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MH_Zeitung_2013_34.pdf - Stiftung Marthahaus

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MARTHA-HAUS-ZEITUNG<br />

Heimatbilder<br />

Der bekannte hallesche Arzt, Prof.<br />

Karl Ludwig Schober (1912 - 1999),<br />

der Erfinder der Herz-Lungen-<br />

Maschine, war von 1943 bis 1948 in<br />

russischer Kriegsgefangenschaft. In<br />

seinem unglaublich berührenden<br />

Buch „Stalingrad“ mit dem Untertitel<br />

„Befreiung in Gefangenschaft“<br />

beschreibt er immer wieder, wie stark<br />

ihn das Heimweh in der Zeit der<br />

Unfreiheit packt. Auf der letzten<br />

Seite schreibt er:<br />

Die weitere Heimfahrt war gemischt aus<br />

der Freude und der Trauer um das Wie,<br />

das uns mit jedem Schritt vor die Augen<br />

trat. Kurze Zeit später ging ich wieder<br />

durch die Straßen meiner Heimatstadt<br />

fast wie ein Fremder, verstohlen betrachtet<br />

oder beglotzt wie ein Fremder<br />

in meiner Gefangenentracht mit dem<br />

seltsamen Gepäck. Ich betrat wieder<br />

mein Vaterhaus mit dem stillen Garten<br />

an der alten Mauer und stand ein paar<br />

Stunden später wieder auf dem Berg,<br />

von dem ich so oft geträumt hatte, von<br />

dem man weit hinaus blickt in das Tal<br />

meiner Kindheit, auf die Burg und den<br />

Fluss, über den die Wolken zogen wie<br />

NR.34<br />

nur je und wo die Welt am Schönsten<br />

ist.<br />

Damit ist sein Bericht abgeschlossen.<br />

Die Sehnsucht nach der Heimat,<br />

nach dem, was gewesen ist, weckt<br />

bei Kriegsgefangenen und<br />

Menschen, die unfreiwillig ins Exil<br />

gehen mussten, starke verständliche<br />

Gefühle.<br />

Auch Carl Zuckmayer (1896-1977),<br />

einer der bedeutendsten deutschen<br />

Schriftsteller des 20. Jahrhunderts,<br />

von dem neben vielen anderen auch<br />

das Buch zu dem Film „Des Teufels<br />

General“ und „Der Hauptmann von<br />

Köpenick“ stammt und der vor der<br />

Verhaftung durch die Nationalsozialisten<br />

nach Amerika fliehen musste,<br />

schreibt in seinem Roman „Als<br />

wär‘s ein Stück von mir“ in dem<br />

Kapitel Abschied und Wiederkehr:<br />

Die Fahrt ins Exil ist ‚the journey of no<br />

return‘. Wer sie antritt und von der<br />

Heimkehr träumt, ist verloren. Er mag<br />

wiederkehren - aber der Ort, den er<br />

dann findet, ist nicht mehr der gleiche,<br />

den er verlassen hat, und er selbst ist<br />

nicht mehr der gleiche, der fortgegangen<br />

ist. Er mag wiederkehren zu<br />

Menschen, die er entbehren musste,<br />

zu Stätten, die er liebte und nicht<br />

vergaß, in den Bereich der Sprache,<br />

die seine eigene ist. Aber er kehrt niemals<br />

heim.<br />

Zuckmayer erinnert sich dann an ein<br />

Gedicht, das auf dem Holzbalken<br />

seines Hauses in Henndorf bei Salzburg<br />

eingraviert war und das er abgeschrieben<br />

hatte:<br />

MARTHA-HAUS-ZEITUNG 4 FRÜHJAHR <strong>2013</strong>

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