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Könige der Lüfte kehren zurück - Naturschätze aus der Pfalz

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Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

40<br />

<strong>Könige</strong> <strong>der</strong> <strong>Lüfte</strong> <strong>kehren</strong> <strong>zurück</strong><br />

Die Präparatorinnen Annelie Ohliger (l) und Silke John (r) bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />

Exponate für die Monatsvitrine zum Thema „Adler in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong>“. PMN, Foto: Franck<br />

Adler am Himmel über <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong>? –<br />

Gibt’s doch gar nicht, werden die<br />

meisten spontan sagen. Gibt’s doch,<br />

wie Vogelkundler wissen. Zwar fehlt<br />

ein zweifelsfreier Beweis, dass sich in<br />

den letzten Jahrzehnten irgendwo in<br />

<strong>der</strong> Region einer dieser <strong>Könige</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Lüfte</strong> zum Brüten nie<strong>der</strong>gelassen<br />

habe, bestätigt <strong>der</strong> rheinland-pfälzische<br />

Artenschutzbeauftragte Ludwig<br />

Simon. Aber einzelne Arten werden<br />

durch<strong>aus</strong> als gelegentliche Besucher<br />

beobachtet. Und es besteht die Hoffnung,<br />

dass dies künftig häufiger möglich<br />

sein wird.<br />

So überwintert seit einigen Jahren<br />

wenigstens ein Seeadler-Exemplar in<br />

den pfälzischen Rheinauen, berichtet<br />

<strong>der</strong> Freisbacher Vogelexperte Gerhard<br />

Postel <strong>aus</strong> eigener Beobachtung.<br />

Die Greife schätzen dort offensichtlich<br />

den reich gedeckten Tisch: Gänse<br />

o<strong>der</strong> Wildenten siedeln in <strong>der</strong> Auenlandschaft<br />

in großer Zahl. Das einzige,<br />

was dem Seeadler für eine dauerhafte<br />

Rückkehr fehlen dürfte, ist eine<br />

„alteingesessene” Brutstelle. Dem<br />

gefie<strong>der</strong>ten Gast könnte jetzt geholfen<br />

werden, berichtet Postel: Mit<br />

Unterstützung des Forstes soll ein<br />

Ein im Jahr 1986 von Gerhard Postel bei Freisbach tot<br />

aufgefundener Fischadler wurde im <strong>Pfalz</strong>museum für<br />

Naturkunde präpariert.<br />

PMN, Foto: Röller<br />

künstlicher Horst gebaut werden. Die<br />

Chancen, dass Seeadler und verwandte<br />

Arten nicht länger eine Rarität<br />

bleiben, stehen recht günstig, meint<br />

<strong>der</strong> Vogelexperte. So ist seit Jahrzehnten<br />

hierzulande das Spritzmittel DDT<br />

verbannt. Es führte dazu, dass viele<br />

Eier nicht <strong>aus</strong>gebrütet werden konnten,<br />

weil sie wegen zu dünner Kalkschicht<br />

zerbrachen. Außerdem haben<br />

die <strong>Pfalz</strong>werke schon im Hinblick auf<br />

die Wie<strong>der</strong>ansiedlung von Störchen<br />

ihre Oberleitungen so <strong>aus</strong>gelegt, dass<br />

sie für große Vögel nicht mehr zur<br />

tödlichen Falle werden. Inzwischen<br />

sind entsprechende Vorkehrungen<br />

auch im neuen Bundesnaturschutzgesetz<br />

vorgeschrieben. Auch erholen<br />

sich an<strong>der</strong>norts die Vorkommen, so<br />

dass einzelne Tiere nach neuen<br />

Revieren Ausschau halten. Und<br />

schließlich hat auch in weiten Teilen<br />

<strong>der</strong> Jägerschaft ein Bewusstseinswandel<br />

eingesetzt.<br />

Galten Raubvögel doch jahrhun<strong>der</strong>telang<br />

als Nahrungskonkurrenten<br />

des Menschen, die oft erbarmungslos<br />

verfolgt wurden. Beispiele dafür<br />

schil<strong>der</strong>t Friedrich Zumstein in seiner<br />

1922 veröffentlichten POLLICHIA-<br />

Schrift „Die Vogelwelt von Bad Dürkheim<br />

und Umgebung”: An einem<br />

Septembertag 1906 sei ein Fischadler<br />

in den Isenachweiher gestoßen, obwohl<br />

sich eine Schar<br />

Ausflügler in nächster<br />

Nähe befunden habe.<br />

„Ohne Beute kam er<br />

wie<strong>der</strong> her<strong>aus</strong>, bäumte<br />

am Ufer auf – und<br />

wurde dann erlegt.”<br />

Dabei, appellierte<br />

Zumstein schon damals,<br />

könne <strong>der</strong> Schaden<br />

für die Fischgewässer<br />

wegen <strong>der</strong> Seltenheit<br />

des Vogels<br />

nicht ins Gewicht fallen.<br />

„Diese Art sollte<br />

daher, wenn sie sich<br />

einmal zeigt, als<br />

Naturdenkmal jede<br />

Schonung genießen.”<br />

An<strong>der</strong>en Adlerarten<br />

41


Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

42<br />

erging es ähnlich: So berichtet Zumstein,<br />

dass im Juli 1911 am Drachenfels<br />

ein fast flügger Schlangenadler<br />

samt <strong>der</strong> beiden Altvögel getötet<br />

wurde. Auch hier notierte <strong>der</strong> Vogelkundler:<br />

„Der stattliche Vogel ist <strong>der</strong><br />

Jagd durch<strong>aus</strong> unschädlich. Er sollte<br />

unter den beson<strong>der</strong>en Schutz <strong>der</strong><br />

Forstbehörden gestellt werden.”<br />

Heute ziehen laut Postel jeden<br />

Frühling und Herbst Fischadler durch<br />

die <strong>Pfalz</strong>. Sie seien dann an fischreichen<br />

Fließ- und Stillgewässern wie<br />

etwa <strong>der</strong> Wieslauter zu beobachten.<br />

Immer mal wie<strong>der</strong> tauche auch in <strong>der</strong><br />

Südwestpfalz ein Schlangenadler auf.<br />

Vielleicht profitiere er von dem wärmer<br />

werdenden Klima, das auch seiner<br />

Beute, den Reptilien, bessere<br />

Lebensbedingungen beschere.<br />

Überzeugt ist Postel außerdem,<br />

bereits 1997 einen Zwergadler in <strong>der</strong><br />

Südpfalz <strong>aus</strong>gemacht zu haben. Zwar<br />

wird diese Beobachtung von manchen<br />

Vogelkundlern angezweifelt.<br />

Denn dieser beste Flugkünstler unter<br />

allen Adlerarten ähnelt dem Mäusebussard.<br />

Aber Postel zog Hans-Wolfgang<br />

Helb, Biologe an <strong>der</strong> Universität<br />

Kaiserslautern und Vizepräsident <strong>der</strong><br />

POLLICHIA, zu Rate. Und <strong>der</strong> bestätigt<br />

dies <strong>aus</strong>drücklich. Mehr noch:<br />

Durch dieses Beispiel motiviert,<br />

spähte <strong>der</strong> Wissenschaftler auch am<br />

Kaiserslauterer Stadtrand. Ergebnis:<br />

„In hügeligem Gelände mit alten<br />

Laubbeständen” entdeckte Helb ein<br />

Zwergadler-Paar mit hellem und<br />

dunklen Gefie<strong>der</strong>. Ein mit Fachleuten<br />

besetzter „Seltenheits<strong>aus</strong>schuss”<br />

habe die vorgelegten Fotografien als<br />

Zwergadler bestätigt, ergänzt Postel.<br />

Ein Zwergadler-Exemplar fehlt<br />

noch in <strong>der</strong> Sammlung des Bad Dürkheimer<br />

<strong>Pfalz</strong>museums für Naturkunde,<br />

so <strong>der</strong> wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

Roland van Gyseghem. Dabei<br />

finden sich in seinen Beständen über<br />

6000 vogelkundliche Belegdaten<br />

vom Ei bis zum kompletten Tier. 80<br />

Prozent dieser Belegdaten stammen<br />

übrigens <strong>aus</strong> Rheinland-<strong>Pfalz</strong>, was<br />

den Wert <strong>der</strong> Sammlung <strong>aus</strong> landeskundlicher<br />

Sicht unterstreiche, wie<br />

POLLICHIA-Geschäftsführer Oliver<br />

Röller hervor hebt.<br />

Wobei van Gyseghem betont, dass<br />

für die Präparate seit <strong>der</strong> Eröffnung<br />

des Museums in <strong>der</strong> Herzogmühle<br />

keine Tiere erlegt wurden. Die Ausstellungsstücke<br />

stammen vielmehr<br />

von Totfunden: Tiere, die unter Autorä<strong>der</strong><br />

kamen, erfroren sind o<strong>der</strong> auch<br />

Opfer von Giften wurden. Übrigens:<br />

Wer einen toten Vogel findet, kann<br />

ihn im Bad Dürkheimer Museum<br />

abliefern. Von so mancher vermeintlich<br />

verbreiteten Art könnte van<br />

Gyseghem durch<strong>aus</strong> noch ein Exemplar<br />

in die Sammlung aufnehmen.<br />

Jürgen Müller<br />

Naturschutz mit dem Storch<br />

Trinken<strong>der</strong> Weißstorch: ein nicht alltäglicher Anblick.<br />

(Homburg-Beeden)<br />

Zu den beson<strong>der</strong>s populären<br />

<strong>Naturschätze</strong>n <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong> zählt <strong>der</strong><br />

Weißstorch. Adebar erfreut sich allseits<br />

großer Sympathie; auch die<br />

POLLICHIA und das <strong>Pfalz</strong>museum<br />

für Naturkunde sind diesem Wappentier<br />

des Naturschutzes eng verbunden.<br />

Als in den 1970er Jahren diese<br />

imposanten Tiere als Brutvögel in <strong>der</strong><br />

<strong>Pfalz</strong> <strong>aus</strong>starben, waren nicht nur<br />

Naturschützer und Vogelfreunde tief<br />

betrübt. Mit den Störchen ging für<br />

viele auch ein Stück Heimat verloren.<br />

GROH & SISCHKA (1970) und GROH et<br />

Foto: Helb<br />

al. (1978) haben den Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />

hiesigen Weißstorchpopulation<br />

dokumentiert. Der letzte Storch brütete<br />

1973 auf dem Dach <strong>der</strong> Neumühle<br />

bei Offenbach im Landkreis<br />

Südliche Weinstraße. Von da an war<br />

es vorbei mit Storchennachwuchs <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong>.<br />

Heute ist <strong>der</strong> Weißstorch schon<br />

fast wie<strong>der</strong> ein gewohnter Anblick,<br />

zumindest in <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>pfalz. In <strong>der</strong><br />

Speyerbach-, Queich- o<strong>der</strong> Otterbach-Nie<strong>der</strong>ung<br />

sieht man regelmäßig<br />

Störche auf den Wiesen nach<br />

Nahrung suchen, bevorzugt Regen-<br />

43


Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Fliegen<strong>der</strong> Weißstorch – Symboltier des Naturschutzes.<br />

Foto: Helb<br />

44<br />

Pfälzischer Storchennachwuchs bei ersten Flugübungen<br />

(Kirchbacherhof Landkreis Zweibrücken).<br />

Foto: Helb<br />

würmer und Insekten. Über 30 Brutpaare<br />

zählen wir gegenwärtig in <strong>der</strong><br />

<strong>Pfalz</strong>; einige davon haben sich auch<br />

in <strong>der</strong> Westpfalz nie<strong>der</strong>gelassen.<br />

Wie wir heute recht verlässlich<br />

rekonstruieren können, hatten die<br />

Ursachen für das Aussterben <strong>der</strong><br />

<strong>Pfalz</strong>-Population vor über 30 Jahren<br />

weniger in Landschafts- und Nahrungsän<strong>der</strong>ungen<br />

vor Ort selbst gelegen,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem in Belastungen<br />

auf dem Zugweg bzw. im afrikanischen<br />

Überwinterungsgebiet. Dort<br />

herrschte über viele Jahre große<br />

Dürre. Außerdem wurden gegen<br />

landwirtschaftliche Schädlinge massiv<br />

Pestizide eingesetzt, etwa gegen<br />

die in riesigen Schwärmen einfallenden<br />

Heuschrecken – doch das Gift<br />

traf auch die Störche. Hinzu kam <strong>der</strong><br />

Stromtod an Hochspannungsleitungen<br />

o<strong>der</strong>, wie erst jüngst in Spanien<br />

entdeckt, das Ertrinken in ungesicherten<br />

Wassertanks auf dem Zugweg<br />

nach Afrika. In Frankreich und Italien<br />

ist das Abschießen von Vögeln nach<br />

wie vor ein beliebter „Jagdsport“.<br />

Auch in manchen von Hunger<br />

geplagten Regionen Afrikas werden<br />

Störche geschossen – <strong>aus</strong> eher vertretbaren<br />

Gründen.<br />

Obgleich seit über 15 Jahren<br />

Feuchtwiesen, die attraktivsten Nahrungsgebiete<br />

<strong>der</strong> Störche, beson<strong>der</strong>s<br />

geschützt sind und auf beträchtlichen<br />

Flächen wie<strong>der</strong> hergestellt wurden,<br />

konnte <strong>der</strong> Storch nicht zur Rückkehr<br />

in die <strong>Pfalz</strong> bewogen werden. Ausnahmsweise<br />

hielt sich ein Durchzügler<br />

einige Tage hier auf, doch Brutpaare<br />

blieben unserer Region weiterhin<br />

fern. Im Gegenteil schrumpfte die so<br />

genannte Westpopulation auch in<br />

an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n immer stär-<br />

45


Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Zwei Weißstörche… (Hitscherhof, Landkreis Südwestpfalz) Foto: Helb …und ihr Nachwuchs. Foto: Helb<br />

46<br />

ker zusammen. Auch in Baden-Württemberg<br />

und Hessen mussten viele<br />

Gebiete inzwischen ohne den Storch<br />

<strong>aus</strong>kommen.<br />

In den 90er-Jahren wurden seitens<br />

<strong>der</strong> Naturschutzverbände verstärkt<br />

Überlegungen zur Wie<strong>der</strong>ansiedlung<br />

von Weißstörchen angestellt. Im Jahr<br />

1997 gründete sich die Aktion <strong>Pfalz</strong>-<br />

Storch als Zusammenschluss von Mitstreitern<br />

für die Wie<strong>der</strong>ansiedlung<br />

des Storches. Ihr Ziel ist es, geeignete<br />

Lebensräume für den Weißstorch<br />

<strong>zurück</strong> zu gewinnen und seine Wie<strong>der</strong>ansiedlung<br />

zu för<strong>der</strong>n (vgl. DOR-<br />

NER 2000a). Die POLLICHIA ist seit<br />

Beginn Mitglied in <strong>der</strong> Aktion <strong>Pfalz</strong>-<br />

Storch und stellt mit ihrer Vierteljahreszeitschrift<br />

„POLLICHIA-Kurier“<br />

und dem wissenschaftlichen Jahresband<br />

„Mitteilungen <strong>der</strong> POLLICHIA“<br />

wichtige Veröffentlichungsorgane für<br />

Fortschritte im Weißstorchschutz<br />

bereit.<br />

Im Jahr 1998, zwei Jahre nach <strong>der</strong><br />

erfolgreichen Wie<strong>der</strong>ansiedlung des<br />

Weißstorches in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong>, fand unter<br />

<strong>der</strong> Leitung von Ingrid DORNER (POL-<br />

LICHIA-Arbeitskreis Weißstorchschutz)<br />

im <strong>Pfalz</strong>museum für Naturkunde<br />

ein Internationales Weißstorchsymposium<br />

statt. Zeitgleich<br />

präsentierte das <strong>Pfalz</strong>museum für<br />

Naturkunde ein Jahr lang die viel<br />

beachtete Son<strong>der</strong><strong>aus</strong>stellung „Naturschutz<br />

mit dem Storch“ (DORNER<br />

2000b). Hierfür wurden mehrere<br />

Storchenpräparate neu angefertigt,<br />

unter an<strong>der</strong>em auch eine Kopie des<br />

berühmten Pfeilstorches von 1822,<br />

<strong>der</strong> anlässlich <strong>der</strong> Ausstellung <strong>aus</strong><br />

Rostock nach Bad Dürkheim in das<br />

<strong>Pfalz</strong>museum gebracht wurde. Als<br />

ein wichtiges Ergebnis des Internatio-<br />

47


Greifvögel und Störche in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

nalen Symposiums wurde die „Bad<br />

Dürkheimer Resolution zum Schutz<br />

von Störchen und an<strong>der</strong>en Großvögeln<br />

vor Stromtod an Mittelspannungsleitungen“<br />

verfasst. Geeignete<br />

Schutzmaßnahmen sollten durch den<br />

Gesetzgeber von den Strombetreibern<br />

eingefor<strong>der</strong>t werden. Der Inhalt<br />

<strong>der</strong> Bad Dürkheimer Resolution<br />

wurde, gleichsinnig von weiteren<br />

Gruppen unterstützt, inzwischen im<br />

neuen Bundesnaturschutzgesetz verankert.<br />

Nun ist es ein zwingen<strong>der</strong><br />

weiterer Schritt, diesen Schutzvorgaben<br />

auch auf <strong>der</strong> EU-Ebene zügig zur<br />

Geltung zu verhelfen, etwa in Frankreich<br />

und in Spanien. Die Generation<br />

<strong>der</strong> heute 15- bis 35jährigen soll die<br />

einzige in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong> bleiben, die in<br />

ihrer Kindheit Störche nur <strong>aus</strong> Bil<strong>der</strong>büchern<br />

kannte.<br />

Oliver Röller<br />

Kaiser-Eiche erzählt Historie ringweise<br />

48<br />

• Die Aktion <strong>Pfalz</strong>Storch betreibt die<br />

so genannte „Storchenscheune“ in<br />

Bornheim bei Landau. Ein Ausflug<br />

dorthin lohnt sich. In einer Außenvoliere<br />

kann man hier lebende<br />

Störche bewun<strong>der</strong>n. Jährlich gibt<br />

es, wie in vielen an<strong>der</strong>en pfälzischen<br />

Dörfern neuerdings auch<br />

wie<strong>der</strong>, ein Storchenfest. Bei den<br />

Volierenstörchen in Bornheim<br />

handelt es sich um flugunfähige<br />

Tiere, die von <strong>der</strong> Aktion<br />

<strong>Pfalz</strong>Storch in Pflege gehalten werden.<br />

Der Nachwuchs dieser in<br />

Gefangenschaft lebenden Tiere<br />

wird jährlich <strong>aus</strong>gewil<strong>der</strong>t und<br />

dient damit dem erfolgreichen<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau einer frei lebenden<br />

Storchenpopulation in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

• Informationen finden sie auch im<br />

Internet unter www.pfalzstorch.de<br />

bzw. www.pollichia.de unter <strong>der</strong><br />

Rubrik Arbeitskreise/Weißstorchschutz.<br />

• Vor kurzem haben STOLTZ & HELB<br />

(2004a, 2004b) zwei Publikationen<br />

mit neuesten Daten zur Situation<br />

<strong>der</strong> Weißstorchpopulation in<br />

Rheinland-<strong>Pfalz</strong> veröffentlicht.<br />

• Am 21. Mai 1822 wurde von<br />

einem Strohdach auf Gut Bothmer<br />

bei Klütz (Kreis Nordwest-Mecklenburg)<br />

ein Weißstorch (Ciconia<br />

ciconia Linnaeus, 1758) erlegt, in<br />

dessen Hals ein 80 cm langer Pfeil<br />

<strong>aus</strong> dem zentralen Afrika steckte.<br />

Beim ruhenden Tier stand <strong>der</strong> Pfeil<br />

senkrecht, beim fliegenden waagerecht.<br />

Der Storch wurde unter<br />

<strong>der</strong> Aufsicht von Prof. Dr. jur. Hans<br />

Rudolf V. SCHRÖTER (1798-1842)<br />

in einer nicht ganz lebensechten<br />

Haltung präpariert und gelangte in<br />

den Besitz von Großherzog<br />

FRIEDRICH FRANZ I., <strong>der</strong> ihn am<br />

28. August 1822 <strong>der</strong> Zoologischen<br />

Sammlung <strong>der</strong> Universität Rostock<br />

überließ.<br />

Kyra Cappel präsentiert eine Baumscheibe <strong>der</strong> Teufelstischkiefer. Im Hintergrund<br />

zu sehen, die um ein vielfaches mächtigere Baumscheibe <strong>der</strong> Kaisereiche.<br />

PMN, Foto: Franck<br />

Alte Bäume können reden wie ein<br />

Buch. Nehmen wir die Kaiser-Eiche<br />

<strong>aus</strong> dem Bienwald. Ihre ersten Wurzeln<br />

dürfte sie geschlagen haben, als<br />

in Deutschland <strong>der</strong> 30-jährige Krieg<br />

tobte. 1949 wurde sie laut dem<br />

Hagenbacher Förster Johannes Bekker<br />

gefällt, als sie abzusterben<br />

begann. Eine Scheibe <strong>aus</strong> dem<br />

Stamm des Baumriesen kam in den<br />

Besitz <strong>der</strong> POLLICHIA, wie sich ihr<br />

Ehrenpräsident Günter Preuß erinnert.<br />

In einer Son<strong>der</strong><strong>aus</strong>stellung<br />

erzählte diese Scheibe im Bad Dürkheimer<br />

<strong>Pfalz</strong>museum die Geschichte<br />

<strong>der</strong> Naturschutz-Organisation. Wie<br />

das geht? – Mit jedem Lebensjahr<br />

wird <strong>der</strong> Stamm um einen weiteren<br />

Ring dicker. Deshalb lässt sich bei<br />

gefällten Bäumen ihr genaues Alter<br />

ermitteln: Man muss bloß die Jahresringe<br />

zählen. Allerdings funktioniert<br />

das nur, wenn <strong>der</strong> Querschnitt am<br />

Fuß des Baumes untersucht wird.<br />

49


Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

50<br />

Die Kaisereiche im Bienwald im Jahr<br />

1924. Foto: Archiv Blinn<br />

Die gefällte Kaisereiche im gleichen Jahr.<br />

Denn im „Babyalter” maß selbst die<br />

Kaiser-Eiche lediglich ein paar Zentimeter.<br />

Je höher man kommt, desto<br />

weniger Ringe lassen sich logischerweise<br />

finden. Das ist auch <strong>der</strong> Grund,<br />

warum die jetzt im <strong>Pfalz</strong>museum <strong>aus</strong>gestellte<br />

Scheibe <strong>der</strong> Kaiser-Eiche<br />

trotz eines Durchmessers von 120<br />

Zentimetern „nur” 200 Jahresringe<br />

zählt: Astlöcher verraten, dass dieser<br />

Querschnitt <strong>aus</strong> luftiger Höhe stammen<br />

muss.<br />

Auf den entsprechenden Jahresringen<br />

<strong>der</strong> Kaiser-Eiche hat POLLICHIA-<br />

Geschäftsführer Oliver Röller die<br />

wichtigsten Ereignisse <strong>aus</strong> <strong>der</strong> POLLI-<br />

CHIA-Historie markiert. Aufmerksame<br />

Betrachter können solche Scheiben<br />

sogar als eine Art Baum-Biografie nutzen:<br />

Würde die Kaiser-Eiche noch<br />

Foto: Archiv Blinn<br />

Mächtige von Flechten bewachsene Eichenkrone.<br />

leben, hätte sie den vergangenen Sommer<br />

bestimmt in schlechter Erinnerung<br />

behalten. Trockenheit und starke Sonnen-Einstrahlung<br />

mit entsprechend<br />

hoher Ozon-Belastung hätten sie vergleichsweise<br />

nur wenig wachsen lassen.<br />

Und dies würde sich in einem<br />

engen Abstand des aktuellen zum vorherigen<br />

Jahresring nie<strong>der</strong>schlagen.<br />

„Fette” Jahre lassen sich folglich an<br />

einem weiten Abstand ablesen.<br />

Diesen kleinen Unterschied nutzen<br />

Wissenschaftler <strong>der</strong> Forschungsanstalt<br />

für Waldökologie und Forstwirtschaft<br />

Rheinland-<strong>Pfalz</strong> in Trippstadt: Trockenjahre,<br />

Kahlfraß durch Schmetterlingsraupen,<br />

Konkurrenzdruck durch Nachbarbäume<br />

o<strong>der</strong> Schälschäden durch<br />

Rothirsche lassen sich so nachträglich<br />

datieren. Solche Erkenntnisse werden<br />

Foto: Helb<br />

benötigt, um Belastungen durch Luftschadstoffe<br />

von an<strong>der</strong>en Einflüssen<br />

abzugrenzen.<br />

Aber auch Historiker und Archäologen<br />

bedienen sich <strong>der</strong> Jahresringe. Eine<br />

Abfolge von ungewöhnlich kalten,<br />

feuchten o<strong>der</strong> trockenen Jahren hinterlässt<br />

jeweils ein charakteristisches<br />

Muster im Stamm etwa einer Eiche.<br />

Das gleiche Muster findet sich dann<br />

auch bei an<strong>der</strong>en Eichen an vergleichbaren<br />

Standorten in <strong>der</strong> selben Region.<br />

Mit <strong>der</strong> Scheibe eines „Methusalems”<br />

wie <strong>der</strong> Kaiser-Eiche, <strong>der</strong>en Jahresringe<br />

sich zeitlich einordnen lassen, können<br />

deshalb beispielsweise in Häusern verbaute<br />

Hölzer datiert werden.<br />

Weil Bäume hierzulande meist<br />

„nur” einige hun<strong>der</strong>t Jahre alt werden,<br />

erschließen sich die Wissen-<br />

51


Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

52<br />

schaftler weiter <strong>zurück</strong> liegende Zeiträume<br />

durch Überlappung eines<br />

datierbaren Holzes mit einem älteren<br />

Vergleichsstück, erläutert Karl-Uwe<br />

Heußner vom Deutschen Archäologischen<br />

Institut in Berlin. Auf diese<br />

Weise reicht <strong>der</strong> „Baumkalen<strong>der</strong>” <strong>der</strong><br />

Berliner inzwischen bis ins sechste<br />

vorchristliche Jahrt<strong>aus</strong>end <strong>zurück</strong>.<br />

Gegenüber <strong>der</strong> bekannten High-<br />

Tech-Datierungsmethode mit Hilfe<br />

des Kohlenstoff-Isotops C14 hat dieses<br />

Verfahren sogar den Vorteil, da es<br />

unter bestimmten Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />

das Einschlags-Alter eines Holzes auf<br />

das Jahr genau festlegen kann.<br />

Für Helmut Bernhard, den Leiter<br />

des Landesamtes für Denkmalpflege<br />

in Speyer, ist dieses „Dendrochronologie”<br />

getaufte Verfahren denn auch ein<br />

wichtiges Hilfsmittel, das immer wie<strong>der</strong><br />

für eine Überraschung gut ist. Beispielsweise<br />

vermutete man, dass <strong>der</strong><br />

Dachstuhl eines Neustadter H<strong>aus</strong>es in<br />

das 18. Jahrhun<strong>der</strong>t zu datieren sei.<br />

Die Jahresringanalyse ergab jedoch,<br />

dass das Holz sogar <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Zeit vor<br />

<strong>der</strong> Entdeckung Amerikas, also <strong>aus</strong><br />

dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t stammte.<br />

Die POLLICHIA hütet in ihren<br />

Schatzkammern 20 ganz unterschiedliche<br />

Baumscheiben. Neben<br />

dem Querschnitt <strong>der</strong> Kaiser-Eiche ist<br />

in <strong>der</strong> Dauer<strong>aus</strong>stellung des benachbarten<br />

Neumayer-Saales auch die<br />

viel kleinere und unregelmäßige<br />

Scheibe <strong>der</strong> berühmtesten Kiefer <strong>der</strong><br />

<strong>Pfalz</strong> zu bewun<strong>der</strong>n: 166 Jahre lang<br />

krallte sie sich in den Sandstein des<br />

Teufelstisches bei Hinterweidenthal.<br />

Dort oben konnte sie mit ihren Wurzeln<br />

kaum Nährstoffe aufnehmen,<br />

weshalb sie nur einen Krüppelwuchs<br />

entwickelte. Im Mai vergangenen<br />

Jahres musste <strong>der</strong> zähe Baum gefällt<br />

werden, nachdem ihm Hagelschlag<br />

den Gar<strong>aus</strong> gemacht hatte.<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> besitzt die POLLI-<br />

CHIA beispielsweise die einen Meter<br />

große Scheibe eines exotischen Ginkgo-Baumes,<br />

<strong>der</strong> in Neustadt Wurzeln<br />

geschlagen hatte. O<strong>der</strong> einer wertvollen<br />

Furniereiche <strong>aus</strong> dem Pfälzerwald:<br />

Sie brachte es zwar bis zu ihrer Fällung<br />

nur auf ein Alter von 240 Jahren. Dafür<br />

wurden für sie 1973 stolze 2030 Mark<br />

gezahlt – pro Festmeter, versteht sich.<br />

Im Unterschied zu den meist mächtigeren<br />

Bienwald-Eichen stehen bei ihr<br />

die Jahresringe recht dicht beieinan<strong>der</strong><br />

– Furniereichen liefern ein kompakteres<br />

Holz.<br />

Das Herz des Hagenbacher Försters<br />

Becker hängt dagegen an einem<br />

quicklebendigen Baumriesen: Die<br />

„Dicke Eiche” bei Büchelberg bringt<br />

es mit ihren 350 bis 400 Lenzen auf<br />

einen Durchmesser in Augenhöhe von<br />

170 Zentimetern. Obwohl sie sage<br />

und schreibe 30 Kubikmeter Holz liefern<br />

würde, muss sie als Naturdenkmal<br />

die Säge nicht mehr fürchten.<br />

Jürgen Müller<br />

Steinalte Eichen und an<strong>der</strong>e Bäume<br />

Verkieselde Stammwurzel eines Nadelbaums <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Oberrotliegend-Zeit, <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> Gegend von Schallodenbach.<br />

GEOSKOP, Foto: Röller<br />

Die <strong>Pfalz</strong> hat eine stattliche Reihe<br />

steinalte Bäume zu bieten. Viele davon<br />

stehen unter Schutz. Sie sind Naturdenkmäler<br />

und dürfen ohne zwingende<br />

Gründe nicht gefällt werden. Einigen<br />

imposanten freistehenden Alteichen<br />

im Landkreis Südwestpfalz hat<br />

Hans Dieter ZEHFUß (2003) unlängst<br />

Respekt gezollt. Die teilweise 400<br />

Jahre alten Eichen, markante Baumriesen<br />

in <strong>der</strong> Landschaft, an Weg- und<br />

Straßenrän<strong>der</strong>n, haben <strong>aus</strong>ladende<br />

Kronen, wie sie für freistehende „Parkbäume“<br />

typisch sind. ZEHFUß weist<br />

darauf hin, dass einige von ihnen letzte<br />

Zeugen ehemaliger Waldweide-<br />

Landschaften sein könnten und<br />

obwohl sie robust und landläufig<br />

gesagt „stark wie Eichen“ erscheinen,<br />

sind sie keineswegs ungefährdet. Versiegelung<br />

<strong>der</strong> Bodenbereiche über<br />

dem Wurzelwerk, nah vorbeifahrende<br />

53


Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

54<br />

Kraftfahrzeuge und Beschattung <strong>der</strong><br />

Kronen durch aufwachsende Bäume<br />

bzw. Bauwerke sind Gefährdungsursachen,<br />

die den Schutz <strong>der</strong> Baumriesen<br />

nötig machen. Um ihre Bedeutung<br />

für an<strong>der</strong>e Organismen zu verdeutlichen,<br />

sei darauf hingewiesen, dass es<br />

eine ganze Reihe von Organismen<br />

gibt, die freistehende Bäume besiedeln<br />

und in Wäl<strong>der</strong>n nicht vorkommen.<br />

Für mehr als 400 Arten sollen<br />

Eichen die Nahrungsbasis sein, darunter<br />

sind allein an die hun<strong>der</strong>t verschiedene<br />

Pilzarten (vgl. auch Kap. 17).<br />

Die ältesten Bäume <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong> stammen<br />

<strong>aus</strong> dem Rotliegend. Zu dieser<br />

Zeit, vor etwa 290 Millionen Jahren<br />

gab es schon verschiedene Waldtypen.<br />

Während an feuchteren Standorten<br />

Farne und baumgroße Schachtelhalme<br />

die Vegetation dominierten,<br />

waren es an eher trockeneren Standorten<br />

vor allem Nadelbäume. Wie neue<br />

Funde <strong>aus</strong> Kreimbach gezeigt haben<br />

kamen an den feuchteren Standorten<br />

vereinzelt auch Siegelbaumbestände<br />

vor. Siegelbäume waren maßgeblich<br />

am Aufbau <strong>der</strong> Steinkohlewäl<strong>der</strong><br />

beteiligt, ebenso wie Riesenfarne und<br />

Riesenschachtelhalme - das ist schon<br />

345 bis 300 Millionen Jahren her.<br />

Ihren Namen erhielten die Wäl<strong>der</strong>,<br />

weil sie die Grundlage <strong>der</strong> heutigen<br />

Steinkohlevorkommen darstellen.<br />

Beson<strong>der</strong>s beeindruckende Zeugen<br />

<strong>der</strong> Nadelbäume stellen verkieselte<br />

Stämme dar. Diese Form <strong>der</strong> Versteinerung<br />

steht in Zusammenhang mit<br />

dem Vulkanismus während des Rotliegenden.<br />

Aus vulkanischen Aschen<br />

wurde die Kieselsäure her<strong>aus</strong>gelöst,<br />

die zur Verkieselung <strong>der</strong> Hölzer führte.<br />

Bekannte Fundstellen solcher Kieselhölzer<br />

gibt es in <strong>der</strong> Nähe von Schallodenbach<br />

und Winnweiler.<br />

Zeugen dieser Wäl<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rotliegendzeit<br />

findet man im Urweltmuseum<br />

GEOSKOP Burg Lichtenberg bei<br />

Kusel.<br />

Ein Besuch im Urweltmuseum<br />

lohnt sich je<strong>der</strong>zeit.<br />

Ein weiteres Beispiel außergewöhnlicher<br />

paläobotanischer Forschungsleistungen<br />

auf dem Gebiet<br />

<strong>Pfalz</strong> ist die Arbeit von NOLL, UHL &<br />

LAUSBERG (2003) über historische<br />

Waldbrände. Anhand von Fundstükken<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Gegend um Winnweiler<br />

konnten die Autoren erstmals Waldbrände<br />

dem Rotliegend nachweisen.<br />

Funde so genannter Vulkanischer<br />

Bomben im Umfeld <strong>der</strong> Fossilien ließen<br />

sogar Rückschlüsse auf die Entstehung<br />

<strong>der</strong> Waldbrände zu.<br />

Um auf steinalte Eichen <strong>zurück</strong>zukommen,<br />

sei noch darauf hingewiesen,<br />

dass beim Kiesabbau in <strong>der</strong> Oberrheinebene<br />

neben Mammut-, Wollnashorn-,<br />

Waldelefanten- und an<strong>der</strong>en<br />

Knochen großer Säugetiere regelmäßig<br />

auch meterlange versteinerte<br />

Eichenstämme geborgen wurden, die<br />

mehrere zehnt<strong>aus</strong>end Jahre alt sind<br />

(SCHWEISS 1990). Oliver Röller<br />

Die ersten dentrologischen Untersuchungen<br />

am Stamm <strong>der</strong> Teufelstisch-<br />

Kiefer wurden von Hans Dieter Zehfuß<br />

durchgeführt. ZEHFUß (2002)<br />

recherchierte im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Teufelstisch-Kiefer und kam zu<br />

folgendem Ergebnis: Der <strong>der</strong>zeit älteste<br />

Beweis für die Existenz einer Kiefer<br />

auf dem Teufelstisch ist eine Fotografie<br />

<strong>aus</strong> dem Jahr 1908, auf <strong>der</strong> sie<br />

gut zu erkennen ist. Die klettersportliche<br />

Erstbesteigung des Teufelstisches<br />

gelang am 3. Mai 1922. Die beiden<br />

Kletterer berichteten, dass sie sich an<br />

einem ihrer Wurzeläste über die<br />

Tischkante hochgezogen hatten.<br />

Weiterhin berichteten sie, dass <strong>der</strong> als<br />

„knorrig“ bezeichnete Baum mit seinem<br />

Wurzelgeflecht die gesamte<br />

Tischplatte überzogen hatte. Der<br />

Baum fiel durch seine mehr o<strong>der</strong><br />

weniger kugelförmige Gestalt auf.<br />

Höhe und Kronendurchmesser sollen<br />

um die sechs Meter betragen haben.<br />

Der Durchmesser des Stammes misst<br />

am Grund mit Borke 40 Zentimeter.<br />

Einen bundes- und weltweiten<br />

Bekanntheitsgrad erreichte <strong>der</strong> Teufelstisch<br />

durch zwei Briefmarken-<br />

Ausgaben <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> in <strong>der</strong> französischen<br />

Besatzungszone in den späten<br />

vierziger Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

(1947/48). Der Kiefer (Pinus sylvestris<br />

L.) und den sie begleitenden<br />

Die Teufelstisch-Kiefer<br />

Heidekraut-Sträuchern (Calluna vulgaris<br />

(L.) HULL.) standen auf <strong>der</strong><br />

Tischplatte als Existenzgrundlage nur<br />

die in den Felsspalten durch Verwitterung<br />

entstandenen o<strong>der</strong> durch den<br />

Wind herangetragenen Feinerden als<br />

Mineralstoffträger, zur Bewässerung<br />

und organischen Düngung nur Nie<strong>der</strong>schlagswasser<br />

zu Verfügung. Unter<br />

solchen Bedingungen bildet die<br />

Art so genannte Hunger- o<strong>der</strong> Kümmerformen<br />

<strong>aus</strong>. Diese Exemplare<br />

erreichen durch ihre beson<strong>der</strong>e ökologische<br />

Anpassung recht lange<br />

(Über-) lebenszeiten.<br />

Über das Alter <strong>der</strong> Krüppelkiefer<br />

auf dem Teufelstisch lagen bisher nur<br />

vage Schätzungen und das Ergebnis<br />

des Auszählens <strong>der</strong> Jahresringe auf<br />

einem Bohrkern vor. Der ehemalige<br />

Leiter des Forstamtes Hinterweidenthal-Ost<br />

Franz Paula hatte im Sommer<br />

1987 den Teufelstisch durch einen<br />

heimischen Kletterer besteigen und<br />

eine Kernbohrung am Stamm des<br />

Baumes durchführen lassen. Die Auszählung<br />

<strong>der</strong> Jahresringe ergab damals<br />

ein Alter von ca. 150 Jahren. Der<br />

Baum lebte danach noch 12 Jahre.<br />

Das Auszählen <strong>der</strong> Jahresringe auf<br />

einer Baumscheibe vom Stammgrund<br />

des gefällten Baumes ergab die Zahl<br />

166, wobei bedingt durch das eventuelle<br />

Auftreten von Doppelringen, was<br />

55


Bäume in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Pilzkunde in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

56<br />

Baumscheibe <strong>der</strong> Teufelstisch-Kiefer.<br />

PMN, Foto: Röller<br />

bei Kiefernholz hier und da vorkommt,<br />

eine geringe Unsicherheit in<br />

Kauf genommen werden muss. Das<br />

Zählergebnis schließt sich gut an die<br />

Erhebungen von Paula an. Es zeigt,<br />

dass die Kiefer auf dem Teufelstisch<br />

älter als die POLLICHIA ist. Der Baum<br />

könnte im Todesjahr von J.W. von<br />

Goethe aufgekeimt sein. Die Ausbildung<br />

<strong>der</strong> Jahressringe gibt Zeugnis<br />

von einem zeitweise dürftigen Leben.<br />

Teilweise sind sie unter 0,5 Millimeter<br />

breit. Beson<strong>der</strong>s um die Jahrhun<strong>der</strong>twende<br />

und nach dem 2. Weltkrieg<br />

war dies <strong>der</strong> Fall.<br />

Was hatte nun das Absterben <strong>der</strong><br />

Kiefer zur Ursache? Hier gibt es einen<br />

gesicherten Fakt und eine Spekulation.<br />

Der gesicherte Fakt ist <strong>der</strong> Hagelsturm<br />

vom 2. Juni 1999, <strong>der</strong> die Kiefern<br />

an dem benachbarten<br />

Hang des Handschuh-<br />

Kopfes bis auf einen<br />

Nadeljahrgang entnadelte.<br />

Dieser hat die Teufelstisch-Kiefer<br />

aufgrund ihrer<br />

exponierten Stellung<br />

sicher noch stärker beeinträchtigt.<br />

Mehr als fünf Generationen<br />

lang hat sie Stürmen<br />

getrotzt und Blitzschläge<br />

<strong>aus</strong>gehalten,<br />

ohne in ihrem Lebensnerv<br />

getroffen zu werden. Der<br />

Umriss <strong>der</strong> Baumscheibe<br />

dokumentiert zwei tiefe Blitzrisse, die<br />

weit den Stamm herunter liefen. Der<br />

Teufelstisch in <strong>der</strong> bisher gewohnten<br />

Gestalt ist seit 1953 das Wahrzeichen<br />

<strong>der</strong> POLLICHIA. (…) Das Präsidium<br />

des Vereins hat beschlossen dieses<br />

Emblem in seiner bisherigen Form<br />

weiter zu führen.<br />

POLLICHIA<br />

VEREIN F. NATUR<br />

FORSCHUNG<br />

U. LANDESPFLEGE<br />

Ein Pilz für Kanonen und Klamotten<br />

Schülerinnen vom …Gymnasium staunen im <strong>Pfalz</strong>museum darüber was als<br />

Zün<strong>der</strong> alles hergestellt werden kann.<br />

PMN, Foto: Franck<br />

Im Herbst sind sie im wahrsten Sinne<br />

des Wortes in aller Munde. Und dennoch<br />

ist vieles über ihre Lebensweise<br />

o<strong>der</strong> Verbreitung unerforscht: Die<br />

Rede ist von den in vielen Arten und<br />

Formen vorkommenden Pilzen. Über<br />

3000 Belege zählt die umfangreiche<br />

Sammlung des <strong>Pfalz</strong>museums für<br />

Naturkunde. Und darunter findet sich<br />

so manches Exemplar mit erstaunlichen<br />

Eigenheiten.<br />

So zum Beispiel <strong>der</strong> stiellose „Echte<br />

Zun<strong>der</strong>schwamm“. An seinem<br />

Stammplatz im Laubwald zählt er zur<br />

Gesundheitspolizei, so <strong>der</strong> Pirmasenser<br />

POLLICHIA-Pilzexperte Hans Dieter<br />

Zehfuß. Seine Sporen bevorzugen<br />

Laubbäume, insbeson<strong>der</strong>e Buchen<br />

und Birken, die entwe<strong>der</strong> bereits abgestorben<br />

o<strong>der</strong> zumindest geschwächt<br />

sind. Etwa weil ihre Rinde durch Blitzschlag<br />

aufgerissen ist. Der Pilz befällt<br />

einen Stamm oft an mehreren Stellen.<br />

Seine Nährstoffe zieht er <strong>aus</strong> dem<br />

Holz, bis <strong>der</strong> Baum zusammenkracht.<br />

Auf diese Weise schafft er innerhalb<br />

kurzer Zeit neuen Lebensraum für<br />

nachwachsende Pflanzen und führt<br />

Inhaltsstoffe des toten Holzes rasch<br />

<strong>der</strong> Nahrungskette zu.<br />

57


Pilzkunde in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

Pilzkunde in <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong><br />

58<br />

Der Pappel-Rauhfußröhrling, ein Verwandter des Birkenpilzes. Aufnahme <strong>aus</strong><br />

dem Steinbruch Schneewei<strong>der</strong>hof, Nordpfalz.<br />

Foto: Zehfuß<br />

Weil er Weißfäule erregt, waren die<br />

Förster früher eifrig darauf bedacht,<br />

mit Zun<strong>der</strong>schwamm befallene<br />

Bäume <strong>aus</strong>zumerzen. Das führte<br />

dazu, dass seine manchmal an überdimensionale<br />

Schneckenhäuser erinnernden<br />

Fruchtkörper auch im Pfälzerwald<br />

kaum noch zu entdecken<br />

waren. Seit <strong>der</strong> Einführung des naturnahen<br />

Waldb<strong>aus</strong> in <strong>der</strong> Forstwirtschaft,<br />

bei <strong>der</strong> auch totes Holz seine<br />

Daseinsberechtigung hat, fällt dieser<br />

Pilz wie<strong>der</strong> häufiger ins Auge.<br />

Einige Vogelarten wie etwa die<br />

Spechte profitieren davon: Der Zun<strong>der</strong>schwamm<br />

bereitet das Holz so vor,<br />

dass sie darin leichter ihre Wohn- und<br />

Bruthöhlen anlegen können. Und da<br />

etwa 40 Wirbeltierarten ihre „Zelte“ in<br />

verlassenen Spechthöhlen aufschlagen,<br />

dient <strong>der</strong> Pilz auch ihnen als Helfer<br />

beim Häuslebau.<br />

Der Mensch wusste sich seit Urzeiten<br />

das Gewächs zunutze zu machen.<br />

Schon in „Ötzis“ Taschen wurde Zun<strong>der</strong><br />

als Bestandteil eines Natur-Feuerzeugs<br />

gefunden: Mit einem Feuerstein<br />

schlug <strong>der</strong> Steinzeitmensch auf Pyrit<br />

und entfachte mit den Funken den<br />

Zun<strong>der</strong>. Bis heute ist seine leichte Entzündbarkeit<br />

sprichwörtlich: „Das<br />

brennt wie Zun<strong>der</strong>.” Mit <strong>der</strong> Erfindung<br />

<strong>der</strong> Feuerwaffen erhielt er zusätzliche<br />

Bedeutung: Aus ihm wurden Lunten<br />

für Kanonen und Vor<strong>der</strong>la<strong>der</strong> gefertigt.<br />

Dafür wurde das „Trama“ genannte<br />

le<strong>der</strong>artige Fleisch <strong>aus</strong> dem Innern des<br />

Pilzes benötigt. Um da heran zu kommen,<br />

mussten die Waldarbeiter den<br />

Fruchtkörper mit seiner harten Kruste<br />

vom Baumstamm absägen. Wie es<br />

dann weiterging, beschreibt Meyers<br />

Konversationslexikon <strong>aus</strong> dem Jahre<br />

1878: „Zur Bereitung (des Zun<strong>der</strong>s)<br />

wird <strong>der</strong> Pilz von <strong>der</strong> Rinde und Röhren<br />

befreit, in ein Gefäß mit heißem<br />

Wasser, Pottasche und Salpeter gelegt,<br />

nach mehreren Wochen her<strong>aus</strong>genommen,<br />

getrocknet und mit Holzkeulen<br />

so lange geschlagen, bis er<br />

ganz locker geworden ist.“<br />

Übrigens: Ötzi wird vermutlich für<br />

das Nitrieren statt Salpeter Urin verwendet<br />

haben. In beiden Fällen durfte<br />

nach dem „Ernten“ <strong>der</strong> Pilze nicht<br />

lange gewartet werden: In trockenem<br />

Zustand wird <strong>der</strong> Zun<strong>der</strong>schwamm<br />

hart wie Stein.<br />

Feuerzeug und Lunte stellen aber<br />

noch lange nicht alle Verwendungsmöglichkeiten<br />

dieses vielseitigen<br />

Materials dar. Aus Zun<strong>der</strong> wurde auch<br />

Kleidung gefertigt. So war in <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>vitrine<br />

im <strong>Pfalz</strong>museum ein Hut<br />

<strong>aus</strong> diesem Material zu bewun<strong>der</strong>n.<br />

Man würde aufgrund <strong>der</strong> professionellen<br />

Bearbeitung nicht vermuten, dass<br />

er <strong>aus</strong> Pilzen gemacht wurde. In den<br />

Karpaten werden noch heute in einigen<br />

Orten Mützen <strong>aus</strong> Zun<strong>der</strong>schwämmen<br />

hergestellt.<br />

Selbst als Bucheinband o<strong>der</strong><br />

Radiergummi für Kohlezeichnungen<br />

war <strong>der</strong> Pilz zu gebrauchen. Darüber<br />

hin<strong>aus</strong> diente er in <strong>der</strong> Heilkunst als<br />

blutungsstillendes Mittel beziehungsweise<br />

zur Verhin<strong>der</strong>ung von<br />

Wundinfektionen. Da kann es nicht<br />

überraschen, dass dem Zun<strong>der</strong>schwamm<br />

große wirtschaftliche Bedeutung<br />

zukam. Im Bayerischen<br />

Wald o<strong>der</strong> im Böhmerwald stellte<br />

seine Gewinnung und Verarbeitung<br />

lange Zeit eine bedeutende Einnahmequelle<br />

dar.<br />

Wer schon so vielseitig ist, stellt<br />

auch in an<strong>der</strong>er Hinsicht eine Beson<strong>der</strong>heit<br />

dar: Pilze gelten we<strong>der</strong> als Tier<br />

noch als Pflanze, erläutert Hans-Dieter<br />

Zehfuß. „Ihnen gehört vielmehr<br />

ein eigenes Reich.“ Der pensionierte<br />

Lehrer an <strong>der</strong> Pirmasenser Schuhfachschule<br />

hat die Museums-Sammlung<br />

maßgeblich aufgebaut und ist<br />

neben zahlreichen weiteren Veröffentlichungen<br />

fe<strong>der</strong>führen<strong>der</strong> Autor<br />

<strong>der</strong> Roten Liste <strong>der</strong> Pilze von Rheinland-<strong>Pfalz</strong>.<br />

Seine beson<strong>der</strong>e Leidenschaft<br />

gilt allerdings nicht dem Zun<strong>der</strong>schwamm<br />

und seinen „Verwandten“,<br />

son<strong>der</strong>n den gelben, roten, grünen<br />

o<strong>der</strong> blauen Täublingen. Weil sie<br />

so schön bunt sind? – „Nein”, antwortet<br />

Zehfuß entschieden. „Weil sie<br />

mikroskopisch beson<strong>der</strong>s interessant<br />

und schwierig zu bestimmen sind.“<br />

Jürgen Müller<br />

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