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Einheitspatent und Einheitspatentgericht - Bardehle Pagenberg

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<strong>Einheitspatent</strong> <strong>und</strong><strong>Einheitspatent</strong>gerichtwww.bardehle.com


Inhalt7 1. Einleitung7 2. Das Patent-Reform-Paket7 2.1. Die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen9 2.2. Gesetzgeberische Ziele10 2.3. Die einschlägigen Normen10 2.3.1 Die Verordnung über das <strong>Einheitspatent</strong>11 2.3.2 Die Verordnung über die Übersetzungsregeln zum <strong>Einheitspatent</strong>12 2.3.3 Das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ)12 2.4. Inkrafttreten <strong>und</strong> Anwendbarkeit der Normen13 3. Das <strong>Einheitspatent</strong>gericht (EPG)13 3.1. Organisation13 3.2. Zuständigkeit14 3.3. Die Richter des EPG14 3.3.1 Besetzung der Spruchkörper16 3.3.2 Qualifikation <strong>und</strong> Auswahl16 3.4. Verfahrensregeln16 3.4.1 Verfahrenssprache17 3.4.2 Verfahrensordnung17 3.5. Gang des Verfahrens17 3.5.1 Erstinstanzliches Verfahren <strong>und</strong> Timing18 3.5.2 Getrennte Behandlung von Verletzung <strong>und</strong> Gültigkeit des Patents18 3.5.3 Beweisrecht19 3.5.4 Berufung in Gr<strong>und</strong>zügen19 3.6 Gerichtskosten19 3.7 Die zukünftige Rolle des EuGH3


Inhalt20 4. Auf dem Weg zur Implementierung des <strong>Einheitspatent</strong>s21 5. Alternativen für den Anmelder22 5.1 Kostenvorteile des <strong>Einheitspatent</strong>s22 5.1.1 Jahresgebühren24 5.1.2 Validierung25 5.1.3 Der relevante Vergleich26 5.2. Nationale Gerichtsbarkeit oder <strong>Einheitspatent</strong>gericht28 5.3. Das Bündelpatent – opt-out <strong>und</strong> opt-in28 6. Abschließende Wertung4


1. EinleitungDas <strong>Einheitspatent</strong> ist zwar eineSchöpfung der Europäischen Union,unterscheidet sich aber gr<strong>und</strong>legendvon den anderen gewerblichen Schutzrechtender EU, der Gemeinschaftsmarke,dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster<strong>und</strong> dem gemeinschaftlichenSortenschutz dadurch, dass es nicht voneiner EU-Behörde erteilt wird, sondernvom Europäischen Patentamt (EPA).Versuche, ein Gemeinschaftspatent zu schaffen,also ein in Entstehung <strong>und</strong> Bestand eigenständigesPatent der Europäischen Gemeinschaften,später der Europäischen Union, sind seit Endeder 50er Jahre erfolglos geblieben. Hauptstreitpunktewaren über die Jahrzehnte hinweg vorallem ein gemeinsames Gerichtssystem <strong>und</strong>die in Europa stets heikle Sprachenfrage, hiervor allem die Frage, in welche Sprachen einGemeinschaftspatent übersetzt werden muss.Zwei Entwicklungen führten schließlich dazu,dass die Hindernisse auf dem Weg zu einemgemeinschaftsweit einheitlichen Patent überw<strong>und</strong>enwerden konnten:Zum einen die durch den Vertrag von Amsterdamgeschaffene Möglichkeit der „VerstärktenZusammenarbeit“ unter einer Gruppe von EU-Staaten, wenn nicht alle EU-Staaten an dieserZusammenarbeit mitwirken wollen. Dadurchist das Erfordernis der Einstimmigkeit für dienotwendigen Gesetzgebungsakte entfallen.Zum anderen die Entscheidung, das neueEU-Schutzrecht auf möglichst einfache Weisemit dem Erteilungsverfahren vor dem EPA zuver knüpfen <strong>und</strong> es als Option für den Anmelderauszugestalten.2. Das Patent-Reform-Paket2.1. Die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagenZur Verwirklichung des <strong>Einheitspatent</strong>s warendrei Gesetzgebungswerke erforderlich, die alsPatent-Reform-Paket bezeichnet werden:― die Verordnung über das <strong>Einheitspatent</strong>,― die Verordnung über die Übersetzungsregelungenzum <strong>Einheitspatent</strong> <strong>und</strong>― das Übereinkommen über ein EinheitlichesPatentgericht (im Folgenden EPGÜ). 1Die beiden Verordnungen sind am 31. Dezember2012 veröffentlicht worden. 2 Das Übereinkommenwurde am 19. Februar 2013 von 24 der 27EU-Staaten unterzeichnet. 3Das Patent-Reform-PaketDie rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen1 Ratsdok. 16351/12 vom 11. Januar 2013, rev. deutsche Fassung vom 14. Februar 2013.2 Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der VerstärktenZusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes <strong>und</strong> Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates vom 17. Dezember2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf dieanzuwendenden Übersetzungsregelungen, ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1 <strong>und</strong> 89.3 Von den 25 an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten hat Polen bisher nicht unterzeichnet. Italien <strong>und</strong> Spanien nehmen nichtan der verstärkten Zusammenarbeit teil, gleichwohl hat Italien das Übereinkommen unterzeichnet.7


8Die 38 Vertragsstaaten des EPÜ <strong>und</strong> ihre Mitwirkung am Patent-Reform-Paket:


Die 24 an der verstärkten Zusammenarbeitmitwirkenden EU-Staaten, die das EPGÜunterzeichnet haben:Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland,Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland,Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta,Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien,Schweden, Slowenien, Slowakei, TschechischeRepublik, Ungarn, Vereinigtes Königreich,Zypern.Gerichte. Eine Sonderrolle spielen Italien, dasdas EGPÜ unterzeichnet hat, obwohl es (vorerst)nicht an der verstärkten Zusammenarbeitteilnimmt <strong>und</strong> umgekehrt Polen, das an derverstärkten Zusammenarbeit teilnimmt, aberdas EGPÜ nicht unterzeichnet hat. Währendfür Italien das EGPÜ auch ohne Mitwirkungan der verstärkten Zusammenarbeit in Krafttreten kann, werden die beiden Verordnungenfür Polen nicht ohne Inkrafttreten des EGPÜanwendbar (siehe näher unter 2.4 <strong>und</strong> 5.1.1).An der verstärkten Zusammenarbeit mitwirkenderEU-Staat, der das EPGÜ nicht unterzeichnethat: Polen.An der verstärkten Zusammenarbeit nichtmitwirkender EU-Staat, der das EPGÜunterzeichnet hat: Italien.2.2. Gesetzgeberische ZieleMit dem <strong>Einheitspatent</strong> sollen die Rahmenbedingungenfür Innovation im europäischenBinnenmarkt verbessert werden. Dies sollerreicht werden durchGesetzgeberische ZieleAn der verstärkten Zusammenarbeit nichtmitwirkender EU-Staat, der das EPGÜ nichtunterzeichnet hat: Spanien.Die 11 EPÜ-Staaten die nicht EU-Staaten sind:Albanien, Schweiz/Liechtenstein, 4 Kroatien,Island, Monaco, Mazedonien, Norwegen,Serbien, San Marino, Türkei.Für die Nicht-EU-Staaten ändert sich durchdas Patent-Reform-Paket nichts, für sie bleibtes sowohl beim europäischen Bündelpatentals auch bei der Zuständigkeit der nationalen― einen leichteren, weniger kostspieligen<strong>und</strong> rechtssicheren Zugang zumPatentsystem,― die Möglichkeit der erleichterten Durchsetzung<strong>und</strong> Verteidigung von Patentenvor einem einzigen Gericht, das über dieVerletzung für alle Staaten entscheidet, indenen das <strong>Einheitspatent</strong> wirksam ist <strong>und</strong>vor dem das Patent auch zentral für allediese Staaten angegriffen werden kann.4 Zwingend gemeinsam benannte Vertragsstaaten des EPÜ.9


Die einschlägigen NormenDie Verordnung über das<strong>Einheitspatent</strong>2.3. Die einschlägigen NormenDas <strong>Einheitspatent</strong> wurde durch drei verschiedeneGesetzgebungsakte verwirklicht, da diegesetzgeberischen Zuständigkeiten für diegeregelten Sachverhalte verschieden sind.2.3.1 Die Verordnung über das <strong>Einheitspatent</strong>(im Folgenden EPV)Die EPV regelt vor allem die Entstehung, denBestand <strong>und</strong> die Wirkungen des <strong>Einheitspatent</strong>s.Das <strong>Einheitspatent</strong> wird dem Anmeldereiner europäischen Patentanmeldung als eineneue Option zur Verfügung gestellt, die nebendas traditionelle europäische Bündelpatent tritt,das in den benannten Vertragsstaaten die Wirkungeines nationalen Patents hat. Diese Optionkann der Anmelder am Ende des Erteilungsverfahrensausüben. Damit bleibt der Gang desAnmelde- <strong>und</strong> Prüfungsverfahrens vor dem EPAvöllig unverändert. Nach Veröffentlichung desHinweises auf die Erteilung des Patents hat derAnmelder einen Monat Zeit, um ein <strong>Einheitspatent</strong>zu beantragen. Tut er dies nicht, so bleibt esbeim europäischen Bündelpatent.Das <strong>Einheitspatent</strong> ist in seinem Bestandeinheitlich. Es kann nur mit Wirkung für alleStaaten, in denen es gilt, beschränkt übertragen<strong>und</strong> für nichtig erklärt werden. Das hat aucheine materiell-rechtliche Auswirkung. Was dieGültigkeit des Patents angeht, gelten für das<strong>Einheitspatent</strong>gericht zwar die Nichtigkeitsgründenach Art. 138 (1) EPÜ, die identischmit den Widerrufsgründen im Einspruchsverfahrensind. Anders als im Einspruchsverfahrenkann aber im Verfahren vor dem <strong>Einheitspatent</strong>gericht als Stand der Technik auch einekollidierende nationale Anmeldung geltendgemacht werden. Das ist eine vor dem Anmeldebzw.Prioritätstag der europäischen Patentanmeldungeingereichte, aber nach diesem Tagveröffentlichte nationale Anmeldung. Diesernur für die Neuheitsprüfung relevante Stand derTechnik konnte bisher nach Art. 139 (2) EPÜnur in nationalen Verfahren geltend gemachtwerden <strong>und</strong> dann allenfalls zur Beschränkungoder Nichtigerklärung des betreffendennationalen Zweigs des europäischen Patentsführen. Wegen des einheitlichen Charakters des<strong>Einheitspatent</strong>s hat eine kolli dierende nationaleAnmeldung diese Folgen nun für alle Staaten, indenen das <strong>Einheitspatent</strong> Wirkung hat.Trotz der Einheitlichkeit können jedoch Lizenzenauch territorial beschränkt erteilt werden.Für die Aufrechterhaltung des <strong>Einheitspatent</strong>ssind Jahresgebühren an das EPA zu bezahlen.Ihre Höhe hat ein Ausschuss des Verwaltungsratsder Europäischen Patentorganisation festzusetzen,in dem die an der verstärkten Zusammenarbeitmitwirkenden Staaten vertreten sind.Die EPV bestimmt einerseits, dass der Umfangdes Verbietungsrechts in allen Staaten gleichist, andererseits verweist sie hinsichtlich der10


Handlungen, die der Patentinhaber verbietenkann, auf das nationale Recht. Dieses „nationaleRecht“ ist aber wiederum den Staaten des <strong>Einheitspatent</strong>sgemeinsames Recht, das in Artikel25 ff EPGÜ geregelt ist. Ergänzend bestätigtdie EPV den vom EuGH entwickelten Gr<strong>und</strong>satzder gemeinschaftsweiten Erschöpfung,das heißt, der Patentinhaber kann nach Artikel6 EPV regelmäßig nicht gegen den weiterenVertrieb oder die Benutzung von Erzeugnissenvorgehen, die von ihm oder mit seiner Zustimmunginnerhalb der an der verstärkten Zusammenarbeitteilnehmenden Staaten in Verkehrgebracht worden sind.Die EPV regelt im Einzelnen, welche Aufgabendem EPA zugewiesen sind. Sie betreffeninsbesondere die Behandlung der Anträgeauf einheitliche Wirkung, die Führung einesRegisters für den einheitlichen Patentschutz alsBestandteil des europäischen Patentregisters<strong>und</strong> die Verwaltung der Jahresgebühren.2.3.2 Die Verordnung über die Übersetzungsregelnzum <strong>Einheitspatent</strong>(im Folgenden: EPVÜ)Die europäische Patentanmeldung kann in jederSprache eingereicht werden. Wird sie nicht ineiner der Amtssprachen Deutsch, Englisch oderFranzösisch eingereicht, so ist eine Übersetzungin eine dieser Sprachen einzureichen. Diese istdann die Verfahrenssprache, das heißt, dieSprache, in der das Verfahren geführt <strong>und</strong> dasPatent erteilt wird. Vor Patenterteilung sindÜbersetzungen der Ansprüche in die beidenweiteren Amtssprachen einzureichen, die nichtdie Verfahrenssprache sind. Dieses Sprachregimebleibt, wie auch sonst das Erteilungsverfahren,vom <strong>Einheitspatent</strong> unberührt.Im Fall eines Verletzungsstreits hat der Patentinhaberauf Antrag <strong>und</strong> nach Wahl des mutmaßlichenVerletzers eine vollständige Übersetzungdes Patents in der Sprache des Staatesdes Verletzungsorts oder des Wohnsitzes desVerletzungsbeklagten einzureichen. Darüberhinaus kann das zuständige Gericht eineÜbersetzung in die vor ihm verwendete Spracheverlangen.Im Gr<strong>und</strong>satz sind keine weiteren Übersetzungenerforderlich, insbesondere nicht zurValidierung des Patents in den Staaten, indenen das <strong>Einheitspatent</strong> gilt. Allerdings istfür eine Übergangszeit von 6 bis 12 Jahreneine Übersetzung der Patentschrift mit demAntrag auf einheitliche Wirkung einzureichen,<strong>und</strong> zwar eine Übersetzung ins Englische,wenn das Patent in Deutsch oder Französischerteilt wurde; wurde das Patent in Englischerteilt, so ist eine Übersetzung in eine andereAmtssprache der Union einzureichen. DieLänge der Übergangszeit hängt davon ab, wannmaschinelle Übersetzungen verfügbar sind, diedem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeithinreichend Rechnung tragen.Die Verordnung über dieÜbersetzungsregeln zum<strong>Einheitspatent</strong>11


Das Übereinkommen über eineinheitliches PatentgerichtInkrafttreten <strong>und</strong>Anwendbarkeit der Normen2.3.3 Das Übereinkommen über eineinheitliches Patentgericht (EPGÜ)Durch das EPGÜ wird das Einheitliche Patentgerichtmit zwei Instanzen als gemeinsamesGericht der Vertragsstaaten geschaffen. DieVertragsstaaten übertragen ihm die ausschließlicheZuständigkeit zur Entscheidung überKlagen, die die Verletzung europäischer Patentebetreffen (siehe im Einzelnen Z. 3).2.4. Inkrafttreten <strong>und</strong> Anwendbarkeitder NormenDie beiden Verordnungen EPV <strong>und</strong> EPVÜ sindam 20. Januar 2013 in Kraft getreten. Das nochnicht erfolgte Inkrafttreten des EPGÜ ist an dreiBedingungen geknüpft. Es tritt in Kraft:– am 1. Januar 2014, oder– am ersten Tag des vierten Monats nachRatifikation durch dreizehn Staateneinschließlich Deutschlands, Frankreichs<strong>und</strong> des Vereinigten Königreichs, oder– am ersten Tag des vierten Monats nachdem Inkrafttreten der Änderungen derVO Brüssel I zu deren Anpassung an dasEPGÜ,je nachdem, welcher Zeitpunkt später liegt.Die beiden Verordnungen machen einenbedeutsamen Unterschied zwischen Inkrafttreten<strong>und</strong> Anwendbarkeit. Sie sind zwar schonin Kraft getreten, werden aber erst anwendbar,wenn auch das EPGÜ in Kraft getreten ist. Dasbedeutet, dass das gesamte Patent-Reform-Paket nur als Ganzes anwendbar wird.Auch nach Inkrafttreten des EPGÜ ist dieeinheitliche Wirkung des <strong>Einheitspatent</strong>s aufdie Staaten beschränkt, in denen das <strong>Einheitspatent</strong>gerichtüber die ausschließliche Zuständigkeitnach dem EPGÜ verfügt. Die einheitlicheWirkung kann also für die Staaten nichteintreten, die das EPGÜ nach dessen Inkrafttretennoch nicht ratifiziert haben. Da nicht damitzu rechnen ist, dass alle Unterzeichnerstaatengleichzeitig das EPGÜ ratifizieren, hat dies zurFolge, dass das Patent-Reform-Paket stufenweiseanwendbar wird, zum Beispiel (je nachRatifizierungsstand) zunächst nur für die 13Staaten, die mindestens für das Inkrafttretenerforderlich sind.12


3. Das <strong>Einheitspatent</strong>gericht (EPG)3.1 OrganisationDas Gericht erster Instanz hat drei unterschiedlicheArten von Kammern:Das Berufungsgericht hat seinen Sitz in Luxemburg.Ein Revisionsgericht ist nicht vorgesehen.Gegebenenfalls hat der Europäische GerichtshofZweifelsfragen des EU-Rechts durch Vorabentscheidungzu klären (siehe unter 3.6).Das <strong>Einheitspatent</strong>gerichtOrganisation– eine Zentralkammer,– Lokalkammern, die für einen Mitgliedstaatauf dessen Antrag errichtet werden,– Regionalkammern, die für zwei oder mehrMitgliedstaaten auf deren Antrag errichtetwerden.Der Sitz der Zentralkammer war bis zuletzt einpolitischer Streitpunkt. Als Kompromiss erhieltschließlich Frankreich den Sitz in Paris. DasVereinigte Königreich wurde mit einer Abteilungder Zentralkammer in London, Deutschlandmit einer weiteren Abteilung in Münchenbedacht. Die Zuständigkeit wurde nach denHauptklassen der Internationalen Patentklassifikationaufgeteilt. Der Abteilung in London sinddie Hauptklassen A - Täglicher Lebensbedarf<strong>und</strong> C - Chemie, Hüttenwesen zugewiesen, derAbteilung in München die HauptklasseF - Maschinenbau, Beleuchtung, Heizung, Waffen,Sprengen. Die übrigen technischen Gebietewerden in Paris behandelt.3.2. ZuständigkeitDie Vertragsstaaten übertragen dem EPG dieausschließliche Zuständigkeit für Patentstreitigkeitenum europäische Patente, also nichtnur für das <strong>Einheitspatent</strong>, sondern auch fürdas europäische Bündelpatent sowie auf diesenberuhende Schutzzertifikate. Es handelt sich imWesentlichen um die Zuständigkeit für Verletzungs-<strong>und</strong> Nichtigkeitsklagen.Innerhalb der ersten Instanz besteht für Verletzungsklageneine örtliche Zuständigkeit derLokal- oder Regionalkammer am Verletzungsortwie auch am Sitz des Beklagten. Hat derBeklagte keinen Sitz innerhalb der Vertragsstaatenist auch die örtliche Zuständigkeit derZentralkammer gegeben. Diese ist ebenfallszuständig, wenn im Staat, in dem der Verletzungsortliegt, keine Lokal- oder Regionalkammererrichtet ist.Für Klagen auf Feststellung der Nicht-Verletzung<strong>und</strong> isolierte Nichtigkeitsklagen ist dieZuständigkeit13


Die Richter des EPGBesetzung der SpruchkörperZentralkammer zuständig. Eine Nichtigkeitswiderklagekann vor der Kammer erhoben werden,vor der die Verletzungsklage anhängig ist, alsovor der Zentral-, Lokal- oder Regionalkammer.Eine Lokal- oder Regionalkammer kann nachAnhörung der Parteien3.3. Die Richter des EPG3.3.1 Besetzung der SpruchkörperAlle Spruchkörper des <strong>Einheitspatent</strong>gerichtssind multinational besetzt <strong>und</strong> stets führt einrechtlich qualifizierter Richter den Vorsitz.14– die Nichtigkeitsklage selbst behandeln,– sie mit oder ohne Aussetzung desVerletzungsstreits an die Zentralkammerverweisen, oder– mit Zustimmung beider Parteien dengesamten Rechtsstreit an die Zentralkammerverweisen.Ist eine Nichtigkeitsklage vor der Zentralkammeranhängig, so bleibt die Zuständigkeit derLokal- <strong>und</strong> Regionalkammern für eine nachfolgendeVerletzungsklage bestehen. Danebenbesteht auch eine Zuständigkeit der Zentralkammer.Nach Klage auf Feststellung derNicht-Verletzung bei der Zentralkammer kanninnerhalb von drei Monaten Verletzungsklagevor einer Lokal- oder Regionalkammer erhobenwerden, mit der Folge, dass das Verfahren vorder Zentralkammer auszusetzen ist.Ist ein Beschränkungs- oder Einspruchsverfahrenvor dem EPA anhängig, kann das EPG dasVerfahren aussetzen. Es ist dazu jedoch nichtverpflichtet. Das bedeutet, dass – anders als nachdeutschem Recht – das Einspruchsverfahrennicht die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage sperrt.Die Spruchkörper der Lokalkammern bestehenregelmäßig aus drei rechtlich qualifiziertenRichtern. Von diesen kommen zwei aus demGebiet des Staats, für den die Kammer gebildetist, sofern in dem betreffenden Staat mehr als50 Patentsachen pro Jahr anfallen, ansonstenist es nur ein Richter aus diesem Staat. Der oderdie weiteren Richter werden der Kammer, ggf.langfristig, zugewiesen. Für die Regionalkammerngilt Entsprechendes mit der Maßgabe,dass immer zwei Richter aus der betreffendenRegion stammen.Den Lokal- <strong>und</strong> Regionalkammern wird aufAntrag einer der Parteien ein technisch qualifizierterRichter mit Fachkenntnis auf dem betreffendenGebiet als weiterer Richter zugewiesen.Die Kammern können auch von Amts wegenum die Zuweisung eines technisch qualifiziertenRichters ersuchen. Die Zentralkammer entscheidetmit zwei rechtlich qualifizierten Richternverschiedener Nationalität <strong>und</strong> einem technischqualifizierten Richter.Das Berufungsgericht entscheidet in der Besetzungmit drei rechtlich qualifizierten <strong>und</strong> zweitechnisch qualifizierten Richtern.


EuGHVorlagenzu Fragendes UnionsrechtBerufungsgerichtLuxemburg2. InstanzGericht erster InstanzLokalkammern Regionalkammern ZentralkammerParis London Münchenfüreinen StaatDE (?):DüsseldorfMannheimMünchenHamburgfürmehrere StaatenSkandinavien (?)Benelux (?)IPCB, D, E,G, HIPCA, CIPCF15


VerfahrensregelnVerfahrensspracheQualifikation <strong>und</strong> AuswahlEs wird ein Richterpool gebildet, dem allerechtlich <strong>und</strong> technisch qualifizierten Richterdes Gerichts erster Instanz angehören. Die technischqualifizierten Richter stehen auch demBerufungsgericht zur Verfügung. Die Richterkönnen als Vollzeitrichter oder Teilzeitrichtertätig sein; letzteres wird vor allem für die Aufbauzeitvon Bedeutung sein. Aus dem Pool weistder Präsident des Gerichts erster Instanz denverschiedenen Kammern die Richter zu.Die Personen des Richterpools stehen derzeitnoch nicht fest. Von ihrer Qualifikation wirdder Erfolg des <strong>Einheitspatent</strong>systems in ganzerheblichem Maße abhängen.3.3.2 Qualifikation <strong>und</strong> AuswahlFür die Ernennung der Richter ist der im EPGÜvorgesehene Verwaltungsausschuss zuständig,der mit Vertretern der Vertragsstaaten besetztist. Er entscheidet auf der Gr<strong>und</strong>lage einerKandidatenliste, die von einem BeratendenAusschuss erstellt wird, dem Patentrichter <strong>und</strong>erfahrene Anwälte angehören.Anspruch allerdings deutlich: Die notwendigeErfahrung kann auch durch Schulungsmaßnahmenerworben werden. Wie auch sonst imBereich der EU ist das Prinzip der geografischenVerteilung ein besonders wichtiges Auswahlkriterium.Rechtsk<strong>und</strong>ige Richter müssen nachdem Recht ihres Heimatsstaats die Befähigungzum Richteramt haben, technisch qualifizierteRichter müssen über einen Hochschulabschluss<strong>und</strong> nachgewiesene Erfahrungen auf einemGebiet der Technik verfügen.3.4. Verfahrensregeln3.4.1 VerfahrensspracheVerfahrenssprache vor einer Lokal- oder Regionalkammerist regelmäßig die Amtssprachedes Mitgliedsstaats, in dem sich die Kammerbefindet. Mit Billigung des Gerichts können dieParteien die Sprache des erteilten Patents alsVerfahrenssprache wählen. Ist das Gericht nichteinverstanden, so können die Parteien die Verweisungan die Zentralkammer beantragen.Bei den Auswahlkriterien für die zu ernennendenRichter stellt das EPGÜ vordergründighohe Anforderungen: Die Kandidaten sollendie Gewähr für höchste fachliche Qualifikation<strong>und</strong> über nachgewiesene Erfahrungen auf demGebiet der Patentstreitigkeiten verfügen. Derdem Abkommen als Anhang beigefügte Entwurfder Satzung des Gerichts relativiert diesenVor der Zentralkammer ist Verfahrenssprachedie Sprache des erteilten Patents.Vor dem Berufungsgericht bleibt die Verfahrenssprachedieselbe wie in erster Instanz,sofern nicht die Parteien davon abweichend dieSprache des erteilten Patents beantragen.16


3.4.2 VerfahrensordnungDer Verwaltungsausschuss erlässt eineVerfahrensordnung, in der die Einzelheitendes Verfahrens vor dem Gericht geregelt sind.Ein bereits vorliegender Entwurf umfasst 382Regeln, die unter anderem den Ablauf desVerfahrens, die Rolle des Berichterstatters, dascase management durch den Berichterstatter<strong>und</strong> den Vorsitzenden, die Beweismittel <strong>und</strong> diemündliche Verhandlung betreffen.3.5. Gang des Verfahrens3.5.1 Erstinstanzliches Verfahren<strong>und</strong> TimingDas erstinstanzliche Verfahren vor dem EPGbesteht aus mehreren Abschnitten <strong>und</strong> soll imRegelfall binnen eines Jahres ab Zustellung derKlage an den Beklagten abgeschlossen sein.Den ersten Abschnitt bildet ein schriftlichesVerfahren, in dem regelmäßig jeweils zweiSchriftsätze innerhalb eines strengen Fristenregimesausgetauscht werden. Die Schriftsätzesind elektronisch einzureichen. Die Dauer desschriftlichen Verfahrens soll gr<strong>und</strong>sätzlich achtbis neun Monate betragen. Es wird allein vomsogenannten „Judge Rapporteur“, dem berichterstattendenRichter geleitet. Dieser kann inbegründeten Fällen auch Abweichungen vomvorgegebenen Verfahrensablauf gestatten, zumBeispiel Fristverlängerungen zur Einreichungvon Schriftsätzen gewähren.Den zweiten Abschnitt bildet das ebenfalls vomBerichterstatter geleitete Zwischenverfahren.Es hat zum Ziel, die mündliche Verhandlungumfassend vorzubereiten <strong>und</strong> bislang unklarePunkte im Vortrag der Parteien aufzuklären.Zu diesem Zweck kann der Berichterstattereine Zwischenkonferenz abhalten, die auch perTelefon- oder Videoübertragung erfolgen kann.Insgesamt soll dieser Verfahrensabschnitt nichtlänger als drei Monate dauern.Der Berichterstatter terminiert anschließenddie mündliche Verhandlung <strong>und</strong> informiertden Vorsitzenden Richter vom Abschluss desZwischenverfahrens. Dieser übernimmt sodanndie Verfahrensleitung. Die mündliche Verhandlungfindet vor dem vollständigen Spruchkörperstatt. Sie soll in der Regel an einem Tagabgeschlossen werden. Das Urteil ergeht sobaldwie möglich nach der mündlichen Verhandlung.Es soll nicht später als sechs Wochen nach dermündlichen Verhandlung in schriftlicher Formerlassen werden.VerfahrensordnungGang des VerfahrensErstinstanzliches Verfahren<strong>und</strong> Timing17


Getrennte Behandlung vonVerletzung <strong>und</strong> Gültigkeit desPatentsBeweisrecht183.5.2 Getrennte Behandlung vonVerletzung <strong>und</strong> Gültigkeit des PatentsWie bereits dargestellt, kann die mit der Verletzungsklagebefasste Lokal- oder Regionalkammereine Nichtigkeitswiderklage mitbehandeln,sie an die Zentralkammer verweisen oder auchden gesamten Rechtsstreit an die Zentralkammerabgeben (vgl. oben 3.2). Der Beklagte <strong>und</strong>Nichtigkeitswiderkläger hat eine Stellungnahmezu diesen Behandlungsmöglichkeiten bereits inder Begründung seiner Widerklage abzugeben.Dies gilt analog für den Kläger, der seine Stellungnahmein der Erwiderung auf die Widerklageabzugeben hat.Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrensverfügt die Kammer dann, in welcher Weisedas Verfahren weitergeführt wird. Eine mündlicheVerhandlung ist hierzu nicht vorgesehen.Entscheidet sich die Kammer für die Möglichkeit,die Verletzungs- <strong>und</strong> Nichtigkeitswiderklagegemeinsam zu verhandeln, beantragtder Berichterstatter, falls noch nicht erfolgt,die Zuweisung eines technischen Richters ausdem Richterpool. Entscheidet sie sich für eineVerweisung der Nichtigkeitswiderklage an dieZentralkammer, muss die Kammer das Verletzungsverfahrenbis zu einer rechtskräftigen Entscheidungin der Nichtigkeitsfrage aussetzen,wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht,dass die geltend gemachten Patentansprüche imNichtigkeitsverfahren rechtskräftig für nichtigerklärt werden. Anderenfalls steht die Aussetzungim freien Ermessen der Kammer. Setzt dieKammer nicht aus, kann sie das Urteil unterder Bedingung erlassen, dass das Klagepatentnicht im anderen Verfahren rechtskräftig fürnichtig erklärt wird.Es steht zu erwarten, dass Kammern ausunterschiedlichen Staaten bzw. Regionen dieseFragen zunächst unterschiedlich behandelnwerden. In Deutschland gibt es schon lange dieklägerfre<strong>und</strong>liche Tradition, Verletzung <strong>und</strong>Validität getrennt zu behandeln. Eine Aussetzungdes Verletzungsrechtsstreits kommt inder deutschen Praxis nur dann vor, wenn dasGericht eine hohe Vernichtungswahrscheinlichkeitbejaht, was sehr selten der Fall ist.3.5.3 BeweisrechtDas EPG akzeptiert alle nur denkbaren Beweismittel,insbesondere Dokumente wie Fotos,Zeichnungen <strong>und</strong> Pläne, Gutachten odereidesstattliche Versicherungen sowie Gegenstände<strong>und</strong> elektronische Dateien, insbesondereAudio- <strong>und</strong> Videodateien. Beweis kann auchdurch Anhörung der Parteien <strong>und</strong> Vernehmungvon Zeugen <strong>und</strong> Partei- oder Gerichtssachverständigenerhoben werden. Das EPG kann dieVorlage von Beweismitteln durch die Parteienoder auch durch Dritte anordnen. Dies kommtdann in Betracht, wenn die beweisbelastetePartei alle ihr vernünftigerweise zugänglichenBeweismittel vorgelegt hat <strong>und</strong> sie die ihr nichterhältlichen Beweismittel genau bezeichnenkann. Der Verstoß einer Partei gegen eine Vorlageanordnungkann bei der Beweiswürdigungberücksichtigt werden. Auch Beweissicherungsmaßnahmen,z.B. die Inspektion von Gegen-


ständen <strong>und</strong> Räumlichkeiten, die Entnahmevon Proben, die Beschlagnahme mutmaßlichpatentverletzender Ware, die Beschlagnahmevon Materialien zur Herstellung solcher Ware<strong>und</strong> Verfügungsverbote sind möglich. Inbegründeten Fällen können diese Maßnahmenauch ohne die Anhörung des Gegners angeordnetwerden.Eine „pretrial discovery“ nach US-amerikanischerArt ist allerdings nicht vorgesehen.3.5.4 Berufung in Gr<strong>und</strong>zügenDer Berufung unterliegen alle Endentscheidungen<strong>und</strong> bestimmte Anordnungen des Gerichtsder ersten Instanz. Zur Einlegung der Berufungist jede Partei berechtigt, die mit ihren Anträgenganz oder teilweise unterlegen ist. Die Berufunggegen eine Endentscheidung ist innerhalb vonzwei Monaten nach deren Zustellung einzulegen<strong>und</strong> innerhalb von vier Monaten nach dieserZustellung zu begründen. Die Berufung kannauf rechtliche <strong>und</strong> tatsächliche Gründe gestütztwerden. Neue Tatsachen <strong>und</strong> Beweise könnenim Berufungsverfahren jedoch nur dannberücksichtigt werden, wenn sie nicht bereitsim erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebrachtwerden können. Die Berufung hat keineaufschiebende Wirkung, es sei denn das Berufungsgerichtordnet diese ausnahmsweise aufParteiantrag an. Prinzipiell gleicht der Ablaufdes Verfahrens vor dem Berufungsgericht demerstinstanzlichen Verfahren. Auch hier bereitetder Berichterstatter die mündliche Verhandlungvor. Nach Abschluss des Verfahrens entscheidetdas Berufungsgericht in der Sache <strong>und</strong> verweistnur in Ausnahmefällen an das Gericht ersterInstanz zurück.3.6. GerichtskostenIm Verfahren vor dem EPG haben die ParteienGerichtskosten zu zahlen. Deren Höhe ist vomVerwaltungsausschuss festzusetzen. KonkreteZahlen sind noch nicht bekannt. Das EPGÜenthält jedoch Gr<strong>und</strong>sätze zur Bemessung derGerichtsgebühren. Sie sollen sich aus einerfesten Gebühr <strong>und</strong> einer streitwertabhängigenGebühr zusammensetzen. Für KMUs könnengezielte Unterstützungsmaßnahmen getroffenwerden. Für natürliche Personen ist nach Art.71 EPGÜ Prozesskostenhilfe vorgesehen.3.7. Die zukünftige Rolle des EuGHEPV <strong>und</strong> EPVÜ sind Recht der EU. Die höchsteInstanz zur Auslegung von EU-Recht ist derEuropäische Gerichtshof (EuGH). Daherschreibt das EPGÜ vor, dass das EPG hinsichtlichdes Unionsrechts wie ein nationales Gerichtverpflichtet ist, rechtliche Zweifelsfragen vorabdurch eine Entscheidung des EuGH klären zulassen. Der Entwurf der EPV enthielt in seinenArt. 6 - 8 Definitionen der dem Patentinhabervorbehaltenen Benutzungsformen. Dies führtezu Bedenken gegen eine Einbeziehung desEuGH in die Auslegung des materiellen Patentrechts,die von nationalen Patentrichtern <strong>und</strong>Vertretern der interessierten Kreise im HinblickGerichtskostenBerufung in Gr<strong>und</strong>zügenDie zukünftige Rolle des EuGH19


Auf dem Weg zur Implementierungdes <strong>Einheitspatent</strong>sauf den sehr spezialisierten Charakter dieserMaterie geäußert wurden. Diese Frage drohtedas ganze Projekt in letzter Minute zum Scheiternzu bringen, noch nachdem die Staatschefsder EU es gebilligt hatten, da zunächst wederdas Parlament, das für die Beibehaltung derArt. 6 - 8 des Entwurfs war, noch der Ministerrat,der die Streichung wollte, zum Einlenkenbereit schien.Als Kompromisslösung wird nunmehr in Art.5 (3) EPV hinsichtlich der Handlungen, gegendie das Patent Schutz bietet, auf das nationaleRecht verwiesen. Dieses „nationale Recht“findet sich für die Vertragsstaaten des EPGÜin Art. 25 ff des Übereinkommens, wo dieBenutzungsformen für europäische Patente<strong>und</strong> deren Beschränkungen geregelt sind. Obmit diesem Kompromiss das gewünschte Zielerreicht wird, das Recht der Patentverletzungaus dem Unionsrecht herauszulösen, erscheintangesichts des Art. 5 (3) EPV <strong>und</strong> seinerVerweisung auf gemeinsames Vertragsrechtkeineswegs als sicher.4. Auf dem Weg zur Implementierungdes <strong>Einheitspatent</strong>sDas EPA hat sich schon seit einiger Zeit aufseine neuen administrativen Aufgaben nachArt. 9 EPV vorbereiten können. In institutionellerHinsicht haben die 25 an der verstärktenZusammenarbeit teilnehmendenMitgliedstaaten einen „Engeren Ausschuss“ desVerwaltungsrats der EPO nach Art. 145 EPÜeingesetzt, der die notwendigen rechtlichen <strong>und</strong>finanziellen Maßnahmen zu beschließen hat.Insbesondere ist er für die Festsetzung der Jahresgebühren<strong>und</strong> ihre Verteilung zuständig.Die verfahrensrechtlichen Regelungen für das<strong>Einheitspatent</strong> werden sich an die entsprechendenVorschriften des EPÜ <strong>und</strong> seinerAusführungsordnung anlehnen, einschließlichsolcher Rechtsbehelfe wie Weiterbehandlung,Wiedereinsetzung <strong>und</strong> verspäteter Zahlung derJahresgebühr mit Zuschlag.Was das EPG angeht, so können noch keineendgültigen Maßnahmen getroffen werden, weildas EPGÜ noch nicht in Kraft getreten ist. DieUnterzeichnerstaaten des EPGÜ haben abereinen Vorbereitenden Ausschuss eingesetzt, dervorbereitende Maßnahmen für die im Abkommenvorgesehen Gremien trifft; das sind derVerwaltungsausschuss, der Haushaltsausschuss<strong>und</strong> der Beratende Ausschuss. Der VorbereitendeAusschuss soll insbesondere den Entwurfder Verfahrensordnung zur Diskussion derbeteiligten Kreise stellen, damit dieser vor Endeder 13 notwendigen Ratifikationsverfahrenabgeschlossen werden kann. Ferner soll alsbaldmit der Ausbildung der zukünftigen Richter<strong>und</strong> der Vorbereitung ihrer Wahl begonnenwerden. Schließlich wird sich der VorbereitendeAusschuss auch mit den Gerichtsgebührenbefassen.20


Was die Ratifizierungsverfahren angeht, sowerden sich die optimistischen Erwartungender EU-Kommission kaum erfüllen, nach denenbis November 2013 die für das Inkrafttretennotwendigen 13 Ratifizierungen vorliegen sollen,damit die ersten <strong>Einheitspatent</strong>e im erstenHalbjahr 2014 eingetragen werden können.Die notwendigen parlamentarischen Verfahrenbrauchen ihre Zeit <strong>und</strong> können sich aus denverschiedensten Gründen verzögern. Bei den3 Pflichtländern wird man annehmen können,dass es in Frankreich <strong>und</strong> Deutschland wohlkeine gr<strong>und</strong>sätzlichen Probleme geben wird.Aber in Deutschland sind im September 2013B<strong>und</strong>estagswahlen <strong>und</strong> in der auslaufendenLegislaturperiode gibt es keinen Gesetzentwurfmehr. Abzuwarten bleibt, wie sich der britische„Euroscepticism“ mit der im Raum stehendenVolksabstimmung über den Verbleib in derEU auf das Ratifizierungsverfahren auswirkt.Demgemäß ist das deutsche B<strong>und</strong>esministeriumder Justiz schon etwas vorsichtiger alsdie Kommission <strong>und</strong> rechnet mit den notwendigenRatifikationen „ab 2015“. Es wird auchin einigen Ländern Verzögerungen aus rechtlichenGründen geben, man erinnere sich andie verfassungsrechtlichen Probleme vor demBeitritt von Irland zum EPÜ oder die zum Beitrittvon Dänemark erforderliche 5 / 6 Mehrheitim Parlament. Schließlich mag es politischenWiderstand geben etwa durch Initiativen ausinteressierten Kreisen, die mit den erzieltenErgebnissen nicht zufrieden sind. Schließlichmögen Staaten ihre Interessen neu bewerten,wie etwa Polen, das an der verstärkten Zusammenarbeitmitgewirkt, aber das EPGÜ nichtunterschrieben hat, weil es insgesamt volkswirtschaftlicheNachteile befürchtet.Eine Implementierung des Systems ist wohlnicht zu erwarten, solange der EuGH nicht überdie im März 2013 beim EuGH erhobenen KlagenSpaniens gegen EPV <strong>und</strong> EPVÜ 5 entschiedenhat. Als Anhaltspunkt für die Verfahrensdauerkann dienen, dass das Verfahren in denKlagen gegen die verstärkte Zusammenarbeit inknapp 2 Jahren abgeschlossen war. Sollten ineiner ausreichenden Zahl von Vertragsstaatendie parlamentarischen Verfahren abgeschlossensein, bevor der EuGH entschieden hat, könntedurch eine verzögerte Hinterlegung der letztennotwendigen Ratifikationsurk<strong>und</strong>e das Inkrafttretenbis zum Vorliegen der Entscheidung desEuGH hinausgeschoben werden.5. Alternativen für den AnmelderSobald das EPGÜ in Kraft getreten ist, hatder Anmelder allerdings rasch Entscheidungenzu treffen, welche der ihm zur Verfügungstehenden Möglichkeiten er nutzen will, dadas <strong>Einheitspatent</strong> für alle nach Inkrafttretenerteilten Patente beantragt werden kann. Beidiesen Entscheidungen ist abzuwägen, welcheVor- oder Nachteile verschiedene Wegebieten. Pauschale Antworten können hier nichtgegeben werden. Vielmehr sind die InteressenAlternativen für den Anmelder5 Aktenzeichen C-146/13 <strong>und</strong> C-147/13.21


Kostenvorteile des<strong>Einheitspatent</strong>sim Einzelfall zu bewerten, die von Anmelderzu Anmelder ganz verschieden sein können.Ferner ist ein Unterschied zu machen zwischendem <strong>Einheitspatent</strong> in seiner Anfangszeit nachdem Inkrafttreten des EPGÜ für zunächst 13Staaten <strong>und</strong> der vollen Implementierung desSystems nach Auslaufen der Übergangsregelungen<strong>und</strong> Ratifizierung durch möglicherweise alleEU-Staaten. Für eine realistische Einschätzungkommt es darauf an, ob das geschaffene Systemdie gesetzgeberischen Ziele erreichen <strong>und</strong> damitdie Erwartungen erfüllen kann, die in es gesetztwerden.5.1. Kostenvorteile des <strong>Einheitspatent</strong>sDer Klarheit halber ist vorauszuschicken, dassdas europäische Bündelpatent auch für Patentinhaberseine Bedeutung behalten wird, die ein<strong>Einheitspatent</strong> beantragt haben, <strong>und</strong> zwar für:Wirkung tritt nur für die Staaten ein, in denenan diesem Tag die ausschließliche Zuständigkeitdes EPG dadurch begründet wurde, dassdas EPGÜ vier Monate nach Hinterlegung derRatifikationsurk<strong>und</strong>e in Kraft getreten ist. Einspäteres Inkrafttreten des EPGÜ für weitereStaaten erweitert den Geltungsbereich des <strong>Einheitspatent</strong>snicht.Für die drei genannten Gruppen von Staatenbleibt es beim Bündelpatent, für sie ergebensich demgemäß keine Einsparungsmöglichkeitendurch das <strong>Einheitspatent</strong>. Zur ersten <strong>und</strong>zweiten Gruppe gehören die Staaten Schweiz,Italien <strong>und</strong> Spanien mit einer hohen Validierungsquote.Für die dritte Gruppe ergibt sich,dass die Einsparungsmöglichkeiten maßgeblichdurch den Ratifizierungsfortschritt beim EPGÜbestimmt werden. Es ist derzeit nicht absehbar,dass Polen bereit sein wird, das Ratifizierungsverfahreneinzuleiten.Jahresgebühren22– die EPÜ-Vertragsstaaten die nicht EU-Staaten sind;– die EU-Staaten, die nicht an der verstärktenZusammenarbeit teilnehmen;– die Staaten, die an der verstärktenZusammenarbeit teilnehmen, aber nochnicht Vertragsstaaten des EPGÜ sind.Für die letztgenannte Gruppe ist der maßgebendeZeitpunkt der Tag der Eintragung dereinheitlichen Wirkung durch das EPA in dashierfür vorgesehene Register. Die einheitliche5.1.1 JahresgebührenBei den Jahresgebühren ist die mit dem <strong>Einheitspatent</strong>erzielte Verfahrensvereinfachungaugenfällig. Alle Vertragsstaaten des EPÜ verlangenJahresgebühren. Bei der Zahlung sindeine Vielzahl von Land zu Land verschiedenerErfordernisse zu beachten, die sich ändernkönnen oder auch regelmäßig ändern, wieZahlungsformen, Konten oder Gebührensätze.Zum Teil gelten auch hier Vertretungserfordernisse.Damit kann gerade die Zahlung geringerGebührensätze mit einem unverhältnismäßighohen Maß an administrativem Aufwand


verb<strong>und</strong>en sein. Demgegenüber ist für das<strong>Einheitspatent</strong> eine einheitliche Jahresgebühran das EPA zu zahlen. Die Modalitätenhierfür sind jedem zugelassenen Vertretervertraut. Die Benutzung eines laufenden Kontosbietet ein hohes Maß an Flexibilität <strong>und</strong>Rechtssicherheit.Was die Sätze der für jedes Jahr nach Patenterteilungan das EPA zu zahlenden Jahresgebührenangeht, scheinen die Aussichten wenigerpositiv. Bedenkt man, dass bei den nationalenÄmtern administrativer Aufwand für dieVerwaltung der erteilten europäischen Patentewegfällt, sollte man erwarten können, dass sichauch die Rechtfertigung für die Vereinnahmungvon Gebühren zumindest verringert. Nachdem EPÜ sind die Jahresgebühren für erteiltePatente zwischen den Vertragsstaaten <strong>und</strong> derEuropäischen Patentorganisation aufzuteilen.Nach dem Übereinkommen darf der Anteil derEPO 75% nicht übersteigen. Die Vertragsstaatenhaben diesen Anteil zunächst auf 60% begrenzt;seit 1985 ist er auf 50% heruntergesetzt, wasdas EPA – zu Lasten der Benutzer – in eine größereAbhängigkeit von den Verfahrensgebührengebracht hat. Dieser Satz wird nach der EPV fürdas <strong>Einheitspatent</strong> beibehalten.Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf daszukünftige Jahresgebührenaufkommen aus <strong>Einheitspatent</strong>enbleiben. Will man die Belastungdes Anmelders mit Jahresgebühren abschätzen,muss man das zukünftige Aufkommen mit dembisherigen Aufkommen vergleichen. Für daszukünftige Aufkommen ist maßgebend, was mitdiesem Aufkommen abgedeckt werdensoll. Das sind nach der EPV folgende Posten:– sämtliche Kosten des EPA für dieErteilung <strong>und</strong> Verwaltung des einheitlichenPatentschutzes;– Sicherstellung eines ausgeglichenenHaushalts der EPO zusammen mit denVerfahrensgebühren für das Erteilungsverfahren;– ein erhöhter Anteil der Mitgliedstaaten miteiner anderen Amtssprache als das EPA;– ein Mindestanteil der Mitgliedstaaten mitgeringer Patentaktivität;– ein erhöhter Anteil neuer Vertragsstaatender EPO;– ein Kompensationssystem zur Erstattungvon Übersetzungskosten für die Einreichungin einer von den Amtssprachendes EPA abweichenden EU-Sprachezugunsten von KMUs <strong>und</strong> weiterenprivilegierten Anmeldern.Mit dem zukünftigen Jahresgebührenaufkommenmuss also ein ganz erheblicher zusätzlicherAufwand abgedeckt werden. Um diesaufkommensneutral zu erreichen, müssten dieVertragsstaaten auf einen Teil ihrer Einnahmenverzichten. Davon war bisher aber nicht dieRede <strong>und</strong> darauf zu hoffen wäre wohl etwasblauäugig. Damit wird aber der Bemessungsgr<strong>und</strong>satz,dass die Jahresgebühren für das<strong>Einheitspatent</strong> der Höhe der Jahresgebührenentsprechen sollen, die für die durchschnittliche23


Validierunggeografische Abdeckung der üblichen europäischenPatente zu entrichten sind, zur Quadraturdes Kreises. Eine Querfinanzierung durch denHaushalt der EPO für Bündelpatente schließtdie EPV ausdrücklich aus.Es muss also damit gerechnet werden, dasssich der engere Ausschuss der EPO bei derBemessung der Jahresgebühren daran orientierenwird, dass der Patentinhaber einenumfassenden territorialen Schutz bekommt,für den er dann mehr zahlen soll. Ob dieseRechnung aufgeht, hängt weitgehend davonab, als wie stark sich das Interesse der Anmelderan einem territorial breiteren Schutzerweist. Jedenfalls ist man weit entferntdavon, hinsichtlich der Jahresgebühren füreuropäische Anmelder auf ihrem Heimatmarktzu Jahresgebühren zu kommen, die vergleichbarmit denen sind, die Unternehmen in denUSA, Japan oder China für ihren Heimatmarktzu entrichten haben.5.1.2 ValidierungDer mit dem Europäischen Patentübereinkommenerreichte Fortschritt liegt in demeinheitlichen Erteilungsverfahren. Der Anmelderhat es nur mit einer einzigen Behörde ineinem Verfahren mit einer einzigen Sprache zutun, wenn er ein Patent für eine Mehrzahl vonVertragsstaaten erteilt bekommen will. DieseEinheitlichkeit hat bisher ein Ende, wenn dasPatent erteilt ist. Es zerfällt dann in ein Bündelnationaler Patente, deren Bestand – soweit esnicht um die materiellen Voraussetzungen derPatentierbarkeit geht – sich nach Ablauf derEinspruchsfrist nach nationalem Recht richtet.Nach Patenterteilung entstehen dem Patentinhaberderzeit Kosten für die Validierung deseuropäischen Patents in seinen Bestimmungsstaaten,d.h. insbesondere für notwendigeÜbersetzungen.In dieser Hinsicht wurde schon ein großerFortschritt mit dem Londoner Übereinkommenüber die Anwendung des Art. 65 EPÜerzielt. Im Zusammenhang der vorliegendenKostenüberlegungen ist dabei zunächst aufdie Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommensabzustellen, die zugleich an derverstärkten Zusammenarbeit beteiligt sind; dassind 13 von 25 Staaten. Von diesen 13 Staatenverlangen nach dem Londoner Abkommen fünfStaaten, die eine Amtssprache mit dem EPAgemeinsam haben, nach Art. 1 (1) des Übereinkommensüberhaupt keine Übersetzung, dassind Deutschland, Frankreich, das VereinigteKönigreich, Irland <strong>und</strong> Luxemburg. Die übrigenVertragsstaaten verlangen nach Art. 1 (3) desLondoner Übereinkommens nur mehr eineÜbersetzung der Ansprüche, zum Teil abernur wenn das Patent in Englisch erteilt wurde, 6im Übrigen unabhängig von dieser Voraussetzung.7 Das größere Einsparungspotential ergibtsich für die 13 an der verstärkten Zusammen-246 Dänemark, Finnland, Niederlande, Schweden <strong>und</strong> Ungarn.7 Lettland, Litauen <strong>und</strong> Slowenien.


arbeit teilnehmenden Staaten, die nicht demLondoner Übereinkommen angehören; sieverlangen bisher eine volle Übersetzung derPatentschrift, wenn das Patent nicht in einerihrer Amtssprachen erteilt wurde.Bei dem Einsparungspotential, das sich ausdem Wegfall notwendiger Übersetzungenergibt, sind nicht nur die reinen Übersetzungskosten,sondern auch weitere Kosten wie die inder Mehrzahl der Staaten bestehenden Kostenfür eine vorgeschriebene Vertretung durcheinen nationalen Vertreter oder die Gebührenfür die Einreichung beim nationalen Amt zuberücksichtigen.Für eine Übergangszeit von mindestens 6 <strong>und</strong>höchstens 12 Jahren ist nach Art. 6 EPVÜjedoch in jedem Fall eine komplette Übersetzungdes erteilten Patents einzureichen. Ist dieVerfahrenssprache Deutsch oder Französisch,so ist die Übersetzung in Englisch einzureichen,ist die Verfahrenssprache Englisch, so kann dieÜbersetzung in jeder anderen Amtssprache derEU eingereicht werden.Dabei ist bemerkenswert, dass nach einer Folgenabschätzungder EU-Kommission 50% dererteilten Patente nur in drei Ländern validiertwerden. Dies werden ganz überwiegend dieLänder mit dem höchsten Bestand erteilterPatente, also Deutschland, Frankreich <strong>und</strong> dasVereinigte Königreich sein. Für diese Staatenist nach dem Londoner Übereinkommenkeine Übersetzung erforderlich, während fürdas <strong>Einheitspatent</strong> in der Übergangszeit eineÜbersetzung einzureichen ist. Für die Hälfteder erteilten Patente bedeutet also das <strong>Einheitspatent</strong>unter dem Gesichtspunkt der Übersetzungskosteneine Verschlechterung gegenüberdem Bündelpatent. Der Vollständigkeit halberist anzumerken, dass über die fünf Staatenhinaus, die nie eine Übersetzung verlangen,bei einem Patent mit der VerfahrensspracheEnglisch nach Art. 65 (1) EPÜ keine Übersetzungfür Malta erforderlich ist, bei einem Patentmit der Verfahrenssprache Französisch giltdasselbe für Belgien <strong>und</strong> bei einem Patent mitder Verfahrenssprache Deutsch für Österreich<strong>und</strong> Belgien.5.1.3 Der relevante VergleichDer Patentinhaber muss sich demnach fragen,für welche Länder er mit dem <strong>Einheitspatent</strong>etwas sparen kann <strong>und</strong> in welchen Länderner Schutz braucht. Für die erste Frage muss erseine bisherigen Aufwendungen für Validierungenabschätzen <strong>und</strong> den Ratifizierungsstand desEPGÜ verfolgen, für die andere wird er sich anseinen bisherigen Validierungsgewohnheitenorientieren.Das andere Extrem sind von der Kommissiongeschätzte 1.000 Patente, die in allen 27 EU-Staaten validiert werden. Die Kommission setztdie hierfür anfallenden Validierungskosten mitüber 32.000 € an. Es liegt auf der Hand, dassein Anmelder, der umfassenden territorialenSchutz benötigt, mit dem <strong>Einheitspatent</strong> beiden Übersetzungen hohe Kostenvorteile erzielenwird, auch wenn das Patentreformpaket erstin 13 Mitgliedstaaten anwendbar ist. Währendalso für gut die Hälfte der erteilten Patente dieDer relevante Vergleich25


Nationale Gerichtsbarkeitoder <strong>Einheitspatent</strong>gerichtAbwägung ziemlich eindeutig ausfällt, sindfür den überwiegenden Rest die Umständedes Einzelfalls zu prüfen, d.h. das individuelleSchutzinteresse, die gegenwärtigen Übersetzungserfordernisseunter Berücksichtigung desLondoner Übereinkommens <strong>und</strong> der Ratifizierungsstanddes EPGÜ.Dabei sollte das territoriale Schutzinteressefreilich nicht mit den bisherigen Validierungsgewohnheitengleichgesetzt werden. Vielmehrist zweierlei zu berücksichtigen. Erstens wächstmit dem weiteren Zusammenwachsen desBinnenmarktes wohl auch das Bedürfnis nachSchutz in einer größeren Zahl von Ländern.Zum anderen gibt es im Grenzbereich desKostenvergleichs auch einen Mitnahmeeffekt:Wenn der Patentinhaber mit nicht allzu hohenMehrausgaben z.B. in 15 statt nur in 5 LändernSchutz erlangen kann, wird eine solche Investitionwomöglich sinnvoll sein.Ein wichtiger Faktor für einen realistischenVergleich fehlt allerdings noch, da noch keineZahlen über die für das <strong>Einheitspatent</strong> zu entrichtendenJahresgebühren vorliegen.5.2. Nationale Gerichtsbarkeit oder<strong>Einheitspatent</strong>gerichtEine Schlüsselfrage für die Akzeptanz des<strong>Einheitspatent</strong>s wird sein, in welchem Maßdie Patentinhaber bereit sind, Vertrauen in dieneue Gerichtsbarkeit zu setzen. Hier wird derErfahrungssatz gelten, dass man dem Bekannten,auch mit seinen Schwächen, eher vertrautals dem Unbekannten. Das wird zumindestfür Patentinhaber in Ländern gelten, in deneneine in Patentsachen erfahrene <strong>und</strong> bewährteGerichtsbarkeit besteht.Der Weg zum EPG hat für den Patentinhaberden Vorteil, dass er das <strong>Einheitspatent</strong> oder daseuropäische Bündelpatent in einem einzigenVerfahren für alle Staaten durchsetzen kann,in denen das EPGÜ gilt. Das erhöht die Schlagkraftdes Patents, freilich steht dem zwingenddie Gefahr gegenüber, dass das Patent auchin einem einzigen Verfahren für das gesamteGebiet für nichtig erklärt wird, sei es durch eineisolierte Nichtigkeitsklage, sei es durch eineWiderklage auf Nichtigerklärung, die im Verletzungsverfahrenerhoben werden kann. Wirddas Patent für nichtig erklärt, hat der Patentinhabernoch die Möglichkeit der Berufung zumBerufungsgericht in Luxemburg, aber nichtwie bisher die Chance, sein Patent in anderenLändern vor anderen Gerichten innerhalb desgenannten Gebiets zu retten.26


Die Einrichtung der Lokal- <strong>und</strong> Regionalkammerndient dem Zweck einer Einbindungschon etablierter Systeme. Nach einer Erhebungder Kommission im Vorfeld der Arbeitenam <strong>Einheitspatent</strong> wurden mehr als 90% derdamals geschätzten 1.500 - 2.000 Patentstreitigkeitenin der Union vor den Gerichten inDeutschland, England, Frankreich <strong>und</strong> denNiederlanden ausgetragen. Dies bedeuteteinerseits, dass in der Mehrzahl der Länderkeine Patentgerichtsbarkeit mit erfahrenenRichtern vorhanden war <strong>und</strong> andererseits,dass in den genannten vier Ländern Ressourcenan erfahrenen Richtern verfügbar sind, diefür ein gemeinsames Gericht eingesetzt werdenkönnen, davon die Mehrzahl in Deutschland.Dieses Potential wird vor allem durch dieerwähnte Regelung im EPGÜ genutzt, dass dieLokalkammern in einem Land mit mindestens50 Patentstreitsachen im Jahr mit zwei Richternaus diesem <strong>und</strong> einem Richter aus einemanderen Land besetzt sind.Vor welcher Lokalkammer prozessiert wird,hat der Patentinhaber weitgehend selbst in derHand, er hat die Wahl zwischen dem Wohnsitzdes Beklagten <strong>und</strong> dem Verletzungsort. Auchwenn der mutmaßliche Verletzer zunächstKlage auf Feststellung der Nichtverletzung beider Zentralkammer erhebt, kann der Patentinhabernoch die Behandlung durch eine LokaloderRegionalkammer erreichen, wenn er dortVerletzungsklage erhebt. Diese Möglichkeit hater auch, wenn der mutmaßliche Verletzer Nichtigkeitsklagebei der Zentralkammer erhebt.Zwar steht es dann im Ermessen der Lokal-bzw. Regionalkammer die Nichtigkeitsklagean die Zentralkammer zu verweisen, für dieVerletzungsklage ist dies aber nur mit Zustimmungbeider Parteien möglich. Behandelt dieLokal- bzw. Regionalkammer die Nichtigkeitsklageoder eine Nichtigkeitswiderklage selbst,so zieht sie einen technischen Richter aus demRichterpool bei. Dies kann sie auch in anderenFällen von Amts wegen oder auf Antrag derParteien tun.Bei der Zentralkammer kann der Kläger kaumerwarten, dass er auf Richter aus seinem eigenengewohnten Rechtskreis trifft. Bei ihr wirddas Kriterium der geografischen Verteilung derRichter über die Vertragsstaaten ein gewichtigesAuswahlkriterium sein. Dies insbesonderedeswegen, weil dieses Kriterium bei den Lokal<strong>und</strong>Regionalkammern nur eingeschränkt angewendetwerden kann. Dort sind mehrheitlichRichter aus den Ländern mit etablierten Patentstreitsystemenvertreten, daher werden in derZentralkammer in stärkerem Maß Richter ausanderen Ländern zum Zuge kommen.In dieser Hinsicht ist anzumerken, dass dieAttraktivität der Regionalkammern für denPatentinhaber dadurch beeinträchtigt wurde,dass die Regionalkammer den Rechtsstreit andie Zentralkammer zu verweisen hat, wenn dieangebliche Verletzung im Gebiet von mindestensdrei Regionalkammern erfolgt ist.Dies wird wohl dazu führen, dass Verletzungsklagenvor allem vor Lokalkammern anhängiggemacht werden.27


Das Bündelpatent – opt-out<strong>und</strong> opt-inAbschließende Wertung285.3. Das Bündelpatent – opt-out<strong>und</strong> opt-inUm die Akzeptanz des Patent-Reform-Paketszu erhöhen, ist dem Schutzrechtsinhaber dieMöglichkeit eingeräumt worden, die ausschließlicheZuständigkeit des EPG für das Bündelpatentauszuschließen (opt-out). Die Erklärung istgegenüber der Kanzlei des EPG abzugeben <strong>und</strong>wird in das Register des Gerichts eingetragen. Siekann wieder zurückgenommen werden (opt-in).Das EPGÜ regelt nicht explizit, dass dem EPGkeine konkurrierende Zuständigkeit verbleibt.Zu beachten ist, dass sich die Zuständigkeit desEPG nicht auf die Patente beschränkt, die nachInkrafttreten des EPGÜ erteilt werden. Vielmehrerfasst sie auch bereits zuvor erteilte europäischePatente. Der Patentinhaber muss also beiInkrafttreten des EPGÜ sein gesamtes Portfolioeuropäischer Patente darauf überprüfen, ob erdie Zuständigkeit des EPG ausschließen will. DerEntwurf der Verfahrensordnung des EPG siehtvor, dass für das opt-out eine Gebühr zu zahlenist. Deren Zweck kann neben der Deckung desVerwaltungsaufwands auch darin gesehen werden,Anmelder <strong>und</strong> Patentinhaber vom opt-outabzuhalten. Bei entsprechender Bemessung derGebühr kämen auf die Anmelder nicht unerheblicheKosten zu <strong>und</strong> die Anschubfinanzierung fürdas EPG-System müssten vorwiegend diejenigenaufbringen, die das EPG nicht wollen.Die Übergangszeit, in der ein opt-out erklärtwerden kann, beträgt sieben Jahre <strong>und</strong> kann bisauf 14 Jahre verlängert werden. Die Möglichkeitdes opt-out soll die Zuständigkeit des EPG fürdie Laufzeit des Patents auch nach Ende derÜbergangszeit ausschließen. Dies kommt aberim EPGÜ nur unzureichend zum Ausdruck. Dieparallele Zuständigkeit der nationalen Gerichtebesteht nach dem EPGÜ nur für Klagen, die biszum Ende der Übergangszeit eingereicht werden,das Übereinkommen weist den nationalenGerichten keine weitere Zuständigkeit nachdiesem Zeitraum zu. Wird diese Frage nicht nochin der Brüssel I Verordnung geregelt, werdenmöglicherweise die Gerichte entscheiden müssen,wie lange das opt-out wirksam bleibt.Opt-out <strong>und</strong> opt-in sind an die Voraussetzunggeknüpft, dass noch keine Klage bei dem bis zuder jeweiligen Erklärung zuständigen Gerichteingereicht wurde. Der Patentinhaber kann alsozunächst die Zuständigkeit des EPG für seinBündelpatent ausschließen, in der Annahme,dass er diese Erklärung wieder rückgängigmachen kann, wenn er eines Tages die Vorteilenutzen will, die sich aus der einheitlichenDurchsetzung des Patents vor dem EPG für alleEPGÜ Staaten ergeben. Diese Möglichkeit verlierter allerdings, wenn der vermeintliche Verletzervor einem nationalen Gericht Nichtigkeitsklageoder negative Feststellungsklage erhebt.6. Abschließende WertungFür die politische Durchsetzung des Patent-Reform-Pakets war es notwendig, viele Kompromissezu schließen, die nicht durchweg im Sinneeines überzeugenden Ergebnisses sind.So führt etwa die Aufspaltung der Zentralkammerzu zusätzlichen Kosten. Sie kann auch dazu


führen, dass sich an den verschiedenen Standortenverschiedene Praktiken entwickeln. Ungeklärtscheint, welche Folgen es haben wird, wenngegen ein <strong>und</strong> dieselbe Verletzungshandlung ausmehreren Patenten vorgegangen wird, die in dieZuständigkeit verschiedener Standorte fallen.Der Glaubensstreit um gemeinsame odergetrennte Behandlung von Verletzung <strong>und</strong>Gültigkeit des Patents hat zu einem Systemgeführt, das es in das Ermessen der Lokal- <strong>und</strong>Regionalkammern stellt, ob sie die Gültigkeitsfragebehandeln wollen. Dies wird möglicherweisedazu führen, dass Verletzungskläger dieKammern anrufen werden, die Verletzung <strong>und</strong>Gültigkeit des Patents getrennt behandeln <strong>und</strong>eine Aussetzung des Verletzungsverfahrensnur bei hoher Vernichtungswahrscheinlichkeitanordnen, wie bisher schon die deutschenPatentstreitgerichte.In der Sprachenfrage haben traditionellenationale Empfindlichkeiten die einfachste <strong>und</strong>kostengünstigste Lösung für das <strong>Einheitspatent</strong>verhindert: English only. Umgekehrt ist esgelungen, das Beharren auf der Sprachenvielfaltder Union zu verhindern.Was die zu erwartenden Kosten angeht, so sinddie wesentlichen Faktoren noch unbekannt:Es gibt noch keine konkreten Zahlen für dieJahresgebühren <strong>und</strong> für die Gerichtskosten. Fürdie Jahresgebühren wäre zu wünschen, dassder engere Ausschuss der EPO im Auge behält,wie hoch die Kosten anderswo sind. In den USAbetragen beispielsweise die Aufrechterhaltungsgebührenfür die gesamte Laufzeit des Patents12.600 US Dollar. Vergleichsweise betragendie deutschen Jahresgebühren für denselbenZeitraum 13.170 €.Bei den Patentinhabern, für die das <strong>Einheitspatent</strong>im Hinblick auf Jahresgebühren <strong>und</strong>Pflichtübersetzung während der Übergangszeitfinanziell (noch) nicht attraktiv ist, stellt sich dieFrage, wie sie sich im Hinblick auf die ausschließlicheZuständigkeit des EPG verhalten werden.Eine relevante Möglichkeit ist – neben demopt-out – die Flucht der Anmelder vor dem EPGin nationale Patentanmeldungen. Zu Bedenkenist hierbei jedoch, dass erst wenn ein opt-outnicht mehr möglich ist, der Patentinhaber vordie definitive Alternative nationales Patent<strong>und</strong> nationale Gerichte oder Bündelpatent <strong>und</strong><strong>Einheitspatent</strong>gericht gestellt ist.Für Patentinhaber, die trotz der von Anfang anbestehenden zwingenden Zuständigkeit des EPGfür das <strong>Einheitspatent</strong> nicht völlig auf den Zugangzu nationalen Gerichten verzichten wollen,besteht in Deutschland die erwägenswerte <strong>und</strong>kostengünstige Möglichkeit des Gebrauchsmusterschutzes,der darüber hinaus rasch erzielbarist, derzeit binnen drei bis vier Monaten abAntragstellung. Flankierender Gebrauchsmusterschutzkann vor <strong>und</strong> in gewissem Umfangauch noch nach Patenterteilung gewählt werden.Das Gebrauchsmuster steht allerdings nur fürErzeugnis-, nicht aber für Verfahrenserfindungenzur Verfügung. Ausdrücklich ausgeschlossensind Gebrauchsmuster auf dem Gebiet derBiotechnologie.29


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