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Symbole - Katechetisches Amt

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20<br />

INFORMATION<br />

Das Schulkreuz<br />

Religiöses Symbol im öffentlichen Raum<br />

DDr. Erwin Konjecic<br />

<strong>Katechetisches</strong> <strong>Amt</strong><br />

Am 3. November 2009 erging durch<br />

den Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte (EGMR) das<br />

Urteil im Fall „Lautsi gegen Italien“<br />

und sorgte international für großes<br />

Aufsehen.<br />

Eine italienische Staatsbürgerin hatte<br />

beim EGMR nach Ausschöpfung<br />

des innerstaatlichen Instanzenzuges<br />

gegen Italien eine Beschwerde eingebracht,<br />

in der sie behauptete, das<br />

von Gesetzes wegen verordnete<br />

Anbringen von Kruzifixen in Klassenräumen,<br />

in denen auch ihre<br />

Tochter unterrichtet wurde, verstoße<br />

gegen ihr elterliches Erziehungsrecht,<br />

ihr Kind nichtreligiös zu erziehen<br />

(Art 2 Prot 1 iVm Art 9 der Europ.<br />

Menschenrechtskonvention-EMRK).<br />

Der Straßburger Gerichtshof gab<br />

ihr Recht und stellte fest, dass die<br />

Präsenz des Kruzifixes in Klassenräumen<br />

öffentlicher Schulen den<br />

Schülerinnen und Schüler den<br />

Eindruck vermittelt, sie würden in<br />

einer von einer bestimmten Religion<br />

geprägten schulischen Umgebung<br />

unterrichtet werden. Dieser Umstand<br />

könne Schülerinnen und Schüler<br />

anderer Religionszugehörigkeit oder<br />

atheistischer Weltanschauung irritieren<br />

und greife in deren Recht auf<br />

„Freiheit von Religion“ (sog. negative<br />

Religionsfreiheit), das ebenfalls durch<br />

Art. 9 der EMRK geschützt sei, ein.<br />

Italien hat gegen dieses Urteil, das<br />

von den sieben Richtern einstimmig<br />

gefällt wurde, berufen. Obwohl es<br />

demnach noch nicht rechtskräftig ist<br />

und in Österreich nicht unmittelbar<br />

umgesetzt werden kann, hat es auch<br />

in Österreich größere Resonanz<br />

hervorgerufen. Atheistische Vereinigungen<br />

haben umgehend angekündigt,<br />

Klagen gegen das Aufhängen<br />

von Kreuzen in Schulen und<br />

Kindergärten aktiv zu unterstützen.<br />

Inzwischen wurde schon die erste<br />

Beschwerde eines Vaters, eines<br />

„bekennenden“ Atheisten, gegen das<br />

niederösterr. Kindergartengesetz<br />

eingebracht, das die Anbringung von<br />

Kreuzen in Kindergärten vorsieht,<br />

wenn die Mehrzahl der Kinder einem<br />

christlichen Religionsbekenntnis angehört.<br />

Er sehe durch die Anbringung<br />

von Kruzifixen und die religiösen<br />

Feiern im Kindergarten das Recht,<br />

ohne religiöses Bekenntnis aufzuwachsen,<br />

gestört. Für den Bereich der<br />

Schule ist im Zuge dieser Diskussion<br />

der § 2b Absatz 1 des Religionsunterrichtsgesetzes<br />

in den Blickpunkt<br />

geraten. Darin heißt es sinngemäß,<br />

dass in allen Schulen, in denen<br />

der RU Pflichtgegenstand ist und in<br />

denen die Mehrzahl der Schülerinnen<br />

und Schüler einem christlichen<br />

Religionsbekenntnis angehört, ein<br />

Schulkreuz anzubringen ist.<br />

Welche Relevanz hat nun das EGMR-<br />

Urteil „Lautsi gegen Italien“ für die<br />

österreichische Rechtslage, wenn<br />

es durch den EGMR bestätigt und<br />

rechtskräftig würde?<br />

In Österreich ist die EMRK Teil des<br />

Verfassungsrechts. Das bedeutet, dass<br />

einfache Gesetze nicht im Widerspruch<br />

zur EMRK stehen dürfen<br />

und sich der Einzelne vor dem<br />

österreichischen Verfassungsgerichtshof<br />

direkt auf die Bestimmungen<br />

der EMRK berufen kann. Der<br />

österreichische Verfassungsgerichtshof<br />

ist daher indirekt an die<br />

Rechtsprechung des EGMR zur Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention<br />

gebunden, da dessen Entscheidung<br />

(Erkenntnis) in einem weiteren<br />

Rechtsgang der Überprüfung des<br />

Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte<br />

in Straßburg unterliegt.<br />

Wenn daher gegen die Schulkreuz-<br />

Bestimmung des Religionsunterrichtsgesetzes<br />

Beschwerde erhoben<br />

würde, müsste - bereits durch den<br />

österr. Verfassungsgerichtshof oder<br />

später durch den EGMR - die<br />

österreichische Rechtslage nach den<br />

Straßburger Maßstäben beurteilt<br />

werden. Eine dann wahrscheinliche<br />

Verurteilung Österreichs würde für<br />

den österreichischen Gesetzgeber bedeuten,<br />

dass das Religionsunterrichtsgesetz<br />

so verändert werden<br />

müsste, dass es wieder EMRK- und<br />

daher verfassungskonform ist.<br />

In Deutschland führte bereits im<br />

Jahre 1995 eine ähnlich gelagerte<br />

Problematik zum sogenannten<br />

„Kruzifix-Urteil“ des deutschen Bundesverfassungsgerichts.<br />

Gegenstand<br />

der rechtlichen Erwägungen war<br />

die Bestimmung der bayrischen<br />

Volksschulordnung, nach der in<br />

öffentlichen Volksschulen in Bayern<br />

in allen Klassenzimmern ein Kreuz<br />

anzubringen ist. Diese Bestimmung<br />

wurde vom Bundesverfassungsgericht<br />

als grundgesetzwidrig aufgehoben<br />

und führte zu einer gesetzlich<br />

verankerten Widerspruchsmöglichkeit<br />

gegen das Kreuz bei begründetem<br />

Einwand, wobei aber auch<br />

das Interesse der entgegengesetzten<br />

Rechtsposition in Form eines<br />

„schonenden“ Ausgleichs zu berücksichtigen<br />

ist („praktische Konkordanz“).<br />

Das Anbringen von<br />

religiösen <strong>Symbole</strong>n in öffentlichen<br />

Schulen wurde daher nicht per se als<br />

grundrechtswidrig qualifiziert.<br />

Das Urteil des EGMR wurde zu<br />

Recht von den Kirchen als einseitig<br />

bezeichnet. Im Urteil „Lautsi gegen<br />

Italien“ wird das Recht auf religionsfreie<br />

Erziehung des Einzelnen derart<br />

privilegiert, dass es letztendlich zu<br />

einem Verhinderungsrecht religiöser<br />

<strong>Symbole</strong> wird, das dann alle betrifft.<br />

Das Recht auf Religionsfreiheit wird<br />

gegen die Religion und seine <strong>Symbole</strong><br />

verwendet.<br />

Der Schutzgedanke der EMRK wird<br />

im Urteil deutlich überzogen, zumal<br />

davon ausgegangen werden kann,<br />

dass auch für Anhänger atheistischer<br />

oder agnostischer Weltanschauungen<br />

der Anblick eines Kreuzes eine eher<br />

geringe mentale oder physische<br />

Schädigungsgefahr bedeutet.<br />

Im Ergebnis keine Berücksichtigung<br />

findet im Urteil die kulturgeschichtliche<br />

Prägung der konkreten<br />

Gesellschaft und des konkreten<br />

Landes. Das Anbringen des bedeutungsreichen<br />

Kreuzsymbols wird<br />

nur aufgrund seines religiösen<br />

Aspekts zum menschenrechtswi-<br />

g Mitteilungen 1 - 2010

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