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Museum leipzig - Museum der bildenden Künste Leipzig

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Lebensdaten<br />

Kurz erklärt<br />

Max Klinger<br />

1857 in <strong>Leipzig</strong> geboren<br />

1874–76 Studium in Karlsruhe<br />

und Berlin; 1877–93 Aufenthalte<br />

in Berlin, Brüssel, München, Paris<br />

und Rom; ab 1893 wie<strong>der</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

1920 in Großjena gestorben<br />

Robert Schumann<br />

1810 in Zwickau geboren<br />

1828 Umzug nach <strong>Leipzig</strong>, wo er<br />

seine musikalische Ausbildung<br />

erhält und Sinfonien, Lie<strong>der</strong>zyklen<br />

und Kammermusik komponiert;<br />

1834 Gründung <strong>der</strong><br />

Neuen Zeitschrift für Musik, 1840<br />

Heirat mit Clara Wieck und 1843<br />

durch die Vermittlung Mendelsohns<br />

Lehrtätigkeit am Konservatorium<br />

in <strong>Leipzig</strong>; 1844 Umzug<br />

zuerst nach Dresden und dann<br />

nach Düsseldorf<br />

1856 in Endenich (Bonn)<br />

gestorben<br />

Johannes Brahms<br />

1833 in Hamburg geboren<br />

1853 erster Aufenthalt in <strong>Leipzig</strong>,<br />

wo Breitkopf & Härtel seine Komposition<br />

verlegen; in den folgenden<br />

drei Jahrzehnten immer<br />

wie<strong>der</strong> Auftritte als Dirigent und<br />

Musiker, darunter<br />

1879 Uraufführung seines Violinkonzert<br />

D-Dur unter seiner<br />

Leitung im <strong>Leipzig</strong>er Gewandhaus<br />

1897 in Wien gestorben<br />

Ludwig van Beethoven<br />

1770 geboren in Bonn; seit 1792<br />

in Wien<br />

1800 wichtige Teile seiner Kompo<br />

si tionen werden bei Breitkopf &<br />

Härtel in <strong>Leipzig</strong> verlegt<br />

1808 Uraufführung seines Tripelkonzerts<br />

und 1811 Urauf führung<br />

des 5. Klavier konzerts im<br />

<strong>Leipzig</strong>er Gewand haus<br />

1827 in Wien gestorben<br />

Max Klinger<br />

Accord, Blatt 1 <strong>der</strong> „Brahmsphantasie“ (Opus XII), 1884<br />

<strong>Museum</strong> <strong>der</strong> <strong>bildenden</strong> <strong>Künste</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

Max Klinger und die Musik<br />

Max Klinger, <strong>der</strong> selbst musizierte,<br />

hat sich intensiv mit dem Verhältnis<br />

von Musik und bilden<strong>der</strong> Kunst<br />

auseinan<strong>der</strong>gesetzt. Er ehrte nicht<br />

nur Komponisten wie Beethoven,<br />

Brahms, Liszt o<strong>der</strong> Wagner durch<br />

Büsten und Denkmäler. Klinger<br />

interpretierte auch Thema und<br />

Stimmung ihrer Musikstücke in<br />

seinen Grafiken. Nicht zuletzt sind<br />

die Bezeichnungen seiner Grafikreihen<br />

als Opus und Titel wie<br />

Capriccio, Intermezzo o<strong>der</strong><br />

Phantasie <strong>der</strong> musikalischen<br />

Terminologie entlehnt. Seine<br />

Lebensgefährtin Elsa Asenijeff<br />

charakterisiert Klingers Kunst<br />

zutreffend als „eine in Stein o<strong>der</strong><br />

durch Griffel und Stift gebannte<br />

Musik“.<br />

Beson<strong>der</strong>s fühlte sich Klinger<br />

den Komponisten Robert<br />

Schumann, Johannes Brahms und<br />

Ludwig van Beethoven verbunden.<br />

Schumann widmete er die<br />

Intermezzi Opus II (1879) und<br />

Intermezzi Opus IV (1881). Neben<br />

thematischen Anleihen weisen sie<br />

auch in ihrem Aufbau mit Thema,<br />

Variationen, Zwischenspielen und<br />

Coda Strukturen von Musikstücken<br />

auf. Durch die Kombination unterschiedlicher<br />

grafischer Techniken<br />

versuchte Klinger dazu, musikalische<br />

Stimmungen umzusetzen.<br />

„Ich liebe die schumannsche<br />

Musik außerordentlich und behaupte<br />

und glaube von seiner<br />

Compositionsweise viel beeinflusst<br />

zu sein“, fasste Klinger 1880<br />

in einem Brief das enge Verhältnis<br />

zu dessen Musik zusammen.<br />

Klingers Brahmsphantasie<br />

(Opus XII)<br />

Klingers bekanntestes grafisches<br />

Bekenntnis zur Musik ist seine<br />

Brahmsphantasie Opus XII (1894).<br />

Die Grafiken begleiten fünf Lie<strong>der</strong><br />

für Singstimme und Klavier von<br />

Johannes Brahms und dessen<br />

Vertonung des Schicksalsliedes<br />

aus Höl<strong>der</strong>lins Hyperion. Ergänzt<br />

werden sie durch Darstellungen<br />

zur Prometheus-Sage, die im<br />

Zentrum des Schicksalsliedes<br />

steht. Brahms Musik sollte nicht<br />

illustriert werden, son<strong>der</strong>n es ging<br />

Klinger darum, „von den Empfindungen<br />

aus, in die uns Dichtung<br />

und vor allem Musik zieht [...]<br />

Blicke über den Gefühlskreis zu<br />

werfen, und von da aus mitzusehen,<br />

weiterzuführen, zu verbinden<br />

und zu ergänzen“. Anerken nend<br />

schrieb <strong>der</strong> Kom ponist dem<br />

Künstler zum Dank: „Ich sehe die<br />

Musik, die schönen Worte dazu –<br />

nun tragen mich ganz unvermerkt<br />

Ihre herrlichen Zeichnungen<br />

weiter“.<br />

Den drei Grafiken Accorde,<br />

…vocation und <strong>der</strong> Befreite Prometheus<br />

kommt in <strong>der</strong> Phantasie eine<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Die<br />

Grafiken sind durchdrungen von<br />

Klang assozia tionen. Klinger verdichtet<br />

hier musikalische Einflüsse<br />

und bildende Kunst zu<br />

Stimmungsbil<strong>der</strong>n zwischen Traum<br />

und Wirklichkeit. Harfe und Klavier,<br />

auf den ersten beiden Blättern,<br />

und eine stürmische See vor<br />

beweg tem Himmel wecken die<br />

Vorstellung von Klängen und<br />

Geräuschen. Auf Accorde spielt ein<br />

Mann – er trägt die Züge<br />

Klingers – Klavier und wird dabei<br />

von einer Notenumblätterin<br />

begleitet. Die dadurch erzeugten<br />

Stim mungen und Vorstellungen<br />

werden als Fantasiewelt auf den<br />

übrigen Bildpartien fortgeführt: an<br />

eine Harfe geklammert <strong>der</strong><br />

Meeresgott Triton und zwei im<br />

Max Klinger<br />

…vocation, Blatt 19 <strong>der</strong> „Brahmsphantasie“ (Opus XII), 1884<br />

<strong>Museum</strong> <strong>der</strong> <strong>bildenden</strong> <strong>Künste</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

Wasser spielende Nymphen, dahinter<br />

stürmische Wellen mit einem in<br />

Not geratenem Schiff und eine wolken<br />

um wobene Gebirgs landschaft.<br />

Auf …vocation konzentriert sich<br />

Klinger weniger auf die inneren<br />

Stimmungsbil<strong>der</strong> als vielmehr auf<br />

die äußere Inspiration durch die<br />

Natur und die weibliche Schönheit.<br />

Im Zentrum steht eine Harfe vor<br />

toben<strong>der</strong> See. Ihre Vor<strong>der</strong>seite mit<br />

einer Dionysos-Maske ist dem<br />

Künstler-Pianisten zugewandt, ein<br />

geflügelter Apollo an ihrer Rückseite<br />

wird von <strong>der</strong> nackten Frau<br />

und anregenden Muse begrüßt.<br />

Die Harfe, das Instru ment des<br />

Gottes <strong>der</strong> <strong>Künste</strong> und Wissenschaf<br />

ten Apollo, verweist zusammen<br />

mit <strong>der</strong> Maske auf Friedrich<br />

Nietzsches Vorstellung vom Dionysischen<br />

und Apollini schen, von<br />

<strong>der</strong> rauschhaften Musik und <strong>der</strong><br />

rationalen <strong>bildenden</strong> Kunst, die<br />

vereint zu einer neuen Kunstform<br />

führen sollen.<br />

Der auf …vocation im Himmel<br />

gezeigte Titanenkampf verweist<br />

auf die im Zyklus folgenden Darstellungen<br />

zur Prometheus-Sage<br />

und vor allem auf das letzte Blatt,<br />

den Befreiten Prometheus. Max<br />

Klinger stellt sich hier wie auf den<br />

an<strong>der</strong>en beiden Blättern selbst dar.<br />

Statt als musikalischen Künstler<br />

sehen wir ihn nun als den einsamen<br />

Schöpfergott Prometheus.<br />

Die Fesseln sind zwar abgeworfen,<br />

aber seine Haltung ist deutlich:<br />

Das Genie verzweifelt an <strong>der</strong> Welt.<br />

Klingers Beethoven – eine<br />

Symphonie in Stein<br />

Neben Brahms und Schumann<br />

zeigte Klinger eine beson<strong>der</strong>e Verehrung<br />

für Ludwig van Beethoven.<br />

Beethoven wurde im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

häufig mit Prometheus gleichgesetzt<br />

und als Genie hymnisch<br />

gefeiert. Dieser Beethoven-Kult<br />

gründet sich beson<strong>der</strong>s auf den<br />

Einfluss Richard Wagners, <strong>der</strong> ihn<br />

als „Meister“ verehrte. In seiner<br />

Beethoven-Schrift von 1870 hat<br />

Wagner in <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Dritten<br />

(…roica) und Neunten Symphonie<br />

nachhaltig Beethovens Ansehen<br />

als schöpferischen Titan geprägt.<br />

Denn er galt Wagner als Erneuerer<br />

<strong>der</strong> Musik im Sinne des von ihm<br />

gefor<strong>der</strong>ten Gesamtkunstwerks.<br />

Die Schriften Wagners und<br />

Nietzsches waren Klinger vertraut,<br />

als er 1886 den Entschluss zu<br />

seiner Beethoven-Skulptur fasste<br />

und bildlich umsetzte, was vorher<br />

geschrieben worden war. Die entscheidenden<br />

Impulse zu seiner<br />

polychromen Skulptur gab ihm<br />

aber die Musik selbst, wie er<br />

schreibt: „Die Idee kam mir eines<br />

schönen Abends in Paris am Klavier,<br />

und so farbig bestimmt und<br />

deutlich, wie nur ganz wenige<br />

Sachen: die Haltung, die Faust, das<br />

rote Gewand, <strong>der</strong> Adler, <strong>der</strong> Sessel,<br />

die Falten – sogar die Goldlehne.“<br />

Neben Größe, Material, Haltung<br />

und Ausdruck überhöhte er<br />

Beethoven zu einer gottgleichen,<br />

genialen Schöpfergestalt durch<br />

Attribute wie dem Adler, <strong>der</strong> als<br />

Symbol des Zeus, des Evangelisten<br />

Johannes und des Prometheus gilt<br />

(siehe Werkmonografie Nr. 24).<br />

Die XIV. Secessions-<br />

Ausstellung von 1902<br />

Klingers Beethoven stand im Zentrum<br />

<strong>der</strong> XIV. Ausstellung <strong>der</strong><br />

Wiener Secession von 1902. Die<br />

Secession verfolgte hier die Idee<br />

des Gesamtkunstwerks, in <strong>der</strong><br />

Architektur, Dekoration und<br />

bildende Kunst ein „Raum-Kunstwerk“<br />

ergeben sollten. Gustav<br />

Prometheus<br />

Unsterblicher Titan aus <strong>der</strong> antiken<br />

Mythologie, Schöpfer des<br />

Menschen geschlechts, <strong>der</strong> entgegen<br />

den Willen <strong>der</strong> olympischen<br />

Götter den Menschen das Feuer<br />

brachte und sie mit Weisheit und<br />

Kunstfertigkeit ausstattete. Zur<br />

Strafe an einen Fels gekettet,<br />

wurde ihm jeden Tag auf’s Neue<br />

von einem Adler die Leber aufgefressen.<br />

In <strong>der</strong> Neuzeit wurde <strong>der</strong><br />

gefesselte Prometheus in <strong>der</strong><br />

Literatur und Kunst häufig als leiden<strong>der</strong><br />

Märtyrer im Kampf für die<br />

wissenschaftliche, technische und<br />

künstlerische Selbstbehauptung<br />

des Menschen aufgefasst. Im<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde<br />

Prometheus auch zum Inbegriff<br />

des Rebellen im Freiheitskampf<br />

gegen göttliche Autoritäten<br />

erhöht.<br />

Das Dionysische und das<br />

Apollinische<br />

Friedrich Nietzsche stellt in seiner<br />

Richard Wagner gewidmeten<br />

Schrift Über die Geburt <strong>der</strong><br />

Tragödie (1872) seine Ansichten<br />

zur antiken Kultur dar, die ihm<br />

zufolge nicht nur von einer<br />

harmonischen und rationalen<br />

Gestaltungskraft ge prägt war,<br />

son<strong>der</strong>n auch das Zügellos-<br />

Rauschhafte umfasste. Die<br />

bildende Kunst, verbunden mit<br />

dem antiken Gott Apollon, stand<br />

für ihn für das Helle und Verstandesmäßige<br />

des Menschen, die<br />

Musik, verbunden mit dem Gott<br />

Dionysos, für das Rauschhafte<br />

und seine dunklen Seiten. In <strong>der</strong><br />

Verbindung <strong>der</strong> beiden Kräfte, so<br />

<strong>der</strong> junge Nietzsche in Anlehnung<br />

an Wagners Ideen zum Gesamtkunstwerk,<br />

würde <strong>der</strong> Mensch<br />

zu einer wahren, neuen Kunst und<br />

darüber hinaus zu einem neuen<br />

Lebensentwurf finden.<br />

Prometheus vereine in sich die<br />

beiden Naturen und verkörpere<br />

damit den genialen Schöpfer und<br />

Künstler.

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