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Wagner- geburtstagskonzert II - Staatskapelle Dresden

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<strong>Wagner</strong>-<br />

Geburtstagskonzert <strong>II</strong><br />

Saison 2012 2013<br />

Zum 200. Geburtstag von Richard <strong>Wagner</strong><br />

Christian Thielemann Dirigent<br />

Jonas Kaufmann Tenor


ortswechsel.<br />

<strong>Wagner</strong>-<br />

Geburtstagskonzert <strong>II</strong><br />

Saison 2012 2013<br />

Zum 200. Geburtstag von Richard <strong>Wagner</strong><br />

Christian Thielemann Dirigent<br />

Jonas Kaufmann Tenor<br />

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Dienstag 21.5.13 21 Uhr | Semperoper <strong>Dresden</strong><br />

PROGRAMM<br />

<strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong><br />

In Zusammenarbeit mit den Dresdner Musikfestspielen<br />

Christian Thielemann<br />

Dirigent<br />

Jonas Kaufmann<br />

Tenor<br />

Richard <strong>Wagner</strong> (1813-1883)<br />

Ouvertüre zur Romantischen Oper<br />

»Der fliegende Holländer« WWV 63<br />

mit Konzertschluss (Fassung 1860)<br />

»Eine Faust-Ouvertüre« WWV 59 (2. Fassung, 1855)<br />

Gebet des Rienzi (»Allmächt’ger Vater«)<br />

aus der Großen tragischen Oper<br />

»Rienzi, der Letzte der Tribunen« WWV 49<br />

Ouvertüre zu »Rienzi«<br />

Pa u s e<br />

Richard <strong>Wagner</strong><br />

Vorspiel zur Romantischen Oper »Lohengrin« WWV 75<br />

Richard <strong>Wagner</strong> zum 200. Geburtstag<br />

Am Vorabend des <strong>Wagner</strong>-Geburtstags widmen sich Christian Thielemann,<br />

der gefeierte Tenor Jonas Kaufmann und die Sächsische <strong>Staatskapelle</strong><br />

den Dresdner Uraufführungsopern des Jubilars. Erklingen sollte<br />

ursprünglich auch ein neues Werk des Capell-Compositeurs Hans Werner<br />

Henze, das unter dem (vorläufigen) Titel »Isoldes Tod« Gestalt annahm:<br />

eine Reverenz an den früheren Dresdner Hofkapellmeister <strong>Wagner</strong>. Nach<br />

dem plötzlichen Tod Henzes blieb das Auftragswerk der Osterfestspiele<br />

Salzburg und der <strong>Staatskapelle</strong> unvollendet. Und so hat Christian Thielemann<br />

für das Programm ein anderes aus der Reihe der jüngsten Orchesterstücke<br />

Henzes ausgewählt: »Fraternité«, das eine zentrale Idee der<br />

Aufklärung zur musikalischen Botschaft erhebt.<br />

Gralserzählung des Lohengrin (»In fernem Land«)<br />

aus »Lohengrin« (Urfassung)<br />

Hans Werner Henze (1926-2012)<br />

»Fraternité«, Air pour l’orchestre (1999)<br />

Richard <strong>Wagner</strong><br />

Romerzählung des Tannhäuser (»Inbrunst im Herzen«)<br />

aus der Großen romantischen Oper »Tannhäuser und der<br />

Sängerkrieg auf Wartburg« WWV 70 (Dresdner Fassung)<br />

Ouvertüre zu »Tannhäuser«<br />

Gesangstexte ab Seite 37<br />

Das Konzert wird von UNITEL aufgezeichnet und auf ARTE Live Web<br />

sowie Auf UNITEL CLASSICA live bzw. live-zeitversetzt ausgestrahlt.<br />

Ausschnitte des Konzerts sind am 22. Mai 2013 um 22.30 Uhr im ORF<br />

und am 26. Mai 2013 um 18.30 Uhr auf ARTE zu sehen.<br />

Audio-Übertragung des Konzerts auf MDR Figaro und MDR Klassik<br />

am 24. Mai 2013 um 20.05 Uhr<br />

ZUGABE<br />

Richard <strong>Wagner</strong><br />

Einzug der Gäste (»Freudig begrüßen wir«) aus »Tannhäuser«<br />

(Sächsischer Staatsopernchor <strong>Dresden</strong>,<br />

Einstudierung: Chordirektor Pablo Assante)<br />

2 3 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Christian Thielemann<br />

Chefdirigent der<br />

Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

Er ist »angekommen« in <strong>Dresden</strong>: Seit Beginn dieser Saison leitet<br />

Christian Thielemann als Chefdirigent die Sächsische <strong>Staatskapelle</strong>.<br />

Ein »neues Mekka der Musikfreunde«, befand die F.A.Z. nach den<br />

umjubelten Antrittskonzerten Thielemanns, in denen er die Musiker<br />

auf die »Höhe ihres ruhmreichen Wunderharfenklanges« führte.<br />

Gefeiert von Presse und Publikum wurden Christian Thielemann und die Kapelle<br />

jüngst auch bei den Osterfestspielen Salzburg, bei denen der gebürtige<br />

Berliner mit »seinen« Dresdnern ein neues Kapitel in der Festspielgeschichte<br />

eröffnete: Es war der erste Festivaljahrgang mit Thielemann als Künstlerischem<br />

Leiter der Osterfestspiele und mit der <strong>Staatskapelle</strong> als Residenzorchester<br />

dieses einst von Herbert von Karajan gegründeten Musikereignisses.<br />

Seine Laufbahn begann Christian Thielemann 1978 in seiner Heimatstadt<br />

als Korrepetitor an der Deutschen Oper Berlin. Nach Stationen in<br />

Gelsenkirchen, Karlsruhe und Hannover wirkte er als Erster Kapellmeister<br />

an der Düsseldorfer Rheinoper, ehe er 1988 jüngster Generalmusikdirektor<br />

Deutschlands in Nürnberg wurde. Von 1997 bis 2004 leitete er als GMD die<br />

Deutsche Oper Berlin, von 2004 bis 2011 die Münchner Philharmoniker.<br />

Als einer der gefragtesten Dirigenten der Gegenwart pflegt Christian<br />

Thielemann ein breites Repertoire, das von Bach bis zu Henze und Gubaidulina<br />

reicht. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit den Berliner und<br />

den Wiener Philharmonikern sowie mit den Bayreuther Festspielen. Seit<br />

seinem Bayreuth-Debüt im Sommer 2000 (»Meistersinger«) hat er den »Grünen<br />

Hügel« alljährlich durch Maßstab setzende Interpretationen geprägt;<br />

seit 2010 ist er auch musikalischer Berater der Bayreuther Festspiele. Im<br />

Rahmen seiner vielfältigen Konzerttätigkeit dirigierte Thielemann u.a. die<br />

großen Orchester in Amsterdam, London, New York, Chicago und Philadelphia,<br />

ebenso gastierte er in Israel, Japan und China. 2012 wurde er in der<br />

Fachzeitschrift »Opernwelt« zum »Dirigenten des Jahres« gewählt.<br />

Die Diskografie Christian Thielemanns als Exklusiv-Künstler der<br />

UNITEL ist umfangreich. Mit den Wiener Philharmonikern spielte er sämtliche<br />

Beethoven-Symphonien auf CD und DVD ein. Sein Brahms-Zyklus mit<br />

der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> erscheint ebenfalls auf CD und DVD. Christian<br />

Thiele mann ist Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London,<br />

zudem wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik »Franz<br />

Liszt« Weimar und der Katholischen Universität Leuven (Belgien) verliehen.<br />

4 5 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Jonas Kaufmann Tenor<br />

Seit seinem Sensations-Debüt 2006 an der Metropolitan Opera in<br />

New York als Alfredo in »La Traviata« gehört Jonas Kaufmann zu<br />

den Topstars der Opernwelt. Die internationale Presse kürte ihn<br />

zum »neuen König der Tenöre«, Insider feiern ihn als den bedeutendsten<br />

deutschen Tenor seit Fritz Wunderlich.<br />

Jonas Kaufmann studierte in seiner Heimatstadt München. Nach ersten<br />

Bühnenjahren in Saarbrücken und Engagements in Stuttgart, Frankfurt,<br />

Hamburg und Mailand ging er 2001 an das Opernhaus Zürich. Von dort aus<br />

begann seine internationale Karriere: Auftritte bei den Salzburger Festspielen,<br />

an der Lyric Opera of Chicago, der Pariser Opéra, in Covent Garden, an<br />

der Scala, den Staatsopern in Berlin und Wien sowie an der Met. Sein Debüt<br />

bei den Bayreuther Festspielen gab er 2010 als Lohengrin. Gefragt ist Kaufmann<br />

indes nicht allein im deutschen Repertoire, sondern genauso im italienischen<br />

und französischen – als Werther, Cavaradossi, Faust oder José.<br />

Neben den stimmlichen Qualitäten Kaufmanns ist es immer wieder<br />

die totale Hingabe, die bei Presse und Publikum Begeisterung auslöst. Der<br />

Tenor liebt es, zerrissene Charaktere zu verkörpern, sich ganz in die Welt seiner<br />

Figuren hineinzuversetzen, ihr Denken und Fühlen glaubhaft zu machen.<br />

So wie bei seinem Rollendebüt als Siegmund an der Met vor zwei Jahren. Die<br />

Neuproduktion, auf DVD veröffentlicht, gibt die besonderen Qualitäten von<br />

Kaufmanns <strong>Wagner</strong>-Interpretationen en detail zu erkennen: die Verschmelzung<br />

von »deutscher« Ausdruckskraft und italienischer Stimmführung.<br />

2013 stehen natürlich <strong>Wagner</strong> und Verdi im Mittelpunkt von Kaufmanns<br />

künstlerischen Aktivitäten. Nach den Titelrollen im »Lohengrin« im<br />

Dezember an der Scala sowie im »Parsifal« im Frühjahr in New York und<br />

Wien war er kürzlich als Don Carlos in London zu erleben – eine Partie, die<br />

er auch an der Bayerischen Staatsoper und in Salzburg übernehmen wird.<br />

Zum Auftakt der diesjährigen Münchner Opernfestspiele singt Jonas Kaufmann<br />

den Manrico im »Trovatore«, wiederum an der Bayerischen Staatsoper<br />

ist er am Jahresende erstmals als Alvaro in »La forza del destino« zu hören.<br />

Weltweit erfolgreich ist Jonas Kaufmann, der zahlreiche CDs und<br />

DVDs vorgelegt hat und mehrfach zum »Sänger des Jahres« gekürt wurde,<br />

auch auf dem Konzert- und Liedpodium. Der Liedgesang ist für ihn »die<br />

Königsklasse des Singens«. Eine langjährige künstlerische Partnerschaft<br />

verbindet ihn mit dem Pianisten und kongenialen Liedbegleiter Helmut<br />

Deutsch, mit dem er 2011 auch an der Met gastierte: Es war das erste Solo-<br />

Recital, das nach Luciano Pavarotti (1994) an diesem Haus gegeben wurde.<br />

6 7 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


ichard <strong>Wagner</strong> und<br />

die Königliche kapelle<br />

Der Musikdramatiker<br />

in <strong>Dresden</strong><br />

Richard <strong>Wagner</strong>, STele aus Marmor von Gustav Adolph Kietz (1892)<br />

in der Semperoper (teilansicht)<br />

Veranlasst durch die Annahme seiner Oper »Rienzi, der Letzte<br />

der Tribunen« am Königlichen Hoftheater, kam Richard <strong>Wagner</strong><br />

mit seiner Frau Christiane Wilhelmine (Minna), geborene<br />

Planer, Anfang der 1840er Jahre nach <strong>Dresden</strong>. In dieser Stadt<br />

hatte er bereits einen wesentlichen Teil seiner Kindheit verlebt,<br />

Minna war hier aufgewachsen. Nach mehreren Stationen u.a. als Theaterkapellmeister<br />

in Bad Lauchstädt, Magdeburg, Königsberg, Riga und Mitau<br />

hatten sich knapp zwei Jahre in Paris angeschlossen, wo es dem jungen<br />

Musiker aber nicht gelang, eine Anstellung zu finden oder gar ein eigenes<br />

Werk zur Aufführung zu bringen. Minna und er lebten kümmerlich von<br />

kleinen Einnahmen, die <strong>Wagner</strong> als Musikschriftsteller und Bearbeiter von<br />

Klavierauszügen erzielte, sowie von Zuwendungen aus Freundeshand. Die<br />

geplante Dresdner Uraufführung des »Rienzi« im neu erbauten (ersten)<br />

Theater Gottfried Sempers erschien beiden als Verheißung, in die sächsische<br />

Heimat zurückkehren zu können.<br />

»Rienzi« ist zwar nicht eigentlich in Sachsen entstanden, hier aber<br />

tief verwurzelt. 1837, während einer Ehekrise, als <strong>Wagner</strong> seiner Frau<br />

Minna von Königsberg nach <strong>Dresden</strong> folgte, wohin sie zu ihren Eltern geflohen<br />

war, logierten beide vorübergehend im Gasthof Blasewitz (heute<br />

das Seniorenzentrum am Blauen Wunder). Minna floh von hier ein zweites<br />

Mal. Während ihr Mann auf ein Lebenszeichen von ihr wartete, befasste<br />

er sich mit der Lektüre eines Romans von Edward George Lord Bulwer-<br />

Lytton (1803-1873): »Rienzi, the last of tribunes«. 1836 war davon eine<br />

deutsche Übersetzung im Zwickauer Verlag Schumann erschienen, die<br />

8 9 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


<strong>Wagner</strong> zweifellos vorgelegen hat.<br />

Dieser sächsische Verlag, der auf<br />

die Herausgabe fremdländischer<br />

Literatur spezialisiert war, gehörte<br />

seit dem Tod von Robert Schumanns<br />

Vater im Jahr 1826 dessen Bruder,<br />

Roberts Onkel. Der Stoff regte den<br />

24-jährigen <strong>Wagner</strong> zum Entwurf<br />

einer großen Oper an; alsbald folgte<br />

die Ausarbeitung des Librettos, das<br />

<strong>Wagner</strong>, gleich allen seinen Bühnentexten,<br />

selbst schrieb (etwas,<br />

was zu den Besonderheiten dieses<br />

großen Musikdramatikers zählt).<br />

Text und Musik des »Rienzi« reiften<br />

an den nächsten Lebensstationen<br />

des inzwischen wiedervereinten<br />

Ehepaares und wurden in Paris<br />

vollendet. Durch die Dresdner Ur -<br />

aufführung des Werkes am 20. Oktober<br />

1842 schloss sich dann der<br />

Kreis am Ort von dessen erster<br />

Ideenfindung.<br />

Triumphale Erfolge in <strong>Dresden</strong><br />

»Rienzi, der Letzte<br />

der Tribunen«<br />

Entstehung der Oper<br />

Text ab Juni 1837 in <strong>Dresden</strong> oder<br />

Blasewitz (damals noch eigenständig),<br />

Mitau, Riga und Paris, Musik zwischen<br />

Sommer 1838 und 19. November 1840<br />

in Riga und Paris; im Zuge der ersten<br />

Aufführungen in <strong>Dresden</strong> und in der<br />

Folgezeit unterschiedlichste Kürzungen,<br />

Erscheinen des Erstdrucks im<br />

Juli 1844<br />

Widmung<br />

König Friedrich August <strong>II</strong>. von Sachsen<br />

»in tiefster Ehrfurcht«<br />

Uraufführung<br />

am 20. Oktober 1842 im Königlichen<br />

Hoftheater in <strong>Dresden</strong> (Hoftheater-<br />

Singechor, Hofkapelle, Dirigent:<br />

Carl Gottlieb Reißiger, Regisseur<br />

und Chordirektor: Willhelm<br />

Fischer, Kostüme: Ferdinand Heine,<br />

Ballettmeister: Joseph Lepitre)<br />

Buchstäblich über Nacht wurde der bisher unbekannte Komponist mit dieser<br />

Uraufführung berühmt. <strong>Wagner</strong>s »Rienzi« stellte zugleich das erste große<br />

Ereignis im neuen Theaterbau dar, unterstützt von so ausgezeichneten Sängern<br />

wie Wilhelmine Schröder-Devrient und Joseph Tichatscheck, einer<br />

üp pigen Bühnenausstattung und, keineswegs zuletzt, von der Königlichen<br />

musikal ischen Kapelle. Nach den ersten, von Kapellmeister Carl Gottlieb Reißiger<br />

geleiteten Vorstellungen wurde <strong>Wagner</strong> selbst das Dirigat übertragen.<br />

Angeregt durch den »Rienzi«-Erfolg bot die Generaldirektion der<br />

Hofkapelle und des Hoftheaters <strong>Wagner</strong> die alsbaldige Uraufführung eines<br />

weiteren Bühnenwerkes an. Ein solches lag bereits vor: der ebenfalls in<br />

Paris vollendete »Fliegende Holländer«, den sein Autor beim Berliner Hoftheater<br />

eingereicht hatte, nun aber von dort zugunsten <strong>Dresden</strong>s zurückzog.<br />

<strong>Wagner</strong> konnte das Werk am 2. Januar 1843 im Semper’schen Hoftheater<br />

am Pult der Kapelle selbst aus der Taufe heben, und genau einen Monat<br />

später erhielt er die Position eines Königlich Sächsischen Kapellmeisters.<br />

Damit hatte er erstmals seit seiner durch drückende Schuldenlast bedingten<br />

»Der fliegende Holländer«<br />

Entstehung der Oper<br />

nach ersten Entwürfen Mitte 1840<br />

Erstellung des Textbuches bis<br />

Mai/Juni 1841 in Paris, Komposition<br />

zwischen Juli und November 1841<br />

ebenfalls in Paris; noch vor der<br />

Dresdner Uraufführung grundlegende<br />

Änderungen (u.a. Versetzung des<br />

Schauplatzes von Schottland nach<br />

Norwegen), in den Folgejahren<br />

zahlreiche Retuschen, vor allem 1846,<br />

1852 und 1860, Veröffentlichung des<br />

Erstdrucks der Partitur im Januar 1845<br />

Widmung<br />

autografe Partitur: Franz Liszt<br />

(»Seinem besten Freunde«),<br />

Erstdruck des Klavierauszugs (1844):<br />

Ida von Lüttichau, Gattin des Dresdner<br />

Hoftheaterdirektors Wolf Adolph<br />

August von Lüttichau<br />

Uraufführung<br />

am 2. Januar 1843 im Königlichen<br />

Hoftheater in <strong>Dresden</strong> (Hoftheater-<br />

Singechor, Hofkapelle, Dirigent:<br />

Richard <strong>Wagner</strong>, Regisseur und<br />

Chordirektor: Wilhelm Fischer,<br />

Kostüme: Ferdinand Heine)<br />

Flucht aus Mitau (1839) wieder eine<br />

gesicherte Existenz – und auf welcher<br />

Höhe, verglichen mit <strong>Wagner</strong>s<br />

bisherigen Stationen! Er stand nun,<br />

gemeinsam mit dem dienstälteren<br />

Reißiger, als musikalischer Leiter an<br />

der Spitze der in ganz Deutschland<br />

als führendes Orchester anerkannten<br />

Dresdner Hofkapelle und konnte mit<br />

vorzüglichen Sängern und einem<br />

leistungsfähigen Chor auf einer<br />

großen, modernen, häufig prachtvoll<br />

ausgestatten Bühne Opern zur Aufführung<br />

bringen und sich außerdem<br />

mit Reißiger die Leitung von Konzerten<br />

der Kapelle teilen.<br />

Die eigentliche Hauptaufgabe<br />

der Hofkapellmeister, das<br />

nahezu tägliche Dirigieren der Hofkirchenmusiken,<br />

geriet allerdings<br />

bei <strong>Wagner</strong> sehr ins Hintertreffen;<br />

teils scheint ihm schon im Vertrag<br />

die Verminderung diesbezüglicher<br />

Dienste zugebilligt worden zu sein,<br />

teils kam es vor, dass er über dem<br />

Komponieren zu Hause vergaß, dass<br />

er eigentlich eine Messe aufzuführen<br />

hatte. Reißiger und der Musikdirektor<br />

August Röckel mussten oft genug für <strong>Wagner</strong> einspringen, und<br />

zusätzlich suchte dieser bei der Generaldirektion bzw. beim König um Urlaub<br />

nach, um mit seiner Frau Minna zur Kur oder in eine Sommerfrische zu<br />

fahren und dort sein Schaffen zu befördern. Dass ihm die Urlaube gewährt<br />

wurden, ist als sehr großzügig anzusehen, denn damals gab es noch keinen<br />

regulären Jahresurlaub, und die im ganzjährigen Musikbetrieb von <strong>Wagner</strong><br />

nicht geleisteten Dienste fielen auf die Schultern von Reißiger und Röckel.<br />

In seiner Autobiografie »Mein Leben« überging <strong>Wagner</strong> diese Vergünstigungen,<br />

die er der Anerkennung seines Genies verdankte, großzügig<br />

und entwarf vor allem von seinem Vorgesetzten, dem Generaldirektor Wolf<br />

Adolph August von Lüttichau, ein reichlich negatives Bild, das von der <strong>Wagner</strong>-Literatur<br />

teilweise heute noch weitergetragen wird. Ebenso betrachtet<br />

das Musikschrifttum das abrupte Ende des Dresdner Dienstverhältnisses im<br />

Mai 1849 einseitig unter dem Aspekt von <strong>Wagner</strong>s revolutionärem Tun. Tat-<br />

10 11 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Bratschenstimme aus der Uraufführung des »Fliegenden Holländer«<br />

Ein Teil des Orchestermaterials, das die Königliche musikalische Kapelle<br />

unter der Leitung <strong>Wagner</strong>s bei der Premiere spielte, befindet sich im Besitz<br />

der Notenbibliothek der Semperoper. Die Uraufführungsstimmen, angefertigt<br />

im November/Dezember 1842, wurden bis in das 20. Jahrhundert hinein,<br />

zum Teil bis 1967, in »Holländer«-Aufführungen genutzt, wie die Bleistifteintragungen<br />

von Orchestermusikern zeigen (linke Seite).<br />

12 13 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


schen Ländern und einem weiteren Jahr aus Sachsen, gehen musste, bis er<br />

1864 im jungen bayerischen König Ludwig <strong>II</strong>. den Mäzen fand, der seinem<br />

Leben die ersehnte Wendung gab. Die Folgen von <strong>Wagner</strong>s Vorgehen 1849<br />

waren nicht nur für diesen selbst (und für seine Ehe) verheerend, sondern<br />

bedeuteten auch für die aufgeblühte hochrangige Pflege seiner Werke in<br />

<strong>Dresden</strong> eine jahrelange Unterbrechung. Immerhin bewirkten Künstler wie<br />

der Tenor Tichatscheck, dass bereits 1853, inmitten der Verbannungszeit,<br />

der so erfolgreiche »Rienzi« in <strong>Dresden</strong> wieder gegeben werden konnte,<br />

allmählich gefolgt von weiteren <strong>Wagner</strong>-Werken.<br />

<strong>Wagner</strong> als Komponist in <strong>Dresden</strong><br />

Der »Tannhäuser« in der Semperoper:<br />

Lünette im oberen zwingerseitigen Vestibül<br />

Dargestellt ist die 3. Szene des 1. Aktes. Die Bühnenanweisungen <strong>Wagner</strong>s sind<br />

detailgetreu nachempfunden: »Tannhäuser … befindet sich plötzlich in ein<br />

schönes Tal versetzt. Blauer Himmel, heitere Sonnenbeleuchtung. – Rechts im<br />

Hintergrunde die Wartburg … Rechts führt auf der halben Höhe des Tales ein<br />

Bergweg von der Richtung der Wartburg her nach dem Vordergrunde zu …<br />

in demselben Vordergrunde ist ein Muttergottesbild, zu welchem ein niedriger<br />

Bergvorsprung hinaufführt. – Von der Höhe links vernimmt man das Geläute<br />

von Herdeglocken; auf einem hohen Vorsprunge sitzt ein junger Hirt mit der<br />

Schalmei dem Tale zugekehrt. … Man hört den Gesang der älteren Pilger, welche<br />

… auf dem Bergwege sich nähern. … [Tannhäuser] auf den Knien, wie in<br />

brünstiges Gebet versunken: ›Ach, schwer drückt mich der Sünden Last, kann<br />

länger sie nicht mehr ertragen; drum will ich auch nicht Ruh’ noch Rast, und<br />

wähle gern mir Müh’ und Plagen …‹«<br />

sächlich bestand sein Vergehen aber nicht weniger im unerlaubten Verlassen<br />

seines Arbeitsplatzes (am Dresdner Hof stets mit Entlassung geahndet!)<br />

als in seinen aufrührerischen – und seiner Dienstverpflichtung zuwiderlaufenden<br />

– Aktivitäten. Es ist erwiesen, dass der Dresdner Polizei-Vorstand bei<br />

Ehefrau Minna vorsprach mit der Aufforderung, ihren Mann zur Rückkehr<br />

zu bewegen, bevor der gegen ihn vorbereitete Steckbrief veröffentlicht werden<br />

müsse. Wer weiß: Vielleicht hätte es bei sofortigem Wiedererscheinen<br />

eine Begnadigung für <strong>Wagner</strong> gegeben ...<br />

Aber <strong>Wagner</strong> war der Pflichten seines Amtes überdrüssig, er wollte<br />

nur seinen Schöpfungen leben. Sicher ahnte er damals nicht, welche Irrwege<br />

er, unter Inkaufnahme von zwölf Jahren Verbannung aus allen deut-<br />

Im Sommer 1843, spätestens im »Tannhäuser und der<br />

Juli, begann <strong>Wagner</strong> mit der Komposition<br />

seines »Tannhäuser«, dessen<br />

Sängerkrieg auf Wartburg«<br />

Entstehung der oper<br />

Text er bereits im Vorjahr während<br />

Text und Musik zwischen Juni 1842<br />

eines Kuraufenthaltes mit Minna, und April 1845 in Aussig, Teplitz<br />

Hund und Papagei in Teplitz entworfen<br />

und auszuführen begonnen noch 1845, Revisionen in <strong>Dresden</strong> und<br />

und <strong>Dresden</strong>, Vorliegen des Erst drucks<br />

hatte. Schon bald nach der Fertigstellung,<br />

am 19. Oktober 1845, ging chenen Partitur im Juni 1860 (»Dresd-<br />

später in Zürich bis zur ersten gestodie<br />

»Große romantische Oper« unter ner Fassung«); weitere Arbeiten in<br />

<strong>Wagner</strong>s Leitung über die Dresdner<br />

Paris in Vorberei tung der dortigen<br />

Aufführungen im März 1861, Fortsetzung<br />

der Be schäfti gung mit dem Werk<br />

Bühne. Zwischendurch waren noch<br />

»Das Liebesmahl der Apostel« und<br />

bis über die Auf führungen in München<br />

kleinere Kompositionen entstanden<br />

im August 1867 und in Wien im November<br />

1875 hinaus (»Pariser Fassung«)<br />

und erklungen, die aus Paris mitgebrachte<br />

»Faust-Ouvertüre« hatte am<br />

Widmung<br />

22. Juli 1844 durch die Königliche<br />

der gestochenen Partitur an Camille<br />

Kapelle im Palais im Großen Garten<br />

Erard, Witwe des Pariser Klavierbauers<br />

ihre Uraufführung erlebt – alles<br />

unter <strong>Wagner</strong>s Leitung.<br />

Uraufführung<br />

Blättert man in den Pressestimmen<br />

der damaligen Zeit, so<br />

Hoftheater in <strong>Dresden</strong> (Hoftheateram<br />

19. Oktober 1845 im Königlichen<br />

Singechor, Hofkapelle, Dirigent:<br />

findet man zwar Vorbehalte und<br />

Richard <strong>Wagner</strong>, Regisseur und<br />

Einwände (die meisten in <strong>Dresden</strong>!),<br />

Chordirektor: Wilhelm Fischer,<br />

jedoch überwiegend große Zustimmung,<br />

ja Bewunderung für den<br />

Bühnenbilder: Edouard-Désiré-Joseph<br />

Despléchin, Kostüme: Ferdinand Heine)<br />

»genialen Componisten«, den Dirigenten,<br />

die Kapelle, die Sänger und die »brillanten« Ausstattungen. <strong>Wagner</strong>,<br />

der seine hohen Maßstäbe in Paris gewonnen hatte, konnte glücklich sein<br />

über einen Wirkungskreis mit den Dresdner Gegebenheiten. Dabei war im<br />

14 15 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Jahre 1831, bei Errichtung der konstitutionellen Monarchie in Sachsen, der<br />

gesamte Unterhalt von Kapelle und Theater auf die königliche Privatschatulle<br />

übergegangen, das heißt, es gab keine speziellen Zuschüsse vom Land und<br />

daher oft genug finanzielle Engpässe bei der Generaldirektion. Lüttichau war<br />

weder verständnislos noch knauserig: Sein Budget durfte er nicht überziehen,<br />

und so wurde quasi jeder Taler den dringendsten Bedürfnissen entsprechend<br />

verteilt. Letztlich waren es der hohe Rang und die alte, ungebrochene<br />

Tradition der Hofkapelle, an denen man festhielt und die man bei allmählich<br />

wachsendem Wohlstand Sachsens (und vermehrten Zuwendungen an die<br />

königliche Zivilliste) bis zum Ende der Monarchie bewahren konnte.<br />

Noch während der Ausarbeitung des »Tannhäuser« bewegte <strong>Wagner</strong><br />

ein neuer Stoff: »Lohengrin«. Der Text nahm zwischen Sommer und November<br />

1845 in Marienbad und <strong>Dresden</strong> Gestalt an, die Vertonung folgte vom<br />

Frühjahr 1846 bis zum April 1848, mit einer ersten Phase in Graupa, wo die<br />

<strong>Wagner</strong>s neun Wochen lang im Schäferschen Gut wohnten – es wurde als<br />

sogenanntes »Lohengrin-Haus« später zum ersten <strong>Wagner</strong>-Museum weltweit.<br />

Auch diese »Romantische Oper« sollte selbstverständlich im Dresdner<br />

Hoftheater uraufgeführt werden. Ab 1848 mehrten sich jedoch die Hindernisse,<br />

die sich vorwiegend aus<br />

<strong>Wagner</strong>s politischem Engagement »Lohengrin«<br />

ergaben. Zwar schrieb der Revolutionär<br />

einen Brief an den König,<br />

Entstehung der oper<br />

Entwurf und Dichtung des Textes<br />

der erklärend und beschwichtigend<br />

spätestens ab Juli/August 1845 bis<br />

wirken und vor allem Zweifel an<br />

November 1845 in Marienbad und<br />

<strong>Wagner</strong>s Loyalität ausräumen sollte. <strong>Dresden</strong>, Hauptarbeiten an der<br />

Zudem erbat und erhielt er Urlaub, Komposition ab Frühjahr 1846 bis<br />

um etwas Gras über seine »Unbesonnenheit«<br />

wachsen zu lassen, und <strong>Dresden</strong>, Auslieferung der gedruckten<br />

April 1848 in Graupa bei <strong>Dresden</strong> und in<br />

verreiste. Der anschließende Antrag Partitur im August 1852; mit Ausnahme<br />

auf eine Gehaltserhöhung erfolgte kleinerer Konzertarrangements keine<br />

Arbeiten mehr an der Partitur ab 1853<br />

allerdings zu einem denkbar ungünstigen<br />

Zeitpunkt. Immerhin<br />

Widmung<br />

bekam <strong>Wagner</strong> eine Einmalzuwendung<br />

von 300 Talern zu seinem<br />

»Seinem lieben Freunde Franz Liszt«<br />

Uraufführung<br />

Jahresgehalt von 1.500 Talern (das<br />

der Schluss des 1. Aktes konzertant am<br />

war keine niedrige Bezahlung, wie<br />

22. September 1848 im Königlichen<br />

<strong>Wagner</strong> in »Mein Leben« behauptet:<br />

Hoftheater in <strong>Dresden</strong> (Hoftheater-<br />

Der sächsische Silbertaler war<br />

Singechor, Hofkapelle, Diri gent:<br />

hochwertig, das Basisgehalt eines Richard <strong>Wagner</strong>); vollständige Bühnenaufführung<br />

am 28. August 1850<br />

Kapellmusikers betrug 300 Taler).<br />

Auch war ihm der Hof behilflich, in in Weimar im Großherzoglichen Hofsein<br />

mitgebrachtes Schuldenwesen Theater (Dirigent: Franz Liszt)<br />

16 17 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Ordnung zu bringen und dieses<br />

abzutragen, wie es zur Reputation<br />

eines Staatsangestellten – und ein<br />

solcher war <strong>Wagner</strong> – gehörte.<br />

Wegen <strong>Wagner</strong>s fortgesetzten<br />

politischen Aktivitäten hielt es<br />

Generaldirektor von Lüttichau für<br />

opportun, die Vorbereitungen für<br />

»Lohengrin« zu unterbrechen und<br />

die bereits bestellten Dekorationen<br />

vorläufig abzubestellen. Bekanntlich<br />

aber eskalierten die Ereignisse,<br />

Wag ner schloss sich Revolutionären<br />

wie Röckel, Bakunin, Semper an<br />

und verließ am 9. Mai 1849 heimlich<br />

das verbarrikadierte <strong>Dresden</strong>.<br />

Nach einigen Wechseln<br />

zwischen der Schweiz und Frankreich<br />

ließ sich <strong>Wagner</strong> schließlich<br />

in Zürich nieder, wohin auch Minna<br />

nachreiste. In seinem Schweizer Exil<br />

verfasste und publizierte er mehrere<br />

Schriften und betätigte sich, nicht<br />

»Eine Faust-Ouvertüre«<br />

Entstehung<br />

um die Jahreswende 1839/1840 in<br />

Paris als erster Satz einer geplanten<br />

»großen Faustsymphonie« (1. Fassung),<br />

kleinere Revisionen noch in Paris<br />

sowie später in der Dresdner Zeit, in<br />

der das Partiturmanuskript den Titel<br />

»Ouverture« erhielt; weitreichende<br />

Umarbeitung des Werkes, seit<br />

1852 angedacht, im Januar 1855 in<br />

Zürich (2. Fassung); Veröffentlichung<br />

des Erstdrucks unter dem Titel »Eine<br />

Faust-Ouverture« im Winter 1855<br />

Uraufführung<br />

1. Fassung: am 22. Juli 1844 als<br />

»Ouverture zu Göthes Faust (erster<br />

Theil)« im Palais des Großen Gartens<br />

in <strong>Dresden</strong> (Hofkapelle, Dirigent:<br />

Richard <strong>Wagner</strong>); 2. Fassung:<br />

am 23. Januar 1855 im Casino Zürich<br />

(Allgemeine Musikgesellschaft,<br />

Dirigent: Richard <strong>Wagner</strong>)<br />

zuletzt auf Anraten seines Freundes Franz Liszt, als Konzertdirigent. Die Bedingungen<br />

des Musizierens durfte er mit denjenigen in <strong>Dresden</strong> zwar keineswegs<br />

vergleichen, doch griff er auf sein dort erworbenes Repertoire zurück<br />

und stellte sogar eigene Werke vor: als aufwändigstes 1852 den »Fliegenden<br />

Holländer« szenisch, wozu er das originale Dresdner Stimmenmaterial geliehen<br />

bekam; der im Januar 1855 aufgeführten »Faust-Ouvertüre« gab er eine<br />

veränderte Fassung, und in dieser ist sie im Druck erschienen.<br />

Als der »Lohengrin« am 6. August 1859 auf die Dresdner Bühne<br />

kam, waren neun Jahre seit der Weimarer Uraufführung unter Franz Liszt<br />

vergangen; <strong>Wagner</strong> hatte soeben in der Schweiz seinen »Tristan« vollendet,<br />

seine Verbannungszeit aber noch nicht verbüßt …<br />

Die Werke des heutigen Geburtstagskonzerts<br />

Die Ouvertüre zu »Rienzi, der Letzte der Tribunen« schrieb <strong>Wagner</strong> als<br />

letzte Nummer des ganzen Werkes, er hatte bereits den vollen Überblick über<br />

das thematische Material. Und so überrascht die von ihm getroffene Themenwahl:<br />

In der langsamen Einleitung der Ouvertüre dominiert nach ausgehaltenen<br />

Trompetentönen, wie sie im 1. Akt der Ausrufung des Volkstribuns<br />

Uraufführung des »Rienzi« im Dresdner Hoftheater mit Joseph Tichatschek<br />

in der Hauptrolle und Wilhelmine Schröder-Devrient als Adriano, 1842<br />

vorangehen, die Musik zu Rienzis Gebet aus dem 5. Akt. Dort hat das Gebet<br />

die Funktion eines letzten Innehaltens vor der nicht mehr abwendbaren,<br />

letztlich selbstverschuldeten Katastrophe, ergreifend gedichtet und komponiert.<br />

Im raschen Hauptteil der Ouvertüre jedoch herrschen Jubeltöne vor,<br />

die, den Finali des 1. und 2. Aktes entnommen, glanzvoll-froh wirken und<br />

die Tragödie vergessen lassen. Im Finale des 5. Aktes der Oper bricht diese<br />

Tragödie umso unerbittlicher herein: Rienzis Gebet »Allmächt’ger Vater«<br />

war vergebens, der Tribun wird mit seiner Schwester Irene und deren treuem<br />

Geliebten Adriano unter den brennenden Trümmern des Kapitols begraben.<br />

Somit liefert die Ouvertüre ein Umkehrbild zum Verlauf des Dramas.<br />

Die Tondichtung »Eine Faust-Ouvertüre« zeigt <strong>Wagner</strong> als Instrumentalkomponisten.<br />

Sie wurde in Paris im Dezember 1839 und Januar 1840<br />

komponiert, also noch inmitten der Arbeiten am »Rienzi«. Formal der<br />

»Rienzi«-Ouvertüre ähnlich (und dieser vermutlich als eine Art Modell dienend),<br />

war sie allerdings für kein Bühnenwerk bestimmt, sondern, ergänzt<br />

durch weitere Sätze, für das Konzertpodium. <strong>Wagner</strong> plante eine vollständige<br />

Symphonie und nahm von Anfang an Bezug auf den 1. Teil von Goethes<br />

»Faust«, kam aber über Entwürfe zu einem zweiten Satz »Gretchen«<br />

nicht hinaus. Als der Dresdner Hofkapellmeister im Sommer 1844 ein<br />

Programm für das jährlich »zum Besten der Armen« im Palais des Großen<br />

Gartens bestimmte Konzert zusammenstellte, griff er zu jenem einzelnen<br />

vollendeten d-Moll-Satz, der erst jetzt den Titel »Ouverture« und die bei der<br />

18 19 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Königlichen Kapelle üblichen italienischen (statt der ursprünglich französischen)<br />

Instrumentenbezeichnungen erhielt. Auf dem Vorsatzblatt der<br />

Originalpartitur sind Angaben zu den zu kopierenden Stimmen erhalten,<br />

aus denen hervorgeht, dass die Kapelle bei der Uraufführung nur in ihrer<br />

damaligen Kernbesetzung antrat. 1855, im Schweizer Exil, hat <strong>Wagner</strong><br />

die Ouvertüre nicht nur etwas verändert, sondern ihr für die Veröffentlichung<br />

ein Motto aus Fausts Dialog mit Mephisto (1. Akt, Studierstube 2,<br />

Verse 1566-1571) beigegeben. Liszt, der <strong>Wagner</strong>s »Faust-Ouvertüre« später<br />

wiederholt aufführte, schuf seinerseits eine dreisätzige »Faust-Symphonie«,<br />

die zusammen mit <strong>Wagner</strong>s »Faust-Ouvertüre« zuletzt vor zwei Jahren in<br />

den Kapellkonzerten zu hören war.<br />

Einen ganz anderen Charakter besitzt die Ouvertüre zu »Der fliegende<br />

Holländer«. Sie kreist um die zentralen Gedanken der Oper: zum<br />

einen um die Themen des dem Teufel verfallenen Seefahrers, dessen Schiff<br />

bei stärksten Unwettern nicht sinkt und der nur alle sieben Jahre an Land<br />

gehen darf; zum anderen um die der liebenden Frau, die, aus Mitleid treu,<br />

mit ihm gemeinsam den ersehnten Tod sterben will. In der Opernhandlung<br />

selbst beherrschen diese Motive die große Szene des Holländers (»Die Frist<br />

ist um«) und die Ballade der Senta (»... doch kann dem armen Manne Erlösung<br />

einstens noch werden«), wie in der Ouvertüre umrahmt vom Tremolo<br />

hohler Quinten und den rasenden chromatischen Läufen des Orchesters, das<br />

die Seestürme schildert. Diese hat <strong>Wagner</strong> auf der dramatischen Flucht per<br />

Schiff von Riga nach England nur zu bedrohlich selbst erlebt und konnte<br />

ein geradezu naturalistisches Bild davon malen. Durch Konzentration auf<br />

die Sturm-Meer-Stimmung, auf den Monolog des Holländers und auf die<br />

teilweise dessen Motive aufnehmende Ballade der Senta ist <strong>Wagner</strong> mit der<br />

Ouvertüre eine geniale Komposition geglückt, im Grunde vorbildlos und<br />

auch bei ihm selbst in dieser dramatischen Konzentriertheit ohne Vergleich.<br />

Dabei kommt keines seiner künftigen Vorspiele ohne innige Verflechtung<br />

mit den Themen der jeweiligen Oper bzw. des Musikdramas aus.<br />

So bereits die Ouvertüre zu »Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg«.<br />

Auch in ihr entfällt die langsame Einleitung, denn der getragene<br />

Anfang besteht sogleich aus jenem Hauptthema, das den ersten Pilgerchor<br />

(1. Akt, 3. Szene) und ebenso den Schluss des Werkes bestimmt: »Der<br />

Gnade Heil ward dem Büßer beschieden«. Dieses Thema bleibt in der Ouvertüre<br />

in seinem Grundtempo gleich, obwohl sich sehr lebhaftes Rankenwerk<br />

im Orchester hinzugesellt. Unterbrochen wird es durch die Themen des<br />

Venusbergs (1. Akt, 1. Szene) und der Venus selbst – in der Ouvertüre den<br />

Soli von Klarinette und Violine übertragen (zweifellos ein Blick <strong>Wagner</strong>s auf<br />

das Können »seiner« Kapelle). Hier hinein gibt es, als weitere Einfügung,<br />

das Loblied Tannhäusers, das er auf der Wartburg vor Elisabeths Ohren<br />

auf die Venus singt (1. Akt, 4. Szene: »Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied<br />

Edles Beinkleid des Lohengrin:<br />

<strong>Wagner</strong>-Ausstellung in der Semperoper<br />

Eingebettet in die Optik des ersten Semperbaus, des Königlichen Hoftheaters<br />

zu Zeiten <strong>Wagner</strong>s, beleuchtet eine Ausstellung in den beiden oberen Vestibülen<br />

das gesamte Jubiläumsjahr 2013 über mit monatlich wechselnden Exponaten<br />

das Wirken <strong>Wagner</strong>s in <strong>Dresden</strong> als Komponist und Hofkapellmeis ter.<br />

Eröffnet wurde die Ausstellung im Januar mit der Präsentation des res tau rierten<br />

historischen Beinkleids, das um 1900 in Dresdner Aufführungen verschiedener<br />

<strong>Wagner</strong>-Opern zum Einsatz kam, u.a. dürfte Kammersänger Georg Anthes,<br />

von 1890 bis 1902 am Hoftheater engagiert, als Lohengrin die Hosenschuhe<br />

getragen haben. Anthes galt als einer der führenden <strong>Wagner</strong>-Tenöre seiner<br />

Zeit, dennoch musste er sich diese »Rüstfüße« in Schuhgröße 40 mit seinen<br />

Kollegen teilen. Ein buchstäblich schweres »Unterfangen«: Die Hosen, in deren<br />

Füßen komplette Lederschuhe eingearbeitet sind, wurden mit ca. 4.200 Nieten<br />

aus Messing benäht und weisen ein Eigengewicht von über zwei Kilogramm<br />

auf. Derzeit in der <strong>Wagner</strong>-Ausstellung zu sehen sind die Theaterzettel der<br />

Dresdner Uraufführungen des »Rienzi«, »Holländer« und »Tannhäuser«.<br />

20 21 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


ertönen«). Es folgt, quasi rückläufig, wiederum Venusberg-Musik, bis über<br />

einem mächtigen Orgelpunkt die Schluchzerfiguren der Bußgesänge und<br />

schließlich triumphal das Gnadenthema wiederkehren. Die Ouvertüre des<br />

»Tannhäuser« ist von der Dresdner Kapelle 1932, 87 Jahre nach der Dresdner<br />

Erstaufführung, unter der Leitung von Fritz Busch als früher Tonfilm<br />

produziert worden und war in manchen Kinos noch zu sehen und zu hören,<br />

als der Dirigent von den Nationalsozialisten bereits vertrieben war.<br />

Keinen thematischen Bezug zu den in der Ouvertüre ausgeführten<br />

Themen enthält Tannhäusers Romerzählung (3. Akt, 3. Szene). Sie ist<br />

ganz auf die Pilgerreise des Titelhelden konzentriert mit der dramatischen<br />

Schilderung der Selbstkasteiung auf der Hinreise, des erbarmungslos nur<br />

ihn allein treffenden Schuldspruchs durch den Papst und der Rückkehr, als<br />

deren Ziel der verstoßene Büßer ausschließlich den Venusberg sieht. Da<br />

kann er noch nicht wissen, dass Elisabeth ihn durch ihr Sterben erlösen und<br />

er ihr, wunderbar begnadigt, in den Tod folgen wird.<br />

Unabweisbar der Königlichen Kapelle »auf den Leib geschrieben«<br />

hat <strong>Wagner</strong> sein nächstes Bühnenwerk, den »Lohengrin«, und zwar vom<br />

Vorspiel an, das durch klangliche und formale Gestaltung gleichermaßen<br />

herausragt. Scheinbar steht es außerhalb der Opernhandlung, als ganz in<br />

sich gerundete, in einen einzigen Satz gegossene Vision, die das langsame<br />

Erscheinen und wieder Entschwinden der Wunderschale in einem riesigen<br />

Crescendo und, nach deren vollem Erstrahlen, einem ebensolchen Decrescendo<br />

darstellt. Hier bedarf es keiner Szenenzuordnung, und doch gibt es<br />

eine solche: Lohengrins Gralserzählung nimmt am Schluss der Oper (3. Akt,<br />

3. Szene) die Essenz der Thematik auf, wodurch das Werkganze nochmals<br />

einen beeindruckenden Höhepunkt erhält. Eine Besonderheit des heutigen<br />

Programms ist die Aufführung dieser Erzählung in ihrer ursprünglichen<br />

Gestalt: Noch vor der Uraufführung strich <strong>Wagner</strong> im Juli 1850 deren zweite<br />

Hälfte aus Besorgnis, die mit der Namensnennung erzielte Wirkung durch<br />

weitere Rede zu beeinträchtigen, und so kennt man im Allgemeinen die Erzählung<br />

nur bis zu der Textstelle: »Sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt«.<br />

Zur Erläuterung der Bewandtnis des Schwans und seiner Funktion als Begleiter<br />

Lohengrins ist der zweite Teil jedoch von Bedeutung. Nachdem dieser<br />

erst 1916 in einer Ausgabe von <strong>Wagner</strong>s »Sämtlichen Liedern« (!) mit Klavierbegleitung<br />

im Druck erschienen war, dauerte es nochmals 20 Jahre, bis<br />

die vollständige Gralserzählung in Bayreuth dargeboten wurde. Es ist davon<br />

auszugehen, dass dies in <strong>Dresden</strong> bisher nicht geschah und die ursprüngliche<br />

Version der Erzählung heute in der Stadt ihres Entstehens erstmals<br />

zu hören ist – im Unterschied zum Finale des 1. Aktes, das unter <strong>Wagner</strong>s<br />

Leitung bereits 1848 in <strong>Dresden</strong> erklang, innerhalb des Festkonzerts zum<br />

300-jährigen Bestehen der Kapelle.<br />

ortrun Landmann<br />

24. Mai 2013<br />

Paris, Théâtre des Champs-Elysées<br />

26. & 28. Mai 2013<br />

Wien, Musikverein<br />

30. Mai 2013<br />

Venedig, Teatro La Fenice<br />

<strong>Wagner</strong>-<br />

Geburtstagstournee<br />

Christian Thielemann Dirigent<br />

Johan Botha Tenor<br />

Richard <strong>Wagner</strong><br />

Ouvertüre zu »Der fliegende Holländer«<br />

»Eine Faust-Ouvertüre« d-Moll (Fassung 1855)<br />

Gebet des Rienzi »Allmächt’ger Vater«<br />

Ouvertüre zu »Rienzi«<br />

Vorspiel zu »Lohengrin«<br />

Gralserzählung des Lohengrin »In fernem Land« (Urfassung)<br />

Hans Werner Henze<br />

»Fraternité«, Air pour l’orchestre (1999)<br />

Richard <strong>Wagner</strong><br />

Romerzählung des Tannhäuser »Inbrunst im Herzen«<br />

Ouvertüre zu »Tannhäuser«<br />

22 23


Richard <strong>Wagner</strong> in <strong>Dresden</strong><br />

1827 8. April (Palmsonntag) Konfirmation in der Kreuzkirche • Weihnachten<br />

Umzug zur Mutter nach Leipzig, Stationen der Folgejahre: u.a.<br />

Würzburg, Bad Lauchstädt, Magdeburg, Königsberg, Riga, Paris<br />

1813 22. Mai Richard <strong>Wagner</strong> in Leipzig geboren, Vater: Jurist, Polizeiaktuar<br />

und Laienschauspieler Friedrich <strong>Wagner</strong>, Mutter: Johanna<br />

Rosine <strong>Wagner</strong>, geb. Pätz • 16. August Taufe in der Thomaskirche<br />

• 23. November Der Vater stirbt an Typhus<br />

1837 Juni/Juli Lektüre von Bulwer-Lyttons Roman »Rienzi« bei einem Aufenthalt<br />

im ehemaligen Gasthof Blasewitz am Schillerplatz, erste Prosaskizze<br />

zur Oper in Blasewitz oder in <strong>Dresden</strong><br />

Hofkapellmeister in <strong>Dresden</strong><br />

Die Ersten Dresdner Jahre<br />

1814 28. August Die Mutter heiratet den Schauspieler, Maler und Dichter<br />

Ludwig Geyer, anschließend Umzug der Familie nach <strong>Dresden</strong>, Engagement<br />

Geyers am Hoftheater (ab 1815 »Königlicher Hofschauspieler«);<br />

erste Wohnung: Moritzstraße 755 / Ecke Landhausstraße und<br />

Große Schießgasse<br />

1817 Bezug einer Wohnung im Elimeyerschen Haus am Jüdenhof • November<br />

Mitwirkung des jungen Richard als Engel in Friedrich Kinds<br />

Festspiel »Der Weinberg an der Elbe« im (alten) Königlichen Hoftheater<br />

(die Musik komponiert vom neuen Hofkapellmeister Weber)<br />

1818 Umzug der Familie in eine Wohnung am Jüdenhof 391 / Ecke Große<br />

Frauengasse (später Galeriestraße 24)<br />

1820 Die Familie nimmt eine Wohnung in der Waisenhausgasse 412 •<br />

September Richard wird für ein Jahr in die Obhut des Pastors Wetzel<br />

in Possendorf bei <strong>Dresden</strong> gegeben<br />

1821 30. September Tod Ludwig Geyers • Oktober Richard, der den Nachnamen<br />

seines Stiefvaters trägt, kommt für ein Jahr zu seinem Onkel<br />

Karl Geyer nach Eisleben<br />

1822 Ab 2. Dezember Nach der Rückkehr nach <strong>Dresden</strong> im September Besuch<br />

der Kreuzschule, Schulgasse 2<br />

1826 Dezember Die Mutter zieht nach Prag, Richard wird in die befreundete<br />

Familie Böhme aufgenommen, Große Frauengasse 374 (oder Kleine<br />

Oberseegasse 7)<br />

1841 12. April Eröffnung des neuen, von Semper erbauten Hoftheaters mit<br />

Werken von Weber und Goethe • 29. Juni Annahme des im Vorjahr<br />

vollendeten »Rienzi« durch den Dresdner »Generaldirector« von Lüttichau<br />

• Mai/Juni Erstellung des Textbuches zum »Fliegende Holländer«<br />

in Paris • November Abschluss der »Holländer«-Partitur in Paris<br />

1842 12. April Erste Dresdner Station nach der Rückkehr aus Paris: Hotel<br />

Stadt Gotha, Schloßstraße 8, im selben Monat Bezug einer Wohnung<br />

mit Ehefrau Minna <strong>Wagner</strong> in der Töpfergasse 7 • Ab Juni Textarbeiten<br />

am »Tannhäuser«, zunächst in Aussig und Teplitz, später in<br />

<strong>Dresden</strong> • August Neue Wohnung in der Waisenhausgasse 5; Arbeit<br />

am Operntext »Die hohe Braut«, dessen Komposition von Reißiger<br />

erwogen, aber nicht realisiert wird • 20. Oktober Uraufführung des<br />

»Rienzi« im neuen Hoftheater (Dirigent: Reißiger) • November Umzug<br />

in das Haus Am See 35 mit Durchgang zur Marienstraße 44<br />

1843 2. Januar Uraufführung des »Fliegenden Holländers« im Hoftheater<br />

• 2. Februar Ernennung zum Hofkapellmeister • März <strong>Wagner</strong><br />

wird »Liedermeister« der Dresdner Liedertafel • 5. März <strong>Wagner</strong><br />

dirigiert im Hoftheater als erste eigene Neueinstudierung Glucks<br />

»Armide« • Frühjahr Prosaentwurf zur (unausgeführten) Oper »Die<br />

Sarazenin« • 7. Juni Aufführung von »Der Tag erscheint« im Zwinger<br />

zur Enthüllung des Denkmals von Friedrich August dem Gerechten<br />

• 6. Juli »Das Liebesmahl der Apostel«, Uraufführung in der<br />

Frauenkirche • Sommer Kompositionsbeginn am »Tannhäuser« in<br />

Teplitz, Fortführung der Arbeit in <strong>Dresden</strong> • 16. August Umzug in<br />

die Marienstraße 9 • 1. Oktober Umzug in die Ostra-Allee 6 gegenüber<br />

vom Zwinger in das Gewerbehaus neben der Freimaurer-Loge<br />

1844 22. Juli »Eine Faust-Ouvertüre« im Königlichen Palais des Großen<br />

Gartens uraufgeführt • 12. August Auftritt <strong>Wagner</strong>s als »Tenorist<br />

24 25 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


im Chor«: unter seiner sängerischen Mitwirkung in Pillnitz erste<br />

Aufführung seines Chorgesangs »Gruß seiner Treuen« für Friedrich<br />

August <strong>II</strong>. (Dirigent: Reißiger) • September/Oktober Aufenthalt auf<br />

Fischers Weinberg in Loschwitz (auch dort Arbeiten am »Tannhäuser«)<br />

• 14. Dezember Zu <strong>Wagner</strong>s »Trauermusik« Überführung der<br />

sterblichen Überreste des früheren Hofkapellmeisters Weber auf den<br />

katholischen Friedhof der Friedrichstadt • 15. Dezember Trauerrede<br />

<strong>Wagner</strong>s am Grab Webers, Aufführung von »An Webers Grabe«<br />

1845 13. April Vorläufiger Abschluss der »Tannhäuser«-Partitur • Sommer<br />

Beendigung der ersten Prosaentwürfe zu den »Meistersingern«<br />

und zum »Lohengrin« in Marienbad • 19. Oktober »Tannhäuser<br />

und der Sängerkrieg auf Wartburg« erlebt seine Uraufführung<br />

im Hofthea ter • 27. November Fertigstellung der Erstschrift des<br />

»Lohengrin«-Textbuches • 17. Dezember Lesung aus der gerade vollendeten<br />

»Lohengrin«-Dichtung vor Schumann, Hiller, Semper u.a.<br />

1846 5. April Dirigat von Beethovens 9. Symphonie im alten Opernhaus<br />

am Zwinger • Mai (?) Skizzen zu zwei Symphonien, nicht ausgeführt<br />

• 15. Mai-Ende Juli Aufenthalt in Graupa, Gesamtentwurf<br />

des »Lohengrin«, Wanderungen in die Sächsische Schweiz und<br />

den Liebethaler Grund (in dem seit 1933 das <strong>Wagner</strong>-Denkmal von<br />

Guhr nahe der Lochmühle an die Aufenthalte des Komponisten erinnert)<br />

• Oktober Beginn der Arbeiten an einem Textbuch »Friedrich<br />

I.«, nicht vertont • Ab Dezember Bearbeitung von Glucks »Iphigénie<br />

en Aulide«<br />

1847 April Letzte Wohnung von Richard und Minna <strong>Wagner</strong> in <strong>Dresden</strong>:<br />

im Marcolini-Palais, heute Krankenhaus <strong>Dresden</strong>-Friedrichstadt •<br />

Juli/August In der Auseinandersetzung mit Dramaturg Gutzkow bietet<br />

<strong>Wagner</strong> seinen Rücktritt an • Jahresende Bewilligung einer Gehaltserhöhung<br />

1848 9. Januar Mutter verstirbt in Leipzig • Ab Frühjahr <strong>Wagner</strong> schaltet<br />

sich in die revolutionären Diskussionen ein • 14. Juni Rede im Dresdner<br />

Vaterlandsverein: »Wie verhalten sich re publikanische Bestrebungen<br />

dem Königtume gegenüber?« • 28. April Partitur des »Lohengrin«<br />

beendet • Ende September 300-Jahr-Feier der Königlichen musikalischen<br />

Kapelle, u.a. mit Musik aus dem »Lohengrin« • 4. Oktober Fertigstellung<br />

der Vorstudie »Die Nibelungensage (Mythus)« • Herbst Textentwurf<br />

und Dichtung »Siegfried’s Tod (Eine große Heldenoper in drei<br />

Akten)« • Dezember Lesung im Freundeskreis aus »Siegfried’s Tod«<br />

»plan der Residenz-stadt <strong>Dresden</strong>«, Lithografie, 1848 (ausschnitt)<br />

1849 Februar-April <strong>Wagner</strong> verfasst verschiedene revolutionäre Texte, u.a.<br />

den Artikel »Die Revolution« für Röckels »Volksblätter« oder das Gedicht<br />

»Die Not«, Zusammentreffen mit dem russischen Anarchisten<br />

Bakunin • Frühjahr Entwürfe zu den Bühnenwerken »Jesus von Nazareth«<br />

und »Achilleus«, beide unausgeführt • 3.-9. Mai Beteiligung<br />

am Dresdner Maiaufstand (in diesen Tagen u.a. Flucht des Königs auf<br />

die Festung Königstein, Brand des alten Dresdner Opernhauses am<br />

Zwinger) • 9.-13. Mai Flucht über Chemnitz zu Liszt nach Weimar •<br />

Ab 16. Mai Steckbriefliche Suche <strong>Wagner</strong>s • 2. Juni Ankunft in Paris<br />

nach Flucht über Zürich mit verschiedenen Pässen • 6. Juli Rückreise<br />

nach Zürich<br />

Spätere Aufenthalte <strong>Wagner</strong>s in <strong>Dresden</strong>: November 1862, 22.-25. April 1871,<br />

Januar 1873, September 1881<br />

Anmerkungen:<br />

• Die in der Chronik genannten Uraufführungen erfolgten unter Leitung <strong>Wagner</strong>s<br />

soweit nicht anders vermerkt.<br />

• Über die Wohnungen <strong>Wagner</strong>s in <strong>Dresden</strong> finden sich in der Literatur mitunter<br />

widersprüchliche Angaben.<br />

Für wertvolle Hinweise und die Unterstützung bei der Erstellung der Chronik<br />

ist Katja Pinzer-Müller von den Richard-<strong>Wagner</strong>-Stätten Graupa und Dr. Ortrun<br />

Landmann herzlich zu danken.<br />

26 27 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Hans Werner Henze<br />

Capell-Compositeur 2012 | 2013<br />

der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

Hans Werner Henze in der Semperoper im September 2012<br />

Die Ernennung Hans Werner Henzes zum Capell-Compositeur der<br />

Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> in dieser Spielzeit, der Antrittssaison<br />

Christian Thielemanns, erfüllte den Komponisten mit großer<br />

Freude. Henze, Jahrgang 1926, reiste im September 2012 eigens<br />

aus Italien in das sächsische »Elbflorenz«, um die Produktion<br />

seiner Oper »Wir erreichen den Fluss« zu erleben, mit der die Semperoper<br />

ihrerseits einen programmatischen Henze-Schwerpunkt eröffnete. Wenig<br />

später, am 15. Oktober 2012, beehrte Henze die <strong>Staatskapelle</strong> mit dem Besuch<br />

eines Symphoniekonzerts, in dem sein Orchesterwerk »Sebastian im<br />

Traum« unter der Leitung Christian Thielemanns erklang. Auch eine neue<br />

Komposition wollte Hans Werner Henze für die <strong>Staatskapelle</strong> und ihren<br />

Chefdirigenten schreiben: Das unter dem Arbeitstitel »Isoldes Tod« entworfene<br />

Orchesterstück sollte bei den diesjährigen Salzburger Osterfestspielen<br />

aus der Taufe gehoben werden und anschließend auch im Rahmen des heutigen<br />

Konzerts zum 200. Geburtstag von Richard <strong>Wagner</strong> sowie auf der unmittelbar<br />

bevorstehenden Jubiläums-Gastspielreise der <strong>Staatskapelle</strong> nach<br />

Paris, Wien und Venedig aufgeführt werden, gewissermaßen als »Gruß« des<br />

aktuellen Capell-Compositeurs an den einstigen Dresdner Hofkapellmeister.<br />

Für »Isoldes Tod« beabsichtigte er, den Schluss seines »Tristan«-Klavierkonzertes<br />

von 1973 für Orchester neu zu bearbeiten.<br />

Hans Werner Henze konnte die Partitur nicht mehr vollenden, mitten<br />

in den Arbeiten verstarb der große Komponist am 27. Oktober 2012 in<br />

<strong>Dresden</strong>, in jener Stadt, die vormals <strong>Wagner</strong>s Wirkungsstätte war. Die lange<br />

geplante Aufführung von Henzes Requiem im November 2012 unter<br />

Vladimir Jurowski mit dem Trompeter Håkan Hardenberger in der Dresdner<br />

Frauenkirche wurde, was niemand hatte ahnen können, zu Henzes eigenem<br />

Requiem. »Der Tod«, bekannte Henze einmal aus der Sicht des Komponisten<br />

und Musikers, »ist die große Verführung, die große Versuchung.<br />

Und die Musik muß dieser Versuchung widerstehen. Muß sich dagegen behaupten.<br />

Deswegen auch diese Selbstverpflichtung zur Beschäftigung mit<br />

den Traditionen, mit den alten Meistern, den alten Werken, an deren Schönheit<br />

und Qualität man sich«, so Henze, »sozusagen festhalten kann«. In der<br />

Tat bildeten das künstlerische Erbe einerseits und die Errungenschaften<br />

der musikalischen Gegenwart andererseits für ihn keine Gegensätze, die<br />

28 29 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Epochengestalt der europäischen Musik:<br />

Hans Werner Henze (<strong>Dresden</strong>, 1997)<br />

sich ausschlossen. Die »Sehnsucht nach dem vollen, wilden Wohlklang«<br />

übte einen ebenso bedeutenden Einfluss auf sein kompositorisches Koordinatensystem<br />

aus wie die sich selbst auferlegte Forderung, als Künstler eine<br />

Antwort zu finden auf die ihn umgebende Welt, die aktuellen kulturellen,<br />

politischen, sozialen Geschehnisse. Sein Schaffen, das mehr als sechs Jahrzehnte<br />

überspannt, kündet von seiner Auseinandersetzung mit den Künsten<br />

weit über die Grenzen der Musik hinaus, mit Literatur, Theater, Tanz, Bildender<br />

Kunst, aber auch mit dem Zeitgeschehen, der Geschichte, der Kultur<br />

und Natur des Menschen im weitesten Sinne. Das Bekenntnis zum Kunstschönen<br />

und zur Wahrheit der musikalischen Aussage sind Kernaspekte in<br />

der Ästhetik Henzes.<br />

Seine Ausbildung begann der gebürtige Westfale an der Staatsmusikschule<br />

im niedersächsischen Braunschweig, ehe Wolfgang Fortner in<br />

Heidelberg und René Leibowitz in Paris seine Lehrer wurden. In den späten<br />

1940er Jahren kam Henze mit dem Serialismus und den Darmstädter Ferienkursen<br />

für Neue Musik in Berührung, deren Maximen er nur eingeschränkt<br />

folgte. Unglücklich über die mangelnde Aufarbeitung des Dritten Reiches in<br />

der Nachkriegsrepublik und den ästhetischen Dogmatismus in der Avantgarde,<br />

verließ er 1953 Deutschland und zog nach Italien. Die räumliche und<br />

geistige Distanz zur deutschen Musikszene sowie die Erfahrungen in seiner<br />

Wahlheimat verhalfen seinem Komponieren zu neuem Ausdrucksreichtum.<br />

In den 1960er Jahren wirkte Hans Werner Henze als Ständiger Gastdirigent<br />

der Berliner Philharmoniker und unterrichtete am Salzburger Mozarteum<br />

eine Meisterklasse, in Köln hatte er von 1980 bis 1991 eine Professur<br />

für Komposition inne. Er war Composer-in-Residence u.a. am Berkshire<br />

Music Center in Tanglewood/Massachusetts (USA) und widmete sich einer<br />

Vielzahl musikpädagogischer und kulturpolitischer Projekte. 1976 gründete<br />

er den Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano/Toskana, eine jährlich<br />

stattfindende Musik-Werkstatt, 1988 rief er die Münchener Biennale ins<br />

Leben, deren Intendant er bis 1996 war.<br />

Das Œuvre Henzes ist so umfangreich wie vielgestaltig. Im Zentrum<br />

seiner Werke für Orchester stehen die zehn Symphonien, daneben widmete<br />

er sich sämtlichen Gattungen, von Solokonzerten und Oratorien bis zu<br />

Lieder zyklen und Kammermusik. Nicht zu vergessen, was selbstverständlich<br />

ist für einen derart literarisch interessierten Künstler: das Musiktheater.<br />

Mit seinen mehr als 40 Werken für die Opern- und Ballettbühne, für Funk<br />

und Fernsehen wurde er zu einem der meistgespielten zeitgenössischen<br />

Komponisten unserer Tage. Er erhielt zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen,<br />

darun ter mehrere Ehrendoktorate, den Ernst von Siemens Musikpreis<br />

(1990), den Praemium Imperiale des japanischen Kaiserhauses (2000),<br />

den Cannes Classical Award in der Kategorie »Best Living Composer« (2001)<br />

sowie das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit<br />

Stern (2008). Er wurde zum Accademico Onorario der Accademia Nazionale<br />

di Santa Cecilia in Rom (1995), zum Chevalier der Légion d’Honneur (2003)<br />

und zum Ehrenbürger von Montepulciano (1996) ernannt.<br />

Die Geschichte der <strong>Staatskapelle</strong> und der Staatsoper <strong>Dresden</strong> ist<br />

auch und gerade eine Geschichte bedeutender Komponisten, die dem Orchester<br />

und der Oper verbunden waren und sie geprägt haben. Als einer<br />

der wichtigsten Musikdramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

ist Hans Werner Henze seit 1961 auf den Spielplänen dieses Hauses vertreten,<br />

in Konzert, Oper und Ballett, 1966 stand er auch selbst am Pult<br />

der <strong>Staatskapelle</strong>, um seine Kompositionen zu dirigieren. Längst markiert<br />

seine Musik, in dieser Saison vielfach in den Symphoniekonzerten, Kammer-<br />

und Aufführungsabenden der <strong>Staatskapelle</strong> zu hören, ein gewichtiges<br />

Kapitel in der Historie der Semperoper. Ein Kapitel, das eine mehr als fünf<br />

Jahrzehnte währende Aufführungstradition seiner Werke umfasst – und<br />

damit doch gerade erst eröffnet ist.<br />

30 31 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Weltanschauungsmusik<br />

Hans Werner Henzes<br />

»Fraternité«<br />

Hans Werner Henze stellt eine der interessantesten und eigenwilligsten<br />

zeitgenössischen Komponistenpersönlichkeiten Europas<br />

dar, gleichzeitig aber auch eine der politisch »wachsamsten«<br />

und engagiertesten. Am 1. Juli 1926 in Gütersloh geboren,<br />

lernte er als Knabe und Jugendlicher den Terror des Nationalsozialismus<br />

hassen, obwohl (weil?) sein Vater mit diesem System sympathisierte.<br />

Und genauso, wie er politisch immer »gegen den Strich bürs tete«,<br />

wandte er sich auch musikästhetisch immer gegen den allgemeinen Zeittrend:<br />

Auf beiden Gebieten trat er gegen jedwede Indoktrinierung durch<br />

einen »Zeitgeist«, durch Systeme, durch »Trends« oder durch Moden auf. So<br />

wagte er bereits in seinem Violinkonzert von 1947 den »Sprung in die noch<br />

völlig unbekannte Dodekaphonie«, und das nicht zuletzt, um sich in seiner<br />

Kompositionstechnik von seinen Altersgenossen abzuheben. Doch »nicht die<br />

expressionistische Herkunft der Zwölftonmethode, nicht ihre konstruktive<br />

Strenge erschienen ihm das Wesentliche, sondern die schwebende, opalisierende<br />

Atmosphäre, die sich mit ihren Mitteln erzielen ließe« (Ulrich Dibelius).<br />

Gleichwohl verschrieb sich Henze niemals ausschließlich einer einzigen<br />

Kompositionstechnik; auch in seinen strengsten Zwölftonwerken wurden<br />

immer wieder Stilmerkmale anderer Epochen und Methoden verwendet, um<br />

durch ein unmittelbares Neben- und Nacheinander verschiedenster Elemente<br />

reiche Kontrastmöglichkeiten zu gewinnen. Als Henze dann bemerkte,<br />

dass die Zwölftontechnik ihr revolutionäres Potenzial verlor, weil viele<br />

andere Komponisten ebenfalls den »Sprung in die Dodekaphonie« vollzogen<br />

hatten, begann er, von einfachen Melodien zu schwärmen, insbesondere<br />

von den neapolitanischen Kanzonen. Und so erschienen ihm die italienische<br />

Oper des 19. Jahrhunderts sowie ganz allgemein das Singen, »die Manifestation<br />

des Lebens schlechthin«, als wichtigste Errungenschaften der Musik<br />

bzw. der Musikgeschichte.<br />

Capell-Compositeur und Chefdirigent<br />

der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> im September 2012<br />

Nicht zuletzt angesichts dieser prononcierten Eigenständigkeit fühlte sich<br />

Henze früh als musikalischer und gesellschaftlicher Außenseiter, ja, er wollte<br />

sich bewusst als solcher verstanden wissen und engagierte sich auch auf<br />

politischem Gebiet – unter anderem gegen den Vietnamkrieg sowie für die<br />

Studentenrevolutionen der 1960er Jahre. So nahm er 1968 den schwer verletzten<br />

Rudi Dutschke in seinem Haus bei Rom auf und ließ ihn gesundpflegen.<br />

Zahlreiche Werke mit antifaschistischen bzw. allgemein gesellschaftspolitischen<br />

Themen dokumentieren Henzes Engagement aber auch auf kompositorischem<br />

Gebiet. 1960 steuerte Henze mit »Aufstand« für Soli, Sprecher,<br />

Chor und Orchester einen Teil zu der Gemeinschaftskomposition »Jüdische<br />

Chronik« bei, 1965 schrieb er »In memoriam: Die Weiße Rose« für 12 Instrumente,<br />

1966 schloss sich die Filmmusik zu Volker Schlöndorffs »Der junge<br />

Törless« an, 1967 das Oratorium »Das Floß der Medusa«, dessen für Dezember<br />

1968 geplante Uraufführung in Hamburg in einen handfesten Skandal<br />

mündete. Im selben Jahr komponierte Henze »El Cimarrón«, eine »Biographie<br />

des geflohenen Sklaven Estéban Montejo«, 1973 folgte die szenische<br />

Kantate »Streik bei Mannesmann« als mit fünf Kollegen erarbeitete Kollektivkomposition,<br />

1975 die Filmmusik zu Schlöndorffs »Die verlorene Ehre der<br />

Katharina Blum« (nach Heinrich Böll), 1976 die Oper »Wir erreichen den<br />

Fluss« nach Edward Bond. Und noch in den Jahren 1995 bis 1997 entstand<br />

32 33 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


mit der neunten Symphonie für Chor und Orchester eine Auseinandersetzung<br />

mit den dunklen Seiten der deutschen Geschichte, deren Text Hans-Ulrich<br />

Treichel nach dem Roman »Das siebte Kreuz« von Anna Seghers verfasste,<br />

die von den Nationalsozialisten in die Emigration gezwungen wurde.<br />

Ein zweites wesentliches Schaffensmerkmal des Komponisten Hans<br />

Werner Henze ist die künstlerische Auseinandersetzung mit der Tradition,<br />

ja mit den Musiksprachen der Vergangenheit selbst, und das sowohl durch<br />

Bearbeitungen als auch in seinen eigenen Werken. Dieses Einbringen »alter«<br />

Traditionen, Muster oder gar Vorlagen hat Henze bereits 1963 in einem<br />

Aufsehen erregenden Vortrag begründet und verteidigt: »Alte Formen erscheinen<br />

mir, so könnte ich sagen, wie klassische Schönheitsideale, nicht<br />

mehr erreichbar, aber doch in großer Form sichtbar, Erinnerung belebend<br />

wie Träume, aber der Weg zu ihnen ist von größtem Dunkel des Zeitalters<br />

erfüllt, der Weg zu ihnen ist das Schwerste und das Unmöglichste. Mir erscheint<br />

er als die einzige Narretei, für die es sich lohnt zu leben.«<br />

Und so trat Henze immer wieder mit Bearbeitungen »alter« Komponisten<br />

hervor, zunächst 1951 mit einem Ballett nach Tschaikowsky, 1967 mit<br />

einem Orchesterwerk nach Telemann, dann 1976 mit Richard <strong>Wagner</strong>s »Wesendonck-Liedern«,<br />

Carissimis »Jephte« sowie »Don Chisciotte della Mancia«<br />

nach Lorenzi und Paisiello, gefolgt 1977 von einer konzertanten Komposition<br />

nach Tomaso Antonio Vitali, ehe er 1981 Monteverdis »Il ritorno d’Ulisse<br />

in patria« als »freie Rekonstruktion« vorlegte. 1982 arrangierte er Carl Philipp<br />

Emanuel Bach, 1988 und 1995 Karl Amadeus Hartmann, 1991 Mozart,<br />

1992 Paisiello, 1998/1999 »Richard <strong>Wagner</strong>sche Klavierlieder« und 2003<br />

Vivaldis Oper »Montezuma«. Richard <strong>Wagner</strong> hatte er aber auch schon in<br />

Eigenkompositionen seine Reverenz erwiesen: 1973 in dem als »Préludes für<br />

Klavier, Tonbänder und Orchester« bezeichneten Klavierkonzert »Tristan«,<br />

dem 2003 die Präludien zu »Tristan« für Klavier nachfolgten. Das aus Anlass<br />

der Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag von Richard <strong>Wagner</strong> für 2013 geplante,<br />

dann aber nicht mehr fertiggestellte Orchesterwerk »Isoldes Tod«, das<br />

Henze für die Sächsische <strong>Staatskapelle</strong> und ihren Chefdirigenten Christian<br />

Thielemann schreiben wollte, hätte an diese Thematik direkt angeschlossen.<br />

Henze hat seinen tiefen inneren Bezug zu Richard <strong>Wagner</strong> einmal<br />

genauestens umrissen, als er sich im Zuge der Ausarbeitung seiner »Bassariden«<br />

nach Euripides’ »Bacchantinnen« auf Wunsch des Textdichters<br />

W.H. Auden intensiv mit <strong>Wagner</strong>s Opernschaffen beschäftigte: »Ich hatte<br />

das Werk <strong>Wagner</strong>s aus einer gewissen Scheu immer gemieden. Diese Scheu<br />

aber fand Auden geradezu lächerlich. Mir ist natürlich klar, was <strong>Wagner</strong><br />

bedeutet, worin seine Größe besteht, und der ›Tristan‹, den ich … genau<br />

studiert habe, ist inzwischen eine Art Evangelium für mich geworden.«<br />

Kurze Zeit später bearbeitete Henze <strong>Wagner</strong>s »Wesendonck-Lieder« für Alt<br />

und Kammerorchester.<br />

Henzes »Fraternité«: eine »Millenniums-Botschaft«<br />

Anstelle der geplanten Komposition »Fraternité«,<br />

»Isoldes Tod« gelangt im heutigen Air pour l’orchestre<br />

Programm das Orchesterwerk »Fraternité«<br />

zur Aufführung, das Henze<br />

entstanden<br />

Frühjahr 1999<br />

1999 im Auftrag der New York Phil -<br />

Uraufführung<br />

harmonic Society für deren Orchester<br />

und den damaligen Chefdiri-<br />

11. November 1999 in New York<br />

(New York Philharmonic,<br />

genten Kurt Masur schrieb; die<br />

Dirigent: Kurt Masur)<br />

Uraufführung fand am 11. November<br />

1999 in der New Yorker Avery<br />

Besetzung<br />

Fisher Hall statt. Henze fasste Entstehung<br />

und Intention des Werkes<br />

3 Flöten (3. auch Altflöte),<br />

2 Oboen, Englischhorn,<br />

2 Klarinetten, Bassklarinette,<br />

seinerzeit in einem kurzen Text<br />

3 Fagotte (3. auch Kontrafagott),<br />

zusammen: »Im Oktober 1997 erhielt<br />

6 Hörner, 3 Trompeten, 5 Posaunen,<br />

ich eine Einladung von Kurt Masur,<br />

Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe,<br />

dem Musikdirektor des ›New York Celesta, Klavier, Streicher<br />

Philharmonic‹, eine musikalische<br />

Botschaft für das kommende Millennium beizusteuern. Maestro Masurs Brief<br />

lautete: ›Mein Traum wäre, daß Sie uns ein 10 bis 15 Minuten dauerndes Werk<br />

zur Verfügung stellen, das sowohl für sich allein stehen als auch mit musikalischen<br />

Botschaften anderer Komponisten kombiniert werden kann, die wir<br />

zu einem vollen Konzertabend zusammenstellen würden.‹ Ich begrüßte die<br />

Gelegenheit, eine von sechs einzigartigen Perspektiven zu dieser kollektiven<br />

Erforschung des neuen Millenniums beisteuern zu können ... Meine Millenniums-Botschaft<br />

›Fraternité‹, Air for Orchestra, kann am besten als ruhiges<br />

und sanftes Werk beschrieben werden, in dem alle Instrumente des Orchesters<br />

wie eines sind ... und zum Lobe von Harmonie und Frieden singen.«<br />

Der Titel des Werkes, »Fraternité« (»Brüderlichkeit«), unterstreicht<br />

das Anliegen Henzes, das neue Millennium möge ein Zeitalter von »Harmonie<br />

und Frieden« sein, mit jenem französischen Wort, das 200 Jahre zuvor sowohl<br />

der Deklaration der Menschenrechte als auch der französischen Revolution<br />

als ein Leitspruch diente. Auch der im Partiturdruck französische Untertitel<br />

»Air pour l’orchestre« deutet auf die »französische Wurzel« der Haltung des<br />

Komponisten, die zugleich Absage an Ungerechtigkeit, Diktatur und Rassismus<br />

ist. Ein vielstimmiges Orchester, dessen Klanglichkeit durch eine große<br />

Blechbläserbesetzung, durch Harfe, Celesta und Klavier sowie durch Pauken<br />

und Schlagzeug überaus reiche und unterschiedliche Facetten bzw. Farben<br />

einbringt, trägt dieses Anliegen bald mit kammermusikalischer Transparenz,<br />

bald mit polyphoner Dichte, bald mit blockartiger Wucht vor, wobei<br />

die weiten, gleichsam unaufhörlich aussingenden Bögen der Violinen dem<br />

34 35 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Untertitel »Air« Tribut zollen. Jedoch<br />

verhindern zahlreiche Taktwechsel,<br />

dass eine »traditionelle« metrische<br />

Gleichmäßigkeit eintritt, was die Vielschichtigkeit<br />

der Entwicklungen noch<br />

verstärkt. Zeitweise besitzt sogar<br />

jeder Takt eine andere Gruppierung –<br />

allein die ersten Takte des Stückes<br />

weisen folgende Bezeichnungen auf:<br />

6/4, 6/4, 4/4, 7/4, 6/4, 4/4, 3/4 etc.<br />

Ein thematisches Element ist<br />

das gleich zu Beginn von der Harfe<br />

mehrfach gespielte Quartmotiv, das<br />

auch den zarten Eröffnungsgesang<br />

der Violinen initiiert. Dessen polyphone<br />

Klanglichkeit gemahnt deutlich<br />

an Gustav Mahler, den Henze die <strong>Staatskapelle</strong> dresden, 1966<br />

Hans Werner henze dirigiert<br />

einmal als den »wichtigsten Komponisten<br />

des 20. Jahrhunderts« bezeichnete, bis pulsierende Steigerungen die<br />

Idylle zerstören. Noch einmal hebt der Gesang an, doch wiederum stellen<br />

sich Störungen ein: Die Hörner skandieren das Quartmotiv, und nun bricht<br />

gleichsam das (»unbrüderliche«) Chaos los, unter dem Posaunen und Kontrafagott<br />

cantus-firmus-artige Melodien intonieren, den Tumult allerdings<br />

nicht stoppen können. Im Englischhorn erklingen »anklagende« Einwürfe,<br />

die bald wieder das Quartmotiv aufgreifen und dichte Entwicklungen folgen<br />

lassen, über denen aber immer der Gesang der Violinen schwebt, obwohl<br />

diesem in der Tiefe rhythmische Störungen in schnellen Sechzehnteln entgegentreten.<br />

Trompetenrufe und motorische Figurationen setzen schließlich<br />

ein furioses Orchestercrescendo in Gang, das zu elementarer Wucht findet.<br />

Plötzlich stockt die Bewegung und macht lyrischen Linien der Streicher<br />

Platz, bis unruhig-wilde Bläserklänge eine erneute Verdichtung des<br />

Geschehens erzielen. Die Quartenmotivik ertönt in tiefer Lage, die Trompeten<br />

schmettern eine Variante, dann stimmt das Englischhorn eine elegische<br />

Weise an, aber auffahrendes Figurenwerk reißt die Bewegung weiter fort.<br />

Nach einem erneuten Stillstand dramatisieren die im Bass variierten Quarten,<br />

Tonwiederholungsmotive der Trompeten und Akkordschläge die Szene,<br />

ehe die Entwicklungen auf ihrem Höhepunkt abbrechen und in einen leisen<br />

Abgesang führen. Dieser verklingt sehr schnell mit einem »fragenden«, ja<br />

»zweifelnden« verminderten Septakkord, der eine zusätzliche Störung durch<br />

eine sphärisch hineinklingende Dissonanz erfährt. Wird die »Brüderlichkeit«<br />

doch nicht wahr?<br />

<br />

Hartmut Krones<br />

Gesangstexte<br />

Rienzi<br />

Gebet des Rienzi<br />

(5. Akt, Nr. 13)<br />

Rienzi<br />

(Rienzi allein vor einem kleinen<br />

Hausalter kniend.)<br />

Allmächt’ger Vater, blick herab!<br />

Hör mich im Staube zu dir fleh’n!<br />

Die Macht, die mir dein Wunder gab,<br />

laß jetzt noch nicht zu Grunde gehn!<br />

Du stärktest mich, du gabst mir hohe Kraft,<br />

du liehest mir erhab’ne Eigenschaft,<br />

zu hellen den, der niedrig denkt,<br />

zu heben, was im Staub versenkt.<br />

Du wandeltest des Volkes Schmach<br />

zu Hoheit, Glanz und Majestät.<br />

Oh Gott, vernichte nicht das Werk,<br />

das dir zum Preis errichtet steht!<br />

Ach, löse, Herr, die tiefe Nacht,<br />

die noch der Menschen Seelen deckt!<br />

Schenk uns den Abglanz deiner Macht,<br />

die sich in Ewigkeit erstreckt!<br />

Mein Herr und Vater, oh blicke herab!<br />

Senke dein Auge aus deinen Höh’n!<br />

Mein Gott, der hohe Kraft mir gab,<br />

erhöre mein tief inbrünstig Fleh’n!<br />

(Er beugt das Haupt tief zur Erde<br />

und verbleibt in stummem Gebete.)<br />

36 37 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Lohengrin<br />

Gralserzählung des Lohengrin,<br />

Urfassung (3. Akt, 3. Szene)<br />

Lohengrin<br />

(erster Teil der Gralserzählung)<br />

In fernem Land, unnahbar euren Schritten,<br />

liegt eine Burg, die Monsalvat genannt;<br />

ein lichter Tempel stehet dort inmitten,<br />

so kostbar als auf Erden nichts bekannt;<br />

drin ein Gefäß von wundertät’gem Segen<br />

wird dort als höchstes Heiligtum bewacht:<br />

es ward, daß sein der Menschen Reinste pflegen,<br />

herab von einer Engelschar gebracht;<br />

alljährlich naht vom Himmel eine Taube,<br />

um neu zu stärken seine Wunderkraft:<br />

es heißt der Gral, und selig reinster Glaube<br />

erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.<br />

Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,<br />

den rüstet er mit überirdischer Macht, –<br />

an dem ist jedes Bösen Trug verloren,<br />

wenn ihn er ersieht, weicht dem des Todes Nacht;<br />

selbst wer von ihm in ferne Land’ entsendet,<br />

zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,<br />

dem wird nicht seine heil’ge Kraft entwendet,<br />

bleibt als sein Ritter dort er unerkannt;<br />

so hehrer Art doch ist des Grales Segen,<br />

enthüllt muß er des Laien Auge fliehn: –<br />

des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,<br />

erkennt ihr ihn – dann muß er von euch ziehn. –<br />

Nun hört, wie ich verbot’ner Frage lohne: –<br />

vom Gral ward ich zu euch daher gesandt;<br />

mein Vater Parzival trägt seine Krone, –<br />

sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt.<br />

(Alle blicken voll höchsten Staunens auf Lohengrin.)<br />

König<br />

Wie ist er wunderbar zu schauen!<br />

Mich faßt vor ihm ein selig Grauen!<br />

Alle Männer, Die Frauen<br />

Wie wunderbar ist er zu schauen!<br />

Uns faßt vor ihm ein selig(es) Grauen!<br />

Lohengrin<br />

(zweiter Teil der Gralserzählung,<br />

gestrichen am 2. Juli 1850)<br />

Nun höret noch, wie ich zu euch gekommen!<br />

Ein klagend Tönen trug die Luft daher,<br />

daraus im Tempel wir sogleich vernommen,<br />

daß fern wo eine Magd in Drangsal wär’;<br />

als wir den Gral zu fragen nun beschickten,<br />

wohin ein Ritter zu entsenden sei,<br />

da auf der Flut wir einen Schwan erblickten,<br />

zu uns zog einen Nachen er herbei:<br />

mein Vater, der erkannt des Schwanes Wesen,<br />

nahm ihn in Dienst nach des Grales Spruch:<br />

denn wer ein Jahr nur seinem Dienst erlesen,<br />

dem weicht von dann ab jedes Zaubers Fluch.<br />

Zunächst nun sollt’ er mich dahin geleiten,<br />

woher zu uns der Hilfe Rufen kam;<br />

denn durch den Gral war ich erwählt zu Streiten,<br />

darum ich mutig von ihm Abschied nahm.<br />

Durch Flüsse und durch wilde Meeres Wogen,<br />

hat mich der treue Schwan dem Ziel genaht,<br />

bis er zu euch daher an’s Ufer mich gezogen,<br />

wo ihr in Gott mich alle landen saht.<br />

(alle in größter Rührung)<br />

Der König, Die Männer und Frauen<br />

Hör’ ich so seine höchste Art bewähren,<br />

entbrennt mein Aug’ in heil’gen Wonnezähren.<br />

38 39 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Tannhäuser<br />

Romerzählung des Tannhäuser,<br />

Dresdner Fassung (3. Akt, 3. Szene)<br />

Tannhäuser<br />

(Er setzt sich erschöpft am Fuße des Bergvorsprunges<br />

nieder … Wolfram bleibt in<br />

geringer Entfernung vor Tannhäuser stehen.)<br />

Inbrunst im Herzen, wie kein Büßer noch<br />

sie je gefühlt, sucht’ ich den Weg nach Rom.<br />

Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz<br />

dem Übermütigen entwunden;<br />

für ihn wollt’ ich in Demut büßen,<br />

das Heil erflehn, das mir verneint, –<br />

um ihm die Träne zu versüßen,<br />

die er mir Sünder einst geweint! –<br />

Wie neben mir der schwerst bedrückte Pilger<br />

die Straße wallt’, erschien mir allzu leicht: –<br />

betrat sein Fuß den weichen Grund der Wiesen,<br />

der nackten Sohle sucht’ ich Dorn und Stein;<br />

ließ Labung er am Quell den Mund genießen,<br />

sog ich der Sonne heißes Glühen ein;<br />

wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,<br />

vergoß mein Blut ich zu des Höchsten Preis;<br />

als im Hospiz der Müde sich erquickte,<br />

die Glieder bettet’ ich in Schnee und Eis; –<br />

verschloss’nen Aug’s, ihr Wunder nicht zu schauen,<br />

durchzog ich blind Italiens holde Auen. –<br />

Ich tat’s, denn in Zerknirschung wollt’ ich büßen,<br />

um meines Engels Tränen zu versüßen!<br />

Nach Rom gelangt’ ich so zur heil’gen Stelle,<br />

lag betend auf des Heiligtumes Schwelle: –<br />

Der Tag brach an; da läuteten die Glocken, –<br />

hernieder tönten himmlische Gesänge: –<br />

da jauchzt’ es auf in brünstigem Frohlocken,<br />

denn Gnad’ und Heil verhießen sie der Menge.<br />

Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt, –<br />

vor ihm all Volk im Staub sich niederließ.<br />

Und Tausenden er Gnade gab, entsündigt<br />

er Tausende sich froh erheben hieß. –<br />

Da naht’ auch ich, das Haupt gebeugt zur Erde,<br />

klagt’ ich mich an, mit jammernder Gebärde –<br />

der bösen Lust, die meine Sinn’ empfanden,<br />

des Sehnens, das kein Büßen noch gekühlt;<br />

und um Erlösung aus den heißen Banden<br />

rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt …<br />

Und er, den so ich bat, hub an:<br />

»Hast du so böse Lust geteilt,<br />

dich an der Hölle Glut entflammt,<br />

hast du im Venusberg geweilt,<br />

so bist nun ewig du verdammt!<br />

Wie dieser Stab in meiner Hand<br />

nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,<br />

kann aus der Hölle heißem Brand<br />

Erlösung nimmer dir erblühn!«<br />

Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder, –<br />

die Sinne schwanden mir … Als ich erwacht,<br />

auf ödem Platze lagerte die Nacht, –<br />

von fern her tönten frohe Gnadenlieder …<br />

da ekelte mich der holde Sang!<br />

Von der Verheißung lügnerischem Klang,<br />

der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,<br />

trieb Grauen mich hinweg mit wildem Schritt!<br />

Dahin zog’s mich, wo ich der Wonn’ und Lust<br />

so viel genoß, an ihre warme Brust!<br />

(in grauenhafter Begeisterung)<br />

Zu dir, Frau Venus, kehr’ ich wieder,<br />

in deiner Zauber holde Nacht;<br />

zu deinem Hof steig’ ich darnieder,<br />

wo nun dein Reiz mir ewig lacht!<br />

Wolfram<br />

Halt ein! Halt ein, Unsel’ger!<br />

Tannhäuser<br />

Ach! laß mich nicht vergebens suchen!<br />

Wie leicht fand ich doch einsten dich!<br />

Du hörst, daß mir die Menschen fluchen:<br />

nun, süße Göttin, leite mich!<br />

(Finstere Nacht; leichte Nebel verhüllen allmählich die Szene.)<br />

40 41 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


<strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong><br />

Zum 200. Geburtstag von Richard <strong>Wagner</strong><br />

Orchesterbesetzung<br />

1. Violinen<br />

Yuki Manuela Janke<br />

1. Konzertmeisterin<br />

Michael Eckoldt<br />

Thomas Meining<br />

Jörg Faßmann<br />

Federico Kasik<br />

Michael Frenzel<br />

Volker Dietzsch<br />

Johanna Mittag<br />

Jörg Kettmann<br />

Susanne Branny<br />

Birgit Jahn<br />

Martina Groth<br />

Wieland Heinze<br />

Anja Krauß<br />

Annika Thiel<br />

Roland Knauth<br />

2. Violinen<br />

Reinhard Krauß<br />

Konzertmeister<br />

Frank Other<br />

Annette Thiem<br />

Stephan Drechsel<br />

Jens Metzner<br />

Ulrike Scobel<br />

Olaf-Torsten Spies<br />

Mechthild von Ryssel<br />

Alexander Ernst<br />

Emanuel Held<br />

Kay Mitzscherling<br />

Martin Fraustadt<br />

Paige Kearl<br />

Ting Hsuan Hu<br />

Bratschen<br />

Michael Neuhaus Solo<br />

Stephan Pätzold<br />

Anya Muminovich<br />

Michael Horwath<br />

Ulrich Milatz<br />

Ralf Dietze<br />

Wolfgang Grabner<br />

Juliane Böcking<br />

Uta Scholl<br />

Florian Kapitza*<br />

Alexey Doubovikov*<br />

Raimund Eckertz*<br />

Violoncelli<br />

Friedwart Christian Dittmann<br />

Solo<br />

Tom Höhnerbach<br />

Martin Jungnickel<br />

Uwe Kroggel<br />

Andreas Priebst<br />

Johann-Christoph Schulze<br />

Jakob Andert<br />

Matthias Wilde<br />

Titus Maack<br />

Sebastian Gaede*<br />

Kontrabässe<br />

Andreas Wylezol Solo<br />

Petr Popelka<br />

Torsten Hoppe<br />

Helmut Branny<br />

Christoph Bechstein<br />

Fred Weiche<br />

Reimond Püschel<br />

Johannes Nalepa<br />

Flöten<br />

Rozália Szabó Solo<br />

Bernhard Kury<br />

Jens-Jörg Becker<br />

Oboen<br />

Céline Moinet Solo<br />

Volker Hanemann<br />

Albrecht Krauß*<br />

Klarinetten<br />

Wolfram Große Solo<br />

Dietmar Hedrich<br />

Christian Dollfuß<br />

Fagotte<br />

Thomas Eberhardt Solo<br />

Hannes Schirlitz<br />

Joachim Huschke<br />

Hörner<br />

Erich Markwart Solo<br />

Robert Langbein Solo<br />

Harald Heim<br />

Julius Rönnebeck<br />

Miklós Takács<br />

Klaus Gayer<br />

Trompeten<br />

Tobias Willner Solo<br />

Viktor Spáth Solo<br />

Peter Lohse<br />

Volker Stegmann<br />

Sven Barnkoth<br />

Gerd Graner<br />

Posaunen<br />

Uwe Voigt Solo<br />

Nicolas Naudot Solo<br />

Guido Ulfig<br />

Jürgen Umbreit<br />

Frank van Nooy<br />

Tuba<br />

Jens-Peter Erbe Solo<br />

Pauken<br />

Thomas Käppler Solo<br />

Schlagzeug<br />

Christian Langer<br />

Jürgen May<br />

Dirk Reinhold<br />

Stefan Seidl<br />

Harfe<br />

Astrid von Brück Solo<br />

Klavier / Celesta<br />

Jobst Schneiderat<br />

* als Gast<br />

42 43 <strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Vorschau<br />

KLASSIK PICKNICKT<br />

Samstag 15.6.13 21 Uhr<br />

Die Gläserne Manufaktur von Volkswagen<br />

Michail Jurowski Dirigent<br />

Sergej Nakariakov Trompete<br />

KAUFMANN<br />

WAGNER<br />

„JONAS KAUFMANN SINGT IN EINER<br />

KLASSE, VON DER ANDERE WAGNER-<br />

TENÖRE NUR TRÄUMEN KÖNNEN.“<br />

STEREOPLAY<br />

Dmitri Schostakowitsch<br />

Festliche Ouvertüre op. 96<br />

Modest Mussorgsky<br />

Vorspiel zu »Chowanschtschina«<br />

»Eine Nacht auf dem kahlen Berge«<br />

(Orchestrierung: Nikolai Rimski-Korsakow)<br />

Alexander Arutjunjan<br />

Konzert für Trompete und Orchester<br />

Oskar Böhme<br />

»La Napolitaine«, »Tarantelle« für Trompete<br />

Michail Glinka<br />

Ouvertüre zu »Ruslan und Ludmilla«<br />

Peter Tschaikowsky<br />

»Capriccio italien« op. 45<br />

© Felix Broede / Decca<br />

ALS CD & DOWNLOAD<br />

www.jonas-kaufmann.net<br />

11. Symphoniekonzert<br />

Freitag 21.6.13 20 Uhr<br />

Samstag 22.6.13 20 Uhr<br />

Sonntag 23.6.13 11 Uhr<br />

Semperoper <strong>Dresden</strong><br />

Herbert Blomstedt Dirigent<br />

Richard <strong>Wagner</strong><br />

Vorspiel und »Isoldes Liebestod«<br />

aus »Tristan und Isolde«<br />

Ingvar Lidholm<br />

»Poesis« für Orchester<br />

Ludwig van Beethoven<br />

Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica«<br />

<strong>Wagner</strong>-Geburtstagskonzert <strong>II</strong>


Impr essum<br />

Sächsische <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

Chefdirigent Christian Thielemann<br />

Spielzeit 2012|2013<br />

Herausgeber<br />

Sächsische Staatstheater –<br />

Semperoper <strong>Dresden</strong><br />

© Mai 2013<br />

Redaktion<br />

Dr. Torsten Blaich<br />

Gestaltung und Layout<br />

schech.net<br />

Strategie. Kommunikation. Design.<br />

Druck<br />

Union Druckerei <strong>Dresden</strong> GmbH<br />

Anzeigenvertrieb<br />

EVENT MODULE DRESDEN GmbH<br />

i.A. der Moderne Zeiten Medien GmbH<br />

Telefon: 0351/25 00 670<br />

e-Mail: info@event-module-dresden.de<br />

www.kulturwerbung-dresden.de<br />

Bildnachweis<br />

Matthias Creutziger (S. 4, 8, 14, 21, 33);<br />

Scholz shoots People (S. 7); Notenbibliothek<br />

der Staatsoper <strong>Dresden</strong> (S. 12/13); Historisches<br />

Archiv der Staatsoper <strong>Dresden</strong> (S. 16, 19);<br />

SLUB <strong>Dresden</strong>/Deutsche Fotothek (S. 27); Martin<br />

Morgenstern (S. 28); Erwin Döring (S. 30);<br />

Evelyn Richter (S. 36).<br />

Te x tnachweis<br />

Die Einführungstexte von Dr. Ortrun Landmann<br />

und Prof. Dr. Hartmut Krones sind Originalbeiträge<br />

für dieses Programmheft.<br />

Sächsische<br />

<strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

Künstlerische Leitung/<br />

Orchesterdirektion<br />

Christian Thielemann<br />

Chefdirigent<br />

Katrin Schirrmeister<br />

Juliane Stansch<br />

Persönliche Referentinnen<br />

von Christian Thielemann<br />

Jan Nast<br />

Orchesterdirektor<br />

Tobias Niederschlag<br />

Konzertdramaturg,<br />

Künstlerische Planung<br />

Dr. Torsten Blaich<br />

Programmheftredaktion,<br />

Konzerteinführungen<br />

Matthias Claudi<br />

PR und Marketing<br />

Agnes Monreal<br />

Assistentin des Orchesterdirektors<br />

Sarah Niebergall<br />

Orchesterdisponentin<br />

Matthias Gries<br />

Orchesterinspizient<br />

Agnes Thiel<br />

Mathias Ludewig<br />

Dieter Rettig<br />

Notenbibliothek<br />

Von DresDen In DIe Welt<br />

UNITEL CLASSICA, der internationale Fernsehsender für die Welt der<br />

klassischen Musik, feiert zusammen mit der Sächsischen <strong>Staatskapelle</strong> <strong>Dresden</strong><br />

und ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann den 200. Geburtstag ihres<br />

ehemaligen Hofkapellmeisters Richard <strong>Wagner</strong>. Das heutige Konzert wird auf<br />

UNITEL CLASSICA live zeitversetzt um 22.15 Uhr in weltweit 24 Länder übertragen.<br />

In Deutschland empfangen Sie UNITEL CLASSICA in High Definition und mit<br />

Surround Sound über T-Entertain, Unitymedia, KabelBW, NetCologne und Sky.<br />

Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht<br />

werden konnten, werden wegen nachträglicher<br />

Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.<br />

Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus<br />

urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.<br />

www.staatskapelle-dresden.de<br />

Bulgarien Deutschland Estland Frankreich Italien (Classica Italia) Lettland Luxemburg<br />

Malta Österreich Polen Rumänien Schweiz Slowakei Spanien Tschechische Republik China<br />

Japan (Classica Japan) Korea Malaysia Mongolei Philippinen Taiwan Südafrika Zypern<br />

46<br />

www.unitelclassica.com


PARTNER DER<br />

STAATSKAPELLE DRESDEN<br />

4 MF

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