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Die jungen WilDen - Bergrettungsdienst im AVS Meran

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<strong>Die</strong> <strong>jungen</strong> Wilden<br />

<strong>Meran</strong>er Bergsteiger <strong>im</strong> Aufbruch<br />

42 43<br />

Wir fassten den bitteren Entschluss, auf die zwei Siebentausender zu verzichten: bei dieser<br />

Neuschneelage konnten wir es nicht verantworten, gemeinsam auf Lager 2 zu steigen. Auf<br />

mindestens drei Schönwettertage konnten wir aus zeitlichen Gründen nicht warten.<br />

Helmut, Markus und ich gehen am nächsten Morgen los, um die Sachen von Lager 2 zu holen.<br />

Mühsam spuren wir hinauf und erreichen das Lager gegen 14.00 Uhr. Weiter oben scheinen<br />

die Verhältnisse besser zu sein. Wir fühlen uns gut in Form und entschließen uns, mit einem<br />

Zelt und dem Notwendigsten weiterzusteigen. Knietief spuren wir weiter und erreichen auf<br />

6470 m Höhe einen geeigneten Platz für Lager 3.<br />

<strong>Die</strong> folgende Nacht war bitterkalt, die Schlafsäcke hatten wir ja in Lager 1 zurückgelassen, da<br />

wir nur die Sachen in Lager 2 holen wollten. Wir krochen in die zwei Biwaksäcke, legten uns<br />

auf die Frigolitplatten und dösten ein, während der Sturm am Zelt zerrte.<br />

Vor Tagesanbruch sind wir schon auf den Beinen, es ist sehr kalt, minus 25 Grad! In der dünnen<br />

Luft spüren wir die Kälte mehr als drunten <strong>im</strong> Tal. Wir sind froh, dass wir gehen können,<br />

unser Auftrieb ist gewaltig, am liebsten wären wir auf den Gipfel hinaufgerannt. Doch langsam,<br />

Schritt für Schritt, steigen wir weiter. Seil und Steigeisen trägt der Helmut, ich trage den<br />

Rucksack, Markus, der Älteste, geht leer.<br />

Durch den Eisbruch suchen wir hinauf, einige Eiswandeln in 6600 m Höhe machen uns mit<br />

ihrer Steilheit von 40 bis 45 Grad gewaltig nach Luft ringen. Nach einigem Hin und Her finden<br />

wir einen Durchschlupf und gelangen gegen 14.00 Uhr über eine schneebrettgefährdete<br />

Rampe ins oberste Gletscherbecken. Wir sind auf 6750 m Höhe. Hier sehen wir den Gipfelaufbau<br />

der zwei Siebentausender. Eine endlose lange Mulde trennt uns noch von ihnen. Nach<br />

einer kleinen Pause lassen wir Pickel und Seil hier. Im grauslichsten Bruchharsch spuren wir<br />

weiter, was unsere ganze Kraft erfordert. Fürchterlich brennt die Sonne auf uns. Keuchend<br />

stützen wir uns <strong>im</strong>mer wieder auf die Schistöcke und schnappen wie Fische nach Luft. Endlich<br />

stehen wir unter dem Gipfelhang des Darban Zoom, der uns ganz nahe erscheint. Doch<br />

in dieser Höhe kann man sich in der Entfernung gewaltig täuschen: es ist bereits drei Uhr<br />

nachmittags, bis zum Gipfel brauchen wir sicher noch eine Stunde. <strong>Die</strong> Zeit wird also knapp.<br />

Es braucht unseren ganzen Ehrgeiz, unsere ganze Willenskraft um weiterzugehen.<br />

Da entschließt sich Helmut, an der Siebentausendergrenze umzukehren, um unseren Rückzug<br />

zu sichern: er legt eine neue sichere Abstiegsspur, während Markus und ich über den<br />

steilen Firngrat langsam höher steigen. Welch ein Kameradschaftsgeist! Helmut verzichtet<br />

freiwillig auf den Gipfel, um seinen Freunden den Abstieg zu sichern!<br />

Jeder Schritt, den Markus und ich jetzt höher steigen, braucht zwei tiefe Atemzüge. Nach<br />

jedem siebten Schritt machen wir eine kleine Pause und atmen <strong>im</strong>mer wieder tief ein. Das<br />

ist die einzige Technik, mit der man in dieser Höhe ohne künstlichen Sauerstoff gehen kann.<br />

Der Hang wird nun allmählich flacher, schon sehen wir den Gipfelfelsen, ganz nah erscheint<br />

er uns. Aber nur nicht aus dem Rhythmus kommen, es ist noch ein schönes Stück bis dorthin.<br />

Unglaublich wie alles so nah aussieht. Es ist 16.00 Uhr, der Höhenmesser zeigt 7220 m an,<br />

höher hinauf geht`s n<strong>im</strong>mer. Wir haben unser Ziel erreicht.<br />

Dankend reichen wir uns die Hand und schauen in die weite Runde. Wir sehen den Pamir,<br />

unser Blick reicht hinein nach Afghanistan und nach Russland.<br />

Unter uns lauter Fünf- und Sechstausender. Gegenüber überragen uns noch zwei höhere Siebentausender.<br />

Es ist alles so gewaltig und wuchtig, ein Vielfaches unserer He<strong>im</strong>atberge. Jede<br />

kleinste Bewegung macht uns nach Luft ringen. Nach einer halben Stunde beginnen wir mit<br />

dem Abstieg. Vom Gipfel nehme ich als Andenken und als Talisman ein kleines Steinchen mit.<br />

Neben dem Firngrat und<br />

dann über Hänge, die wir<br />

übersehen können, rutschen<br />

wir einfach hinunter<br />

und treffen auf die Spur<br />

von Helmut.<br />

Nur so schnell und so<br />

kraftsparend wie möglich<br />

hinab in tiefere Zonen,<br />

das ist mal das Wichtigste.<br />

Mitten <strong>im</strong> Eisbruch<br />

überrascht uns die Nacht,<br />

aber da ist auch wieder<br />

Helmut. Wir seilen uns an<br />

und sichern <strong>im</strong> Dunkeln<br />

über Spalten und Brücken.<br />

Lang kann es nicht mehr<br />

dauern, bis wir Lager 3<br />

erreichen. Gerade rechtzeitig<br />

geht der Mond auf,<br />

und wir drei queren durch<br />

Markus und Ulli (rechts) auf dem Darban Zoom<br />

eine gespenstische Eislandschaft<br />

unserem winzigen<br />

Zelt entgegen.<br />

Wieder verbringen wir eine kalte, schlaflose Nacht ohne Schlafsäcke auf 6500 m Höhe. Bis<br />

nach Mitternacht kochen wir Tee und Ovomaltine mit Haferflocken. Ich habe Magenkrämpfe,<br />

den Markus plagt der Höhenhusten. Endlich weicht die Nacht. In den ersten Sonnenstrahlen<br />

packen wir das Zelt zusammen und steigen ins Lager 2 ab. <strong>Die</strong>ses müssen wir erst aus dem<br />

Schnee graben. Mit den nun schwerer gewordenen Rucksäcken geht es <strong>im</strong>mer tiefer hinab.<br />

Wieder müssen wir durch die lange Mulde zum Lager 1 hinausspuren. <strong>Die</strong> Sonne brennt heiß<br />

auf unsere Nacken. Wie sind wir froh, als uns die Kameraden entgegenkommen und uns die<br />

Rucksäcke abnehmen. Auch sie haben gestern zwei Sechstausender erstbestiegen. Es waren<br />

die Grenzberge „Quote 6“, 6200 m und „M 9“, 6260 m, gegen Afghanistan hin.<br />

Nach einem kräftigen Essen brechen wir Lager 1 ab und erreichen nach 5 Stunden Abstieg<br />

müde, aber glücklich das Hauptlager auf 4600 m.<br />

Am nächsten Tag waren gegen Mittag bereits die Träger da, einen Tag früher als geplant. Es<br />

war rührend, wie diese rauen Burschen Äpfel, Birnen und Marillen vor uns hinlegten. Im Gegenzug<br />

erhielten sie unsere Konserven, die wir schon nicht mehr sehen konnten.<br />

Kriegsmeldungen mahnten zur Eile. Noch am gleichen Tag erreichten wir den letzten Lagerplatz<br />

und nach vier Tagen Gewaltmarsch die Ortschaft Reschun südlich des Zanipasses.<br />

Trotz der kriegerischen Handlungen zwischen Pakistan und Indien gelang es uns, rechtzeitig<br />

das Land zu verlassen.<br />

Hunger und Durst, Sauerstoffmangel und Kälte, schlaflose Nächte: alles war vergessen. <strong>Die</strong><br />

Erinnerung an die schönen Stunden <strong>im</strong> Hindukusch in einem fremden, fernen Land ist uns<br />

geblieben.

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