Sprachförderung im Kindergarten: ein Konzept in Bausteinen
Sprachförderung im Kindergarten: ein Konzept in Bausteinen
Sprachförderung im Kindergarten: ein Konzept in Bausteinen
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Dr. Henn<strong>in</strong>g Rosenkötter<br />
Sozialpädiatrisches Zentrum<br />
Posilipostr. 4<br />
71630 Ludwigsburg<br />
henn<strong>in</strong>g.rosenkoetter@kl<strong>in</strong>iken-lb.de<br />
www.sprachfoerderung-freiberg.de<br />
www.henn<strong>in</strong>g-rosenkoetter.de<br />
<strong>Sprachförderung</strong> <strong>im</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong>: <strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>Konzept</strong> <strong>in</strong> Baust<strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />
Seit 1999 arbeitet <strong>in</strong> der Stadt Freiberg am Neckar (rund 15.000 E<strong>in</strong>wohner) <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />
<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeitsgruppe "<strong>Sprachförderung</strong> <strong>im</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong>". An der<br />
Arbeitsgruppe nehmen Erzieher<strong>in</strong>nen aus allen K<strong>in</strong>dergärten, die<br />
Spracherzieher<strong>in</strong>nen, <strong>e<strong>in</strong></strong>e Lehrer<strong>in</strong> der Sprachheilschule, <strong>e<strong>in</strong></strong> Schulrat, <strong>e<strong>in</strong></strong> Logopäde<br />
und der Ärztliche Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums teil. Ziel der Arbeit war es<br />
zunächst, Methoden der Vorbeugung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten<br />
<strong>e<strong>in</strong></strong>zuführen. Anhand <strong>e<strong>in</strong></strong>er eigenen Untersuchung konnten wir zeigen, dass es <strong>im</strong>mer<br />
noch schwierig ist, zuverlässig diejenigen K<strong>in</strong>der zu identifizieren, die <strong>e<strong>in</strong></strong> erhöhtes<br />
Risiko für Leserechtschreibstörungen (LRS) haben 1 . Wir folgerten daraus, dass es<br />
wichtig sei, alle K<strong>in</strong>der zu fördern, nicht nur solche mit <strong>e<strong>in</strong></strong>em verm<strong>e<strong>in</strong></strong>tlichen aber<br />
nicht gesicherten Risiko für LRS. Es ist uns gelungen, die Häufigkeit von LRS <strong>in</strong><br />
unserer Stadt deutlich zu senken 2 .<br />
Seither wurden mehrere Projekte umgesetzt:<br />
- <strong>Sprachförderung</strong> für alle K<strong>in</strong>der ab <strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong><strong>e<strong>in</strong></strong>tritt i.S. <strong>e<strong>in</strong></strong>er Pr<strong>im</strong>ärprävention,<br />
- Intensivsprachförderung für K<strong>in</strong>der mit Sprachauffälligkeiten,<br />
- Vorbeugung von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten,<br />
- Entwicklung von Beobachtungsbögen,<br />
- wissenschaftliche Begleitung der Projekte und<br />
- Fortbildung für Erzieher<strong>in</strong>nen.<br />
Das Freiberger <strong>Konzept</strong> der ganzheitlichen, modularen <strong>Sprachförderung</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong> besteht aus vier Baust<strong>e<strong>in</strong></strong>en:<br />
Basisbaust<strong>e<strong>in</strong></strong>: <strong>Sprachförderung</strong> für alle K<strong>in</strong>der ab 3 Jahren (durch alle<br />
Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> allen K<strong>in</strong>dergärten)<br />
Frühe <strong>Sprachförderung</strong> für K<strong>in</strong>der <strong>im</strong> 3.-4. Lebensjahr (durch aus- und<br />
fortgebildete Spracherzieher<strong>in</strong>nen)<br />
Intensivsprachförderung <strong>in</strong> Kl<strong>e<strong>in</strong></strong>gruppen <strong>im</strong> 4.-5. Lebensjahr ( durch die<br />
Spracherzieher<strong>in</strong>nen)<br />
Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten für alle K<strong>in</strong>der <strong>im</strong> letzten<br />
halben Jahr vor E<strong>in</strong>schulung (durch alle Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> allen K<strong>in</strong>dergärten)<br />
1 Rosenkötter, H. (2004): Zur Früherkennung der Legasthenie, Forum Logopädie,<br />
2 Nicolay, K., Rupp, A. (2004): Evaluation <strong>e<strong>in</strong></strong>es vorschulischen Förderprogramms und <strong>e<strong>in</strong></strong>er Test-CD zur<br />
auditiven Wahrnehmung. Diplomarbeit, Universität Mannhe<strong>im</strong>
3. 4. 5. 6. Lebensjahr<br />
Baust<strong>e<strong>in</strong></strong> 3<br />
Baust<strong>e<strong>in</strong></strong> 1<br />
Frühe<br />
<strong>Sprachförderung</strong><br />
Baust<strong>e<strong>in</strong></strong> 2<br />
Intensiv-<br />
<strong>Sprachförderung</strong><br />
Prävention<br />
von<br />
Lese-<br />
Rechtschreib<br />
schwäche<br />
Basisbaust<strong>e<strong>in</strong></strong><br />
<strong>Sprachförderung</strong> für alle K<strong>in</strong>der<br />
Voraussetzung und B<strong>in</strong>deglied ist die regelmäßige Erfassung und Dokumentation der<br />
Entwicklungsschritte aller K<strong>in</strong>der. Dazu wurde <strong>e<strong>in</strong></strong> Beobachtungsbogen entwickelt,<br />
mit dem die Erzieher<strong>in</strong>nen jedes K<strong>in</strong>d <strong>e<strong>in</strong></strong>mal <strong>im</strong> Jahr genau beobachten und s<strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />
Entwicklungsschritte feststellen. Auffälligkeiten <strong>in</strong> der Entwicklung und speziell der<br />
Sprachentwicklung werden gezielt dokumentiert. Der Beobachtungsbogen liegt für<br />
drei Altersstufen vor: für das 3., das 4. und das 5.-6. Lebensjahr. Er ermöglicht <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />
kont<strong>in</strong>uierlichen Überblick über wichtige Entwicklungsschritte:<br />
• Körpermotorik<br />
• Handmotorik<br />
• Spielen und Lernen<br />
• Emotionale und soziale Kompetenz<br />
• Sprache und Sprechen<br />
Sprachverständnis<br />
Grammatik<br />
Aktiver Wortschatz<br />
Artikulation<br />
Der Beobachtungsbogen dient zudem als Grundlage für die E<strong>in</strong>leitung <strong>in</strong>tensiver<br />
<strong>Sprachförderung</strong> und für Elterngespräche und ist somit Teil der Umsetzung des<br />
Bildungs- und Orientierungsplans für die K<strong>in</strong>dergärten <strong>in</strong> Baden-Württemberg.<br />
Als Material für die <strong>Sprachförderung</strong> und für die Intensivsprachförderung <strong>in</strong><br />
Kl<strong>e<strong>in</strong></strong>gruppen wurden bewährte und häufig <strong>im</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong> genutzte Sprachspiele<br />
gesammelt. E<strong>in</strong>en umfangreichen Teil zur Förderung von Grammatik und Wortschatz<br />
haben wir selbst entwickelt und ergänzt. All diese Sprachspiele s<strong>in</strong>d folgenden<br />
Kategorien der Sprachentwicklung zugeordnet:
• Wortschatz<br />
• Prosodie<br />
• Grammatik<br />
• Hörwahrnehmung<br />
• Sprachverständnis<br />
• Gedächtnis und Aufmerksamkeit<br />
• Sprache und Handlung<br />
Diese Sammlung bildet den Fundus für die Freiberger Sprachspiele „Die<br />
Schatzkiste“. Um <strong>e<strong>in</strong></strong>en gem<strong>e<strong>in</strong></strong>samen Bedeutungsrahmen zu schaffen, werden die<br />
Spiele nach den vier Jahreszeiten, nach Spielen für die Begegnung und Spielen zur<br />
Mundmotorik geordnet 3 .<br />
Intensivsprachförderung <strong>in</strong> Kl<strong>e<strong>in</strong></strong>gruppen: K<strong>in</strong>der mit verzögerter<br />
Sprachentwicklung werden <strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong></strong>en Gruppen von 6-8 K<strong>in</strong>dern zwei bis drei Stunden<br />
wöchentlich gefördert. Diese Arbeit wird von <strong>e<strong>in</strong></strong>er Spracherzieher<strong>in</strong> durchgeführt. Die<br />
Notwendigkeit für die Förderung ergibt sich aus den Sprachauffälligkeiten, die <strong>im</strong><br />
Beobachtungsbogen festgestellt wurden, und aus <strong>e<strong>in</strong></strong>em standardisierten<br />
Sprachentwicklungstest (SET-K). Die Spracherzieher<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
<strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong>alltag <strong>e<strong>in</strong></strong>gebunden, stehen <strong>in</strong> engem Austausch mit den anderen<br />
Erzieher<strong>in</strong>nen und greifen die aktuellen Themen des <strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong>s auf. E<strong>in</strong>e neue<br />
Untersuchung von H. Schöler und Mitarbeitern (Pädagogische Hochschule<br />
Heidelberg) 4 hat deutlich gezeigt, dass die Methodik der <strong>Sprachförderung</strong> nicht für<br />
den Erfolg maßgeblich ist sondern die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der fördernden Person <strong>in</strong> den<br />
Alltag, die gute Beziehung zwischen der fördernden Erzieher<strong>in</strong> und den K<strong>in</strong>dern und<br />
die Häufigkeit und Dauer der Förderung.<br />
Diese sprachauffälligen K<strong>in</strong>der sollten auch dem K<strong>in</strong>derarzt vorgestellt werden, <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />
Hörtest, <strong>e<strong>in</strong></strong>e Entwicklungsdiagnostik und <strong>e<strong>in</strong></strong>e logopädische Behandlung oder <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />
sonderpädagogische <strong>Sprachförderung</strong> erhalten.<br />
Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten: Die Erzieher<strong>in</strong>nen führen mit<br />
allen Vorschulk<strong>in</strong>dern 20 Wochen lang täglich Sprachspiele <strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong></strong>en Gruppen<br />
durch: Spiele zur Förderung der phonologischen Bewusstheit und Spiele zur<br />
Buchstaben-Laut-Verb<strong>in</strong>dung. Das Material für diese Spiele ist <strong>in</strong> den ersten 10<br />
Wochen das Würzburger Programm "Hören, lauschen, lernen", <strong>in</strong> der 11.-20. Woche<br />
die von uns entwickelten Freiberger Sprachspiele "Hören, sehen, verstehen" 5 .<br />
Inhaltlich geht es darum, dass zu den „Vorläuferfähigkeiten“ nicht nur die<br />
Schlüsselfunktion „Phonologische Bewusstheit“ gehört sondern auch die<br />
Graphemerkennung und die Graphem-Phonem-Verknüpfung.<br />
Besonderheiten des Freiberger <strong>Konzept</strong>es:<br />
Durchführung <strong>in</strong> allen K<strong>in</strong>dergärten der Stadt Freiberg, <strong>in</strong> vielen K<strong>in</strong>dergärten <strong>im</strong><br />
Landkreis Ludwigsburg und <strong>in</strong> mehreren Städten <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Wissenschaftliche Absicherung,<br />
3 Sonnenberg, I. (2006): Effekte <strong>e<strong>in</strong></strong>er <strong>in</strong>tensivierten kommunikativ ausgerichteten <strong>Sprachförderung</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu <strong>e<strong>in</strong></strong>er allgem<strong>e<strong>in</strong></strong>en <strong>Sprachförderung</strong> bei K<strong>in</strong>dern. Diplomarbeit Universität Koblenz-Landau<br />
4 Schakib-Ekbatan, K., Hasselbach, P., Roos, J., Schöler, H. (2008): Evaluationsstudie zur <strong>Sprachförderung</strong><br />
von Vorschulk<strong>in</strong>dern (Die Wirksamkeit der <strong>Sprachförderung</strong>en <strong>in</strong> Mannhe<strong>im</strong> und Heidelberg auf die<br />
Sprachentwicklung <strong>im</strong> letzten <strong>K<strong>in</strong>dergarten</strong>jahr), Vortrag ISES Ma<strong>in</strong>z<br />
5 Das Material ist beschrieben und zu bestellen unter www.sprachfoerderung-freiberg.de
Interdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeitsweise durch den „Arbeitskreis <strong>Sprachförderung</strong>“<br />
Die Überzeugung, dass Sprachauffälligkeiten bei K<strong>in</strong>dern durch tägliche<br />
Beobachtung und den Beobachtungsbogen sicherer erkannt werden können als<br />
durch <strong>e<strong>in</strong></strong>en Screen<strong>in</strong>gtest,<br />
Alle K<strong>in</strong>der <strong>e<strong>in</strong></strong>er Altersgruppe nehmen an der Basissprachförderung und an der<br />
Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten teil statt nur <strong>e<strong>in</strong></strong>er<br />
verm<strong>e<strong>in</strong></strong>tlichen Gruppe von „Risikok<strong>in</strong>dern“.<br />
E<strong>in</strong> Aspekt kann auch anderen E<strong>in</strong>richtungen und Trägern Mut machen: Die<br />
F<strong>in</strong>anzierung der Sprachfördermaßnahmen wird von der Stadt Freiberg nach<br />
<strong>e<strong>in</strong></strong>helligem Votum aller <strong>im</strong> Stadtrat vertretenen Parteien geleistet. Ohne <strong>e<strong>in</strong></strong>en guten<br />
Austausch mit den politisch Verantwortlichen und mit der Offenlegung der <strong>Konzept</strong>e<br />
und Erfolge wäre es nicht zu dieser guten Zusammenarbeit gekommen. Die Stadt<br />
Freiberg ist von der Qualität der <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dergärten und <strong>in</strong> der Arbeitsgruppe<br />
geleisteten Arbeit überzeugt und unterstützt die <strong>Sprachförderung</strong> nachhaltig.