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RAFAEL KUBELÍK

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10 DEUTSCH<br />

tonung, das „Requiem pro memoria uxoris“. Im November des gleichen Jahres<br />

begann für Kubelík eine Zeit wahrer künstlerischer Erfüllung, denn er wurde<br />

Nachfolger Eugen Jochums als Erster Dirigent beim Symphonieorchester des<br />

Bayerischen Rundfunks in München. Die Verbindung war ausgesprochen glücklich<br />

und von langer Dauer; sie endete erst 1983. Die Vollendung, zu der er das<br />

Orchester brachte, war keine kalte Perfektion zum Selbstzweck („Wie kommen Sie<br />

darauf, dass Vollkommenheit Genauigkeit bedeutet? Gibt es nicht ein paar interessantere<br />

Arten der Vollkommenheit als die Präzision?”), sondern stand im Dienst<br />

von Gestaltung und humanistischer Aussage. Sein hohes Ethos und sein Temperament<br />

machten ihn mitunter zum unbequemen Zeitgenossen. Als die CSU 1972<br />

in München einen überwältigenden Wahlsieg errang und es sich abzeichnete,<br />

dass ein Rundfunkgesetz verabschiedet werden sollte, das eine Gleichschaltung<br />

bedeutete, protestierte Kubelík öffentlich lautstark und drohte mit Rücktritt, falls<br />

der Bayerische Rundfunk tatsächlich zur „Servicewelle der CSU” werden würde.<br />

Mit dem Münchner Orchester erreichte Kubelík den Zenit seiner Arbeit. Seine<br />

Konzerte waren dramaturgisch exakt konzipiert. In der Spielzeit 1966 stellte<br />

er beispielsweise die Symphonien Beethovens in den Mittelpunkt, 1967 religiöse<br />

Werke von Palestrina bis Strawinsky, 1968 die Kammermusik Hindemiths<br />

und die Suiten Bachs, 1969 Mozartkonzerte; 1970 enthielt jedes Konzert<br />

eine Haydn-Symphonie. Da ihm sein Leben lang etwas vom urböhmischen<br />

Musikantentum eignete, verwundert es nicht, dass die Komponisten der böhmisch-mährischen<br />

Tradition häufig vorkamen, vor allem Janáček (der damals<br />

beileibe nicht so populär war wie heute), aber auch Smetana, Dvořák, Martinů<br />

und natürlich Mahler, den er durch eine Gesamteinspielung der Symphonien<br />

einem breiteren Publikum bekannt machte. Hinzu kamen die Symphonien<br />

Bruckners, zahlreiche konzertante Opernproduktionen (unter anderem Pfitzners<br />

„Palestrina“, Debussys „Pelléas et Mélisande”, Mussorgskys „Boris Godunov”<br />

und Wagners „Meistersinger”) und neben traditionellem Repertoire sehr viel<br />

Moderne. „Man kann nicht Beethoven lieben, wenn man nicht weiß, dass es im<br />

20. Jahrhundert Hindemith gibt, und wir können Bach nicht ganz verstehen,<br />

wenn wir keine Musik von Schönberg kennen”, lautete seine Überzeugung. Die<br />

Radiosymphonieorchester in Deutschland befanden sich in einer relativ unabhängigen<br />

Situation, da sie sich nicht über den freien Konzertmarkt, sondern<br />

über Rundfunkgebühren finanzierten; so konnte Kubelík in München insgesamt<br />

mehr wagen und ging, wie Daniel Barenboim es einmal ausdrückte, stets<br />

„den Weg des größten und nicht des geringsten Widerstands”. Als Hans Werner<br />

Henze kurz vor der Münchner Erstaufführung seiner „Sechsten Symphonie” erkrankte<br />

und sein Dirigat absagen musste, sprang Kubelík von einer Minute auf<br />

die andere ein und sicherte dem Werk seinen Erfolg. Er dirigierte die Symphonien<br />

Karl Amadeus Hartmanns (die „Achte” und letzte als Uraufführung), die er<br />

sehr schätzte, mit verinnerlichter Leidenschaft und Dringlichkeit; Ähnliches ließe<br />

sich über seine Lesarten der Werke Brittens und Honeggers sagen.<br />

Über die Konzertauftritte hinaus fielen in die Münchner Zeit unzählige Plattenaufnahmen<br />

und längere Tourneen als Gastdirigent mit einem Repertoire,

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