Mitteilungen - Bardehle Pagenberg
Mitteilungen - Bardehle Pagenberg
Mitteilungen - Bardehle Pagenberg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4<br />
<strong>Mitteilungen</strong><br />
der deutschen Patentanwälte<br />
Herausgegeben vom Vorstand der Patentanwaltskammer 104. Jahrgang April 2013<br />
Aus dem Inhalt<br />
Beiträge<br />
Teschemacher<br />
Schneider<br />
Münsterer<br />
Bischof/<br />
Noureddine<br />
Hüttermann<br />
Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen<br />
fragen Sie Ihren Anwalt<br />
Zur Restitutionsklage im Patentrecht<br />
Einwendungen Dritter gegen US-Patentanmeldungen<br />
Chinesisches Haftpflichtrecht bei Immaterialgüterrechtsverletzungen<br />
Zwei Thesen über Patente<br />
Entscheidungen<br />
BGH<br />
BGH<br />
OLG München<br />
BGH<br />
BGH<br />
Führungsschiene – neues Nichtigkeitsverfahren<br />
Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser – öffentliche<br />
Zugänglichkeit<br />
Bavaria Holland Beer II – Zum Schutz der Bezeichnung<br />
„Bayerisches Bier“ als geografische Herkunftsangabe<br />
späte Aufsatzveröffentlichung – Bevorzugung von Patentanwälten<br />
bei den MITTEILUNGEN<br />
Rohrmuffe – Besichtigungsanspruch<br />
Art.-Nr. 56359304
<strong>Mitteilungen</strong><br />
der deutschen Patentanwälte<br />
Herausgegeben vom Vorstand der Patentanwaltskammer<br />
104. Jahrgang<br />
München, Heft 4<br />
April 2013<br />
Seiten 153 – 204<br />
Zitierweise: Mitt. (Jahr), (S.)<br />
Im Internet:<br />
www.gewerblicher-rechtsschutz.de<br />
Inhalt<br />
Die recherchierbare<br />
Online-Ausgabe<br />
Beiträge<br />
Teschemacher Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt 153<br />
Schneider Zur Restitutionsklage im Patentrecht 162<br />
Münsterer Einwendungen Dritter gegen US-Patentanmeldungen 166<br />
Bischof/Noureddine Chinesisches Haftpflichtrecht bei Immaterialgüterrechtsverletzungen 171<br />
Hüttermann Zwei Thesen über Patente 181<br />
Entscheidungen<br />
BGH<br />
BGH<br />
OLG München<br />
BGH<br />
Patent<br />
Beschl. vom 20.11.2012, X ZR 95/11 – Führungsschiene<br />
neues Nichtigkeitsverfahren 188<br />
Urt. vom 15.1.2013, X ZR 81/11 – Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser<br />
öffentliche Zugänglichkeit 189<br />
Marke<br />
Urt. vom 25.10.2012, 29 U 5084/03 – Bavaria Holland Beer II<br />
Zum Schutz der Bezeichnung „Bayerisches Bier“ als geografische Herkunftsangabe 191<br />
Berufsrecht<br />
Beschl. vom 6.7.2012, PatAnwZ 1/11 – späte Aufsatzveröffentlichung<br />
Bevorzugung von Patentanwälten bei den MITTEILUNGEN 197<br />
Kostenrecht<br />
OLG Köln Beschl. vom 29.8.2012, 17 W 47/12 – Fiktive Patentanwaltskosten 199<br />
Leitsätze<br />
Verfahrensrecht<br />
BGH Beschl. vom 18.12.2012, X ZR 7/12 – Rohrmuffe – Besichtigungsanspruch 200<br />
Leitsätze<br />
Sonstiges – Leitsatz 203<br />
Rezensionen<br />
Uhrich Haedicke, Patentrecht, 2. Aufl, 2013 203<br />
Fischer Schultz, Kommentar zum Markenrecht, 3. Auflage, 2012 204<br />
Lendvai Groß/Rohrer, Lizenzgebühren, 3. Auflage, 2012 204
kostenloser Online-Zugriff<br />
durchsuchbar wie eine Datenbank<br />
verlinkt mit Normen und Entscheidungen<br />
Das komplette Wissen für Beruf<br />
und Patentanwaltsprüfung<br />
Im Mittelpunkt des Handbuchs steht das Rüstzeug für<br />
den Patentanwaltsberuf: die Vertretung und Beratung<br />
von Mandanten, das Mandatsverhältnis (Vertrag,<br />
Vergütung und Haftungsfragen) bis hin zur<br />
Vertragsgestaltung und den berufsrechtlichen<br />
Pflichten.<br />
An Fallbeispielen und Abbildungen erläutert der<br />
erfahrene Patentanwalt und Ausbilder Professor<br />
Dr. Uwe Fitzner alles, was ein Patentanwalt für<br />
den Berufsalltag und ein Bewerber für die Patentanwaltsprüfung<br />
benötigt, insbesondere die nationalen<br />
und internationalen Schutzrechtssysteme.<br />
Fitzner<br />
Der Patentanwalt<br />
Beruf und Beratung im gewerblichen Rechtsschutz<br />
3. Auflage 2012, 596 Seiten, kartoniert,<br />
€ 108,–<br />
ISBN 978-3-452-27565-3<br />
Online im Shop bestellen:<br />
www.carl-heymanns.de<br />
Gebührenfreie Bestellhotline:<br />
0800 7763665<br />
Im Buchhandel erhältlich.<br />
Beilagenhinweis:<br />
Mit dieser Ausgabe verteilen wir eine Beilage<br />
der FORUM Institut für Management GmbH.<br />
Wir bitten um freundliche Beachtung.<br />
Impressum<br />
Schriftleitung<br />
Verantwortlicher Schriftleiter: Patentanwalt Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Malte Köllner,<br />
Vogelweidstraße 8, 60596 Frankfurt, Tel.: 069/69 59 60-0, Telefax: 069/69 59 60-22,<br />
E-Mail: info@kp-patent.de. Weitere Mitglieder der Schriftleitung: Patentanwälte<br />
Dipl.-Ing. Heiner Lichti, Karlsruhe, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Stefan Schohe, München,<br />
Dipl.-Biol. Dr. phil. nat. Anastassios Pischitzis, Frankfurt. Einsendungen, die sich auf<br />
den Inhalt der Zeitschrift beziehen, sind an die obige Anschrift des verantwortlichen<br />
Schriftleiters zu richten. Aufsätze und Bemerkungen geben die Meinung des Verfassers,<br />
nicht die der Schriftleitung oder des Verlages wieder.<br />
Beiträge werden nur zur zeitlich unbeschränkten Alleinveröffentlichung angenommen.<br />
Die Annahme zur Veröffentlichung muss schriftlich erfolgen. Mit der Annahme<br />
erwirbt der Verlag vom Verfasser alle Nutzungsrechte, auch zur digitalen Nutzung<br />
(z.B. auf CD und im Internet) und zur weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />
Zwecken im Wege fotomechanischer oder anderer Verfahren. Für Manuskripte, die<br />
unaufgefordert eingesandt werden, wird keine Haftung übernommen.<br />
Verlag<br />
Carl Heymanns Verlag – Eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Freisinger<br />
Straße 3, 85716 Unterschleißheim, Telefon 089/36007-0, Telefax 089/3 60 07-33 10<br />
Carl Heymanns Verlag – Eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln,<br />
Luxemburger Straße 449, Postadresse: 50926 Köln, Telefon 0221/94373-7000,<br />
Telefax 0221/94373-7201. http://www.heymanns.com<br />
Kundenservice: Telefon 02631/801-2222, e-mail: info@wolterskluwer.de<br />
F 2013 Wolters Kluwer Deutschland GmbH/Carl Heymanns Verlag<br />
Die Zeitschrift einschließlich aller ihrer Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jeder Verwertung<br />
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die<br />
Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,<br />
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung<br />
in elektronischen Systemen, auch von Teilen der Zeitschrift zum innnerbetrieblichen<br />
Gebrauch.<br />
Bezugsbedingungen<br />
Die Zeitschrift erscheint grundsätzlich monatlich. Jahrespreis inkl. Online-Zugang<br />
248,00 c, Vorzugspreis für Bewerber/Studenten 124,00 c inkl. 7 % MwSt. zzgl. Versandkosten<br />
(14,40 c Inland/28,80 c Ausland). Bei Mehrfachlizenzen zzgl. 2,00 c je Nutzer/Monat<br />
zzgl. 19 % MwSt. Aufkündigung des Bezugs bis 30.09. zum Jahresende.<br />
Einzelheft 24,80 c inkl. 7 % MwSt. zzgl. Versandkosten.<br />
Anzeigen<br />
Anzeigenverkauf: Marcus Kipp, Telefon 0221 /943 73-71 48, Fax -7328, E-Mail:<br />
mkipp@wolterskluwer.de<br />
Anzeigendisposition: Karin Odening, Telefon 02 21 /943 73-78 36, Fax -1 78 36,<br />
E-Mail: kodening@wolterskluwer.de<br />
Die Anzeigen werden nach der Preisliste Nr. 32 vom 1. 1. 2013 berechnet.<br />
Satz: SZ-data GmbH, Sankt Augustin<br />
Druck: Merkur Print & Service Group, Detmold<br />
A2
<strong>Mitteilungen</strong><br />
der deutschen Patentanwälte<br />
Herausgegeben vom Vorstand der Patentanwaltskammer<br />
104. Jahrgang<br />
München, Heft 4<br />
April 2013<br />
Seiten 153 – 204<br />
Zitierweise: Mitt. (Jahr), (S.)<br />
Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie<br />
Ihren Anwalt<br />
Rudolf Teschemacher *<br />
Der Beitrag stellt das Patentreformpaket vor, bestehend<br />
aus den beiden EU-Verordnungen über das Einheitspatent<br />
und dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht.<br />
Er versucht Hinweise zu geben für die Beantwortung<br />
der Fragen: Wann kommt das Einheitspatent und<br />
für welche Länder? Was kann der Patentinhaber sparen?<br />
Wo liegen Chancen und Risiken? Dabei zeigt sich, dass<br />
viele für die Attraktivität des Einheitspatents maßgebende<br />
Parameter noch ungeklärt sind.<br />
1. Die Einigung über das Patentreformpaket<br />
2. Die Ziele des einheitlichen Schutzes<br />
3. Der Zeitplan für das Inkrafttreten<br />
4. Kostenvorteile des Einheitspatents<br />
4.1 Übersetzungen<br />
4.2 Jahresgebühren<br />
5. Chancen und Risiken<br />
5.1 Das Verhältnis zum EPÜ<br />
5.2 Das Einheitliche Patentgericht<br />
5.2.1 Zuständigkeit<br />
5.2.2 Qualifikation<br />
5.2.3 Rolle des EuGH<br />
5.2.4 Vertretung<br />
5.2.5 Kosten<br />
6. Perspektiven<br />
1. Die Einigung über das Patentreformpaket<br />
Der Jubel in den Pressemitteilungen der europäischen<br />
Institutionen steigerte sich von der zweiten Novemberhälfte<br />
bis Mitte Dezember 2012. Am 19.11.2012 hatten<br />
sich der Ausschuss der ständigen Vertreter des Rats der<br />
Europäischen Union und der Rechtsausschuss des Europäischen<br />
Parlaments zu einem Kompromiss in den Verhandlungen<br />
über das sogenannte Patentreformpaket<br />
durchgerungen. Kurz zuvor hatte noch der Vorschlag<br />
der Staatsoberhäupter, im Entwurf der Verordnung über<br />
die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich<br />
der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes 1 die<br />
Vorschriften in Art. 6–8 über die dem Patentinhaber vorbehaltenen<br />
Benutzungsformen zu streichen, beim Parlament<br />
Empörung hervorgerufen, die in dem Vorwurf gipfelte,<br />
der Rat habe die Rolle des Parlaments nicht respektiert.<br />
2 Am 10. Dezember stimmte der Rat und am 11. Dezember<br />
das Parlament dem Patentreformpaket zu und die<br />
zyprische Präsidentschaft verkündete: „Die Kosten für<br />
den Patentschutz in ganz Europa werden voraussichtlich<br />
um über 80 % sinken und somit europäische Patente zu<br />
einem konkurrenzfähigen Preis zu erwerben sein, was<br />
kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu Patenten<br />
erleichtert“. 3 Schließlich wurden die beiden Verordnungen<br />
am 17.12.2012 unterzeichnet und damit war<br />
in den Instanzen der Europäischen Union das Gesetzgebungsverfahren<br />
abgeschlossen.<br />
Dies bedeutetet wohl, dass die bis 1959 zurückreichenden<br />
Anstrengungen um die Schaffung einheitlicher gewerblicher<br />
Schutzrechte in Europa auch für das Gebiet<br />
der technischen Erfindungen zu einem Abschluss führen,<br />
nachdem es seit 1994 die Gemeinschaftsmarke, seit 1995<br />
einen gemeinschaftlichen Sortenschutz und seit 2002 ein<br />
Gemeinschaftsgeschmacksmuster gibt.<br />
Die Komplexität des Einheitspatents 4 und der politischen<br />
Bemühungen um seine Schaffung wird schon daraus<br />
deutlich, dass es nicht auf einem einheitlichen Akt der Gesetzgebung<br />
beruht, sondern auf deren drei, die das Patentreformpaket<br />
bilden, nämlich<br />
* Dr. iur. Rudolf Teschemacher, Consultant, BARDEHLE<br />
PAGENBERG, München. Der Beitrag gibt die persönliche<br />
Auffassung des Autors wieder.<br />
1 Dok. COM(2011) 215 final vom 13.4.2011.<br />
2 Vgl. Pressemitteilung des Rechtsausschusses des Europäischen<br />
Parlaments (JURI) vom 10.7.2012.<br />
3 Pressemitteilung der zyprischen Präsidentschaft – Das Einheitliche<br />
Patent der Ziellinie näher, vom 20.11.2012.<br />
4 Auf eine Reihe von Bedenken, die sich aus der Gemengelage<br />
der verschiedenen betroffenen Rechtsordnungen ergeben, hat<br />
das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht<br />
hingewiesen, siehe dessen Website: www.ip.<br />
mpg.de > Publikationen > Stellungnahmen des Instituts ><br />
The Unitary Patent Package.<br />
153
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />
– der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die<br />
Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich<br />
der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes<br />
(im Folgenden EPV),<br />
– der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates vom<br />
17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit<br />
im Bereich der Schaffung eines einheitlichen<br />
Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden<br />
Übersetzungsregelungen (im Folgenden ÜEPV) und<br />
– dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht<br />
(im Folgenden EPGÜ). 5<br />
Die beiden Verordnungen sind am 31. Dezember veröffentlicht<br />
worden und am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung<br />
in Kraft getreten. 6 Das Übereinkommen wurde am<br />
19.2.2013 von 24 der 27 EU Staaten unterzeichnet. 7<br />
2. Die Ziele des einheitlichen Schutzes<br />
Das primäre ursprüngliche Ziel der Schaffung einheitlicher<br />
gewerblicher Schutzrechte in Europa war es sicherzustellen,<br />
dass der freie Güteraustausch zwischen den<br />
Mitgliedstaaten der EWG nicht durch Schutzrechte behindert<br />
wird, die nur territorial beschränkt auf dem Gebiet<br />
des Staats wirken, der sie erteilt und die dadurch dem<br />
Schutzrechtsinhaber Möglichkeiten der Marktaufteilung<br />
eröffnen. Damit sollte die Gleichartigkeit des Wettbewerbs<br />
im Gemeinsamen Markt in größtmöglichem Maß<br />
sichergestellt werden. 8 Diese Zielsetzung hat ihre Dringlichkeit<br />
in dem Maß verloren, in dem der EuGH dem<br />
Grundsatz des freien Warenverkehrs Vorrang gegenüber<br />
der Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte eingeräumt<br />
und es mit der Entwicklung des Grundsatzes der gemeinschaftsweiten<br />
Erschöpfung dem Patentinhaber verwehrt<br />
hat, die Einfuhr von Erzeugnissen zu verhindern, die mit<br />
seiner Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft in Verkehr<br />
gebracht worden sind. 9<br />
Während also ursprünglich primär ordnungspolitische<br />
Ziele verfolgt wurden, geht es beim Einheitspatent um<br />
mehr profane Ziele wie die Verbilligung und Vereinfachung<br />
von Patentschutz in Europa, um die Wettbewerbsbedingungen<br />
für europäische Unternehmen im Vergleich zu ihren<br />
überseeischen Wettbewerbern zu verbessern. 10 Hinzu<br />
kommt die Möglichkeit der einheitlichen Durchsetzung<br />
und Verteidigung des erteilten Patents vor einem einzigen<br />
Gericht, mit der die Notwendigkeit paralleler Gerichtsverfahren<br />
unddie Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen in<br />
verschiedenen Staaten vermieden werden soll. 11<br />
Nachdem sich diese Ziele nicht mit allen Vertragsstaaten<br />
der EU erreichen ließen, hat die Kommission den Weg<br />
der mit dem Vertrag von Amsterdam geschaffenen verstärkten<br />
Zusammenarbeit nach Art. 326 ff des Vertrags<br />
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)<br />
eingeschlagen. Dieses Instrument, das zuvor erst einmal<br />
im Bereich des Familienrechts benutzt wurde, erlaubt es<br />
einer Gruppe von Vertragsstaaten, eine engere Zusammenarbeit<br />
zu verwirklichen, wenn nicht alle Mitgliedstaaten<br />
an dieser Zusammenarbeit mitwirken wollen. Zunächst<br />
waren nur 12 Staaten bereit mitzumachen, schließlich<br />
waren es 25, nämlich alle EU-Mitgliedstaaten außer<br />
Spanien und Italien.<br />
Da nun das Einheitspatent in greifbare Nähe gerückt<br />
ist, entwickelt sich schnell ein Beratungsbedarf. Gerade<br />
Anmelder, die nicht in der Lage waren, den verworrenen<br />
Entwicklungen selbst zu folgen, wie überseeische Anmelder<br />
und KMUs, fragen sich und in der Folge ihren Anwalt,<br />
was auf sie zukommt und welche Entscheidungen sie alsbald<br />
zu treffen haben. Die Erwartungen sind durch die<br />
optimistischen Publikationen der europäischen Instanzen<br />
in den letzten Monaten hochgesteckt. 12<br />
Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die<br />
maßgebenden Parameter für die Entscheidungen der Anmelder<br />
noch weitgehend undefiniert sind. Im Folgenden<br />
soll dies an den nächstliegenden Fragen gezeigt werden,<br />
die ein Benutzer des europäischen Patentsystems stellen<br />
kann:<br />
– Wann kommt das Einheitspatent und für wen?<br />
– Was kann ich sparen?<br />
– Was sind die Chancen und Risiken?<br />
3. Der Zeitplan für das Inkrafttreten<br />
Die Kommission hofft, dass das erste Patent mit einheitlicher<br />
Wirkung im April 2014 erteilt werden kann.<br />
Die Erreichung dieses ambitionierten Ziels setzt voraus,<br />
dass nach der Unterzeichnung des Übereinkommens am<br />
19.2.2013 die für das Inkrafttreten notwendigen 13 Ratifizierungen<br />
bis November 2013 vorliegen, damit das Übereinkommen<br />
nach seinem Artikel 89 vier Monate später in<br />
Kraft treten kann. 13 Die Unterzeichnung durch 24 Staaten<br />
bei der Zeichnungszeremonie dokumentiert den politischen<br />
Willen der betreffenden Staaten, den Ratifikationsprozess<br />
zügig in Gang zu setzen. 14<br />
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Patentreformpaket<br />
zeitlich und territorial nur als Ganzes anwendbar<br />
ist. Wie erwähnt sind die beiden Verordnungen<br />
bereits am 20. Januar in Kraft getreten und zwar für die 25<br />
anderverstärktenZusammenarbeitteilnehmendenStaaten.<br />
Die Verordnungen machen jedoch einen bedeutsamen Unterschied<br />
zwischen Inkrafttreten und Anwendung. Sie gelten<br />
erst ab dem 1.1.2014 oder ab dem Tag des Inkrafttretens<br />
des EPGÜ, je nachdem, welcher der spätere Zeitpunkt ist. 15<br />
Damit kommt es für die Anwendbarkeit des ganzen<br />
Patentreformpakets auf das Inkrafttreten des EPGÜ an.<br />
Das ist gleich an drei Voraussetzungen geknüpft. Es tritt<br />
in Kraft:<br />
5 Ratsdok. 16351/12 vom 11.1.2013.<br />
6 ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1 und 89.<br />
7 Von den 25 an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden<br />
Staaten haben Polen und Bulgarien nicht unterzeichnet, wobei<br />
Bulgarien seine alsbaldige Unterzeichnung angekündigt und<br />
tatsächlich am 5. März unterzeichnet hat. Italien und Spanien<br />
nehmen nicht an der verstärkten Zusammenarbeit teil, gleichwohl<br />
hat Italien das Übereinkommen unterzeichnet.<br />
8 Von der Groeben, GRUR Int. 1959, 629.<br />
9 Zur Entwicklung siehe Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts,<br />
6. Aufl. 2009, S. 799 f.<br />
10 Europäische Kommission, Dok. SEC(2011) 482 final, Impact<br />
Assessment zu den beiden VO-Vorschlägen.<br />
11 Siehe insbesondere die Erwägungen zum Übereinkommen<br />
über ein Einheitliches Patentgericht.<br />
12 Siehe oben Fn. 2 die Pressemitteilung der zyprischen Präsidentschaft.<br />
13 Pressemitteilung der Kommission, Memo/12/970 vom<br />
11.12.2012.<br />
14 Siehe die Erklärung der Unterzeichnerstaaten vom Tag der<br />
Unterzeichnung, Ratsdok. 6572/13.<br />
15 Art. 18(1) EPV, Art. 17(2) ÜEPV.<br />
154
Mitt. Heft 4/2013<br />
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />
– am 1.1.2014, oder<br />
– am ersten Tag des vierten Monats nach Ratifikation<br />
durch dreizehn Staaten<br />
einschließlich Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten<br />
Königreichs, oder<br />
– am ersten Tag des vierten Monats nach dem Inkrafttreten<br />
der Änderungen der VO (EU) Nr. 1215/2012, die<br />
das Verhältnis zwischen jener Verordnung und dem<br />
EGPÜ betreffen,<br />
je nachdem, welcher Zeitpunkt später liegt.<br />
Was die notwendige Ratifikation durch die 13 Staaten<br />
angeht, so hat man offensichtlich bewusst eine kleine Zahl<br />
gewählt, um das Inkrafttreten zu beschleunigen. 16 Damit<br />
kann das Übereinkommen für eine Minderheit von<br />
EU-Staaten in Kraft treten. Die Erwartung der Kommission,<br />
dass schon bis November die Mindestzahl an Ratifikationen<br />
erreicht sein wird, scheint freilich wenig realistisch.<br />
Die notwendigen parlamentarischen Verfahren<br />
brauchen ihre Zeit und können sich aus den verschiedensten<br />
Gründen verzögern. Bei den 3 Pflichtländern<br />
wird man annehmen können, dass es in Frankreich und<br />
Deutschland wohl keine grundsätzlichen Probleme geben<br />
wird. Aber das BMJ ist schon etwas vorsichtiger als die<br />
Kommission und rechnet mit den notwendigen Ratifikationen<br />
„ab 2015“. 17 Wenngleich verschiedene Gesetzgebungsvorhaben<br />
dieser Art nicht ohne weiteres verglichen<br />
werden können, ergeben sich doch gewisse Anhaltspunkte<br />
aus den Ratifikationen zum EPÜ.<br />
Das EPÜ 1973 wurde am 5.10.1973 unterzeichnet, es ist<br />
am 7.10.1977 nach der Ratifikation durch 7 der ursprünglich<br />
14 Unterzeichnerstaaten in Kraft getreten. Die Akte<br />
zur Revision von Art. 63 (Laufzeit des europäischen Patents)<br />
ist am 17.12.1991 unterzeichnet worden, der revidierte<br />
Artikel ist am 4.7.1997 in Kraft getreten. Das EPÜ<br />
2000 wurde am 29.11.2000 unterzeichnet und ist am<br />
13.12.2007 in Kraft getreten, wobei allerdings für das Inkrafttreten<br />
ein langer Zeitraum von zwei Jahren nach Vorliegen<br />
der erforderlichen 15 Ratifikationen vorgesehen<br />
war. Nicht zu vergessen ist, dass das Gemeinschaftspatentübereinkommen<br />
1975 in Luxemburg von den damaligen<br />
neun EG-Staaten unterzeichnet wurde, aber nie in<br />
Kraft getreten ist. Dies war dem Umstand zuzuschreiben,<br />
dass nach Art. 94 GPÜ die<br />
Ratifikation durch alle Unterzeichnerstaaten<br />
erforderlich<br />
war. Diese Hürde ist<br />
für das Einheitspatent durch<br />
die Möglichkeit der differenzierten<br />
oder abgestuften<br />
Integration im Weg der verstärkten<br />
Zusammenarbeit<br />
beseitigt worden.<br />
Die Erfahrung lehrt jedenfalls,<br />
dass es nicht immer<br />
so schnell geht, wie<br />
sich die Akteure es wünschen.<br />
Es gibt Verzögerungen<br />
aus rechtlichen Gründen,<br />
man erinnere sich an<br />
die verfassungsrechtlichen<br />
Kernthesen:<br />
– Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens über ein<br />
einheitliches Patentgericht liegen die drei gesetzgeberischen<br />
Grundlagen für das Einheitspatent vor.<br />
– Mit den für das Inkrafttreten des Übereinkommens notwendigen<br />
Ratifizierungen als Voraussetzung für die Anwendbarkeit<br />
des Patentreformpakets ist jedenfalls nicht vor<br />
2015 zu rechnen.<br />
– Eine Senkung der durchschnittlichen Jahresgebührenbelastung<br />
ist nicht zu erwarten.<br />
– Eine Senkung der Übersetzungskosten ergibt sich hauptsächlich<br />
für die Patentinhaber, die breiten territorialen<br />
Schutz in Anspruch nehmen.<br />
– Das Einheitspatentgericht wird für Einheitspatente und für<br />
europäische Bündelpatente ausschließlich zuständig; für<br />
letztere kann die ausschließliche Zuständigkeit für eine<br />
Übergangszeit ausgeschlossen werden.<br />
Probleme vor dem Beitritt von Irland oder die zum Beitritt<br />
von Dänemark erforderliche 5/6 Mehrheit, aber auch<br />
aus politischen Gründen, wie dem Widerstand von interessierten<br />
Kreisen, die mit den erzielten Ergebnissen nicht<br />
zufrieden sind. Es mag ja auch sein, dass in den parlamentarischen<br />
Verfahren konkret nach haushaltsrechtlichen<br />
Auswirkungen und finanziellen Vorteilen für die Anmelder<br />
gefragt wird. Antworten hierauf können erst gegeben<br />
werden, wenn für die Jahresgebühren, die Gerichtsgebühren<br />
und den Haushaltsplan des Gerichts Zahlen auf dem<br />
Tisch liegen. Allerdings haben die im Vorfeld ausgehandelten<br />
politischen Kompromisse dazu geführt, dass für<br />
viele Staaten erhebliche Anreize bestehen, das Patentreformpaket<br />
insgesamt zu akzeptieren: die drei zum Inkrafttreten<br />
notwendigen Staaten haben mit unterschiedlichen<br />
Anteilen den Sitz oder Abteilungen der Zentralkammer<br />
erhalten und den kleineren Ländern hat man überproportionale<br />
Anteile am Gebührenaufkommen versprochen. 18<br />
Was den territorialen Aspekt der Anwendbarkeit des<br />
Pakets angeht, ist Art. 18 (2) Satz 2 EPV zu beachten,<br />
der die einheitliche Wirkung der Einheitspatente auf die<br />
Staaten beschränkt, in denen das Einheitliche Patentgericht<br />
über die ausschließliche Zuständigkeit für diese Patente<br />
verfügt. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Eintragung<br />
der einheitlichen Wirkung im Register durch das<br />
EPA. Die ausschließliche Zuständigkeit des EPG nach<br />
Art. 32 EPGÜ wird für die ursprünglichen Vertragsstaaten<br />
durch das Inkrafttreten des EPGÜ nach Art. 89 (1)<br />
EPGÜ bewirkt. Für später hinzukommende Vertragsstaaten<br />
tritt das EPGÜ vier Monate nach Hinterlegung der<br />
Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft. Die einheitliche<br />
Wirkung wird in territorialer Hinsicht nicht dadurch<br />
erweitert, dass nach der Eintragung der einheitlichen Wirkung<br />
das EPGÜ für weitere Staaten in Kraft tritt. Vielmehr<br />
verbleibt es für diese Staaten bei der Wirkung als<br />
europäisches Bündelpatent.<br />
Ob neben dem Erfordernis der Ratifikation durch<br />
13 Staaten, das weitere Erfordernis Bedeutung erlangt,<br />
dass die VO 1215/2012 noch geändert werden muss, bleibt<br />
abzuwarten. Es handelt sich um die Verordnung über die<br />
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und<br />
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen<br />
(Brüssel I Verordnung),<br />
die erst im Dezember<br />
2012 geändert wurde 19 und<br />
nunmehr noch vor dem Inkrafttreten<br />
der letzten Änderung<br />
an das EPGÜ anzupassen<br />
ist. Auch hier kann<br />
ein Blick zurück eine Vorstellung<br />
über den möglichen<br />
Zeitbedarf geben. Die VO<br />
vom12.12.2012beruhtaufeinem<br />
Kommissionsvorschlag<br />
vom 14.12.2010, 20 ihre Verabschiedung<br />
nahm damit<br />
zwei Jahre in Anspruch. Allerdings<br />
liegt zu der Anpassung<br />
an das EPGÜ soweit<br />
ersichtlich noch kein Kom-<br />
16 Man ist allerdings nicht bis auf die nach Art. 20 (2) S. 1 EUV<br />
notwendige Mindestzahl von 9 Staaten heruntergegangen.<br />
17 BlPMZ 2013, 11.<br />
18 Dazu siehe näher unten.<br />
19 ABl. L 351 vom 20.12.2012.<br />
20 Dok. KOM(2010)748.<br />
155
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />
missionsvorschlag vor, über den die Experten schon streiten<br />
könnten.<br />
Ein Fragezeichen für das Inkrafttreten bleibt noch: das<br />
sind die Klagen von Spanien und Italien gegen die verstärkte<br />
Zusammenarbeit. 21 In diesen Verfahren hat der<br />
Generalanwalt am 11.12.2012 eine im Sinne der Zulässigkeit<br />
der verstärkten Zusammenarbeit positive Stellungnahme<br />
abgegeben und die Auguren rechnen damit, dass<br />
der EuGH dieser Beurteilung folgen wird. Das muss freilich<br />
nicht das Ende der Auseinandersetzungen vor dem<br />
EuGH bedeuten. In dem Streit um das Verbleiben oder<br />
die Streichung der Verletzungsformen in Art. 6–8 des Entwurfs<br />
zur EPV war geltend gemacht worden, ohne diese<br />
Bestimmungen verletze die EPV Gemeinschaftsrecht, 22 da<br />
der EU die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 118<br />
AEUV fehle. Auch wenn die Kläger in dem Verfahren<br />
um die Zulässigkeit der verstärkten Zusammenarbeit unterliegen,<br />
bleibt es ihnen unbenommen, solche Argumente<br />
zu benutzen, um die EPV als ein angeblich unzulässiges<br />
Ergebnis der verstärkten Zusammenarbeit vor dem<br />
EuGH anzugreifen. 23<br />
Festzuhalten bleibt,<br />
– ein Inkrafttreten des Patentreformpakets zu dem von<br />
der Kommission in Aussicht genommenen Zeitpunkt<br />
ist wenig wahrscheinlich;<br />
– das Patentreformpaket wird schrittweise anwendbar<br />
werden, eine Anwendung auf alle 25 an der verstärkten<br />
Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten wird beträchtliche<br />
Zeit in Anspruch nehmen;<br />
– der Kreis der potentiellen Teilnehmer ist nicht auf die<br />
derzeit 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt.<br />
Spanien und Italien können sich dieser Zusammenarbeit<br />
nach Art. 331 AEUV anschließen.<br />
4. Kostenvorteile des Einheitspatents<br />
4.1 Übersetzungen<br />
Der mit dem Europäischen Patentübereinkommen erreichte<br />
Fortschritt liegt in dem einheitlichen Erteilungsverfahren.<br />
Der Anmelder hat es nur mit einer einzigen Behörde<br />
in einem Verfahren mit einer einzigen Sprache zu<br />
tun, wenn er ein Patent für eine Mehrzahl von Vertragsstaaten<br />
erteilt bekommen will. Diese Einheitlichkeit hat<br />
bisher ein Ende, wenn das Patent erteilt ist. Es zerfällt<br />
dann in ein Bündel nationaler Patente, deren Bestand – soweit<br />
es nicht um die materiellen Voraussetzungen der Patentierbarkeit<br />
geht 24 – sich nach Ablauf der Einspruchsfrist<br />
nach nationalem Recht richtet.<br />
Lässt man zunächst Rechtsstreitigkeiten um die Gültigkeit<br />
des Patents außer Betracht, so entstehen dem Patentinhaber<br />
derzeit Kosten für die Validierung des europäischen<br />
Patents in seinen Bestimmungsstaaten, d.h. insbes.<br />
für notwendige Übersetzungen, und in der Folge für<br />
die Aufrechterhaltung durch die Zahlung von Jahresgebühren.<br />
Was die nach Art. 65 EPÜ in Verbindung mit dem jeweils<br />
anwendbaren nationalen Recht erforderlichen<br />
Übersetzungen angeht, so wurde schon ein großer Fortschritt<br />
mit dem Londoner Übereinkommen über die Anwendung<br />
des Art. 65 EPÜ erzielt. Im Zusammenhang der<br />
vorliegenden Kostenüberlegungen kommt es dabei nur<br />
auf die Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommens<br />
an, die zugleich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligt<br />
sind, das sind 13 von 25 Staaten. Von diesen verlangen<br />
die fünf Vertragsstaaten des Londoner Abkommens, die<br />
eine Amtssprache mit dem EPA gemeinsam haben, nach<br />
Art. 1(1) des Übereinkommens überhaupt keine Übersetzung,<br />
das sind Deutschland, Frankreich, das Vereinigte<br />
Königreich, Irland 25 und Luxemburg. Die übrigen Vertragsstaaten<br />
verlangen nach Art. 1(3) des Londoner Übereinkommens<br />
nur mehr eine Übersetzung der Ansprüche,<br />
in die jeweilige Landessprache sowie zum Teil eine englische<br />
Übersetzung der Beschreibung, 26 im Übrigen nur<br />
eine Übersetzung der Ansprüche in die Landessprache. 27<br />
Die 12 an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden<br />
Staaten, die nicht dem Londoner Übereinkommen angehören,<br />
verlangen eine volle Übersetzung der Patentschrift,<br />
wenn das Patent nicht in einer ihrer Amtssprachen erteilt<br />
wurde. Bei dem Einsparungspotential, das sich aus dem<br />
Wegfall notwendiger Übersetzungen ergibt, sind nicht<br />
nur die reinen Übersetzungskosten, sondern auch weitere<br />
Kosten wie die in der Mehrzahl der Staaten bestehenden<br />
Kosten für eine vorgeschriebene Vertretung durch einen<br />
nationalen Vertreter oder die Gebühren für die Einreichung<br />
beim nationalen Amt zu berücksichtigen.<br />
Das Patentreformpaket hat zum Ziel den außerordentlichen<br />
Aufwand für diese Übersetzungen zu beseitigen,<br />
der in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihrer rechtlichen<br />
Bedeutung und ihrer tatsächlichen Nutzung steht. 28 Allerdings<br />
gibt es hierzu einen Wermutstropfen für die Anmelder,<br />
29 der für die Kostenbewertung in absehbarer Zukunft<br />
nicht unwesentlich ist: Für eine Übergangszeit von mindestens<br />
6 und höchstens 12 Jahren ist nach Art. 6 EPVÜ in<br />
jedem Fall eine komplette Übersetzung des erteilten Patents<br />
einzureichen. Ist die Verfahrenssprache Deutsch<br />
oder Französisch, so ist die Übersetzung in Englisch einzureichen,<br />
ist die Verfahrenssprache Englisch, so kann die<br />
Übersetzung in jeder anderen Amtssprache der EU eingereicht<br />
werden.<br />
21 Verbundene Rechtssachen C-274/11 und C-295/11.<br />
22 So der Berichterstatter im Rechtsausschuss unter Berufung<br />
auf den Juristischen Dienst des Parlaments, Pressemitteilung<br />
des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments (JURI)<br />
vom 10.7.2012.<br />
23 Am 22.3.2013 hat Spanien beim EuGH Klagen gegen beide<br />
Verordnungen eingereicht, die unter den Aktenzeichen<br />
C-146/13 und C-147/13 anhängig sind.<br />
24 Siehe den numerus clausus der Widerrufsgründe in<br />
Art. 138(1) a)–d) EPÜ.<br />
25 Irland hat mitgeteilt, dass die Regelungen des Londoner<br />
Übereinkommens mit Wirkung vom 3.9.2012 für Irland<br />
wirksam geworden sind. Ebenso die Information in der elektronischen<br />
Fassung der Broschüre „Nationales Recht zum<br />
EPÜ“ in Tabelle IV. Anders allerdings noch die Information<br />
auf der Homepage des Irischen Patentamts unter dem Kapitel<br />
„European Patents“ (Abfrage am 28. März). In der aktuellen<br />
Liste der Vertragsstaaten des Londoner Abkommens auf der<br />
Homepage des EPA ist Irland nicht verzeichnet.<br />
26 Dänemark, Finnland, Niederlande, Schweden und Ungarn.<br />
27 Lettland, Litauen und Slowenien.<br />
28 Stohr, Aspekte der Schnittstellen zwischen dem EPÜ und<br />
dem nationalen Patentrecht der Vertragsstaaten, Mitt. 1993,<br />
156, 158 f.<br />
29 Nicht für die deutschen Vertreter, die für die Übergangszeit<br />
mit Aufträgen für Übersetzungen ins Deutsche rechnen können,<br />
die mit dem Inkrafttreten des Londoner Protokolls für<br />
Deutschland weggefallen waren.<br />
156
Mitt. Heft 4/2013<br />
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />
Im Einzelfall hängen die Einsparungsmöglichkeiten<br />
von zwei Faktoren ab: dem territorialen Schutzbedarf des<br />
Patentinhabers und dem Ratifizierungsstand des EPGÜ. 30<br />
Naturgemäß ergibt sich hieraus eine große Spannbreite der<br />
möglichen Kosten/Nutzenanalyse. Nach Angaben der<br />
Kommission werden 50 % der erteilten Patente nur in<br />
drei Ländern validiert. 31 Dies werden ganz überwiegend<br />
die Länder mit dem höchsten Bestand erteilter Patente,<br />
also Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich<br />
sein. Für diese Staaten ist nach dem Londoner Übereinkommen<br />
keine Übersetzung erforderlich, während für<br />
das Einheitspatent in der Übergangszeit eine Übersetzung<br />
einzureichen ist.Fürdie Hälfte dererteilten Patente bedeutet<br />
also das Einheitspatent unter dem Gesichtspunkt der<br />
Übersetzungskosten eine Verschlechterung gegenüber<br />
dem Bündelpatent. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken,<br />
dass bei einem Patent mit der Verfahrenssprache<br />
Englisch nach Art. 65(1) EPÜ keine Übersetzung für Malta<br />
erforderlich ist, bei einem Patent mit derVerfahrenssprache<br />
Französisch gilt dasselbe für Belgien und bei einem Patent<br />
mit der VerfahrensspracheDeutsch für Österreich und<br />
Belgien.<br />
Das andere Extrem sind von der Kommission geschätzte<br />
1000 Patente, die in allen 27 EU Staaten validiert werden.<br />
Die Kommission setzt die hierfür anfallenden Validierungskosten<br />
mit über 32.000 c an. 32 Es liegt auf der<br />
Hand, dass ein Anmelder, der umfassenden territorialen<br />
Schutz benötigt, mit dem Einheitspatent bei den Übersetzungen<br />
hohe Kostenvorteile erzielen wird, auch wenn das<br />
Patentreformpaket erst in 13 Mitgliedstaaten anwendbar<br />
ist. Während also für gut die Hälfte der erteilten Patente<br />
die Abwägung ziemlich eindeutig ausfällt, sind für den<br />
überwiegenden Rest die Umstände des Einzelfalls zu prüfen,<br />
d.h. das individuelle Schutzinteresse, die gegenwärtigen<br />
Übersetzungserfordernisse unter Berücksichtigung<br />
des Londoner Übereinkommens und der Ratifizierungsstand<br />
des EGPÜ.<br />
4.2 Jahresgebühren<br />
Bei den Jahresgebühren ist die mit dem Einheitspatent<br />
erzielte Verfahrensvereinfachung augenfällig. Alle Vertragsstaaten<br />
des EPÜ verlangen Jahresgebühren. Bei der<br />
Zahlung sind eine Vielzahl von von Land zu Land verschiedener<br />
Erfordernisse zu beachten, die sich ändern<br />
können oder auch regelmäßig ändern, wie Zahlungsformen,<br />
Konten oder Gebührensätze. Zum Teil gelten auch<br />
hier Vertretungserfordernisse. Damit kann gerade die<br />
Zahlung geringer Gebührensätze mit einem unverhältnismäßig<br />
hohen Maß an administrativem Aufwand verbunden<br />
sein. Demgegenüber ist für das Einheitspatent eine<br />
einheitliche Jahresgebühr an das EPA zu zahlen. Die Modalitäten<br />
hierfür sind jedem zugelassenen Vertreter vertraut.<br />
Die Benutzung eines laufenden Kontos bietet ein<br />
hohes Maß an Flexibilität und Rechtssicherheit.<br />
Was die Sätze der für jedes Jahr nach Patenterteilung<br />
gemäß Art. 11 EPV an das EPA zu zahlenden Jahresgebühren<br />
angeht, sind die Aussichten weniger positiv. Bedenkt<br />
man, dass bei den nationalen Ämtern administrativer<br />
Aufwand für die Verwaltung der erteilten europäischen<br />
Patente wegfällt, sollte man erwarten können, dass<br />
sich auch die Rechtfertigung für die Vereinnahmung von<br />
Gebühren zumindest verringert. Jahresgebühren dienen<br />
zum einen dem Zweck, den Aufwand für das Erteilungsverfahren<br />
mit zu tragen. Dadurch können die für die Anmeldung<br />
zu zahlenden Verfahrensgebühren niedrig gehalten<br />
und die Kostenbarriere für die Einreichung von Anmeldungen<br />
gesenkt werden. 33 Jahresgebühren für erteilte<br />
Patente dienen darüber hinaus dem Zweck, die Kosten der<br />
Verwaltung des erteilten Patents zu decken. Der Gesetzgeber<br />
des EPÜ hat in Art. 39(1) vorgesehen, dass die Jahresgebühren<br />
für erteilte Patente zwischen den Vertragsstaaten<br />
und der Europäischen Patentorganisation aufgeteilt<br />
werden, wobei der Anteil der EPO 75 % nicht übersteigen<br />
darf. Damit war den Staaten ein Anteil zugebilligt,<br />
der auf lange Sicht als großzügig bemessen angesehen werden<br />
konnte, um den nationalen administrativen Aufwand<br />
zu decken. 34 Die Staaten haben sich freilich mit diesem<br />
Anteil nicht zufrieden gegeben. Der Anteil der EPO, der<br />
vom Verwaltungsrat bis 1984 auf 60 % festgesetzt war, ist<br />
seit 1985 auf 50 % gesenkt, 35 was das EPA – zu Lasten der<br />
Anmelder – in eine größere Abhängigkeit von den Verfahrensgebühren<br />
gebracht hat. 36 Dieser Satz wird in Art. 13<br />
EPV für das Einheitspatent beibehalten.<br />
Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf das zukünftige<br />
Jahresgebührenaufkommen aus Einheitspatenten bleiben.<br />
Will man die Belastung des Anmelders mit Jahresgebühren<br />
abschätzen, muss man das zukünftige Aufkommen<br />
mit dem bisherigen Aufkommen vergleichen.<br />
Für das zukünftige Aufkommen ist maßgebend, was<br />
mit diesem Aufkommen abgedeckt werden soll. Das sind<br />
nach Art. 9, 12 und 13 EPV folgende Posten:<br />
– Sämtliche Kosten des EPA für die Erteilung und Verwaltung<br />
des einheitlichen Patentschutzes; 37<br />
– Sicherstellung eines ausgeglichenen Haushalts der<br />
EPO zusammen mit den Verfahrensgebühren für das<br />
Erteilungsverfahren;<br />
– Ausgleichsleistung für Mitgliedstaaten mit einer anderen<br />
Amtssprache als das EPA;<br />
– Ausgleichsleistungen an Mitgliedstaaten mit geringer<br />
Patentaktivität;<br />
– Ausgleichsleistungen an neue Vertragsstaaten der<br />
EPO;<br />
– Ein Kompensationssystem zur Erstattung von Übersetzungskosten<br />
für die Einreichung in einer von den<br />
Amtssprachen des EPA abweichenden EU-Sprache<br />
zugunsten von KMUs und weiteren privilegierten Anmeldern.<br />
Mit dem zukünftigen Jahresgebührenaufkommen<br />
muss also ein ganz erheblicher zusätzlicher Aufwand abgedeckt<br />
werden. Um dies aufkommensneutral zu bewerk-<br />
30 Der aktuelle Stand der Unterzeichnungen und Ratifizierungen<br />
kann auf der Website der Kommission verfolgt werden.<br />
URL: Europäische Kommission > Der EU-Binnenmarkt ><br />
Gewerbliches Eigentum > Patente > Europäisches Patent-<br />
Ratifikationsprozess.<br />
31 Dok. SEC(2011) 482 final vom 13.4.2011, Impact Assessment,<br />
p. 17.<br />
32 A.a.O., p. 16.<br />
33 Gall, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, 7. Lfg.<br />
1985, Art. 86, Rdn. 1.<br />
34 Dornow, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ,<br />
10. Lfg. 1986, Art. 39, Rdn. 6.<br />
35 ABl. EPA 1984, 296.<br />
36 Edfjäll, Die Finanzierung des EPA, Mitt. 1993, 162.<br />
37 Vgl. im Einzelnen die dem EPA nach Art. 9(1) EPV übertragenen<br />
Aufgaben.<br />
157
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />
stelligen, müssten bisherige Nutznießer des Aufkommens<br />
auf Einnahmen verzichten. Davon war bisher aber nicht<br />
die Rede und darauf zu hoffen wäre wohl etwas blauäugig.<br />
Damit wird aber der Bemessungsgrundsatz in Art. 12(3)<br />
a) EPV, dass die Jahresgebühren für das Einheitspatent der<br />
Höhe der Jahresgebühren entsprechen sollen, die für die<br />
durchschnittliche geografische Abdeckung der üblichen<br />
europäischen Patente zu entrichten sind, zur Quadratur<br />
des Kreises. Eine Querfinanzierung durch den Haushalt<br />
der EPO für Bündelpatente schließen Art. 9 und 12(1) b)<br />
EPV aus. Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 9(2) Satz 2,<br />
Halbsatz 2 EPV verpflichtet, für die Einhaltung dieser Bestimmung<br />
zu sorgen.<br />
Es muss also wohl damit gerechnet werden, dass man<br />
sich bei der Bemessung der Jahresgebühren daran orientieren<br />
wird, dass der Patentinhaber ja einen umfassenden<br />
territorialen Schutz bekommt, für den er dann auch mehr<br />
zahlen soll. Hierfür lässt sich auch aus Art. 12(2) b) EPV<br />
etwas herleiten. Ob diese Rechnung aufgeht, hängt weitgehend<br />
davon ab, als wie stark sich das Interesse der Anmelder<br />
an einem territorial breiteren Schutz erweist.<br />
5. Chancen und Risiken<br />
5.1 Das Verhältnis zum EPÜ<br />
Zunächst eine Nachricht, die manche beruhigen wird:<br />
Das Erteilungsverfahren bleibt vom Einheitspatent völlig<br />
unberührt. Das Einheitspatent tritt fakultativ neben das<br />
europäische Bündelpatent. Bis zur Veröffentlichung des<br />
Hinweises auf die Patenterteilung bleibt alles beim Alten.<br />
Erst dann muss der Patentinhaber eine Wahl treffen. Er<br />
kann das Einheitspatent wählen, dann muss er innerhalb<br />
eines Monats einen Antrag auf einheitliche Wirkung beim<br />
EPA stellen. 38 Das EPA prüft den Antrag, insbes. während<br />
der Übergangszeit darauf, ob die vorgeschriebene Übersetzung<br />
eingereicht ist. Vermutlich wird auch die Zahlung<br />
einer Gebühr vorgeschrieben. Mit der Eintragung der einheitlichen<br />
Wirkung in das hierfür vorgesehene Register<br />
tritt nach Art. 4 EPV rückwirkend zum Tag der Veröffentlichung<br />
des Hinweises auf die Patenterteilung die einheitliche<br />
Wirkung nach Art. 3, 5 und 6 EPV ein, und zwar<br />
nach Art. 18(2) Satz 2 EPV für die teilnehmenden Mitgliedstaaten,<br />
in denen das EPGÜ zum Zeitpunkt des Antrags<br />
auf einheitliche Wirkung in Kraft getreten war. Folglich<br />
bleibt es beim europäischen Bündelpatent<br />
– für die teilnehmenden Mitgliedstaaten, in denen das<br />
EPGÜ noch nicht in Kraft getreten war;<br />
– für die EU Staaten, die nicht an der verstärkten Zusammenarbeit<br />
teilnehmen (derzeit Italien und Spanien 39 );<br />
und<br />
– für die EPÜ Vertragsstaaten, die nicht EU Mitgliedstaaten<br />
sind. 40<br />
Stellt der Patentinhaber keinen Antrag auf einheitliche<br />
Wirkung, so bleibt es für alle noch benannten Vertragsstaaten<br />
des EPÜ beim europäischen Bündelpatent.<br />
5.2 Das Einheitliche Patentgericht<br />
5.2.1 Zuständigkeit<br />
Mit dem Patentreformpaket wird eine neue Gerichtsbarkeit<br />
geschaffen, das Einheitliche Patentgericht (EPG).<br />
Nach Art. 32 EGPÜ hat es ausschließliche Zuständigkeit<br />
für Patentstreitigkeiten, im Wesentlichen soweit es Fragen<br />
der Verletzung und Rechtsbeständigkeit angeht. Es besteht<br />
nach Art. 6(1) EGPÜ aus zwei Instanzen.<br />
Nach Art. 7(1) umfasst die erste Instanz örtliche und<br />
regionale Kammern sowie eine Zentralkammer. Die Zentralkammer<br />
hat ihren Sitz in Paris und Abteilungen in<br />
London 41 und München 42 . Örtliche Kammern werden<br />
für einen Mitgliedstaat auf dessen Antrag errichtet, regionale<br />
Kammern für zwei oder mehr Mitgliedstaaten.<br />
Deutschland hat durchgesetzt, dass bis zu vier örtliche<br />
Kammern errichten werden können. Dies erlaubt die Errichtung<br />
solcher Kammern in Düsseldorf, Mannheim,<br />
München und Hamburg.<br />
Die zweite Instanz ist das Berufungsgericht nach Art. 9<br />
EPGÜ, das seinen Sitz in Luxemburg hat.<br />
Die örtliche Zuständigkeit der örtlichen und regionalen<br />
Kammern bestimmt sich gemäß Art. 33(1) EGPÜ nach<br />
dem Verletzungsort und dem Sitz des Beklagten. Hat der<br />
Beklagte keinen Sitz innerhalb der Mitgliedstaaten, so ist<br />
auch die Zuständigkeit der Zentralkammer gegeben. Weiter<br />
ist die Zentralkammer zuständig, wenn für den betreffenden<br />
Staat keine örtliche oder regionale Kammer besteht.<br />
Für Klagen auf Feststellung der Nicht-Verletzung<br />
und isolierte Nichtigkeitsklagen ist die Zentralkammer<br />
zuständig. Eine Nichtigkeitswiderklage kann vor der örtlichen<br />
oder regionalen Kammer erhoben werden. Diese<br />
Kammer kann nach Anhörung der Parteien gemäß<br />
Art. 33(3) EGPÜ<br />
– die Nichtigkeitsklage selbst behandeln,<br />
– sie mit oder ohne Aussetzung des Verletzungsstreits an<br />
die Zentralkammer verweisen, oder<br />
– mit Zustimmung beider Parteien den gesamten Rechtsstreit<br />
an die Zentralkammer verweisen.<br />
Ist eine Nichtigkeitsklage vor der Zentralkammer anhängig,<br />
so bleibt die Zuständigkeit der örtlichen und regionalen<br />
Kammern für eine nachfolgende Verletzungsklage<br />
bestehen. Daneben besteht auch eine Zuständigkeit<br />
der Zentralkammer. Nach Klage auf Feststellung der<br />
Nicht-Verletzung bei der Zentralkammer kann innerhalb<br />
von drei Monaten Verletzungsklage vor einer örtlichen<br />
oder regionalen Kammer erhoben werden, mit der Folge,<br />
dass das Verfahren vor der Zentralkammer auszusetzen<br />
ist. Ist ein Beschränkungs- oder Einspruchsverfahren vor<br />
dem EPA anhängig, kann das EPG das Verfahren aussetzen.<br />
Das bedeutet, dass – anders als nach § 81(2) PatG –<br />
das Einspruchsverfahren nicht die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage<br />
sperrt. 43<br />
Die Zuständigkeit des EPG besteht nicht nur für Streitigkeiten<br />
über Einheitspatente, sondern auch für Klagen<br />
betreffend europäische Bündelpatente. Das folgt aus<br />
Art. 32 EPGÜ, der allgemein von Klagen spricht, die „Pa-<br />
38 Vgl. die verklausulierte Formulierung in Art. 9(1) g) EPV.<br />
39 IT und ES standen zu Zeiten, als noch individuelle Benennungsgebühren<br />
gezahlt wurden, bei den Benennungen an<br />
4. und 5. Stelle nach DE, FR und UK.<br />
40 Insbes. CH zu Zeiten, als noch individuelle Benennungsgebühren<br />
gezahlt wurden, an 8. Stelle bei den Benennungen.<br />
41 Zuständig für die Sektionen A (Täglicher Lebensbedarf) und<br />
C (Chemie; Hüttenwesen) der IPC.<br />
42 Zuständig für die Sektion F (Maschinenbau; Beleuchtung;<br />
Heizung; Waffen ; Sprengen) der IPC.<br />
43 Siehe auch Art. 33(8) EGPÜ.<br />
158
Mitt. Heft 4/2013<br />
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />
tente“ betreffen. Nach den Begriffsbestimmungen in<br />
Art. 2 EPGÜ ist ein „Patent“ ein nach dem EPÜ erteiltes<br />
Patent ohne einheitliche Wirkung (d.h. ein Bündelpatent)<br />
und/oder ein Patent mit einheitlicher Wirkung. Die Einbeziehung<br />
der Bündelpatente mag wohl mit auf der Erwägung<br />
beruhen, dass ein ausschließlich für Einheitspatente<br />
zuständiges Gericht auf lange Sicht nur einen sehr geringen<br />
Geschäftsanfall zu erwarten gehabt hätte.<br />
Möglichen Akzeptanzproblemen hat man durch eine<br />
Übergangsregel Rechnung getragen, die nur für Bündelpatente,<br />
nicht für Einheitspatente gilt. Nach Art. 83(3)<br />
EPGÜ kann der Anmelder oder Patentinhaber bis zu einem<br />
Monat vor Ablauf der Übergangszeit durch Erklärung<br />
gegenüber dem EPG die ausschließliche Zuständigkeit<br />
des EPG ausschließen (opt-out) 44 . Die Erklärung<br />
kann wieder zurückgenommen werden (opt-in). Beide<br />
Erklärungen sind an die Voraussetzung geknüpft, dass<br />
noch keine Klage bei dem bis dahin zuständigen Gericht<br />
eingereicht wurde. Die Übergangszeit beträgt sieben Jahre<br />
und kann bis auf 14 Jahre verlängert werden. Die Möglichkeit<br />
des opt-out soll die Zuständigkeit des EPG für die<br />
Laufzeit des Patents auch nach Ende der Übergangszeit<br />
ausschließen. 45 Dies kommt aber in der Vorschrift nur unzureichend<br />
zum Ausdruck. Die parallele Zuständigkeit<br />
der nationalen Gerichte besteht nach Art. 83(1) und (2)<br />
EGPÜ nur für Klagen, die bis zum Ende der Übergangszeit<br />
eingereicht werden und Art. 83(3) EGPÜ weist den<br />
nationalen Gerichten keine weitere Zuständigkeit nach<br />
diesem Zeitraum zu.<br />
5.2.2 Qualifikation und Auswahl der Richter<br />
In Patentstreitigkeiten spielt die Wahl des Gerichts für<br />
die zu erhebende Klage (forum shopping) national und<br />
international eine große Rolle. Gerichte werden als patentfreundlich,<br />
patentfeindlich, schnell oder langsam, formalistisch<br />
oder sachbezogen usw. etikettiert. Es ist nicht<br />
verwunderlich, dass solche Überlegungen auch bei den<br />
Erwartungen an das EPG eine Rolle spielen. Dies besonders<br />
deshalb, weil Entscheidungen über die Gültigkeit des<br />
Einheitspatents diese für sein ganzes Territorium betreffen.<br />
Hier kehrt das Argument wieder, das schon bei der<br />
Ratifizierung des EPÜ in vielen Ländern eine Rolle gespielt<br />
hat: „all eggs in one basket“. Der Patentinhaber sieht<br />
sich auch nach Ablauf der Einspruchsfrist oder Abschluss<br />
des Einspruchsverfahrens vor dem EPA noch einem Zentralangriff<br />
ausgesetzt. Wird sein Patent vernichtet, so hat<br />
er keine weitere Chance mehr in einem zweiten Land.<br />
Objektiv gesehen ist jedenfalls die Erwartung an eine<br />
sachkundige Entscheidung, die in einem fairen und zügigen<br />
Verfahren ergeht, gerechtfertigt. Nun lässt sich eine<br />
neue qualifizierte Gerichtsbarkeit nicht ohne weiteres<br />
aus dem Boden stampfen, gerade wenn sie Patente zum<br />
Gegenstand hat. Die Aufgabe eines Patentrichters erfordert<br />
spezielle Begabung und Neigung. Üblicherweise<br />
kann sich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Spreu<br />
vom Weizen trennen und in den Fachgerichten bleiben<br />
diejenigen, die zu ihrer Aufgabe auch die rechte Berufung<br />
haben.<br />
Daher interessiert den Patentinhaber natürlich, wer im<br />
zukünftigen EPG tätig sein wird. Was die Spruchbesetzung<br />
angeht, so ist für alle Spruchkörper eine Besetzung<br />
mit Mitgliedern verschiedener Staatsangehörigkeit vorgeschrieben.<br />
Den Vorsitz führt in allen Spruchkörpern stets<br />
ein rechtlich qualifiziertes Mitglied (Art. 8 (8) EPGÜ).<br />
Die Spruchkörper der örtlichen Kammern bestehen<br />
nach Art. 8(2), (3) EPGÜ regelmäßig aus drei rechtlich<br />
qualifizierten Richtern. Von diesen kommen zwei aus<br />
dem Gebiet des Staats, für den die Kammer gebildet ist,<br />
sofern in dem betreffenden Staat mehr als 50 Patentsachen<br />
pro Jahr anfallen, ansonsten ist es nur ein Richter aus diesem<br />
Staat. Der oder die weiteren Richter werden der Kammer,<br />
ggf. langfristig, zugewiesen. Für die Regionalkammern<br />
gilt Entsprechendes mit der Maßgabe, dass immer<br />
zwei Richter aus der Region stammen.<br />
Den örtlichen und Regionalkammern wird auf Antrag<br />
einer der Parteien ein technisch qualifizierter Richter mit<br />
Fachkenntnis auf dem betreffenden Gebiet als weiterer<br />
Richter zugewiesen. 46 Die Kammern können auch von<br />
Amts wegen um die Zuweisung eines technisch qualifizierten<br />
Richters ersuchen. Die Zentralkammer entscheidet<br />
mit zwei rechtlich qualifizierten Richtern verschiedener<br />
Nationalität und einem technisch qualifizierten Richter.<br />
Das Berufungsgericht entscheidet nach Art. 9 EPGÜ in<br />
der Besetzung mit drei rechtlich qualifizierten und zwei<br />
technisch qualifizierten Richtern.<br />
Bei den Auswahlkriterien für die zu ernennenden Richter<br />
stellt Art. 15(1) Satz 2 EPGÜ hohe Anforderungen:<br />
Die Kandidaten müssen die Gewähr für höchste fachliche<br />
Qualifikation und über nachgewiesene Erfahrungen auf<br />
dem Gebiet der Patentstreitigkeiten verfügen. Der dem<br />
Abkommen als Anhang beigefügte Entwurf der Satzung<br />
des Gerichts relativiert diesen Anspruch allerdings deutlich:<br />
Nach Art. 2(3) kann die notwendige Erfahrung auch<br />
durch Schulungsmaßnahmen nach Art. 19 EPGÜ erworben<br />
werden. 47 Ein Zweites kommt hinzu: Bekanntermaßen<br />
stellt im Bereich der EU das Prinzip der geografischen<br />
Verteilung im Personalwesen ein überragendes Auswahlkriterium<br />
dar. Dies gilt auch für die Richter des EPG:<br />
Nach Art. 3(3) des Satzungsentwurfs sind die Richter unter<br />
den Vertragsmitgliedstaaten auf möglichst breiter geografischer<br />
Grundlage auszuwählen. Es liegt auf der Hand,<br />
dass dies auf Kosten der praktischen Erfahrung gehen<br />
muss, da sich Gerichte mit einem ins Gewicht fallenden<br />
Geschäftsanfall an Patentsachen nur in einer Minderheit<br />
der betreffenden Staaten finden.<br />
Vor diesem Hintergrund kann man erwarten, dass die<br />
zukünftigen Parteien vor dem EPG am ehesten Richtern<br />
aus dem eigenen Rechtskreis vertrauen werden, vor allem<br />
in den Ländern, die eine etablierte und bewährte Patentgerichtsbarkeit<br />
haben, wie dies in Deutschland der Fall ist.<br />
Es ist anzunehmen, dass nationale Richter aus diesem<br />
Fundus auch in den betreffenden örtlichen Kammern tätig<br />
sein werden, da dort zwei Richter aus dem eigenen Land<br />
erforderlich sind. Das Prinzip der geografischen Verteilung<br />
wird daher in diesen örtlichen Kammern von eingeschränkter<br />
Bedeutung sein. Eine umso größere Bedeutung<br />
44 Damit bleibt unklar, ob dem EPG eine konkurrierende Zuständigkeit<br />
verbleibt.<br />
45 So zur Vorgängerregelung in Art. 58(4) des Entwurfs im<br />
Ratsdok. 7928/09 vom 23.3.2009 Luginbühl in FS für Stauder,<br />
Baden-Baden 2011.<br />
46 Dann ist wie beim BPatG bei Stimmengleichheit die Stimme<br />
des Vorsitzenden auschlaggebend, Art. 78(1) EPGÜ.<br />
47 Dies lässt auch Raum für eine Schulung nach der Ernennung,<br />
vgl. Art. 11(4) a) des Satzungsentwurfs.<br />
159
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />
wird es dann möglicherweise in der Zentralkammer gewinnen.<br />
Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Regelung<br />
in Art. 33(2) Satz 2 EPGÜ die Attraktivität der Regionalkammern<br />
beeinträchtigen, da eine Regionalkammer<br />
die Verletzungsklage auf Antrag des Beklagten an die Zentralkammer<br />
zu verweisen hat, wenn die Verletzungsklage<br />
im Gebiet von mindestens drei Regionalkammern erfolgt.<br />
Noch unklar ist, wer die technisch qualifizierten Richter<br />
sein werden, die neben ihren rechtlich qualifizierten<br />
Kollegen erster Instanz dem Richterpool nach Art. 18<br />
EPGÜ angehören. Aus diesem Pool werden sie vom Präsidenten<br />
des Gerichts erster Instanz den Kammern zugewiesen.<br />
Für sie gilt noch mehr als für ihre rechtlich qualifizierten<br />
Kollegen, dass geeignete Kandidaten nur in einer<br />
Minderzahl der Staaten vorhanden sind. Hierzu gehören<br />
sicher die Richter des Bundespatentgerichts. Für eine breite<br />
Abdeckung in sprachlicher und technischer Hinsicht<br />
würden sich die Mitglieder der Beschwerdekammern des<br />
EPA besonders anbieten. Hiergegen hat jedoch schon früher<br />
die EU Kommission Vorbehalte angemeldet. 48 Nicht<br />
nur in dieser Hinsicht wäre es weise gewesen, wenn man<br />
den Beschwerdekammern beizeiten den Status eines vom<br />
EPA unabhängigen Gerichts gegeben hätte. 49<br />
5.2.3 Rolle des EuGH<br />
Weiter ist unklar, welche Rolle der EuGH in Zukunft in<br />
der Patentgerichtsbarkeit spielen wird. Gemäß Art. 21<br />
EPGÜ ist das EPG nach Art. 267 AEUV in Fragen des<br />
Unionsrechts vorlagepflichtig. Zu diesem Unionsrecht<br />
gehören die beiden Verordnungen. Das Bestreben, Fragen<br />
der Patentverletzung vom EuGH fernzuhalten, war Ursache<br />
des Streits zwischen Rat und Parlament um die<br />
Streichung der patentrechtlichen Benutzungsformen in<br />
Art. 6–8 des Entwurfs der EPV.<br />
Der Kompromiss der zyprischen Präsidentschaft findet<br />
sich nun in Art. 5(3) EPV, wo hinsichtlich der Handlungen,<br />
gegen die das durch das Einheitspatent verliehene<br />
Verbietungsrecht schützt, auf die in dem teilnehmenden<br />
Mitgliedstaat geltenden Vorschriften verwiesen ist. Das<br />
insoweit anwendbare „nationale“ Recht findet sich wiederum<br />
in Art. 25 ff. EPGÜ, wo die Benutzungsformen<br />
und deren Beschränkungen geregelt sind. Dieser Kompromiss<br />
ist zwar insoweit folgerichtig, als auch vorher<br />
nicht einsichtig war, warum die Benutzungsformen im<br />
Übereinkommen und in der EPV enthalten sein sollten.<br />
Ob aber das gewünschte Ziel erreicht wird, das Recht<br />
der Patentverletzung aus dem Unionsrecht herauszulösen,<br />
erscheint angesichts des Art. 5(3) EPV und seiner Verweisung<br />
auf gemeinsames Vertragsrecht keineswegs als sicher.<br />
Möglicherweise handelt es sich nur um einen Formelkompromiss,<br />
mit dem beide Seiten ihr Gesicht gewahrt<br />
haben. Zu erinnern ist daran, dass es im Bereich<br />
der materiellen Patentierbarkeit schon Unionsrecht gibt,<br />
nämlich die RL 98/44 EG über den Schutz biotechnologischer<br />
Erfindungen, die in Regel 26 ff. EPÜ umgesetzt<br />
wurde.<br />
5.2.4 Vertretung<br />
Nach Art. 48(1) EPGÜ sind vor dem EPG Anwälte vertretungsberechtigt,<br />
die bei einem Gericht in einem Mitgliedstaat<br />
zugelassen sind. Daneben sind nach Art. 48(2)<br />
EPGÜ auch zugelassene Vertreter nach Art. 134(1) EPÜ<br />
vertretungsberechtigt, die einen Befähigungsnachweis besitzen,<br />
über dessen Voraussetzungen der Verwaltungsausschuss<br />
nach dem EPGÜ entscheidet. Unabhängig hiervon<br />
könnenPatentanwälte nach Art. 48(3) EPGÜ neben einem<br />
vertretungsberechtigten Anwalt nach Maßgabe der Verfahrensordnung<br />
vortragen.<br />
5.2.5 Kosten<br />
Die Mehrzahl der Patentverletzungsstreitigkeiten in<br />
Europa wird in Deutschland geführt. 50 Dies beruht nicht<br />
zuletzt darauf, dass die Verfahren effektiv und kostengünstig<br />
geführt werden können. Ob dies auch mit dem<br />
Verfahren vor dem EPG gelingt, ist eine zentrale Frage,<br />
die für die meisten der zukünftigen Parteien von essentieller<br />
Bedeutung ist. Auch zu den Kosten der Verfahren vor<br />
dem EPG gibt es noch wenig Konkretes zu berichten.<br />
Auf einige Grundsätze zur Bemessung der nach Art. 70<br />
EPGÜ zu erhebenden Gerichtsgebühren kann jedoch<br />
schon hingewiesen werden. Der Haushalt soll nach<br />
Art. 36(1) EPGÜ durch die eigenen Einnahmen des Gerichts<br />
und erforderlichenfalls – zumindest in der Übergangszeit<br />
nach Art. 83 – durch Beiträge der teilnehmenden<br />
Mitgliedstaaten finanziert werden. Die Gerichtsgebühren<br />
sollen sich aus einer festen Gebühr und einer<br />
streitwertabhängigen Gebühr zusammensetzen. Es soll<br />
ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einem fairen<br />
Zugang zum Recht und einer angemessenen Beteiligung<br />
der Parteien an den entstandenen Kosten gewährleistet<br />
werden. Für KMUs können gezielte Unterstützungsmaßnahmen<br />
getroffen werden. Für natürliche Personen ist<br />
nach Art. 71 EPGÜ Prozesskostenhilfe vorgesehen.<br />
Nicht zu dem durch die Parteien zu finanzierenden<br />
Haushalt gehören gewisse Sachkosten. Die Staaten, in<br />
denen die verschiedenen Spruchkörper der ersten und<br />
zweiten Instanz errichtet sind, haben die notwendigen<br />
Einrichtungen zur Verfügung stellen. Während der Übergangszeit<br />
haben sie auch Verwaltungspersonal zur Unterstützung<br />
zur Verfügung zu stellen. Dagegen sind Schulungskosten<br />
nach Art. 38 und 39 EPGÜ aus dem Haushalt<br />
des Gerichts zu finanzieren.<br />
Noch wichtiger als die Gerichtsgebühren sind die Kosten,<br />
die den Parteien für ihren eigenen Aufwand und für<br />
ihre Anwälte entstehen. Hier besteht eine große Spannbreite<br />
und der Aufwand wird im Wesentlichen durch die<br />
Verfahrensführung durch das Gericht bestimmt. Wesentliche<br />
Faktoren sind der Umfang von Beweisaufnahmen<br />
und mündlicher Verhandlung. Mündliche Verhandlungen<br />
von einer Stunde wie häufig in Deutschland und von regelmäßig<br />
mehreren Tagen bis gelegentlich über zwei Wochen<br />
wie in England 51 liegen im Spektrum der Möglichkeiten.<br />
Hier wird man die endgültige Verfahrensord-<br />
48 Vgl. Fröhlinger in: Die Zukunft der Patentgerichtsbarkeit in<br />
Europa, Tagungsband, BPatG (Herausg.), München 2007,<br />
S. 81, 84.<br />
49 Teschemacher, FS 50 Jahre BPatG, München 2011, S. 911,<br />
927 ff.<br />
50 Ann, GRUR 2009, 205.<br />
51 Siehe etwa Generics Ltd v Yeda Research and Development<br />
Co Ltd, [2012] EWHC 1848 (Pat).<br />
160
Mitt. Heft 4/2013<br />
Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />
nung 52 analysieren müssen und vor allem wird es auf ihre<br />
Handhabung in der Praxis ankommen, die sich vielleicht<br />
in der Anfangszeit in den verschiedenen Kammern durch<br />
das Fortwirken nationaler Erfahrungen und Traditionen<br />
unterscheiden mag.<br />
Die der obsiegenden Partei entstandenen angemessenen<br />
Kosten hat nach Art. 69(1) EPGÜ regelmäßig die unterlegene<br />
Partei zu tragen.<br />
6. Perspektiven<br />
Mit dem Patentreformpaket ist ein weiterer großer<br />
Schritt in der Europäisierung des Patentrechts gelungen.<br />
Nach Ende der Übergangszeit wird es keine Übersetzungen<br />
der Patentschrift für das Einheitspatent mehr geben,<br />
vielleicht haben sich bis dahin alle EU-Staaten zur Teilnahme<br />
entschlossen und bis dahin wird auch das EPG seine<br />
Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt haben. Aber<br />
noch sind wir nicht so weit. Es ist noch viel zu tun, bevor<br />
die ersten Einheitspatente registriert werden.<br />
Das EPA hat sich schon seit einiger Zeit auf seine neuen<br />
administrativen Aufgaben nach Art. 9 EPV vorbereiten<br />
können. In institutioneller Hinsicht haben die 25 an der<br />
verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten<br />
einen „Engeren Ausschuss“ des Verwaltungsrats<br />
der EPO nach Art. 145 EPÜ einzusetzen, 53 der die notwendigen<br />
rechtlichen und finanziellen Maßnahmen zu beschließen<br />
hat. Insbesondere ist er nach Art. 9(2) EPV für<br />
die Festsetzung der Jahresgebühren und ihre Verteilung<br />
zuständig.<br />
Die verfahrensrechtlichen Regelungen werden sich an<br />
die entsprechenden Vorschriften des EPÜ und seiner Ausführungsordnunganlehnen,<br />
einschließlich solcher Rechtsbehelfe<br />
wie Weiterbehandlung, Wiedereinsetzung und verspäteter<br />
Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag.<br />
Was das EPG angeht, so setzen die Unterzeichnerstaaten<br />
des EPGÜ einen Vorbereitenden Ausschuss ein, der<br />
vorbereitende Maßnahmen für die im Abkommen vorgesehenen<br />
Gremien trifft, 54 das sind der Verwaltungsausschuss,<br />
der Haushaltsausschuss und der Beratende Ausschuss.<br />
Der Vorbereitende Ausschuss soll insbesondere<br />
den Entwurf der Verfahrensordnung zur Diskussion der<br />
beteiligten Kreise stellen, damit dieser vor Ende der 13<br />
notwendigen Ratifikationsverfahren abgeschlossen werden<br />
kann. Ferner soll alsbald mit der Ausbildung der zukünftigen<br />
Richter und der Vorbereitung ihrer Wahl begonnen<br />
werden. Schließlich wird sich der Vorbereitende<br />
Ausschuss auch mit den Gerichtsgebühren befassen.<br />
Diese Maßnahmen und der Fortschritt der Ratifizierungsverfahren<br />
wird den Benutzern des europäischen Patentsystems<br />
ein klareres Bild geben, in welchem Umfang<br />
und zu welchem Zeitpunkt sich die mit dem Einheitspatent<br />
geweckten Erwartungen erfüllen werden. Doch eines<br />
ist selbst am entferntesten Horizont noch nicht absehbar:<br />
Die Senkung der Kosten für den Patentschutz in Europa<br />
um über 80 % gehört ins Reich der blumigen Versprechungen<br />
der Politiker. Die Patentinhaber und gerade die<br />
viel beschworenen KMUs werden für die absehbare Zukunft<br />
die weitere Entwicklung zu beobachten haben und<br />
unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen eine nüchterne<br />
Kosten/Nutzenanalyse für ihre Entscheidung anstellen,<br />
ob es sich lohnt, das Einheitspatent zu wählen.<br />
Eine solche Analyse sollte auch während der Übergangszeit<br />
die Grundlage einer Entscheidung über das optout<br />
für das Bündelpatent sein. Hier sind wohl die maßgebenden<br />
Kriterien einerseits das Vertrauen in Sachkunde<br />
und Effizienz des neuen Gerichts, das maßgebend bestimmt<br />
sein wird von der Verfahrensordnung und ihrer<br />
Handhabung sowie die Qualifikation seiner Mitglieder<br />
und andererseits die Folgerungen, die sich aus der ausschließlichen<br />
Zuständigkeit des Gerichts und der EUweiten<br />
Wirkung seiner Entscheidungen ergibt. Der eine<br />
mag die Möglichkeit des Zentralangriffs auf die Gültigkeit<br />
des Patents als Bedrohung empfinden, der andere mag die<br />
Chance der EU-weiten Durchsetzung des Patents in einem<br />
einzigen Verfahren als eine für seine Wahl ausschlaggebende<br />
neue Chance ansehen. 55 Ob sich Voraussagen bewahrheiten,<br />
die von einer Flucht vor dem Einheitsgericht<br />
in nationale Patente sprechen, wird abzuwarten sein. Für<br />
Deutschland sollte es jedenfalls näher liegen, die Möglichkeit<br />
des Gangs zum nationalen Verletzungsgericht durch<br />
ein Gebrauchsmuster offen zu halten.<br />
52 Die bisherigen Entwürfe sind noch nicht veröffentlicht. Ein<br />
14. Entwurf vom Januar 2013 ist auf einigen Blogs zugänglich.<br />
53 Der Engere Ausschuss hatte am 20.3.2013 seine konstituierende<br />
Sitzung.<br />
54 Erklärung der Unterzeichnerstaaten, Ratsdok. 6572/13 vom<br />
19.2.2013. Die erste Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses<br />
hat am 26.3.2013 stattgefunden.<br />
55 Zumindest für die Übergangszeit kann es freilich statt zu einer<br />
Vereinheitlichung auch zu einer Fragmentierung des<br />
Rechtsschutzes kommen. Zu einem solchen Szenario siehe<br />
Johnson und Westmacott, Intellectual Asset Management,<br />
March/April 2013, 11.<br />
161