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Oberst a. D. Prof. Dr. sc. Klaus Schirmer Kalter Krieg ... - aggi-info.de

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<strong>Oberst</strong> a. D. <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>sc</strong>. Egbert Fi<strong>sc</strong>her/ <strong>Oberst</strong> a. D. <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>sc</strong>. <strong>Klaus</strong> <strong>Schirmer</strong><br />

<strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong> und internationale Konflikte in Europa seit Mitte <strong>de</strong>r 50er Jahre bis<br />

zur Wie<strong>de</strong>rvereinigung Deut<strong>sc</strong>hlands<br />

Militäri<strong>sc</strong>he Reaktionen - Gefahren o<strong>de</strong>r Garantien für <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n?<br />

(Vortrag beim wissen<strong>sc</strong>haftlichen Seminar „Die Nationale Volksarmee im Kalten <strong>Krieg</strong>“<br />

<strong>de</strong>r Karl-Theodor-Molinari-Stiftung am 13.-15. Juni 1994)<br />

Die Nationale Volksarmee <strong>de</strong>r DDR existierte knapp dreieinhalb Jahrzehnte. Gemessen<br />

an diesem Zeitraum bil<strong>de</strong>n die Problemzonen, <strong>de</strong>nen sich das Seminar zuwen<strong>de</strong>t,<br />

allein zeitlich gesehen nur Episo<strong>de</strong>n. Die Aktionen, an <strong>de</strong>nen die NVA im Kontext mit<br />

Krisen und Konflikten beteiligt war o<strong>de</strong>r die ihre Einsatz- bzw. Gefechtsbereit<strong>sc</strong>haft<br />

indirekt berührten, umfaßten in <strong>de</strong>r Regel nur Tage und Wochen. Das gilt auch inhaltlich:<br />

Die Handlungen <strong>de</strong>r Nationalen Volksarmee, gleich ob realisiert o<strong>de</strong>r vorbereitet,<br />

hingen nicht mit <strong>de</strong>n Hauptfel<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r militäri<strong>sc</strong>hen Tätigkeit, mit <strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Verfassungsauftrag<br />

abzuleiten<strong>de</strong>n Rahmen <strong>de</strong>r militäri<strong>sc</strong>hen Funktionalität zusammen, son<strong>de</strong>rn<br />

sie bil<strong>de</strong>ten im Grun<strong>de</strong> Ausnahmen von <strong>de</strong>r Regel. Mehr noch: Zumin<strong>de</strong>st bei einigen<br />

dieser Handlungen bestand die ten<strong>de</strong>nzielle Gefahr, Grundlagen <strong>de</strong>s Verfassungsauftrages<br />

zu verlassen o<strong>de</strong>r zu unterlaufen.<br />

Sicher ist das einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>, warum in bisherigen Darstellungen zur Ge<strong>sc</strong>hichte <strong>de</strong>r<br />

Nationalen Volksarmee seit ihrer Auflösung die Ausnahme vor <strong>de</strong>r Regel dominiert.<br />

Aus vielen Ursachen und Motiven heraus, die mit <strong>de</strong>m Gesamtkomplex und <strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rspruchsvollen<br />

Prozeß <strong>de</strong>r „Wen<strong>de</strong>" zusammenhängen, ist dies verständlich. Daß bei<br />

dieser Darstellung bittere Wahrheiten zutage treten, die insbeson<strong>de</strong>re bei ehemaligen<br />

Angehörigen <strong>de</strong>r NVA die Ge<strong>sc</strong>hichte <strong>de</strong>s eigenen Lebens, die eigene I<strong>de</strong>ntität<br />

unmittelbar berühren - alles dies hat sich als ein <strong>sc</strong>hmerzhafter Prozeß herausgestellt,<br />

<strong>de</strong>r längst nicht zu En<strong>de</strong> ist. Und <strong>de</strong>nnoch können wir <strong>de</strong>m nicht ausweichen. Gisela<br />

Oechelhäuser hat in einem Gespräch <strong>de</strong>n Gedanken geäußert: „Erst wenn wir ertragen,<br />

was gegen uns spricht, gewinnen wir das Selbstbewußtsein und das Recht, all das zu<br />

verteidigen, was uns bleibt und was uns niemand nehmen kann. Und was gegen uns<br />

spricht, muß von uns selber ausgesprochen wer<strong>de</strong>n, laut und ohne Rücksicht, wer<br />

zuhört." (1)<br />

Ein solches Herangehen erfor<strong>de</strong>rt allerdings zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>n ernsthaften Versuch,<br />

konkretge<strong>sc</strong>hichtliche Umstän<strong>de</strong> und Rahmenbedingungen, die in <strong>de</strong>r Vergangenheit zu<br />

dieser o<strong>de</strong>r jener militärpoliti<strong>sc</strong>hen Option führten, sie beeinflußten o<strong>de</strong>r auch verhin<strong>de</strong>rten,<br />

zu berücksichtigen. Von einer Reihe sachlich fundierter Beiträge zur Ge<strong>sc</strong>hichte<br />

abgesehen (2), liegt nicht wenigen Äußerungen - in Son<strong>de</strong>rheit zu <strong>de</strong>n Vorgängen von<br />

1961, 1968 und 1980/81 - eine Ten<strong>de</strong>nz zugrun<strong>de</strong>, für die Bewertung <strong>de</strong>s damaligen<br />

Han<strong>de</strong>lns <strong>de</strong>r NVA allein die heutige Gesell<strong>sc</strong>haftsrealität in Deut<strong>sc</strong>hland und Europa<br />

heranzuziehen.<br />

Dem US-amerikani<strong>sc</strong>hen Historiker und Politologen Paul Kennedy wird <strong>de</strong>r Gedanke<br />

zuge<strong>sc</strong>hrieben: „In <strong>de</strong>r Ge<strong>sc</strong>hichte ist nichts unvermeidlich außer in <strong>de</strong>m formalen Sinn,<br />

daß ein an<strong>de</strong>rer Verlauf an<strong>de</strong>rer Ursachen bedurft hätte." Und er folgerte: "In <strong>de</strong>r Tat<br />

hätte es auch an<strong>de</strong>rs kommen können..."(3) Für das vorliegen<strong>de</strong> Thema, das bewußt<br />

<strong>de</strong>n Bezug zwi<strong>sc</strong>hen militäri<strong>sc</strong>hen Reaktionen und <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsproblematik gewählt hat<br />

(im Grun<strong>de</strong> aber für die Darstellung <strong>de</strong>r Ge<strong>sc</strong>hichte überhaupt), kann ein <strong>de</strong>rartiger<br />

Hinweis nur dienlich sein. Er erleichtert das Verständnis dafür, daß und warum sich aus<br />

einer geteilten Welt, die in <strong>de</strong>n zurückliegen<strong>de</strong>n Jahrzehnten mehrfach an <strong>de</strong>r Schwelle<br />

eines atomaren Abgrunds stand, eine völlig neue Grundsituation herausbil<strong>de</strong>n konnte.<br />

1


Ost-West-Konflikt, <strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong>, Gefahr eines „heißen“ <strong>Krieg</strong>es - alles dies unterliegt<br />

offensichtlich, ob gewollt o<strong>de</strong>r nicht, einem <strong>sc</strong>hnellen Verdrängungsprozeß. Um so<br />

mehr sollten wir bei <strong>de</strong>m Bemühen, einen be<strong>sc</strong>hei<strong>de</strong>nen Beitrag zur Ge<strong>sc</strong>hichte <strong>de</strong>r<br />

NVA zu leisten, davon ausgehen, daß Verdrängung o<strong>de</strong>r auch Verklärung <strong>de</strong>r<br />

Vergan-genheit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkbar untauglichste Weg ist, um neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

und Gefahren zu begegnen<br />

I. Zu einigen Aspekten <strong>de</strong>r Ge<strong>sc</strong>hichte und <strong>de</strong>r Wesensbestimmung<br />

<strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es<br />

Die internationalen Beziehungen in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte unseres Jahrhun<strong>de</strong>rts wur<strong>de</strong>n<br />

vor allem durch die alle Sphären durchdringen<strong>de</strong> Ost-West-Konfrontation geprägt.<br />

Der Ost-West-Konflikt bil<strong>de</strong>te die aus<strong>sc</strong>hlaggeben<strong>de</strong> gesell<strong>sc</strong>haftspoliti<strong>sc</strong>he Rahmenbedingung<br />

für das Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r sich gegenüber stehen<strong>de</strong>n Kräfte und Gruppierungen.<br />

Dieser Konflikt war ein struktureller und ein weltan<strong>sc</strong>haulicher Konflikt, was<br />

sich bereits daraus herleitete, daß die bei<strong>de</strong>n großen, um <strong>de</strong>n Führungsanspruch in<br />

<strong>de</strong>r Nachkriegsära kämpfen<strong>de</strong>n Supermächte unter<strong>sc</strong>hiedliche Vorstellungen über<br />

die Gestaltung interner und internationaler Strukturen verfolgten (4)<br />

Eigenart und Austragungsmechanismus <strong>de</strong>s Ost-West-Konfliktes bedingten, daß die<br />

Nachkriegsverbün<strong>de</strong>ten bei<strong>de</strong>r Supermächte - und damit die aus <strong>de</strong>n besetzten<br />

Teilen <strong>de</strong>s besiegten Deut<strong>sc</strong>hlands <strong>sc</strong>hließlich entstan<strong>de</strong>nen bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>hen<br />

Staaten - frühzeitig in diesen Konflikt einbezogen wur<strong>de</strong>n.<br />

Verfolgt man die Ausgangspunkte dieses Konflikts, so ist mit Sicherheit <strong>de</strong>r Zerfall<br />

<strong>de</strong>r Antihitlerkoalition als eine Zäsur anzusehen. Diese Koalition hatte sich als eine<br />

grundsätzliche Bündniskonstellation herausgebil<strong>de</strong>t. Es kam zu einer Zusammenarbeit<br />

von Kräften und Staaten unter<strong>sc</strong>hiedlicher Systeme und dies ganz beson<strong>de</strong>rs<br />

auf militäri<strong>sc</strong>hem Gebiet, weil sich ihre Teilnehmer angesichts <strong>de</strong>r von allen angestrebten<br />

<strong>Krieg</strong>szielen - ein<strong>sc</strong>hließlich <strong>de</strong>r Erringung <strong>de</strong>r Weltherr<strong>sc</strong>haft - mit einer tödlichen<br />

Gefahr konfrontiert sahen. Das Überlebensinteresse <strong>de</strong>r Alliierten war ein<strong>de</strong>utig<br />

<strong>de</strong>n durchaus weiterbestehen<strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rsprüchen zwi<strong>sc</strong>hen ihnen übergeordnet.(5)<br />

Die in <strong>de</strong>r Antihitlerkoalition ge<strong>sc</strong>haffenen Grundlagen reichten allerdings nicht aus,<br />

um die in Teheran, Jalta und Potsdam sowie in <strong>de</strong>r UN-Charta proklamierte neue<br />

internationale Ordnung zu verwirklichen. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r gemeinsame Feind<br />

überwun<strong>de</strong>n war, brachen alte Gegensätze und Wi<strong>de</strong>rsprüche wie<strong>de</strong>r auf; ja sie<br />

ver<strong>sc</strong>härften sich und wur<strong>de</strong>n zu einer bestimmen<strong>de</strong>n Ten<strong>de</strong>nz in <strong>de</strong>n internationalen<br />

Beziehungen.<br />

Für <strong>de</strong>n sich immer <strong>de</strong>utlicher abzeichnen<strong>de</strong>n Bruch <strong>de</strong>r Antihitlerkoalition erwiesen<br />

sich Trumans Ent<strong>sc</strong>hluß zum Einsatz erster Atombomben in <strong>de</strong>r Endphase <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krieg</strong>es im Fernen Osten, Stalins Rückfall in die totalitären Praktiken von 1937/38<br />

ein<strong>sc</strong>hließlich einer Rückbesinnung auf die imperiale Außenpolitik <strong>de</strong>s zaristi<strong>sc</strong>hen<br />

Rußlands und <strong>sc</strong>hließlich Churchills programmati<strong>sc</strong>he Fulton-Re<strong>de</strong> vom März 1946<br />

als Symptome. Die Ursachen dafür, daß sich die zwi<strong>sc</strong>henstaatlichen Wi<strong>de</strong>rsprüche<br />

in einem so <strong>sc</strong>hnellen Tempo und mit über etwa vier Jahrzehnten wirken<strong>de</strong>n gravieren<strong>de</strong>n<br />

Einfluß durchsetzen konnten, ja, daß sie zu einem System wur<strong>de</strong>n, das in die<br />

Ge<strong>sc</strong>hichte unter <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s „Kalten <strong>Krieg</strong>es" einging, liegen freilich im Gesamtkomplex<br />

<strong>de</strong>r Bedingungen nach 1945. Hier sollen nur drei Aspekte hervorgehoben<br />

wer<strong>de</strong>n:<br />

Erstens hatten sich, wie in <strong>de</strong>r Literatur nahezu übereinstimmend festgestellt wird,<br />

die USA und die UdSSR im Ergebnis <strong>de</strong>s zweiten Weltkrieges zu internationalen<br />

2


Machtfaktoren in einer nie gekannten Dimension entwickelt. Die USA errangen die<br />

unwi<strong>de</strong>rrufliche Vormachtposition in <strong>de</strong>r kapitalisti<strong>sc</strong>hen Welt. Ehe<strong>de</strong>m führen<strong>de</strong><br />

Mächte und Kolonialreiche wie Großbritannien und Frankreich verloren be<strong>de</strong>utend an<br />

Einfluß; sie gerieten insbeson<strong>de</strong>re durch wirt<strong>sc</strong>haftliche und militäri<strong>sc</strong>he Faktoren in<br />

Abhängigkeiten von <strong>de</strong>n USA. Die Sowjetunion hatte zwar durch <strong>de</strong>n <strong>Krieg</strong>sverlauf<br />

enorme Men<strong>sc</strong>henverluste und wirt<strong>sc</strong>haftliche Schä<strong>de</strong>n erlitten. Vor allem militäri<strong>sc</strong>h<br />

war sie nun jedoch stärker <strong>de</strong>nn je. Ihr territorialer Einflußbereich hatte sich erweitert.<br />

Sowjeti<strong>sc</strong>he Truppen waren in Mittel- sowie Südosteuropa disloziert. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

das internationale Gewicht <strong>de</strong>r UdSSR war unvergleichlich angewachsen. Die Verbrechen<br />

<strong>de</strong>s Stalinismus waren weltweit wenig bekannt; sofern dies <strong>de</strong>r Fall war,<br />

wur<strong>de</strong>n sie mit einem übersteigerten Sicherheitstrauma als Reflexion realer Bedrohung<br />

erklärt.<br />

Zweitens kam es nach 1945 in Europa zu einer Krise <strong>de</strong>r sich wie<strong>de</strong>r etablieren<strong>de</strong>n<br />

Vorkriegssysteme. Der Umstand, daß aus diesen Systemen in einigen Län<strong>de</strong>rn<br />

fa<strong>sc</strong>histi<strong>sc</strong>he Regime und Bewegungen hervorgegangen waren, ver<strong>sc</strong>härfte die<br />

politi<strong>sc</strong>hen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen und Polarisierungsprozesse. Diese Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

gewannen auch <strong>de</strong>shalb an gesell<strong>sc</strong>haftspoliti<strong>sc</strong>her Brisanz, weil sie mit<br />

For<strong>de</strong>rungen nach Verän<strong>de</strong>rungen politi<strong>sc</strong>her und wirt<strong>sc</strong>haftlicher Machtstrukturen<br />

verbun<strong>de</strong>n waren. Bei<strong>de</strong> Supermächte waren daran interessiert, Instabilitäten im<br />

eigenen Einflußbereich zu verhin<strong>de</strong>rn, im gegenüberstehen<strong>de</strong>n Lager hingegen zu<br />

för<strong>de</strong>rn.<br />

<strong>Dr</strong>ittens war die Herausbildung einer staatlichen Bipolarität aufs engste mit <strong>de</strong>n<br />

bereits bestehen<strong>de</strong>n gesell<strong>sc</strong>haftspoliti<strong>sc</strong>hen Prozessen verknüpft. Dabei wur<strong>de</strong><br />

nicht nur die Frage nach <strong>de</strong>m gesell<strong>sc</strong>haftlichen Entwicklungsweg - also sozialisti<strong>sc</strong>he<br />

Orientierung, „Volks<strong>de</strong>mokratie" und Planwirt<strong>sc</strong>haft o<strong>de</strong>r parlamentari<strong>sc</strong>he<br />

Demokratie, Pluralismus und Marktwirt<strong>sc</strong>haft - zur Schei<strong>de</strong>linie. Der Prozeß <strong>de</strong>r<br />

Konfrontation bewirkte zugleich eine Herausbildung, genauer Verfestigung von<br />

Blockstrukturen mit geopoliti<strong>sc</strong>hen und militärpoliti<strong>sc</strong>hen Trennlinien.<br />

Im Ergebnis all <strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Begriff „<strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong>" zum Oberbegriff <strong>de</strong>r<br />

Systemauseinan<strong>de</strong>rsetzung , ihrer Inhalte, Formen und Mechanismen. Sicher ist<br />

„<strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong>" zunächst ein be<strong>sc</strong>hreiben<strong>de</strong>r Begriff, von Churchill in Fulton offensichtlich<br />

zunächst nur im Sinne einer mehr o<strong>de</strong>r weniger verbindlichen Be<strong>de</strong>utungsnuance<br />

gebraucht: Bei<strong>de</strong> Seiten sollten ihre Rivalitäten mit an<strong>de</strong>ren Mitteln als<br />

<strong>de</strong>nen eines „heißen" <strong>Krieg</strong>es austragen. Die Potentiale <strong>de</strong>r <strong>Dr</strong>ohung bzw. Bedrohung<br />

jedoch sollten bleiben. (6)<br />

Im Grun<strong>de</strong> strebten bei<strong>de</strong> Seiten zumin<strong>de</strong>st ähnliche Ziele an, wie sie in <strong>de</strong>r vorangegangenen<br />

Ge<strong>sc</strong>hichte nur mittels <strong>de</strong>s <strong>Krieg</strong>es erreicht (o<strong>de</strong>r angestrebt) wor<strong>de</strong>n<br />

waren. Bei<strong>de</strong> Supermächte waren bemüht, das eigene internationale Gewicht zu<br />

erhöhen und die bestehen<strong>de</strong>n Einflußsphären zu befestigen sowie <strong>sc</strong>hrittweise zu<br />

erweitern. Dies war jedoch nur auf Kosten <strong>de</strong>r jeweils an<strong>de</strong>ren Seite möglich. Daß<br />

damit immer die Problematik <strong>de</strong>s Verhältnisses von Zielen und Mitteln verbun<strong>de</strong>n<br />

war, ergab sich zwangsläufig. Das politi<strong>sc</strong>he Wesen dieses Verhältnisses hatte<br />

bereits Clausewitz in <strong>de</strong>r Formel ausgedrückt: „Gehört <strong>de</strong>r <strong>Krieg</strong> <strong>de</strong>r Politik an, so<br />

wird er ihren Charakter annehmen." (7)<br />

Bereits daraus, daß die Bestrebungen, die politi<strong>sc</strong>hen, ökonomi<strong>sc</strong>hen und militärstrategi<strong>sc</strong>hen<br />

Positionen zu stärken und auszuweiten, immer mit <strong>de</strong>m Versuch<br />

verbun<strong>de</strong>n waren, zugleich die Ausgangspunkte für eine mögliche militäri<strong>sc</strong>he<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zu verbessern, waren Gefahren für ein Hinüberwachsen <strong>de</strong>s<br />

Kalten <strong>Krieg</strong>es in die bewaffnete militäri<strong>sc</strong>he Auseinan<strong>de</strong>rsetzung permanent gege-<br />

3


en. Konkret-ge<strong>sc</strong>hichtliche Umstän<strong>de</strong> beeinflußten dabei jeweils Eigenart und <strong>de</strong>n<br />

Grad <strong>de</strong>r Verflechtung von offensiv o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>fensiv angelegten Aktionen bzw. Reaktionen,<br />

aber auch das im Verlauf <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es durchaus nicht gleichbleiben<strong>de</strong><br />

Niveau <strong>de</strong>r <strong>Krieg</strong>sgefahr.<br />

Man kann also sagen: <strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong> ist eine länger andauern<strong>de</strong> Perio<strong>de</strong> intensiv feindseliger<br />

Beziehungen zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>n Großmächten und ihren jeweiligen Verbün<strong>de</strong>ten<br />

als ein internationales System, das alle Sphären <strong>de</strong>r Politik und beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r<br />

Außen- und Militärpolitik durchdringt. Dies allein reicht jedoch zur Wesensbestimmung<br />

nicht aus. Ernst Nolte hat darauf verwiesen, daß für das Begreifen <strong>de</strong>s<br />

Phänomens „<strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong>" unbedingt <strong>de</strong>r „nukleare Tatbestand" herangezogen<br />

wer<strong>de</strong>n muß. (8) Erst auf <strong>de</strong>r Grundlage gegenseitiger nuklearer Vernichtungsfähigkeit<br />

und einer sich darauf stützen<strong>de</strong>n Ab<strong>sc</strong>hreckungsstrategie bil<strong>de</strong>ten sich im<br />

System und in <strong>de</strong>r Genesis <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es bestimmte Verhaltensregeln und<br />

Normen heraus, die von bei<strong>de</strong>n Seiten akzeptiert wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n mußten. Nur<br />

so ist u.E. erklärbar, daß es trotz mehrfacher äußerster Zuspitzungen in <strong>de</strong>n Ost-<br />

West-Beziehungen nicht zu einem dritten Weltkrieg gekommen ist. Nicht allein<br />

essentielle Spannungen und strukturell <strong>de</strong>terminierte Abgrenzungen und Feindseligkeiten<br />

sind also zu beachten, son<strong>de</strong>rn ebenso Momente <strong>de</strong>r aktiven Einwirkung und<br />

gegenseitigen Abhängigkeit. Berechenbarkeit wur<strong>de</strong> zum Schlüssel <strong>de</strong>r Beziehungen.<br />

Daß von <strong>de</strong>n drei Voraussetzungen eines funktionieren<strong>de</strong>n Systems - gemeinsame<br />

Ziele o<strong>de</strong>r Teilziele, adäquate Strukturen und gegenseitig akzeptierte Verfahrensweisen<br />

- die zweite Voraussetzung fehlte, ist nicht nur Ursache für die hohe Labilität<br />

dieses Systems und für die ständige Möglichkeit <strong>de</strong>s Übergangs von Krisen zur<br />

offenen militäri<strong>sc</strong>hen Konfrontation. Es erklärt auch die bis in die 80er Jahre hinein<br />

vorhan<strong>de</strong>ne geringe Flexibilität in <strong>de</strong>n Ost-West-Beziehungen und die kaum o<strong>de</strong>r<br />

nicht gegebene Möglichkeit, einzelne Bündnispartner aus diesem System herauszubrechen.<br />

Da <strong>de</strong>r Ost-West-Konflikt in seinem Kern über Jahrzehnte hinweg nicht<br />

lösbar er<strong>sc</strong>hien, erhielt Konfliktregulierung bei internationalen Spannungen einen<br />

zentralen Stellenwert. (9)<br />

II. Zu Wirkungen und Funktionen <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es in <strong>de</strong>n internationalen<br />

Beziehungen<br />

Der Kalte <strong>Krieg</strong> erstreckte sich bekanntlich über einen Zeitraum von etwa vier Jahrzehnten.<br />

In voller Ausprägung bestimmte er die internationalen Beziehungen von<br />

1946 (10) bis 1962, <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Kuba-Krise. Von hier setzte u. E. ein Ab<strong>sc</strong>hnitt<br />

ein, <strong>de</strong>r - trotz ernsthafter Zuspitzungen, Krisen und Belastungen <strong>de</strong>r internationalen<br />

Beziehungen wie zum Beispiel durch die Ereignisse 1968 - unter starken<br />

Einwirkungen <strong>de</strong>r Strategie <strong>de</strong>r Zusammenarbeit und <strong>de</strong>s Konflikts verläuft, eine<br />

Zeitspanne <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es, die mitunter auch als „<strong>Kalter</strong> Frie<strong>de</strong>n" bezeichnet<br />

wird. (11)<br />

1986/87 <strong>sc</strong>hließlich bis zum Zusammenbruch <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages und <strong>de</strong>s<br />

RGW wird eine Annäherung in <strong>de</strong>n sowjeti<strong>sc</strong>h-amerikani<strong>sc</strong>hen Beziehungen und<br />

Positionen sichtbar, die vor allem durch gemeinsame Bemühungen bei <strong>de</strong>r Bewältigung<br />

globaler Probleme gekennzeichnet sind. Es kommt zu ersten Schritten effizienter<br />

Abrüstung.<br />

In <strong>de</strong>n ver<strong>sc</strong>hie<strong>de</strong>nen Etappen, Zuspitzungen und Abflauungen, die sich in <strong>de</strong>r Regel<br />

nicht nur auf die Politik <strong>de</strong>r unmittelbar Beteiligten, son<strong>de</strong>rn auf die internationalen<br />

4


Beziehungen überhaupt auswirkten, trat zugleich eine Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s Kalten<br />

<strong>Krieg</strong>es hervor: In <strong>de</strong>n meisten Fällen - namentlich im Zusammenhang mit Krisen<br />

und Konflikten - stan<strong>de</strong>n Teilziele mit relativ hoher Verselbständigung im Vor<strong>de</strong>rgrund.<br />

Häufig wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Ansteuern o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erreichung <strong>de</strong>rartiger Ziele – verwiesen<br />

sei auf <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Berliner Mauer und die durchgehen<strong>de</strong> Grenzsicherung<br />

ab 1961 o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Ausgang <strong>de</strong>r Kuba-Krise 1962 - die These propagiert, <strong>de</strong>r Status<br />

quo sei nunmehr endgültig befestigt.<br />

In alle<strong>de</strong>m zeigte sich bereits auf einer frühen Stufe <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung: Die<br />

Verflechtung und das Aufeinan<strong>de</strong>rprallen von staatlichen Interessen und hegemonialen<br />

Zielsetzungen mußte beson<strong>de</strong>rs starke Auswirkungen auf die Militärpolitik<br />

<strong>de</strong>r agieren<strong>de</strong>n Gruppierungen, auf die militärstrategi<strong>sc</strong>hen Konzeptionen und nicht<br />

zuletzt auf <strong>de</strong>n Rüstungswettlauf haben. Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, die<br />

Genesis <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es in diesem Bereich ausführlicher zu skizzieren, zumal<br />

dies erfor<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>, nicht nur militärpoliti<strong>sc</strong>he und militärstrategi<strong>sc</strong>he Entwicklungen<br />

und Entwicklungsetappen, son<strong>de</strong>rn auch die jeweilige militärtechni<strong>sc</strong>he Komponente<br />

zu berücksichtigen. Deshalb sollen nur einige Bemerkungen zu Ereignissen gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n, die sich nicht in Europa vollzogen, <strong>de</strong>nen jedoch bei <strong>de</strong>r Untersuchung von<br />

Krisen und Konflikten u. E. generelle Be<strong>de</strong>utung zukommt.<br />

Das ist erstens <strong>de</strong>r Korea-<strong>Krieg</strong>, <strong>de</strong>r im Juni 1950 begann. Mit diesem <strong>Krieg</strong> wur<strong>de</strong><br />

die Welt erstmals <strong>de</strong>r Gefahr eines dritten, mit hoher Wahr<strong>sc</strong>heinlichkeit in einen<br />

Raketen-Kernwaffenkrieg mün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Weltkrieges ausgesetzt. Die konkreten Zusammenhänge<br />

<strong>de</strong>r Auslösung dieses <strong>Krieg</strong>es sind bis heute nicht völlig geklärt. Über<br />

die strategi<strong>sc</strong>hen Absichten <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Korea-<strong>Krieg</strong> direkt o<strong>de</strong>r indirekt einbezogenen<br />

Supermächte besteht jedoch wenig Zweifel. (12)<br />

Aus unter<strong>sc</strong>hiedlichen Zielsetzungen und Motiven heraus ging es um eine zumin<strong>de</strong>st<br />

partielle Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kräfteverhältnisses im asiati<strong>sc</strong>hen Raum, die einen<br />

Dominoeffekt auslösen sollte. (13) Im Verlauf <strong>de</strong>s <strong>Krieg</strong>es, <strong>de</strong>r sich im wesentlichen<br />

in zwei Etappen vollzog, erwies sich, daß die ein<strong>de</strong>utige Überlegenheit <strong>de</strong>r USA in<br />

<strong>de</strong>r Luft und bei <strong>de</strong>n Flottenkräften, gestützt auf die Komponente <strong>de</strong>r zu diesem<br />

Zeitpunkt klaren atomaren Überlegenheit, durch konventionell ausgerüstete, zahlenmäßig<br />

starke Gruppierungen <strong>de</strong>r VR China und <strong>de</strong>ren sowjeti<strong>sc</strong>he Unterstützung<br />

mittels Waffenlieferungen sowie Begleit<strong>sc</strong>hutz durch Fliegerkräfte wettgemacht<br />

wer<strong>de</strong>n konnte. Der Stellvertreterkrieg im Fernen Osten en<strong>de</strong>te 1953 in einer Pattsituation.<br />

Die Analyse dieses <strong>Krieg</strong>es führte auf bei<strong>de</strong>n Seiten zu ein<strong>sc</strong>hnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n langfristig<br />

wirken<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen: erstens zu einer neuen Stufe <strong>de</strong>r auf Europa konzentrierten<br />

konventionellen Aufrüstung, zweitens zu einem verstärkten Auf- und Ausbau<br />

<strong>de</strong>r militäri<strong>sc</strong>hen Bündnisse und drittens zu konkreten Vorstellungen und Vorarbeiten<br />

für die Entwicklung und Einbeziehung <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>her Potentiale innerhalb <strong>de</strong>r entgegengesetzten<br />

Paktstrukturen. Wenn dieser Prozeß in jenen Jahren die Problematik <strong>de</strong>r<br />

Führbarkeit eines <strong>Krieg</strong>es in Europa, sei es konventionell o<strong>de</strong>r mit Raketen-Kernwaffen,<br />

bei weitem noch nicht in Frage stellte, so gab die Auswertung <strong>de</strong>s Korea-<br />

<strong>Krieg</strong>es doch Anstöße zu Verän<strong>de</strong>rungen im militärtheoreti<strong>sc</strong>hen Denken. Obwohl in<br />

<strong>de</strong>n USA, die unter wesentlichen Einfluß von George Kennan konzipierte Containment-Strategie<br />

und die im Januar 1954 verkün<strong>de</strong>te Militärstrategie <strong>de</strong>r massiven<br />

Vergeltung offiziell weiter gültig blieben, setzte sich - beginnend Mitte <strong>de</strong>r 50er Jahre<br />

- eine <strong>sc</strong>hrittweise Hinwendung zu Überlegungen und Konzeptionen durch, <strong>de</strong>ren<br />

Kern die Problematik <strong>de</strong>s begrenzten <strong>Krieg</strong>es bil<strong>de</strong>te. Als einen bemerkenswerten<br />

Ein<strong>sc</strong>hnitt könnte man dabei die Untersuchungen <strong>de</strong>s damaligen Generalstab<strong>sc</strong>hefs<br />

William Taylor betrachten. (14)<br />

5


In <strong>de</strong>r UdSSR vollzog sich ein <strong>de</strong>rartiger Prozeß <strong>de</strong>r Anpassung an verän<strong>de</strong>rte<br />

politi<strong>sc</strong>he, militäri<strong>sc</strong>he und militärtechni<strong>sc</strong>he Entwicklungen durchaus nicht gleichlaufend<br />

und insgesamt langsamer, im Grun<strong>de</strong> genommen als Reaktion auf<br />

entsprechen<strong>de</strong> Entwicklungen in <strong>de</strong>n USA und in <strong>de</strong>r NATO. Insbeson<strong>de</strong>re Theorien<br />

und strategi<strong>sc</strong>he Überlegungen hinsichtlich begrenzter <strong>Krieg</strong>e, im weiteren aber<br />

Fragen <strong>de</strong>r Eskalation und Deeskalation von Krisen und Konflikten sowie entsprechen<strong>de</strong><br />

Szenarien wur<strong>de</strong>n bis in die 70er Jahre hinein weitgehend in <strong>de</strong>n Bereich<br />

bürgerlicher Spekulationen verbannt und <strong>de</strong>mentsprechend auch wenig untersucht.<br />

Dennoch vollzog sich natürlich auch hier ein Anpassungsprozeß. Als eine seiner<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten, die bis in die erste Hälfte <strong>de</strong>r 80er Jahre hinein wirkte, hat Robert F.<br />

Ellsworth folgen<strong>de</strong>n Umstand hervorgehoben: „Die Gesamtstrategie <strong>de</strong>r Sowjetunion<br />

ist, sich <strong>de</strong>finitiv gegen <strong>de</strong>n <strong>sc</strong>hlimmsten Fall miteinan<strong>de</strong>r verknüpfter Bedrohungen<br />

zu rüsten ... Es hat niemals einen erfolgreichen <strong>Krieg</strong> gegeben, <strong>de</strong>r freiwillig von <strong>de</strong>r<br />

Sowjetunion (o<strong>de</strong>r ihren russi<strong>sc</strong>hen zaristi<strong>sc</strong>hen Vorgängern) gegen eine Macht<br />

erster Ordnung angefangen wor<strong>de</strong>n wäre ... Der Kreml <strong>sc</strong>heint sich ein Szenario <strong>de</strong>r<br />

<strong>sc</strong>hlimmsten Fälle auszumalen, in <strong>de</strong>m ein koordinierter Angriff in Europa, eine<br />

chinesi<strong>sc</strong>he Invasion vom Osten und ein umfassen<strong>de</strong>r Aufstand in Osteuropa<br />

stattfin<strong>de</strong>n ... " (15) Nur so sei zu erklären, daß die UdSSR auch bei qualitativ neuen<br />

Stufen in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r nuklearen Tria<strong>de</strong> sowie operativ-takti<strong>sc</strong>her Raketen nie<br />

auf eine äußerst starke konventionelle Komponente verzichtet habe.<br />

Aber auch einem zweiten Ereignis, <strong>de</strong>r Kuba-Krise vom Oktober 1962, die sich<br />

ebenfalls im außereuropäi<strong>sc</strong>hen Raum entfaltete, kommt in <strong>de</strong>r Ge<strong>sc</strong>hichte <strong>de</strong>s<br />

Kalten <strong>Krieg</strong>es eine beson<strong>de</strong>re Rolle zu. Sie war die massivste sowjeti<strong>sc</strong>h-amerikani<strong>sc</strong>he<br />

Konfrontation seit Beginn <strong>de</strong>s Atomzeitalters. Nicht zufällig wird diese Krise<br />

als ein Wen<strong>de</strong>punkt in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Ost-West-Konfliktes angesehen. Von<br />

1962 an, so <strong>de</strong>r damalige US-Außenminister McNamara (16), wur<strong>de</strong> es zwingend<br />

notwendig, das Arsenal <strong>de</strong>s bis dahin gültigen militärstrategi<strong>sc</strong>hen Denkens grundlegend<br />

zu überprüfen., ja in Frage zu stellen. Fragen <strong>de</strong>s Krisemanagements konnten<br />

wie Kuba zeigte, zu Fragen über Leben und Tod wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Kuba-Krise ver<strong>de</strong>utlichte mehr noch als die ebenfalls in die 60er Jahre hineinreichen<strong>de</strong>n<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen um <strong>de</strong>n Berlin-Status: Internationale Krisen<br />

entstehen durch Interessenkonflikte, die sich durch <strong>sc</strong>hwerwiegen<strong>de</strong> Fehlein<strong>sc</strong>hätzungen<br />

<strong>de</strong>r Möglichkeiten und Absichten <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite, aber auch <strong>de</strong>r eigenen<br />

Möglichkeiten o<strong>de</strong>r durch bewußt provokativ angelegte Schritte (häufig durch bei<strong>de</strong>s)<br />

zu unmittelbar frie<strong>de</strong>nsbedrohen<strong>de</strong>n Situationen zuspitzen.<br />

Im Unter<strong>sc</strong>hied zu einer Reihe an<strong>de</strong>rer Krisen entwickelte sich die Kuba-Krise sofort<br />

als internationale Krise. Innerhalb von Stun<strong>de</strong>n und Tagen war die Möglichkeit einer<br />

Eskalation bis hin zum weltweiten Raketen-Kernwaffenkrieg gegeben. Die Chancen<br />

für die Berechenbarkeit <strong>de</strong>r Politik <strong>de</strong>r jeweils an<strong>de</strong>ren Seite nahmen dramati<strong>sc</strong>h ab.<br />

Vor allem aber: Der Krisenverlauf drohte auf einer bestimmten Stufe eine Eigendynamik<br />

zu erlangen, die traditionelle Kategorien wie Gewinn o<strong>de</strong>r Verlust, Sieg o<strong>de</strong>r<br />

Nie<strong>de</strong>rlage für alle agieren<strong>de</strong>n Kräfte in Frage stellte.<br />

Die Analyse <strong>de</strong>r Kuba-Krise, die auf ihrem Höhepunkt durch Kompromißoptionen<br />

ent<strong>sc</strong>härft wer<strong>de</strong>n konnte, erwies sich in mehrfacher Hinsicht als eine Zäsur. Sie<br />

lehrte, daß eine Bewältigung - gleich, wie sie sich im konkreten Fall stellen sollte - im<br />

Grun<strong>de</strong> nur möglich ist, wenn bei<strong>de</strong> Seiten sowohl die Ziele, die sie in <strong>de</strong>r<br />

Konfrontation verfolgen, als auch die Mittel; <strong>de</strong>rer sie sich bedienen, begrenzen. In<br />

<strong>de</strong>r Folge erwies sich u. E. immer zwingen<strong>de</strong>r, daß dafür eine Reihe von Voraussetzungen<br />

gegeben sein müssen, die man wie folgt umreißen kann:<br />

6


- Diplomati<strong>sc</strong>he und militäri<strong>sc</strong>he Schritte bedürfen engster Koordination. <strong>Oberst</strong>e<br />

Prämisse muß stets die Beilegung <strong>de</strong>r Krise mit friedlichen Mitteln sein.<br />

- Damit muß zugleich die oberste politi<strong>sc</strong>he Kontrolle über militäri<strong>sc</strong>he Optionen<br />

und Operationen, beginnend bei <strong>de</strong>r strategi<strong>sc</strong>hen und operativen Planung,<br />

gewährleistet sein.<br />

- Aus militäri<strong>sc</strong>her Sicht sind Schritte zu vermei<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r Gegenseite <strong>de</strong>n<br />

Eindruck vermitteln, man sei zu je<strong>de</strong>m Risiko bereit. Das <strong>sc</strong>hließt die Notwendigkeit<br />

ein, auf Schritte zu verzichten, die die an<strong>de</strong>re Seite zu einem Präventiv<strong>sc</strong>hlag<br />

veranlassen könnten. Sollte es zu militäri<strong>sc</strong>hen Aktionen kommen,<br />

muß es in <strong>de</strong>ren Dynamik Atempausen, Zeiträume für <strong>de</strong>n Kompromiß geben<br />

- Und <strong>sc</strong>hließlich: es müssen Optionen angestrebt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />

einen Weg aus <strong>de</strong>r Krise offenlassen. Das kann, wie alle Erfahrungen zeigen, nur<br />

ein Weg sein, <strong>de</strong>r mit fundamentalen Interessen vereinbar ist.<br />

Diese Schlüsse, die sich insbeson<strong>de</strong>re aus Krisen mit <strong>de</strong>r ten<strong>de</strong>nziellen Gefahr <strong>de</strong>r<br />

Eskalation zu einem Weltkrieg ableiten lassen, sind natürlich in die Rahmenbedingungen<br />

<strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es zu stellen. Das be<strong>de</strong>utet erstens, daß die Problematik<br />

<strong>de</strong>r Krisenverhin<strong>de</strong>rung aus objektiven und subjektiven Grün<strong>de</strong>n einen äußerst<br />

geringen Stellenwert einnahm, und es be<strong>de</strong>utet zweitens, daß Ausgangspunkte und<br />

Schlußfolgerungen aus Krisen und Konflikten jener Ära durchaus gleichgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n können. So wirkten im Korea-<strong>Krieg</strong> an<strong>de</strong>re Bezugsebenen als im Vietnam-<br />

<strong>Krieg</strong> und wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>n Vorgängen in Afghanistan.<br />

Wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re Charakteristika kommen <strong>de</strong>n Krisen in Europa, beginnend bei <strong>de</strong>n<br />

Ereignissen in Ungarn 1956 bis hin zur Wen<strong>de</strong> 1989/90 zu, wobei auch hier natürlich<br />

Differenzierungen erfor<strong>de</strong>rlich sind. Diese Anmerkungen be<strong>de</strong>uten nicht, daß es<br />

zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>n Krisen und Konflikten in und außerhalb Europas keine<br />

Zusammenhänge gegeben hätte. Sie wirkten nicht nur in <strong>de</strong>r bereits ange<strong>de</strong>uteten<br />

Richtung <strong>de</strong>r Auswertung in <strong>de</strong>r NATO und im War<strong>sc</strong>hauer Vertrag.<br />

Gesetze <strong>de</strong>r Physik sind nicht auf gesell<strong>sc</strong>haftliche Verhältnisse übertragbar, o<strong>de</strong>r<br />

nur einge<strong>sc</strong>hränkt und vermittelt. Und doch ist, wenn wir die Hin- und Rückwirkungen<br />

<strong>de</strong>r ver<strong>sc</strong>hie<strong>de</strong>nen Krisen untersuchen, das Beispiel <strong>de</strong>r kommunizieren<strong>de</strong>n<br />

Röhren nicht abwegig. So steht außer Zweifel, daß <strong>de</strong>r Konflikt zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>r UdSSR<br />

und China o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>r Vietnam-<strong>Krieg</strong> ständig Einfluß auf die Systemauseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

in Europa hatten. Das komplizierte Ringen zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>n USA und <strong>de</strong>r<br />

UdSSR, <strong>de</strong>r NATO und <strong>de</strong>m War<strong>sc</strong>hauer Vertrag um Auf- o<strong>de</strong>r Abrüstung bil<strong>de</strong>te<br />

<strong>de</strong>n wohl wichtigsten Ausdruck dieser Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz.<br />

Es entsprach <strong>de</strong>m Wesen <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es, daß <strong>de</strong>r militäri<strong>sc</strong>he Faktor nicht nur<br />

einen äußerst hohen Stellenwert einnahm: die Ab<strong>sc</strong>hreckung sollte auch glaubhaft<br />

sein. Auf bei<strong>de</strong>n Seiten bil<strong>de</strong>te sich ein im Grun<strong>de</strong> übereinstimmen<strong>de</strong>s Handlungsmuster<br />

heraus: Erstens: Die Hauptelemente <strong>de</strong>r Ab<strong>sc</strong>hreckung müssen eine<br />

bestimmte Minimalebene erreichen. Zweitens: Falls die Glaubwürdigkeit sinkt, muß<br />

die Fähigkeit <strong>de</strong>n Gegner zu bestrafen, gesteigert wer<strong>de</strong>n. <strong>Dr</strong>ittens: Verringert sich<br />

die einsetzbare Ab<strong>sc</strong>hreckungsfähigkeit, muß <strong>de</strong>ren Wirksamkeit erhöht wer<strong>de</strong>n. (17)<br />

Zwar mußten bei<strong>de</strong> Seiten erkennen, daß ein ständiges Wettrüsten - zumal in<br />

aufsteigen<strong>de</strong>r Spirale - <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n nicht stabiler, son<strong>de</strong>rn nur labiler machen konnte.<br />

Es bedurfte jedoch eines langen Prozesses, zeitlich etwa bis Mitte <strong>de</strong>r 70er Jahre,<br />

(18) bis sich das Prinzip <strong>de</strong>r militärstrategi<strong>sc</strong>hen Parität zumin<strong>de</strong>st in verbaler<br />

Akzeptanz durchsetzte. Allein die zahlenmäßige Aufrechnung <strong>de</strong>r Waffen, die<br />

Unter<strong>sc</strong>hiedlichkeit <strong>de</strong>r Waffenarten und beson<strong>de</strong>rs das komplizierte Problem <strong>de</strong>r<br />

7


Vergleichbarkeit von Waffensystemen und ihren Wirkungen erwiesen sich bei<br />

Abrüstungsverhandlungen - und dies bereits bei jenen im konventionellen Bereich in<br />

Wien - als <strong>sc</strong>hwer zu überwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Hin<strong>de</strong>rnisse.<br />

So blieb selbst nach Ablauf <strong>de</strong>r Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen<br />

sowie bei Erreichung entsprechen<strong>de</strong>r Vereinbarungen in <strong>de</strong>n 80er Jahren das<br />

Bestreben sichtbar, spezifi<strong>sc</strong>he Vorteile <strong>de</strong>r jeweiligen Seite möglichst nicht preiszugeben.<br />

Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s geplanten SDI-Programms und <strong>de</strong>r Einführung<br />

einer qualitativ neuen Stufe bei <strong>de</strong>r Entwicklung bzw. auch Serieneinführung von<br />

Waffen und Munitionsarten äußerte USA-Präsi<strong>de</strong>nt Reagan damals: „Wir befin<strong>de</strong>n<br />

uns bereits in einem Rüstungswettlauf..". Offensichtlich im Hinblick auf das zurückgebliebene<br />

Produktionsniveau in <strong>de</strong>r UdSSR und <strong>de</strong>n damit verbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Zwang,<br />

allein für die Erreichung eines annähern<strong>de</strong>n militäri<strong>sc</strong>hen Gleichgewichts im Vergleich<br />

zu <strong>de</strong>n USA etwa doppelte Aufwendungen zu unternehmen, fügte Reagan<br />

hinzu „...aber nur die Sowjets rennen." (19)<br />

So kann man insgesamt feststellen: Der Kalte <strong>Krieg</strong> war erstens eine Art Stellvertreterkrieg<br />

für einen dritten Weltkrieg, in<strong>de</strong>m zumin<strong>de</strong>st die Androhung von militäri<strong>sc</strong>her<br />

Gewalt ein ent<strong>sc</strong>hei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r, kraftzehren<strong>de</strong>r und potentiell lebensgefährlicher<br />

Faktor war. Er war zweitens Mittel zur Verhin<strong>de</strong>rung einer globalen militäri<strong>sc</strong>hen<br />

Konfrontation und damit immer auch zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s Status quo. <strong>Dr</strong>ittens<br />

bewirkte er eine beträchtliche Stabilität <strong>de</strong>r sich gegenüber stehen<strong>de</strong>n Bündnisse.<br />

III. Rolle und Platz Deut<strong>sc</strong>hlands im System <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es<br />

Deut<strong>sc</strong>hland wur<strong>de</strong> von Anbeginn zu einem Hauptfeld <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es. Die<br />

Staaten <strong>de</strong>r Antihitlerkoalition hatten zwar insbeson<strong>de</strong>re auf <strong>de</strong>r Potsdamer Konferenz<br />

Vereinbarungen getroffen, die auf ein gemeinsames Vorgehen bei <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

<strong>de</strong>r Nachkriegsordnung in Deut<strong>sc</strong>hland orientierten. Ebenso sollte die Tätigkeit<br />

<strong>de</strong>s Alliierten Kontrollrates <strong>de</strong>r Grundlinie von Jalta und Potsdam folgen. Frühzeitig,<br />

im Grun<strong>de</strong> <strong>sc</strong>hon bei <strong>de</strong>n ersten Schritten zur Normalisierung <strong>de</strong>s Lebens, bei <strong>de</strong>r<br />

Errichtung <strong>de</strong>r Verwaltungsorgane sowie <strong>de</strong>r Etablierung wirt<strong>sc</strong>haftlicher und politi<strong>sc</strong>her<br />

Strukturen wur<strong>de</strong>n höchst unter<strong>sc</strong>hiedliche Vorstellungen <strong>de</strong>r Supermächte zu<br />

aktuellen und mehr noch perspektivi<strong>sc</strong>hen Prozessen sichtbar. Dies war eng verbun<strong>de</strong>n<br />

mit prinzipiell gegensätzlichen Positionen <strong>de</strong>r politi<strong>sc</strong>hen Hauptkräfte in Deut<strong>sc</strong>hland<br />

selbst vor allem zu Fragen <strong>de</strong>r Formen und <strong>de</strong>s Inhalts <strong>de</strong>r Demokratie, <strong>de</strong>r<br />

Entnazifizierung und ab 1946 zunehmend in <strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen um eine<br />

Bo<strong>de</strong>nreform sowie Enteignungen von Industrie- und Bankkapital.<br />

Ent<strong>sc</strong>hei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n Gang <strong>de</strong>r Entwicklungsprozesse in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren bis<br />

zur Spaltung Deut<strong>sc</strong>hlands wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Umstand, daß diese hier nur an<strong>de</strong>utungsweise<br />

skizzierte Ebene <strong>de</strong>r gesell<strong>sc</strong>haftspoliti<strong>sc</strong>hen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen auf das engste<br />

mit <strong>de</strong>r militärstrategi<strong>sc</strong>hen Konfrontation verknüpft war. Die vier Siegermächte<br />

betrachteten Deut<strong>sc</strong>hland, auf <strong>de</strong>ssen Bo<strong>de</strong>n ihre Truppen massiert konzentriert<br />

waren, zu Recht als einen beson<strong>de</strong>rs neuralgi<strong>sc</strong>hen Bereich: Entlang <strong>de</strong>r festgelegten<br />

Demarkationslinien stan<strong>de</strong>n sich ihre Gruppierungen oft in Entfernungen<br />

von nur wenigen Kilometern gegenüber (von <strong>de</strong>r Lage in Berlin ganz abgesehen).<br />

Je<strong>de</strong> Beeinträchtigung <strong>de</strong>r unter<strong>sc</strong>hiedlichen Interessen, je<strong>de</strong>r Versuch <strong>de</strong>r Einwirkung<br />

auf die Interessenssphären barg ein <strong>sc</strong>hwer ein<strong>sc</strong>hätzbares Konfliktpotential in<br />

sich. Aus alle<strong>de</strong>m heraus wur<strong>de</strong> die Demarkationslinie zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>n Besatzungsmächten<br />

zunehmend zu einer Trenn- und Frontlinie.<br />

8


Eine Verständigung zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>n politi<strong>sc</strong>hen Parteien und Bewegungen in<br />

Deut<strong>sc</strong>hland selbst hätte möglicherweise eine <strong>de</strong>rartige Ausprägung <strong>de</strong>s Kalten<br />

<strong>Krieg</strong>es, genauer, eine Entwicklung <strong>de</strong>s Beziehungsgefüges als <strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong><br />

er<strong>sc</strong>hwert. Ob sie diese verhin<strong>de</strong>rt hätte, ist <strong>sc</strong>hwer bestimmbar und bleibt im<br />

Bereich <strong>de</strong>s Spekulativen. Festzuhalten bleibt, daß in <strong>de</strong>r Folgezeit, wie man die<br />

Motive auch bewerten mag, die politi<strong>sc</strong>hen Hauptkräfte in Deut<strong>sc</strong>hland selbst - im<br />

Osten vor allem durch <strong>de</strong>n Einfluß <strong>de</strong>r Kommunisten, im westlichen Bereich durch<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Konservativen und <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokraten, zur weiteren gesell<strong>sc</strong>haftlichen<br />

Polarisierung und politi<strong>sc</strong>hen Abgrenzung beitrugen. Deshalb stimmen wir im gewissen<br />

Sinne <strong>de</strong>r Auffassung zu, daß die Bun<strong>de</strong>srepublik und die DDR „bei aller Beteiligung<br />

<strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>her Politiker, Produkt, nicht Ursache <strong>de</strong>s Ost-West-Konfliktes waren“.(20)<br />

Als ein erster Höhepunkt <strong>de</strong>r Konfrontation mit weitreichen<strong>de</strong>n Folgen ist ohne<br />

Zweifel die Berlin-Krise von 1948/49 anzusehen. Ihr konkreter und unmittelbarer<br />

Auslösepunkt war die separate Währungsreform in <strong>de</strong>n westlichen Besatzungszonen,<br />

in die die Westsektoren Berlins einbezogen wor<strong>de</strong>n. Die Sowjetunion, die<br />

eine Destabilisierung Ost<strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>hlands befürchten mußte, reagierte nicht nur mit<br />

Abwehrmaßnahmen, so mit einer ebenfalls in <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen Besatzungszone<br />

durchgeführten Reform <strong>de</strong>r Währung. Sie versuchte darüber hinaus erstmals, eine<br />

Option durchzusetzen, die später in an<strong>de</strong>ren Varianten wie<strong>de</strong>rkehren sollte: <strong>de</strong>n<br />

„eisernen Vorhang" undurchlässig zu machen und die Westmächte möglichst aus<br />

Berlin zu verdrängen. Diese Zuspitzung ging nicht auf. Die Berlin-Krise wur<strong>de</strong> im<br />

Frühjahr 1949 beigelegt und die dabei zugrun<strong>de</strong> gelegte Ge<strong>sc</strong>häftsgrundlage<br />

zugleich mit Spielräumen für Kompromißangebote relativiert.<br />

Die Ursachen und Grün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n am 10. März 1952 überra<strong>sc</strong>hend vorgetragenen<br />

sowjeti<strong>sc</strong>hen Vorstoß, Deut<strong>sc</strong>hland wie<strong>de</strong>rzuvereinigen und ähnlich <strong>de</strong>m Beispiel<br />

Österreichs zu neutralisieren, sind sicher viel<strong>sc</strong>hichtig. Ihre Beurteilung in <strong>de</strong>r<br />

Ge<strong>sc</strong>hichts<strong>sc</strong>hreibung ist ähnlich wi<strong>de</strong>rspruchsvoll, wie die Bewertung <strong>de</strong>r Ablehnung<br />

<strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen Note durch die Westmächte. (21)<br />

Relativ zurückhaltend urteilt Hermann Weber: „Be<strong>de</strong>utungsvoll wur<strong>de</strong>n die sowjeti<strong>sc</strong>hen<br />

Thesen freilich erst, als sich Moskau am 9. April 1952 ausdrücklich mit <strong>de</strong>r<br />

Abhaltung freier Wahlen in ganz Deut<strong>sc</strong>hland einverstan<strong>de</strong>n erklärte ... Die Verhandlungen<br />

<strong>de</strong>r ehemaligen Alliierten gerieten bald in die Sackgasse, da man sich in<br />

Formalitäten verrannte; <strong>de</strong>r tatsächliche Grund war wohl, daß die Gegensätze zu<br />

groß waren. Ob das sowjeti<strong>sc</strong>he Angebot die Chance einer Wie<strong>de</strong>rvereinigung in<br />

Freiheit geboten hätte o<strong>de</strong>r nicht, blieb umstritten." (22) Weber verweist in diesem<br />

Zusammenhang darauf, daß sich auch nach Stalins Tod die Möglichkeiten zu einer<br />

Einigung <strong>de</strong>r Großmächte nicht er<strong>sc</strong>höpft hatten. Ein ernstzunehmen<strong>de</strong>s Angebot<br />

war zum Beispiel Churchills Vor<strong>sc</strong>hlag vom 11. Mai 1953, auf einer Viermächtekonferenz<br />

einen Garantievertrag für ein geeintes Deut<strong>sc</strong>hland auszuhan<strong>de</strong>ln - ein<br />

Vor<strong>sc</strong>hlag, <strong>de</strong>r in Moskau auf Interesse stieß. „In <strong>de</strong>r SED," so Weber, „kursierten<br />

sogar Gerüchte, die Partei müsse bereit sein, in die Opposition o<strong>de</strong>r gar in die<br />

Illegalität zurückzukehren. Doch <strong>de</strong>r Sturz Berijas und die neue Politik nach <strong>de</strong>m 17.<br />

Juni 1953 in <strong>de</strong>r DDR blockierten alle diese Lösungsmöglichkeiten." (23)<br />

Die Gründung <strong>de</strong>r NATO, die sich im osteuropäi<strong>sc</strong>hen Bereich immer stärker durchsetzen<strong>de</strong><br />

sowjeti<strong>sc</strong>he Hegemonie ein<strong>sc</strong>hließlich einer offensiven Kampagne gegen<br />

Jugoslawien (24) und die nach <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>hen Staaten <strong>sc</strong>härfer<br />

hervortreten<strong>de</strong> politi<strong>sc</strong>he Konfrontation in Zentraleuropa verliehen <strong>de</strong>m Kalten <strong>Krieg</strong><br />

eine neue Qualität. Bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>he Staaten wur<strong>de</strong>n zu Hauptkomponenten in <strong>de</strong>n<br />

geostrategi<strong>sc</strong>hen Plänen <strong>de</strong>r Staaten <strong>de</strong>r ehemaligen Antihitlerkoalition. Was die<br />

DDR betrifft, so hatte ihr Beitritt zum War<strong>sc</strong>hauer Vertrag im Jahre 1955 zunächst<br />

9


zwei Konsequenzen: Er gewährleistete erstens einen höheren Grad <strong>de</strong>r Sicherheit<br />

und dies angesichts <strong>de</strong>r Tatsache, daß in <strong>de</strong>n 50er Jahren starke Faktoren <strong>de</strong>r<br />

Instabilität im Inneren <strong>de</strong>r DDR wirkten, einflußreiche Kräfte <strong>de</strong>s Westens auf eine<br />

Beseitigung <strong>de</strong>s politi<strong>sc</strong>hen Regimes in <strong>de</strong>r DDR drängten und von einer völkerrechtlichen<br />

Anerkennung im Westen und in <strong>de</strong>r dritten Welt noch keine Re<strong>de</strong> sein konnte.<br />

Zweitens bewirkte dieser Schritt die Akzeptanz <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen Vorherr<strong>sc</strong>haft im<br />

östlichen Bündnissystem sowie die feste Einbindung in eine Militärpolitik, die auf <strong>de</strong>r<br />

grundlegen<strong>de</strong>n Interessenlage <strong>de</strong>r UdSSR, ihrer Militärdoktrin und <strong>de</strong>m damit<br />

verbun<strong>de</strong>nen militärtheoreti<strong>sc</strong>hen Denken fußte. Die DDR wur<strong>de</strong> für einen längeren<br />

Zeitraum - aus heutiger Sicht bis Mitte <strong>de</strong>r 80er Jahre - zu einem Angelpunkt <strong>de</strong>r<br />

sowjeti<strong>sc</strong>hen Sicherheitspolitik in Zentraleuropa. Dabei ist wichtig anzumerken, daß<br />

sich die UdSSR sowohl im Erlaß <strong>de</strong>s Präsidium <strong>de</strong>s <strong>Oberst</strong>en Sowjets vom 25.<br />

Januar 1955 über die Beendigung <strong>de</strong>s <strong>Krieg</strong>szustan<strong>de</strong>s mit Deut<strong>sc</strong>hland, im<br />

Gründungsdokument <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages vom 14. Mai 1955 sowie im<br />

Be<strong>sc</strong>hluß über die Bildung <strong>de</strong>s Vereinten Oberkommandos als auch <strong>sc</strong>hließlich im<br />

Souveränitätsvertrag vom 20. September 1955 - übrigens in Analogie zu <strong>de</strong>n westlichen<br />

Siegermächten - alle Rechte und Pflichten vorbehielt, „die sich aus <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n<br />

internationalen Abkommen <strong>de</strong>r vier Mächte ergeben" (25)<br />

Die Sicherheits- und Militärpolitik <strong>de</strong>r DDR war folglich über die Mitglied<strong>sc</strong>haft im<br />

War<strong>sc</strong>hauer Vertrag und die Präsenz einer starken Gruppierung sowjeti<strong>sc</strong>her Streitkräfte<br />

auf DDR-Territorium (26) ein<strong>sc</strong>hränkungslos in die sowjeti<strong>sc</strong>he Militärpolitik<br />

und -strategie eingebun<strong>de</strong>n. Bis hinein in die 80er Jahre entsprach es <strong>de</strong>n strategi<strong>sc</strong>hen<br />

Interessen <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen Führung, die DDR als ein stabiles sicherheitspoliti<strong>sc</strong>hes<br />

Vorfeld zu erhalten, sie fest in die eigene Politik einzubin<strong>de</strong>n und<br />

zugleich auf eine Abgrenzung von <strong>de</strong>n Staaten <strong>de</strong>r NATO hinzuwirken. Der Bau <strong>de</strong>r<br />

Berliner Mauer im Jahre 1961 war insofern nicht nur ein Notanker gegen ein<br />

drohen<strong>de</strong>s wirt<strong>sc</strong>haftliches und bevölkerungspoliti<strong>sc</strong>hes Desaster in <strong>de</strong>r DDR, er entsprach<br />

auch im höchsten Maße sowjeti<strong>sc</strong>hen Sicherheitsinteressen. Keineswegs<br />

zufällig erfolgten fast zeitgleich <strong>de</strong>r Auf- bzw. Ausbau ähnlicher Grenzsicherungssysteme<br />

an <strong>de</strong>n Westgrenzen Ungams und <strong>de</strong>r T<strong>sc</strong>hechoslowakei.<br />

Beginnend mit <strong>de</strong>n 60er Jahren läßt sich feststellen, daß in <strong>de</strong>n außenpoliti<strong>sc</strong>hen<br />

und militäri<strong>sc</strong>hen Anstrengungen <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages die Befestigung <strong>de</strong>s<br />

politi<strong>sc</strong>hen und militäri<strong>sc</strong>hen Status quo zunehmen<strong>de</strong> Dominanz erhält. Die Akzeptanz<br />

und Stabilisierung <strong>de</strong>s Status quo wur<strong>de</strong> als Kernfrage <strong>de</strong>r europäi<strong>sc</strong>hen Sicherheit<br />

betrachtet. Immerhin äußerte Michail Gorbat<strong>sc</strong>how noch im Herbst 1989 die<br />

Auffassung, man dürfe die in Europa entstan<strong>de</strong>ne Ordnung nicht i<strong>de</strong>alisieren. „Das<br />

Wesentliche aber ist", so Gorbat<strong>sc</strong>how, „daß bis jetzt gera<strong>de</strong> die Anerkennung <strong>de</strong>r<br />

Nachkriegsrealitäten <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n in Europa sicherte." (27) Freilich ist es notwendig<br />

hinzuzufügen, daß gleichzeitig in einer in <strong>de</strong>r Sowjetunion, nicht in DDR veröffentlichten<br />

Erklärung ergänzt wur<strong>de</strong>, was nunmehr dazu gehöre: zwei <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>he Wohnungen<br />

im europäi<strong>sc</strong>hen Haus, die gleichberechtigt, von einan<strong>de</strong>r unabhängig sind<br />

und einan<strong>de</strong>r offenstehen wie Ungarn gegenüber Österreich. (28)<br />

Die Orientierung auf die Erhaltung <strong>de</strong>s Status quo war, in die Rahmenbedingungen<br />

<strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es gestellt, unter <strong>de</strong>n gegebenen Bedingungen durchaus ein Beitrag<br />

zur Frie<strong>de</strong>nserhaltung.<br />

Die DDR trug eine <strong>de</strong>rartige Konzeption aktiv mit, nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb, weil nur über<br />

diesen Weg die Realisierung <strong>de</strong>r eigentlichen Zielstellung - Sicherung günstiger<br />

äußerer Bedingungen - durchsetzbar er<strong>sc</strong>hien. Diese Zielstellung war allerdings<br />

10


immer mit Positionen und Konsequenzen verbun<strong>de</strong>n, die wi<strong>de</strong>rspruchsvoll und im<br />

Grun<strong>de</strong> ein<strong>sc</strong>hränkend wirkten. Verwiesen sei nur auf drei Gesichtspunkte:<br />

Erstens stand die grundsätzliche Orientierung auf Stabilität vor allem im sozialisti<strong>sc</strong>hen<br />

Lager im Vor<strong>de</strong>rgrund, wobei die DDR nicht selten als eine Art Muster<strong>sc</strong>hüler<br />

auftrat Diese Position <strong>sc</strong>hloß entsprechend <strong>de</strong>n damaligen Interpretationen<br />

von Bündnisverpflichtungen und internationalisti<strong>sc</strong>her Hilfe die unbedingte Sicherung<br />

<strong>de</strong>r politi<strong>sc</strong>hen Macht <strong>de</strong>r mehr o<strong>de</strong>r weniger stalinisti<strong>sc</strong>h geprägten Führungen ein.<br />

Daß dabei <strong>de</strong>r Einsatz militäri<strong>sc</strong>her Macht als prinzipiell mögliche Option in Betracht<br />

gezogen wur<strong>de</strong>, war bereits ein Ausdruck <strong>de</strong>s inneren Deformationsprozesses.<br />

Davon ausgehend ergriff die DDR-Führung bei Krisen in <strong>de</strong>r Regel Partei für jene<br />

Kräfte, die in <strong>de</strong>r Zuflucht zur Gewalt einen Ausweg sahen - und dies hin bis zu <strong>de</strong>n<br />

Ereignissen 1989 in China.<br />

Zweitens mußte sich aus <strong>de</strong>n bereits skizzierten Umstän<strong>de</strong>n je<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

internationalen Politik <strong>de</strong>r UdSSR auf die DDR auswirken und zu Verunsicherungen<br />

führen. Es mußte sich als verhängnisvoll erweisen, daß zu einem Zeitpunkt, als in<br />

<strong>de</strong>r Politik <strong>de</strong>r UdSSR Offenheit und Flexibilität an Einfluß gewannen und sich<br />

gleichzeitig <strong>de</strong>r außenpoli6<strong>sc</strong>he Spielraum <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik erweiterte, die DDR-<br />

Führung über keine Konzeption verfügte, neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen gerecht zu<br />

wer<strong>de</strong>n. Die DDR hatte stets eine herausragen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung im globalstrategi<strong>sc</strong>hen<br />

Interessengefüge <strong>de</strong>r UdSSR besessen. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung<br />

sowjeti<strong>sc</strong>her Sicherheitsinteressen verlor sie diese Stellung und damit die wichtigste<br />

Bedingung ihrer Existenzsicherheit auf internationalem Gebiet, was sich letztlich in<br />

<strong>de</strong>n 2+4Verhandlungen manifestierte. (29)<br />

<strong>Dr</strong>ittens: Die Einordnung <strong>de</strong>r Sicherheits- und Militärpolitik <strong>de</strong>r DDR in die sowjeti<strong>sc</strong>he<br />

Militärpolitik und -strategie bewirkte unter <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es<br />

eine starke Hervorhebung <strong>de</strong>s militäri<strong>sc</strong>hen Faktors. Seine Artikulation wur<strong>de</strong><br />

seitens <strong>de</strong>r DDR zugleich genutzt, um <strong>de</strong>n eigenen Stellenwert zu erhöhen. Erst ab<br />

Mitte <strong>de</strong>r 80er Jahre setzt ein Um<strong>de</strong>nken ein, das sich - was die DDR betraf – erstmals<br />

<strong>de</strong>utlicher im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen um die sogenannte<br />

Nachrüstung im Mittelstreckenbereich äußerte. Die damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Initiativen - erinnert sei an die Aktivierung <strong>de</strong>r Dialogpolitik - reichten jedoch nicht<br />

aus, um für die DDR negativ wirken<strong>de</strong> Faktoren zu kompensieren.<br />

IV. <strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong>, Sicherheitsverständnis und Auswirkungen auf die Militärpolitik <strong>de</strong>r<br />

DDR<br />

Ein Merkmal <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es bestand ohne Zweifel darin, daß sich aus <strong>de</strong>m<br />

komplizierten Wechselverhältnis von gegenseitiger Ab<strong>sc</strong>hreckung, Bedrohung und<br />

auch realer Bedrohungspotenz ein spezifi<strong>sc</strong>hes Sicherheitsverständnis herausbil<strong>de</strong>te,<br />

und dies sowohl im War<strong>sc</strong>hauer Vertrag als in <strong>de</strong>r NATO, wenn auch mit unter<strong>sc</strong>hiedlichen<br />

Ausgangspunkten und Motivationen.(30)<br />

Tatsächlich fühlte sich je<strong>de</strong> Seite von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren bedroht, Zentraleuropa war in <strong>de</strong>r<br />

militäri<strong>sc</strong>hen Strategie und operativen Planung bei<strong>de</strong>r Bündnissysteme <strong>de</strong>r potentiell<br />

wichtigste <strong>Krieg</strong>s<strong>sc</strong>hauplatz und zugleich <strong>de</strong>r wichtigste Zielplanungsraum <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

nuklearen Systeme. Noch 1988 waren in Europa - ein<strong>sc</strong>hließlich <strong>de</strong>r Randmeere<br />

- mehr als sechs Millionen Soldaten, rund 10 000 Kernsprengköpfe, 50 000<br />

Panzer, 30 000 Artilleriesysteme, knapp 5000 Angriffsflugzeuge, etwa 2000<br />

Kampfhub<strong>sc</strong>hrauber und zahlreiche Schiffe und Boote unter<strong>sc</strong>hiedlicher Bestimmung<br />

ein<strong>sc</strong>hließlich von Flugzeugträgern und U-Booten disloziert bzw. konzentriert (31)<br />

11


Zu beachten ist auch, daß sich seit <strong>de</strong>n 80er Jahren auch im konventionellen Bereich<br />

ein Prozeß be<strong>sc</strong>hleunigte, <strong>de</strong>r eine qualitativ neue Stufe in <strong>de</strong>r Kampf- bzw.<br />

Schlagkraft <strong>de</strong>r traditionellen Systeme einleitete. Genannt seien nur die Ausstattung<br />

mit hochentwickelter Elektronik, die neue Gefechtseigen<strong>sc</strong>haften bewirkte, die<br />

Entwicklung „intelligenter“ Munition sowie <strong>de</strong>r Abstandswaffen, die einsetzen<strong>de</strong><br />

umfassen<strong>de</strong> Nutzung <strong>de</strong>r Computertechnik und qualitativ neue C3I-Systeme für die<br />

Führung <strong>de</strong>r Streitkräfte und die Aufklärung in große Tiefe und mit hoher Präzision,<br />

Und noch etwas kommt natürlich hinzu: Bei<strong>de</strong> Seiten gingen prinzipiell von einer<br />

aggressiven Gesamtkonzeption <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite aus. Der geographi<strong>sc</strong>hen und<br />

militäri<strong>sc</strong>hen Situation <strong>de</strong>s mitteleuropäi<strong>sc</strong>hen Raumes entsprechend kam in <strong>de</strong>n<br />

jeweiligen Bedrohungsanalysen <strong>de</strong>r Problematik eines überra<strong>sc</strong>hend vorgetragenen<br />

Angriffs ein spezifi<strong>sc</strong>her Stellenwert zu. Dabei mußte freilich in Rechnung gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, daß neben <strong>de</strong>n bereits stationierten und präsenten Kräften und Mitteln die<br />

Heranführung starker Gruppierungen unverzichtbar gewesen wäre - eine Frage, die<br />

in <strong>de</strong>r Aufrechnung <strong>de</strong>r Vor- und Nachteile für die USA und die UdSSR eine<br />

beson<strong>de</strong>re Rolle spielte. (32)<br />

Da eine Verlegung großer Truppenverbän<strong>de</strong> aus rückwärtigen Räumen Zeit benötigt<br />

und mo<strong>de</strong>rner Aufklärungstechnik nicht verborgen bleibt, war die Konzentration von<br />

Verbän<strong>de</strong>n in Mitteleuropa selbst, ihre Gefechtsbereit<strong>sc</strong>haft und Kampfkraft, ihre<br />

Ausrüstung mit <strong>sc</strong>hweren, für die Offensive geeignetem Gerät und nicht zuletzt die<br />

Durchführung von Großmanövern stets eine Schlüsselfrage.<br />

Die Konzipierung <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Schritte und Anstrengungen erfolgte in <strong>de</strong>r<br />

Regel im Kontrast zur an<strong>de</strong>ren Seite. Dabei wur<strong>de</strong>n die eigene Politik und Militärpolitik<br />

als die allein richtige angesehen und <strong>de</strong>r Maxime <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es gefolgt:<br />

Je ungünstiger für die an<strong>de</strong>re Seite, <strong>de</strong>sto besser für mich.. Erst mit <strong>de</strong>r Herausbildung<br />

<strong>de</strong>s „neuen Denken" und eines neuen globalen Sicherheitsverständnisses<br />

leitete sich auch auf diesem Gebiet eine Wen<strong>de</strong> ein.<br />

Tatsächlich bestand die Möglichkeit, daß sich aus <strong>de</strong>m unmittelbaren Gegenüberstehen<br />

starker Gruppierungen an <strong>de</strong>r Trennlinie <strong>de</strong>r Militärbündnisse aus je<strong>de</strong>m<br />

ernsthaften Zwi<strong>sc</strong>henfall, aus je<strong>de</strong>r als provokativ empfun<strong>de</strong>nen Handlung unabsehbare<br />

Weiterungen ergeben konnten.<br />

Wichtig ist jedoch auch hier wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r ge<strong>sc</strong>hichtliche Rahmen. Was die UdSSR,<br />

die Staaten <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages und damit auch die DDR anbelangt, so<br />

wur<strong>de</strong>n Entwicklungsprozesse in <strong>de</strong>r NATO , welche Modifikationen sie auch durchliefen,<br />

immer in das sowjeti<strong>sc</strong>he Trauma <strong>de</strong>r Anfangsperio<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Großen Vaterländi<strong>sc</strong>hen<br />

<strong>Krieg</strong>es eingeordnet. Davon ausgehend wur<strong>de</strong>n empfun<strong>de</strong>ne o<strong>de</strong>r<br />

wahrgenommene Bedrohungen nicht so sehr nach <strong>de</strong>r Wahr<strong>sc</strong>heinlichkeit ihrer<br />

Umsetzung in Realität rezipiert, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Blickrichtung auf <strong>de</strong>n <strong>sc</strong>hlimmsten<br />

Fall. Damit verbun<strong>de</strong>ne Anfor<strong>de</strong>rungen an die Streitkräfte - so die For<strong>de</strong>rung nach<br />

85-prozentiger Präsenz in <strong>de</strong>n Dienstbereichen und Kasernen - wur<strong>de</strong>n damit begrün<strong>de</strong>t,<br />

daß in Sicherheitsfragen <strong>sc</strong>hon ein einmaliger Irrtum tödlich sein könnte.<br />

(33)<br />

In <strong>de</strong>r DDR nährte sich das Bedrohungsgefühl und das damit verbun<strong>de</strong>ne „Worstcase-Denken“<br />

nicht allein aus militäri<strong>sc</strong>hen, son<strong>de</strong>rn auch aus politi<strong>sc</strong>hen, wirt<strong>sc</strong>haftlichen<br />

und i<strong>de</strong>ologi<strong>sc</strong>hen Faktoren. In <strong>de</strong>n ersten Jahrzehnten spielten dabei<br />

in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik erhobene For<strong>de</strong>rungen nach Revision <strong>de</strong>r Ergebnisse <strong>de</strong>s<br />

Zweiten Weltkrieges und die Wirkungen <strong>de</strong>r Hallstein-Doktrin eine beson<strong>de</strong>re Rolle.<br />

Vor allem ab Mitte <strong>de</strong>r 70er Jahre gewannen in <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r DDR-Führung offensichtlich<br />

solche Faktoren wie <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong> Abstand zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

12


und <strong>de</strong>r DDR auf <strong>de</strong>n Gebieten <strong>de</strong>r wirt<strong>sc</strong>haftlichen Leistungsfähigkeit, <strong>de</strong>s<br />

Lebensstandards sowie <strong>de</strong>r Gewährleistung <strong>de</strong>mokrati<strong>sc</strong>her Freiheiten an Gewicht.<br />

Vor diesem Hintergrund gab es Besorgnisse, das von <strong>de</strong>r NATO unterstützte politi<strong>sc</strong>he<br />

Ziel <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik, die offene <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>he Frage zu lösen, könnte bei<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Großwetterlage auch mit militäri<strong>sc</strong>hen Mitteln verfolgt wer<strong>de</strong>n. (34)<br />

Dies galt um so mehr in Zeiten <strong>de</strong>r Zuspitzung <strong>de</strong>r internationalen Beziehungen und<br />

in Krisensituationen. Je<strong>de</strong> Krise hatte eine beson<strong>de</strong>re Brisanz hinsichtlich einer<br />

möglichen Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Status quo. Was die DDR betrifft, so berührten sie die<br />

damit möglichen Optionen in zweierlei Hinsicht beson<strong>de</strong>rs allergi<strong>sc</strong>h: Erstens<br />

verstärkte sich in <strong>de</strong>rartigen Situationen die <strong>Dr</strong>uck- und Sogwirkung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deut<strong>sc</strong>hland auf die inneren Verhältnisse <strong>de</strong>r DDR. Das Szenario eines<br />

parallelen Prozesses von innerer Destabilisierung, einer „Konterrevolution", und<br />

äußerer Hilfeleistung durch die NATO ließ sich spätestens seit <strong>de</strong>n Ungarn-<br />

Ereignissen im sicherheitspoliti<strong>sc</strong>hen Denken nie mehr völlig verdrängen.<br />

Zweitens nahmen in <strong>de</strong>r DDR-Führung seit <strong>de</strong>n Vorgängen von 1968 in <strong>de</strong>r CSSR<br />

und sicher noch gravieren<strong>de</strong>r angesichts <strong>de</strong>r Ereignisse in Polen 1980/81 die<br />

Befürchtungen zu, die DDR könne im Zusammenhang mit gesell<strong>sc</strong>haftlichen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

in <strong>de</strong>n genannten Län<strong>de</strong>rn eine grundlegen<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rung ihrer<br />

strategi<strong>sc</strong>hen Stellung erfahren. Derartige Befürchtungen - bis hin zu einer möglichen<br />

Abkopplung von <strong>de</strong>r UdSSR, zumin<strong>de</strong>st aber <strong>de</strong>r Beeinträchtigung<br />

lebenswichtiger Verbindungen - erhöhten sich in <strong>de</strong>m Maße, wie in <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen<br />

Politik selbst etwa ab Mitte <strong>de</strong>r 80er Jahre verän<strong>de</strong>rte Akzente gesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Die DDR war zu keiner Zeit an <strong>de</strong>r Entfesselung eines <strong>Krieg</strong>es interessiert. Die<br />

Begründung einer ständigen, ja wachsen<strong>de</strong>n <strong>Krieg</strong>sgefahr für die Motivation <strong>de</strong>r<br />

Gefechtsbereit<strong>sc</strong>haft <strong>de</strong>r Truppen und Flottenkräfte, die Unfähigkeit und Nichtbereit<strong>sc</strong>haft<br />

<strong>de</strong>r politi<strong>sc</strong>hen Führung zur realisti<strong>sc</strong>hen Analyse und nicht zuletzt die<br />

fort<strong>sc</strong>hreiten<strong>de</strong> Belastung aller gesell<strong>sc</strong>haftlichen Bereiche beeinträchtigten jedoch<br />

die Wirkungen auch solcher Anstrengungen und Initiativen, die in Richtung Entspannung<br />

und Abrüstung unternommen wur<strong>de</strong>n. Zusätzliche Nahrung erhielt sie durch<br />

Verwerfungen in <strong>de</strong>r Sphäre <strong>de</strong>r inneren Sicherheit und damit auch <strong>de</strong>s inneren<br />

Frie<strong>de</strong>ns. Unzufrie<strong>de</strong>nheit und oppositionelle Regungen und Reformbestrebungen<br />

im Innern wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel als Bestandteil <strong>de</strong>r Bedrohung von außen reflektiert<br />

und als Ausdruck beson<strong>de</strong>rs gefährlicher Manöver <strong>de</strong>s Gegners gewertet.<br />

Die Nie<strong>de</strong>r<strong>sc</strong>hlagung <strong>de</strong>s Aufstan<strong>de</strong>s von Teilen <strong>de</strong>r Arbeiter<strong>sc</strong>haft im Juni 1953 in<br />

<strong>de</strong>r DDR, die Maßnahmen <strong>de</strong>s 13. August 1961, <strong>de</strong>r Einmar<strong>sc</strong>h von Truppen <strong>de</strong>s<br />

War<strong>sc</strong>hauer Vertrages 1968 in <strong>de</strong>r CSSR sowie auch Erwägungen und Vorbereitungen<br />

zur Bewältigung <strong>de</strong>r Krise 1980/81 in Polen sind - bei aller Unter<strong>sc</strong>hiedlichkeit<br />

<strong>de</strong>r konkreten Umstän<strong>de</strong> - durch ein Typikum charakterisiert: Sie entsprachen<br />

<strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>r Führungen <strong>de</strong>r sozialisti<strong>sc</strong>hen Län<strong>de</strong>r Europas, <strong>de</strong>n Status<br />

quo prinzipiell zu erhalten. Da die tieferen Ursachen dieser Krisen, die sich aus<br />

inneren ökonomi<strong>sc</strong>hen, politi<strong>sc</strong>hen, sozialen und geistigen Prozessen <strong>de</strong>s damaligen<br />

sozialisti<strong>sc</strong>hen Systems ergaben, jedoch nicht ausgearbeitet wur<strong>de</strong>n, erfolgten<br />

Schlußfolgerungen in <strong>de</strong>r Regel eindimensional in einer Richtung: im Sicherheitsbereich.<br />

Damit wur<strong>de</strong> auch das Frie<strong>de</strong>nsproblem, das durchaus ein starkes Motiv für das<br />

Han<strong>de</strong>ln Tausen<strong>de</strong>r von Men<strong>sc</strong>hen und namentlich <strong>de</strong>r Angehörigen <strong>de</strong>r Streitkräfte<br />

bil<strong>de</strong>te, und die Problematik sozialisti<strong>sc</strong>her Gesell<strong>sc</strong>haftsstrukturen und -inhalte unzulässig<br />

verwi<strong>sc</strong>ht.<br />

13


So kann man es als symptomati<strong>sc</strong>h, aber auch als tragi<strong>sc</strong>h werten, daß in <strong>de</strong>r DDR<br />

die Losung: „Mein Arbeitsplatz - mein Kampfplatz für <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n!" zu einem<br />

Zeitpunkt aufgestellt wur<strong>de</strong>, als <strong>de</strong>n Verantwortlichen die Unumkehrbarkeit <strong>de</strong>r<br />

wirt<strong>sc</strong>haftlichen und technologi<strong>sc</strong>hen Abwärtstrends bereits bewußt war.<br />

V. Die Erhaltung <strong>de</strong>s Status quo als Hauptprämisse <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es. Das En<strong>de</strong><br />

einer Ära, Ergebnisse und Wi<strong>de</strong>rsprüche<br />

Aus <strong>de</strong>n vorangegangenen Darlegungen ist bereit <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n. Die Erhaltung<br />

<strong>de</strong>s Status quo galt aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r War<strong>sc</strong>hauer Vertragsstaaten als <strong>Dr</strong>eh- und<br />

Angelpunkt <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nssicherung. Sie verband sich seit <strong>de</strong>n 60er Jahren mit <strong>de</strong>r<br />

stärkeren Herausstellung von drei Maximen, die in ihrer Bün<strong>de</strong>lung als „Breshnew-<br />

Doktrin" in die Ge<strong>sc</strong>hichte eingegangen sind: Erstens ging es um <strong>de</strong>n prinzipiellen<br />

Kurs, <strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r strategi<strong>sc</strong>hen Hauptrichtung die Stabilität <strong>de</strong>s militäri<strong>sc</strong>hen<br />

Bündnisses sichern sollte. Dabei spielten das Beispiel Albanien und die Son<strong>de</strong>rposition<br />

Rumäniens eine spezifi<strong>sc</strong>he Rolle. Dies <strong>sc</strong>hloß das ständige Bemühen<br />

ein, bei keinem Teilnehmerstaat Ansatzpunkte dafür zuzulassen, aus <strong>de</strong>m Bündnis<br />

auszubrechen. Zweitens reflektierten sich in <strong>de</strong>r Breshnew-Doktrin durchaus Wahrnehmungen,<br />

daß die Hauptgefahr in jenen Jahren in selektiven Prozessen, in <strong>de</strong>r<br />

Gefahr <strong>de</strong>r <strong>sc</strong>hrittweisen Lösung einzelner sozialisti<strong>sc</strong>her Län<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Bündniskonstellation<br />

begrün<strong>de</strong>t lag. Dabei wur<strong>de</strong>n sowohl in <strong>de</strong>r Belastung <strong>de</strong>r ökonomi<strong>sc</strong>hen<br />

Beziehungen als auch in <strong>de</strong>r Einwirkung durch die NATO Ansatzpunkte<br />

gesehen. Die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen Hegemonie unter verän<strong>de</strong>rten<br />

Bedingungen blieb <strong>de</strong>shalb das Hauptziel. <strong>Dr</strong>ittens setzte die Breshnew-Doktrin<br />

auch <strong>de</strong>n Rahmen, in <strong>de</strong>m sich unausweichliche (o<strong>de</strong>r nicht zu verhin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>)<br />

Evolutionen in Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Bündnisses abspielen sollten. Dieser Rahmen wur<strong>de</strong> im<br />

Einzelnen bald weiter (wie in Ungarn), bald enger (wie im Fall <strong>de</strong>r CSSR) gezogen,<br />

aber immer unter <strong>de</strong>r Prämisse, „allgemeine Gesetzmäßigkeiten" nicht zu verletzen.<br />

Tatsächlich war <strong>de</strong>r War<strong>sc</strong>hauer Vertrag mehrfach - am <strong>de</strong>utlichsten angesichts <strong>de</strong>r<br />

erklärten Absicht Ungarns 1956, <strong>de</strong>n War<strong>sc</strong>hauer Vertrag zu verlassen - mit <strong>de</strong>r<br />

realen Möglichkeit <strong>de</strong>s Herausbrechens eines Teilnehmerstaates konfrontiert.<br />

Ebenso ist unbestreitbar, daß zeitgleich angelegte Aktivitäten <strong>de</strong>r NATO, die natürlich<br />

auf eine <strong>de</strong>rartige Möglichkeit reagierte, das Konfliktpotential ver<strong>sc</strong>härfen und in eine<br />

für bei<strong>de</strong> Seiten gefährliche Richtung verlagern konnte. Abgesehen davon, daß<br />

nichtmilitäri<strong>sc</strong>he Optionen zur Bewältigung von Krisen und Konflikten, insbeson<strong>de</strong>re<br />

aber zur Krisenverhin<strong>de</strong>rung weitgehend fehlten, blieben Rahmen und Spielregeln<br />

<strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es und <strong>de</strong>s Ab<strong>sc</strong>hreckungsmechanismus für Verlauf und Ausgang<br />

<strong>de</strong>rartiger Zuspitzungen bestimmend.<br />

Seitens <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages wur<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Krise prinzipiell <strong>de</strong>r NATO unterstellt, sie wolle die Eskalation bis hin zum Raketen-<br />

Kernwaffenkrieg. Tatsächlich waren jedoch bei<strong>de</strong> Seiten nicht an einer Eskalation<br />

interessiert, wobei sie stets im Auge hatten, daß es aufgrund einer Überreaktion <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite dazu kommen könne. Die Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Ausgangslage, aber<br />

auch das Nichterreichen bestimmter Ziele - siehe die sowjeti<strong>sc</strong>he Politik in <strong>de</strong>r Berlin-<br />

Frage - wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel seitens <strong>de</strong>r UdSSR und ihrer Verbün<strong>de</strong>ten als Erfolge<br />

einer Frie<strong>de</strong>nsoffensive, seitens <strong>de</strong>r NATO als Scheitern sowjeti<strong>sc</strong>her machtimperialer<br />

Zielsetzungen interpretiert. Tatsächlich ist jedoch alles, was sich an<br />

krisenhaften Zuspitzungen in Europa vollzog, nur aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>fensiven Anlage <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungen heraus zu verstehen. Die Tatsache, daß die Nationale Volksarmee<br />

nicht an militäri<strong>sc</strong>hen Einsätzen zur Bewältigung von Krisen außerhalb <strong>de</strong>s DDR-<br />

14


Territoriums beteiligt war, verleiht diesem <strong>de</strong>fensiven Wesenszug einen zusätzlichen<br />

Akzent. Ent<strong>sc</strong>hei<strong>de</strong>nd er<strong>sc</strong>heinen jedoch drei Gesichtspunkte:<br />

Erstens: Möglichkeiten <strong>de</strong>r Eskalation waren, wie bereits skizziert wur<strong>de</strong>, bei je<strong>de</strong>r<br />

Krise gegeben. Weil es sich um aus <strong>de</strong>r politi<strong>sc</strong>hen Defensive <strong>de</strong>s östlichen Bündnissystems<br />

entspringen<strong>de</strong> Reaktionen han<strong>de</strong>lte, die primär auf die Bewahrung <strong>de</strong>r<br />

eignen Macht- und Einflußsphäre, auf „Abriegelung" zielten, bestand die Grundprämisse<br />

- auch für die operative Planung - darin, eine militäri<strong>sc</strong>he Konfrontation mit<br />

<strong>de</strong>r NATO zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Zweitens: Die NVA war fest in das Bündnis <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages integriert.<br />

Durch diese Integration und das vorhan<strong>de</strong>ne militäri<strong>sc</strong>he Potential waren we<strong>de</strong>r in<br />

Spannungszeiten, ge<strong>sc</strong>hweige <strong>de</strong>nn im allgemeinen Verteidigungszustand Bedingungen<br />

für selbständige militäri<strong>sc</strong>he Handlungen und <strong>sc</strong>hon gar nicht für Angriffsoperationen<br />

in die Tiefe gegeben. Militäri<strong>sc</strong>he Handlungen im Zusammenhang mit<br />

Krisen und Konflikten waren stets koordinierte Handlungen <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Vertrages.<br />

<strong>Dr</strong>ittens <strong>sc</strong>hließlich: Spätestens ab Mitte <strong>de</strong>r 70er Jahre, nach Helsinki und <strong>de</strong>m<br />

Zustan<strong>de</strong>kommen <strong>de</strong>s KSZE-Prozesses wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, daß die Option, mit<br />

militäri<strong>sc</strong>hen Mitteln auf krisenhafte Prozesse in einzelnen Län<strong>de</strong>rn zu reagieren,<br />

zunehmend in die Sackgasse geraten mußte. Solche Aktionen wie die in <strong>de</strong>n 50er<br />

und 60er Jahren, die vorübergehend Stabilisierungen bewirkt hatten, erwiesen sich<br />

als immer weniger wie<strong>de</strong>rholbar, ja im Grun<strong>de</strong> untauglich. Dies war nicht nur<br />

<strong>de</strong>shalb so, weil sich jeweils an<strong>de</strong>re Problemzonen mit spezifi<strong>sc</strong>her Brisanz (man<br />

<strong>de</strong>nke an Polen) herausbil<strong>de</strong>ten. Wesentlich war, daß die Rahmenbedingungen und<br />

Mechanismen <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es bereits nicht mehr wirkten.<br />

Wenn im Ergebnis <strong>de</strong>r tiefen gesell<strong>sc</strong>haftlichen Krise in <strong>de</strong>n ehemaligen sozialisti<strong>sc</strong>hen<br />

Län<strong>de</strong>rn En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er Jahre die UdSSR zerfiel, wenn sich War<strong>sc</strong>hauer<br />

Vertrag und RGW auflösten und die DDR unterging, so wird darin auf gravieren<strong>de</strong><br />

Weise sichtbar: Die bipolare Weltordnung ist been<strong>de</strong>t. Was an ihre Stelle tritt, ist<br />

noch nicht voll absehbar. Zumin<strong>de</strong>st in Konturen zeichnet sich jedoch ab:<br />

- Mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es und <strong>de</strong>m Abbau <strong>de</strong>r Gefahr eines thermonuklearen<br />

<strong>Krieg</strong>es sind gleichzeitig Men<strong>sc</strong>hheitsbedrohungen neuer Art in <strong>de</strong>n<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund getreten. Dazu gehören die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen,<br />

die Verelendung ganzer Kontinente, die Gefährdung <strong>de</strong>r natürlichen<br />

Lebensgrundlagen.<br />

- In <strong>de</strong>n internationalen Beziehungen formieren sich neue Kraftfel<strong>de</strong>r. Nach Auflösung<br />

<strong>de</strong>r UdSSR sind zum islami<strong>sc</strong>hen Block 50 Millionen Men<strong>sc</strong>hen hinzugekommen.<br />

Unübersehbar ist, daß auch nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ost-West-Konfliktes<br />

regionale Konflikther<strong>de</strong> weiterbestehen o<strong>de</strong>r sich, wie das ehemalige<br />

Jugoslawien zeigt, dramati<strong>sc</strong>h ver<strong>sc</strong>härft haben. Dabei gewinnt die Verknüpfung<br />

territorialer, ethni<strong>sc</strong>her und religiöser Faktoren zunehmen<strong>de</strong>s Gewicht. Zugleich<br />

entstehen neue Feindbil<strong>de</strong>r.<br />

- Auch die Machtfel<strong>de</strong>r und Strukturen <strong>de</strong>r internationalen Politik verän<strong>de</strong>rn sich<br />

von Grund auf. Der internationale Einfluß eines Staates wird immer weniger durch<br />

<strong>de</strong>n militäri<strong>sc</strong>hen Faktor und immer mehr von seiner Wirt<strong>sc</strong>haftskraft und seiner<br />

technologi<strong>sc</strong>hen Innovationsfähigkeit geprägt.<br />

Die Analyse und Ge<strong>sc</strong>hichte <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es ver<strong>de</strong>utlichen, daß die in unserem<br />

Thema gestellte Frage nach <strong>de</strong>r Rolle militäri<strong>sc</strong>her Reaktionen als Garantien o<strong>de</strong>r<br />

Gefahren für <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n nicht nur mit ja o<strong>de</strong>r nein zu beantworten ist. Frie<strong>de</strong>ns-<br />

15


sicherung in <strong>de</strong>r Ära <strong>de</strong>s Kalten <strong>Krieg</strong>es be<strong>de</strong>utete eine Gratwan<strong>de</strong>rung mit <strong>de</strong>r<br />

ständigen Gefahr <strong>de</strong>s Sturzes in <strong>de</strong>n Abgrund eines Weltkrieges. Gera<strong>de</strong>, weil in<br />

<strong>de</strong>n heutigen Sicherheitsstrukturen die Instrumente für Krisenverhin<strong>de</strong>rung und<br />

Krisenmanagement noch weitgehend fehlen, muß alles getan wer<strong>de</strong>n, um eine<br />

<strong>de</strong>rartige Gratwan<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Zukunft zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Aus alle<strong>de</strong>m bleibt es eine lohnen<strong>de</strong> Aufgabe, über die Rolle <strong>de</strong>s militäri<strong>sc</strong>hen<br />

Faktors gestern, heute und morgen im Interesse einer friedlichen Weitordnung<br />

nachzu<strong>de</strong>nken.<br />

Anmerkungen:<br />

1. G. Oechelhäuser: Von <strong>de</strong>r Kunst sich zu erinnern. In: Neues Deut<strong>sc</strong>hland,13./14.3.1993.<br />

2. NVA - Anspruch und Wirklichkeit, hrsg. von <strong>Klaus</strong> Naumann, Berlin/Bonn/ Herford 1993;<br />

Die Nationale Volksarmee. Beiträge zu Selbstverständnis und Ge<strong>sc</strong>hichte <strong>de</strong>s <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>hen<br />

Militärs von 1945-1990, hrsg. von Detlev Bald, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1992; Theodor Hoffmann:<br />

Das letzte Kommando, Berlin,/Bonn/Herford 1993.<br />

3. Zitiert nach: Edward E. Carr: Was ist Ge<strong>sc</strong>hichte?, Stuttgart 1963, S.94 f.<br />

4. Siehe Reinhard Brühl: Zur Militärpolitik <strong>de</strong>r SED. Zwi<strong>sc</strong>hen Frie<strong>de</strong>nsi<strong>de</strong>al und<br />

<strong>Krieg</strong>sapologie. In: Die Nationale Volksarmee, wie Anm. 2 , S. 31 ff.<br />

5. Siehe Stefan Doernberg: Der kalte <strong>Krieg</strong>, sein Funktionsmechanismus und Umfeld. In:<br />

<strong>Kalter</strong> <strong>Krieg</strong> auf <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>hem Bo<strong>de</strong>n. Ge<strong>sc</strong>hichte - Standpunkte - Dokumente, Berlin 1994,<br />

S.3 ff.<br />

6. Siehe Gordon A. Craig/Alexan<strong>de</strong>r S. George: Zwi<strong>sc</strong>hen <strong>Krieg</strong> und Frie<strong>de</strong>n: Konfliktlösung<br />

In Ge<strong>sc</strong>hichte und Gegenwart, München 1984, S. 130 ff.<br />

7. Carl von Clausewitz: Vom <strong>Krieg</strong>e, Berlin 1957, S. 729.<br />

8. Ernst Nolte: Deut<strong>sc</strong>hland und <strong>de</strong>r Kalte <strong>Krieg</strong>. Gespräch mit Stephan Thomas.<br />

Deut<strong>sc</strong>hlandfunk, Serie 17/75, S.3.<br />

9. Siehe Wal<strong>de</strong>mar Besson: Die Außenpolitik <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik. Erfahrungen und<br />

Maßstäbe. München 1970, S. 101 ff.<br />

10. In einigen Veröffentlichungen wird eine <strong>de</strong>rartige Zäsur auch erst 1948 Im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Machtergreifung <strong>de</strong>r Kräfte um C. Gottwald in <strong>de</strong>r<br />

T<strong>sc</strong>hechoslowakei angesetzt. Siehe z.B. Wie<strong>de</strong>rbewaffnung in Deut<strong>sc</strong>hland, hrsg.<br />

Alexan<strong>de</strong>r Fi<strong>sc</strong>her, Berlin 1986, S.45 ff.<br />

11. Siehe Gordon A. Craig/Alexan<strong>de</strong>r L. George, wie Anm. 6.<br />

12. Siehe u.a. Norbert Wiggershaus: Bedrohungsvorstellungen Bun<strong>de</strong>skanzler A<strong>de</strong>nauers<br />

nach Ausbruch <strong>de</strong>s Korea-<strong>Krieg</strong>es. In: Militärge<strong>sc</strong>hichtliche Mitteilungen, H. 25, 1979,<br />

S.79 ff.<br />

13. Stefan Doernberg, wie Anm. 6, S. 6 f.<br />

14. William S. Taylor: Und so die Posaune einen ein<strong>de</strong>utigen Ton gibt, New York 1957.<br />

15. Robert F. Ellsworth: Eine Bewertung <strong>de</strong>s weltweiten militäri<strong>sc</strong>hen Kräfteverhältnisses. In:<br />

Europa-Archiv, Folge 6, 1984, S.171.<br />

16. Siehe Robert McNamara: Interview mit <strong>de</strong>r Illustrierten „Stern". Hamburg 1982, H.17.<br />

Siehe auch: Der Plan Euroshima, Köln 1982, S.200.<br />

17. Richard Rosecrance: Strategic Deterence. Reondi<strong>de</strong>red. International Institute for<br />

Strategic Studies, London 1975, S.2 ff.<br />

18. So erklärte Heinz Hoffmann noch 1974, daß die militäri<strong>sc</strong>he Überlegenheit <strong>de</strong>s<br />

Sozialismus lebenswichtig bleibe. In: Heinz Hoffmann, Sozialisti<strong>sc</strong>he<br />

16


Lan<strong>de</strong>sverteidigung. Aus Re<strong>de</strong>n und Aufsätzen 1970 bis Februar 1974, Berlin 1974,<br />

S.593.<br />

19. Zitiert nach: R. O'Conell: Die inneren Bewegkräfte <strong>de</strong>s großen amerikani<strong>sc</strong>hsowjeti<strong>sc</strong>hen<br />

Rüstungswettlaufs. In: Feindbil<strong>de</strong>r und Militärstrategien seit 1945, S.33.<br />

20. Wolf D. Gruner: Die <strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>he Frage in Europa 1800 -1990, München/Zürich 1993, S.262.<br />

21. Diese Bandbreite reicht von <strong>de</strong>r Bewertung als echte, aber vertane Chance bis zur<br />

Reduzierung auf ein bloßes Ablenkungsmanöver, wobei sich mit letzterer Version<br />

beson<strong>de</strong>rs west<strong>de</strong>ut<strong>sc</strong>he Politiker wie Wilhelm Grewe hervortaten. Siehe Die Legen<strong>de</strong><br />

von <strong>de</strong>n verpaßten Gelegenheiten, hrsg. von Hans-Peter Schwarz, Stuttgart/Zürich 1982.<br />

22. Hermann Weber: DDR - Grundriß <strong>de</strong>r Ge<strong>sc</strong>hichte1945-1990, Hannover 1991, S.72.<br />

23. Ebd..<br />

24. Ernst Nolte hat <strong>de</strong>n Konflikt zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>r UdSSR mit Jugoslawien als ersten Kalten <strong>Krieg</strong><br />

innerhalb <strong>de</strong>s sozialisti<strong>sc</strong>hen Lagers bezeichnet. Siehe Ernst Nolte, wie Anm. 8.<br />

25. Zitiert nach: Dokumente zur Außenpolitik <strong>de</strong>r Regierung <strong>de</strong>r DDR, Berlin 1958, S.313 ff.<br />

Die Rechte, die sich die UdSSR In Ihrer einseitigen Erklärung vom 25.3.1945 vorbehalten<br />

hatte, wirkten sich auch auf die Stellung <strong>de</strong>r DDR im War<strong>sc</strong>hauer Vertrag aus, Da die<br />

UdSSR Ihre Funktionen behielt, „die mit <strong>de</strong>r Gewährleistung <strong>de</strong>r Sicherheit in<br />

Zusammenhang stehen und sich aus <strong>de</strong>n Verpflichtungen ergeben, die <strong>de</strong>r UdSSR aus<br />

<strong>de</strong>n Viermächteabkommen erwachsen." (Ebd. S.281), blieb die Teilnahme <strong>de</strong>r DDR am<br />

War<strong>sc</strong>hauer Vertrag in <strong>de</strong>n Grenzen <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen Erklärung vom 25.3.1954. Siehe<br />

ausführlicher dazu Jens Hacker: Die politi<strong>sc</strong>hen Beziehungen zwi<strong>sc</strong>hen <strong>de</strong>r DDR und <strong>de</strong>r<br />

UdSSR. In: Studien zur Deut<strong>sc</strong>hlandfrage, Band 5, Berlin (West) 1982. Peter Joachim<br />

Lapp kommt in <strong>de</strong>r Expertise für die Enquete-Kommission “Die Nationale Volksarmee<br />

1956 bis 1990", zu <strong>de</strong>r Folgerung: „Eine DDR-Militärdoktrin hat es nie gegeben, diese<br />

war immer die <strong>de</strong>s War<strong>sc</strong>hauer Paktes bzw. die seiner Führungsmacht, <strong>de</strong>r<br />

Sowjetunion." In: Materialien <strong>de</strong>r Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Ge<strong>sc</strong>hichte und<br />

Folgen <strong>de</strong>r SED-Diktatur in Deut<strong>sc</strong>hland", Bd. II/3, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 69.<br />

26. Glie<strong>de</strong>rung, Stärke und Bewaffnung <strong>de</strong>r Westgruppe <strong>de</strong>r sowjeti<strong>sc</strong>hen (später GUS-)<br />

Streitkräfte in Deut<strong>sc</strong>hland. Siehe: Die NVA - Anspruch, wie Anm. 2, S.331 ff.<br />

27. ADN, Berlin, 6.10.1989.<br />

28. Siehe Sowjetunion heute, hrsg. von <strong>de</strong>r Agentur Nowosti, Bonn 1989, H.6, S.10.<br />

29. Siehe W. Haeni<strong>sc</strong>h/H. Neubert: Die Außenpolitik <strong>de</strong>r DDR – Thesen, Berlin 1994, S. 16.<br />

30. Siehe Reinhard Brühl, wie Anm. 4, S. 31 ff.<br />

31. Siehe Andre Brie/Manfred Müller: Europa: Wieviel Waffen reichen aus? Berlin 1982, S.9<br />

f.<br />

32. Siehe Die NVA – Anspruch, wie Anm. 2, S.179 ff. Siehe auch: Raymond Aron: Staaten,<br />

Bündnisse und Koalitionen. In: Freiheit ohne <strong>Krieg</strong>? Beiträge zur Strategie-Diskussion<br />

<strong>de</strong>r Gegenwart im Spiegel <strong>de</strong>r Theorie von Carl von Clausewitz, Bonn 1980, S.83 ff.<br />

33. Siehe Reinhard Brühl, wie Anm. 4 , S. 39 ff.<br />

Siehe zum Beispiel Bun<strong>de</strong>sarchiv-Militärarchiv, VA-01/18761, Bl. 6.<br />

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