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Mitteilungen - Bardehle Pagenberg

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4<br />

<strong>Mitteilungen</strong><br />

der deutschen Patentanwälte<br />

Herausgegeben vom Vorstand der Patentanwaltskammer 104. Jahrgang April 2013<br />

Aus dem Inhalt<br />

Beiträge<br />

Teschemacher<br />

Schneider<br />

Münsterer<br />

Bischof/<br />

Noureddine<br />

Hüttermann<br />

Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen<br />

fragen Sie Ihren Anwalt<br />

Zur Restitutionsklage im Patentrecht<br />

Einwendungen Dritter gegen US-Patentanmeldungen<br />

Chinesisches Haftpflichtrecht bei Immaterialgüterrechtsverletzungen<br />

Zwei Thesen über Patente<br />

Entscheidungen<br />

BGH<br />

BGH<br />

OLG München<br />

BGH<br />

BGH<br />

Führungsschiene – neues Nichtigkeitsverfahren<br />

Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser – öffentliche<br />

Zugänglichkeit<br />

Bavaria Holland Beer II – Zum Schutz der Bezeichnung<br />

„Bayerisches Bier“ als geografische Herkunftsangabe<br />

späte Aufsatzveröffentlichung – Bevorzugung von Patentanwälten<br />

bei den MITTEILUNGEN<br />

Rohrmuffe – Besichtigungsanspruch<br />

Art.-Nr. 56359304


<strong>Mitteilungen</strong><br />

der deutschen Patentanwälte<br />

Herausgegeben vom Vorstand der Patentanwaltskammer<br />

104. Jahrgang<br />

München, Heft 4<br />

April 2013<br />

Seiten 153 – 204<br />

Zitierweise: Mitt. (Jahr), (S.)<br />

Im Internet:<br />

www.gewerblicher-rechtsschutz.de<br />

Inhalt<br />

Die recherchierbare<br />

Online-Ausgabe<br />

Beiträge<br />

Teschemacher Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt 153<br />

Schneider Zur Restitutionsklage im Patentrecht 162<br />

Münsterer Einwendungen Dritter gegen US-Patentanmeldungen 166<br />

Bischof/Noureddine Chinesisches Haftpflichtrecht bei Immaterialgüterrechtsverletzungen 171<br />

Hüttermann Zwei Thesen über Patente 181<br />

Entscheidungen<br />

BGH<br />

BGH<br />

OLG München<br />

BGH<br />

Patent<br />

Beschl. vom 20.11.2012, X ZR 95/11 – Führungsschiene<br />

neues Nichtigkeitsverfahren 188<br />

Urt. vom 15.1.2013, X ZR 81/11 – Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser<br />

öffentliche Zugänglichkeit 189<br />

Marke<br />

Urt. vom 25.10.2012, 29 U 5084/03 – Bavaria Holland Beer II<br />

Zum Schutz der Bezeichnung „Bayerisches Bier“ als geografische Herkunftsangabe 191<br />

Berufsrecht<br />

Beschl. vom 6.7.2012, PatAnwZ 1/11 – späte Aufsatzveröffentlichung<br />

Bevorzugung von Patentanwälten bei den MITTEILUNGEN 197<br />

Kostenrecht<br />

OLG Köln Beschl. vom 29.8.2012, 17 W 47/12 – Fiktive Patentanwaltskosten 199<br />

Leitsätze<br />

Verfahrensrecht<br />

BGH Beschl. vom 18.12.2012, X ZR 7/12 – Rohrmuffe – Besichtigungsanspruch 200<br />

Leitsätze<br />

Sonstiges – Leitsatz 203<br />

Rezensionen<br />

Uhrich Haedicke, Patentrecht, 2. Aufl, 2013 203<br />

Fischer Schultz, Kommentar zum Markenrecht, 3. Auflage, 2012 204<br />

Lendvai Groß/Rohrer, Lizenzgebühren, 3. Auflage, 2012 204


kostenloser Online-Zugriff<br />

durchsuchbar wie eine Datenbank<br />

verlinkt mit Normen und Entscheidungen<br />

Das komplette Wissen für Beruf<br />

und Patentanwaltsprüfung<br />

Im Mittelpunkt des Handbuchs steht das Rüstzeug für<br />

den Patentanwaltsberuf: die Vertretung und Beratung<br />

von Mandanten, das Mandatsverhältnis (Vertrag,<br />

Vergütung und Haftungsfragen) bis hin zur<br />

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An Fallbeispielen und Abbildungen erläutert der<br />

erfahrene Patentanwalt und Ausbilder Professor<br />

Dr. Uwe Fitzner alles, was ein Patentanwalt für<br />

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Der Patentanwalt<br />

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Gebührenfreie Bestellhotline:<br />

0800 7763665<br />

Im Buchhandel erhältlich.<br />

Beilagenhinweis:<br />

Mit dieser Ausgabe verteilen wir eine Beilage<br />

der FORUM Institut für Management GmbH.<br />

Wir bitten um freundliche Beachtung.<br />

Impressum<br />

Schriftleitung<br />

Verantwortlicher Schriftleiter: Patentanwalt Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Malte Köllner,<br />

Vogelweidstraße 8, 60596 Frankfurt, Tel.: 069/69 59 60-0, Telefax: 069/69 59 60-22,<br />

E-Mail: info@kp-patent.de. Weitere Mitglieder der Schriftleitung: Patentanwälte<br />

Dipl.-Ing. Heiner Lichti, Karlsruhe, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Stefan Schohe, München,<br />

Dipl.-Biol. Dr. phil. nat. Anastassios Pischitzis, Frankfurt. Einsendungen, die sich auf<br />

den Inhalt der Zeitschrift beziehen, sind an die obige Anschrift des verantwortlichen<br />

Schriftleiters zu richten. Aufsätze und Bemerkungen geben die Meinung des Verfassers,<br />

nicht die der Schriftleitung oder des Verlages wieder.<br />

Beiträge werden nur zur zeitlich unbeschränkten Alleinveröffentlichung angenommen.<br />

Die Annahme zur Veröffentlichung muss schriftlich erfolgen. Mit der Annahme<br />

erwirbt der Verlag vom Verfasser alle Nutzungsrechte, auch zur digitalen Nutzung<br />

(z.B. auf CD und im Internet) und zur weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />

Zwecken im Wege fotomechanischer oder anderer Verfahren. Für Manuskripte, die<br />

unaufgefordert eingesandt werden, wird keine Haftung übernommen.<br />

Verlag<br />

Carl Heymanns Verlag – Eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Freisinger<br />

Straße 3, 85716 Unterschleißheim, Telefon 089/36007-0, Telefax 089/3 60 07-33 10<br />

Carl Heymanns Verlag – Eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln,<br />

Luxemburger Straße 449, Postadresse: 50926 Köln, Telefon 0221/94373-7000,<br />

Telefax 0221/94373-7201. http://www.heymanns.com<br />

Kundenservice: Telefon 02631/801-2222, e-mail: info@wolterskluwer.de<br />

F 2013 Wolters Kluwer Deutschland GmbH/Carl Heymanns Verlag<br />

Die Zeitschrift einschließlich aller ihrer Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jeder Verwertung<br />

außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die<br />

Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,<br />

Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung<br />

in elektronischen Systemen, auch von Teilen der Zeitschrift zum innnerbetrieblichen<br />

Gebrauch.<br />

Bezugsbedingungen<br />

Die Zeitschrift erscheint grundsätzlich monatlich. Jahrespreis inkl. Online-Zugang<br />

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Anzeigenverkauf: Marcus Kipp, Telefon 0221 /943 73-71 48, Fax -7328, E-Mail:<br />

mkipp@wolterskluwer.de<br />

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E-Mail: kodening@wolterskluwer.de<br />

Die Anzeigen werden nach der Preisliste Nr. 32 vom 1. 1. 2013 berechnet.<br />

Satz: SZ-data GmbH, Sankt Augustin<br />

Druck: Merkur Print & Service Group, Detmold<br />

A2


<strong>Mitteilungen</strong><br />

der deutschen Patentanwälte<br />

Herausgegeben vom Vorstand der Patentanwaltskammer<br />

104. Jahrgang<br />

München, Heft 4<br />

April 2013<br />

Seiten 153 – 204<br />

Zitierweise: Mitt. (Jahr), (S.)<br />

Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie<br />

Ihren Anwalt<br />

Rudolf Teschemacher *<br />

Der Beitrag stellt das Patentreformpaket vor, bestehend<br />

aus den beiden EU-Verordnungen über das Einheitspatent<br />

und dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht.<br />

Er versucht Hinweise zu geben für die Beantwortung<br />

der Fragen: Wann kommt das Einheitspatent und<br />

für welche Länder? Was kann der Patentinhaber sparen?<br />

Wo liegen Chancen und Risiken? Dabei zeigt sich, dass<br />

viele für die Attraktivität des Einheitspatents maßgebende<br />

Parameter noch ungeklärt sind.<br />

1. Die Einigung über das Patentreformpaket<br />

2. Die Ziele des einheitlichen Schutzes<br />

3. Der Zeitplan für das Inkrafttreten<br />

4. Kostenvorteile des Einheitspatents<br />

4.1 Übersetzungen<br />

4.2 Jahresgebühren<br />

5. Chancen und Risiken<br />

5.1 Das Verhältnis zum EPÜ<br />

5.2 Das Einheitliche Patentgericht<br />

5.2.1 Zuständigkeit<br />

5.2.2 Qualifikation<br />

5.2.3 Rolle des EuGH<br />

5.2.4 Vertretung<br />

5.2.5 Kosten<br />

6. Perspektiven<br />

1. Die Einigung über das Patentreformpaket<br />

Der Jubel in den Pressemitteilungen der europäischen<br />

Institutionen steigerte sich von der zweiten Novemberhälfte<br />

bis Mitte Dezember 2012. Am 19.11.2012 hatten<br />

sich der Ausschuss der ständigen Vertreter des Rats der<br />

Europäischen Union und der Rechtsausschuss des Europäischen<br />

Parlaments zu einem Kompromiss in den Verhandlungen<br />

über das sogenannte Patentreformpaket<br />

durchgerungen. Kurz zuvor hatte noch der Vorschlag<br />

der Staatsoberhäupter, im Entwurf der Verordnung über<br />

die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich<br />

der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes 1 die<br />

Vorschriften in Art. 6–8 über die dem Patentinhaber vorbehaltenen<br />

Benutzungsformen zu streichen, beim Parlament<br />

Empörung hervorgerufen, die in dem Vorwurf gipfelte,<br />

der Rat habe die Rolle des Parlaments nicht respektiert.<br />

2 Am 10. Dezember stimmte der Rat und am 11. Dezember<br />

das Parlament dem Patentreformpaket zu und die<br />

zyprische Präsidentschaft verkündete: „Die Kosten für<br />

den Patentschutz in ganz Europa werden voraussichtlich<br />

um über 80 % sinken und somit europäische Patente zu<br />

einem konkurrenzfähigen Preis zu erwerben sein, was<br />

kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu Patenten<br />

erleichtert“. 3 Schließlich wurden die beiden Verordnungen<br />

am 17.12.2012 unterzeichnet und damit war<br />

in den Instanzen der Europäischen Union das Gesetzgebungsverfahren<br />

abgeschlossen.<br />

Dies bedeutetet wohl, dass die bis 1959 zurückreichenden<br />

Anstrengungen um die Schaffung einheitlicher gewerblicher<br />

Schutzrechte in Europa auch für das Gebiet<br />

der technischen Erfindungen zu einem Abschluss führen,<br />

nachdem es seit 1994 die Gemeinschaftsmarke, seit 1995<br />

einen gemeinschaftlichen Sortenschutz und seit 2002 ein<br />

Gemeinschaftsgeschmacksmuster gibt.<br />

Die Komplexität des Einheitspatents 4 und der politischen<br />

Bemühungen um seine Schaffung wird schon daraus<br />

deutlich, dass es nicht auf einem einheitlichen Akt der Gesetzgebung<br />

beruht, sondern auf deren drei, die das Patentreformpaket<br />

bilden, nämlich<br />

* Dr. iur. Rudolf Teschemacher, Consultant, BARDEHLE<br />

PAGENBERG, München. Der Beitrag gibt die persönliche<br />

Auffassung des Autors wieder.<br />

1 Dok. COM(2011) 215 final vom 13.4.2011.<br />

2 Vgl. Pressemitteilung des Rechtsausschusses des Europäischen<br />

Parlaments (JURI) vom 10.7.2012.<br />

3 Pressemitteilung der zyprischen Präsidentschaft – Das Einheitliche<br />

Patent der Ziellinie näher, vom 20.11.2012.<br />

4 Auf eine Reihe von Bedenken, die sich aus der Gemengelage<br />

der verschiedenen betroffenen Rechtsordnungen ergeben, hat<br />

das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht<br />

hingewiesen, siehe dessen Website: www.ip.<br />

mpg.de > Publikationen > Stellungnahmen des Instituts ><br />

The Unitary Patent Package.<br />

153


Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />

– der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die<br />

Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich<br />

der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes<br />

(im Folgenden EPV),<br />

– der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates vom<br />

17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit<br />

im Bereich der Schaffung eines einheitlichen<br />

Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden<br />

Übersetzungsregelungen (im Folgenden ÜEPV) und<br />

– dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht<br />

(im Folgenden EPGÜ). 5<br />

Die beiden Verordnungen sind am 31. Dezember veröffentlicht<br />

worden und am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung<br />

in Kraft getreten. 6 Das Übereinkommen wurde am<br />

19.2.2013 von 24 der 27 EU Staaten unterzeichnet. 7<br />

2. Die Ziele des einheitlichen Schutzes<br />

Das primäre ursprüngliche Ziel der Schaffung einheitlicher<br />

gewerblicher Schutzrechte in Europa war es sicherzustellen,<br />

dass der freie Güteraustausch zwischen den<br />

Mitgliedstaaten der EWG nicht durch Schutzrechte behindert<br />

wird, die nur territorial beschränkt auf dem Gebiet<br />

des Staats wirken, der sie erteilt und die dadurch dem<br />

Schutzrechtsinhaber Möglichkeiten der Marktaufteilung<br />

eröffnen. Damit sollte die Gleichartigkeit des Wettbewerbs<br />

im Gemeinsamen Markt in größtmöglichem Maß<br />

sichergestellt werden. 8 Diese Zielsetzung hat ihre Dringlichkeit<br />

in dem Maß verloren, in dem der EuGH dem<br />

Grundsatz des freien Warenverkehrs Vorrang gegenüber<br />

der Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte eingeräumt<br />

und es mit der Entwicklung des Grundsatzes der gemeinschaftsweiten<br />

Erschöpfung dem Patentinhaber verwehrt<br />

hat, die Einfuhr von Erzeugnissen zu verhindern, die mit<br />

seiner Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft in Verkehr<br />

gebracht worden sind. 9<br />

Während also ursprünglich primär ordnungspolitische<br />

Ziele verfolgt wurden, geht es beim Einheitspatent um<br />

mehr profane Ziele wie die Verbilligung und Vereinfachung<br />

von Patentschutz in Europa, um die Wettbewerbsbedingungen<br />

für europäische Unternehmen im Vergleich zu ihren<br />

überseeischen Wettbewerbern zu verbessern. 10 Hinzu<br />

kommt die Möglichkeit der einheitlichen Durchsetzung<br />

und Verteidigung des erteilten Patents vor einem einzigen<br />

Gericht, mit der die Notwendigkeit paralleler Gerichtsverfahren<br />

unddie Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen in<br />

verschiedenen Staaten vermieden werden soll. 11<br />

Nachdem sich diese Ziele nicht mit allen Vertragsstaaten<br />

der EU erreichen ließen, hat die Kommission den Weg<br />

der mit dem Vertrag von Amsterdam geschaffenen verstärkten<br />

Zusammenarbeit nach Art. 326 ff des Vertrags<br />

über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)<br />

eingeschlagen. Dieses Instrument, das zuvor erst einmal<br />

im Bereich des Familienrechts benutzt wurde, erlaubt es<br />

einer Gruppe von Vertragsstaaten, eine engere Zusammenarbeit<br />

zu verwirklichen, wenn nicht alle Mitgliedstaaten<br />

an dieser Zusammenarbeit mitwirken wollen. Zunächst<br />

waren nur 12 Staaten bereit mitzumachen, schließlich<br />

waren es 25, nämlich alle EU-Mitgliedstaaten außer<br />

Spanien und Italien.<br />

Da nun das Einheitspatent in greifbare Nähe gerückt<br />

ist, entwickelt sich schnell ein Beratungsbedarf. Gerade<br />

Anmelder, die nicht in der Lage waren, den verworrenen<br />

Entwicklungen selbst zu folgen, wie überseeische Anmelder<br />

und KMUs, fragen sich und in der Folge ihren Anwalt,<br />

was auf sie zukommt und welche Entscheidungen sie alsbald<br />

zu treffen haben. Die Erwartungen sind durch die<br />

optimistischen Publikationen der europäischen Instanzen<br />

in den letzten Monaten hochgesteckt. 12<br />

Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die<br />

maßgebenden Parameter für die Entscheidungen der Anmelder<br />

noch weitgehend undefiniert sind. Im Folgenden<br />

soll dies an den nächstliegenden Fragen gezeigt werden,<br />

die ein Benutzer des europäischen Patentsystems stellen<br />

kann:<br />

– Wann kommt das Einheitspatent und für wen?<br />

– Was kann ich sparen?<br />

– Was sind die Chancen und Risiken?<br />

3. Der Zeitplan für das Inkrafttreten<br />

Die Kommission hofft, dass das erste Patent mit einheitlicher<br />

Wirkung im April 2014 erteilt werden kann.<br />

Die Erreichung dieses ambitionierten Ziels setzt voraus,<br />

dass nach der Unterzeichnung des Übereinkommens am<br />

19.2.2013 die für das Inkrafttreten notwendigen 13 Ratifizierungen<br />

bis November 2013 vorliegen, damit das Übereinkommen<br />

nach seinem Artikel 89 vier Monate später in<br />

Kraft treten kann. 13 Die Unterzeichnung durch 24 Staaten<br />

bei der Zeichnungszeremonie dokumentiert den politischen<br />

Willen der betreffenden Staaten, den Ratifikationsprozess<br />

zügig in Gang zu setzen. 14<br />

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Patentreformpaket<br />

zeitlich und territorial nur als Ganzes anwendbar<br />

ist. Wie erwähnt sind die beiden Verordnungen<br />

bereits am 20. Januar in Kraft getreten und zwar für die 25<br />

anderverstärktenZusammenarbeitteilnehmendenStaaten.<br />

Die Verordnungen machen jedoch einen bedeutsamen Unterschied<br />

zwischen Inkrafttreten und Anwendung. Sie gelten<br />

erst ab dem 1.1.2014 oder ab dem Tag des Inkrafttretens<br />

des EPGÜ, je nachdem, welcher der spätere Zeitpunkt ist. 15<br />

Damit kommt es für die Anwendbarkeit des ganzen<br />

Patentreformpakets auf das Inkrafttreten des EPGÜ an.<br />

Das ist gleich an drei Voraussetzungen geknüpft. Es tritt<br />

in Kraft:<br />

5 Ratsdok. 16351/12 vom 11.1.2013.<br />

6 ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1 und 89.<br />

7 Von den 25 an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden<br />

Staaten haben Polen und Bulgarien nicht unterzeichnet, wobei<br />

Bulgarien seine alsbaldige Unterzeichnung angekündigt und<br />

tatsächlich am 5. März unterzeichnet hat. Italien und Spanien<br />

nehmen nicht an der verstärkten Zusammenarbeit teil, gleichwohl<br />

hat Italien das Übereinkommen unterzeichnet.<br />

8 Von der Groeben, GRUR Int. 1959, 629.<br />

9 Zur Entwicklung siehe Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts,<br />

6. Aufl. 2009, S. 799 f.<br />

10 Europäische Kommission, Dok. SEC(2011) 482 final, Impact<br />

Assessment zu den beiden VO-Vorschlägen.<br />

11 Siehe insbesondere die Erwägungen zum Übereinkommen<br />

über ein Einheitliches Patentgericht.<br />

12 Siehe oben Fn. 2 die Pressemitteilung der zyprischen Präsidentschaft.<br />

13 Pressemitteilung der Kommission, Memo/12/970 vom<br />

11.12.2012.<br />

14 Siehe die Erklärung der Unterzeichnerstaaten vom Tag der<br />

Unterzeichnung, Ratsdok. 6572/13.<br />

15 Art. 18(1) EPV, Art. 17(2) ÜEPV.<br />

154


Mitt. Heft 4/2013<br />

Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />

– am 1.1.2014, oder<br />

– am ersten Tag des vierten Monats nach Ratifikation<br />

durch dreizehn Staaten<br />

einschließlich Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten<br />

Königreichs, oder<br />

– am ersten Tag des vierten Monats nach dem Inkrafttreten<br />

der Änderungen der VO (EU) Nr. 1215/2012, die<br />

das Verhältnis zwischen jener Verordnung und dem<br />

EGPÜ betreffen,<br />

je nachdem, welcher Zeitpunkt später liegt.<br />

Was die notwendige Ratifikation durch die 13 Staaten<br />

angeht, so hat man offensichtlich bewusst eine kleine Zahl<br />

gewählt, um das Inkrafttreten zu beschleunigen. 16 Damit<br />

kann das Übereinkommen für eine Minderheit von<br />

EU-Staaten in Kraft treten. Die Erwartung der Kommission,<br />

dass schon bis November die Mindestzahl an Ratifikationen<br />

erreicht sein wird, scheint freilich wenig realistisch.<br />

Die notwendigen parlamentarischen Verfahren<br />

brauchen ihre Zeit und können sich aus den verschiedensten<br />

Gründen verzögern. Bei den 3 Pflichtländern<br />

wird man annehmen können, dass es in Frankreich und<br />

Deutschland wohl keine grundsätzlichen Probleme geben<br />

wird. Aber das BMJ ist schon etwas vorsichtiger als die<br />

Kommission und rechnet mit den notwendigen Ratifikationen<br />

„ab 2015“. 17 Wenngleich verschiedene Gesetzgebungsvorhaben<br />

dieser Art nicht ohne weiteres verglichen<br />

werden können, ergeben sich doch gewisse Anhaltspunkte<br />

aus den Ratifikationen zum EPÜ.<br />

Das EPÜ 1973 wurde am 5.10.1973 unterzeichnet, es ist<br />

am 7.10.1977 nach der Ratifikation durch 7 der ursprünglich<br />

14 Unterzeichnerstaaten in Kraft getreten. Die Akte<br />

zur Revision von Art. 63 (Laufzeit des europäischen Patents)<br />

ist am 17.12.1991 unterzeichnet worden, der revidierte<br />

Artikel ist am 4.7.1997 in Kraft getreten. Das EPÜ<br />

2000 wurde am 29.11.2000 unterzeichnet und ist am<br />

13.12.2007 in Kraft getreten, wobei allerdings für das Inkrafttreten<br />

ein langer Zeitraum von zwei Jahren nach Vorliegen<br />

der erforderlichen 15 Ratifikationen vorgesehen<br />

war. Nicht zu vergessen ist, dass das Gemeinschaftspatentübereinkommen<br />

1975 in Luxemburg von den damaligen<br />

neun EG-Staaten unterzeichnet wurde, aber nie in<br />

Kraft getreten ist. Dies war dem Umstand zuzuschreiben,<br />

dass nach Art. 94 GPÜ die<br />

Ratifikation durch alle Unterzeichnerstaaten<br />

erforderlich<br />

war. Diese Hürde ist<br />

für das Einheitspatent durch<br />

die Möglichkeit der differenzierten<br />

oder abgestuften<br />

Integration im Weg der verstärkten<br />

Zusammenarbeit<br />

beseitigt worden.<br />

Die Erfahrung lehrt jedenfalls,<br />

dass es nicht immer<br />

so schnell geht, wie<br />

sich die Akteure es wünschen.<br />

Es gibt Verzögerungen<br />

aus rechtlichen Gründen,<br />

man erinnere sich an<br />

die verfassungsrechtlichen<br />

Kernthesen:<br />

– Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens über ein<br />

einheitliches Patentgericht liegen die drei gesetzgeberischen<br />

Grundlagen für das Einheitspatent vor.<br />

– Mit den für das Inkrafttreten des Übereinkommens notwendigen<br />

Ratifizierungen als Voraussetzung für die Anwendbarkeit<br />

des Patentreformpakets ist jedenfalls nicht vor<br />

2015 zu rechnen.<br />

– Eine Senkung der durchschnittlichen Jahresgebührenbelastung<br />

ist nicht zu erwarten.<br />

– Eine Senkung der Übersetzungskosten ergibt sich hauptsächlich<br />

für die Patentinhaber, die breiten territorialen<br />

Schutz in Anspruch nehmen.<br />

– Das Einheitspatentgericht wird für Einheitspatente und für<br />

europäische Bündelpatente ausschließlich zuständig; für<br />

letztere kann die ausschließliche Zuständigkeit für eine<br />

Übergangszeit ausgeschlossen werden.<br />

Probleme vor dem Beitritt von Irland oder die zum Beitritt<br />

von Dänemark erforderliche 5/6 Mehrheit, aber auch<br />

aus politischen Gründen, wie dem Widerstand von interessierten<br />

Kreisen, die mit den erzielten Ergebnissen nicht<br />

zufrieden sind. Es mag ja auch sein, dass in den parlamentarischen<br />

Verfahren konkret nach haushaltsrechtlichen<br />

Auswirkungen und finanziellen Vorteilen für die Anmelder<br />

gefragt wird. Antworten hierauf können erst gegeben<br />

werden, wenn für die Jahresgebühren, die Gerichtsgebühren<br />

und den Haushaltsplan des Gerichts Zahlen auf dem<br />

Tisch liegen. Allerdings haben die im Vorfeld ausgehandelten<br />

politischen Kompromisse dazu geführt, dass für<br />

viele Staaten erhebliche Anreize bestehen, das Patentreformpaket<br />

insgesamt zu akzeptieren: die drei zum Inkrafttreten<br />

notwendigen Staaten haben mit unterschiedlichen<br />

Anteilen den Sitz oder Abteilungen der Zentralkammer<br />

erhalten und den kleineren Ländern hat man überproportionale<br />

Anteile am Gebührenaufkommen versprochen. 18<br />

Was den territorialen Aspekt der Anwendbarkeit des<br />

Pakets angeht, ist Art. 18 (2) Satz 2 EPV zu beachten,<br />

der die einheitliche Wirkung der Einheitspatente auf die<br />

Staaten beschränkt, in denen das Einheitliche Patentgericht<br />

über die ausschließliche Zuständigkeit für diese Patente<br />

verfügt. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Eintragung<br />

der einheitlichen Wirkung im Register durch das<br />

EPA. Die ausschließliche Zuständigkeit des EPG nach<br />

Art. 32 EPGÜ wird für die ursprünglichen Vertragsstaaten<br />

durch das Inkrafttreten des EPGÜ nach Art. 89 (1)<br />

EPGÜ bewirkt. Für später hinzukommende Vertragsstaaten<br />

tritt das EPGÜ vier Monate nach Hinterlegung der<br />

Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft. Die einheitliche<br />

Wirkung wird in territorialer Hinsicht nicht dadurch<br />

erweitert, dass nach der Eintragung der einheitlichen Wirkung<br />

das EPGÜ für weitere Staaten in Kraft tritt. Vielmehr<br />

verbleibt es für diese Staaten bei der Wirkung als<br />

europäisches Bündelpatent.<br />

Ob neben dem Erfordernis der Ratifikation durch<br />

13 Staaten, das weitere Erfordernis Bedeutung erlangt,<br />

dass die VO 1215/2012 noch geändert werden muss, bleibt<br />

abzuwarten. Es handelt sich um die Verordnung über die<br />

gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und<br />

Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen<br />

(Brüssel I Verordnung),<br />

die erst im Dezember<br />

2012 geändert wurde 19 und<br />

nunmehr noch vor dem Inkrafttreten<br />

der letzten Änderung<br />

an das EPGÜ anzupassen<br />

ist. Auch hier kann<br />

ein Blick zurück eine Vorstellung<br />

über den möglichen<br />

Zeitbedarf geben. Die VO<br />

vom12.12.2012beruhtaufeinem<br />

Kommissionsvorschlag<br />

vom 14.12.2010, 20 ihre Verabschiedung<br />

nahm damit<br />

zwei Jahre in Anspruch. Allerdings<br />

liegt zu der Anpassung<br />

an das EPGÜ soweit<br />

ersichtlich noch kein Kom-<br />

16 Man ist allerdings nicht bis auf die nach Art. 20 (2) S. 1 EUV<br />

notwendige Mindestzahl von 9 Staaten heruntergegangen.<br />

17 BlPMZ 2013, 11.<br />

18 Dazu siehe näher unten.<br />

19 ABl. L 351 vom 20.12.2012.<br />

20 Dok. KOM(2010)748.<br />

155


Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />

missionsvorschlag vor, über den die Experten schon streiten<br />

könnten.<br />

Ein Fragezeichen für das Inkrafttreten bleibt noch: das<br />

sind die Klagen von Spanien und Italien gegen die verstärkte<br />

Zusammenarbeit. 21 In diesen Verfahren hat der<br />

Generalanwalt am 11.12.2012 eine im Sinne der Zulässigkeit<br />

der verstärkten Zusammenarbeit positive Stellungnahme<br />

abgegeben und die Auguren rechnen damit, dass<br />

der EuGH dieser Beurteilung folgen wird. Das muss freilich<br />

nicht das Ende der Auseinandersetzungen vor dem<br />

EuGH bedeuten. In dem Streit um das Verbleiben oder<br />

die Streichung der Verletzungsformen in Art. 6–8 des Entwurfs<br />

zur EPV war geltend gemacht worden, ohne diese<br />

Bestimmungen verletze die EPV Gemeinschaftsrecht, 22 da<br />

der EU die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 118<br />

AEUV fehle. Auch wenn die Kläger in dem Verfahren<br />

um die Zulässigkeit der verstärkten Zusammenarbeit unterliegen,<br />

bleibt es ihnen unbenommen, solche Argumente<br />

zu benutzen, um die EPV als ein angeblich unzulässiges<br />

Ergebnis der verstärkten Zusammenarbeit vor dem<br />

EuGH anzugreifen. 23<br />

Festzuhalten bleibt,<br />

– ein Inkrafttreten des Patentreformpakets zu dem von<br />

der Kommission in Aussicht genommenen Zeitpunkt<br />

ist wenig wahrscheinlich;<br />

– das Patentreformpaket wird schrittweise anwendbar<br />

werden, eine Anwendung auf alle 25 an der verstärkten<br />

Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten wird beträchtliche<br />

Zeit in Anspruch nehmen;<br />

– der Kreis der potentiellen Teilnehmer ist nicht auf die<br />

derzeit 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt.<br />

Spanien und Italien können sich dieser Zusammenarbeit<br />

nach Art. 331 AEUV anschließen.<br />

4. Kostenvorteile des Einheitspatents<br />

4.1 Übersetzungen<br />

Der mit dem Europäischen Patentübereinkommen erreichte<br />

Fortschritt liegt in dem einheitlichen Erteilungsverfahren.<br />

Der Anmelder hat es nur mit einer einzigen Behörde<br />

in einem Verfahren mit einer einzigen Sprache zu<br />

tun, wenn er ein Patent für eine Mehrzahl von Vertragsstaaten<br />

erteilt bekommen will. Diese Einheitlichkeit hat<br />

bisher ein Ende, wenn das Patent erteilt ist. Es zerfällt<br />

dann in ein Bündel nationaler Patente, deren Bestand – soweit<br />

es nicht um die materiellen Voraussetzungen der Patentierbarkeit<br />

geht 24 – sich nach Ablauf der Einspruchsfrist<br />

nach nationalem Recht richtet.<br />

Lässt man zunächst Rechtsstreitigkeiten um die Gültigkeit<br />

des Patents außer Betracht, so entstehen dem Patentinhaber<br />

derzeit Kosten für die Validierung des europäischen<br />

Patents in seinen Bestimmungsstaaten, d.h. insbes.<br />

für notwendige Übersetzungen, und in der Folge für<br />

die Aufrechterhaltung durch die Zahlung von Jahresgebühren.<br />

Was die nach Art. 65 EPÜ in Verbindung mit dem jeweils<br />

anwendbaren nationalen Recht erforderlichen<br />

Übersetzungen angeht, so wurde schon ein großer Fortschritt<br />

mit dem Londoner Übereinkommen über die Anwendung<br />

des Art. 65 EPÜ erzielt. Im Zusammenhang der<br />

vorliegenden Kostenüberlegungen kommt es dabei nur<br />

auf die Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommens<br />

an, die zugleich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligt<br />

sind, das sind 13 von 25 Staaten. Von diesen verlangen<br />

die fünf Vertragsstaaten des Londoner Abkommens, die<br />

eine Amtssprache mit dem EPA gemeinsam haben, nach<br />

Art. 1(1) des Übereinkommens überhaupt keine Übersetzung,<br />

das sind Deutschland, Frankreich, das Vereinigte<br />

Königreich, Irland 25 und Luxemburg. Die übrigen Vertragsstaaten<br />

verlangen nach Art. 1(3) des Londoner Übereinkommens<br />

nur mehr eine Übersetzung der Ansprüche,<br />

in die jeweilige Landessprache sowie zum Teil eine englische<br />

Übersetzung der Beschreibung, 26 im Übrigen nur<br />

eine Übersetzung der Ansprüche in die Landessprache. 27<br />

Die 12 an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden<br />

Staaten, die nicht dem Londoner Übereinkommen angehören,<br />

verlangen eine volle Übersetzung der Patentschrift,<br />

wenn das Patent nicht in einer ihrer Amtssprachen erteilt<br />

wurde. Bei dem Einsparungspotential, das sich aus dem<br />

Wegfall notwendiger Übersetzungen ergibt, sind nicht<br />

nur die reinen Übersetzungskosten, sondern auch weitere<br />

Kosten wie die in der Mehrzahl der Staaten bestehenden<br />

Kosten für eine vorgeschriebene Vertretung durch einen<br />

nationalen Vertreter oder die Gebühren für die Einreichung<br />

beim nationalen Amt zu berücksichtigen.<br />

Das Patentreformpaket hat zum Ziel den außerordentlichen<br />

Aufwand für diese Übersetzungen zu beseitigen,<br />

der in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihrer rechtlichen<br />

Bedeutung und ihrer tatsächlichen Nutzung steht. 28 Allerdings<br />

gibt es hierzu einen Wermutstropfen für die Anmelder,<br />

29 der für die Kostenbewertung in absehbarer Zukunft<br />

nicht unwesentlich ist: Für eine Übergangszeit von mindestens<br />

6 und höchstens 12 Jahren ist nach Art. 6 EPVÜ in<br />

jedem Fall eine komplette Übersetzung des erteilten Patents<br />

einzureichen. Ist die Verfahrenssprache Deutsch<br />

oder Französisch, so ist die Übersetzung in Englisch einzureichen,<br />

ist die Verfahrenssprache Englisch, so kann die<br />

Übersetzung in jeder anderen Amtssprache der EU eingereicht<br />

werden.<br />

21 Verbundene Rechtssachen C-274/11 und C-295/11.<br />

22 So der Berichterstatter im Rechtsausschuss unter Berufung<br />

auf den Juristischen Dienst des Parlaments, Pressemitteilung<br />

des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments (JURI)<br />

vom 10.7.2012.<br />

23 Am 22.3.2013 hat Spanien beim EuGH Klagen gegen beide<br />

Verordnungen eingereicht, die unter den Aktenzeichen<br />

C-146/13 und C-147/13 anhängig sind.<br />

24 Siehe den numerus clausus der Widerrufsgründe in<br />

Art. 138(1) a)–d) EPÜ.<br />

25 Irland hat mitgeteilt, dass die Regelungen des Londoner<br />

Übereinkommens mit Wirkung vom 3.9.2012 für Irland<br />

wirksam geworden sind. Ebenso die Information in der elektronischen<br />

Fassung der Broschüre „Nationales Recht zum<br />

EPÜ“ in Tabelle IV. Anders allerdings noch die Information<br />

auf der Homepage des Irischen Patentamts unter dem Kapitel<br />

„European Patents“ (Abfrage am 28. März). In der aktuellen<br />

Liste der Vertragsstaaten des Londoner Abkommens auf der<br />

Homepage des EPA ist Irland nicht verzeichnet.<br />

26 Dänemark, Finnland, Niederlande, Schweden und Ungarn.<br />

27 Lettland, Litauen und Slowenien.<br />

28 Stohr, Aspekte der Schnittstellen zwischen dem EPÜ und<br />

dem nationalen Patentrecht der Vertragsstaaten, Mitt. 1993,<br />

156, 158 f.<br />

29 Nicht für die deutschen Vertreter, die für die Übergangszeit<br />

mit Aufträgen für Übersetzungen ins Deutsche rechnen können,<br />

die mit dem Inkrafttreten des Londoner Protokolls für<br />

Deutschland weggefallen waren.<br />

156


Mitt. Heft 4/2013<br />

Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />

Im Einzelfall hängen die Einsparungsmöglichkeiten<br />

von zwei Faktoren ab: dem territorialen Schutzbedarf des<br />

Patentinhabers und dem Ratifizierungsstand des EPGÜ. 30<br />

Naturgemäß ergibt sich hieraus eine große Spannbreite der<br />

möglichen Kosten/Nutzenanalyse. Nach Angaben der<br />

Kommission werden 50 % der erteilten Patente nur in<br />

drei Ländern validiert. 31 Dies werden ganz überwiegend<br />

die Länder mit dem höchsten Bestand erteilter Patente,<br />

also Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich<br />

sein. Für diese Staaten ist nach dem Londoner Übereinkommen<br />

keine Übersetzung erforderlich, während für<br />

das Einheitspatent in der Übergangszeit eine Übersetzung<br />

einzureichen ist.Fürdie Hälfte dererteilten Patente bedeutet<br />

also das Einheitspatent unter dem Gesichtspunkt der<br />

Übersetzungskosten eine Verschlechterung gegenüber<br />

dem Bündelpatent. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken,<br />

dass bei einem Patent mit der Verfahrenssprache<br />

Englisch nach Art. 65(1) EPÜ keine Übersetzung für Malta<br />

erforderlich ist, bei einem Patent mit derVerfahrenssprache<br />

Französisch gilt dasselbe für Belgien und bei einem Patent<br />

mit der VerfahrensspracheDeutsch für Österreich und<br />

Belgien.<br />

Das andere Extrem sind von der Kommission geschätzte<br />

1000 Patente, die in allen 27 EU Staaten validiert werden.<br />

Die Kommission setzt die hierfür anfallenden Validierungskosten<br />

mit über 32.000 c an. 32 Es liegt auf der<br />

Hand, dass ein Anmelder, der umfassenden territorialen<br />

Schutz benötigt, mit dem Einheitspatent bei den Übersetzungen<br />

hohe Kostenvorteile erzielen wird, auch wenn das<br />

Patentreformpaket erst in 13 Mitgliedstaaten anwendbar<br />

ist. Während also für gut die Hälfte der erteilten Patente<br />

die Abwägung ziemlich eindeutig ausfällt, sind für den<br />

überwiegenden Rest die Umstände des Einzelfalls zu prüfen,<br />

d.h. das individuelle Schutzinteresse, die gegenwärtigen<br />

Übersetzungserfordernisse unter Berücksichtigung<br />

des Londoner Übereinkommens und der Ratifizierungsstand<br />

des EGPÜ.<br />

4.2 Jahresgebühren<br />

Bei den Jahresgebühren ist die mit dem Einheitspatent<br />

erzielte Verfahrensvereinfachung augenfällig. Alle Vertragsstaaten<br />

des EPÜ verlangen Jahresgebühren. Bei der<br />

Zahlung sind eine Vielzahl von von Land zu Land verschiedener<br />

Erfordernisse zu beachten, die sich ändern<br />

können oder auch regelmäßig ändern, wie Zahlungsformen,<br />

Konten oder Gebührensätze. Zum Teil gelten auch<br />

hier Vertretungserfordernisse. Damit kann gerade die<br />

Zahlung geringer Gebührensätze mit einem unverhältnismäßig<br />

hohen Maß an administrativem Aufwand verbunden<br />

sein. Demgegenüber ist für das Einheitspatent eine<br />

einheitliche Jahresgebühr an das EPA zu zahlen. Die Modalitäten<br />

hierfür sind jedem zugelassenen Vertreter vertraut.<br />

Die Benutzung eines laufenden Kontos bietet ein<br />

hohes Maß an Flexibilität und Rechtssicherheit.<br />

Was die Sätze der für jedes Jahr nach Patenterteilung<br />

gemäß Art. 11 EPV an das EPA zu zahlenden Jahresgebühren<br />

angeht, sind die Aussichten weniger positiv. Bedenkt<br />

man, dass bei den nationalen Ämtern administrativer<br />

Aufwand für die Verwaltung der erteilten europäischen<br />

Patente wegfällt, sollte man erwarten können, dass<br />

sich auch die Rechtfertigung für die Vereinnahmung von<br />

Gebühren zumindest verringert. Jahresgebühren dienen<br />

zum einen dem Zweck, den Aufwand für das Erteilungsverfahren<br />

mit zu tragen. Dadurch können die für die Anmeldung<br />

zu zahlenden Verfahrensgebühren niedrig gehalten<br />

und die Kostenbarriere für die Einreichung von Anmeldungen<br />

gesenkt werden. 33 Jahresgebühren für erteilte<br />

Patente dienen darüber hinaus dem Zweck, die Kosten der<br />

Verwaltung des erteilten Patents zu decken. Der Gesetzgeber<br />

des EPÜ hat in Art. 39(1) vorgesehen, dass die Jahresgebühren<br />

für erteilte Patente zwischen den Vertragsstaaten<br />

und der Europäischen Patentorganisation aufgeteilt<br />

werden, wobei der Anteil der EPO 75 % nicht übersteigen<br />

darf. Damit war den Staaten ein Anteil zugebilligt,<br />

der auf lange Sicht als großzügig bemessen angesehen werden<br />

konnte, um den nationalen administrativen Aufwand<br />

zu decken. 34 Die Staaten haben sich freilich mit diesem<br />

Anteil nicht zufrieden gegeben. Der Anteil der EPO, der<br />

vom Verwaltungsrat bis 1984 auf 60 % festgesetzt war, ist<br />

seit 1985 auf 50 % gesenkt, 35 was das EPA – zu Lasten der<br />

Anmelder – in eine größere Abhängigkeit von den Verfahrensgebühren<br />

gebracht hat. 36 Dieser Satz wird in Art. 13<br />

EPV für das Einheitspatent beibehalten.<br />

Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf das zukünftige<br />

Jahresgebührenaufkommen aus Einheitspatenten bleiben.<br />

Will man die Belastung des Anmelders mit Jahresgebühren<br />

abschätzen, muss man das zukünftige Aufkommen<br />

mit dem bisherigen Aufkommen vergleichen.<br />

Für das zukünftige Aufkommen ist maßgebend, was<br />

mit diesem Aufkommen abgedeckt werden soll. Das sind<br />

nach Art. 9, 12 und 13 EPV folgende Posten:<br />

– Sämtliche Kosten des EPA für die Erteilung und Verwaltung<br />

des einheitlichen Patentschutzes; 37<br />

– Sicherstellung eines ausgeglichenen Haushalts der<br />

EPO zusammen mit den Verfahrensgebühren für das<br />

Erteilungsverfahren;<br />

– Ausgleichsleistung für Mitgliedstaaten mit einer anderen<br />

Amtssprache als das EPA;<br />

– Ausgleichsleistungen an Mitgliedstaaten mit geringer<br />

Patentaktivität;<br />

– Ausgleichsleistungen an neue Vertragsstaaten der<br />

EPO;<br />

– Ein Kompensationssystem zur Erstattung von Übersetzungskosten<br />

für die Einreichung in einer von den<br />

Amtssprachen des EPA abweichenden EU-Sprache<br />

zugunsten von KMUs und weiteren privilegierten Anmeldern.<br />

Mit dem zukünftigen Jahresgebührenaufkommen<br />

muss also ein ganz erheblicher zusätzlicher Aufwand abgedeckt<br />

werden. Um dies aufkommensneutral zu bewerk-<br />

30 Der aktuelle Stand der Unterzeichnungen und Ratifizierungen<br />

kann auf der Website der Kommission verfolgt werden.<br />

URL: Europäische Kommission > Der EU-Binnenmarkt ><br />

Gewerbliches Eigentum > Patente > Europäisches Patent-<br />

Ratifikationsprozess.<br />

31 Dok. SEC(2011) 482 final vom 13.4.2011, Impact Assessment,<br />

p. 17.<br />

32 A.a.O., p. 16.<br />

33 Gall, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, 7. Lfg.<br />

1985, Art. 86, Rdn. 1.<br />

34 Dornow, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ,<br />

10. Lfg. 1986, Art. 39, Rdn. 6.<br />

35 ABl. EPA 1984, 296.<br />

36 Edfjäll, Die Finanzierung des EPA, Mitt. 1993, 162.<br />

37 Vgl. im Einzelnen die dem EPA nach Art. 9(1) EPV übertragenen<br />

Aufgaben.<br />

157


Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />

stelligen, müssten bisherige Nutznießer des Aufkommens<br />

auf Einnahmen verzichten. Davon war bisher aber nicht<br />

die Rede und darauf zu hoffen wäre wohl etwas blauäugig.<br />

Damit wird aber der Bemessungsgrundsatz in Art. 12(3)<br />

a) EPV, dass die Jahresgebühren für das Einheitspatent der<br />

Höhe der Jahresgebühren entsprechen sollen, die für die<br />

durchschnittliche geografische Abdeckung der üblichen<br />

europäischen Patente zu entrichten sind, zur Quadratur<br />

des Kreises. Eine Querfinanzierung durch den Haushalt<br />

der EPO für Bündelpatente schließen Art. 9 und 12(1) b)<br />

EPV aus. Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 9(2) Satz 2,<br />

Halbsatz 2 EPV verpflichtet, für die Einhaltung dieser Bestimmung<br />

zu sorgen.<br />

Es muss also wohl damit gerechnet werden, dass man<br />

sich bei der Bemessung der Jahresgebühren daran orientieren<br />

wird, dass der Patentinhaber ja einen umfassenden<br />

territorialen Schutz bekommt, für den er dann auch mehr<br />

zahlen soll. Hierfür lässt sich auch aus Art. 12(2) b) EPV<br />

etwas herleiten. Ob diese Rechnung aufgeht, hängt weitgehend<br />

davon ab, als wie stark sich das Interesse der Anmelder<br />

an einem territorial breiteren Schutz erweist.<br />

5. Chancen und Risiken<br />

5.1 Das Verhältnis zum EPÜ<br />

Zunächst eine Nachricht, die manche beruhigen wird:<br />

Das Erteilungsverfahren bleibt vom Einheitspatent völlig<br />

unberührt. Das Einheitspatent tritt fakultativ neben das<br />

europäische Bündelpatent. Bis zur Veröffentlichung des<br />

Hinweises auf die Patenterteilung bleibt alles beim Alten.<br />

Erst dann muss der Patentinhaber eine Wahl treffen. Er<br />

kann das Einheitspatent wählen, dann muss er innerhalb<br />

eines Monats einen Antrag auf einheitliche Wirkung beim<br />

EPA stellen. 38 Das EPA prüft den Antrag, insbes. während<br />

der Übergangszeit darauf, ob die vorgeschriebene Übersetzung<br />

eingereicht ist. Vermutlich wird auch die Zahlung<br />

einer Gebühr vorgeschrieben. Mit der Eintragung der einheitlichen<br />

Wirkung in das hierfür vorgesehene Register<br />

tritt nach Art. 4 EPV rückwirkend zum Tag der Veröffentlichung<br />

des Hinweises auf die Patenterteilung die einheitliche<br />

Wirkung nach Art. 3, 5 und 6 EPV ein, und zwar<br />

nach Art. 18(2) Satz 2 EPV für die teilnehmenden Mitgliedstaaten,<br />

in denen das EPGÜ zum Zeitpunkt des Antrags<br />

auf einheitliche Wirkung in Kraft getreten war. Folglich<br />

bleibt es beim europäischen Bündelpatent<br />

– für die teilnehmenden Mitgliedstaaten, in denen das<br />

EPGÜ noch nicht in Kraft getreten war;<br />

– für die EU Staaten, die nicht an der verstärkten Zusammenarbeit<br />

teilnehmen (derzeit Italien und Spanien 39 );<br />

und<br />

– für die EPÜ Vertragsstaaten, die nicht EU Mitgliedstaaten<br />

sind. 40<br />

Stellt der Patentinhaber keinen Antrag auf einheitliche<br />

Wirkung, so bleibt es für alle noch benannten Vertragsstaaten<br />

des EPÜ beim europäischen Bündelpatent.<br />

5.2 Das Einheitliche Patentgericht<br />

5.2.1 Zuständigkeit<br />

Mit dem Patentreformpaket wird eine neue Gerichtsbarkeit<br />

geschaffen, das Einheitliche Patentgericht (EPG).<br />

Nach Art. 32 EGPÜ hat es ausschließliche Zuständigkeit<br />

für Patentstreitigkeiten, im Wesentlichen soweit es Fragen<br />

der Verletzung und Rechtsbeständigkeit angeht. Es besteht<br />

nach Art. 6(1) EGPÜ aus zwei Instanzen.<br />

Nach Art. 7(1) umfasst die erste Instanz örtliche und<br />

regionale Kammern sowie eine Zentralkammer. Die Zentralkammer<br />

hat ihren Sitz in Paris und Abteilungen in<br />

London 41 und München 42 . Örtliche Kammern werden<br />

für einen Mitgliedstaat auf dessen Antrag errichtet, regionale<br />

Kammern für zwei oder mehr Mitgliedstaaten.<br />

Deutschland hat durchgesetzt, dass bis zu vier örtliche<br />

Kammern errichten werden können. Dies erlaubt die Errichtung<br />

solcher Kammern in Düsseldorf, Mannheim,<br />

München und Hamburg.<br />

Die zweite Instanz ist das Berufungsgericht nach Art. 9<br />

EPGÜ, das seinen Sitz in Luxemburg hat.<br />

Die örtliche Zuständigkeit der örtlichen und regionalen<br />

Kammern bestimmt sich gemäß Art. 33(1) EGPÜ nach<br />

dem Verletzungsort und dem Sitz des Beklagten. Hat der<br />

Beklagte keinen Sitz innerhalb der Mitgliedstaaten, so ist<br />

auch die Zuständigkeit der Zentralkammer gegeben. Weiter<br />

ist die Zentralkammer zuständig, wenn für den betreffenden<br />

Staat keine örtliche oder regionale Kammer besteht.<br />

Für Klagen auf Feststellung der Nicht-Verletzung<br />

und isolierte Nichtigkeitsklagen ist die Zentralkammer<br />

zuständig. Eine Nichtigkeitswiderklage kann vor der örtlichen<br />

oder regionalen Kammer erhoben werden. Diese<br />

Kammer kann nach Anhörung der Parteien gemäß<br />

Art. 33(3) EGPÜ<br />

– die Nichtigkeitsklage selbst behandeln,<br />

– sie mit oder ohne Aussetzung des Verletzungsstreits an<br />

die Zentralkammer verweisen, oder<br />

– mit Zustimmung beider Parteien den gesamten Rechtsstreit<br />

an die Zentralkammer verweisen.<br />

Ist eine Nichtigkeitsklage vor der Zentralkammer anhängig,<br />

so bleibt die Zuständigkeit der örtlichen und regionalen<br />

Kammern für eine nachfolgende Verletzungsklage<br />

bestehen. Daneben besteht auch eine Zuständigkeit<br />

der Zentralkammer. Nach Klage auf Feststellung der<br />

Nicht-Verletzung bei der Zentralkammer kann innerhalb<br />

von drei Monaten Verletzungsklage vor einer örtlichen<br />

oder regionalen Kammer erhoben werden, mit der Folge,<br />

dass das Verfahren vor der Zentralkammer auszusetzen<br />

ist. Ist ein Beschränkungs- oder Einspruchsverfahren vor<br />

dem EPA anhängig, kann das EPG das Verfahren aussetzen.<br />

Das bedeutet, dass – anders als nach § 81(2) PatG –<br />

das Einspruchsverfahren nicht die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage<br />

sperrt. 43<br />

Die Zuständigkeit des EPG besteht nicht nur für Streitigkeiten<br />

über Einheitspatente, sondern auch für Klagen<br />

betreffend europäische Bündelpatente. Das folgt aus<br />

Art. 32 EPGÜ, der allgemein von Klagen spricht, die „Pa-<br />

38 Vgl. die verklausulierte Formulierung in Art. 9(1) g) EPV.<br />

39 IT und ES standen zu Zeiten, als noch individuelle Benennungsgebühren<br />

gezahlt wurden, bei den Benennungen an<br />

4. und 5. Stelle nach DE, FR und UK.<br />

40 Insbes. CH zu Zeiten, als noch individuelle Benennungsgebühren<br />

gezahlt wurden, an 8. Stelle bei den Benennungen.<br />

41 Zuständig für die Sektionen A (Täglicher Lebensbedarf) und<br />

C (Chemie; Hüttenwesen) der IPC.<br />

42 Zuständig für die Sektion F (Maschinenbau; Beleuchtung;<br />

Heizung; Waffen ; Sprengen) der IPC.<br />

43 Siehe auch Art. 33(8) EGPÜ.<br />

158


Mitt. Heft 4/2013<br />

Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />

tente“ betreffen. Nach den Begriffsbestimmungen in<br />

Art. 2 EPGÜ ist ein „Patent“ ein nach dem EPÜ erteiltes<br />

Patent ohne einheitliche Wirkung (d.h. ein Bündelpatent)<br />

und/oder ein Patent mit einheitlicher Wirkung. Die Einbeziehung<br />

der Bündelpatente mag wohl mit auf der Erwägung<br />

beruhen, dass ein ausschließlich für Einheitspatente<br />

zuständiges Gericht auf lange Sicht nur einen sehr geringen<br />

Geschäftsanfall zu erwarten gehabt hätte.<br />

Möglichen Akzeptanzproblemen hat man durch eine<br />

Übergangsregel Rechnung getragen, die nur für Bündelpatente,<br />

nicht für Einheitspatente gilt. Nach Art. 83(3)<br />

EPGÜ kann der Anmelder oder Patentinhaber bis zu einem<br />

Monat vor Ablauf der Übergangszeit durch Erklärung<br />

gegenüber dem EPG die ausschließliche Zuständigkeit<br />

des EPG ausschließen (opt-out) 44 . Die Erklärung<br />

kann wieder zurückgenommen werden (opt-in). Beide<br />

Erklärungen sind an die Voraussetzung geknüpft, dass<br />

noch keine Klage bei dem bis dahin zuständigen Gericht<br />

eingereicht wurde. Die Übergangszeit beträgt sieben Jahre<br />

und kann bis auf 14 Jahre verlängert werden. Die Möglichkeit<br />

des opt-out soll die Zuständigkeit des EPG für die<br />

Laufzeit des Patents auch nach Ende der Übergangszeit<br />

ausschließen. 45 Dies kommt aber in der Vorschrift nur unzureichend<br />

zum Ausdruck. Die parallele Zuständigkeit<br />

der nationalen Gerichte besteht nach Art. 83(1) und (2)<br />

EGPÜ nur für Klagen, die bis zum Ende der Übergangszeit<br />

eingereicht werden und Art. 83(3) EGPÜ weist den<br />

nationalen Gerichten keine weitere Zuständigkeit nach<br />

diesem Zeitraum zu.<br />

5.2.2 Qualifikation und Auswahl der Richter<br />

In Patentstreitigkeiten spielt die Wahl des Gerichts für<br />

die zu erhebende Klage (forum shopping) national und<br />

international eine große Rolle. Gerichte werden als patentfreundlich,<br />

patentfeindlich, schnell oder langsam, formalistisch<br />

oder sachbezogen usw. etikettiert. Es ist nicht<br />

verwunderlich, dass solche Überlegungen auch bei den<br />

Erwartungen an das EPG eine Rolle spielen. Dies besonders<br />

deshalb, weil Entscheidungen über die Gültigkeit des<br />

Einheitspatents diese für sein ganzes Territorium betreffen.<br />

Hier kehrt das Argument wieder, das schon bei der<br />

Ratifizierung des EPÜ in vielen Ländern eine Rolle gespielt<br />

hat: „all eggs in one basket“. Der Patentinhaber sieht<br />

sich auch nach Ablauf der Einspruchsfrist oder Abschluss<br />

des Einspruchsverfahrens vor dem EPA noch einem Zentralangriff<br />

ausgesetzt. Wird sein Patent vernichtet, so hat<br />

er keine weitere Chance mehr in einem zweiten Land.<br />

Objektiv gesehen ist jedenfalls die Erwartung an eine<br />

sachkundige Entscheidung, die in einem fairen und zügigen<br />

Verfahren ergeht, gerechtfertigt. Nun lässt sich eine<br />

neue qualifizierte Gerichtsbarkeit nicht ohne weiteres<br />

aus dem Boden stampfen, gerade wenn sie Patente zum<br />

Gegenstand hat. Die Aufgabe eines Patentrichters erfordert<br />

spezielle Begabung und Neigung. Üblicherweise<br />

kann sich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Spreu<br />

vom Weizen trennen und in den Fachgerichten bleiben<br />

diejenigen, die zu ihrer Aufgabe auch die rechte Berufung<br />

haben.<br />

Daher interessiert den Patentinhaber natürlich, wer im<br />

zukünftigen EPG tätig sein wird. Was die Spruchbesetzung<br />

angeht, so ist für alle Spruchkörper eine Besetzung<br />

mit Mitgliedern verschiedener Staatsangehörigkeit vorgeschrieben.<br />

Den Vorsitz führt in allen Spruchkörpern stets<br />

ein rechtlich qualifiziertes Mitglied (Art. 8 (8) EPGÜ).<br />

Die Spruchkörper der örtlichen Kammern bestehen<br />

nach Art. 8(2), (3) EPGÜ regelmäßig aus drei rechtlich<br />

qualifizierten Richtern. Von diesen kommen zwei aus<br />

dem Gebiet des Staats, für den die Kammer gebildet ist,<br />

sofern in dem betreffenden Staat mehr als 50 Patentsachen<br />

pro Jahr anfallen, ansonsten ist es nur ein Richter aus diesem<br />

Staat. Der oder die weiteren Richter werden der Kammer,<br />

ggf. langfristig, zugewiesen. Für die Regionalkammern<br />

gilt Entsprechendes mit der Maßgabe, dass immer<br />

zwei Richter aus der Region stammen.<br />

Den örtlichen und Regionalkammern wird auf Antrag<br />

einer der Parteien ein technisch qualifizierter Richter mit<br />

Fachkenntnis auf dem betreffenden Gebiet als weiterer<br />

Richter zugewiesen. 46 Die Kammern können auch von<br />

Amts wegen um die Zuweisung eines technisch qualifizierten<br />

Richters ersuchen. Die Zentralkammer entscheidet<br />

mit zwei rechtlich qualifizierten Richtern verschiedener<br />

Nationalität und einem technisch qualifizierten Richter.<br />

Das Berufungsgericht entscheidet nach Art. 9 EPGÜ in<br />

der Besetzung mit drei rechtlich qualifizierten und zwei<br />

technisch qualifizierten Richtern.<br />

Bei den Auswahlkriterien für die zu ernennenden Richter<br />

stellt Art. 15(1) Satz 2 EPGÜ hohe Anforderungen:<br />

Die Kandidaten müssen die Gewähr für höchste fachliche<br />

Qualifikation und über nachgewiesene Erfahrungen auf<br />

dem Gebiet der Patentstreitigkeiten verfügen. Der dem<br />

Abkommen als Anhang beigefügte Entwurf der Satzung<br />

des Gerichts relativiert diesen Anspruch allerdings deutlich:<br />

Nach Art. 2(3) kann die notwendige Erfahrung auch<br />

durch Schulungsmaßnahmen nach Art. 19 EPGÜ erworben<br />

werden. 47 Ein Zweites kommt hinzu: Bekanntermaßen<br />

stellt im Bereich der EU das Prinzip der geografischen<br />

Verteilung im Personalwesen ein überragendes Auswahlkriterium<br />

dar. Dies gilt auch für die Richter des EPG:<br />

Nach Art. 3(3) des Satzungsentwurfs sind die Richter unter<br />

den Vertragsmitgliedstaaten auf möglichst breiter geografischer<br />

Grundlage auszuwählen. Es liegt auf der Hand,<br />

dass dies auf Kosten der praktischen Erfahrung gehen<br />

muss, da sich Gerichte mit einem ins Gewicht fallenden<br />

Geschäftsanfall an Patentsachen nur in einer Minderheit<br />

der betreffenden Staaten finden.<br />

Vor diesem Hintergrund kann man erwarten, dass die<br />

zukünftigen Parteien vor dem EPG am ehesten Richtern<br />

aus dem eigenen Rechtskreis vertrauen werden, vor allem<br />

in den Ländern, die eine etablierte und bewährte Patentgerichtsbarkeit<br />

haben, wie dies in Deutschland der Fall ist.<br />

Es ist anzunehmen, dass nationale Richter aus diesem<br />

Fundus auch in den betreffenden örtlichen Kammern tätig<br />

sein werden, da dort zwei Richter aus dem eigenen Land<br />

erforderlich sind. Das Prinzip der geografischen Verteilung<br />

wird daher in diesen örtlichen Kammern von eingeschränkter<br />

Bedeutung sein. Eine umso größere Bedeutung<br />

44 Damit bleibt unklar, ob dem EPG eine konkurrierende Zuständigkeit<br />

verbleibt.<br />

45 So zur Vorgängerregelung in Art. 58(4) des Entwurfs im<br />

Ratsdok. 7928/09 vom 23.3.2009 Luginbühl in FS für Stauder,<br />

Baden-Baden 2011.<br />

46 Dann ist wie beim BPatG bei Stimmengleichheit die Stimme<br />

des Vorsitzenden auschlaggebend, Art. 78(1) EPGÜ.<br />

47 Dies lässt auch Raum für eine Schulung nach der Ernennung,<br />

vgl. Art. 11(4) a) des Satzungsentwurfs.<br />

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Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt Mitt. Heft 4/2013<br />

wird es dann möglicherweise in der Zentralkammer gewinnen.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Regelung<br />

in Art. 33(2) Satz 2 EPGÜ die Attraktivität der Regionalkammern<br />

beeinträchtigen, da eine Regionalkammer<br />

die Verletzungsklage auf Antrag des Beklagten an die Zentralkammer<br />

zu verweisen hat, wenn die Verletzungsklage<br />

im Gebiet von mindestens drei Regionalkammern erfolgt.<br />

Noch unklar ist, wer die technisch qualifizierten Richter<br />

sein werden, die neben ihren rechtlich qualifizierten<br />

Kollegen erster Instanz dem Richterpool nach Art. 18<br />

EPGÜ angehören. Aus diesem Pool werden sie vom Präsidenten<br />

des Gerichts erster Instanz den Kammern zugewiesen.<br />

Für sie gilt noch mehr als für ihre rechtlich qualifizierten<br />

Kollegen, dass geeignete Kandidaten nur in einer<br />

Minderzahl der Staaten vorhanden sind. Hierzu gehören<br />

sicher die Richter des Bundespatentgerichts. Für eine breite<br />

Abdeckung in sprachlicher und technischer Hinsicht<br />

würden sich die Mitglieder der Beschwerdekammern des<br />

EPA besonders anbieten. Hiergegen hat jedoch schon früher<br />

die EU Kommission Vorbehalte angemeldet. 48 Nicht<br />

nur in dieser Hinsicht wäre es weise gewesen, wenn man<br />

den Beschwerdekammern beizeiten den Status eines vom<br />

EPA unabhängigen Gerichts gegeben hätte. 49<br />

5.2.3 Rolle des EuGH<br />

Weiter ist unklar, welche Rolle der EuGH in Zukunft in<br />

der Patentgerichtsbarkeit spielen wird. Gemäß Art. 21<br />

EPGÜ ist das EPG nach Art. 267 AEUV in Fragen des<br />

Unionsrechts vorlagepflichtig. Zu diesem Unionsrecht<br />

gehören die beiden Verordnungen. Das Bestreben, Fragen<br />

der Patentverletzung vom EuGH fernzuhalten, war Ursache<br />

des Streits zwischen Rat und Parlament um die<br />

Streichung der patentrechtlichen Benutzungsformen in<br />

Art. 6–8 des Entwurfs der EPV.<br />

Der Kompromiss der zyprischen Präsidentschaft findet<br />

sich nun in Art. 5(3) EPV, wo hinsichtlich der Handlungen,<br />

gegen die das durch das Einheitspatent verliehene<br />

Verbietungsrecht schützt, auf die in dem teilnehmenden<br />

Mitgliedstaat geltenden Vorschriften verwiesen ist. Das<br />

insoweit anwendbare „nationale“ Recht findet sich wiederum<br />

in Art. 25 ff. EPGÜ, wo die Benutzungsformen<br />

und deren Beschränkungen geregelt sind. Dieser Kompromiss<br />

ist zwar insoweit folgerichtig, als auch vorher<br />

nicht einsichtig war, warum die Benutzungsformen im<br />

Übereinkommen und in der EPV enthalten sein sollten.<br />

Ob aber das gewünschte Ziel erreicht wird, das Recht<br />

der Patentverletzung aus dem Unionsrecht herauszulösen,<br />

erscheint angesichts des Art. 5(3) EPV und seiner Verweisung<br />

auf gemeinsames Vertragsrecht keineswegs als sicher.<br />

Möglicherweise handelt es sich nur um einen Formelkompromiss,<br />

mit dem beide Seiten ihr Gesicht gewahrt<br />

haben. Zu erinnern ist daran, dass es im Bereich<br />

der materiellen Patentierbarkeit schon Unionsrecht gibt,<br />

nämlich die RL 98/44 EG über den Schutz biotechnologischer<br />

Erfindungen, die in Regel 26 ff. EPÜ umgesetzt<br />

wurde.<br />

5.2.4 Vertretung<br />

Nach Art. 48(1) EPGÜ sind vor dem EPG Anwälte vertretungsberechtigt,<br />

die bei einem Gericht in einem Mitgliedstaat<br />

zugelassen sind. Daneben sind nach Art. 48(2)<br />

EPGÜ auch zugelassene Vertreter nach Art. 134(1) EPÜ<br />

vertretungsberechtigt, die einen Befähigungsnachweis besitzen,<br />

über dessen Voraussetzungen der Verwaltungsausschuss<br />

nach dem EPGÜ entscheidet. Unabhängig hiervon<br />

könnenPatentanwälte nach Art. 48(3) EPGÜ neben einem<br />

vertretungsberechtigten Anwalt nach Maßgabe der Verfahrensordnung<br />

vortragen.<br />

5.2.5 Kosten<br />

Die Mehrzahl der Patentverletzungsstreitigkeiten in<br />

Europa wird in Deutschland geführt. 50 Dies beruht nicht<br />

zuletzt darauf, dass die Verfahren effektiv und kostengünstig<br />

geführt werden können. Ob dies auch mit dem<br />

Verfahren vor dem EPG gelingt, ist eine zentrale Frage,<br />

die für die meisten der zukünftigen Parteien von essentieller<br />

Bedeutung ist. Auch zu den Kosten der Verfahren vor<br />

dem EPG gibt es noch wenig Konkretes zu berichten.<br />

Auf einige Grundsätze zur Bemessung der nach Art. 70<br />

EPGÜ zu erhebenden Gerichtsgebühren kann jedoch<br />

schon hingewiesen werden. Der Haushalt soll nach<br />

Art. 36(1) EPGÜ durch die eigenen Einnahmen des Gerichts<br />

und erforderlichenfalls – zumindest in der Übergangszeit<br />

nach Art. 83 – durch Beiträge der teilnehmenden<br />

Mitgliedstaaten finanziert werden. Die Gerichtsgebühren<br />

sollen sich aus einer festen Gebühr und einer<br />

streitwertabhängigen Gebühr zusammensetzen. Es soll<br />

ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einem fairen<br />

Zugang zum Recht und einer angemessenen Beteiligung<br />

der Parteien an den entstandenen Kosten gewährleistet<br />

werden. Für KMUs können gezielte Unterstützungsmaßnahmen<br />

getroffen werden. Für natürliche Personen ist<br />

nach Art. 71 EPGÜ Prozesskostenhilfe vorgesehen.<br />

Nicht zu dem durch die Parteien zu finanzierenden<br />

Haushalt gehören gewisse Sachkosten. Die Staaten, in<br />

denen die verschiedenen Spruchkörper der ersten und<br />

zweiten Instanz errichtet sind, haben die notwendigen<br />

Einrichtungen zur Verfügung stellen. Während der Übergangszeit<br />

haben sie auch Verwaltungspersonal zur Unterstützung<br />

zur Verfügung zu stellen. Dagegen sind Schulungskosten<br />

nach Art. 38 und 39 EPGÜ aus dem Haushalt<br />

des Gerichts zu finanzieren.<br />

Noch wichtiger als die Gerichtsgebühren sind die Kosten,<br />

die den Parteien für ihren eigenen Aufwand und für<br />

ihre Anwälte entstehen. Hier besteht eine große Spannbreite<br />

und der Aufwand wird im Wesentlichen durch die<br />

Verfahrensführung durch das Gericht bestimmt. Wesentliche<br />

Faktoren sind der Umfang von Beweisaufnahmen<br />

und mündlicher Verhandlung. Mündliche Verhandlungen<br />

von einer Stunde wie häufig in Deutschland und von regelmäßig<br />

mehreren Tagen bis gelegentlich über zwei Wochen<br />

wie in England 51 liegen im Spektrum der Möglichkeiten.<br />

Hier wird man die endgültige Verfahrensord-<br />

48 Vgl. Fröhlinger in: Die Zukunft der Patentgerichtsbarkeit in<br />

Europa, Tagungsband, BPatG (Herausg.), München 2007,<br />

S. 81, 84.<br />

49 Teschemacher, FS 50 Jahre BPatG, München 2011, S. 911,<br />

927 ff.<br />

50 Ann, GRUR 2009, 205.<br />

51 Siehe etwa Generics Ltd v Yeda Research and Development<br />

Co Ltd, [2012] EWHC 1848 (Pat).<br />

160


Mitt. Heft 4/2013<br />

Teschemacher, Das Einheitspatent – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Anwalt<br />

nung 52 analysieren müssen und vor allem wird es auf ihre<br />

Handhabung in der Praxis ankommen, die sich vielleicht<br />

in der Anfangszeit in den verschiedenen Kammern durch<br />

das Fortwirken nationaler Erfahrungen und Traditionen<br />

unterscheiden mag.<br />

Die der obsiegenden Partei entstandenen angemessenen<br />

Kosten hat nach Art. 69(1) EPGÜ regelmäßig die unterlegene<br />

Partei zu tragen.<br />

6. Perspektiven<br />

Mit dem Patentreformpaket ist ein weiterer großer<br />

Schritt in der Europäisierung des Patentrechts gelungen.<br />

Nach Ende der Übergangszeit wird es keine Übersetzungen<br />

der Patentschrift für das Einheitspatent mehr geben,<br />

vielleicht haben sich bis dahin alle EU-Staaten zur Teilnahme<br />

entschlossen und bis dahin wird auch das EPG seine<br />

Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt haben. Aber<br />

noch sind wir nicht so weit. Es ist noch viel zu tun, bevor<br />

die ersten Einheitspatente registriert werden.<br />

Das EPA hat sich schon seit einiger Zeit auf seine neuen<br />

administrativen Aufgaben nach Art. 9 EPV vorbereiten<br />

können. In institutioneller Hinsicht haben die 25 an der<br />

verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten<br />

einen „Engeren Ausschuss“ des Verwaltungsrats<br />

der EPO nach Art. 145 EPÜ einzusetzen, 53 der die notwendigen<br />

rechtlichen und finanziellen Maßnahmen zu beschließen<br />

hat. Insbesondere ist er nach Art. 9(2) EPV für<br />

die Festsetzung der Jahresgebühren und ihre Verteilung<br />

zuständig.<br />

Die verfahrensrechtlichen Regelungen werden sich an<br />

die entsprechenden Vorschriften des EPÜ und seiner Ausführungsordnunganlehnen,<br />

einschließlich solcher Rechtsbehelfe<br />

wie Weiterbehandlung, Wiedereinsetzung und verspäteter<br />

Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag.<br />

Was das EPG angeht, so setzen die Unterzeichnerstaaten<br />

des EPGÜ einen Vorbereitenden Ausschuss ein, der<br />

vorbereitende Maßnahmen für die im Abkommen vorgesehenen<br />

Gremien trifft, 54 das sind der Verwaltungsausschuss,<br />

der Haushaltsausschuss und der Beratende Ausschuss.<br />

Der Vorbereitende Ausschuss soll insbesondere<br />

den Entwurf der Verfahrensordnung zur Diskussion der<br />

beteiligten Kreise stellen, damit dieser vor Ende der 13<br />

notwendigen Ratifikationsverfahren abgeschlossen werden<br />

kann. Ferner soll alsbald mit der Ausbildung der zukünftigen<br />

Richter und der Vorbereitung ihrer Wahl begonnen<br />

werden. Schließlich wird sich der Vorbereitende<br />

Ausschuss auch mit den Gerichtsgebühren befassen.<br />

Diese Maßnahmen und der Fortschritt der Ratifizierungsverfahren<br />

wird den Benutzern des europäischen Patentsystems<br />

ein klareres Bild geben, in welchem Umfang<br />

und zu welchem Zeitpunkt sich die mit dem Einheitspatent<br />

geweckten Erwartungen erfüllen werden. Doch eines<br />

ist selbst am entferntesten Horizont noch nicht absehbar:<br />

Die Senkung der Kosten für den Patentschutz in Europa<br />

um über 80 % gehört ins Reich der blumigen Versprechungen<br />

der Politiker. Die Patentinhaber und gerade die<br />

viel beschworenen KMUs werden für die absehbare Zukunft<br />

die weitere Entwicklung zu beobachten haben und<br />

unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen eine nüchterne<br />

Kosten/Nutzenanalyse für ihre Entscheidung anstellen,<br />

ob es sich lohnt, das Einheitspatent zu wählen.<br />

Eine solche Analyse sollte auch während der Übergangszeit<br />

die Grundlage einer Entscheidung über das optout<br />

für das Bündelpatent sein. Hier sind wohl die maßgebenden<br />

Kriterien einerseits das Vertrauen in Sachkunde<br />

und Effizienz des neuen Gerichts, das maßgebend bestimmt<br />

sein wird von der Verfahrensordnung und ihrer<br />

Handhabung sowie die Qualifikation seiner Mitglieder<br />

und andererseits die Folgerungen, die sich aus der ausschließlichen<br />

Zuständigkeit des Gerichts und der EUweiten<br />

Wirkung seiner Entscheidungen ergibt. Der eine<br />

mag die Möglichkeit des Zentralangriffs auf die Gültigkeit<br />

des Patents als Bedrohung empfinden, der andere mag die<br />

Chance der EU-weiten Durchsetzung des Patents in einem<br />

einzigen Verfahren als eine für seine Wahl ausschlaggebende<br />

neue Chance ansehen. 55 Ob sich Voraussagen bewahrheiten,<br />

die von einer Flucht vor dem Einheitsgericht<br />

in nationale Patente sprechen, wird abzuwarten sein. Für<br />

Deutschland sollte es jedenfalls näher liegen, die Möglichkeit<br />

des Gangs zum nationalen Verletzungsgericht durch<br />

ein Gebrauchsmuster offen zu halten.<br />

52 Die bisherigen Entwürfe sind noch nicht veröffentlicht. Ein<br />

14. Entwurf vom Januar 2013 ist auf einigen Blogs zugänglich.<br />

53 Der Engere Ausschuss hatte am 20.3.2013 seine konstituierende<br />

Sitzung.<br />

54 Erklärung der Unterzeichnerstaaten, Ratsdok. 6572/13 vom<br />

19.2.2013. Die erste Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses<br />

hat am 26.3.2013 stattgefunden.<br />

55 Zumindest für die Übergangszeit kann es freilich statt zu einer<br />

Vereinheitlichung auch zu einer Fragmentierung des<br />

Rechtsschutzes kommen. Zu einem solchen Szenario siehe<br />

Johnson und Westmacott, Intellectual Asset Management,<br />

March/April 2013, 11.<br />

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