong>der</strong> Halleschen Anstalten war er mit <strong>der</strong><br />
Herstellung von Arzneien betraut. Dieses therapeutische Handeln schlug<br />
sich in einer Reihe seiner Lie<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>. Gleichzeitig war er sich bewusst,<br />
dass Jesus das verborgene Leben und die heimliche Verbindung mit dem<br />
Vater verkörpert. Sein Lied Es glänzet <strong>der</strong> Christen inwendiges Leben<br />
schließt mit dem Hinweis auf die verborgene Seite christlicher Existenz:<br />
O Jesu, verborgenes Leben <strong>der</strong> Seelen,<br />
du heimliche Zierde <strong>der</strong> inneren Welt,<br />
gib, dass wir die heimlichen Wege erwählen,<br />
wenngleich uns die Larve des Kreuzes verstellt.<br />
Hier übel genennet und wenig erkennet,<br />
hier heimlich mit Christo im Vater gelebet,<br />
dort öffentlich mit ihm im Himmel geschwebet.<br />
Das Motiv „mit Christus leben“ ist aus den Zeugnissen dieser Art nicht<br />
wegzudenken, zumal es für Protestanten vor allem durch die wie<strong>der</strong>holt<br />
erwähnte „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen vorgeprägt ist.<br />
Erinnert sei nur an den aus dem Egerland stammenden, zum Nürnberger<br />
Dichterkreis des Pegnesischen Blumenordens gehörende Sigismund von<br />
Birken (Betulius) (1626-1681). Sein Lied:<br />
Lasset uns mit Jesu ziehen,<br />
seinem Vorbild folgen nach<br />
beschreibt in den weiteren Strophen die einzelnen Stationen des<br />
Christuswegs, wenn er aufruft:<br />
Lasset uns mit Jesu leiden
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Aus meines Herzens Grunde<br />
37<br />
Lasset uns mit Jesu sterben,<br />
Lasset uns mit Jesus leben.<br />
Johann Scheffler (1624-1677), <strong>der</strong> als Angelus Silesius und Dichter des<br />
berühmten „Cherubinischen Wan<strong>der</strong>smann“ aus dem reichen Fundus<br />
mystischer Einsichten geschöpft hat, sich nach heftigen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen <strong>der</strong> römisch-katholischen Kirche zuwandte, erhielt<br />
gleichwohl einen festen Platz in evangelischen Gesangbüchern. Seine<br />
Antwort auf Sigismund von Birken lautet:<br />
So lasst uns nun dem lieben Herrn<br />
mit unserm Kreuz nachgehen<br />
und wohlgemut getrost und gern<br />
bei ihm im Leiden stehen.<br />
Wer nicht gekämpft, trägt auch die Kron<br />
des ewgen Lebens nicht davon.<br />
Und auch wenn eine Liedauswahl von Texten mit mystischen Motiven<br />
sehr knapp ausfällt, so darf einer nicht fehlen, nämlich <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>deutsche,<br />
dem reformierten Protestantismus wie <strong>der</strong> romanischen Mystik in<br />
gleicherweise verpflichtete Gerhard Tersteegen (1697-1769).<br />
Am Abend des Gründonnerstag anno 1724 hat er sich seinem „einigen<br />
Heiland und Bräutigam Christus Jesus zum völligen und ewigen<br />
Eigentum“ verschrieben, und zwar - heute kaum mehr verständlich - mit<br />
seinem eigenen Blut. Zweifellos lebte er im Bewusstsein <strong>der</strong> fortdauernden<br />
Gottesgegenwart, wie er sie im Lied bezeugt hat. Gott ist<br />
gegenwärtig!<br />
Lasset uns anbeten<br />
und in Ehrfurcht vor ihn treten.<br />
Gott ist in <strong>der</strong> Mitten.<br />
Alles in uns schweige<br />
und sich innigst vor ihm beuge.<br />
Wer ihn kennt,<br />
wer ihn nennt,<br />
schlagt die Augen nie<strong>der</strong>,<br />
kommt, ergebt euch wie<strong>der</strong>.<br />
Du durchdringest alles,<br />
lass dein schönstes Lichte<br />
Herr berühren mein Gesichte.<br />
Wie die zarten Blumen willig sich entfalten<br />
und <strong>der</strong> Sonne stille halten,
38 Aus meines Herzens Grunde<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
lass mich so<br />
still und froh<br />
deine Strahlen fassen<br />
und dich wirken lassen.<br />
Herr, komm in mir wohnen,<br />
lass mein'n Geist auf Erden<br />
dir ein Heiligtum noch werden.<br />
Komm, du nahes Wesen,<br />
dich in mir verkläre,<br />
dass ich dich stets lieb und ehre.<br />
Wo ich geh,<br />
sitz und steh,<br />
lass mich dich erblicken<br />
und vor dir mich bücken.<br />
(Quelle: Mystik im Protestantismus, Claudius-Verlag)<br />
„Gottvertrauen“<br />
Gemälde von Hans-Georg Leiendecker
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Gott und Vater<br />
39<br />
Gott und Vater<br />
„Ihr aber sollet nicht beten zu Gott, <strong>der</strong> da heilig, heilig, heilig ist, denn<br />
allein in des Vaters Liebe; denn Gott sind alle Menschen ein Gräuel, - nur<br />
dem Vater sind sie Kin<strong>der</strong>.<br />
Gottes Heiligkeit ist unantastbar; aber des Vaters Liebe steigt zu den<br />
Kin<strong>der</strong>n herab.<br />
Gottes Zorn richtet alle Dinge <strong>der</strong> ewigen Vernichtung zu; aber des<br />
Vaters Erbarmung lässt auch sogar jeglichen Traum nimmerdar zugrunde<br />
gehen.<br />
Von Gott aus muss alles sterben; aber dann kommt das Leben des<br />
Vaters über die Toten. Wer da sucht Gott, <strong>der</strong> wird Ihn verlieren, sich und<br />
sein Leben; denn Gott lässt Sich nicht anrühren. Und <strong>der</strong> Menschen<br />
Weisheit, die Ihn sucht, ist Ihm eine gräulich anekelnde Torheit und den<br />
Suchenden aber unvermeidlich tötend. Denn mit <strong>der</strong> Weisheit rührt er Gott<br />
an; diesen aber kann kein geschaffenes Wesen mit was immer für einem<br />
Sinne anrühren und behalten das Leben.<br />
Denn Gott ist ein ewiges, allerreinstes, aber auch allerunendlichst<br />
heftigstes Feuer, welches nimmerdar erlischt; und wo es <strong>der</strong> Vater nicht<br />
mil<strong>der</strong>n möchte, da würde es alsbald alles auf ewig zerstören. Daher soll<br />
je<strong>der</strong> Gott fürchten über alles und den Vater aber lieben über alles; denn<br />
<strong>der</strong> Vater ist das allerblankste Gegenteil von Gott.<br />
Und doch wäre Gott nicht Gott ohne den Vater, welcher ist die ewige<br />
Liebe in Gott; und <strong>der</strong> Vater aber wäre nicht Vater ohne Gott.<br />
Wie aber <strong>der</strong> Vater ist alles Leben in Gott, so auch ist Gott alle Kraft<br />
und Macht im Vater. Ohne den Vater wäre Gott Sich Selbst<br />
unaussprechlich; denn alles Wort in Ihm ist <strong>der</strong> Vater. Der Vater aber wäre<br />
nie Vater ohne Gott; und so sind Gott und <strong>der</strong> Vater eins!<br />
Wer also den Vater rührt mit <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong> rührt auch Gott. Wer aber<br />
des Vaters vergisst und mit seiner Weisheit nur die Gottheit rühren will,<br />
den wird <strong>der</strong> Vater nicht ansehen; <strong>der</strong> Gottheit Feuer aber wird ihn<br />
ergreifen und ihn zerreißen und vernichten ins Unendliche, dass er sich<br />
dann ewig nimmerdar finden wird. Und es wird dann auch nicht leicht<br />
mehr geschehen, dass ihn <strong>der</strong> Vater wie<strong>der</strong> aus aller Unendlichkeit<br />
zusammensuchen und sodann wie<strong>der</strong> von neuem bilden wird.<br />
Wo aber <strong>der</strong> Vater ist, da ist Gott auch. Aber allein <strong>der</strong> Vater offenbart<br />
Sich den Kin<strong>der</strong>n; Gott aber kann Sich niemandem offenbaren, außer<br />
allein durch den Vater, und da offenbart, wie jetzt, <strong>der</strong> Vater die Gottheit.<br />
Wer also Mich hört, sieht und liebt, <strong>der</strong> hört, sieht und liebt auch Gott.<br />
Wer aufgenommen wird vom Vater, <strong>der</strong> wird auch aufgenommen werden<br />
von Gott.
40 Gott und Vater<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Wenn jemand Unwürdigen <strong>der</strong> Vater nicht annehmen wird, <strong>der</strong> wird<br />
fallen in die Hände <strong>der</strong> richtenden und vernichtenden Gottheit allein, und<br />
da wird kein Erbarmen sein, noch irgendeine Liebe und Gnade!<br />
Daher fürchtet die Gottheit; denn es ist schrecklich, in Ihre Hände zu<br />
fallen!<br />
Aber den Vater liebet! Haltet fest an Seiner Liebe und lasset euch<br />
allzeit rühren und führen von <strong>der</strong> Liebe des Vaters, so werdet ihr den Tod<br />
nimmerdar schmecken ewig, außer die Trennung vom Leibe, <strong>der</strong> da ist ein<br />
Fluch <strong>der</strong> Gottheit, in welchem das Leben aus dem Vater vor dem Zorne<br />
<strong>der</strong> Gottheit geschützt wird durch die schirmende Liebe des Vaters.<br />
Aus <strong>der</strong> Hand Gottes empfängst du den Fluch, - aus <strong>der</strong> Hand des<br />
Vaters aber den Segen <strong>der</strong> Liebe und alles Lebens aus ihr. Daher halte dich<br />
ewig an die Liebe, so wirst du bestehen in <strong>der</strong> Liebe! Wo du dich aber<br />
hältst an die Weisheit, da wirst du vergehen und wirst zunichte verweht<br />
werden auf ewig vom Geiste <strong>der</strong> Gottheit!<br />
Dieses Gesagte sei euch eine große Sabbatmorgengabe vom Vater,<br />
dessen Kin<strong>der</strong> ihr seid, und <strong>der</strong> euch darum liebt mehr als alles in <strong>der</strong><br />
reichen Unendlichkeit! Bedenket es in eurem Herzen, und tuet danach, so<br />
werdet ihr leben und nie in <strong>der</strong> Gottheit Hände fallen!“<br />
(Haushaltung Gottes Bd. 1, Kap. 167,9-22)<br />
„O liebevollster, heiliger Vater, Dir danken wir, Dich lieben wir, Dich<br />
loben wir! Wie unaussprechlich gut bist Du, o heiliger Vater! Dir sei alle<br />
Ehre, alles Lob, aller Preis, aller Dank, alle Liebe, aller Ruhm und alle<br />
Anbetung!<br />
Entziehe uns, die wir uns Deine Kin<strong>der</strong> nennen, aber eigentlich nur<br />
lauter Sün<strong>der</strong> sind, Deine Erbarmung, Deine heilige Liebe und Deine<br />
heilige Gnade nicht! Segne uns, rühre uns und führe uns, schärfe unsere<br />
Sinne, und unsere harten Herzen erweiche, dass sie lieblich sein möchten<br />
wie Honig und Wachs, und erweitere unsere enge Brust, dass sie stets<br />
mehr und mehr aufnehmen könne <strong>der</strong> wahren Liebe aus Dir, o heiliger<br />
Vater!<br />
Gib uns auch den Segen, dass wir dadurch vermöchten, Dir allein<br />
wohlgefällig zu sein! Und so Du, heiliger Vater, in uns noch sehr viele und<br />
große Makel entdecken wirst und schon sicher jetzt entdeckst, wie Du sie<br />
schon entdeckt hast von Ewigkeit her, dann züchtige in Deiner Liebe,<br />
Erbarmung und Gnade uns und mache, dass wir Dich würdiger<br />
möchten ,Vater‘ heißen und Dich dann auch mit reinerem Herzen lieben<br />
und mit reinerer Zunge preisen! Amen.“ (HGt. Bd.1, 167,4-7)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Die Stille<br />
41<br />
Die Stille<br />
Die Wohnstätte des lebendigen Geistes<br />
Jack H. Holland<br />
In unserer Zeit, die so extrem materialistisch orientiert ist, finden viele<br />
Menschen es unbegreiflich, dass <strong>der</strong> Mensch ein „inneres Bewusstsein“<br />
hat (o<strong>der</strong> wie immer wir es nennen) und dass er sich kraft Geistes eine<br />
entscheiden<strong>der</strong>e, ja für ihn die einzig maßgebende Wirklichkeit erschafft,<br />
<strong>der</strong> gegenüber die Wirklichkeit <strong>der</strong> materiellen Erscheinungswelt, die wir<br />
aufgrund unserer Sinne „begreifen“ können, zurücktritt.<br />
Für die meisten Menschen existiert all das nicht, was nicht zumindest<br />
mit einem unserer Sinne wahrgenommen werden kann. Und doch wissen<br />
wir von Kräften und Energien, die wir den Phänomenen nach kennen, mit<br />
unseren Sinnen aber nicht wahrnehmen können!<br />
Albert Einstein hat schon 1930 festgestellt, dass unsere Sinne nur etwa<br />
ein Tausendstel von dem wahrnehmen können, was allein im<br />
elektromagnetischen Spektrum existent ist. Und denken wir noch an die<br />
Entdeckungen, die seit 1930 gemacht worden sind! Wir kennen uns<br />
bestens mit Geräten aus, <strong>der</strong>en Funktionieren auf physikalischen o<strong>der</strong><br />
chemischen Vorgängen beruht: Radio, Telefon, Fernsehen. Und wir<br />
kennen auch Röntgenstrahlen und Ultrakurzwellen. Hat jemand von ihnen<br />
je etwas wahrgenommen Im Matthäusevangelium (13,13) lesen wir: „Mit<br />
den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen; und mit<br />
sehenden Augen werdet ihr sehen und es nicht erkennen.“<br />
Alles Schöpferische ist eine Manifestation des Geistes. Je<strong>der</strong> Erfin<strong>der</strong>,<br />
je<strong>der</strong> Künstler, je<strong>der</strong> Wissenschaftler und je<strong>der</strong> Wirtschaftsmanager -<br />
überhaupt je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> je eine „neue“ Idee hatte - musste das Neue<br />
an <strong>der</strong> Sache o<strong>der</strong> Idee von irgendwoher beziehen; es existierte schon<br />
immer. Es ist buchstäblich wahr, dass es „nichts Neues unter <strong>der</strong> Sonne<br />
gibt“. Aber jedes kreative Werk wurde von einem Menschen geschaffen,<br />
<strong>der</strong> den Willen hatte, das Unsichtbare sichtbar zu machen, und <strong>der</strong> den<br />
Mut hatte, etwas zu tun o<strong>der</strong> zu denken, das kein Mensch vor ihm getan<br />
o<strong>der</strong> gedacht hatte. Kreative Menschen verstehen den Geist, <strong>der</strong> ihnen<br />
innewohnt, lebendig zu machen.<br />
Haben Sie je darüber nachgedacht, wie eine Erfindung zustande<br />
kommt, wie eine neue Technik entdeckt wird Haben Sie je einem<br />
Künstler bei seiner Arbeit zugeschaut Sind nicht alle Menschen, die je<br />
etwas Neues entdeckten, vom Bestehenden ausgegangen und haben dann<br />
im Bewusstsein, dass das Bestehende nicht etwas Endgültiges ist, ihre<br />
neue Idee entwickelt Was bedeutet eigentlich das Wort „entdecken“ Es
42 Die Stille<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
sagt doch buchstäblich aus, dass etwas Verdecktes hervorgeholt wird. Wer<br />
etwas entdeckt, <strong>der</strong> enthüllt etwas, macht etwas sichtbar, das natürlich<br />
immer schon da war, das aber verdeckt da war und deshalb die Illusion<br />
zuließ, dass „unter <strong>der</strong> Decke“ nichts existiert. War Amerika nicht da,<br />
bevor Kolumbus es entdeckte Waren die Mondgesteine nicht existent,<br />
bevor die Raumfahrzeuge sie zur Erde brachten<br />
Entdecken bedeutet tatsächlich, fast wie dem Wortsinn nach, „die<br />
Decke wegziehen“, so dass unsere Sinne gewahr werden, was unter <strong>der</strong><br />
Decke verborgen ist. Zöge nur jemand - es müsste ein zweiter Jesus sein -<br />
die Decke, die den Geist, die Gotteskraft, verbirgt, weg, damit auch die<br />
Menschen, die um jeden Preis <strong>der</strong> sinnlichen Wahrnehmung bedürfen,<br />
erkennen könnten, dass er vorhanden ist, <strong>der</strong> Geist Gottes, um uns, in uns,<br />
in allem, was ist und lebt! Und doch müsste es ein je<strong>der</strong> von uns wissen!<br />
Die Entdeckung des Geistes ist die größte Entdeckung, die <strong>der</strong> Mensch<br />
je gemacht hat; aber je<strong>der</strong> Mensch muss den ihm innewohnenden Geist für<br />
sich selbst zuerst entdecken und dann erwecken. Und dabei ist etwas<br />
Wun<strong>der</strong>bares: Je<strong>der</strong> Mensch kann und soll auch sein eigener Entdecker<br />
<strong>der</strong> Kraft seines Geistes sein - in <strong>der</strong> Stille. Die „Wohnstätte“ des Geistes<br />
ist die Stille. Alle Menschen, die, wie ihre Lebensgeschichte beweist, nach<br />
geistiger Erleuchtung strebten, die nach kreativen Ideen suchten, die sich<br />
für das Schöne und Gute begeisterten o<strong>der</strong> die Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur zu<br />
begreifen versuchten, haben - heute wie in alter Zeit - erkannt, wie wichtig<br />
die Stille ist.<br />
In <strong>der</strong> Stille findet <strong>der</strong> Mensch zu sich selbst, zu seinem geistigen<br />
Wesen. Im Stillesein - sei es aufgrund gezielter körperlicher Entspannung<br />
und bewusst geistig-seelischer Ruhigstellung o<strong>der</strong> sei es durch den Schlaf<br />
herbeigeführt - kann <strong>der</strong> Mensch seine kreative Kraft aktivieren. Natürlich<br />
wird diese in bewusst und willentlich vollzogenen Tätigkeiten zum<br />
Ausdruck gebracht, aber ihre Erweckung findet in <strong>der</strong> Stille statt. Darum<br />
haben so viele Erfin<strong>der</strong>, Künstler und Wissenschaftler die Kontemplation<br />
o<strong>der</strong> den Rückzug auf die wohltuende Ruhe <strong>der</strong> Natur als einen so<br />
wichtigen Faktor ihres Schaffens betrachtet und immer wie<strong>der</strong> die Stille<br />
gesucht.<br />
Charles Lindbergh hat in seinem Brief an die Leser des Magazins Life<br />
betont, dass <strong>der</strong> Mensch zur Natur zurückkehren und womöglich wie<strong>der</strong> in<br />
die „Wüste“ gehen müsse, um die alles sprengende Technologie in<br />
Einklang auch mit den geistigen Bedürfnissen des Menschen bringen zu<br />
können. Lindbergh war sich, wie fast alle Wissenschaftler und Forscher,<br />
<strong>der</strong> großen Bedeutung bewusst, die die Nähe zur Natur und das „Eintreten<br />
des Menschen in die Stille“ für uns alle hat.
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Die Stille<br />
43<br />
Alle Großen des Geistes, Philosophen wie Platon, Wissenschaftler wie<br />
Einstein o<strong>der</strong> Edison, Dramatiker wie Sophokles o<strong>der</strong> Shakespeare o<strong>der</strong><br />
erleuchtete religiöse Lehrer wie Jesus o<strong>der</strong> Buddha, haben betont, wie<br />
wichtig es ist, in die Stille zu gehen. Sie sprechen von den „Wun<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Stille“, von <strong>der</strong> „winzig kleinen, erhebenden Stimme“, die aus ihr spricht,<br />
von <strong>der</strong> „Schönheit“, die sie beherbergt, von den „großen Ideen“, die sie<br />
bereithält. Sie alle betonen die Notwendigkeit, aus dieser Quelle aller<br />
Energie Kreativität und geistige Kraft zu schöpfen.<br />
Stille sein ist ein Phänomen eigener Art. Es hat große Bedeutung für das<br />
körperliche und geistig-seelische Wohlbefinden des Menschen. Was<br />
bislang im Abendland weitgehend ignoriert wurde, gewann erst in den<br />
letzten Jahrzehnten an Bedeutung: Meditation und Gebet.<br />
In diesem Zusammenhang haben Wissenschaftler festgestellt, dass <strong>der</strong><br />
menschliche Körper, ein kompliziertes elektromagnetisches System, durch<br />
bestimmte Energien aktiviert werden kann. Im vollkommenen Stillesein -<br />
wenn Körper und Geist im Zustand <strong>der</strong> Ruhe sind - wird die „Batterie“ des<br />
elektromagnetischen Systems im Menschen aufgeladen. Das ist häufig<br />
demonstriert worden, und bekannte Wissenschaftler haben darüber<br />
berichtet. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Beweise, dass die<br />
Versenkung in die Stille sowohl vom physiologischen als auch vom<br />
psychologischen Standpunkt aus von großer Bedeutung ist.<br />
Das Bedürfnis, die körperliche Gesundheit zu verbessern, ist jedoch<br />
nicht <strong>der</strong> entscheidende Grund, in die Stille zu gehen. Ausschlaggebend ist:<br />
In <strong>der</strong> Stille ist die Wohnstätte des Geistes. Im Stillesein finden wir zur<br />
Kraft des uns innewohnenden Geistes und den Zugang zum unendlichen<br />
Geist, zu Gott. In <strong>der</strong> Stille entdecken wir das Göttliche unseres Wesens.<br />
Das menschliche Sein beruht auf <strong>der</strong> „Trinität“ aus Körper, Verstand<br />
und Geist (Geist-Seele). Nicht die eine, nicht zwei, son<strong>der</strong>n alle drei<br />
Komponenten seines Wesens muss <strong>der</strong> Mensch entwickeln, und zwar<br />
gleichzeitig und gleichmäßig. Nur so kann er sich im Gleichgewicht<br />
befinden und <strong>der</strong> Segnungen und Wohltaten des Lebens sowohl in<br />
materieller als auch in geistiger Hinsicht teilhaftig werden. Nur so werden<br />
ihm Freude, Glück und Frieden zuteil.<br />
Was uns die übliche, einseitig auf Verstandesschulung und<br />
Körperertüchtigung angelegte Erziehung weitgehend vorenthält, die<br />
Entwicklung unseres Geistes, das müssen wir selbst für uns tun - und in <strong>der</strong><br />
Stille können wir es tun. In <strong>der</strong> Stille finden wir, was wir suchen. Wir<br />
werden des lebendigen Geistes in uns gewahr und seiner Gaben teilhaftig:<br />
Intuition, Kreativität, Gotteserkenntnis, Selbsterkenntnis, Selbstverwirklichung.
44 Die Stille<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
In allen großen Weltreligionen wird auf die Notwendigkeit hingewiesen,<br />
durch Meditation und Gebet die Stille zu suchen. Im<br />
Matthäusevangelium (6, 6) finden sich die Worte JESU: „Wenn aber du<br />
betest, so geh in deine Kammer, schließ die Tür zu und bete zu deinem<br />
Vater, <strong>der</strong> im Verborgenen ist.“ Die Kammer, von <strong>der</strong> Jesus spricht, ist die<br />
innere Stille; dass wir die Tür zuschließen sollen, heißt, dass wir vom<br />
Alltag unseres materiellen Lebens abschalten sollen; das „Verborgene“ ist<br />
<strong>der</strong> uns innewohnende Geist. Indem wir durch Meditation und Gebet die<br />
Stille aufsuchen, erkennen wir, dass Gott „über allen und durch alle und in<br />
allen ist“. Paulus sagt im Zweiten Brief an die Korinther (4, 18): „... uns,<br />
die wir nicht auf das Sichtbare sehen, son<strong>der</strong>n auf das Unsichtbare. Denn<br />
was sichtbar ist, das ist vergänglich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“<br />
In <strong>der</strong> Stille wird uns das Unsichtbare, das Ewige, offenbar. Wir werden<br />
uns bewusst, dass <strong>der</strong> unendliche Geist - Gott - allgegenwärtig ist: um<br />
uns, aber auch in uns. Wir können daher zu je<strong>der</strong> Zeit und unter je<strong>der</strong><br />
Bedingung mit ihm Verbindung aufnehmen, einfach indem wir in die Stille<br />
gehen.<br />
Wir brauchen allerdings einen überzeugenden Beweggrund, eine<br />
Motivation, ein Ziel, wenn wir uns auf die Suche machen, die<br />
Vollkommenheit, die Schönheit und den Frieden zu entdecken, die in <strong>der</strong><br />
Stille, in unserem Inneren, verborgen sind. Der menschliche Verstand ist<br />
nicht fähig, sich Wissen anzueignen, wenn er nicht auf ein Ziel gerichtet<br />
ist. Das haben die pädagogische Psychologie und an<strong>der</strong>e Wissenschaftszweige<br />
nachgewiesen. „Alle Wohltaten des Geistes und des Herzens<br />
entgleiten dem Zugriff eines unentschlossenen Willens“, hat William<br />
Shakespeare gesagt.<br />
Ich befinde mich in Übereinstimmung mit den geistigen Führern aller<br />
großen Weltreligionen, wenn ich meine, dass das Ziel jeglichen Betens und<br />
Meditierens, <strong>der</strong> wesentliche Grund für die Versenkung in die Stille, darin<br />
liegt, ein Mittel zur bewussten Kommunikation zwischen dem Menschen<br />
und Gott als dem Inbegriff allen Geistes zu finden.<br />
Ist es nicht das, was <strong>der</strong> Begriff „Kommunion“ eigentlich ausdrückt -<br />
die Kommunikation zwischen dem Menschen und Gott Durch Meditation<br />
und Gebet in <strong>der</strong> Stille vollzieht sich die Kommunion, nicht durch ein<br />
beson<strong>der</strong>es Ritual.<br />
In unserem Inneren finden wir zu unserem eigentlichen Wesen, das<br />
geistiger Natur ist. Der materielle Körper verlässt uns, wenn wir aus dem<br />
Leben scheiden. Alles Wissen, das sich unser Verstand angeeignet hat,<br />
vergeht mit dem Leben. Doch <strong>der</strong> Geist, das Ewige unserer Teilhabe am<br />
unendlichen Geist, vergeht nicht. Und es ist <strong>der</strong>selbe Geist, den wir in <strong>der</strong>
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Die Stille<br />
45<br />
Stille finden.<br />
Jesus hat gesagt, dass das „Reich Gottes“ in uns ist - dieses stirbt nicht.<br />
Die Seele ist ewig! Sollten wir uns nicht mehr <strong>der</strong> Komponente unseres<br />
Seins zuwenden, die ewig ist, <strong>der</strong> die Erkenntnis des wahren Wesens<br />
Gottes, des Universums und des Menschen verliehen ist<br />
Wenn ein Organ unseres Körpers nicht richtig funktioniert, versuchen<br />
wir, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen. Wenn wir uns auf<br />
irgendeinem Wissensgebiet, das für uns von Nutzen ist, nicht richtig<br />
auskennen, setzen wir unseren Verstand ein, um die Lücke zu schließen.<br />
Warum ignorieren wir unsere Seele, unseren unsterblichen Geist Warum<br />
wollen wir nicht in uns gehen und aus <strong>der</strong> Stille Kraft schöpfen, wenn<br />
wir nie<strong>der</strong>geschlagen sind, wenn wir einsam o<strong>der</strong> unglücklich sind In<br />
<strong>der</strong> Stille können wir Trost und Stärke finden, bei dem unendlichen<br />
Geist, <strong>der</strong> unser wahres Wesen ist.<br />
Alle großen Weltreligionen verkündigen dem Menschen, dass die<br />
Lösungen unserer Ängste, Probleme und Nöte, Einsamkeit, Unglücklichsein,<br />
Verzweiflung, Unterdrücktsein und soviel an<strong>der</strong>es mehr - in <strong>der</strong> Stille,<br />
im Stillesein gefunden werden können. Der Prophet JESAJA verheißt uns<br />
(30,15): „Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen;<br />
durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.“ Und <strong>der</strong> Prophet<br />
Sacharja for<strong>der</strong>t uns auf (2, 17): „Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn;<br />
denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!“ Paulus sagt in<br />
seinem Brief an die Römer (S, 14): „Denn die <strong>der</strong> Geist Gottes treibt, die<br />
sind Gottes Kin<strong>der</strong>.“ Und im Brief an die Philipper (4,5-7) schreibt er:<br />
„Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, son<strong>der</strong>n in allen Dingen lasst<br />
eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kommen! Und<br />
<strong>der</strong> Friede Gottes, <strong>der</strong> höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und<br />
Gedanken bewahren in Christus Jesus.“<br />
Im Schrifttum aller großen Religionen wird darauf hingewiesen, dass<br />
Friede, Heiterkeit des Herzens, Verständnis und Liebe den Menschen zuteil<br />
werden, die durch Meditation und Gebet in die Stille gehen.<br />
In <strong>der</strong> Stille gelangen wir über die Möglichkeiten metaphysischer o<strong>der</strong><br />
theologischer Erkenntnis hinaus. Wir finden in ihr das wahre Bewusstsein.<br />
Ich meine nicht das Bewusstsein, wie es die Psychologie o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Wissenschaft definiert; ich spreche eher von dem, was Emerson als<br />
„Weltseele“ o<strong>der</strong> was C.G. Jung als das „kollektive Unbewusste“<br />
bezeichnet haben. Es ist dem <strong>der</strong> Metaphysik, <strong>der</strong> philosophischen Lehre<br />
von den letzten Gründen und Zusammenhängen des Seins, überlegen, weil<br />
es individuellen Bezug hat: wir sind unser eigener Lehrer und zugleich<br />
Schüler. Dieses Bewusstsein - man könnte es auch kosmisches Bewusstsein
46 Die Stille<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
nennen - kann nur vom einzelnen Menschen erfahren werden, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Stille, in <strong>der</strong> Wohnstätte seines Geistes, nach ihm sucht.<br />
Kosmisches Bewusstsein - <strong>der</strong> unendliche Geist -, das ist es, wonach<br />
wir suchen sollen. Durch ihn kehren wir zu unserem Schöpfer zurück,<br />
durch ihn erlangen wir wahre Erkenntnis.<br />
Wie in allen wesentlichen Belangen ist zur Entwicklung unserer<br />
Fähigkeit, das kosmische Bewusstsein in uns zu finden, das Wichtigste<br />
Liebe. Wenn wir uns selbst nicht lieben, können wir keine Antworten in<br />
uns finden. Wir müssen uns selbst lieben lernen, so wie wir lernen müssen,<br />
alle an<strong>der</strong>en Geschöpfe Gottes zu lieben.<br />
Gott wirkt durch die Kraft <strong>der</strong> Liebe. Je mehr wir von <strong>der</strong> Liebe<br />
durchdrungen sind, um so näher kommen wir Gott. Je näher wir Gott<br />
kommen durch bewusste Liebe zu allem, was ist und lebt, desto leichter ist<br />
es für uns, <strong>der</strong> Segnungen und <strong>der</strong> Weisheit teilhaftig zu werden, die in <strong>der</strong><br />
Stille verborgen sind. Jesus hat uns gelehrt, dass das höchste Gebot die<br />
Liebe zu Gott ist. Wenn wir Gott in Wahrheit lieben, dann lieben wir alles,<br />
was Gott geschaffen hat: unsere Mitmenschen, uns selbst, die ganze<br />
Schöpfung, denn Gott „ist über allen und durch alle und in allen“.<br />
Je<strong>der</strong> Tag hat 1.440 Minuten; sicher können Sie zehn Minuten (1/144)<br />
erübrigen, um sich <strong>der</strong> Vergegenwärtigung <strong>der</strong> Kraft Ihres Geistes zu<br />
widmen. Überlegen Sie doch einmal, wie viele Minuten Sie täglich für die<br />
Pflege Ihres Körpers und für die Aktivitäten Ihres Verstandes verwenden!<br />
Allzu lange hat sich <strong>der</strong> Mensch in fast allen Stunden seines Wachseins<br />
nur dem Körper und dem Verstand gewidmet. Kein Wun<strong>der</strong>, dass <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>ne Mensch so unglücklich und hilflos ist: er entbehrt <strong>der</strong> Zuflucht<br />
bei dem ihm zur Verfügung stehenden unendlichen Geist. Ist es nicht<br />
geradezu absurd, die Kraft unseres Geistes zu vernachlässigen, wenn sie<br />
doch so leicht aktiviert werden kann Wer von uns hat die besagten zehn<br />
Minuten Zeit nicht<br />
Viele Menschen, die sich über die Notwendigkeit, in die Stille zu<br />
gehen, klar geworden sind, können sich nicht entscheiden, welche <strong>der</strong><br />
vielen angebotenen „Techniken“ sie benutzen sollen. Manche sind von<br />
dem Angebot so verwirrt, dass sie lieber gar nichts tun. Es ist nun aber<br />
einmal so, dass je<strong>der</strong> Mensch die für ihn geeignete Technik o<strong>der</strong> Methode<br />
selbst entdecken muss. Die Tür zur Stille, <strong>der</strong> Wohnstätte des Geistes, wird<br />
dem geöffnet, <strong>der</strong> in Aufrichtigkeit und Geduld, mit starkem Glauben und<br />
echter Motivation anklopft. Doch je<strong>der</strong> Mensch muss selbst anklopfen, das<br />
kann ihm niemand abnehmen.<br />
Der Zugang zu den Mysterien <strong>der</strong> Stille ist jedem von uns gegeben. Es<br />
gibt nicht nur eine Methode, nicht nur einen Weg. In den Sprüchen
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Die Stille<br />
47<br />
Salomons (16, 9) heißt es: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg;<br />
aber <strong>der</strong> Herr allein lenkt seinen Schritt.“<br />
Alle Wege zu Gott haben eines gemeinsam: sie führen in die Stille, in<br />
die Wohnstätte des Geistes. Das Mittel zur Vereinigung mit dem uns<br />
innewohnenden unendlichen Geist aber ist Gebet und Meditation. Wie<br />
das Mittel angewendet wird, welche Technik für Gebet und Meditation<br />
benutzt wird, ist <strong>der</strong> Wahl des einzelnen überlassen. Je<strong>der</strong> muss seinen<br />
Weg selbst finden. Man sollte nicht versuchen, eine spezielle Technik<br />
anzuwenden, nur weil sie ein an<strong>der</strong>er als hilfreich für sich empfunden hat.<br />
Unterweisungen in Meditation und Gebet können hilfreich sein, aber<br />
sie können auch Schaden anrichten, weil nicht jedem Menschen <strong>der</strong><br />
gleiche Weg offen ist.<br />
Vielmehr muss je<strong>der</strong> Mensch selbst seinen Weg suchen, muss je<strong>der</strong><br />
selbst an die Tür klopfen. „Denn wer bittet, <strong>der</strong> empfängt; und wer sucht,<br />
<strong>der</strong> findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan“ (Matthäus 7,8). Doch für<br />
alle Menschen gilt, dass sie ein Ziel, dass sie den Glauben, die Liebe und<br />
Geduld haben müssen.<br />
Die „kostbare Perle“, von <strong>der</strong> die Bibel spricht, ist die Stille. In ihr kann<br />
unser Geist zum Leben erweckt werden; in ihr finden wir den Zugang zu<br />
Gott, dem unendlichen vollkommenen Geist; in ihr finden wir Frieden und<br />
Heiterkeit, Weisheit und Liebe. Wenn ein Mensch seinen Weg in die Stille<br />
gefunden hat, dann vermag er alle Probleme zu überwinden. Dann erfährt<br />
er, dass <strong>der</strong> unendliche Geist in ihm selbst ist und ihm wirkliche Freiheit<br />
und wahres Glück, dass er ihm Freude, Liebe und Weisheit schenkt.<br />
(Quelle: Liebe, die Urquelle Ihrer Kraft, Ariston)<br />
„O du unaussprechliche Liebe, du unendliche Barmherzigkeit des<br />
Vaters, <strong>der</strong> da ist allzeit heilig, überheilig, – wie soll dir denn das Herz<br />
danken, wie dich loben und preisen, mit welchen Worten <strong>der</strong> ganzen<br />
Erde würdig verkündigen solche endlose Milde von dir an uns arme<br />
Menschen, die wir uns unwürdigstermaßen deine Kin<strong>der</strong> nennen!<br />
Daher stille, stille, alles werde stille um mich her, damit auch ich vor <strong>der</strong><br />
zu großen Heiligkeit des Vaters verstummen kann!<br />
Denn was sollte da ein bestaubter Schlammwurm sprechen,<br />
worüber die ganze Unendlichkeit das erhabenst ehrfurchtsvollste<br />
Stillschweigen beachtet! Also stille, stille, mein Herz und meine Zunge;<br />
denn alles um mich her ist nun stille geworden.<br />
Stille in Gott, stille; denn – <strong>der</strong> Vater ist in <strong>der</strong> Nähe!“<br />
(Haushaltung Gottes Bd. 2, Kap. 37,24-28)
48 Der zerstörte Bambus<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Der zerstörte Bambus<br />
Es war einmal ein wun<strong>der</strong>schöner Garten, <strong>der</strong> lag mitten in einem<br />
großen Königreich. Dort pflegte <strong>der</strong> Herr des Gartens in <strong>der</strong> Hitze des<br />
Tages spazieren zu gehen. Ein edler Bambusbaum war ihm <strong>der</strong> schönste<br />
und liebste von allen Bäumen, Pflanzen und Gewächsen im Garten. Jahr<br />
für Jahr wuchs <strong>der</strong> Bambus und wurde immer anmutiger. Er wusste wohl,<br />
dass <strong>der</strong> Herr ihn liebte und seine Freude an ihm hatte.<br />
Eines Tages näherte sich <strong>der</strong> Herr nachdenklich seinem geliebten<br />
Baum, und in einem Gefühl großer Verehrung neigte <strong>der</strong> Bambus seinen<br />
mächtigen Kopf zur Erde. Der Herr sprach zu ihm: «Lieber Bambus, ich<br />
brauche dich.» Es schien, als sei <strong>der</strong> Tag aller Tage gekommen, <strong>der</strong> Tag,<br />
für den <strong>der</strong> Baum geschaffen worden war. Der Bambus antwortete leise:<br />
«Herr, ich bin bereit, gebrauche mich, wie du willst!» «Bambus», die<br />
Stimme des Herrn wurde ernst, «um dich zu gebrauchen, muss ich dich<br />
beschneiden.» «Mich beschneiden Mich, den du zum schönsten in deinem<br />
Garten gemacht hast! Nein, das nicht, bitte nicht. Verwende mich doch zu<br />
deiner Freude, Herr, aber bitte beschneide mich nicht!»<br />
«Mein geliebter Bambus», die Stimme des Herrn wurde noch ernster,<br />
«wenn ich dich nicht beschneide, kann ich dich nicht gebrauchen!» Im<br />
Garten wurde es ganz still. Der Wind hielt den Atem an. Langsam beugte<br />
<strong>der</strong> Bambus seinen herrlichen Kopf. Dann flüsterte er: «Herr, wenn du<br />
mich nicht gebrauchen kannst, ohne mich zu beschneiden, dann tu mit mir,<br />
wie du willst, und beschneide mich!»<br />
«Mein geliebter Bambus, ich muss dir aber auch deine Blätter und Äste<br />
abschneiden.» «Ach, Herr, davor bewahre mich! Zerstöre meine<br />
Schönheit, aber lass mir doch bitte Blätter und Äste!» «Wenn ich sie dir<br />
nicht abhaue, kann ich dich nicht gebrauchen.» Die Sonne versteckte ihr<br />
Gesicht. Ein Schmetterling flog ängstlich davon. Und <strong>der</strong> Bambus, zitternd<br />
vor dem, was auf ihn zukam, sagte ganz leise: «Herr, schlage sie ab.»<br />
«Mein Bambus, ich muss dir noch mehr antun. Ich muss dich mitten<br />
durchschneiden und dein Herz herausnehmen. Wenn ich das nicht tue,<br />
kann ich dich nicht gebrauchen.» Da neigte sich <strong>der</strong> Bambus bis zur Erde.<br />
«Herr, schneide und teile!»<br />
So beschnitt <strong>der</strong> Herr des Gartens den Bambus, hieb seine Äste ab,<br />
streifte seine Blätter ab, teilte ihn in zwei Teile und schnitt sein Herz<br />
heraus. Dann trug er ihn dahin, wo aus einer Quelle frisches, sprudelndes<br />
Wasser sprang, mitten in die trockenen Fel<strong>der</strong>. Dort legte <strong>der</strong> Herr<br />
vorsichtig seinen geliebten Bambus auf den Boden. Das eine Ende des<br />
abgeschlagenen Stammes verband er mit <strong>der</strong> Quelle, das an<strong>der</strong>e Ende
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Der Herr als prüfende Braut<br />
49<br />
führte er zur Wasserrinne im Feld. Die Quelle sang ein Willkommen, und<br />
das klare, glitzernde Wasser schoss freudig durch den zerschlagenen<br />
Körper des Bambus in den Kanal und floss auf die dürren Fel<strong>der</strong>, die so<br />
darauf gewartet hatten. Dann wurde <strong>der</strong> Reis gepflanzt. Die Tage<br />
vergingen, und die Saat wuchs und die Erntezeit kam.<br />
So wurde <strong>der</strong> einst so herrliche Bambus zum großen Segen. Als er noch<br />
groß und schön war, wuchs er nur für sich selbst und freute sich an seiner<br />
eigenen Schönheit. Aber als er sich hingegeben hatte, wurde er zum Kanal,<br />
den <strong>der</strong> Herr gebrauchte, um sein Land fruchtbar zu machen.<br />
(G. Dell Britt, Chinamissionarin)<br />
Der Herr als prüfende Braut<br />
„Suchet, so sollt ihr finden, bittet, so wird man euch geben, und klopfet<br />
an, so wird euch aufgetan!“ – O<strong>der</strong>: „Betet ohne Unterlass“ – d.h. habet<br />
eure Herzen beständig bei Mir, und das vollkommen, nicht aber stets zur<br />
Hälfte auch bei <strong>der</strong> Welt, so werdet ihr gar bald und leicht finden, was ihr<br />
suchet, ebenso leicht und bald empfangen, um was ihr bittet, und die<br />
Pforten des Lebens werden euch ohne weiteren Verzug aufgetan werden.<br />
So aber jemand also beschaffen ist, dass er nur suchet in <strong>der</strong> „Mauer“,<br />
die da angestopft ist voll von heidnischen Schnitz- und Pinselwerken, und<br />
bittet vor Statuen und betet vor dem gebackenen Brote und klopfet an die<br />
Steine, wahrlich, <strong>der</strong> wird wenig finden, noch weniger empfangen, und die<br />
Steine werden sich nicht an sein Klopfen kehren!<br />
So aber da jemand sagen möchte: „Herr, ich habe schon eine geraume<br />
Zeit gesucht, gebeten und geklopft, und es hat sich dennoch nichts<br />
Eigentliches finden lassen, noch habe ich etwas Bestimmtes erhalten, noch<br />
hat sich vor mir etwas aufgetan!“ – dem sage Ich: Freund, was sprichst<br />
du! – Höre und siehe, Ich will dir gute Bil<strong>der</strong> zeigen, und diese sollen<br />
Mich rechtfertigen bei dir, auf dass du dich nicht grämest über Meinen<br />
Verzug!<br />
Siehe, es hatte ein Bräutigam eine reiche und überaus schöne Braut. Die<br />
Braut aber war überaus klug und sprach bei sich selbst: „Ich weiß, was ich<br />
tun will, damit es sich zeige, ob mein Bräutigam es völlig ernstlich mit mir<br />
meine. Ich werde verreisen und er soll nicht erfahren wohin. So ich aber<br />
verreise, da will ich es also anstellen, dass ich es nur tue zum Scheine und<br />
verbleibe in Wirklichkeit dennoch in <strong>der</strong> Nähe des Bräutigams, damit mir<br />
nichts entgehe und ich es genau merke, wie sein Herz beschaffen ist.“<br />
Da aber die Braut verreist, da sagt <strong>der</strong> Bräutigam bei sich: „Siehe,<br />
meine Braut ist verreist und hat mir die Treue meines Herzens heilig
50 Der Herr als prüfende Braut<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
anempfohlen und hat mich auch versichert, sie werde in aller Kürze<br />
wie<strong>der</strong>kommen. Allein statt ihr Wort zu halten, schreibt sie nur einen Brief<br />
um den an<strong>der</strong>n, ermahnt mich stets zur Treue und will selbst doch nicht<br />
kommen. Was soll das Sie vertröstet mich immer und sagt: „Ich komme,<br />
ich komme morgen“ – und siehe, sie kommt nicht! – Was kann sie wohl<br />
haben, darum sie also stets verzieht“<br />
Die nahe Braut aber, verkleidet als ein Diener beim Bräutigam, spricht<br />
zum Bräutigam: „Mein Herr, erlaube dem Diener ein Wort mit dir zu<br />
sprechen, denn ich weiß es genau, was deine Braut verziehen macht. Siehe,<br />
deine Braut, welche dir näher steht als du es ahnst, erfährt stets und stets,<br />
dass du auch mit einer Hure reizenden Fleisches eine Sache hast und teilest<br />
dein Herz zwischen <strong>der</strong> Braut und <strong>der</strong> Hure. Und solches ist <strong>der</strong> Grund,<br />
warum deine Braut verreist ist und nun also verzieht. Lasse ab von <strong>der</strong><br />
Hure, und deine Braut wird nimmer verziehen!“<br />
Sehet das Bild und betrachtet es genau in euch, und ihr werdet es<br />
überleicht erraten, dass hier ihr die Bräutigame und Ich die Braut bin. Die<br />
Hure aber ist die Welt!<br />
Ich sage euch aber: Die Braut ist verkleidet unter euch und beobachtet<br />
alle eure Schritte und Tritte des Herzens und spricht nun auch zu euch<br />
allen: „Lasset völlig ab von <strong>der</strong> Hure, und die Braut wird nicht mehr<br />
verziehen für jene, die sich völlig zu ihr gekehret haben!“<br />
Also suchet, bittet und klopfet, so wird euch die Braut werden! –<br />
Suchet, bittet und klopfet „aber im Geiste und in <strong>der</strong> Wahrheit, und nicht<br />
in <strong>der</strong> Mauer und im Schnitz- und Bil<strong>der</strong>werke und im gebackenen Brote“,<br />
son<strong>der</strong>n, wie gesagt, im Geiste und in <strong>der</strong> Wahrheit in eurem Herzen, so<br />
werdet ihr es finden, erhalten, und die Braut wird auftun die Türe zu ihrem<br />
Gemache! (Himmelsgaben. Bd.2 S. 154)<br />
„Ich freue mich im Herrn,<br />
und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott;<br />
denn er hat mich angezogen mit Klei<strong>der</strong>n des Heils<br />
und mit dem Rock <strong>der</strong> Gerechtigkeit gekleidet,<br />
wie einen Bräutigam, mit priesterlichem Schmuck geziert,<br />
und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.“<br />
(Jes. 61,10)
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Warum musste Gott Mensch werden<br />
51<br />
Warum musste Gott Mensch werden<br />
Ein König hatte einen Minister, einen sehr gebildeten Mann, <strong>der</strong> Christ<br />
wurde und seinen Glauben vor dem ganzen Volk bekannte.<br />
Er erklärte, dass er an den Heiland glaube, <strong>der</strong> in diese Welt gekommen<br />
sei, um sie zu erlösen von Schuld und Tod. Dem König war das<br />
unverständlich. „Denn“, sagte er, „wenn ich will, dass etwas geschehen<br />
soll, dann gebiete ich meinen Dienern, und das genügt. Warum sollte <strong>der</strong><br />
König aller Könige selbst in diese Welt kommen“<br />
Der König wollte den Minister wegen seiner Bekehrung zum<br />
Christusglauben entlassen. Da er ihn aber sehr liebte, versprach er ihm<br />
Gnade, wenn er eine Antwort auf diese Frage wüsste.<br />
„Gewährt mir 24 Stunden, Majestät, und ich will Euch antworten.“<br />
Er ließ einen geschickten Schnitzkünstler holen und trug ihm auf, eine<br />
Puppe anzufertigen und sie genau so zu kleiden wie das zweijährige Kind<br />
des Königs.<br />
Am folgenden Tag machte <strong>der</strong> König im Boot eine Spazierfahrt. Der<br />
Schnitzkünstler war angewiesen, sich am Ufer des Flusses aufzuhalten und<br />
auf ein vereinbartes Zeichen die Puppe ins Wasser zu werfen. Der König<br />
sah die Puppe ins Wasser fallen und in <strong>der</strong> Meinung, es sei sein Kind,<br />
sprang er ins Wasser.<br />
Der Minister fragte ihn anschließend, warum er selbst sein Kind habe<br />
retten wollen, wenn doch ein Wort an seine Diener genügt hätte.<br />
„Es ist das Herz des Vaters, das so handeln musste!“ erwi<strong>der</strong>te <strong>der</strong><br />
König.<br />
Und <strong>der</strong> Minister antwortete: „So hat sich auch Gott nicht damit<br />
zufrieden gegeben, den Menschen nur eine Heilsbotschaft zu senden,<br />
son<strong>der</strong>n seine unendliche Liebe ließ ihn selbst vom Himmel herabsteigen,<br />
um uns zu retten...“<br />
(Sundar Singh)<br />
Brief von einem Freund<br />
Lieber Freund!<br />
"Wie geht es Dir Ich habe Dir diesen Brief geschickt, um Dir zu<br />
sagen, wie wichtig Du mir bist.<br />
Ich habe Dich gestern gesehen, als Du mit Deinen Freunden gesprochen<br />
hast. Ich habe den ganzen Tag gewartet und gehofft, Du würdest auch mit<br />
mir sprechen. Ich gab Dir einen Sonnenuntergang, um Deinen Tag zu<br />
beenden, ich schickte Dir eine kühle Brise, um Dich zu erfrischen - und ich
52 Wo bleibt Gott<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
wartete. Aber Du bist nicht gekommen. Das hat mich verletzt - aber<br />
trotzdem liebe ich Dich weiter, weil Du mein Freund bist.<br />
Als ich Dich in <strong>der</strong> letzten Nacht sah, bekam ich Sehnsucht, Deine Stirn<br />
zu berühren und goss Mondlicht über Dein Gesicht. Wie<strong>der</strong> wartete ich,<br />
um mit Dir reden zu können. Aber nachdem Du erwacht warst, eiltest Du<br />
sofort zur Arbeit. Meine Tränen haben sich mit dem Regen vermischt.<br />
Wenn Du mich nur anhören würdest. Ich liebe Dich! Ich versuche, Dir<br />
das durch den blauen Himmel heute zu sagen und durch das grüne Gras.<br />
Ich flüstere es in den Blättern <strong>der</strong> Bäume und atme es in den Farben <strong>der</strong><br />
Blumen, ich rufe es in den reißenden Flüssen im Gebirge, und ich lasse<br />
Vögel Lie<strong>der</strong> meiner Liebe singen. Ich bedecke Dich mit warmem<br />
Sonnenschein und erfülle die Luft mit dem wun<strong>der</strong>baren Duft <strong>der</strong> Natur.<br />
Meine Liebe zu Dir ist tiefer als <strong>der</strong> Ozean und größer als die größte<br />
Hoffnung in Deinem Herzen.<br />
Frag mich! Sprich mit mir! Bitte, vergiss mich nicht. Ich möchte so<br />
vieles mit Dir teilen.<br />
Ich will Dich nicht weiter bedrängen. Es ist einzig und allein Deine<br />
Entscheidung. Ich habe mich für Dich entschieden und werde warten -<br />
weil ich Dich liebe. Dein Freund Jesus.<br />
Wo bleibt Gott<br />
„Es war ein Mann, den die vielen traurigen Ereignisse auf dieser Welt<br />
glauben machten, Gott kümmere Sich nicht viel um die Menschen und<br />
sehe ganz ruhig zu, wie die Schwachen von den Mächtigen unterdrückt<br />
und die Armen von den Reichen übervorteilt würden.<br />
Da sandte Gott zu diesem Manne, <strong>der</strong> ein tugendhaftes Leben führte,<br />
einen Engel. Dieser sprach zu ihm: „Du sollst die unbegreiflichen Wege<br />
Gottes kennen lernen, folge mir!“<br />
Da führte <strong>der</strong> Engel den Mann in einen Palast zu einem sehr reichen<br />
Herrn. Diesem schenkte <strong>der</strong> Engel eine große Geldsumme und viele<br />
Edelsteine. – Während dieser Beschenkung meldete sich ein Dürftiger<br />
beim Reichen. Diesen Armen tötete <strong>der</strong> Engel. – Darauf führte dieser den<br />
Mann in ein Dorf zu einer fast morschen Hütte, wo eine zahlreiche,<br />
überaus arme Familie wohnte. Diese Hütte steckte <strong>der</strong> Engel in Brand, und<br />
die armen Bewohner retteten nichts als ihr Leben.<br />
Als <strong>der</strong> Mann all dieses sah, sprach er zum Engel: „Du bist kein Bote<br />
Gottes, son<strong>der</strong>n ein Bote des Teufels! Du häufst Ungerechtigkeit über<br />
Ungerechtigkeit!“
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Kanal 23<br />
53<br />
Der Engel sprach: „Höre, und du sollst bald an<strong>der</strong>s urteilen! – Siehe,<br />
<strong>der</strong> Reiche, den ich beschenkte, war stolz und geizig. Als ich aber seinen<br />
Reichtum so bedeutend erhöhte, fing er an zu prassen und verschwendete<br />
alles, dass er endlich ein Bettler wurde und anfing, sich zu demütigen. –<br />
Der Bettler, den ich tötete, war auf gutem Wege, er hätte aber noch am<br />
selben Tage eine große Erbschaft gemacht, dadurch wäre er hochmütig<br />
geworden, hätte ausschweifend gelebt und wäre von Gott gänzlich<br />
abgefallen. – Die arme Familie, <strong>der</strong>en Hütte ich in Brand steckte, wurde<br />
zuvor im Dorfe fast gar nicht berücksichtigt. Das Brandunglück aber<br />
erregte nahe und ferne großes Mitleid, und die arme Familie wurde von<br />
allen Seiten reichlich beschenkt.“ (Himmelsgaben. Bd.2 S. 158)<br />
Kanal 23<br />
Der Fernseher ist mein Hirte. Mir wird viel mangeln.<br />
Er lagert mich auf dem Sofa. Er verführt mich, nichts für den Namen<br />
des Herrn zu tun, weil er meine Zeit verschlingt.<br />
Er hält mich davon ab, dem Herrn zu folgen, weil er so viele Shows<br />
und Filme präsentiert, die ich sehen muss.<br />
Er unterweist mich in den Dingen <strong>der</strong> Welt, und bewahrt mich davor,<br />
Gottes Wort zu studieren. Er erquickt meine Seele mit Ausreden, damit ich<br />
nicht zur Bibelstunde muss.<br />
Er leitet mich in den Pfaden des Versagens, damit ich nichts tue um<br />
seines Namens willen.<br />
Auch wenn ich hun<strong>der</strong>t Jahre alt werde, werde ich immer noch den<br />
Programmen folgen. Ich fürchte nichts Übles, denn mein Fernseher ist bei<br />
mir und lenkt mich ab.<br />
Seine Töne und Bil<strong>der</strong>, sie trösten mich.<br />
Er bereitet vor mir Unterhaltung angesichts meiner Familie, und hält<br />
mich davon ab, mich mit ihr zu beschäftigen.<br />
Er hat mein Haupt mit Ideen gefüllt, die von Gottes Wort abweichen.<br />
Mein Mund fließt davon über.<br />
Fürwahr, Güte und Huld werden mich verlassen alle Tage meines<br />
Lebens. Ich werde die beiden nicht erleben o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en bringen, denn ich<br />
habe keine Zeit dafür, den Willen des Herrn zu tun.<br />
So werde ich wohnen in geistlicher Armut alle Tage meines Lebens.
54 Andritz-Quelle<br />
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
Jakob-<strong>Lorber</strong>-Begegnungsstätte<br />
Ursprungblick 5a, A-8046 Graz-Stattegg<br />
Steiermark / Österreich<br />
Tel./Fax: 0043 / 316 - 691353 (von D)<br />
Tel./Fax: 0316 - 691353 (von A)<br />
Fernab vom Lärm <strong>der</strong> Welt, liegt<br />
<strong>der</strong> besinnliche Quellteich <strong>der</strong><br />
Andritz, umgeben von Felsen und<br />
alten Bäumen malerisch versteckt<br />
in einer kleinen Talbucht am Fuße<br />
des Schöckelgebirges. Eine hohe<br />
Mauer, welche im Grün <strong>der</strong> Bäume<br />
und Sträucher fast verschwindet,<br />
beschützt diesen ruhigen und<br />
beschaulichen Ort vor fremden<br />
Blicken. Hier, in dieser Oase <strong>der</strong> Stille und Ruhe, findet die nach inneren<br />
Frieden suchende Menschenseele einen Ort <strong>der</strong> Kraft zum Auftanken.<br />
Um den Quellteich führt ein Fußweg und Bänke laden zum Verweilen<br />
und Meditieren ein, um das innere Wesen dieses von <strong>der</strong> Natur so reich<br />
gesegneten Ortes zu erfahren.<br />
Das Gästehaus <strong>der</strong> Andritz-Quelle wurde 1905 erbaut und 2004<br />
mo<strong>der</strong>nisiert. Es steht als Seminar- und Begegnungsstätte allen nach<br />
Stille und Ruhe suchenden Menschen offen. Es bietet drei<br />
Doppelzimmer mit Dusche/WC, ein Doppelzimmer mit Etagendusche/<br />
WC, zwei Einzelzimmer mit Etagendusche/WC, einen Gästeraum und<br />
eine Gästeküche.<br />
Das Gästehaus ist von April bis Januar geöffnet.<br />
Anmeldungen und Anfragen an die:<br />
<strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Anita Strattner<br />
Pfarrhofstr. 7<br />
D-83132 Pittenhart<br />
Tel. / Fax : 08624-4114<br />
E-mail: <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong>@web.de
<strong>GL</strong> 2/<strong>2008</strong> Jahrestagung <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />
55<br />
vom 11. bis 16. Mai <strong>2008</strong><br />
im Hohenwart Forum<br />
Schönbornstraße 25, 75181 Pforzheim-Hohenwart<br />
Telefon: 07234/606-0, Telefax: 07234/606-46<br />
In <strong>der</strong> geografischen Mitte zwischen Stuttgart und Karlsruhe liegt das<br />
Hohenwart Forum, ein mo<strong>der</strong>nes Tagungs- und Bildungszentrum <strong>der</strong><br />
Evangelischen Kirche in Pforzheim.<br />
Mit seiner preisgekrönten Architektur bietet es den Gästen eine Fülle<br />
von Raum in einer offenen und lichten Wiesenlandschaft.<br />
Die Anlage fügt sich aus mehreren achteckigen Häusern zusammen, die<br />
in sich zentriert und miteinan<strong>der</strong> verbunden eine Einheit bilden. Raum<br />
für Bildung und Begegnung, Arbeits- und Gesprächsgruppen.<br />
Das Forum bietet 40 Doppel- und 54 Einzelzimmer mit Dusche/WC und<br />
Telefon.<br />
Die Anmeldung und Abrechnung <strong>der</strong> Tagungsteilnehmer erfolgt direkt<br />
beim ‚Hohenwart Forum‘.<br />
Anmeldeformular und Kostenübersicht befinden sich auf <strong>der</strong> nächsten<br />
Seite, (und im Internet unter www.lorber-gesellschaft.de) bitte<br />
ausschneiden o<strong>der</strong> kopieren, ausfüllen und direkt an das Hohenwart-<br />
Forum einsenden o<strong>der</strong> faxen.<br />
Eine weitere günstige Unterbringungsmöglichkeit in Ferienhäusern mit<br />
je 3 Doppelzimmern bietet ca. 3 Kilometer vom Forum entfernt <strong>der</strong><br />
Ferienpark Schwarzwald, Birgit u. Gebhard Mühltaler<br />
75242 Neuhausen-Schellbronn, Tel.: 07234/1408
Anmeldebogen zur<br />
Tagung <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
vom 11.5. - 16.5. <strong>2008</strong> im Hohenwart Forum<br />
Tagungsbeginn:<br />
Tagungsende:<br />
Sonntag, den 11. Mai <strong>2008</strong> (zum Abendessen)<br />
Freitag, den 16. Mai <strong>2008</strong> (nach dem Frühstück)<br />
Hiermit melde(n) ich mich / wir uns verbindlich zur obigen Veranstaltung an.<br />
Anreise am: ….....…... Zum Mittagessen bzw. Abendessen<br />
Abreise am: ….....…….nach dem Frühstück Mittagessen Abendessen<br />
1. Vorname, Name: .............................................................................................<br />
Straße, Nr., PLZ, Ort: ........................................................................................<br />
Telefon-Nr. ......................................................................................................<br />
2. Vorname, Name: .............................................................................................<br />
Straße, Nr., PLZ, Ort: ........................................................................................<br />
3. Kin<strong>der</strong>, Name, Alter: ......................................................................<br />
Ich bin bereit, mit einer/m an<strong>der</strong>en Teilnehmer/in ein Zimmer zu teilen.<br />
Ich bin Tagesgast ohne Übernachtung am: So Mo Di Mi Do Fr<br />
und nehme am Mittagessen (14,- €), am Abendessen (11,- €) teil.<br />
Ich / wir wünsche(n): Normalkost vegetarische Kost<br />
310,- € pro Person<br />
für die gesamte Tagung,<br />
inkl. Übernachtung und Vollpension<br />
Kin<strong>der</strong> von 4-14 Jahren erhalten eine Ermäßigung von 50 %.<br />
Zusätzlich wird eine Tagungsgebühr von 25,- € / Pers. erhoben.<br />
Bitte überweisen Sie nur diese vor <strong>der</strong> Tagung mit beiliegenden<br />
Überweisungsträgern in <strong>der</strong> Heftmitte unter dem Stichwort: „Tagungsgebühr“.<br />
Die Tagungsgebühr für Tagesgäste erbitten wir vor Ort in Form einer Spende.<br />
Um möglichst vielen Geistesfreunden die Teilnahme an <strong>der</strong> Tagung zu ermöglichen,<br />
sollen die Doppelzimmer möglichst mit zwei Personen belegt werden. Wir bitten<br />
dies bei <strong>der</strong> Anmeldung zu berücksichtigen und eine zweite Person direkt zu benennen.<br />
Datum / Unterschrift: .....................................................................................................................<br />
Anmeldebogen bitte direkt an das Hohenwart Forum senden bzw. faxen:<br />
Schönbornstraße 25, D-75181 Pforzheim-Hohenwart, Tel.: 07234-606-0, Fax: 07234-606-46
„Christus heute“<br />
Eine Erlebnisreise in Bild & Ton<br />
von Hans Georg Leiendecker<br />
am Pfingstmontag, den 12. Mai <strong>2008</strong>, 19.30 h<br />
auf <strong>der</strong> Tagung <strong>der</strong> <strong>Lorber</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />
im Hohenwart-Forum in Pforzheim-Hohenwart<br />
Das Wirken Christi in unserer Zeit ist das zentrale Thema dieser Erlebnisreise in Bild<br />
und Ton, zusammengestellt und vorgetragen vom Künstler Hans Georg Leiendecker.<br />
Das universelle und liebevolle Wirken des Gottessohnes wird anhand verschiedener<br />
Originale des Malers H. G. Leiendecker anschaulich aufgezeigt. Die Bil<strong>der</strong> stellen die<br />
Botschaft <strong>der</strong> Nächstenliebe und <strong>der</strong> Liebe zu Gott dar. Christi segensreiches Wirken<br />
für alle Menschen, unabhängig von <strong>der</strong> Religionszugehörigkeit, und die Essenz seiner<br />
Lehre machen deutlich, wo die Aufgabe <strong>der</strong> Menschen heute ist: nämlich alles in Liebe<br />
umzuwandeln.<br />
Leiendeckers Gemälde zeigen in den Farben unserer Zeit das geistige Wirken Christi<br />
und verbinden so traditionelle Themen mit spirituellen Erkenntnissen des neuen<br />
Jahrtausends.<br />
In seinem Vortrag berichtet <strong>der</strong> Künstler von seinen Erlebnissen mit Christus und den<br />
tief greifenden Verän<strong>der</strong>ungen, die dadurch in seinem Leben eingetreten sind. Dabei<br />
geht es nicht um althergebrachte Sichtweisen o<strong>der</strong> Dogmen, son<strong>der</strong>n um Christus als<br />
den Tröster, den Menschenfreund und Helfer, <strong>der</strong> den Menschen auch heute noch<br />
genauso nahe ist wie vor 2000 Jahren. Er zeigt einen Jesus <strong>der</strong> bedingungslosen Liebe<br />
zu allen Lebewesen.<br />
Die anschließende Lichtbild-Erlebnisreise ist Höhepunkt und Ausklang des Abends.<br />
Harmonisch aufeinan<strong>der</strong> abgestimmte Dias <strong>der</strong> Gemälde Leiendeckers, die in weichen<br />
Blenden ineinan<strong>der</strong> übergehen sowie ausdrucksstarke Musik machen das Ganze zu<br />
einem spirituellen Kunsterlebnis <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Art.<br />
Dauer: ca.. 90 Min.<br />
Weitere Infos im Internet unter: http://leiendecker.com
Besinnliche Texte zur Meditation<br />
„Niemand aber kann Gott lieben in seinem finstern<br />
Fleische, so er seinen Bru<strong>der</strong> hasset; denn wie möglich<br />
könnte jemand Gott lieben, den er nicht sieht, so er<br />
seinen Bru<strong>der</strong> nicht liebt, den er sieht!<br />
Es ist aber bei weitem nicht genug, zu sagen: ,Ich liebe<br />
meine Nächsten und bin ihnen sehr freundlich!‘<br />
Die wahre und vor Gott allein gültige Liebe muss in Werken<br />
bestehen, wenn die Nächsten <strong>der</strong>selben bedürfen, geistig o<strong>der</strong><br />
leiblich. Diese Liebe ist <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>bare Schlüssel zum Lichte aus<br />
Gott im eigenen Herzen.“<br />
(Gr.Ev.Joh. Bd.3, Kap. 207,13) Jakob <strong>Lorber</strong> (1800-1864)<br />
<br />
„Halte dich fest an Gott. Mach's wie <strong>der</strong> Vogel, <strong>der</strong> doch<br />
nicht aufhört zu singen, auch wenn <strong>der</strong> Ast bricht. Denn<br />
er weiß, dass er Flügel hat!“<br />
Johannes Don Bosco (1815-1888)<br />
<br />
„Ich habe die ganze Welt auf <strong>der</strong> Suche nach Gott<br />
durchwan<strong>der</strong>t und ihn nirgendwo gefunden. Als ich<br />
wie<strong>der</strong> nach Hause kam, sah ich ihn an <strong>der</strong> Türe meines<br />
Herzens stehen und er sprach: ‚Hier warte ich auf Dich<br />
seit Ewigkeiten.‘ Da bin ich mit ihm ins Haus gegangen.“<br />
<br />
„Es gibt ein Argument, das man allen Spitzfindigkeiten<br />
<strong>der</strong> Glaubenslosen entgegenhalten kann: Noch niemand<br />
hat je auf dem Sterbebett bereut, ein Christ zu sein!“<br />
<br />
Thomas Morus (1478-1535)<br />
Rumi (1207-1273)<br />
„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche<br />
besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man<br />
in einer Garage steht.“ Albert Schweitzer (1875-1965)