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Tagungsdokumentation - SVSP

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5. Zürcher Geriatrieforum Waid, 19. Mai 2005, Les extrêmes se touchent:<br />

Das Gesundheitswesen und die Fragilität am Lebensbeginn und Lebensende<br />

Dieser chronisch kranke, hochbetagte Patient schaffte dies jedoch nicht: Die Wundheilung<br />

verlief schleppend, der operative Eingriff zehrte an seinen eh schon sehr begrenzten<br />

Reserven.<br />

Die geriatrische Abklärung ergab als Befund wesentliche (zunächst versteckte) rehabilitationshemmende<br />

Faktoren wie eine ausgeprägte Ernährungsstörung (der Patient mochte<br />

nicht essen) und eine mittelschwere Depression.<br />

Der Patient war zudem äusserst ambivalent in Bezug auf seine Zukunftsvorstellungen:<br />

Einerseits äusserte er den Wunsch, am liebsten sterben zu wollen, wenn sein massiver<br />

Pflegebedarf sich nicht reduzieren liesse („nichts Schlimmeres als abhängig zu sein“),<br />

andererseits wünschte er am liebsten wieder zu seiner Frau nach Hause zu gehen.<br />

Zusammen mit dem Patienten wurde im Sinne eines „shared decision making“ ein<br />

Behandlungsprozess in die Wege geleitet, welcher die Grundlagen einer potentiell erfolgreichen<br />

Rehabilitation verbesserte: Optimierung der Ernährungssituation durch Einlage<br />

einer Ernährungssonde und medikamentöse Behandlung der Depression. Die Wundversorgung<br />

am Fuss wurde optimiert durch Anlegen von permanentem, leichtem Unterdruck<br />

(„Vac-Verbände“).<br />

Mit dieser High-Tech-Prozedur wurden dem Patienten die Chancen einer erfolgreichen<br />

Rehabilitation eröffnet, ohne eine Lebensverlängerung mit allen Mitteln zu erzwingen. In<br />

wöchentlichen Meetings wurde mit ihm und seinen Angehörigen der aktuelle Zustand<br />

ermittelt und die weitere Prozedur geplant. Das Ziel des Patienten bezog sich immer auf<br />

seinen funktionellen Zustand – und nicht auf sein Überleben.<br />

Solche Behandlungsprozesse sind einerseits sehr zeit- und kommunikationsintensiv und<br />

setzen ein gut vernetztes, interdisziplinäres Betreuungsteam voraus. Für Akutkliniken mit<br />

dem auf ihnen lastenden Druck bezüglich der Aufenthaltsdauern und der hochspezialisierten<br />

Abklärungs- und Behandlungsangebote sind solche speziellen Behandlungsprozesse,<br />

welche auch psychosoziale und rehabilitative Massnahmen integrieren, eine<br />

grosse Herausforderung. „Behandlung erfolgreich abgeschlossen, Patient weiterhin pflegebedürftig“<br />

– hier sind integrierte Ansätze notwendig.<br />

Diese Integration führt nicht a priori zu einer teureren Medizin – im Gegenteil, sie verhindert<br />

in fragmentierten, hochspezialisierten Gesundheitssystemen Über- und Fehlversorgung.<br />

Zum Schluss<br />

Alte und insbesondere chronisch kranke Menschen messen ihrer funktionellen Gesundheit<br />

überragende Bedeutung zu. Nichts ist für gesunde Menschen so bedrohlich wie die<br />

Vorstellung, langzeitig pflegebedürftig zu sein. Allerdings ist der Mensch auch ein sehr<br />

adaptationsfähiges Wesen: Viele Menschen lernen mit Behinderung und Pflegebedarf<br />

umzugehen und erhalten sich trotzdem eine subjektiv gute Lebensqualität. Mit chronisch<br />

kranken, alten Menschen diesen Weg zu wiedergewonnerer Selbständigkeit zu suchen<br />

und zu gehen – das ist die Hauptaufgabe der Akutgeriatrie – im Netz und Verbund mit<br />

Spitexorganisationen, Hausärztinnen und Hausärzten, Alters- und Pflegeheimen und<br />

informellen Hilfenetzen (Angehörige, Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfegruppen u.a.).<br />

Geriatrische Institutionen ersetzen nicht Akutspitäler – aber sie sind eine notwendige<br />

Ergänzung, um die gesundheitlichen Bedürfnisse alter, chronisch kranker Menschen zu<br />

erfüllen. Und dies ist gerade heute im Hinblick auf die Demografie wie auch auf die<br />

raschen Umwälzungen im Akutspitalsystem nötiger denn je.<br />

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