Hannelore Baier - Kulturraum Banat
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<strong>Hannelore</strong> <strong>Baier</strong><br />
Handelsware Mensch<br />
FamilienzusammenfÄhrung, Ausreise, Freikauf, Kopfgeld und wirtschaftliche<br />
BegÄnstigungen in Dokumenten aus rumÅnischen Archiven<br />
Mein Beitrag fuÄt auf Unterlagen aus dem Historischen Zentralarchiv in<br />
Bukarest und da dem Fond des Zentralkomitees der RumÅnischen<br />
Kommunistischen Partei (ZK der RKP) mit seinen Abteilungen Kanzlei<br />
(Cancelarie), Organisation (Organizatoric) und auswÅrtige Beziehungen<br />
(Relaţii externe). Aufschlussreiche Informationen entnahm ich<br />
Interviews, die wir fÉr einen Film mit Kollegen der deutschen<br />
Fernsehsendung von TVR gefÉhrt haben. EinschlÅgige Fonds zu diesem<br />
Thema aus dem Archiv der ehemaligen Securitate bzw. jenem des<br />
AuÄenspionage-Dienstes (SIE) habe ich nicht gesehen.<br />
In meinem Beitrag gehe ich ein auf die Politik RumÅniens in der Fragen<br />
der:<br />
• FamilienzusammenfÉhrung und Ausreise der Deutschen aus<br />
RumÅnien in die Bundesrepublik<br />
• Kopfgeldzahlungen und wirtschaftliche BegÉnstigungen zugunsten<br />
von RumÅnien.<br />
Vorausschicken mÖchte ich 4 Feststellungen:<br />
a) Die rumÅnischen Staats- und ParteifÉhrungen waren gegen eine<br />
Aussiedlung aller Deutschen aus RumÅnien, da sie auf deren<br />
Wirtschaftspotential nicht verzichten wollten. Eine Åhnliche Einstellung<br />
ist im Falle der Juden, die ebenfalls „verkauft“ wurden, nicht bekannt.<br />
b) Was die Politik bzw. MaÄnahmen in der Frage der Ausreise der<br />
Deutschen angeht, ist ein deutlicher Wandel in der Haltung der KP<br />
festzustellen. Ende der 1950er bis Ende der 1960er Jahre wird darauf<br />
gebaut, dass PropagandamaÄnahmen – die berÉhmte „munca de lamurire“<br />
– die Leute umstimmen und Éberzeugen kÖnnen, im Land zu bleiben. Es<br />
wird den Verwandten oder Bekannten aus der Bundesrepublik gestattet<br />
zu Besuch nach RumÅnien zu kommen, „um sich von den<br />
Errungenschaften des Sozialismus zu Éberzeugen“. Die<br />
„AufklÅrungsarbeit“ wird auch in den 1970er und 1980er Jahren<br />
fortgesetzt, parallel dazu aber werden immer neue Restriktionen<br />
eingefÉhrt begleitet von finanziellen Lasten, um die Kontakte zu den<br />
Verwandten und Bekannten aus dem „kapitalistischen Ausland“ zu<br />
erschweren. ErwÅhnt sei das Dekret betreffend die RÉckzahlung der<br />
1
StudiengebÄhren und das Begleichen sÅmtlicher „Schulden“ an den<br />
Staat. 1<br />
c) Neben dem wirtschaftlichen Beitrag, den die Deutschen zur<br />
Entwicklung von RumÅnien bringen, wird ab Mitte der 1950er Jahre auch<br />
ihr Wert als „Exportware“ erkannt. Gezahlt wurden zweierlei „Taxen“:<br />
von Privatleuten an UnterhÅndler fÉr den Freikauf von<br />
FamilienangehÖrigen oder Bekannten sowie Kopfgeld von der<br />
Bundesregierung. DarÉber hinaus wurden RumÅnien in<br />
Wirtschaftsabkommen BegÉnstigungen eingerÅumt fÉr das freizÉgige<br />
Erteilen von Ausreisevisa.<br />
d) Was die Zahlungen und den Einsatz von wirtschaftlichen<br />
BegÉnstigungen als Druckmittel angeht, so wurden diese zunÅchst von<br />
der Bundesrepublik Deutschland verwendet. SpÅter hat Ceausescu das<br />
Erteilen von Ausreisegenehmigungen von Valuta-Zahlungen und<br />
WirtschaftsbegÉnstigungen abhÅngig gemacht. Als Motivation fÉhrte er<br />
an, es handle sich nicht mehr um FamilienzusammenfÉhrungen sondern<br />
um ein Abwerben von DeutschstÅmmigen durch die Bundesrepublik.<br />
I. Die Politik RumÅniens in der Frage der<br />
FamilienzusammenfÄhrung und Ausreise aus RumÅnien<br />
Die rumÅnische Staats- und ParteifÉhrung nimmt das Problem der<br />
getrennten Familien Mitte der 1955-Jahre wahr, als mit der politischen<br />
Rehabilitation der RumÅniendeutschen bzw. ihrer Gleichstellung als<br />
nationale Minderheit begonnen wurde. Man stellte fest, dass sich diese<br />
Familientrennung auf das Befinden der Gemeinschaften negativ auswirkt.<br />
Durch die Brille des Kalten Krieges wird jedoch interpretiert, dass die<br />
rund 150.000 RumÅniendeutschen in Deutschland und âsterreich eine<br />
„ManÖvermasse fÉr die Propaganda der Kriegshetzer“ seien.<br />
Die Frage der Ausreise nach Israel hatte das Sekretariat des ZK der RKP<br />
am 12. Mai 1950 diskutiert und beschlossen:<br />
1. Jene „Elemente“ aus den Reihen der jÉdischen BevÖlkerung, die<br />
ihren Willen auszureisen bekunden durch das AusfÉllen der vom<br />
Innenministerium vergebenen Formulare, sind frei nach Israel zu<br />
fahren.<br />
1 Das “Dekret betreffend die Verpflichtung der Personen, die um die Genehmigung der endgÄltigen<br />
Wohnsitzverlegung ins Ausland angesucht und diese erhalten haben, die Schulden, die sie gegenÄber<br />
dem Staat, sozialistischen Organisationen oder physischen Personen haben, integral zu begleichen<br />
sowie einige Ausgaben rÄckzuzahlen, die der Staat mit ihrer Ausbildung hatte” (Decret privind<br />
obligatiile persoanelor care cer si li se aproba sa se stabileasca definitiv in strainatate de a plati integral<br />
datoriile pe care le au fata de stat, organizatii socialiste si persoane fizice precum si de a restitui unele<br />
cheltuieli suportate de stat cu scolarizarea lor) wurde am 22. Oktober 1982 vom Staatsrat angenommen<br />
und am 6. November 1982 verÖffentlicht.<br />
2
2. Die Partei- und Massenorganisationen werden eine „systematische<br />
AufklÅrungsarbeit in den Reihen der jÉdischen arbeitenden<br />
BevÖlkerung“ leisten, besonders unter den „produktiven Elemente<br />
aus den Betrieben und Institutionen“, damit diese in der RVR<br />
bleiben, „wo sie eine gesicherte Zukunft haben.“ 2<br />
Einen Åhnlichen Beschluss habe ich betreffend die Ausreise der<br />
Deutschen nicht gefunden. Ich vermute, dass es eine so klare Aussage<br />
auch gar nicht gegeben hat, doch galten dieselben Richtlinien und<br />
Vorgehensweisen: Einerseits durften einige wenige ausreisen,<br />
andererseits wurden Propaganda-MaÄnahmen getroffen, um das<br />
„kapitalistische Ausland“ anzuschwÅrzen und die VorzÉge des Lebens im<br />
Kommunismus zu verkÉnden. Die Politik betreffend die Ausreise sowie<br />
die Zahl der Ausreisegenehmigungen Ånderte sich periodisch – u.a. je<br />
nachdem, ob das Unterzeichnen von WirtschaftsvertrÅgen anstand.<br />
Was die Ausreise der Deutschen aus RumÅnien angeht, so wurde – gemÅÄ<br />
der von mir eingesehenen Dokumente - die ParteifÉhrung erstmals 1958<br />
mit dem massiven Ausreisewunsch der Deutschen konfrontiert. Und: In<br />
dem Bericht des Regionsparteikomitees Temeswar vom 28. Januar 1958<br />
an das ZK der RKP wird auch das Zahlen von Bestechungsgeldern<br />
erwÅhnt. In dem Bericht wird mitgeteilt, dass allein im Januar jenen<br />
Jahres 881 Gesuche fÉr die endgÉltige Ausreise eingereicht worden sind<br />
und davon 595 „in kapitalistische Staaten“, wobei 483 Antragsteller um<br />
die Ausreise nach Deutschland und 71 nach âsterreich angesucht haben.<br />
Die meisten Antragsteller – und zwar 402 – kamen aus Temeswar. Diesen<br />
Ausreisewunsch hÅtte die Tatsache gefÖrdert, dass im Dezember des<br />
Vorjahres 80 Ausreisegesuche positive Antworten erhalten und 92<br />
Besucher aus der BRD ihre Verwandten im <strong>Banat</strong> besucht hatten.<br />
Den oben genannten Bericht des Regionsparteikomitees ergÅnzt ein von<br />
Anton Breitenhofer 3 unterzeichnetes Schreiben, in dem er mitteilt, dass<br />
das AushÅngen von handgeschriebenen Zetteln in der Milizsektion<br />
(Circumscriptia 1), in denen detailliert angegeben ist, welche Urkunden<br />
fÉr den Antrag fÉr Besuchsreisen sowie die Ausreise benÖtigt werden,<br />
Sensation hervorgerufen habe. Die Leute hÅtten schlussfolgert, der<br />
Zeitpunkt der Ausreise sei gekommen. Auch stellten sie eine Verbindung<br />
her zwischen den zwecks FamilienzusammenfÉhrung genehmigten<br />
Gesuchen und einer Nachricht des Rundfunksenders London, in der<br />
mitgeteilt worden ist, dass im Februar rund 100.000 Deutsche aus Polen<br />
2 Staatsarchiv Bukarest, Fonds ZK der RKP, AuswÅrtige Beziehungen (Fond CC al PCR. Relatii<br />
externe), Dossier 19/1950, S. 1-7.<br />
3 Anton Breitenhofer, ehemaliger SekretÅr des ZK des Antifaschistischen Deutschen Komitees, war<br />
Mitglied in der Parteikommission fÉr Fragen der NationalitÅten (Comisia de partid pentru probkemele<br />
nationalitatilor), die Anfang 1956 gegrÉndet und im Juli 1959 aufgelÖst wurde<br />
3
nach Westdeutschland umgesiedelt werden, was soviel heiÄt, als dass die<br />
Bundesrepublik sich fÉr die im Ausland lebenden Deutschen einsetze.<br />
Dieses GerÉcht werde nun von einigen ausgenÉtzt die sich anbieten, den<br />
Antragstellern die Formulare auszufÉllen - fÉr 30 - 40 Lei. Auch gebe es<br />
in Hatzfeld einen Anwalt der versichert habe, er kÖnne das<br />
Ausreisevisum gegen 20.000 Lei verschaffen.<br />
Machen wir einen Sprung von 10 Jahren: äber den Ausreisewillen und<br />
den Rauskauf von Deutschen aus RumÅnien wurde mit Ceausescu bei der<br />
Beratung mit den Kulturschaffenden und Wissenschaftlern aus der Reihe<br />
der deutschen NationalitÅt vom 3. Juli 1968 sehr offen gesprochen. 4 Das<br />
Problem der durch den Krieg getrennten Familien sprach Paul Schuster 5<br />
an und er kritisierte, dass es den Besuchern aus Westdeutschland nicht<br />
erlaubt war, bei den FamilienangehÖrigen zu wohnen. Er teilt Ceausescu<br />
mit, dass das Einreichen der Formulare erschwert wurde und die<br />
Ausfolgerung 1965 vÖllig eingestellt worden ist. Aufschlussreich die<br />
freimÉtige Schilderung der Wirkung, welche die „AufklÅrungs“-<br />
Konferenzen haben, derer er auch gehalten hat: In Moritzfeld haben alte<br />
Leute ihn nach der Veranstaltung mit TrÅnen in den Augen gebeten, er<br />
solle fÉr sie bei der Regierung intervenieren damit sie endlich die<br />
Ausreise erhalten, in Hermannstadt wurde er verflucht.<br />
Schuster nennt auch den vom rumÅnischen Staat praktizierten<br />
Menschenhandel beim Namen („negot cu oameni, practicat de statul<br />
nostru“) und erwÅhnt, dass PersÖnlichkeiten, wie Stadtpfarrer MÖckel 6<br />
oder Andreas Birkner 7 von reichen Verwandten freigekauft worden sind. 8<br />
Er wisse nicht, welches der Tarif fÉr das Ausstellen eines Passes sei,<br />
vermute aber, dass der von den Buchhaltern des Innenministers<br />
Alexandru Draghici festgelegt wurde.<br />
Ceausescus Anwort: Es gebe einige, die in die Bundesrepublik ausreisen<br />
mÖchten. Jedoch: „Die Zukunft der deutschen BevÖlkerung aus<br />
4 Staatsarchiv Bukarest, Fond ZK der RKP, Kanzlei, Dossier 113/1968: Stenograma consfatuirii cu<br />
oamenii de stiinta si cultura din randul nationalitatii germane. Von diesem GesprÅch wurde unter<br />
RumÅniendeutschen Intellektuellen sehr oft gesprochen als der Wendepunkt in der Haltung der<br />
rumÅnischen Regierung gegenÉber den RumÅniendeutschen – die volle Rehabilitierung. In jenen<br />
Jahren war Ceausescu tatsÅchlich bereit, viele Fragen sachlich anzugehen – selbstverstÅndlich in dem<br />
sehr begrenzten Rahmen der immer nationaler und stalinistischer werdenden Ideologischen Fundament.<br />
Das Treffen mit den rumÅniendeutschen Intellektuellen findet eineinhalb Jahre nach Aufnahme der<br />
diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik und einen guten Monat vor dem Einmarsch der<br />
Warschauer-Pakt-Truppen in Prag statt.<br />
5 Paul Schuster, (1930 in Hermannstadt geb. - 2006 in Berlin gest.), deutschsprachiger Schriftsteller in<br />
RumÅnien, Autor u.a. des dreibÅndigen Romans „FÉnf Liter Zuika“. 1972 Ausreise in die BRD.<br />
6 Konrad MÖckel (1892-1965), Stadtpfarrer von Kronstadt. 1958 verhaftet und im sogenannten<br />
Schwarze-Kirche-Prozess vom MilitÅrgericht zu 25 Jahren Haft verurteilt. 1963 begnadigt und<br />
Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland.<br />
7 Andreas Birkner, Pfarrer und Schriftsteller, im Schriftstellerprozess 1959 zu 25 Jahren GefÅngnis<br />
verurteilt. 1964 bei der Generalamnestie entlassen, 1966 in die BRD ausgereist.<br />
8 Ebenda, S. 25.<br />
4
RumÅnien aber ist in RumÅnien, Genossen, an der Seite der RumÅnen.<br />
Zusammen mÉssen wir den Sozialismus aufbauen.“ 9 Was er nicht sagte:<br />
1968 gab es bereits das zwischen RumÅnien und der Bundesrepublik<br />
Deutschland unterzeichnete geheime Abkommen Éber das Zahlen von<br />
festgelegten GeldbetrÅgen fÉr jeden RumÅniendeutschen, der ausreisen<br />
durfte. 1969 erklÅrte der im Jahr zuvor geschasste Innenminister<br />
Alexandru Drăghici: „Als ich aus dem Innenministerium wegging habe<br />
ich im Konto der Staatsbank 6.250.000 Dollar Ébergeben von denen, die<br />
gingen und in Devisen bezahlten ...“. Es ist anzunehmen, dass diese nicht<br />
nur fÉr Juden gezahlt worden sind. Draghici erwÅhnte auch, dass<br />
UnterhÅndler aus dem Ausland kamen und fÉr den Rauskauf der einen<br />
oder anderen Person Geldsummen anboten. 10<br />
Zum Dauerthema wird die FamilienzusammenfÉhrung und Ausreise der<br />
Deutschen aus RumÅnien dann in den Sitzungen des Rates der<br />
WerktÅtigen deutscher NationalitÅt. 11 So wird am 22. Juni 1973 in der<br />
erweiterten Sitzung des BÉros des Rates Éber „die unbegrÉndeten<br />
Ausreisen in die BRD“ gesprochen. 12 Die offizielle Position formulierte<br />
Eduard Eisenburger in der gemeinsamen Sitzung der RÅte der<br />
WerktÅtigen ungarischer und deutscher NationalitÅt vom 5. April 1974:<br />
„Das PhÅnomen der Emigration hat als reellen Grund nicht die<br />
FamilienzusammenfÉhrung von Ehepartnern oder Eltern mit Kindern, die<br />
infolge der Kriegsereignisse getrennt wurden, denn der rumÅnische Staat<br />
hat in den drei Jahrzehnten seit Kriegsende die Repatriierung aller, die<br />
dies wollten, groÄzÉgig genehmigt (...) Die Ursachen dieses PhÅnomens<br />
sind subjektive Faktoren, wie die Hoffnung auf materielle Vorteile, auf<br />
ein hÖheres Lebensniveau, und sie sind dadurch motiviert, dass die<br />
politisch-ideologische und kulturell-erzieherische Arbeit in den Reihen<br />
der BevÖlkerung deutscher NationalitÅt sich noch nicht auf dem<br />
gewÉnschten Niveau befindet ...“. 13<br />
Seit Anfang der 1970er Jahre war Ceausescu der Ansicht, die<br />
Bundesrepublik fÖrdere die Ausreise, da sie ArbeitskrÅfte benÖtige und<br />
statt der AuslÅnder lieber DeutschstÅmmige ins Land holen mÖchte.<br />
9 Ebenda, S. 96.<br />
10 Die ErklÄrung gab Drăghici im Verlauf der Untersuchung ab, die eingeleitet worden war um seine<br />
TÄtigkeit zu prÇfen. Apud Marius Oprea anhand von Dokumenten aus dem Fond ZK der RKP,<br />
Exekutivkomitee, zitiert in Radu Ioanid, Răscumpărarea evreilor, Polirom Iaşi, 2005, S. 158<br />
11 Die konstituierende Sitzung fand am 15.11.1968 statt, sie wurde von Anton Breitenhofer erÖffnet<br />
und geleitet. (CC al PCR, Cancelarie, Dossier 189/1968). Zum Vorsitzenden des Rates wurde Eduard<br />
Eisenburger bestimmt, stellvertretende Vorsitzende waren zu Beginn Peter Larmoth, Anton<br />
Breitenhofer, Richard Winter und Paul Schuster und SekretÅr Adalbert Millitz.<br />
12 Fond ZK der RKP, Organisatoric, Dossier 19/1973, S. 17.<br />
13 CC al PCR, Organisatoric, Dossier 38/1974, S. 21-22.<br />
5
Denselben Gedanken ÅuÄerte auch Stefan Andrei. åhnlich die Position<br />
von Miron Constantinescu im Bericht Éber die Tagung des<br />
Leitungsgremiums des Rats der WerktÅtigen deutscher NationalitÅt vom<br />
22. Juni 1973: die Aussiedler wÉrden EntschÅdigungen erhalten, die als<br />
Reparationszahlungen abgebucht werden und die Wirtschaft der BRD<br />
zieht auf diese Weise ausgebildete ArbeitskrÅfte deutscher Herkunft an,<br />
deren Integration keine Schwierigkeiten bereite, um die Gastarbeiter, die<br />
unausgebildet und unstabil seien, zu ersetzen. Die BRD aber wÉrde die<br />
Losungen „FamilienzusammenfÉhrung“ und „humanitÅre GrÉnde“<br />
anfÉhren, um die Ökonomischen Interessen zu vertuschen.<br />
Dass Ceausescu ein Meister in HinterhÅltigkeit und DuplizitÅt war, ist<br />
nichts Neues. Hier Beispiele in unserer Problematik:<br />
In der Sitzung des politischen Exekutivkomitees des ZK der RKP vom<br />
30. MÅrz 1977 verkÉndete Ceausescu den Ausreisestopp: Niemand mehr<br />
erhÅlt die Genehmigung zur Ausreise, Ausnahmen seien nur in<br />
auÄerordentlichen FÅllen gestattet. âffentlich wurde bekannt gegeben,<br />
das Problem der FamilienzusammenfÉhrung sei aufgrund von Dekret Nr.<br />
253 von 1955 gelÖst worden. Dieses habe „tausenden ehemaligen<br />
rumÅnischen StaatsbÉrgern die MÖglichkeit gegeben, in die Heimat<br />
zurÉckzukehren, wÅhrend andere tausende zu ihren Verwandten gefahren<br />
sind“. 14<br />
Im Interview sagte uns AuÄenminister Hans-Dietrich Genscher zum<br />
Verhalten von Ceausescu: „ ...oft, wenn ich sagte, es geht nicht, dass die<br />
Ausreisen jetzt plÖtzlich weniger werden oder dass die Ausreisen ganz<br />
gestoppt sind, da hat er meist dazu geschwiegen. Aber das war fÉr mich<br />
ein Signal, dass jetzt eine gute Gelegenheit war fÉr die Beauftragten, neu<br />
darÉber reden.“ Im Januar 1978 wurde das als „Ceausescu – Schmidt“<br />
bekannte Abkommen unterzeichnet. TatsÅchlich unterschrieben haben, so<br />
der ehemalige rumÅnische AuÄenminister Stefan Andrei, der<br />
auÄenpolitische Berater von Ceausescu, Vasile Pungan, und<br />
Ministerialdirektor GÉnther van Well. GemÅÄ dieser Vereinbarung<br />
verpflichtete sich RumÅnien, jedes Jahr 11.000 RumÅniendeutsche in die<br />
BRD ausreisen zu lassen. DafÉr versprach Deutschland staatlich<br />
garantierte Hermes-Kredite in HÖhe von 800 Millionen DM und fÉr jeden<br />
ausgereisten Deutschen 4000 DM zu bezahlen. Dies, wenn jÅhrlich<br />
14 Dokumentation Éber die deutsche NationalitÅt in RumÅnien, von Adalbert Millitz und Monica<br />
Barcan verfasst unter der ågide des Instituts fÉr politische Wissenschaften und das Studium der<br />
nationalen Frage (Fond ZK der RKP, Organisation, Dossier 25/1977), im Kriterion-Verlag in<br />
demselben Jahr in Buchform auch in deutscher Sprache erschienen.<br />
6
11.000 Personen ausreisen wÉrden. Falls 13.500 Personen die<br />
Ausreisevisa erhielten, wÉrde Deutschland fÉr jeden Ausgereisten 5000<br />
DM bezahlen.<br />
Im Februar 1982 wurde Ceausescu ein von Propagandachef Marian<br />
Enache unterzeichnetes MaÄnahmenprogramm zur Genehmigung<br />
vorgelegt betreffend „die Verbesserung der politisch-erzieherischen<br />
TÅtigkeit in den Reihen der WerktÅtigen deutscher NationalitÅt und die<br />
Zuteilung der nach der definitiven Ausreise leergebliebenen Wohnungen<br />
an Landwirtschaftsarbeiter, um die Arbeitskraft in den betreffenden<br />
Ortschaften zu stabilisieren.“ 15 Ziel des Programmes war „... die<br />
BekÅmpfung jedwelcher Tendenz das Land endgÄltig zu verlassen, die<br />
GefÄhle der Liebe und Zuneigung dem sozialistischen Vaterland<br />
gegenÄber zu fÖrdern,“ usw. Im gleichen Jahr wurde das Dekret<br />
betreffend die RÄckzahlung der StudiengebÄhren und das Begleichen<br />
sÅmtlicher „Schulden“ dem Staat gegenÄber erlassen und im Jahr darauf<br />
wurde die Kopfgeldzahlung weiter erhÖht.<br />
II. Freikauf, Kopfgeld, wirtschaftliche Vorteile<br />
Das DRK hatte sich 1973 an die rumÅnische Regierung gewandt mit dem<br />
Ansuchen, Verhandlungen in der Frage der FamilienzusammenfÉhrung<br />
zu beginnen. Bekannt ist mir das Schreiben des DRK nicht, bloÄ die<br />
Reaktion darauf: In der Sitzung des PrÅsidiums des ZK der RKP vom 18.<br />
Juni 1973 wird der Vorschlag des AuÄenministeriums angenommen in<br />
der gesagt wird, die FamilienzusammenfÉhrung sei drei Jahrzehnte nach<br />
Kriegsende als abgeschlossen zu betrachten, das Untersuchen der<br />
Ansuchen um FamilienzusammenfÉhrung gehÖre ausschlieÄlich in die<br />
Kompetenz der rumÅnischen Staatsorgane und die Rot-Kreuz-<br />
Gesellschaft aus RumÅnien hat keine Verhandlungen mit der Rot-Kreuz-<br />
Gesellschaft aus der BRD in Fragen betreffend die<br />
FamilienzusammenfÉhrung zu akzeptieren.<br />
In dem Schreiben hat das DRK eine „bilaterale Vereinbarung von 1956“<br />
angesprochen. Das rumÅnische AuÄenministerium antwortete, dass es<br />
sich dabei um ein Protokoll gehandelt habe, welches die PrÅsidenten der<br />
Rot-Kreuz-Gesellschaften der beiden Staaten unterzeichnet haben, in dem<br />
die „Umgruppierung von Personenkategorien, die infolge des Krieges<br />
(Kinder und Eltern, Gattin – Gatte, alte oder kranke Personen) in Betracht<br />
gezogen wurde“. Das Protokoll sei unter dem Vorbehalt spÅterer<br />
Abkommen zwischen den beiden Regierungen unterzeichnet worden, die<br />
jedoch nicht zustande kamen. 16 Waren bis 1973 keine bilateralen<br />
Vereinbarungen unterschrieben worden, die auch auf die<br />
15 Staatsarchiv Bukarest, Fond ZK der RKP, Organisation, Dossier 7/1982, S. 6-9.<br />
16 Ebenda.<br />
7
FamilienzusammenfÉhrung Bezug nahmen? Jedenfalls keine, die offiziell<br />
zugegeben werden konnten.<br />
In einem Bericht Éber den Verlauf der deutsch-rumÅnischen<br />
WirtschaftsgesprÅche von Februar 1959 wird von rumÅnischer Seite eine<br />
Art Chronologie der bis dahin zum Thema FamilienzusammenfÉhrung<br />
gehabten GesprÅche aufgelistet. 17 Der Grund: Das Wirtschaftsabkommen<br />
zwischen den beiden Staaten war nicht verlÅngert worden. Dazu habe, so<br />
Dr. W. Steidle, der deutsche UnterhÅndler, der Druck gefÉhrt, den die in<br />
der BRD lebenden Familien auf die BehÖrden ausÉben, um ihnen beim<br />
nach Deutschland Holen der in RumÅnien lebenden Verwandten zu<br />
helfen. 18 Die deutsche Seite schlÅgt ein Trennen der Verhandlungen<br />
betreffend FamilienzusammenfÉhrung von Wirtschaftsverhandlungen<br />
vor. Die aber ist nie geschehen, was auch der ehemalige<br />
AuÄenhandelsminister Burtica im Interview bestÅttigte.<br />
Das Dokument von 1959 enthÅlt auÄer dem Beweis, dass Éber die<br />
FamilienzusammenfÉhrung im Rahmen der WirtschaftsgesprÅche<br />
verhandelt wurde, noch zwei weitere wertvolle Belege und zwar, dass:<br />
1. die Bundesrepublik Deutschland WirtschaftsvertrÅge als<br />
Druckmittel auf RumÅnien zwecks Erteilung von<br />
Ausreisegenehmigungen eingesetzt hat;<br />
2. ReprÅsentanten der Securitate an diesen GesprÅchen teilnahmen.<br />
Zu den drei rumÅnischen UnterhÅndlern gehÖrte nÅmlich Ion Pacepa, der<br />
spÅtere stellvertretende Leiter des rumÅnischen AuÄenspionagedienstes,<br />
der zwischen 1956-1960 der stellvertretende Leiter der rumÅnischen<br />
Wirtschaftsagentur und Leiter der Spionage-Niederlasssung in der BRD<br />
war. 19<br />
In seinem Buch „Freikauf der Juden“ (Rascumpararea evreilor) 20<br />
schildert Radu Ioanid ausfÉhrlich die Kooperation zwischen den<br />
israelischen UnterhÅndlern und den GenerÅlen der Securitate oder<br />
AuÄenspionage in gemischten Wirtschafts- und Ausreise-<br />
Angelegenenheit. Davon hat Burtica in einem GesprÅch mit einem<br />
Vertreter der israelischen Regierung erfahren und meint: „Ich bin nicht<br />
17 Fond ZK der RKP, auswÅrtige Beziehungen, Dossier 42/1959, S. 4-5. GesprÅche fanden statt<br />
anlÅsslich: - 1954 GesprÅche des Ostausschuss<br />
- 1955 WirtschaftsgesprÅche in Wien<br />
- 1956 aus Anlass des Besuches der Delegation des Ostausschusses in Bukarest<br />
- 1956 GesprÅche der Roten-Kreuz-Delegationen in Genf, Bonn und Bukarest<br />
- GesprÅche durch die Legation der RVR in Paris;<br />
- GesprÅche aus Anlass der Wirtschaftsverhandlungen in Bonn (1956) und Bukarest (1958).<br />
18 Ebenda, S. 4.<br />
19 Die anderen ReprÅsentanten der rumÅnischen Wirtschaftsagentur hieÄen Philipp E. und David A<br />
20 Polirom-Verlag Iasi 2005.<br />
8
sicher, doch ich vermute, dass man auch mit der BRD auf dieselbe Weise<br />
verfuhr.“ Doch hat es dennoch auch Abkommen gegeben.<br />
Der britische Historiker Denis Deletant schreibt in seinem Buch mit<br />
Bezugnahmen auf einen amerikanischen Historiker, 21 zwischen<br />
RumÅnien und der BRD sei bei der Aufnahme der diplomatischen<br />
Beziehungen (am 31. Januar 1967) ein geheimes Abkommen<br />
unterzeichnet worden, demzufolge sich die Bundesrepublik zur<br />
Kopfgeldzahlung verpflichtet habe. Ob es Kopfgeldzahlungen waren,<br />
weiÄ ich nicht, aber es waren Zahlungen. „Ich bin mit dem<br />
Ausreiseproblem und der Frage deutscher Gegenleistung erstmalig<br />
konfrontiert worden 1969 als ich Bundesminister des Inneren wurde. Ich<br />
Ébernahm damals auch das Vertriebenenministerium, das ein Teil des<br />
Innenministeriums war, und der StaatssekretÅr des<br />
Vertriebenenministeriums informierte mich Éber die inoffiziellen<br />
GesprÅche, die es mit der rumÅnischen Regierung Éber diese Frage gab<br />
und auch Éber Ausgleichszahlungen, die geleistet wurden. Ich selbst habe<br />
dann in meiner Amtszeit als Innenminister, spÅter als AuÄenminister,<br />
erlebt, dass diese Zahlungen fortgesetzt wurden“, sagte Hans-Dietrich<br />
Genscher uns im Interview. Von einem geheimen Abkommen, das Ende<br />
der 1960er Jahre von deutscher Seite von UnterstaatssekretÅr Paul Nahm<br />
aus dem BMI unterzeichnet wurde, berichtet auch Erwin Wickert, von<br />
1971-1977 Botschafter in Bukarest. In seinem Buch nannte er auch<br />
AblÖsesummen, die bereits Anfang der 1970er Jahre fÉr die Ausreise von<br />
Deutschen gezahlt wurden.<br />
Die von Stefan Andrei genannten Summen sollten nicht direkt<br />
Éberwiesen, sondern zu den Zinsen fÉr die Hermes-Kredite addiert<br />
werden. Es wurden also Importe getÅtigt und ein Teil der Zinsen fÉr die<br />
Hermes-Kredite flossen nach RumÅnien zurÉck. Dieses GeschÅft wurde<br />
vom Innenministerium, nicht vom AuÄenministerium abgewickelt und<br />
das Geld wurde auf ein Sonderkonto der AuÄenhandelsbank eingezahlt<br />
und durfte nur mit einer Genehmigung von Ceausescu persÖnlich<br />
abgehoben werden.<br />
Davon hatten die Securitate-Leute nichts - und Ceausescu Mitwisser,<br />
wollte er etwas fÉr sich oder seine Familie abzweigen. Schon frÉher sind<br />
Geldkoffer nach RumÅnien transportiert worden, denn, so der ehemalige<br />
21 “Ceausescu si Securitatea. Constrangerea si Disidenta in Romania anilor 1965-1989. Bukarest,<br />
Humaniras-Verlag, 1998, S. 125.<br />
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AuÄenhandelsminister Burtica, nicht nur Ceausescu, sondern auch andere<br />
hochgestellte Leute wollten das Geld lieber cash und nicht per<br />
BankÉberweisung erhalten. Dazu benÖtigte es eines Netzes, das Geld von<br />
FamilienangehÖrigen der Ausreisewilligen einsammelte oder von diesen.<br />
Das aber konnte nur mit Wissen der Securitate agieren – sofern es nicht<br />
aus deren Mitarbeitern selbst bestand.<br />
Nachwort:<br />
Die Deportationen zwecks Vernichtung, die ethnischen Repressionen, die<br />
Vertreibung und der „Verkauf“ von Juden und Deutschen waren<br />
Argument Nummer zehn von insgesamt zwanzig, aufgrund derer<br />
PrÅsident Traian Băsescu am 18. Dezember 2006 im Parlament das<br />
kommunistische Regime in RumÅnien als „illegitim und kriminell“<br />
verurteilt hat. Zu den MaÄnahmen, die in den Bereichen Verurteilung,<br />
Gedenken, Gesetzgebung sowie Forschung und Erziehung gefordert<br />
wurden, gehÖrte auch, dass „die einstigen rumÅnischen StaatsbÉrger,<br />
einschlieÄlich jene, die „verkauft“ wurden, ihre StaatsbÉrgerrechte zurÉck<br />
erhalten. Alle ausgereisten, verjagten, ‚verkauften’ rumÅnischen<br />
StaatsbÉrger oder jene, die das Land legal oder illegal verlassen haben,<br />
sollen zurÉckkehren kÖnnen. Dass es den „Verkauf“ von BÉrgern<br />
gegeben hat wurde also Öffentlich anerkannt und verurteilt.<br />
Die Tismăneanu-Kommission hatte u.a. gefordert, dass der Archivfond<br />
betreffend die Verhandlungen und die Abkommen zwischen RumÅnien<br />
und der Bundesrepublik Éber das Zahlen von „EntschÅdigungen“ und<br />
Erteilen von WirtschaftsvergÉnstigungen zugunsten von RumÅnien je<br />
nach der Anzahl der RumÅniendeutschen, die das Land verlassen durften,<br />
zugÅnglich gemacht wird. Diese Forderung hat sich der PrÅsident nicht<br />
angeeignet bzw. sie in seiner Rede im Parlament nicht verlesen. Zu<br />
Beginn des Jahres 2006, als Éber die Frage des äberstellens der Archive<br />
des ehemaligen Gemeindienstes Securitate und des<br />
AuÄenspionagedienstes SIE an die BehÖrde fÉr die Aufarbeitung der<br />
Securitate-Akten (CNSAS) gesprochen wurde, hatte PrÅsident Băsescu in<br />
einem Fernsehinterview erklÅrt, es kÖnnten nicht alle Dossiers<br />
freigegeben werden. Als Beispiele nannte er genau jene, die den Handel<br />
mit Deutschen und Juden betrafen und gab als Grund an: ihre<br />
Bekanntgabe wÉrde die auslÅndischen Partner in eine unangenehme<br />
Situation bringen.<br />
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