Die jungen WilDen - Bergrettungsdienst im AVS Meran
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<strong>Die</strong> <strong>jungen</strong> Wilden<br />
<strong>Meran</strong>er Bergsteiger <strong>im</strong> Aufbruch<br />
22 23<br />
überkommen uns, ob wir die restliche Strecke am nächsten Tag schaffen können. Laut Führer<br />
stehen uns noch 15 Stunden schwierigster Kletterei bevor.<br />
Nach einmaligem Abseilen finden wir einen geeigneten Platz für unser Biwak. Auf dem gegenüberliegenden<br />
S-Grat bemerken wir eine Seilschaft, die dort die Nacht verbringt. Ein gegenseitiger<br />
Jauchzer erhöht unsere St<strong>im</strong>mung.<br />
Nach kurzer Stärkung brechen wir am nächsten Tag zeitig auf. Kalt ist es mir in den Gliedern, als<br />
ich den zweiten Turm angehe. Er soll der schwierigste von allen sein. <strong>Die</strong> Erstbegeher haben<br />
nur wenige Haken hinterlassen, auch die weiteren Begeher haben die selbstgeschlagenen<br />
Haken wieder herausgeschlagen. Meist bringt man nur U-Haken unter. Der Riss wird weiter<br />
oben manchmal breiter, so breit, dass man sich mit Schuhen und Fäusten verklemmen kann,<br />
um sich höher zu ziehen. Gerhard legt in der nächsten Seillänge Schlingen um alte morsche<br />
Holzkeile und ruft mir zu, ich solle ja aufpassen.<br />
Dann folgt wieder herrliche Kletterei, begeistert feuern wir uns gegenseitig an.<br />
Das Abseilen gestaltet sich schwierig, wir müssen uns eine Trittleiter umhängen, um überhaupt<br />
einen Abseilsitz zu bauen. Dann baumeln wir freihängend hinunter, 20-30 Meter! <strong>Die</strong><br />
schweren Rucksäcke behindern und ärgern uns, manchmal kippe ich fast aus dem Dülfersitz.<br />
Der dritte Turm ist etwas kürzer und leichter, die Kletterei an diesen Zacken wirklich herrlich.<br />
<strong>Die</strong> letzten Meter klettern wir genau auf der Turmkante. Be<strong>im</strong> Abstieg ärgert uns das Ausziehen<br />
der Seile, wir reißen und zerren an ihnen, bis wir sie endlich frei haben und wir weiter<br />
abseilen können.<br />
Am vierten Turm heißt es 30 Meter an den Haken queren. Alle sitzen fest <strong>im</strong> Granit, man hat<br />
wirkliches Vertrauen. Bald reichen wir uns zum vierten Mal die Hand.<br />
Ein kurzer Blick zum Südgrat, wo Hochbetrieb herrscht: Seilschaft reiht sich an Seilschaft. Wie<br />
freuen wir uns, hier auf den Westgrat-Türmen allein zu sein.<br />
Am nächsten Turm geht Gerhard einen engen Kamin an. „Mit den Rucksäcken ist Turm 2 und<br />
3 am Westgrat des Salbitschijen nicht zu machen“, meint er. Wir binden sie an ein Seil und<br />
ziehen sie dann, wenn wir auf dem Pfeilerkopf stehen, nach. Noch einige Seillängen und wir<br />
stehen auf einem Gipfel, doch es ist noch nicht der letzte. Weit kann es nicht mehr sein. Zuerst<br />
müssen wir noch hinunter in ein Couloir und dann wieder hinauf. Jetzt merke ich die<br />
Müdigkeit. Voll Begier schlürfen wir vom Wasser, das in einer Rinne herabspritzt. Mit letzter<br />
Kraft klettern wir noch über den letzten Aufschwung und erreichen den höchsten Punkt des<br />
Salbitschijen.<br />
Wir sind zu erschöpft, um uns zu freuen.<br />
<strong>Die</strong>ter Drescher<br />
Königspitze-Nordwand<br />
Erste Alleinbegehung am 7.6.1964<br />
Schon bei der Besteigung der Königspitze über die Nordwand mit meinen Freunden Helmut<br />
Larcher, Karl Glatz und Ulli Kössler am 17.5.1964 kam mir der Gedanke, dass diese Wand auch<br />
<strong>im</strong> Alleingang zu machen sein müsste. Gleiches hatte ich auch 1963 bei der Begehung der<br />
Ortler-Nordwand mit Fritz Pichler gedacht.<br />
Ende Mai Anfang Juni 1964 schienen die Verhältnisse zu passen, und so wollte ich die Sache<br />
angehen, bevor mir jemand zuvorkam. Sepp Hölzl und Walter Raffl wollten mich als Seilschaft<br />
begleiten, und so starteten wir gemeinsam zur Hintergrathütte. <strong>Die</strong> war brechend voll. Nach<br />
einer Gemüsesuppe blieb nur das Nachtlager auf der harten Stubenbank. Kaum eingeschlafen<br />
kommt Sepp an: „Da sind jede Menge Nordwandaspiranten!“ Also auf, Rucksack gepackt<br />
und nichts wie weg.<br />
Bald ist die ganze Hütte auf den Beinen, hinter uns tappt eine lange Lichterkette durch die<br />
Nacht der Wand zu. Der Aufstieg über die Rampe geht flott, die Querung in den oberen Königwandferner<br />
hinein auch.<br />
Plötzlich bewegt sich etwas rechts hinter uns. Wie Murmeltiere krabbeln zwei Bergsteiger aus<br />
einem Biwakloch. Es sind zwei unserer <strong>Meran</strong>er Kameraden: Heini Holzer und Hans Authier<br />
(erst mehr als dreißig Jahre später habe ich aus dem Buch über Heini Holzer erfahren, dass<br />
beide auch die Solobegehung <strong>im</strong> Sinn hatten). Am Bergschrund komme ich gleichzeitig mit<br />
drei Innsbrucker Bergsteigern an. Sie helfen mir mit dem Pickel als Stufe über die Spalte. Danach<br />
steige ich ruhig und gleichmäßig höher. <strong>Die</strong> Verhältnisse könnten nicht besser sein. <strong>Die</strong><br />
Felszone <strong>im</strong> unteren Drittel ist teilweise mit Eis und Firn verkleistert, so ist alles mit Steigeisen<br />
zu klettern. An der Schlüsselstelle am Übergang zur Eiswand, am sogenannten Roten Knöttl,<br />
wusste ich einen Nagel, den wollte ich zur Selbstsicherung verwenden. Da er aber zu weit<br />
rechts war, wollte ich nicht lange herumzaubern und bin auch diese Stelle frei geklettert.<br />
<strong>Die</strong> Eiswand war schön zu gehen, Schritt für Schritt kam ich höher, die Seilschaften waren jetzt<br />
schon weit zurück. Am Ausstieg zum Grat rechts der Schaumrolle wurde es etwas steiler. Da<br />
drehte ich noch eine Schraube hinein, um mich selbst zu sichern. Im Nachhinein betrachtet<br />
war das völlig nutzlos, ich hatte nur ein besseres „Wäscheseil“, das ich statisch in die Schraube<br />
eingefädelt hatte. Im Falle eines Sturzes wäre das Seil gerissen oder die Schraube ausgebrochen.<br />
Der Moral hat es aber geholfen! Seiltechnik und Materialkunde habe ich erst später bei<br />
der Bergführerausbildung gelernt.<br />
<strong>Die</strong> letzten Meter über den Grat sind ein Spaziergang. Am Gipfel ist es noch ruhig, auch die<br />
Normalweg-Geher sind noch ein Stück unten. Das Wetter ist herrlich und klar. Ich setze mich<br />
ans Gipfelkreuz, betrachte das Gipfelrund und sinniere vor mich hin: die zwei schwierigsten<br />
Wände der Ortlergruppe sind mir <strong>im</strong> Alleingang gelungen, nun kann ich wieder ruhig schlafen!<br />
Bald kommen auch die Kameraden Sepp, Walter, Heini und Hans, gemeinsam steigen wir<br />
nach Sulden ab.