4 / lokaltermin März 2013 Das Quäntchen Glück im <strong>Sport</strong> Beim Heimspiel der ersten Frauenmannschaft des GC Amicitia Zürich gegen den BSV Stans wurde mit vollem Körpereinsatz um den Sieg gekämpft. Auch mental mussten die jungen Spielerinnen fit sein – sportlicher Erfolg wird oft im Kopf entschieden. «Wir kämpfen um jeden Punkt» Alice Werner Saalsporthalle Zürich, Samstagabend: Heimspiel der ersten Frauenmannschaft des GC Amicitia Zürich gegen den BSV Stans. In der Halle riecht es nach aufgewärmten Würstchen und PVC-Boden. Eben hat hier noch die erste Herrenmannschaft trainiert. Jetzt zieht der Speaker der bevorstehenden Partie am Tonpult einen Regler hoch und es läuft Harry Belafonte mit dem «Banana Boat Song». Die Handball- Männer trollen sich vom Spielfeld. Während auf der Tribüne noch lautstark geschwatzt wird, laufen die Mannschaften ein. Unter die Anheizmusik mischen sich Sprechchöre: «Go, Ami, go!» und «GCA! GCA!» Nur noch wenige Minuten bis Spielbeginn. Speaker Toni Gehrig präsentiert die wichtigsten Fakten zum Match: Wo stehen die Teams in der Tabelle, wie lief die letzte Begegnung? «Beide Mannschaften», feuert Gehrig die versammelten Fans an, «brauchen eure Unterstützung!» In den vordersten Rängen wird gejohlt. Schnell winken einige Spielerinnen ihren Familien zu. Es bleibt noch eine Minute, um sich auf die Partie einzuschwören. Am Spielfeldrand stecken die GC-Amicitia-Frauen eng umschlungen ihre Köpfe zusammen, sie bilden eine weiss-orangefarbene Traube. Letzte Anweisungen der Trainer. Dann ist es 18:00 Uhr: Anpfiff vor gut hundert Zuschauern. Training <strong>für</strong> den Kopf «Es wird ein harter Kampf», hat GC- Amicitia-Trainer Marcel Keller vor dem Match prophezeit. Für seine vierzehn Spielerinnen der Frauen Spar Premium League ist es das zweite Spiel in der laufenden Auf-/ Abstiegsrunde 2013. «Eigentlich sind wir die stärkere Mannschaft, allerdings haben wir die emotional schwierigere Ausgangslage.» Denn der Gegner ist gerade erst in die erste Liga aufgestiegen, er kann in jeder Partie nur gewinnen. Keller, der das Frauen-Team des Clubs seit zwei Jahren betreut, weiss aus eigener Erfahrung als Spieler, dass Erfolg oft im Kopf entschieden wird. Mentales Coaching nimmt in seinem Trainingsplan daher einen wichtigen Stellenwert ein. «Für die jungen Spielerinnen Anfang zwanzig», gibt er zu bedenken, «ist vieles im Umbruch. Ablösung von der Familie, Ausbildung, die erste eigene Wohnung, dazu noch der sportliche Ehrgeiz.» Vier-Augen-Gespräche über persönliche Ziele, Zeitmanagement und Erwartungsdruck seien da unabdingbar. Keller lacht, zuckt die Schultern und sagt dann rundheraus: «Manchmal fühle ich mich eher als Erzieher.» Nur bei einem im Team wichtigen Gesprächsthema hält er sich mit Ratschlägen vornehm zurück: dem Trainingsoutfit. «Ob nun dieses oder jenes Trikot besser aussieht, sollen die Spielerinnen unter sich verhandeln.» Leidenschaftliche Partie Auch jetzt, nach der ersten Halbzeit, auf dem Weg in die Kabine, wird gestenreich diskutiert. Es steht 11:11, ein Ergebnis, mit dem sich keine GC-Amicitia-Spielerin zufrieden geben will. Bislang war es eine leidenschaftliche Partie, in der beide Teams mit halsbrecherischem Vorpreschen und harten Schüssen versucht haben, einen erkämpften Vorsprung auszubauen. Vor allem die <strong>Zürcher</strong>innen stürzten sich mit viel Einsatz in die Zweikämpfe. Nicht immer ging die Angriffstaktik auf. Trainer Marcel Keller hat vor dem Match die positive Entwicklung der Mannschaft gelobt, doch Qualität braucht eben immer auch Zeit. Erst im letzten Jahr sind seine Spielerinnen in die erste Liga aufgestiegen, da kann man noch keine stabile Topleistung erwarten. Dennoch hat der Verein bewusst keine Spielerinnen von aussen dazu geholt: «Wir versuchen, unseren eigenen Nachwuchs gezielt zu fördern.» Fördern heisst zunächst einmal hartes Training: Viermal pro Woche studiert die Frauenmannschaft Spielzüge ein, um <strong>für</strong> den Ernstfall gewappnet zu sein. Körperlich gehe das an die Substanz, sagt Keller, der lange als Coach im Männersport gearbeitet hat, und schiebt noch ein weiteres Lob hinterher: «<strong>Sport</strong>lerinnen, das ist meine Erfahrung, sind in der Regel viel ausdauernder als ihre männlichen Kollegen.» Heute Abend allerdings erzielt Ausdauer <strong>für</strong> einmal nicht den Sieg. Kellers Mannschaft fehlt in den letzten Minuten das berühmte Quäntchen Glück. Vielleicht sind es auch die Nerven. «Das ist halt so im <strong>Sport</strong>», sagt der Trainer. «Siege kann man einfach nicht planen.» Obwohl sich Hanita Hasanaj immer wieder in Abschlussposition brachte, reichte es nur <strong>für</strong> ein Remi. Foto: GC Amicitia Die 18-jährige Chantal Wick trainiert seit sechs Jahren beim GC Amicitia Zürich. Die talentierte Feldspielerin mit der Rückennummer zwei verrät im Zürisport-Interview, warum Frauenhandball attraktiver ist als das Spiel der Männer. Handball gilt als die härteste Ballsportart. Was fasziniert Sie an einem Spiel, in dem Ellbogenstösse und Bodychecks Routine sind? Stimmt, Handball ist recht brutal. Man geht immer lädiert aus dem Spiel. Aber an die blauen Flecken gewöhnt man sich. Und der Reiz liegt eben im intensiven Körperkontakt mit dem Gegner. Die Spielfläche ist ja relativ klein, man bewegt sich auf engem Raum. Das macht das Spiel auch so extrem schnell. Zwischen Angriff und Verteidigung muss man blitzschnell umschalten. Der Männerhandball wird immer beliebter und kann mittlerweile auch grosse Hallen füllen. Warum fristet der Frauenhandball ein Schattendasein? Es ist schade, dass Frauensport generell nicht so angesehen ist. Da<strong>für</strong> gibt es eigentlich keinen Grund. Gerade im Handball sind die Unterschiede zwischen dem Spiel der Männer und dem der Frauen gering. Klar, wir haben weniger Kraft, können nicht so hoch springen. Ansonsten müssen wir aber den gleichen Körpereinsatz und die gleiche spielerische Leistung zeigen. Wir sind genauso ehrgeizig und kämpfen um jeden Punkt. Es gibt nichts Lässigeres, als ein Goal zu schiessen. Ich behaupte daher, dass der Zuschauer keinen Qualitätsunterschied zwischen Männer- und Frauenmannschaft bemerkt. Frauenhandball ist also genauso attraktiv? Viel attraktiver! Wir sehen schliesslich besser aus, spielen eleganter und haben die schöneren Trikots. Die Auf-/Abstiegsrunde läuft: Was sind Ihre sportlichen und persönlichen Ziele <strong>für</strong> den Rest der Saison? Nicht absteigen und jedes Match gewinnen wollen. <strong>Im</strong> Herbst beginne ich mit dem Studium, Handball wird mich aber weiterhin begleiten. Auch weil ich im Verein und im Team so viele Kolleginnen gefunden habe. Wenn man einen Mannschaftssport macht, gewinnt man ja gleichzeitig ein soziales Umfeld – wir sind eine total eingeschworene Gemeinschaft.