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Kritik der reinen Vernunft (2nd edition)

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<strong>Kritik</strong> <strong>der</strong> <strong>reinen</strong> <strong>Vernunft</strong> (<strong>2nd</strong> <strong>edition</strong>) 36<br />

überhaupt, d.i. <strong>der</strong> Logik.<br />

Die Logik kann nun wie<strong>der</strong>um in zwiefacher Absicht unternommen werden, entwe<strong>der</strong> als Logik des<br />

allgemeinen, o<strong>der</strong> des beson<strong>der</strong>en Verstandesgebrauchs. Die erste enthält die schlechthin notwendigen Regeln<br />

des Denkens, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes stattfindet, und geht also auf diesen,<br />

unangesehen <strong>der</strong> Verschiedenheit <strong>der</strong> Gegenstände, auf welche er gerichtet sein mag. Die Logik des<br />

beson<strong>der</strong>en Verstandesgebrauchs enthält die Regeln, über eine gewisse Art von Gegenständen richtig zu<br />

denken. Jene kann man die Elementarlogik nennen, diese aber das Organon dieser o<strong>der</strong> jener Wissenschaft.<br />

Die letztere wird mehrenteils in den Schulen als Propädeutik <strong>der</strong> Wissenschaften vorangeschickt, ob sie zwar,<br />

nach dem Gange <strong>der</strong> menschlichen <strong>Vernunft</strong>, das späteste ist, wozu sie allererst gelangt, wenn die<br />

Wissenschaft schon lange fertig ist, und nur die letzte Hand zu ihrer Berichtigung und Vollkommenheit<br />

bedarf. Denn man muß die Gegenstände schon in ziemlich hohem Grade kennen, wenn man die Regel<br />

angeben will, wie sich eine Wissenschaft von ihnen zustande bringen lasse.<br />

Die allgemeine Logik ist nun entwe<strong>der</strong> die reine, o<strong>der</strong> die angewandte Logik. In <strong>der</strong> ersteren abstrahieren wir<br />

von allen empirischen Bedingungen, unter denen unser Verstand ausgeübt wird, z.B. vom Einfluß <strong>der</strong> Sinne,<br />

vom Spiele <strong>der</strong> Einbildung, den Gesetzen des Gedächtnisses, <strong>der</strong> Macht <strong>der</strong> Gewohnheit, <strong>der</strong> Neigung usw.,<br />

mithin auch den Quellen <strong>der</strong> Vorurteile, ja gar überhaupt von allen Ursachen, daraus uns gewisse<br />

Erkenntnisse entspringen, o<strong>der</strong> untergeschoben werden mögen, weil sie bloß den Verstand unter gewissen<br />

Umständen seiner Anwendung betreffen, und, um diese zu kennen, Erfahrung erfor<strong>der</strong>t wird. Eine allgemeine,<br />

aber reine Logik, hat es also mit lauter Prinzipien a priori zu tun, und ist ein Kanon des Verstandes und <strong>der</strong><br />

<strong>Vernunft</strong>, aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs, <strong>der</strong> Inhalt mag sein, welcher er wolle,<br />

(empirisch o<strong>der</strong> transzendental). Eine allgemeine Logik heißt aber alsdann angewandt, wenn sie auf die<br />

Regeln des Gebrauchs des Verstandes unter den subjektiven empirischen Bedingungen, die uns die<br />

Psychologie lehrt, gerichtet ist. Sie hat also empirische Prinzipien, ob sie zwar insofern allgemein ist, daß sie<br />

auf den Verstandesgebrauch ohne Unterschied <strong>der</strong> Gegenstände geht. Um deswillen ist sie auch we<strong>der</strong> ein<br />

Kanon des Verstandes überhaupt, noch ein Organon beson<strong>der</strong>er Wissenschaften, son<strong>der</strong>n lediglich ein<br />

Kathartikon des gemeinen Verstandes.<br />

In <strong>der</strong> allgemeinen Logik muß also <strong>der</strong> Teil, <strong>der</strong> die reine <strong>Vernunft</strong>lehre ausmachen soll, von demjenigen<br />

gänzlich abgeson<strong>der</strong>t werden, welcher die angewandte (obzwar noch immer allgemeine) Logik ausmacht. Der<br />

erstere ist eigentlich nur allein Wissenschaft, obzwar kurz und trocken, und wie es die schulgerechte<br />

Darstellung einer Elementarlehre des Verstandes erfor<strong>der</strong>t. In dieser müssen also die Logiker je<strong>der</strong>zeit zwei<br />

Regeln vor Augen haben.<br />

1. Als allgemeine Logik abstrahiert sie von allem Inhalt <strong>der</strong> Verstandeserkenntnis, und <strong>der</strong> Verschiedenheit<br />

ihrer Gegenstände, und hat mit nichts als <strong>der</strong> bloßen Form des Denkens zu tun.<br />

2. Als reine Logik hat sie keine empirischen Prinzipien, mithin schöpft sie nichts (wie man sich bisweilen<br />

überredet hat) aus <strong>der</strong> Psychologie, die also auf den Kanon des Verstandes gar keinen Einfluß hat. Sie ist eine<br />

demonstrierte Doktrin, und alles muß in ihr völlig a priori gewiß sein.<br />

Was ich die angewandte Logik nenne, (wi<strong>der</strong> die gemeine Bedeutung dieses Wortes, nach <strong>der</strong> sie gewisse<br />

Exerzitien, dazu die reine Logik die Regel gibt, enthalten soll,) so ist sie eine Vorstellung des Verstandes und<br />

<strong>der</strong> Regeln seines notwendigen Gebrauchs in concreto, nämlich unter den zufälligen Bedingungen des<br />

Subjekts, die diesen Gebrauch hin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> beför<strong>der</strong>n können, und die insgesamt nur empirisch gegeben<br />

werden. Sie handelt von <strong>der</strong> Aufmerksamkeit, <strong>der</strong>en Hin<strong>der</strong>nis und Folgen, dem Ursprunge des Irrtums, dem<br />

Zustande des Zweifels, des Skrupels, <strong>der</strong> Überzeugung usw. und zu ihr verhält sich die allgemeine und reine<br />

Logik wie die reine Moral, welche bloß die notwendigen sittlichen Gesetze eines freien Willens überhaupt<br />

enthält, zu <strong>der</strong> eigentlichen Tugendlehre, welche diese Gesetze unter den Hin<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong> Gefühle,<br />

Neigungen und Leidenschaften, denen die Menschen mehr o<strong>der</strong> weniger unterworfen sind, erwägt, und<br />

welche niemals eine wahre und demonstrierte Wissenschaft abgeben kann, weil sie ebensowohl als jene

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