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Wiener Pygmalion-Theater spielt Rudolf Hollinger - Kulturraum Banat

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WELTPREMIERE IN RESCHITZA,ÖSTERREICH-PREMIERE IN<br />

WIEN<br />

<strong>Wiener</strong> <strong>Pygmalion</strong>-<strong>Theater</strong> <strong>spielt</strong> <strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong><br />

Zur 100. Wiederkehr des Geburtsjahres des Temeswarer Dichters und<br />

Wissenschaftlers <strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong> (1910-1997) brachte am 24. September das<br />

<strong>Wiener</strong> „<strong>Pygmalion</strong>“-<strong>Theater</strong> im Reschitzer „Teatrul de Vest“ vor zahlreichem, vor<br />

allem jungem Publikum die Welterstaufführung – die <strong>Wiener</strong> Premiere fand am 27.<br />

September statt – <strong>Hollinger</strong>s Künstlerdrama „Wenn sich die Wege nur kreuzen“.<br />

Spät, aber niemals zu, gelang es nun, ein <strong>Hollinger</strong> Stück endlich auf die Bühne<br />

zu bringen, nachdem sein Drama „Die Feuerkrone. Dozsas Kampf und Verklärung“<br />

bereits für die Spielzeit 1970/71 als Premiere am Deutschen Staatstheater Temeswar<br />

eingeplant war und der 5. Aufzug knapp davor, von den Schauspielern auf Band<br />

gesprochen, von Radio Temeswar ausgestrahlt worden waren. Zur damaligen<br />

Uraufführung ist es jedoch nie gekommen; aber nicht etwa aus politischen Gründen.<br />

Ein <strong>Banat</strong>er „kulturfürstliches“ Veto genügte, um <strong>Hollinger</strong> bühnentot zu machen. So<br />

sind <strong>Hollinger</strong>s Dramen bisher unbekannt und unveröffentlicht geblieben.<br />

Lediglich die Budapester zweisprachige Zeitschrift „Stadium. Gesellschaft und<br />

Kultur“ (Stádium irodalom, müvészet, kultúra) veröffentlichte in Nr. 2/September 1989<br />

(S. 38-41) ein Fragment: <strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong> „Die Feuerkrone. Dózsas Kampf und<br />

Verklärung.“ (Auszug aus einem historischen <strong>Theater</strong>stück), Fünfter Aufzug, Erstes<br />

Bild.<br />

Die süddeutsche Presse urteilte bereits 1986 über <strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong>s Schaffen:<br />

„<strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong> hat mit seiner Lyrik, aber auch der Dramatik und Kurzprosa<br />

einen kleinen, wenn auch hier unbemerkten Glanzpunkt deutschsprachiger Literatur<br />

gesetzt.“ (Lyrikabend von <strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong>: Bilderreichtum, Lautmalerei. In: Südwest-<br />

Presse Nr. 34/10 vom 21.08.1986).<br />

Das <strong>Wiener</strong> „<strong>Pygmalion</strong>“-<strong>Theater</strong>, das auch eine angeschlossene<br />

Schauspielerschule betreibt und mehrere Preise bei internationalen <strong>Theater</strong>festivals<br />

erzielt hatte und als einen seiner Schwerpunkte ebenso die Förderung unbekannter<br />

bzw. die Wiederentdeckung vergessener Dramatiker verfolgt, zeigte großes Interesse<br />

an <strong>Hollinger</strong>s Künstlerdramen.<br />

Einführend zum Drama stellte Hans Dama, der beharrlich und unermüdlich über<br />

Jahre hinweg sich um die Veröffentlichung von <strong>Hollinger</strong>s Oeuvre bemüht, dem<br />

Publikum den Dichter <strong>Rudolf</strong> <strong>Hollinger</strong> und dessen Schaffen kurz vor.<br />

<strong>Hollinger</strong>s Aphorismus: „Es gehört viel Glück dazu, mit sich selber in richtiger<br />

Weise fertig zu werden […]“ (Gedankensplitter aus dem Osten. Aus dem Tagebuch<br />

eines Südost-Europäers“. Wien, 1985. S. 74) ist treffend für sein bewegtes Leben,<br />

und in groben Zügen birgt das Sujet des Stückes autobiographischen Charakter.


Unter der Regie von DAN STOICA (Bukarest/Wien) gelang es dem Ensemble –<br />

KARL WENNINGER (Schriftsteller und<br />

Philosoph: Reinholz), ELENA TOBER<br />

(Beamtin: Magda), DAVID<br />

IGNJATOVIC (Ariel und Bühnenbild),<br />

Technik: STEFAN STOICA – der<br />

Thematik des <strong>Hollinger</strong> Stückes –<br />

das urmenschliche Gefühl der<br />

Liebe bzw. die Gefühlswelt des<br />

künstlerisch tätigen Individuums –<br />

mittels plastisch angewandten<br />

Verfremdungseffekten und eingebunden<br />

in die Romeo-Julia-Problematik gerecht zu werden, wobei <strong>Hollinger</strong>s Text mit<br />

keinem Wort verändert worden ist.<br />

Der 48-jährige, verwitwete Beamte Reinholz, nebenbei Schriftsteller und<br />

Hobbyphilosoph, ist für die halb so alte, verheiratete Beamtenkollegin Magda wie ein<br />

Bruder und Lehrer. Die zarten Avancen des<br />

intellektuellen Romantikers Reinholz werden von der<br />

unglücklich verheirate-ten Pragmatikerin Magda als<br />

wohlmeinend schmeichelnde, familiäre Zuneigung<br />

verstanden, doch Reinholz sagt ihr, dass er „das<br />

Leben in den Händen halten, so warm und heftig, wie<br />

ein Sommer-sturm“ will, oder „einen einsamen Weg<br />

[…] der […] unwiderruflich zu Ende führt“ beschreiten<br />

muss.<br />

Bei einem Spaziergang im Wald gesteht Reinholz<br />

Magda seine Liebe, sucht sie zu küssen, und Magdas<br />

Widerstand, gebunden an ihr Ehegelübde,<br />

zerschmilzt, je bestimmter Reinholz ihr eheliches<br />

Unglück anspricht, bis sie einander küssen. Magda, wieder ganz pragmatisch,<br />

bezweifelt die Echtheit ihres Glücks, von Gewissensbissen geplagt. Am Tag darauf<br />

beendet Magda jegliches<br />

Verhältnis mit Reinholz, der dies<br />

mit Schrecken aufnimmt.<br />

Der Kontakt bricht ab, bis<br />

Magda, die Reinholz einige Zeit<br />

später unter vier Augen um<br />

Klarheit bittet, ihm erzählt, dass<br />

sie ihrem Gatten ihre Liebe zu<br />

Reinholz gestand und sich von<br />

ihm trennen wollte. Der auf diese<br />

Worte folgende tiefe Schmerz,<br />

den Magda auf dem Gesicht<br />

ihres Mannes las, habe sie<br />

wieder mit ihm verbunden, die Liebe zu ihrem Gatten wieder erstarkt. Reinholz,


desillusioniert, verlässt sie, denn „wenn sich die Wege nur kreuzen, gibt es keinen<br />

gemeinsamen Weg.“<br />

Die Thematik – eigentlich so alt wie die Menschheit<br />

und dennoch stets aktuell – wurde durch gekonnt wie<br />

treffend eingesetzte schauspielerische Mittel vom<br />

Regisseur textentsprechend dahingehend publikumswirksam<br />

veranschaulicht, dass die<br />

antagonistische Einstellung zwischen der Gefühlswelt<br />

des Individuums, des Künstlers schlechthin, und den<br />

Zwängen totalitären Gesellschaftssystems von rechts<br />

oder links letztendlich doch zur Überwindung des<br />

Unterordnungsprinzips und zur Durchsetzung des<br />

Egos-Willens in dessen Gefühlswelt, die<br />

Standhaftigkeit des Menschen auch in kritischen<br />

Situationen autorengerecht umgesetzt wurde.<br />

<strong>Hollinger</strong>s klassisch anmutende Ausdrucksweise, die anspruchsvollen Dialoge und<br />

die dadurch sinnvertiefend dargestellte Problematik des Stückes machten es dem<br />

Zuschauer nicht leicht, doch sie boten ihm abendverschönernd sprachlichintellektuelle<br />

Kostbarkeiten mit Seltenheitswert, die, von den drei jungen<br />

Schauspielern, hervorragend umgesetzt, zu einer mehr als gelungenen<br />

<strong>Theater</strong>premiere beigetragen und dem Publikum einen entalltagten <strong>Theater</strong>abend<br />

voller Kunstgenuss bescheren konnten.<br />

Harald Diehl

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