01.11.2013 Aufrufe

stärken stärken - Willow Creek

stärken stärken - Willow Creek

stärken stärken - Willow Creek

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

titel-thema<br />

titel-thema<br />

D.I.E.N.S.T.- Erfahrungen<br />

Praktische Überlegungen für die Gemeindearbeit<br />

Was ehrenamtliche Mitarbeiter<br />

Woche für Woche in Gemeinden<br />

leisten, ist atemberaubend.<br />

Es wird eine Fülle an Zeit, Kraft<br />

und Ideen investiert. Ehrenamtliche<br />

bilden das Rückgrat vieler Gemeinden.<br />

In dem Modell Ehrenamt liegt aber auch<br />

eine Begrenzung. Es geschieht nicht<br />

selten, dass jemand, der erfolgreich im<br />

Beruf ist, 10 bis 12 Stunden von zuhause<br />

weg ist. Mütter mit Kindern kommen locker<br />

auf die gleiche Stundenzahl. Hinzu<br />

kommt: Ehrenamtlich in der Gemeinde<br />

zu arbeiten bedeutet oft, nach einem<br />

langen Arbeittag noch mal von vorne anzufangen<br />

– möglichst vital und begeistert.<br />

Da kommen Mitarbeiter oft an ihre<br />

Grenzen.<br />

Zugleich bleibt in Gemeinden viel<br />

Potenzial unentdeckt. Wie kann eine<br />

Gemeinde diese versteckten Ressourcen<br />

ans Licht bringen? Weil das ein<br />

entscheidender Bereich ist, müsste eigentlich<br />

jede Gemeinde einen Dienstbereich<br />

ins Leben rufen, der sich nur<br />

damit beschäftigt. Als vor einigen Jahren<br />

das D.I.E.N.S.T.-Programm auf<br />

den Markt kam, haben wir in meiner<br />

damaligen Gemeinde, der Evangelisch-<br />

Freikirchlichen Gemeinde Alzey, diesen<br />

Bereich der Gemeinde auf diesen Kurs<br />

aufgebaut. Auf dem Weg dahin haben<br />

einige gravierende Werteverschiebungen<br />

stattgefunden. Dazu zählte etwa, dass jemand<br />

bei uns nur das tun sollte, wozu<br />

Gott ihn berufen hatte. Das heißt: Mitarbeiter<br />

würden nicht dazu benutzt, Löcher<br />

zu stopfen. Wir taten die Dinge, für<br />

die wir auch Leute hatten und wozu wir<br />

eine Berufung verspürten.<br />

Dies hat sich als „gabenorientierter<br />

Ansatz“ eingebürgert. Ich würde noch<br />

weiter gehen: Es ist ein „berufungsorientierter“<br />

Ansatz. Wir denken vom Menschen<br />

her und was Gott mit ihm vorhat.<br />

Die Dienste einer Gemeinde richten sich<br />

folglich nach den Menschen, die sie tun,<br />

und nicht nach den Diensten, die die<br />

Menschen tun sollten.<br />

Knackpunkt Pastor<br />

Der Pastor ist oft für vieles zuständig.<br />

Das ist nicht ohne Tragik – weil er dadurch<br />

selten zu dem kommt, was seine<br />

: von Manfred Beutel<br />

eigentlichen Stärken und Begabungen<br />

sind. Das kenne ich aus eigener Erfahrung.<br />

Mein Schlüsselerlebnis hatte<br />

ich, als ich selbst zum ersten Mal am<br />

D.I.E.N.S.T.-Seminar teilnahm. Das Thema<br />

Musik zog sich durch meine sämtlichen<br />

Auswertungen hindurch – aber<br />

nicht durch meine damaligen Aufgaben.<br />

Das hat sich inzwischen geändert. Seither<br />

mache ich Musik, habe Unterricht<br />

genommen – ja dass ich meine musikalischen<br />

Begabungen in die Gemeinde<br />

einbringen sollte, wurde sogar Teil meiner<br />

Arbeitsbeschreibung. Das Schöne<br />

am D.I.E.N.S.T.-Programm ist: Auch ein<br />

Pastor soll das tun, wozu er berufen ist.<br />

Die Einführung von D.I.E.N.S.T. hat<br />

nicht nur meinen Gabenschwerpunkt<br />

verändert, sondern auch mein Amtsund<br />

Leitungsverständnis. Ich empfand<br />

mich als Pastor mit theologischer Ausbildung<br />

nicht mehr in einer Sonderstellung.<br />

Ich war ein normales Teammitglied,<br />

wie alle anderen auch. Die ganze<br />

Priesterkaste hat im Christentum wirklich<br />

nichts verloren. Jesus sagte: Einer<br />

ist der Herr und ihr seid Brüder (oder<br />

Schwestern). In der <strong>Willow</strong> <strong>Creek</strong>-Gemeinde<br />

durchlaufen auch die Hauptamtlichen<br />

und angestellten Mitarbeiter das<br />

D.I.E.N.S.T.-Programm. Das ist eines ihrer<br />

Geheimnisse: In der Wertigkeit und<br />

der Mitsprache unterscheiden sie nicht<br />

zwischen Ehren- und Hauptamtlichen.<br />

Erfahrungen bei <strong>Willow</strong><br />

Als ich vor einigen Jahren ein Buch<br />

über die <strong>Willow</strong> <strong>Creek</strong>-Gemeinde geschrieben<br />

habe, war ich zu Recherchezwecken<br />

eine Woche vor Ort. Ich ging<br />

der Frage nach: Warum gibt es hier so<br />

viele zufriedene Mitarbeiter? Als ich an<br />

einem verregneten Sonntagmorgen auf<br />

den riesigen Gemeindeparkplatz fuhr,<br />

traf ich auf einen Parkplatzeinweiser,<br />

der mir trotz triefendnasser Regenjacke<br />

fröhlich lächelnd einen freien Parkplatz<br />

zuwies. Ich kam mit ihm ins Gespräch<br />

und erfuhr: Im „normalen“ Leben bekleidet<br />

dieser Mann eine Managerposition<br />

bei Motorola. Mein erster Gedanke:<br />

In Deutschland wären die wenigsten<br />

Manager bereit, als Parkplatzeinweiser<br />

in ihrer Gemeinde zu dienen.<br />

Während meiner Zeit bei <strong>Willow</strong><br />

<strong>Creek</strong> habe ich viele freundliche und<br />

begeisterte Mitarbeiter erlebt. Sie waren<br />

nicht nur freundlich, weil sie Amerikaner<br />

waren – ich hatte immer das<br />

Gefühl, dass sie in authentischer Fröhlichkeit<br />

ihre Aufgabe erfüllten. Die Leiterin<br />

des dortigen D.I.E.N.S.T.-Bereichs<br />

berichtete mir: Wenn die Leute zu uns<br />

in die Gemeinde kommen, setzen wir<br />

recht früh viel Zeit, Energie und Personal<br />

dafür ein herauszufinden, wofür<br />

das Herz dieser Menschen schlägt, was<br />

ihre Berufung ist – und in diesem Bereich<br />

lassen wir sie dann dienen. Das<br />

ist der Grund, weshalb ihre Motivation<br />

frisch bleibt. Weil sie in ihrem Kompetenzbereich<br />

mitarbeiten, entwickeln sie<br />

sich relativ rasch weiter, was sie erneut<br />

motiviert. Die Folge: Sie tun nicht nur<br />

eine wirkungsvolle Arbeit, sie leben<br />

auch ein echtes, natürliches Christsein.<br />

Wenn es zu viele angstbesetzte Strukturen<br />

gibt, wird das Leben im Keim erstickt.<br />

Der Prozess –<br />

und seine Tücken<br />

Im Wesentlichen besteht D.I.E.N.S.T.<br />

aus einem Dreiklang – der nicht völlig<br />

ohne Tücken ist. Zunächst wird nach<br />

den Neigungen gefragt, wofür das Herz<br />

eines Menschen schlägt. Hört sich einfach<br />

an, ist es aber nicht, weil jeder<br />

In Deutschland<br />

wären<br />

die wenigsten<br />

Manager<br />

bereit, als<br />

Parkplatzeinweiser<br />

in<br />

ihrer Gemeinde<br />

zu dienen.<br />

von uns Sicherungssysteme mit sich<br />

herumträgt, die dafür sorgen, dass wir<br />

im Gewohnten verharren, die das Neue<br />

verhindern. Der D.I.E.N.S.T.-Prozess<br />

ist damit auch ein seelsorgerlicher Prozess.<br />

Diese Begleitung ist bei verschiedenen<br />

Menschen wichtig, um eventuelle<br />

Erfahrungen oder Verletzungen<br />

aus der Vergangenheit oder neurotische<br />

Verhaltensmuster zu erkennen und<br />

aufzuarbeiten, die eine eventuelle Neujustierung<br />

verhindern. Die Welt ist ja<br />

nicht voll von Menschen, die ihre Berufung<br />

ungehemmt leben, sondern eher<br />

voller Leute, die in bestimmten Zwängen<br />

leben. Sie davon Stück für Stück<br />

zu lösen und ihnen die Augen für das<br />

zu öffnen, was Gott für sie im Sinn hat,<br />

gehört zum Gedanken von D.I.E.N.S.T.<br />

Ich habe mit vielen Hundert Menschen<br />

aus ganz unterschiedlichen Gemeinden<br />

das D.I.E.N.S.T-Programm<br />

durchgearbeitet. Die interessante Entdeckung:<br />

Die Ergebnisse des Gabentests<br />

sind in der Regel ein Abbild der<br />

Leidenschaft einer Person. Man kann<br />

sich darüber streiten, was natürliche<br />

und was übernatürliche, also geistliche<br />

Begabungen sind. Ich halte eine scharfe<br />

Trennung für nicht hilfreich. Ich glaube,<br />

dass unser Schöpfer viel ganzheitlicher<br />

denkt. Manches, was so natürlich daherkommt,<br />

kann sehr übernatürlich sein;<br />

und manches, was auf den ersten Blick<br />

übernatürlich daherkommt, kann durchaus<br />

natürlichen und menschlichen Ursprungs<br />

sein. Wenn es darum geht, dass<br />

jemand seine Berufung lebt, dann geht<br />

es ohnehin darum, dass er sein ganzes<br />

Leben Gott zur Verfügung stellt.<br />

Hat man entdeckt, wofür das eigene<br />

Herz schlägt und welches die eigenen<br />

Gaben sind – also was man in dem Bereich<br />

besonders gut tun kann –, dann<br />

geht es schließlich um den Persönlichkeitsstil:<br />

Wie packt jemand etwas an?<br />

Ist er strukturiert oder unstrukturiert?<br />

Introvertiert oder extrovertiert? Menschen-<br />

oder eher sachorientiert? Diese<br />

Komponente gehört unbedingt dazu.<br />

Aus langjähriger Erfahrung als Pastor<br />

weiß ich: Es entsteht viel unnötiger<br />

Stress in der Gemeinde wie im Leben<br />

des Einzelnen, wenn jemand etwas tut,<br />

was seinem oder ihrem Temperament<br />

nicht entspricht.<br />

Ich erinnere mich noch gut an einen<br />

Kurs mit 35 D.I.E.N.S.T.-Teilnehmern,<br />

den ich vor einigen Jahren begleitete.<br />

Nach Ende des D.I.E.N.S.T.-Prozesses<br />

war kaum jemand noch am gleichen<br />

Platz in der Gemeinde. Für fast sechs<br />

Monate lief deshalb vieles auf Sparflamme.<br />

Viele Teams mussten völlig neu<br />

zusammengestellt werden. Aber es hat<br />

sich gelohnt. Es war die Basis für eine<br />

sich anschließende fruchtbare und erfolgreiche<br />

Gemeindearbeit. Solch tiefgreifende<br />

Veränderungen in so kurzer<br />

Zeit sind nicht die Regel. Wichtig ist,<br />

dass alle Beteiligten in dem Prozess ein<br />

offenes Ohr für Gottes Reden und Führung<br />

haben.<br />

Manfred Beutel<br />

ist Pastor der Evangelisch-<br />

Freikirchlichen „Gemeinde am<br />

Döhrener Turm“ in Hannover.<br />

16<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!