Ausg. 18 - apr
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UNTERNEHMEN · MÄRKTE · PRODUKTE<br />
Stradivaris unter den Papieren:<br />
Emeric Thibierge und Jérôme Comar schaffen<br />
Qualitäten für repräsentative und kreative Zwecke<br />
Von Jürgen Briem<br />
Emeric Thibierge beim <strong>apr</strong>-Gespräch in den Büros der Fa.<br />
T&C, die er zusammen mit Jérôme Comar begründet hat.<br />
Die ehemaligen Mitarbeiter von Arjo-Wiggins<br />
Appleton haben die Papierwelt um einen<br />
neuen Beruf bereichert: „créateurs de papiers“.<br />
Die <strong>apr</strong> ließ sich darin in Paris von<br />
Emeric Thibierge einführen.<br />
Mineralis, Canevas, Cromàtico,-ca – schon<br />
die Namen verweisen auf Besonderes, sind<br />
ihrerseits schon Ausdruck einer schöpferischen<br />
Potenz, die in der nüchternen Welt der<br />
industriell gefertigten Papiere derzeit vielleicht<br />
weltweit einzigartig ist. Damit sie sich<br />
voll und unbelastet von Rentabilitätskalkülen<br />
entfalten konnte, waren größtmögliche Unabhängigkeit<br />
und völlige kreative Freiheit die<br />
„conditio sine qua non“, - und, was Thibierge<br />
angeht, eine gewisse „Urerfahrung mit dem<br />
rastlosen schöpferisch-innovativen Geist der<br />
Japaner“. Nur zwei Jahre hat er den vor Ort<br />
in sich aufnehmen können, als Verkäufer französischer<br />
Edelweine. „Alles ist dort machbar,<br />
jede innovative Idee umsetzbar; egal, in welchem<br />
Bereich; und was für ein seltener Respekt<br />
für Papier! Geschenkpapier zum Beispiel<br />
wird nicht einfach zusammengeknüllt<br />
und weggeworfen wie bei uns, sondern gefaltet<br />
und aufbewahrt, um später etwa als Material<br />
für Dekorationen verwendet zu werden.“<br />
Emeric Thibierge und Jérôme Comar haben<br />
ihre Namen zum gemeinsamen Firmenlogo<br />
verbunden: T&C. Das junge Unternehmen<br />
mit momentan zehn Mitarbeitern wurde<br />
erst vor knapp sechs Jahren gegründet. Es<br />
residiert in einer hellen, lichtdurchfluteten<br />
Büroetage eines typischen Pariser Hinterhofhauses<br />
in der Rue de Tocqueville im 17.Arrondissement.<br />
Der letzte Jahresumsatz lag<br />
schon bei ca. 6 Mio. DM, was einem Zuwachs<br />
von 50 % entspricht.<br />
Interessant ist die Vorgeschichte.Vor sieben<br />
oder acht Jahren kam den beiden AWA-Managern<br />
die Idee für ihren jetzigen Beruf. Thibierge,<br />
heute 37, war bei „Arjo“ Marketingchef<br />
für Designerqualitäten, der zwei Jahre jüngere<br />
Comar zuständig für Feinpapiere. Im Rahmen<br />
einer kritischen Bestandsaufnahme des<br />
Marktes für sogenannte Kreativpapiere mit<br />
speziellen Farb-, Motiv- oder anderen originellen<br />
Effekt-Texturen hätten damals alle Beteiligten<br />
das vorhandene Angebot eigentlich<br />
für hinreichend breit und vielfältig befunden,<br />
erinnert sich Emeric Thibierge. Die eigene<br />
kreative Neugier hat ihn dann aber einmal in<br />
ein altes Pariser Viertel gelenkt, in dem mit<br />
Stoffen und feinen Tuchen gehandelt wird.<br />
Und dort seien ihm einfach die Augen übergegangen<br />
vor lauter Auswahl: „Nehmen Sie nur<br />
die Farbe Schwarz! Bei Kreativpapieren gibt<br />
es da nicht mal eine Handvoll, bei den Stoffen<br />
aber gleich über fünfzig, – voll-schwarz, etwas<br />
heller, warme, kalte Töne, einfach alles!“<br />
Warum nicht bei Papier?, habe er sich gefragt<br />
und die Antwort bald darauf gefunden: Im Textilbereich<br />
gibt es spezielle Designer; die besten<br />
sind sehr bekannt, werden hochbezahlt und<br />
arbeiten auf eigene Rechnung; für jeden neuen<br />
Entwurf gehen sie anschließend auf die<br />
Suche nach einer Fabrik, die über die nötigen<br />
Anlagen verfügt und die spezifischen Techniken<br />
für die Umsetzung der Idee beherrscht.<br />
Das kann eine in Frankreich oder auch im<br />
Ausland sein. Sie fertigt die Stoffe als Zulieferer;<br />
vermarktet werden sie danach weltweit<br />
von den Designern selbst.<br />
„Das könnten wir eigentlich genauso machen“,<br />
sagten sich Thibierge und Comar:<br />
Kreativpapiere entwerfen für Werbedrucke,<br />
Broschüren, Jahresberichte, Kataloge, Mailings,<br />
Glückwunschkarten, – kurz, alles, was<br />
eine repräsentative Dimension hat; danach<br />
sehen, mit welcher Herstellungstechnik das<br />
vorgestellte Ziel zu erreichen wäre, das spezielle<br />
Material, die Textur, der besondere Stil,<br />
das Motiv, das Dessin, der Berühreffekt; her-<br />
Emeric Thibierge (links) und Jérôme Comar.<br />
umschauen, wer bzw. welche Papiermaschine<br />
das machen kann, und das Endprodukt<br />
schließlich weltweit selbst „verlegen“ oder<br />
über Verträge mit dem Papierhandel. Schon<br />
nach dem knappen Dutzend Jahren ihres Bestehens<br />
ist die Firma T&C in der Tat auf allen<br />
Kontinenten eingeführt. Die letzte Papierschöpfung,<br />
Cromàtico,-ca, wurde 1997 in<br />
15 Ländern gleichzeitig vorgestellt. Die erste<br />
Containerladung des vielseitig verwendbaren<br />
Transparent-Papiers ging nach Asien.<br />
„Cromàtico,-ca“ ist ein schönes Beispiel<br />
dafür, wie Emeric Thibierge und sein Partner<br />
zu ihren Ideen kommen, mit offenbar besonders<br />
feinen Antennen für Tendenzen, die in<br />
der Luft liegen, sagt Thibierge, und dies vor<br />
allem in der „ungebrochen kreativen Pariser<br />
Luft“. Vor vier, fünf Jahren kam ihm der Gedanke,<br />
matt-farbenes, transparentes Papier<br />
„wie Murano-Glas“ zu entwerfen, mit dem typischen<br />
Sandeffekt. „Ich habe mir gesagt,<br />
wenn ich das schön finde, tun das andere in<br />
der Welt vielleicht auch“, erzählt der Pariser<br />
Papierschöpfer, und wenig später habe er mit<br />
Überraschung festgestellt, daß Transparenz<br />
inzwischen eine Art weltweit vorherrschendes,<br />
neues Leitmotiv für Designer aller Arten<br />
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