Musterreaktionen auf mündliche Angriffe
Musterreaktionen auf mündliche Angriffe
Musterreaktionen auf mündliche Angriffe
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Schnellübersicht<br />
Mensch ärgere dich nicht! 6<br />
Reaktionsmöglichkeiten <strong>auf</strong> unredliche <strong>mündliche</strong><br />
Verhaltensweisen<br />
9<br />
Übungsteil zur Selbstreflexion 27<br />
<strong>Musterreaktionen</strong> 49<br />
Die <strong>Angriffe</strong> häufen sich 143<br />
Literaturhinweise 159<br />
Stichwortverzeichnis 160
Keiner von uns sage, er habe die Wahrheit schon gefunden.<br />
Lasst sie uns vielmehr so suchen, als ob sie uns unbekannt sei.<br />
Wenn keiner sich anmaßt, sie schon gefunden und erkannt zu haben,<br />
dann werden wir sie gewissenhaft und einträchtig<br />
gemeinsam suchen können.<br />
Augustinus<br />
Mensch ärgere dich nicht!<br />
Menschen verfügen über:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
unterschiedliche Erfahrungen<br />
unterschiedliches Wissen<br />
unterschiedliche Intelligenz<br />
unterschiedliche Vorurteile<br />
unterschiedliche Begabungen<br />
unterschiedliche körperliche Konditionen<br />
unterschiedliche gesellschaftliche Stellungen<br />
unterschiedliches Selbstbewusstsein<br />
unterschiedliche Beeinflussbarkeit<br />
unterschiedliche Fähigkeit, Einfluss zu nehmen usw.<br />
Ein gedeihliches Zusammenleben ist trotz dieser vielen Unterschiede<br />
möglich, wenn wir nicht starr an unseren Meinungen festhalten,<br />
sondern Toleranz (Tugend der Weisheit) gegenüber Andersdenkenden<br />
zeigen. Unterschiedliche Auffassungen werden<br />
bei einem fairen Wettstreit der Argumente geklärt.<br />
Augustinus Einstellung wird leider nicht von allen akzeptiert. Hin<br />
und wieder begegnen uns Menschen, die Finten, Kunstgriffe,<br />
Tricks und sonstige Boshaftigkeiten ungeniert einsetzen, um ent-<br />
6 www.WALHALLA.de
Mensch ärgere dich nicht!<br />
weder ihre vermeintliche Überlegenheit zu zeigen oder sich <strong>auf</strong><br />
Kosten ihrer Mitmenschen durchzusetzen. Häufig nehmen sie<br />
diese unfairen Methoden zu Hilfe, wenn ihnen von der Sache her<br />
die Felle davonzuschwimmen drohen. Ob hierbei brachiale Direktheit,<br />
mit Hilflosigkeit getarnte Bauernschläue, arrogante Überheblichkeit<br />
oder filigrane und diplomatische Einflussnahme erkennbar<br />
oder vorsätzlich verletzende <strong>Angriffe</strong> <strong>auf</strong> unsere Person<br />
gestartet werden, ist unerheblich. Wichtig ist zu erkennen, dass<br />
der Kontrahent uns an die Wand drängen und das Wasser abgraben<br />
will, damit er sich in seinem Erfolg sonnen kann, wenn wir als<br />
Verlierer den Platz verlassen.<br />
In diesem Buch lernen Sie, eine Vielzahl anrüchiger Taktiken angriffslustiger<br />
Mitmenschen zu analysieren und anschließend an -<br />
gemessene Reaktionen zu überdenken. Wenn Sie die verwendeten<br />
Rezepturen aus dem rhetorischen Giftschrank des Angreifers<br />
kennen, können Sie hier<strong>auf</strong> überzeugend kontern und nehmen<br />
den unsichtbaren Waffen Ihres Gegners die Schärfe („Gefahr erkannt<br />
– Gefahr gebannt“). Damit vermeiden Sie, in ein betretenes<br />
Schweigen oder ein konfuses Gestammel zu fallen, das Ihren Gegner<br />
angesichts Ihrer durch Sprachlosigkeit ausgedrückten Niederlage<br />
frohlocken lässt. Die beste Antwort taugt nicht, wenn sie<br />
Ihnen erst einige Stunden nach dem Angriff einfällt. Vermutlich<br />
erlebten Sie schon einmal die frei nach Eugen Roth formulierte<br />
Situation:<br />
Ein Mensch inbrünstig denkt sogleich an Mord,<br />
schallt ihm von Gegner her manch bös-verletzend Wort.<br />
Die Antwort fehlt, er sucht nach Worten, zaudert, stutzt,<br />
der Moment entschwindet, bleibt für eine Replik ungenutzt.<br />
Der Mensch formuliert und übt abends noch im Bette<br />
wie überzeugend und messerscharf er geantwortet – hätte.<br />
Die Informationen und Handreichungen sollen Ihnen helfen, sich<br />
in unvorhergesehenen und zumeist als unangenehm empfun -<br />
denen Situationen nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, sondern<br />
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Mensch ärgere dich nicht!<br />
schnell und nachhaltig <strong>auf</strong> diese kommunikativen Störfälle sprachlich<br />
zu reagieren. Damit wird es gelingen, den <strong>Angriffe</strong>n erfolgreich<br />
zu begegnen, sich ohne Gesichtsverlust aus der Schusslinie zu ziehen<br />
und sich so manchen Ärger zu ersparen.<br />
In diesem Sinne: Mensch ärgere dich nicht!<br />
Hans-Jürgen Kratz<br />
www.personaltraining-kratz.de<br />
Die Leserinnen werden um Verständnis gebeten, dass lediglich<br />
im Sinne der besseren Lesbarkeit die männliche Form gewählt<br />
wurde.<br />
8 www.WALHALLA.de
Aggressives Verhalten<br />
Zunächst ist festzuhalten, dass Menschen „Mängelwesen“ sind,<br />
denen immer irgendetwas fehlt. Sie haben persönliche Sehnsüchte,<br />
Wünsche, Vorstellungen, Hoffnungen, Gelüste, Leidenschaften<br />
und Triebe. Die Aussicht, diese Bedürfnisse zu befriedigen,<br />
weckt in Menschen Energien und erzeugt ein zielgerichtetes<br />
Verhalten. Wird Bedürfnisbefriedigung erzielt, tritt Genugtuung<br />
ein.<br />
Bedürfnisbefriedigung<br />
Mensch mit Energie Verhalten<br />
Bedürfnisunbefriedigtem<br />
<br />
wird<br />
wird befriedigung<br />
Bedürfnis eingesetzt gezeigt<br />
Was geschieht nun, wenn trotz der investierten Energie und des<br />
gezeigten Verhaltens der Mensch am Erreichen des Zieles durch<br />
eine Barriere gehindert wird?<br />
Frustration<br />
B<br />
Mensch mit Energie Verhalten A Bedürfnis-<br />
RRIERE<br />
unbefriedigtem <br />
wird<br />
wird befriedigung<br />
<br />
Bedürfnis eingesetzt gezeigt wird nicht<br />
erreicht<br />
FRUSTRATION<br />
Die Bemühungen des Menschen um Bedürfnisbefriedigung erweisen<br />
sich als vergeblich (lat. „frustra“). Den hieraus resultierenden<br />
Begriff Frustration können wir als Behinderung eines Menschen<br />
definieren, ein Ziel zu erreichen oder ihm näher zu kommen.<br />
Barrieren werden von vielen Menschen unterschiedlich emp -<br />
funden.<br />
10 www.WALHALLA.de
Aggressives Verhalten<br />
Mögliche Barrieren<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Unsicherheit durch vorgesehene Veränderungen<br />
Einschränkung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums<br />
Entziehen von Kompetenzen und Verantwortung<br />
Abwehr von Lösungsvorschlägen<br />
Einengen von Freiheitsräumen<br />
Verhinderung von Aufstiegsmöglichkeiten<br />
Drohender Arbeitsplatzverlust<br />
Aberkennung des Status<br />
Kritische Äußerungen<br />
Fehlende Bestätigung/Anerkennung<br />
Menschen in europäischen oder europäisch geprägten Gesellschaften<br />
legen Wert dar<strong>auf</strong>, als Individuum ein hohes Maß an<br />
Wertschätzung aus der Umwelt zu erfahren. Jeder von uns trägt<br />
drei große unsichtbare Spruchbänder <strong>auf</strong> seiner Brust, <strong>auf</strong> denen<br />
steht:<br />
Ich möchte wichtig sein!<br />
Ich möchte anerkannt werden!<br />
Ich möchte bewundert werden!<br />
Doch kommt die Umwelt diesen Wünschen stets nach? Wohl<br />
kaum! Tatsächlich bewirken das Versagen von Anerkennung und<br />
Geltung und das Verhindern des Erfolgsstrebens immer wieder<br />
„schmerzende“ Frustrationen. Wie machen sich diese bemerkbar?<br />
Eine erste Frustration wird bei einem durchschnittlich selbstsicheren<br />
Menschen eher zur Leistungsverstärkung nach dem Motto:<br />
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Reaktionsmöglichkeiten<br />
„Jetzt erst recht!“ führen. Wird jedoch die individuell unterschiedliche<br />
Frustrationstoleranz überschritten, setzen spannungsmindernde<br />
und nichtrationale Verhaltensweisen ein, die verschiedenen,<br />
häufig gezeigten Abwehrmechanismen:<br />
Direkte Aggression<br />
Noch vorhandene Energien richten sich gegen den „Schuldigen“,<br />
das heißt gegen den, der die Frustration ausgelöst hat. So kann<br />
<strong>auf</strong> Vorhaltungen eines Kollegen über mangelnde Zusammenarbeit<br />
nicht sachorientiert reagiert werden, sondern mit verbalen<br />
<strong>Angriffe</strong>n einschließlich Verbalinjurien, die sogar bis zu Handgreiflichkeiten<br />
gesteigert werden.<br />
Indirekte, verschobene Aggression<br />
Die Frustration wird an Unbeteiligten („Sündenbock“) abreagiert.<br />
Beispiel:<br />
Ein Vorgesetzter kritisiert seinen Mitarbeiter in massiver Form.<br />
Zu Hause meckert der Mitarbeiter wegen einer belanglosen<br />
Kleinigkeit seine Frau an, die Mutter schimpft mit dem Sohn,<br />
weil dieser wieder vor dem Fernsehgerät sitzt (was er normalerweise<br />
zu dieser Zeit tun darf), dar<strong>auf</strong> schlägt dieser seine<br />
kleine Schwester ohne einen für sie plausiblen Grund, das<br />
kleine Mädchen tritt nunmehr dem bellenden Hund <strong>auf</strong> den<br />
Schwanz. Fazit: Der arme Dackel bekommt nur deshalb einen<br />
Tritt, weil das Familienoberhaupt in der Firma Ärger hatte!<br />
Organisierte Aggression<br />
Aggressive Verhaltensweisen richten sich geplant oder informell<br />
zum Beispiel gegen einzuführende Neuerungen oder einen abgelehnten<br />
Vorgesetzten.<br />
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Aggressives Verhalten<br />
Kompensation<br />
Im Beruf versagte Selbstbestätigung oder Erfolgserlebnisse werden<br />
an einem anderen Ort gesucht. Statt des eigentlichen Zieles<br />
versucht der Frustrierte ein unwichtigeres Ersatzziel zu verwirklichen.<br />
Im Beruf Überforderte versuchen der Frustration durch<br />
mehr oder weniger routinemäßige Arbeiten zu entgehen, oder<br />
ein beruflich mit wenig attraktiven Aufgaben betrauter Mensch<br />
sucht nach Erfolgserlebnissen bei der Aufzucht Deutscher Schäferhunde.<br />
Restriktion<br />
Bei dieser Reaktion zeigt der Mensch eine früheren Entwicklungsphasen<br />
entsprechende Verhaltensweise (Beispiel: eine Frau bricht<br />
bei Kritik in Tränen aus) oder begibt sich in eine emotionale Isolierung<br />
(er zieht sich in den ihm als Schutz dienenden „Schmollwinkel“<br />
zurück). Dazu zählen unter anderem die „Innere Kündigung“<br />
oder die „LmaA“-Mentalität.<br />
Konversion<br />
Manche Menschen, die häufiger Misserfolgserlebnisse verbuchen,<br />
reagieren mit chronischen Kampfreaktionen: Sie wirken pessimistisch,<br />
launisch, leidend, nörgelnd. Verbietet die Situation dem<br />
Frustrierten, aggressiv gegen andere zu werden, kann er immer<br />
noch gegen sich selbst Aggressionen entwickeln. Dieser Mensch<br />
ähnelt einem in Südamerika beheimateten Skorpion, der so wütend<br />
wird, wenn man ihn ärgert, dass er sich selbst sticht und an<br />
seinem Gift stirbt.<br />
Die Symptome dieser „Flucht in die Krankheit“ können beispielsweise<br />
Magendrücken, Magengeschwüre, Verdauungsprobleme,<br />
Übelkeit (beim Magen- und Darmtyp), Herzbeschwerden, Schweißausbrüche,<br />
Schwindelgefühle und Kreisl<strong>auf</strong>probleme (beim Herzund<br />
Kreisl<strong>auf</strong>typ) sein und fallen unter die Sammelbezeichnung<br />
„Stresskrankheiten“.<br />
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Reaktionsmöglichkeiten<br />
Rationalisierung<br />
Die Person führt Scheinargumente ins Feld, um den eigenen Misserfolg<br />
zu entschuldigen und als unbedeutend sich selbst und anderen<br />
gegenüber darzustellen.<br />
Sieht sich ein Mensch in die Enge getrieben, erkennt er einen weiteren<br />
Misserfolg. Geht der Kampf mit einer anderen Person um<br />
den Erfolg verloren, vermutet er <strong>Angriffe</strong> <strong>auf</strong> sein Ich. Glaubt er<br />
nicht akzeptiert und anerkannt zu werden, reagiert er mit Abwehrmechanismen.<br />
Bereits die Aussicht, dass es möglicherweise<br />
nicht zu dem ersehnten Erfolg kommt, kann Abwehrmechanismen<br />
auslösen und vorbeugende Kampfreaktionen bewirken.<br />
Es geht dem Aggressiven zumeist darum, jedem durch seine<br />
Aktionen zu beweisen, wer und was er ist. Ängste, Unsicher heit,<br />
Pessimismus und Minderwertigkeitskomplexe bewirken einen<br />
erhöhten Energieeinsatz, der dazu führen kann, über das Ziel<br />
hinauszuschießen.<br />
Fazit:<br />
Typische Aggressionsziele sind:<br />
Eigene Bedürfnisse gegen andere durchsetzen<br />
Beachtung durch andere finden<br />
Reaktionen <strong>auf</strong> Aggressionen anderer<br />
Vergeltung erlittener Aggressionsakte<br />
Soll eines dieser Ziele erreicht werden, kommt es schnell zur<br />
Ausschüttung von Stresshormonen (Adrenalin, Noradrenalin,<br />
Dopamin). Diese bewirken ein Anpassen des Körpers an besondere<br />
Belastungen. Kampf- oder Fluchtreaktionen werden<br />
gezeigt. Die Lebensqualität wird beeinträchtigt, und es stellen<br />
sich längerfristig negative Begleiterscheinungen ein, so zum<br />
Beispiel Nervosität, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, erhöhter<br />
Blutdruck oder sogar Depressionen.<br />
14 www.WALHALLA.de
Abwehrstrategien<br />
Demgegenüber führen Erfolgserlebnisse zu einer günstigen Hormonlage<br />
im menschlichen Körper und die „Schaltvorgänge“ der<br />
Gehirnzellen des bewussten Nervensystems funktionieren reibungslos.<br />
Diese „Streicheleinheiten“ stellen lebenswichtige Vitamine<br />
dar, welche die Lebensqualität steigern und uns das Leben<br />
lebenswert erscheinen lassen.<br />
Wichtig: Konfliktsituationen müssen frühzeitig „sozialverträglich“<br />
gelöst werden, um Frustrationen und damit Aggressionen zu<br />
vermeiden. Dafür gilt es, Positives herauszustellen und Erfolgserlebnisse<br />
zu steigern!<br />
Abwehrstrategien gegen unredliche<br />
Verhaltensweisen<br />
Entsprechend seinem Naturell und seinen bisherigen Erfahrungen<br />
wird mancher Leser eine der nachfolgend beschriebenen Abwehrstrategien<br />
bevorzugen. Weil es aber keine Allzweck-Abwehrstrategie<br />
gibt, die jedem Angriff in bester Weise gerecht wird, lohnt<br />
sich ein Überblick über denkbare Abwehrmöglichkeiten.<br />
Unterschiedliche Situationen erfordern unterschiedliche Reaktionen,<br />
deshalb sollten Sie die Alternativen zu Ihrer bisherigen Vorgehensweise<br />
kennen. Während ein einmaliger Ausrutscher eines<br />
ansonsten friedfertigen Menschen von Ihnen übersehen und nicht<br />
sanktioniert wird, darf sich ein Streitpromoter nicht wundern,<br />
wenn er Zielscheibe Ihrer massiven Gegenwehr wird. Wenn es<br />
Ihrer Interessenlage entspricht, kann Nachgiebigkeit im Einzelfall<br />
die klügere Variante sein.<br />
Ihre jeweilige Abwehrstrategie sollte flexibel den sachlichen Gegebenheiten<br />
und dem Aggressivitätsniveau der Auseinandersetzung<br />
angepasst sein. Mit anderen Worten: Wenn jemand mit<br />
ehrverletzenden <strong>Angriffe</strong>n <strong>auf</strong> Sie einwirkt, müssen Sie anders<br />
reagieren als bei einer sachlichen Meinungsverschiedenheit.<br />
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Reaktionsmöglichkeiten<br />
Abwehrstrategie: Ignorieren<br />
Mancher sich unterlegen fühlende Angegriffene „übersieht“ gegen<br />
ihn gerichtete Handlungen („Augen zu und durch“) in der<br />
Hoffnung, dass die Situation nicht eskaliert und die <strong>Angriffe</strong> sich<br />
durch Nichtbeachtung totl<strong>auf</strong>en. Sie nehmen nicht zur Kenntnis,<br />
dass unter den Teppich gekehrte Konflikte eskalieren und sich<br />
irgendwann mit Brachialgewalt zu entladen pflegen. Die zunächst<br />
bewirkte Scheinharmonie erweist sich dann als Fata Morgana,<br />
wenn die eskalierende Situation das anfängliche Ausblenden ad<br />
absurdum führt.<br />
Vielleicht fühlen Sie sich einer Konfliktsituation ohnmächtig ausgeliefert<br />
oder wollen sich keine Unannehmlichkeiten einhan -<br />
deln. Sie beschließen, einer Begegnung mit dem Kontrahenten<br />
so gut es geht auszuweichen („der Kerl ist für mich Luft“). Allerdings<br />
ist dieses Vermeidungsverhalten aussichtslos, wenn sich<br />
die Akteure immer wieder über den Weg l<strong>auf</strong>en. Zudem zwingt<br />
dieses Verhalten Sie zu ständigen Ausweichmanövern, die Ihre<br />
Lebensgestaltung einengen und zum Verlust von Lebensqualität<br />
führen.<br />
Bemerkungen wie „Nur nicht daran rühren“ oder „Die Zeit heilt<br />
alle Wunden“ gehören zum Repertoire unsicherer oder übervorsichtiger<br />
Menschen. Trifft es wirklich zu, dass sich derjenige, der<br />
nichts tut, <strong>auf</strong> der sicheren Seite des Lebens befindet? Moliere<br />
erkannte:<br />
Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun,<br />
sondern auch für das, was wir nicht tun.<br />
Verdrängen Sie Konflikte, bauen Sie um sich eine Scheinwelt <strong>auf</strong>,<br />
die irgendwann zusammenbricht. Mit der Verdrängung und restriktivem<br />
Verhalten wird die gute Chance vertan, eine gemeinsame<br />
Lösung zu finden und ein gedeihliches Miteinander zu<br />
fördern.<br />
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Ignorieren<br />
Wenn Ihnen etwas nicht gefällt und Sie sich davon massiv gestört<br />
fühlen, sollten Sie die Situation ansprechen. Danach kann es<br />
kaum mehr schlechter werden – stattdessen besteht die Chance,<br />
dass sich anschließend die Situation zum Guten wendet.<br />
Sprechen Sie das Störende aber nicht an, ärgern Sie sich weiter<br />
über die unbefriedigende Situation. Über den vielen Ärger verleiden<br />
Sie sich unbewusst Ihr Leben, so dass Ihre Lebensqualität<br />
sinkt. Bei der durch Ärger bewirkten negativen Hormonlage gerät<br />
eine Lebensweisheit von William Somerset Maugham schnell in<br />
Vergessenheit:<br />
In jeder Minute, die man mit Ärger verbringt,<br />
versäumt man 60 glückliche Sekunden.<br />
Die körperlichen Reaktionen bei Ärger umschreibt der Volksmund<br />
zutreffend:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Uns läuft die Galle über.<br />
Wir ärgern uns gelb und grün.<br />
Wir haben vom Kontrahenten die Nase voll.<br />
Unser Kontrahent liegt uns schwer im Magen.<br />
Wir können die andere Person nicht mehr sehen.<br />
Fazit:<br />
Da Konflikte allgegenwärtig sind und ein normales tägliches<br />
Phänomen darstellen, wäre es fatal, Konflikte geflissentlich zu<br />
übersehen, sie notfalls zu leugnen und überhaupt nichts zu tun.<br />
Sehen Sie der Realität ins Auge und geben Sie Ihre Vogel-<br />
Strauß-Politik <strong>auf</strong>. Ungelöst schwelende Konflikte verschlechtern<br />
allmählich das Klima und verhindern über kurz oder lang<br />
ein harmonisches Zusammenleben oder eine zielgerichtete<br />
Zusammenarbeit.<br />
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Reaktionsmöglichkeiten<br />
Abwehrstrategie: Nachgeben<br />
Lassen wir uns bösartige Attacken ohne Gegenwehr gefallen oder<br />
geben wir häufig nach, werden wir von unseren Mitmenschen<br />
bald als Weichling, Weichei, Kopfnicker, Softie, Leisetreter, Jasager<br />
oder Schwächling eingeordnet, mit der bitteren Folge, dass<br />
wir immer häufiger angegriffen und systematisch unterdrückt<br />
werden. Da eine Gegenwehr ausbleibt, bekommen Angreifer<br />
Oberwasser und werden sich bei ihrem aggressiven Verhalten<br />
kaum mehr zurückhalten. Zugleich schwächen sich unser Selbstbehauptungswille<br />
und unser Durchsetzungsvermögen mehr und<br />
mehr und machen zunehmend der schlimmen Tendenz Platz, fast<br />
widerspruchslos nachzugeben.<br />
Zutreffend heißt es in einem persischen Sprichwort:<br />
Der ist leicht zu schlagen, der sich einmal schlagen ließ.<br />
Waren wir mehrfach der Verlierer, kommen wir uns selbst nach<br />
einiger Zeit als schwach, zaghaft und unterlegen vor. Es fehlt<br />
der Mut, aggressiven Mitmenschen die Stirn zu bieten, sie in ihre<br />
Schranken zu weisen und die eigenen Interessen selbstbewusst zu<br />
vertreten. Bald sind wir als Omega-Huhn abgestempelt und werden<br />
damit für andere Menschen zum Aggressionsobjekt.<br />
Exkurs:<br />
Vor etwa 100 Jahren beobachtete der norwegische Zoologe<br />
Thorleif Schjelderup-Ebbe, dass es bei den vielen kleinen Zänkereien,<br />
die sich tagsüber <strong>auf</strong> dem Hühnerhof abspielen, keineswegs<br />
chaotisch zugeht, indem sich alle Hühner gegenseitig<br />
hacken, sondern dass hier eine Gesetzmäßigkeit vorliegt.<br />
Er hatte alle Hühner individuell unterscheiden gelernt und<br />
notierte ihre Auseinandersetzungen <strong>auf</strong> „Hacklisten“. Zu seiner<br />
Verblüffung stellte er fest, dass bei 1900 Hackbeobachtungen<br />
in einer Hühnerschar eine strenge Staffelung eingehalten<br />
wird. Ein Huhn ist dabei allen anderen Hühnern<br />
18 www.WALHALLA.de
Nachgeben<br />
überlegen (Alpha-Huhn), das alle Hühner ungestraft hacken<br />
darf und von keinem anderen Huhn gehackt wird. Das Huhn<br />
mit dem nächstniederen Rang (Beta-Huhn) wird nur vom<br />
Alpha-Huhn gehackt, darf aber – abgesehen vom Alpha-<br />
Huhn – alle nachrangigen Artgenossen hacken. So geht die<br />
Rangfolge weiter bis zum Omega-Huhn, das von allen Hühnern<br />
gehackt werden darf, sich selbst aber in keinem Fall zur<br />
Wehr setzen darf.<br />
Diese gesellschaftliche Staffelung ist als Hackordnung inzwischen<br />
bei vielen sozial lebenden Tierarten bekannt geworden.<br />
Auch in menschlichen Gruppen bildet sich diese Hackordnung<br />
sehr schnell heraus.<br />
Mancher Angegriffene bemäntelt seine Zurückhaltung mit der<br />
Begründung: „Der Klügere gibt nach.“<br />
Skeptiker haben aber längst erkannt: „Der Klügere gibt solange<br />
nach, bis er der Dumme ist!“<br />
Fällt Ihnen schließlich die Rolle des Omega-Huhns zu, wird es Ihnen<br />
später kaum mehr gelingen, verlorengegangenes Terrain wieder<br />
zurückzugewinnen und sich aus Ihrer misslichen Lage zu befreien.<br />
Längst sind durch Ihr ständiges Nachgeben Ihr selbstbewusstes<br />
Auftreten und Ihr <strong>auf</strong>rechter Gang abhanden gekommen und Sie<br />
zeigen über Ihre Körpersprache Unsicherheit und die Bereitschaft,<br />
sich unterzuordnen.<br />
In einem <strong>auf</strong>schlussreichen Experiment wiesen zwei amerikanische<br />
Psychologen nach, dass sich Menschen nach ihren unbewusst gesendeten<br />
körpersprachlichen Signalen als „Opfer“ identifizieren<br />
lassen. Hierbei zeigten sie zwölf verurteilten Straßenräubern einen<br />
Film von 60 Passanten beim Stadtbummel. Aufgrund der Gehweise<br />
sollten die Raub-Experten beurteilen, bei welchen Fußgängern<br />
sie keine Gegenwehr erwarten würden. Als „leichte Beute“<br />
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Reaktionsmöglichkeiten<br />
wurden übereinstimmend jene Passanten angesehen, die stak -<br />
sig-große oder hastig-kleine Schritte machten, häufiger zu Boden<br />
sahen und die Schultern hochzogen. Fußgänger mit markigem<br />
Schritt und <strong>auf</strong>rechter Haltung wurden hingegen als „harte<br />
Brocken“ eingestuft, mit denen man sich möglichst nicht anlegen<br />
wolle.<br />
Jeder Mensch weiß körpersprachliche Signale richtig zu deuten,<br />
mit denen sich unbewusst ängstliche Menschen zu erkennen geben.<br />
Sie wirken meistens zaghaft, unsicher, gehemmt und ausweichend<br />
(Unsicherheitssignale siehe Seite 26). Der so <strong>auf</strong>tretende<br />
Mensch könnte sich – damit keinerlei Fehlinterpretationen <strong>auf</strong>treten<br />
– als wandelnde Litfasssäule ein großes Schild mit der Aufschrift<br />
„Ich bin ein potenzielles Opfer, ich lasse mich ohne Gegenwehr<br />
angreifen“ um den Hals hängen.<br />
Über das Nachgeben hinaus machen sich manche Menschen bewusst<br />
klein und versuchen, Sympathien beim Angreifer durch übergroßes<br />
Bemühen, noch mehr Entgegenkommen und Anpassung<br />
zu erwerben. Mit ihrem Verhalten „betteln“ sie um Wohlwollen<br />
und werden so zu Wachs in den Händen ihrer Widersacher.<br />
Wollen Sie sich einen Rest von Selbstwertgefühl erhalten, können<br />
Sie die dargestellte Strategie kaum <strong>auf</strong> längere Sicht durchhalten,<br />
so dass weitere Reaktionsmöglichkeiten zu betrachten sind.<br />
Fazit:<br />
Nachgiebigkeit mag <strong>auf</strong> den ersten Blick zu einem konfliktfreien<br />
Umgang mit anderen Personen beitragen. Wollen Sie<br />
aber nach häufigem Zurückweichen nicht den <strong>auf</strong>rechten<br />
Gang verlernen, ist Ihre angemessene Gegenwehr eine Frage<br />
der menschlichen Selbstachtung! Wer sich nicht wehrt, hat<br />
schon verloren. Wer sich wehrt, kann zwar verlieren, er kann<br />
aber auch gewinnen!<br />
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