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Das Silvesterchlausen - Urnäsch

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<strong>Das</strong> <strong>Silvesterchlausen</strong><br />

<strong>Das</strong> Silvesterklausen ist im ausserrhodischen Hinterland,<br />

also in den Gemeinden <strong>Urnäsch</strong>, Herisau, Hundwil,<br />

Stein,Waldstatt, Schwellbrunn und Schönengrund, der<br />

eindrücklichste Winterbrauch. Seit einigen Jahren gibt es<br />

auch wieder Kläuse im Mittelland, vor allem in Teufen, und<br />

zur Zeit sieht es danach aus, als ob der alte Brauch ehemals<br />

verlorenen Boden wieder zurückgewinnen könnte.<br />

Heute unterscheidet man mehr oder weniger deutlich drei<br />

Arten von Kläusen: die «wüeschte», die «schöne» und die<br />

Wald- oder Naturkläuse. Sie treten alle fast ausschliesslich<br />

in Gruppen auf, «Schuppel» nennt sie der Einheimische. Die<br />

einen tragen eine oder zwei Schellen und stellen<br />

«Mannevölcher» dar. Man nennt sie noch häufiger nach<br />

ihrem Instrument «Schelli» oder Schellenklaus. Die anderen<br />

sind die «Rollewiiber» oder «Rolli», mit einem Rollenträger<br />

um den Oberkörper. Obwohl die Rollenweiber eindeutig weibliche Kleidung tragen,<br />

versteckt sich unter der Maskerade ein Bursche. <strong>Das</strong> Klausen ist ein<br />

ausgesprochener Männerbrauch, nur bei den «Goofeschüppeli» machen hie und da<br />

auch Mädchen mit.<br />

Ein Tagesablauf<br />

Schon in den ersten Morgenstunden des Silvestertages sind viele der <strong>Urnäsch</strong>er<br />

Klausschuppel unterwegs zum Frühklausen. Bei einem Freund oder Mitglied der<br />

Gruppe wird «gchlauset» und «zauret», allerdings noch ohne Maske und Kopfputz.<br />

Erst in der Morgendämmerung geht dann das eigentliche Silvesterklausen an.<br />

Gruppenweise ziehen die Kläuse von Haus zu Haus, voran der «Vorrolli», in der<br />

Mitte schön hintereinander die «Schelli» und am Schluss der «Noerolli» (Nachrolli).<br />

Vor einem Haus stellen sie sich in einem Kreis auf, schellen und rollen, dass es eine<br />

Art hat, beruhigen sich dann und stimmen ein Zäuerli an. <strong>Das</strong> wiederholt sich<br />

üblicherweise dreimal. Dann wünschen die Kläuse dem Hausherrn und seiner<br />

Familie mit kräftigem Händedruck ein gutes neues Jahr, erhalten ein Geldgeschenk<br />

und ziehen in der gleichen Reihenfolge, wie sie gekommen sind, zum nächsten<br />

Haus.<br />

<strong>Das</strong> Klausen ist eine körperlich sehr anstrengende Sache. Der «Schelli» mit den<br />

grössten Schellen in einem schönen «Schuppel» trägt gut und gerne zwischen<br />

zwanzig und dreissig Kilo mit sich herum. <strong>Das</strong> bedeutet, dass ein Klausschuppel<br />

mehrere Pausen zur Erholung einschalten muss, denn der Silvestertag ist lang, vor<br />

allem dann, wenn am Abend in einer Wirtschaft noch «schlussgchlaused» wird - oft<br />

bis in die Morgenstunden des Neujahrstages. Der alte Silvester verläuft etwa gleich.<br />

In der Regel wird aber auf das Frühklausen verzichtet, dafür ziehen die Kläuse am<br />

Abend von einer Wirtschaft zur anderen und zeigen sich den vielen Besuchern und<br />

Bewunderern aus nah und fern.<br />

Die schönen Kläuse<br />

Ein Schuppel von schönen Kläusen besteht heute üblicherweise aus sechs<br />

Burschen, zwei «Rolli» und vier «Schelli». Die Rollenweiber tragen gewaltige<br />

radförmige Hauben auf dem Kopf und sind in eine Art Frauentracht gekleidet. Die


Schellenkläuse tragen auf dem Rücken und der Brust je eine Senntumsschelle, die<br />

mit verzierten Lederbändern über den Schultern zusammengehängt sind. Auf den<br />

Köpfen der Schellenkläuse befinden sich flache, im Grundriss ungefähr rechteckige<br />

Hüte, deren Seite und untere Fläche in der gleichen Weise wie die Hauben der<br />

«Rolli» mit Tausenden von Glaskügelchen, farbigen Kordeln, Metallfolien und<br />

Silberpapier verziert sind. In den Nischen der Hauben und auf der oberen Fläche der<br />

Hüte werden mit sorgfältig geschnitzten Figürchen Szenen aus dem ländlichen<br />

Leben dargestellt, eine Alpfahrt zum Beispiel oder Handwerker und Bauern an der<br />

Arbeit. Eine mit Silberborten besetzte, aus einfarbigem Sammet gearbeitete Tracht,<br />

weisse Strümpfe und schwere Schuhe vervollständigen die Ausrüstung.<br />

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und in verstärktem Masse in den letzten Jahren<br />

wurde das Klausen am Alten Silvester als urtümliches Brauchtumsereignis so<br />

berühmt, dass ganze Carladungen von Touristen ins <strong>Urnäsch</strong>er Tal gekarrt werden<br />

und dass Extrazüge und lange Kolonnen von Autos mit dem gleichen Ziel unterwegs<br />

sind.<br />

Neuere Formen<br />

Die Natur- oder Waldkläuse, im Volksmund viel treffender auch etwa als die «schöwüeschte»<br />

bezeichnet, sind, wie dieser zweite Name verrät, eine Form zwischen den<br />

bereits geschilderten schönen Kläusen und den «wüeschten». In der Mitte der<br />

sechziger Jahre trat eine <strong>Urnäsch</strong>er Gruppe zum erstenmal so auf. Für Mäntel und<br />

Hüte werden Naturmaterialien verwendet, und zwar mit sehr viel Sinn für dekorative<br />

Wirkung. Zudem werden auf den Kopfbedeckungen und in Nischen an den Mänteln<br />

ähnliche Szenen dargestellt, wie das die schönen Kläuse tun.<br />

Die «wüeschte» Kläuse tragen oft furchterregende Masken, die aus Papiermaché,<br />

Schweine- oder Rinderzähnen, Knochen und anderen Naturprodukten angefertigt<br />

werden. Hosen, Kopfbedeckung und Mäntel werden mit Heu, Stroh, Tannenreisig,<br />

Stechlaub oder ähnlichen Materialien besteckt. Unter dem Mantel, nur halb sichtbar,<br />

tragen die «Mannevölcher» eine Schelle, die an einem Strick über eine Schulter<br />

befestigt wird.<br />

Kein heidnischer Brauch<br />

Trotz der für viele Betrachter deutlich heidnischen Symbolik geht der Brauch wohl,<br />

nach heute gültigem Stand der Forschung, auf einen spätmittelalterlichen<br />

St.Nikolausfeiertag der Klosterschüler zurück, der im 15.Jahrhundert immer wilder<br />

und fasnachtsähnlicher wurde und so die Vorweihnachtszeit belastete. <strong>Das</strong> Auftreten<br />

von Schreckmasken im Advent reicht keineswegs in die graue heidnische Vorzeit<br />

zurück.<br />

Schon 1663 wehrten sich die kirchlichen Behörden gegen das «in der Nacht herum


lauffen mit schellen und polderen in Gestalt des Niclausens». Es ist durchaus<br />

denkbar, dass man als einzige Konzession an die pfarrherrlichen Proteste, den<br />

Brauch von der Advents- und Weihnachtszeit auf ein weniger heikles Datum, den<br />

Silvester, verschoben hat.<br />

<strong>Das</strong> Klausen war hier in Ausserrhoden wie auch im katholisch gebliebenen<br />

Innerrhoden beliebt. Im innerrhodischen Mandatenbuch von 1776 - 1808 kann man<br />

nachlesen, dass das Klausen bei fünf Talern Busse verboten sei. Möglicherweise hat<br />

die hohe Geldstrafe dazu geführt, dass die Innerrhoder das Klausen aufgaben.<br />

Kurz zusammengefasst<br />

Ort Vom Appenzell Ausserrhodischen Hinterland bis ins Mittelland<br />

Datum Am neuen Silvester, dem 31. Dezember und am Alten Silvester, nach<br />

dem julianischen Kalender am 13. Januar (falls der 31.12./bzw. 13.01.<br />

auf einen Sonntag fällt, findet das <strong>Silvesterchlausen</strong> am 30.12./bzw. am<br />

12.01. statt).<br />

Dauer Vom Morgengrauen bis in die Nacht hinein<br />

Teilnehmer Männer, Buben und seltener auch kleine Mädchen

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