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Zu den Dienst- und Lebensbedingungen in der NVA - aggi-info.de

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Dr. Klaus-Peter Hartmann<strong>Zu</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>Als <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> e<strong>in</strong>er Armee verstehen wir die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong>materiellen, strukturell-organisatorischen, zeitlichen <strong>und</strong> sozialen Bed<strong>in</strong>gungen, auf <strong><strong>de</strong>r</strong>enGr<strong>und</strong>lage sich das Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten vollzieht <strong>und</strong> die ihre Lebensweise wesentlichbestimmen. Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee s<strong>in</strong>d nach Funktion, Zeitvolumen<strong>und</strong> Be<strong>de</strong>utung die <strong>Dienst</strong>bed<strong>in</strong>gungen, was durch ihre Herausstellung im Gesamtbegriffunterstrichen wird. Sie s<strong>in</strong>d Basis <strong>und</strong> Rahmen für die verschie<strong><strong>de</strong>n</strong>en Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischenTätigkeit, zu <strong><strong>de</strong>n</strong>en tägliche Ausbildung, Truppenübungen, Gefechtsdienstsysteme,Wachdienst u.a. zählen. In ihnen vollzieht sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptteil aller Lebensprozesse<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee.E<strong>in</strong>en zweiten Komplex bil<strong><strong>de</strong>n</strong> die allgeme<strong>in</strong>en <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> militärischenObjekten <strong>und</strong> an <strong><strong>de</strong>n</strong> Standorten, also Unterbr<strong>in</strong>gung, Verpflegung, Bekleidung, mediz<strong>in</strong>ische<strong>und</strong> kulturelle Betreuung, aber auch Urlaub <strong>und</strong> Ausgang, Freizeit <strong>und</strong> Freizeitgestaltungsowie die Besoldung. Fragen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Arbeit, <strong>in</strong> sozialistischenArmeen bekanntlich von hohem Rang, nach <strong>de</strong>mokratischer Mitbestimmung, sozialenBeziehungen <strong>und</strong> Diszipl<strong>in</strong> führen zu e<strong>in</strong>em dritten Bereich. Weitere, vor allem fürBerufssoldaten wichtige Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d die für ihre Familien am Standort gegebenenLebensgr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> die Regelungen für die Rückkehr <strong>in</strong>s zivilberufliche Leben.Diese unvollständige, für die Gegenstandsbestimmung aber unverzichtbare Aufzählungweist auf e<strong>in</strong>en komplexen <strong>und</strong> überaus vielschichtigen Sachverhalt, zu <strong>de</strong>m umfassen<strong>de</strong>Darstellungen für die Nationale Volksarmee <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR bisher nicht vorliegen <strong>und</strong> nachWissen <strong>de</strong>s Autors auch für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Armeen kaum greifbar s<strong>in</strong>d. Damit entfällt zunächstdie Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Vergleichs mit ihren Aussagemöglichkeiten. Auch e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>taillierteBeschreibung verbietet sich <strong>in</strong> diesem Beitrag schon aus Platzgrün<strong><strong>de</strong>n</strong>. Vielmehr wird es<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> folgen<strong><strong>de</strong>n</strong> Ausführungen darum gehen, e<strong>in</strong>ige Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> wichtigeEntwicklungsabschnitte zu skizzieren, vor allem aber bestimmen<strong>de</strong> Größen sowie e<strong>in</strong>igewesentliche <strong>in</strong>nere Strukturen <strong>und</strong> Abhängigkeiten an ausgewählten Beispielen <strong>de</strong>utlichzu machen. Das kann Anregungen für die Diskussion sowie für eventuelle weitergehen<strong>de</strong><strong>und</strong> umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>e Darstellungen zu <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>bieten. Der Autor stützt sich dabei vor allem auf bereits vorliegen<strong>de</strong> Ausarbeitungen zumSoldatenalltag <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> (1), auf Ergebnisse soziologischer Untersuchungen sowie aufse<strong>in</strong>e Kenntnis von Gr<strong>und</strong>lagen e<strong>in</strong>er Sozialplanung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> (2).I. Beschei<strong><strong>de</strong>n</strong>e Anfänge (1949 bis 1961)Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen für die Lebensprozesse <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Vorläufern <strong><strong>de</strong>r</strong> NationalenVolksarmee, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptverwaltung Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Volkspolizei (HVA, ab1949), <strong><strong>de</strong>r</strong> Seepolizei (ab 1950), <strong><strong>de</strong>r</strong> VP-See <strong>und</strong> VP-Luft (ab 1952) <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> KaserniertenVolkspolizei (KVP, ab 1952), waren die politischen <strong>und</strong> ökonomischen Nachkriegsgegebenheiten<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vom Krieg verwüsteten, von <strong><strong>de</strong>n</strong> Siegern besetzten Land.Die ersten Kasernen wur<strong><strong>de</strong>n</strong> entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> von sowjetischen Truppen übernommen, die dieH<strong>in</strong>terlassenschaft <strong>de</strong>s Dritten Reiches an militärischen Objekten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sowjetischenBesatzungszone weitgehend <strong>in</strong> Anspruch nahmen (3), o<strong><strong>de</strong>r</strong> es wur<strong><strong>de</strong>n</strong> Provisorien für dieUnterbr<strong>in</strong>gung <strong><strong>de</strong>r</strong> neuentstehen<strong><strong>de</strong>n</strong> E<strong>in</strong>heiten geschaffen. So war beispielsweise <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong>50er Jahren e<strong>in</strong> Granatwerferregiment <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gutshof <strong>in</strong> Premnitz untergebracht. ErsteNeubauten, vor allem im Raum Pasewalk – Prenzlau – Egges<strong>in</strong>, begannen 1952 <strong>und</strong> folgtensowjetischem Muster: große Blöcke für jeweils vier Kompanien, die Soldaten mit ihrenGruppenführern <strong>in</strong> Schlafsälen zu 80 Mann o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehr, die <strong>Zu</strong>ghelfer <strong>und</strong> Funktionsunteroffiziere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Raum, die Kleidung <strong>in</strong> B/A-Kammern, je e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er


Raum für Kompaniechef, <strong>Zu</strong>gführer, Hauptfeldwebel <strong>und</strong> Waffenkammer, spartanischeToiletten, e<strong>in</strong> Waschraum, e<strong>in</strong> PAZ (Polit-Aufklärungszimmer). Auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> älteren Kasernenexistierten überwiegend große Stuben, meist mit 8-10 Mann, oft auch „doppelstöckig“belegt. In <strong><strong>de</strong>n</strong> größeren Kasernen gab es <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>o- <strong>und</strong> Veranstaltungssaalsowie e<strong>in</strong>e Gaststätte.Die militärische Ausbildung bestimmte Inhalt <strong>und</strong> Rhythmus <strong>de</strong>s Lebens <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>heiten. Sieerfolgte anfangs überwiegend an Infanteriewaffen <strong>und</strong> reichte meist nur bis zur Kompanieebene.Schon 1950 gab es <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> HVA jedoch unter <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong>sgesamt 14 VP-Schulendrei Artillerie-Schulen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Panzer-Schule, unter <strong><strong>de</strong>n</strong> 39 VP-Bereitschaften achtArtillerie- <strong>und</strong> drei Panzer-Bereitschaften, die zur Ausbildung über Geschütze <strong>und</strong> Panzerverfügten, anfangs allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>in</strong> ausreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl (4). Der allgeme<strong>in</strong>e Motorisierungs-<strong>und</strong> Technisierungsgrad war noch ger<strong>in</strong>g, ebenso die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> verfügbarenAusbildungsbasen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en technische Ausstattung. Wach- <strong>und</strong> Wirtschaftsdienstegehörten von Anfang an zu <strong><strong>de</strong>n</strong> Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>heiten, ihre Häufigkeit war (<strong>und</strong> bliebauch später) weitgehend durch Objektgröße <strong>und</strong> –belegung diktiert. Die Verpflegung,obwohl e<strong>in</strong>fach, hielt <strong>de</strong>m Vergleich mit <strong><strong>de</strong>n</strong> damaligen zivilen Verhältnissen durchausstand. Die Besoldung lag 1953 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> KVP mit 300 Mark für <strong><strong>de</strong>n</strong> Soldaten <strong>und</strong> 370 Markfür <strong><strong>de</strong>n</strong> Unteroffizier im Durchschnitt <strong><strong>de</strong>r</strong> Industrielöhne, mit 700 Mark für <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>Zu</strong>gführer/Unterleutnantnoch eher über vergleichbaren zivilen Löhnen <strong>und</strong> Gehältern.Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagesdienst noch relativ viel Freizeit ließ, gab es <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne außer gelegentlichenFilmveranstaltungen, Anfängen kultureller Selbstbetätigung <strong>und</strong> Gelegenheitenzu sportlicher Betätigung nur beschränkte Freizeitmöglichkeiten. Ausgangsregelungenwur<strong><strong>de</strong>n</strong> dafür eher großzügig gehandhabt <strong>und</strong> – durch die gute Besoldung gestützt –auch genutzt. Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> soziale Beziehungen entsprachen – nach anfänglichenAuse<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen über „Barrasmetho<strong><strong>de</strong>n</strong>“ <strong>und</strong> die sowjetische For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach„eiserner Diszipl<strong>in</strong>“, aber auch über anarchistische Ten<strong><strong>de</strong>n</strong>zen (5) – e<strong>in</strong>er Freiwilligen-Truppe: im <strong>Dienst</strong> nach <strong><strong>de</strong>n</strong> militärischen Regeln, danach eher ungezwungen <strong>und</strong> locker.Diese Bed<strong>in</strong>gungen än<strong><strong>de</strong>r</strong>ten sich bis zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee im Jahre1956 <strong>und</strong> auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> ersten Jahren danach nicht gr<strong>und</strong>legend. Zwar entstan<strong><strong>de</strong>n</strong> neueWaffengattungen <strong>und</strong> Strukturen, die militärische Ausbildung wur<strong>de</strong> differenzierter <strong>und</strong>führte bis zu Regiments- <strong>und</strong> ersten Divisionsübungen, die Ausbildungsbasen wur<strong><strong>de</strong>n</strong>ausge<strong>de</strong>hnt <strong>und</strong> vervollkommnet, Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Beziehungen nahmen ausgeprägter militärischenCharakter an. Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „E<strong>in</strong>satzbereitschaft“ fiel zwar häufiger <strong>und</strong> erhieltzunehmen<strong><strong>de</strong>n</strong> Stellenwert, bestimmend für die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> KVP<strong>und</strong>späteren <strong>NVA</strong>-Angehörigen blieben jedoch – sieht man von zahlreichen Umstrukturierungen<strong>und</strong> damit verbun<strong><strong>de</strong>n</strong>en Standortwechseln ab – die Ausbildungsprozesse <strong>und</strong>-rhythmen. Das Leben <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee glich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Gr<strong>und</strong>zügen – sieht manvon <strong><strong>de</strong>n</strong> Inhalten politischer Führung <strong>und</strong> Arbeit sowie e<strong>in</strong>em Übermaß an Geheimhaltungab – <strong>de</strong>m militärischen Leben früherer <strong>und</strong> damaliger <strong>de</strong>utscher <strong>und</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Armeen.II. In ständiger Gefechtsbereitschaft (1961 bis 1989)Hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> formelle Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zu <strong><strong>de</strong>n</strong> politischen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> militärischenOrganisationsformen <strong>de</strong>s Warschauer Vertrages im Jahre 1955 daran noch nicht gerüttelt,brachte das Jahr 1961 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> schrittweisen Aufnahme von Verbän<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> <strong>in</strong> dieoperative Planung <strong>de</strong>s Vere<strong>in</strong>ten Oberkommandos <strong>de</strong>s Warschauer Vertrages e<strong>in</strong>etiefgehen<strong>de</strong> Zäsur <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong>, ja <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Lebensweise.Gefechtsbereitschaft galt fortan als höchster Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Tätigkeit.Von nun an trat das gesamte Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stäbe unter das Diktat <strong><strong>de</strong>r</strong> dazuerlassenen <strong>und</strong> im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong><strong>de</strong>n</strong> nahezu drei Jahrzehnte mehrfach verschärftenZeit- <strong>und</strong> Anwesenheitsnormen.Die Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsbereitschaft, so sehr dies <strong>de</strong>m Außenstehen<strong><strong>de</strong>n</strong> auch so


sche<strong>in</strong>en mag, waren unter <strong><strong>de</strong>n</strong> Bed<strong>in</strong>gungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ost-West-Konfrontation im Kalten Kriegke<strong>in</strong>eswegs willkürlich gesetzt. Sie folgten pr<strong>in</strong>zipiell <strong><strong>de</strong>n</strong> technischen <strong>und</strong> taktischenMöglichkeiten <strong>de</strong>s angenommenen Gegners, rechneten zurück, <strong>in</strong> wie wenigen M<strong>in</strong>uteno<strong><strong>de</strong>r</strong> Stun<strong><strong>de</strong>n</strong> Luftangriffsmittel, Raketen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Heereskräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> NATO aus ihren Basen,vor allem aber aus Übungslagen heraus die Staatsgrenze <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR erreichen konnten,<strong>und</strong> legten daraus die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Reaktionszeiten fest.Die unterste Stufe, die „Ständige Gefechtsbereitschaft“, galt ohne Ausnahme zu je<strong><strong>de</strong>r</strong>St<strong>und</strong>e; sie sollte die Voraussetzungen für die E<strong>in</strong>nahme „Erhöhter“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Voller Gefechtsbereitschaft“bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> erst <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> achtziger Jahren e<strong>in</strong>geführten Zwischenstufe „Gefechtsbereitschaftbei Kriegsgefahr“ sichern. Dazu hatten 85 Prozent <strong>de</strong>s Personalbestan<strong>de</strong>ssich ständig <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Objekte o<strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit erreichbar im Standort <strong>und</strong> möglichst <strong>in</strong>Objektnähe aufzuhalten. Für die E<strong>in</strong>satzbereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> technischen Kampfmittel galtenKoeffizienten <strong><strong>de</strong>r</strong> technischen E<strong>in</strong>satzbereitschaft (KTE), die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel <strong>de</strong>utlichüber 0,9 lagen <strong>und</strong> außeror<strong><strong>de</strong>n</strong>tliche Pflege- <strong>und</strong> Wartungsaufwän<strong>de</strong> nach sich zogen.Die Truppenteile <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräften hatten im Falle <strong>de</strong>s direkten Übergangs aus <strong><strong>de</strong>r</strong>ständigen <strong>in</strong> die volle o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> die Gefechtsbereitschaft bei Kriegsgefahr <strong>in</strong> 30 bis 60M<strong>in</strong>uten, im E<strong>in</strong>zelfall <strong>in</strong> 20 M<strong>in</strong>uten die Objekte zu verlassen <strong>und</strong> Sammelräume zubeziehen, aus <strong><strong>de</strong>n</strong>en heraus sie sofort handlungsbereit se<strong>in</strong> mußten. Restkräfte wur<strong><strong>de</strong>n</strong>nachgeführt. Die e<strong>in</strong>zelnen Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsbereitschaft wur<strong><strong>de</strong>n</strong>ständig tra<strong>in</strong>iert. E<strong>in</strong>schränkungen für die Ausbildung auch auf entfernteren Übungsplätzenbestan<strong><strong>de</strong>n</strong> dabei nicht. (6)Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Luftstreitkräfte/Luftverteidigung wur<strong><strong>de</strong>n</strong> die schon zuvor bestehen<strong><strong>de</strong>n</strong>Kräfte 1961 <strong>in</strong> zwei Luftverteidigungs-Divisionen zusammengefaßt <strong>und</strong> 1962 e<strong>in</strong> <strong>Dienst</strong>haben<strong>de</strong>sSystem (DHS) e<strong>in</strong>geführt, das <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Folgejahren weiter ausgebaut wur<strong>de</strong>.E<strong>in</strong>bezogen waren die Jagdflieger-, Fla-Raketen- <strong>und</strong> Funktechnischen Truppen sowie dienotwendigen Sicherstellungskräfte. In <strong><strong>de</strong>n</strong> Jagdfliegergeschwa<strong><strong>de</strong>r</strong>n (JG) stand jeweils e<strong>in</strong>Paar <strong>in</strong> M<strong>in</strong>uten startbereit, weitere waren bereit zum Nachziehen <strong>in</strong> diese Bereitschaftsstufe.In <strong><strong>de</strong>n</strong> Fla-Raketen- <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Funktechnischen Truppen stan<strong><strong>de</strong>n</strong> bzw. arbeitetenjeweils 50 Prozent <strong>de</strong>s Gesamtbestan<strong>de</strong>s für 10 Tage <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Raketenstellungen bzw. auf<strong><strong>de</strong>n</strong> Funktechnischen Posten. (7) Diese Kräfte lebten faktisch im <strong>Zu</strong>stand <strong><strong>de</strong>r</strong> vollenGefechtsbereitschaft. Die Gefechtsstän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> JG, <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>s KommandosLSK/LV arbeiteten im 24-Stun<strong><strong>de</strong>n</strong>-<strong>Dienst</strong>. In dieses DHS wur<strong><strong>de</strong>n</strong> En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahreauch die Fla-Raketen-Truppenteile <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte e<strong>in</strong>bezogen.Um die reale Belastung zu ver<strong>de</strong>utlichen, e<strong>in</strong>ige exemplarische Daten: im Zeitraum e<strong>in</strong>esJahres, „vom 01.06.1984 bis 31.05.1985, wur<strong><strong>de</strong>n</strong> die diensthaben<strong><strong>de</strong>n</strong> Kräfte <strong><strong>de</strong>r</strong>Luftverteidigung <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenluftabwehr 501 mal zum Gefechtse<strong>in</strong>satz befohlen, dieHubschrauberkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeefliegerkräfte wur<strong><strong>de</strong>n</strong> 738 mal alarmiert. Hauptgrün<strong>de</strong>waren: Flüge strategischer <strong>und</strong> taktischer NATO-Aufklärungsflugzeuge <strong>in</strong> Grenznähe(236), Sicherung von Luftraumsperren (134), Anflüge von NATO-Kampfflugzeugen mitgefährlichem Kurs (93), unklare Luftlagen (34), Luftraumverletzungen (6) u.a.m.“. (8)In <strong><strong>de</strong>r</strong> Volksmar<strong>in</strong>e stan<strong><strong>de</strong>n</strong> ab 1968 ständig vier mit Gefechtsraketen ausgerüsteteRaketen-Schnellboote <strong>in</strong> Bereitschaft (9), an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kräfte übernahmen Vorpostendienst aufhoher See o<strong><strong>de</strong>r</strong> begleiteten NATO-Schiffe auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en Aufklärungsfahrten entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Küste. Der Rhythmus war <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel dreigeteilt: jeweils zehn Tage <strong>Dienst</strong> auf See,zehn Tage Bereitschaft <strong>und</strong> zehn Tage „frei“, was Ausbildungsmaßnahmen e<strong>in</strong>schloß.Im Gefolge <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach ständiger Gefechtsbereitschaft entwickelte sich <strong>in</strong> allenTeilstreitkräften e<strong>in</strong> umfangreiches System offizieller, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>Dienst</strong>vorschriften festgelegter24-Stun<strong><strong>de</strong>n</strong>-<strong>Dienst</strong>e – selbstre<strong><strong>de</strong>n</strong>d ohne jegliche materielle Vergütung. Für dasAlarmierungssystem wur<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Stäben <strong>und</strong> Truppenteilen Operative <strong>Dienst</strong>haben<strong>de</strong>e<strong>in</strong>geführt, die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rangordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Dienst</strong>e noch oberhalb <strong>de</strong>s im Truppenteil seitjeher aufsichtführen<strong><strong>de</strong>n</strong> Offiziers vom <strong>Dienst</strong> (OvD) stan<strong><strong>de</strong>n</strong>. Bei<strong>de</strong> hatten jeweils


Gehilfen, ersterer <strong>in</strong> je<strong>de</strong>m Fall e<strong>in</strong>en Offizier. <strong>Zu</strong>r Aufsicht auf <strong>de</strong>m Gefechtspark (10),<strong>de</strong>ssen <strong>Zu</strong>stand <strong>und</strong> organisierte Nutzung enorm an Be<strong>de</strong>utung gewannen, wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong>geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Offizier vom Parkdienst (OvP) e<strong>in</strong>gesetzt. Zeitweilige, durch Offiziere wahrgenommeneAufsichtsdienste waren darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> Speisesälen <strong>und</strong> im Regimentsklubtätig. In <strong><strong>de</strong>n</strong> Kompanien gab es <strong><strong>de</strong>n</strong> obligaten Unteroffizier vom <strong>Dienst</strong> (UvD). H<strong>in</strong>zukamen zahlreiche ständige o<strong><strong>de</strong>r</strong> temporäre, aber <strong>in</strong>offizielle Anwesenheitsdienste für Offiziere<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Kompanien <strong>und</strong> Bataillonen, die vom Frühsport bis zum Zapfenstreich <strong>und</strong>auch an <strong><strong>de</strong>n</strong> Wochenen<strong><strong>de</strong>n</strong> für Ordnung zu sorgen hatten.In e<strong>in</strong>er 1998 durchgeführten Befragung unter ehemaligen Armeeangehörigen gaben achtvon zehn Berufssoldaten an, „daß Berufssoldaten <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>heiten zu <strong>Dienst</strong>enherangezogen wur<strong><strong>de</strong>n</strong>, die nicht von <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>Dienst</strong>vorschriften gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t waren ...“ Nahezu90 Prozent von ihnen waren davon betroffen. Von diesen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um „gaben 17 Prozentan, bis zu zwei Tage im Monat zu zusätzlichen Anwesenheitsdiensten herangezogenwor<strong><strong>de</strong>n</strong> zu se<strong>in</strong>, 27 Prozent waren bis zu vier, 23 Prozent bis zu sechs <strong>und</strong> 30 Prozentmehr als sechs (im E<strong>in</strong>zelfall mehr als zehn) Tage dazu e<strong>in</strong>gesetzt.“ (11)III. Wirkungen auf die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> KaserneDie For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Gefechtsbereitschaft <strong>und</strong> die mehrfach verkürzten Zeitnormengriffen tief <strong>in</strong> die Lebensweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten e<strong>in</strong> – bis <strong>in</strong>s Privatleben wur<strong>de</strong> ihnen allesuntergeordnet, viele <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> waren direkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong>direkt von ihnenabhängig, manche nur <strong>in</strong> diesem <strong>Zu</strong>sammenhang überhaupt zu verstehen.Die wohl gravierendste Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung betraf die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne. Seit jeher e<strong>in</strong> Zentralpunkt<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Lebensweise, zwangen die Zeitnormative zur Herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong>Gefechtsbereitschaft <strong>und</strong> die daraus abgeleitete 85-Prozent-Anwesenheitsklausel fortandazu, die Truppe <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne quasi „e<strong>in</strong>zusperren“, stan<strong><strong>de</strong>n</strong> doch die restlichen 15Prozent nicht nur Urlaubern <strong>und</strong> Ausgängern zu, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n dabei waren auch Kranke <strong>und</strong>Kommandierte zu berücksichtigen. In e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mobilität <strong>und</strong> zeitliche wie territorialeFreizügigkeit (zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s) gera<strong>de</strong> bei jungen Menschen zuWerten von hohem Rang wuchsen, wur<strong>de</strong> die Kaserne o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kasernennahe Raum fürdie Soldaten zum unentr<strong>in</strong>nbaren, permanenten Lebensraum, schnelle <strong>und</strong> ständigeErreichbarkeit zum obersten Aufenthaltskriterium auch für die Außenschläfer.Für <strong><strong>de</strong>n</strong> Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst war <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>schluß <strong>in</strong> die Kaserne nahezu vollständig.Bei 18 Tagen Urlaub <strong>in</strong> 18 Monaten Gr<strong>und</strong>wehrdienst war es oftmals nichtmöglich, persönliche Wünsche h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>s Urlaubszeitpunkts zu berücksichtigen.Nicht selten mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> Urlaub zu <strong>de</strong>m für die militärische Aufgabenerfüllung günstigstenZeitpunkt befohlen <strong>und</strong> genommen wer<strong><strong>de</strong>n</strong>. Obwohl ihm formell e<strong>in</strong>mal wöchentlichAusgang zustand, konnte er dieses Recht – allerd<strong>in</strong>gs auch aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grün<strong><strong>de</strong>n</strong>, auf diezurückzukommen se<strong>in</strong> wird – tatsächlich nur wesentlich seltener <strong>in</strong> Anspruch nehmen. In<strong><strong>de</strong>n</strong> ersten sechs Wochen, während <strong><strong>de</strong>r</strong> Gr<strong>und</strong>ausbildung, gab es ohneh<strong>in</strong> we<strong><strong>de</strong>r</strong>Ausgang noch Urlaub. Lediglich zu Ausbildungsmaßnahmen im Gelän<strong>de</strong> <strong>und</strong> zuGefechtsdiensten verließ <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldat die Kaserne häufig. Dem Unteroffizier auf Zeit erg<strong>in</strong>ges ähnlich, wenn man von e<strong>in</strong>er größeren Anzahl an Urlaubstagen <strong>und</strong> Ausgangsmöglichkeitenabsieht. Berufsunteroffiziere <strong>und</strong> –offiziere, wenn nicht verheiratet o<strong><strong>de</strong>r</strong>ohne Wohnung am Standort, lebten oft über viele Jahre <strong>in</strong> Ledigenheimen, die anfangsmeist <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Objekte lagen, später zwar zunehmend „ausgelagert“ wur<strong><strong>de</strong>n</strong>, aber <strong>in</strong>unmittelbarer Objektnähe verblieben. Zwei- bis Vierbettzimmer waren die Regel. Denverheirateten Berufssoldaten stan<strong><strong>de</strong>n</strong> Wohnungen am Standort zu, die über die Standortältestenvergeben wur<strong><strong>de</strong>n</strong>, aber selten o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur kurzzeitig <strong>in</strong> ausreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Anzahlverfügbar waren.Das Kasernenmilieu war trist. Zwar hatten sich die Kasernen selbst gegenüber <strong><strong>de</strong>n</strong>Anfangsjahren durch Renovierungen, Aus- <strong>und</strong> Umbauten verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, kaum aber die


Gr<strong>und</strong>strukturen <strong>und</strong> die räumliche Aus<strong>de</strong>hnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanieunterkünfte. Die Schlafsälewaren <strong><strong>de</strong>r</strong> stubenweisen Unterbr<strong>in</strong>gung gewichen, aber die Räume waren meist weiterh<strong>in</strong>als Gruppenunterkunft ausgelegt <strong>und</strong> mit Doppelstockbetten ausgestattet. Die meistenSoldaten lebten so <strong>in</strong> „Stuben“, die mit mehr als 6 Mann, bei Mot. Schützen mit 8-10 Mannbelegt waren. Unteroffiziersunterkünfte waren ebenfalls noch häufig mit Doppelstockbettenausgestattet, die Belegungsfrequenz lag allerd<strong>in</strong>gs überwiegend bei bis zuvier Mann (12). <strong>Zu</strong>r Ausstattung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuben gehörten e<strong>in</strong> Sp<strong>in</strong>d <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Hocker je Soldat,e<strong>in</strong> Tisch sowie e<strong>in</strong> Besensp<strong>in</strong>d je Stube. Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> im Sp<strong>in</strong>d (meist Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> Familie)waren erlaubt, die Nutzung von Radiogeräten, Wasserkochern o.ä. blieb genehmigungspflichtig.Dem PAZ war <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanieklub gefolgt, e<strong>in</strong> meist größerer Raum, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel mit Sesseln, Klubtischen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Fernsehgerät ausgestattet, <strong>de</strong>ssen Fassungsvermögenallerd<strong>in</strong>gs selten <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Kompanie <strong><strong>de</strong>n</strong> gleichzeitigen Aufenthaltermöglichte. E<strong>in</strong>em Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>heiten stand e<strong>in</strong> zusätzlicher Fernsehraum zur Verfügung.E<strong>in</strong> Wasch- <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Toilettenraum sowie e<strong>in</strong> breiter, das gesamte Kompanierevier durchziehen<strong><strong>de</strong>r</strong>,ständig vom UvD o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>ssen Gehilfen überwachter Flur vervollständigten<strong><strong>de</strong>n</strong> engeren Lebensbereich <strong>de</strong>s Soldaten <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Unteroffiziers auf Zeit.In je<strong>de</strong>m größeren Truppenteil gab es darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en Regimentsklub, <strong><strong>de</strong>r</strong> nebene<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>o- <strong>und</strong> Veranstaltungssaal auch über e<strong>in</strong>e Truppenbibliothek, über e<strong>in</strong>igekle<strong>in</strong>ere Versammlungs- <strong>und</strong> Arbeitsräume für die kulturelle Selbstbetätigung sowie überSpiel- <strong>und</strong> Lesezimmer verfügte. Neubauten wur<strong><strong>de</strong>n</strong> so auf die Objektgrenzen gesetzt,daß e<strong>in</strong>e Gaststätte <strong>in</strong>tegriert wer<strong><strong>de</strong>n</strong> konnte. Wegen <strong>de</strong>s Alkoholverbots <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong>Kasernen war sie <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel nur von außen – also für Ausgänger <strong>und</strong> Berufssoldaten –zugänglich. Komplexe Kasernenneubauten entstan<strong><strong>de</strong>n</strong> allerd<strong>in</strong>gs erst seit Beg<strong>in</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong>70er Jahre, <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Teil von ihnen mußte aus Dislozierungs- <strong>und</strong> Kapazitätsgrün<strong><strong>de</strong>n</strong>schon von Beg<strong>in</strong>n an mit ursprünglich nicht vorgesehenen, zusätzlichen E<strong>in</strong>heiten belegtwer<strong><strong>de</strong>n</strong>.In <strong><strong>de</strong>n</strong> Objekten gab es neben e<strong>in</strong>em größeren Sportplatz Kle<strong>in</strong>sportanlagen, meist fürFuß- <strong>und</strong> Volleyball angelegt, die frei genutzt wer<strong><strong>de</strong>n</strong> konnten. Das galt auch für die„Raucher<strong>in</strong>seln“ zwischen <strong><strong>de</strong>n</strong> Kasernenblöcken, am Ran<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Parks o<strong><strong>de</strong>r</strong> an an<strong><strong>de</strong>r</strong>engeeigneten Orten; sie waren auch Nichtrauchern <strong>Zu</strong>fluchtsorte, am <strong><strong>de</strong>n</strong>en man sichaustauschen <strong>und</strong> auch mal „Dampf ablassen“ konnte. Allerd<strong>in</strong>gs ließ <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagesdienstablaufan <strong><strong>de</strong>n</strong> Wochentagen wenig Zeit dazu. Vom Wecken um 06:00 Uhr bis zurNachtruhe um 22:00 Uhr unterlag nahezu <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamte Tag m<strong>in</strong>utiösen Zeitvorgaben. Diemeisten <strong><strong>de</strong>r</strong> täglich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong><strong>de</strong>n</strong> Tätigkeiten erfolgten zu<strong>de</strong>m <strong>in</strong> geschlossenerFormation: Frühsport, meist sieben Stun<strong><strong>de</strong>n</strong> Ausbildung, die folgen<strong><strong>de</strong>n</strong> Stun<strong><strong>de</strong>n</strong> fürWaffenre<strong>in</strong>igen, Pflege <strong>und</strong> Wartung <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik, Putz- <strong>und</strong> Flickstun<strong><strong>de</strong>n</strong>, politischeMassenarbeit , Morgen- <strong>und</strong> Abendappell; selbst zu <strong>und</strong> von <strong><strong>de</strong>n</strong> Mahlzeiten wur<strong>de</strong>kompanieweise marschiert. Auch die Zeit zur Morgentoilette o<strong><strong>de</strong>r</strong> für die Mahlzeiten waraus Grün<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapazität <strong><strong>de</strong>r</strong> Waschräume <strong>und</strong> Speisesäle knapp (Duschen war <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel ohneh<strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>mal wöchentlich <strong>und</strong> zentral möglich). Lediglich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittagszeitgab es e<strong>in</strong>e Ruhest<strong>und</strong>e, allenfalls nach 19:00 Uhr freie Zeit, obwohl das Muster <strong>de</strong>sTagesdienstablaufplanes <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Fassung <strong><strong>de</strong>r</strong> DV 010/0/003 (Innendienstvorschrift)aus <strong>de</strong>m Jahre 1989 als Freizeit täglich formell die Zeit zwischen 18:00 <strong>und</strong> 21:30 Uhrvorsah. Sie wur<strong>de</strong> aber durch später fixierte Zeiten für das Aben<strong>de</strong>ssen, oft durch amTage unerledigte Aufgaben, durch das abendliche Revierre<strong>in</strong>igen u.a. verkürzt. Erst an<strong><strong>de</strong>n</strong> Sonnabendnachmittagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagen fand sich zusammenhängen<strong>de</strong> Freizeit, diedann von Soldaten zu e<strong>in</strong>em großen Teil zum Lesen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schlafen, von <strong><strong>de</strong>n</strong> (oft jüngeren)Unteroffizieren häufiger auch für sportliche Betätigung genutzt wur<strong><strong>de</strong>n</strong>.Schon die verkürzte Darstellung wesentlicher Gegebenheiten dieses Kasernenlebensmacht <strong>de</strong>utlich: mit <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>schluß <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne war auch die soziale Kontrolle total, seies durch das Aufsichtssystem <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten, sei es durch die ständige AnwesenheitGleichgestellter. Ke<strong>in</strong>e Lebensäußerung blieb unbeobachtet, selbst die Toiletten waren


unverschlossen, teilweise sogar ohne Türen. Zeit für sich selbst, Raum zum Ungestörtse<strong>in</strong>,Unkontrolliertse<strong>in</strong> waren kaum <strong><strong>de</strong>n</strong>kbar, das Spektrum möglicher Abwechslungen imVerbr<strong>in</strong>gen freier Zeit, möglicher Kontakte zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ger<strong>in</strong>g, über lange Jahre gab es <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>n</strong> Objekten nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige öffentliche Telefonzelle.Das alles unterlag zu<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>n</strong> Bed<strong>in</strong>gungen strenger militärischer Hierarchie <strong>und</strong> e<strong>in</strong>erMännergeme<strong>in</strong>schaft r<strong>und</strong> um die Uhr, mit ihren bekanntermaßen rauhen <strong>und</strong> oft rigi<strong><strong>de</strong>n</strong>Formen <strong>de</strong>s Umgangs <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterordnung. Für bei<strong>de</strong>s blieb dieses Kasernenlebenoffenbar nicht ohne Folgen. Länger als <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Armeen erhielten sich z. B. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>e<strong>in</strong>e Reihe von formalen Diszipl<strong>in</strong>normen, die an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo, wenn nicht abgeschafft, so dochgelockert waren. Die Grußpflicht gegenüber je<strong>de</strong>m höheren <strong>Dienst</strong>grad (nicht nur <strong>de</strong>mVorgesetzten), die Abmel<strong>de</strong>pflicht gegenüber <strong>de</strong>m UvD selbst <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne, dasMarschieren zum Essen unter Führung durch <strong><strong>de</strong>n</strong> UvD, die nur zögern<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>und</strong> verspätetenÄn<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Uniformen <strong>und</strong> Lockerungen ihrer Trageweise, das auch nach30 Jahren unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t penible Herumhacken auf je<strong>de</strong>m losen o<strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Uniformknopf,auf Stubenordnung <strong>und</strong> Schrankbau s<strong>in</strong>d nur wenige Beispiele dafür. Zwar gibt es füre<strong>in</strong>en <strong>Zu</strong>sammenhang zum dargestellten Kasernenleben ke<strong>in</strong>en direkten Beleg. Stelltman sich jedoch die Umkehrung vor (selbst Soldaten kämen morgens zum <strong>Dienst</strong> <strong>und</strong>verließen abends im Normalfall die Kaserne wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, also e<strong>in</strong>e mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger offeneKaserne), wären formale Diszipl<strong>in</strong>normen wohl ohne Zweifel stärker h<strong>in</strong>ter funktionalenzurückgetreten.An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wur<strong><strong>de</strong>n</strong> manche Rechte <strong>de</strong>s Soldaten, Ausgang zum Beispiel, weil knapp<strong>und</strong> oft nicht ohne Auswahl zuteilbar, nicht eben selten von Wohlverhalten abhängiggemacht <strong>und</strong> zu Gunsterweisungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zum „Erziehungsmittel“ umfunktioniert. Nichtohne Gr<strong>und</strong> nennt e<strong>in</strong> erheblicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten Ungerechtigkeiten noch vor<strong><strong>de</strong>r</strong> 85-Prozentklausel als Hauptgr<strong>und</strong> für die Seltenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgangsgewährung (13).Auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>es, was <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Vorschriften zwar als möglich, aber genehmigungspflichtigfixiert war (beispielsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrieb von Radiogeräten), unterlag solcher Handhabung.Die militärische Hierarchie wur<strong>de</strong> jedoch allmählich durch e<strong>in</strong>e vor allem von Soldatengetragene Gegenhierarchie untersetzt <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihren unteren Ebenen teilweise unterlaufen.Unter <strong>de</strong>m Namen „EK-Bewegung“ (EK für „Entlassungskandidat“) etwa seit <strong><strong>de</strong>r</strong> zweitenHälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre bekannt, entwickelte sich e<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>n</strong> drei <strong>Dienst</strong>halbjahren folgen<strong>de</strong>Alters-Rangordnung, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> die jeweils dienstältesten Soldaten „Führungsfunktionen“ <strong>und</strong>Privilegien <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong>formellen Gruppenstrukturen beanspruchten <strong>und</strong> mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erZwischen- <strong>und</strong> Wartestellung fungieren<strong><strong>de</strong>n</strong> Angehörigen <strong>de</strong>s zweiten <strong>Dienst</strong>halbjahresdie Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngsten Soldaten beschnitten. Diesen wur<strong><strong>de</strong>n</strong> nicht nur Revierdienste <strong>und</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>Dienst</strong>leistungen zugeordnet <strong>und</strong> Ausgangsrechte entzogen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilweiseauch Verstöße gegen die militärische Diszipl<strong>in</strong> (z. B. Alkoholbeschaffung) o<strong><strong>de</strong>r</strong> entwürdigen<strong>de</strong>Handlungen aufgezwungen. Eventueller Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand wur<strong>de</strong> durch Drangsalierungen,im E<strong>in</strong>zelfall bis zur körperlichen Gewaltanwendung, gebrochen. Für die Übergängevon <strong>Dienst</strong>halbjahr zu <strong>Dienst</strong>halbjahr entstan<strong><strong>de</strong>n</strong> Rituale, ebenso für die letztenTage vor <strong><strong>de</strong>n</strong> Versetzungen <strong>in</strong> die Reserve. In extremen Fällen unterlief <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>fluße<strong>in</strong>zelner Soldaten im dritten <strong>Dienst</strong>halbjahr die formelle Führung, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bei jungen<strong>und</strong> unerfahrenen Gruppen- <strong>und</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auch <strong>Zu</strong>gführern, so z. B. bei Entscheidungenüber die E<strong>in</strong>teilung zu <strong>Dienst</strong>en o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Gewährung von Ausgang. Auch bei <strong><strong>de</strong>n</strong>Unteroffizieren auf Zeit gab es im übrigen Ten<strong><strong>de</strong>n</strong>zen e<strong>in</strong>er „EK-Bewegung“, allerd<strong>in</strong>gs<strong>de</strong>utlich ger<strong>in</strong>ger ausgeprägt.Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgeprägte Formen nahm dies alles <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Mot. Schützen-Regimentern an.Das waren nicht nur die personell bei weitem stärksten Truppenteile; sie waren <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Objekt stationiert, mit allen ungünstigen Folgen für <strong><strong>de</strong>n</strong><strong>in</strong>neren <strong>Zu</strong>sammenhalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vor allem für Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere auf Zeit kaumüberschaubaren Truppenkörper. In ihnen konzentrierten sich überwiegend diejenigenGr<strong>und</strong>wehrdienstleisten<strong><strong>de</strong>n</strong>, die nach erfolgter Auslese für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Teilstreitkräfte o<strong><strong>de</strong>r</strong> für


Waffengattungen mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Bildung <strong>und</strong> Intelligenz, politische<strong>Zu</strong>verlässigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> spezielle Berufsausbildung (z. B. für technische E<strong>in</strong>heiten) <strong>und</strong>habituelle Eigenschaften (z. B. Panzerlenkraketen-Schützen) gewissermaßen „übrigblieben“.Als die Mot. Schützen-Kompanien Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Ausbildungsprogrammeerhielten, die e<strong>in</strong>e effektivere, die älteren <strong>Dienst</strong>halbjahre mit weiterführen<strong><strong>de</strong>n</strong>Ausbildungs<strong>in</strong>halten konfrontieren<strong>de</strong> Ausbildung erlaubten, wur<strong><strong>de</strong>n</strong> sie jeweils nur nochmit Soldaten e<strong>in</strong>es <strong>Dienst</strong>halbjahres aufgefüllt. Das nahm so zugleich auch <strong><strong>de</strong>r</strong> – <strong>in</strong> Ritualenfortbestehen<strong><strong>de</strong>n</strong> - EK-Bewegung die Form e<strong>in</strong>er Gegenhierarchie <strong>und</strong> war sicher ke<strong>in</strong>eungewollte Nebenwirkung.Ersche<strong>in</strong>ungen dieser Art s<strong>in</strong>d – <strong>in</strong> unterschiedlichen Ausmaßen <strong>und</strong> Graduierungen -auch aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Armeen bekannt, aus östlichen ebenso wie aus westlichen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>wur<strong><strong>de</strong>n</strong> sie e<strong>in</strong>erseits auf Gewohnheiten zurückgeführt (auch <strong>in</strong> Schulen <strong>und</strong> Lehrverhältnissens<strong>in</strong>d Altershierarchien anzutreffen), an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits stets i<strong>de</strong>ologisiert <strong>und</strong> alsunvere<strong>in</strong>bar mit <strong><strong>de</strong>n</strong> Wesenszügen sozialistischer Streitkräfte bekämpft. Man behan<strong>de</strong>lteexzessive Auswüchse als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Vorkommnisse <strong>und</strong> begegnete <strong><strong>de</strong>r</strong> Ersche<strong>in</strong>ung alssolcher mit Um<strong>de</strong>utungsversuchen <strong>de</strong>s EK-Begriffs <strong>in</strong> „Erfahrener Kämpfer“. <strong>Zu</strong>gleichwur<strong>de</strong> seit <strong>de</strong>m Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre die „Gestaltung sozialistischer Beziehungen“ zue<strong>in</strong>em Schwerpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Arbeit – mit Blick auf die EK-Bewegung sicher e<strong>in</strong>e ArtGegenstrategie, nach <strong><strong>de</strong>n</strong> weiterreichen<strong><strong>de</strong>n</strong> Zielen aber von gr<strong>und</strong>sätzlicher Be<strong>de</strong>utungfür die Ausprägung <strong>de</strong>s Charakters <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee. Das dämmte die EK-Bewegung allenfallse<strong>in</strong>, beseitigte sie jedoch nicht – nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb, weil Vorgesetzte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Kompanienteilweise Vorrechte dienstälterer Soldaten als „Erziehungshilfe“ <strong>und</strong> Diszipl<strong>in</strong>ierungsmitteltolerierten, solange diese nicht <strong>in</strong> Exzesse ausarteten.In <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtigen Literatur zu diesem Thema wer<strong><strong>de</strong>n</strong> die Ursachen <strong><strong>de</strong>r</strong> EK-Bewegunggern unter <strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „totalen Institution“ subsumiert. So ist z. B. zu lesen:„Unter <strong><strong>de</strong>n</strong> Bed<strong>in</strong>gungen wie Freiheitsentzug, Wohnen <strong>in</strong> engen Unterkünften, wenigUrlaub o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgang <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Zu</strong>sammenlegung von Soldaten verschie<strong><strong>de</strong>n</strong>en <strong>Dienst</strong>alters<strong>in</strong> e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Quartier bil<strong>de</strong>t sich e<strong>in</strong> Nährbo<strong><strong>de</strong>n</strong> für das Entstehen vonAusdrucksformen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong>nersoldatischen Hierarchie, die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldatensprache <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>als ‚EK-Bewegung‘ gefaßt s<strong>in</strong>d“ (14). Dabei wird diese totale Institution „Kasernenwelt <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>“ als gewollt, als bewußt e<strong>in</strong>gesetztes Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Diszipl<strong>in</strong>ierung <strong>und</strong> (Ver)formung<strong>de</strong>s Soldaten verstan<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>und</strong> somit wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um i<strong>de</strong>ologisiert. (15)In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat s<strong>in</strong>d räumliche Enge, reduzierte Kontakte zur Außenwelt (16), die militärischeHierarchie, die beständige soziale Kontrolle, oft grobe Umgangsformen, fehlen<strong>de</strong>Möglichkeiten <strong>de</strong>s Ausweichens, <strong>de</strong>s Abreagierens <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Ausgleichs sowie die darausresultieren<strong><strong>de</strong>n</strong> psychischen Belastungen, Frustrationen <strong>und</strong> Aggressionen – wie auchGehler feststellt – jene Faktoren, die das Entstehen von Subkulturen <strong>und</strong> Hierarchien <strong><strong>de</strong>r</strong>geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Art begünstigen. Man sollte aber weitere wesentliche Faktoren ke<strong>in</strong>esfallsverschweigen: Zeitdruck, physische <strong>und</strong> psychische Anstrengung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischenAusbildung <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsdienste, häufige Wachen <strong>und</strong> 24-Stun<strong><strong>de</strong>n</strong>-Diense (17), oftbis zur Erschöpfung gehen<strong>de</strong> Arbeiten zur Pflege <strong>und</strong> Wartung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampftechnik u.a..Diese Faktoren weisen e<strong>in</strong><strong>de</strong>utig auf funktionale <strong>Zu</strong>sammenhänge. Sicher wur<strong><strong>de</strong>n</strong> diebeschriebenen Kasernenverhältnisse auch als Diszipl<strong>in</strong>ierungsmittel genutzt. In ihrerGesamtheit <strong>und</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ausprägung waren sie jedoch wesentlich erzwungen. Vordiesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> sche<strong>in</strong>t erneut die Dom<strong>in</strong>ante <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> auf – das Diktat <strong><strong>de</strong>r</strong> Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsbereitschaft.Im Übrigen bleibt zu ergänzen: auch wenn man die EK-Bewegung ohne Zweifel zu <strong><strong>de</strong>n</strong>Charakteristika <strong>de</strong>s Systems <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Beziehungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> zählen muß, verbietetsich jegliche Gleichsetzung. Die genannten Darstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EK-Bewegung erweckendiesen E<strong>in</strong>druck, weil sie die Sicht auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Ersche<strong>in</strong>ung richten <strong>und</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e,darunter wesentliche, darüber weitestgehend vernachlässigen. Kameradschaft <strong>und</strong>kollektives Mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> waren für viele Soldaten dom<strong>in</strong>ieren<strong>de</strong>s <strong>und</strong> bleiben<strong>de</strong>s Erlebnis


im Wehrdienst, sowohl im wie außer <strong>Dienst</strong>, <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten wie übersie h<strong>in</strong>aus. (18)Auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e, für die <strong>NVA</strong> charakteristische <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> hätten ihre spezifischenInhalte, Formen <strong>und</strong> vor allem ihre Dimensionen ohne die E<strong>in</strong>flußgröße Gefechtsbereitschaftschwerlich angenommen. Nehmen wir das Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen Betreuung<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>-Angehörigen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Kasernen. E<strong>in</strong>e kulturell-erzieherische Funktion wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong>Streitkräften vom Tag ihres Entstehens an zugeordnet <strong>und</strong> von diesen auch wahrgenommen.Sie alle<strong>in</strong> erklärt <strong><strong>de</strong>n</strong> Aufwand auf diesem Gebiet jedoch nur unzureichend.Schon die komplexen, vielseitig ausgestatteten Regimentsklubs waren <strong>in</strong> Bau,E<strong>in</strong>richtung, Unterhalt <strong>und</strong> Personale<strong>in</strong>satz (außer e<strong>in</strong>em Offizier für die Kulturarbeit gabes Bibliothekar(<strong>in</strong>) <strong>und</strong> Filmvorführer) erhebliche Kostenfaktoren. Für die regelmäßigzweimal wöchentlichen Filmvorführungen existierte <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> e<strong>in</strong> spezielles Umlaufsystem.Jährlich wur<strong><strong>de</strong>n</strong> Millionen für <strong><strong>de</strong>n</strong> Ankauf o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Ausleihe von Filmen sowie füran<strong><strong>de</strong>r</strong>e kulturelle Veranstaltungen ausgegeben, ebenso für die <strong>in</strong> ihrem Bestand ständigerweiterten <strong>und</strong> stark frequentierten Truppenbibliotheken. (19) Auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Kompanieklubsstan<strong><strong>de</strong>n</strong> ständig Bücher , die zum Bestand <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenbibliothek gehörten <strong>und</strong> vondieser <strong>in</strong> größeren Abstän<strong><strong>de</strong>n</strong> ausgetauscht wur<strong><strong>de</strong>n</strong>. Je<strong>de</strong> Kompanie verfügte nebene<strong>in</strong>em Fernsehgerät auch über e<strong>in</strong>e Kiste mit Büchern, Spielen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em speziellenRadiogerät, die bei Übungen mitgeführt wur<strong>de</strong>.Obwohl <strong>in</strong> veröffentlichten Dokumenten <strong>und</strong> Re<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>und</strong> nach Wissen <strong>de</strong>s Autors auch<strong>in</strong>tern e<strong>in</strong> solcher <strong>Zu</strong>sammenhang nie hergestellt wur<strong>de</strong>, erklärt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> – hier nochunvollständig wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegebene – Gesamtaufwand sicher nur dann schlüssig, wenn mandie Notwendigkeit, die Truppe <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne zu halten <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nvoll zu „beschäftigen“, <strong>in</strong>die Begründungen e<strong>in</strong>bezieht. Notfalls stelle man sich erneut die Umkehrung, die offeneKaserne vor; welchen S<strong>in</strong>n hätte dieser Aufwand dann wohl für die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne<strong>Zu</strong>rückbleiben<strong><strong>de</strong>n</strong> gehabt?Selbst die politisch-i<strong>de</strong>ologische Arbeit <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> ist, wenn nicht direkt <strong>in</strong> ihren Zielen, sodoch <strong>in</strong> ihrer Intensität <strong>und</strong> truppenteilspezifischen Ausrichtung aus diesem <strong>Zu</strong>sammenhangnicht zu lösen. Daß <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> mehr als <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bereichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaftgetan wur<strong>de</strong>, geht schon aus <strong>de</strong>m betriebenen personellen <strong>und</strong> Zeitaufwand hervor. Vor<strong><strong>de</strong>r</strong> Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Politorgane Anfang 1990 gab es <strong>in</strong> ihren Strukturelementen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong><strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Grenztruppen <strong>in</strong>sgesamt 5669 Armeeangehörige <strong>und</strong> 2173 Zivilbeschäftigte, <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>n</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Hauptverwaltung unterstellten E<strong>in</strong>heiten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen weitere2.311 Armeeangehörige (20). Für die Hauptform <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Arbeit mit Soldaten <strong>und</strong>Unteroffizieren, die Politische Schulung, stan<strong><strong>de</strong>n</strong> monatlich zwei aufe<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>folgen<strong>de</strong>Ausbildungstage (14 Stun<strong><strong>de</strong>n</strong>) zur Verfügung, für die sogenannte politische Massenarbeitwöchentlich 45, für aktuell-politische Informationen täglich weitere 15 M<strong>in</strong>uten. Dazukamen das politische Weiterbildungssystem <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ (FDJ-Schuljahr), an <strong>de</strong>m dieMehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere monatlich e<strong>in</strong>mal ebenfalls teilnahm, <strong>und</strong>situationsabhängig Meet<strong>in</strong>gs, Foren, politische Diskussionsrun<strong><strong>de</strong>n</strong> u.a.m.Inhaltlich richtete sich die politische Arbeit auf die Mobilisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigenzur Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfkraft <strong>und</strong> Gefechtsbereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte, damit direkt o<strong><strong>de</strong>r</strong><strong>in</strong>direkt stets auch auf die Begründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Belastungen durch die militärische Tätigkeit<strong>und</strong> die Kargheit <strong>de</strong>s Kasernenlebens. Bei<strong>de</strong>s war nur hochmotiviert zu ertragen,an<strong><strong>de</strong>r</strong>enfalls wären Unlust o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Verweigerung unausbleiblich; auch <strong>de</strong>shalb alsomehr als an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo. Die Begründung von lokalen <strong>und</strong> temporären Problemen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong><strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> schließlich war stets e<strong>in</strong>es <strong><strong>de</strong>r</strong> Fel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> politischenArbeit <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> E<strong>in</strong>heiten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Politoffizier (solange es ihn <strong>in</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanie gab) <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel meistgesuchte Ansprechpartner bei persönlichen Problemen <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong>Unteroffiziere, <strong>und</strong> die entsprangen großenteils ihrer Lebenssituation <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne.Gehler me<strong>in</strong>t, „Politoffiziere haben weniger Befehlsgewalt <strong>und</strong> fühlen sich neben ihreragitatorischen <strong>und</strong> politischen Funktion oftmals für ‚e<strong>in</strong> gutes Mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>‘ verantwortlich“,


<strong>und</strong> er sieht sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Position ähnlich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Regimentspfarrers (21). Das weist <strong>in</strong> diegleiche Richtung <strong>und</strong> ist hier wohl eher als Anerkennung zu <strong>de</strong>uten.An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits blieben ständige Gefechtsbereitschaft, vor allem aber regelmäßigeGefechtsdienste nicht ohne politisch-moralische Rückwirkungen: hier stimmten Lebensumstän<strong>de</strong><strong>und</strong> politische Erklärung <strong>de</strong>s S<strong>in</strong>ns <strong>de</strong>s Soldatse<strong>in</strong>s am ehesten übere<strong>in</strong>. Vorallem bei jenen, die direkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong>direkt <strong><strong>de</strong>n</strong> angenommenen Gegner wahrnahmen (Kräfte<strong><strong>de</strong>r</strong> Volksmar<strong>in</strong>e auf Vorposten, Kräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Luftverteidigung bei Anflügen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärungsflügen<strong><strong>de</strong>r</strong> NATO), zeigte sich das <strong>in</strong> Wehrmotivation <strong>und</strong> Leistungsbereitschaft,<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong> gegebenen Lebensumstän<strong>de</strong> wie <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> zwischenmenschlichenBeziehungen.IV. Anfänge e<strong>in</strong>er sozialen Planung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>Die voranstehen<strong><strong>de</strong>n</strong> Darstellungen, wenn auch auf e<strong>in</strong>ige wesentliche Ausschnitte <strong><strong>de</strong>r</strong><strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> beschränkt, machen h<strong>in</strong>reichend <strong>de</strong>utlich,daß die Armee faktisch stets im Alarmzustand lebte – immer bereit, <strong>in</strong> kürzesten Fristenaus <strong><strong>de</strong>n</strong> Objekten heraus zu Gefechtshandlungen übergehen zu können. Wie Soldaten<strong>und</strong> Unteroffiziere unterlagen auch die Berufssoldaten <strong><strong>de</strong>n</strong> Belastungen dieses Regimes,an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als diese aber über Jahre <strong>und</strong> Jahrzehnte.Die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufska<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong><strong>de</strong>n</strong> gravierend durch ihreaußergewöhnliche zeitliche Beanspruchung bestimmt. Nach eigenen Angaben leistetenOffiziere <strong>und</strong> Fähnriche durchschnittlich etwa 60 - 65 Wochenstun<strong><strong>de</strong>n</strong>, bloße Anwesenheitzur Aufsichtsführung mit e<strong>in</strong>gerechnet. Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> LSK/LV <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mar<strong>in</strong>e hattentrotz DHS <strong>und</strong> Gefechtsdienst e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren Stun<strong><strong>de</strong>n</strong>durchschnitt als die <strong><strong>de</strong>r</strong>Landstreitkräfte <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenztruppen. Selbst <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> objektnahen Wohnsiedlungen <strong><strong>de</strong>r</strong>Armee mußten die Berufssoldaten stets erreichbar bleiben, was angesichts <strong>de</strong>s <strong>Zu</strong>stands<strong><strong>de</strong>r</strong> Infrastruktur <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR (nur wenige hatten e<strong>in</strong> Telefon, Funksignalempfänger warenselbst bei Piloten <strong><strong>de</strong>r</strong> Jagdgeschwa<strong><strong>de</strong>r</strong> knapp) die <strong>in</strong>dividuelle Freizügigkeit weitere<strong>in</strong>engte. Nahezu das gesamte Korps <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe empfand dieseSituation als belastend <strong>und</strong> problematisch. (22) <strong>Zu</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Ursachen dafür zählten neben<strong><strong>de</strong>n</strong> im Abschnitt II. dargestellten auch die ungenügen<strong>de</strong> Bilanzierung von Aufgabenstellungen<strong>und</strong> verfügbaren Kräften, Mitteln <strong>und</strong> Zeitbudget, aber auch Leerlauf<strong>und</strong>Wartezeiten.Diese <strong>Dienst</strong>bed<strong>in</strong>gungen bestimmten <strong>in</strong> hohem Gra<strong>de</strong> auch die außerdienstlichenLebensumstän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufska<strong><strong>de</strong>r</strong>. Zahlreiche Probleme <strong>in</strong> diesem Bereich erwiesen sichz. B. als unmittelbare Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> hohen zeitlichen Beanspruchung im <strong>Dienst</strong>. So stan<strong><strong>de</strong>n</strong>fehlen<strong>de</strong> Zeit für die Familie <strong>und</strong> für die Befriedigung persönlicher Interessen mit Abstandan <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze außerdienstlicher Probleme. Vor allem bei jüngeren Berufssoldatenentstan<strong><strong>de</strong>n</strong> daraus e<strong>in</strong> Gefühl allgeme<strong>in</strong>er Benachteiligung im Vergleich zu Freun<strong><strong>de</strong>n</strong> imzivilen Bereich <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>druck <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtübere<strong>in</strong>stimmung von dienstlichenAnfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>und</strong> materieller Vergütung.<strong>Zu</strong>sammen mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en als belastend empfun<strong><strong>de</strong>n</strong> Lebensumstän<strong><strong>de</strong>n</strong>, zu <strong><strong>de</strong>n</strong>en nicht <strong><strong>de</strong>n</strong>Erwartungen entsprechen<strong>de</strong> Beziehungen zu <strong><strong>de</strong>n</strong> Vorgesetzten, Nichtübere<strong>in</strong>stimmung<strong>de</strong>s E<strong>in</strong>satzes <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung an <strong><strong>de</strong>r</strong> Offiziershochschule sowie ger<strong>in</strong>geberufliche Perspektiven <strong>und</strong> fehlen<strong>de</strong> Qualifikationsmöglichkeiten zählten, lockerte diesdie B<strong>in</strong>dungen an <strong><strong>de</strong>n</strong> militärischen Beruf. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> vierte <strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>erzeit befragten Offiziere<strong>und</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> achte Fähnrich war mit se<strong>in</strong>em Beruf mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger unzufrie<strong><strong>de</strong>n</strong>. Diebeträchtliche Differenz zwischen <strong><strong>de</strong>n</strong> Anteilen berufsunzufrie<strong><strong>de</strong>n</strong>er Offiziere <strong>und</strong>Fähnriche ließ sich vor allem aus <strong>de</strong>m stark abweichen<strong><strong>de</strong>n</strong> Anspruchsniveau an Inhalte<strong>und</strong> Bed<strong>in</strong>gungen eigener Tätigkeit erklären. Berufsunzufrie<strong><strong>de</strong>n</strong>e fan<strong><strong>de</strong>n</strong> sich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>shäufig bei Offizieren <strong>und</strong> Fähnrichen <strong>in</strong> technischen <strong>und</strong> Komman<strong>de</strong>ursverwendungen,auf <strong>Zu</strong>gführerebene <strong>und</strong> mit ger<strong>in</strong>gem <strong>Dienst</strong>alter.


Die Analyse ergab ke<strong>in</strong>erlei Beleg für primär <strong>in</strong> politischen Haltungen liegen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong>(das mußte damals <strong>und</strong> das muß auch heute klar herausgestellt wer<strong><strong>de</strong>n</strong>), son<strong><strong>de</strong>r</strong>nvielmehr e<strong>in</strong>en hohen I<strong><strong>de</strong>n</strong>tifikationsgrad mit wesentlichen Inhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischenTätigkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>s militärischen Berufs. In e<strong>in</strong>er solchen Berufsunzufrie<strong><strong>de</strong>n</strong>heit äußertesich <strong>de</strong>mnach nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie E<strong>in</strong>stellung zum Beruf an sich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor allem zu<strong><strong>de</strong>n</strong> Bed<strong>in</strong>gungen se<strong>in</strong>er Ausübung. E<strong>in</strong> bei etwa e<strong>in</strong>em Viertel liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Prozentsatzberufsunzufrie<strong><strong>de</strong>n</strong>er Offiziere war seit Jahren bekannt. Es war ebenso bekannt, daß <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>n</strong> meisten Fällen etwa nach 10 <strong>Dienst</strong>jahren entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> Gewöhnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Entlastungdurch <strong>Dienst</strong>stellungsverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung e<strong>in</strong>trat. Nun wur<strong>de</strong> erstmals nachgewiesen, daß dieseBerufsunzufrie<strong><strong>de</strong>n</strong>heit zwar eher e<strong>in</strong> latenter <strong>Zu</strong>stand war, bei <strong><strong>de</strong>n</strong> betroffenen Berufssoldatenjedoch soziale Aktivität <strong>und</strong> Integration m<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>te, also verhaltenswirksam wur<strong>de</strong>.E<strong>in</strong>er <strong><strong>de</strong>r</strong> aus dieser Untersuchung folgen<strong><strong>de</strong>n</strong> Vorschläge lautete, „bereits existieren<strong>de</strong>Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Planung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Streitkräften zusammenzufassen, sie auf weitereGebiete auszu<strong>de</strong>hnen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e komplexe Sozialplanung als Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischenPlanung bis 1990 <strong>und</strong> darüber h<strong>in</strong>aus zu sichern. Kern e<strong>in</strong>es solchen langfristigenProgramms muß die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenslage <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufska<strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>“.1986 wur<strong>de</strong> dieser Vorschlag <strong>in</strong> die Pläne zur Auswertung <strong>de</strong>s XI. SED-Parteitagesaufgenommen, 1987 e<strong>in</strong> solches Programm entwickelt, Anfang 1988 en<strong>de</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgang<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive 02/88 <strong>de</strong>s M<strong>in</strong>isters für Nationale Verteidigung. Diese gab zwar dieHauptrichtungen für die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Dienst</strong>-, Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong>(23) vor, listete an konkreten Maßnahmen aber vor allem die schon bis 1990 geplantenauf. Sofortige <strong>Zu</strong>satzmaßnahmen scheiterten am Planungssystem – für das laufen<strong>de</strong>Planjahrfünft waren alle Mittel vergeben, zusätzliche angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> ökonomischen Lage<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR un<strong><strong>de</strong>n</strong>kbar. Die perspektivischen Vorgaben blen<strong>de</strong>ten trotz <strong>de</strong>s Wissens umdie Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsbereitschaft diese Frage weitgehend aus, obwohl zudiesem Zeitpunkt die neue Militärdoktr<strong>in</strong> <strong>de</strong>s Warschauer Vertrages bereits beschlossenwar (Mai 1987) <strong>und</strong> die <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR sich schon abzeichnete. Nationale Entscheidungen übere<strong>in</strong>e Lockerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Normen waren aber nicht möglich, solange das Vere<strong>in</strong>te Oberkommando<strong>de</strong>s Warschauer Vertrages <strong>und</strong> <strong>de</strong>mnach <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetische Generalstab dasnicht für opportun hielten. Davon aber waren bei<strong>de</strong> noch weit entfernt. Erst die Anfänge<strong><strong>de</strong>r</strong> Militärreform <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> 1989/90 führten zu Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen; allerd<strong>in</strong>gs wären diebisherigen Normen durch <strong><strong>de</strong>n</strong> Austritt aus <strong>de</strong>m Warschauer Vertrag <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong>Funktionsverlust <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee auch kaum noch militärisch begründbar gewesen.Ungeachtet <strong>de</strong>ssen zeichneten sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive 02/88 Anfänge e<strong>in</strong>er komplexensozialen Planung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> ab, die sich natürlich ke<strong>in</strong>eswegs auf die Lebenslage <strong><strong>de</strong>r</strong>Berufssoldaten beschränkte. In <strong><strong>de</strong>n</strong> großen territorialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Strukturelementensowie <strong>in</strong> vielen Kommunen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gab es zu diesem Zeitpunkt solcheSozialpläne längst, für ihre Ausarbeitung existierten sogar staatliche Richtl<strong>in</strong>ien. Insofernzog die Armee hier nach. Darüber h<strong>in</strong>aus hatten die Vorarbeiten wie auch die Direktiveselbst durchaus auch konkrete Ergebnisse: erstens wur<strong><strong>de</strong>n</strong> die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong><strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> von nun an fester Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Planung auf allenEbenen. In<strong>de</strong>m Problemlagen <strong>und</strong> Lösungswege nachdrücklich <strong>in</strong> das Gesichtsfeld <strong><strong>de</strong>r</strong>Verantwortlichen auf allen Ebenen gerückt wur<strong><strong>de</strong>n</strong>, erhielten die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong>zweitens zugleich e<strong>in</strong>en höheren Stellenwert <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Führungstätigkeit; daslöste e<strong>in</strong>e Vielzahl örtlicher Aktivitäten aus, die auf Teilgebieten durchaus zu kurzfristigenVerbesserungen führten.Die Darstellungen wären unvollständig, wenn nicht zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st abschließend auf ökonomische<strong>Zu</strong>sammenhänge <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfteentwicklung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR h<strong>in</strong>gewiesen wür<strong>de</strong>.Wie 1988 im Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive 02 wirkten sie von <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung bis zur Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong><strong>NVA</strong> stets als begrenzen<strong>de</strong> Größen, ob es um Personalstärke, Strukturen, Bewaffnung<strong>und</strong> Ausrüstung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee g<strong>in</strong>g o<strong><strong>de</strong>r</strong> um die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> ihrerAngehörigen. Fehlten im Frühjahr 1950 für r<strong>und</strong> 50.000 VP-Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> HVA „19.000


Paar Schuhe <strong>und</strong> Stiefel zum Austausch <strong>de</strong>s abgetragenen Schuhwerks <strong>und</strong> weitere50.000, um je<strong>de</strong>m HVA-Angehörigen e<strong>in</strong> zweites Paar geben zu können“, so mußten1953 die angestrebten Personalstärken reduziert wer<strong><strong>de</strong>n</strong>, weil sie mit zu Disproportionen<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft beigetragen hatten (24). Bewaffnung <strong>und</strong> Ausrüstung wie <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong><strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> entwickelten sich zwar beständig weiter, aber immer <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzen <strong>de</strong>s ökonomisch Möglichen. Exemplarisch mögen für die <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong><strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> e<strong>in</strong>ige Beispiele stehen. So orientierten sich die Verpflegungsnormen<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> zwar stets an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbrauchsentwicklung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung, Anpassungenwur<strong><strong>de</strong>n</strong> mitunter aber bis zu drei Jahre verzögert, um die Deckung <strong>de</strong>s Bevölkerungsbedarfsnicht zu gefähr<strong><strong>de</strong>n</strong>. In <strong><strong>de</strong>n</strong> 70er Jahren gab es nach <strong><strong>de</strong>r</strong> – ebenfalls e<strong>in</strong>igeZeit h<strong>in</strong>ausgezögerten – E<strong>in</strong>führung neuer <strong>und</strong> zweckmäßigerer Uniformen, die zu hohenökonomischen Belastungen führte, Schwierigkeiten selbst bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandsergänzung.Das Bestreben, im Planungszeitraum 1976-1980 e<strong>in</strong>e Steigerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bauproduktion fürdie <strong>NVA</strong> auf 233 Prozent zu erwirken, was z. B. Rekonstruktion <strong>und</strong> Neubau von Kasernenwesentlich forciert hätte, scheiterte sogar nahezu völlig; übrig blieb e<strong>in</strong>e jährlicheSteigerungsrate von 5-6 Prozent. (25)Diesen Beispielen lassen sich weitere unschwer h<strong>in</strong>zufügen. Sie belegen nur e<strong>in</strong>es: diebegrenzten ökonomischen Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR begleiteten die Entwicklung ihrerStreitkräfte zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st als gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gung, will man sie nicht selbst alse<strong>in</strong>e bestimmen<strong>de</strong> Größe von ähnlicher Dom<strong>in</strong>anz wie die Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsbereitschaftbezeichnen. Zwischen bei<strong><strong>de</strong>n</strong> bestand e<strong>in</strong> beständiger Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch. Für dieSoldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> hieß das, <strong><strong>de</strong>n</strong> harten Belastungen durch Ausbildung <strong>und</strong> Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungenan die Gefechtsbereitschaft sowie erheblichen E<strong>in</strong>schränkungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrnehmungihrer Persönlichkeitsrechte <strong>und</strong> Interessen zu unterliegen, angesichts <strong>de</strong>sbegrenzten ökonomischen Potentials ihres Lan<strong>de</strong>s aber weitestgehend auf Ausgleichdurch entsprechen<strong>de</strong> Gestaltung ihrer <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> zu verzichten. Mitdiesem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch gelebt <strong>und</strong> unter se<strong>in</strong>er Existenz e<strong>in</strong>e nicht nur von sozialistischenMilitärs respektierte, gefechtsbereite Armee geschaffen zu haben, zählt zu <strong><strong>de</strong>n</strong> Leistungenihrer Soldaten, <strong><strong>de</strong>n</strong>en auch heute Achtung nicht versagt bleiben sollte.Anmerkungen:(1) Die Arbeitsgruppe Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> <strong>und</strong> Integration ehemaliger <strong>NVA</strong>-Angehöriger<strong>in</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eswehr beim Lan<strong>de</strong>svorstand Ost <strong>de</strong>s Deutschen B<strong>und</strong>eswehrverban<strong>de</strong>sarbeitet seit 1997 am Thema „Soldatenalltag <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>“, <strong>in</strong> <strong>de</strong>ssenRahmen auch e<strong>in</strong>e Darstellung wichtiger <strong>Dienst</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> erfolgt. Diebereits vorliegen<strong><strong>de</strong>n</strong>, noch unveröffentlichten Ausarbeitungen s<strong>in</strong>d Thesen sowieEntwürfe zu Teilthemen, auf die mit E<strong>in</strong>verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Autoren zurückgegriffen wird.Ziele <strong>und</strong> Schwerpunkte <strong>de</strong>s Forschungsvorhabens s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Informationen Nr.1(1997) <strong>und</strong> 6 (1999) <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsgruppe vorgestellt wor<strong><strong>de</strong>n</strong>.(2) 1987 wur<strong>de</strong> im M<strong>in</strong>isterium für Nationale Verteidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR an e<strong>in</strong>em Programmfür die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Dienst</strong>-, Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> gearbeitet, <strong>in</strong> <strong>de</strong>ssenErgebnis die Direktive 02/88 <strong>de</strong>s M<strong>in</strong>isters für Nationale Verteidigung erlassen wur<strong>de</strong>.Siehe dazu auch Abschnitt IV <strong>de</strong>s vorliegen<strong><strong>de</strong>n</strong> Beitrags.(3) Insgesamt waren das - unter E<strong>in</strong>schluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenübungsplätze - 1026 Liegenschaften;vgl. H. Frank, Die Westgruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppen (WGT); <strong>in</strong>: <strong>NVA</strong> – Anspruch <strong>und</strong>Wirklichkeit nach ausgewählten Dokumenten, hrsg. von K. Naumann, Berl<strong>in</strong>-Bonn-Herford 1993, S. 342(4) Vgl. dazu J. Schunke: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> HVA über die KVP zur <strong>NVA</strong>; <strong>in</strong>: Rührt Euch! <strong>Zu</strong>rGeschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>, hrsg. von W. Wünsche; edition ost, Berl<strong>in</strong> 1998, S. 41(5) ebenda, S.43 <strong>und</strong> 46f


(6) Vgl. auch M. Kunze / K. Schirmer / W. Wünsche: Die militärische Tätigkeit – Gr<strong>und</strong><strong>und</strong>Rahmenbed<strong>in</strong>gung <strong>de</strong>s Soldatenalltags <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>; <strong>in</strong>: Information Nr. 6 (1999;wie Fußnote (1) sowie H.E. Sylla: Die Landstreitkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee; <strong>in</strong>:Rührt Euch! <strong>Zu</strong>r Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>; wie Fußnot S. 184 ff(7) Vgl. W. Kopenhagen: Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>; <strong>in</strong>: Rührt Euch!<strong>Zu</strong>r Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>; wie Fußnote 4, S. 242(8) Aus e<strong>in</strong>em Bericht <strong>de</strong>s Hauptstabes <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> an das Oberkommando <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte<strong>de</strong>s Warschauer Vertrages über das Ausbildungsjahr 1984/85; zitiert nach: M. Kunze /K. Schirmer / W. Wünsche: wie Fußnote 6, S.14,(9) Vgl. F. M<strong>in</strong>ow: Die Seestreitkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee – von <strong><strong>de</strong>r</strong> Seepolizei zurVolksmar<strong>in</strong>e; <strong>in</strong>: Rührt Euch! <strong>Zu</strong>r Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>; wie Fußnote 4, S. 267(10)Als Gefechtspark wur<strong>de</strong> „e<strong>in</strong> abgegrenztes, militärisch gesichertes Territorium“bezeichnet, „auf <strong>de</strong>m die Kraftfahrzeuge, Geschütze <strong>und</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en technischenKampfmittel e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>es Truppenteils abgestellt, gewartet <strong>und</strong> <strong>in</strong>standgesetzt“ wur<strong><strong>de</strong>n</strong>; (Militärlexikon, Deutscher Militärverlag, Berl<strong>in</strong> 1971)(11)K.-P. Hartmann: Auskünfte zum Soldatenleben; <strong>in</strong>: Information Nr.4 (1998, wieFußnote 1), S. 17(12)ebenda, S. 20ff(13)ebenda, S. 23(14)R. Gehler / D. Keil: Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Realität. Alltagserfahrungen Wehrdienstleisten<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>n</strong> Kasernen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR; <strong>in</strong>: Blickwechsel Ost-West. Beobachtungen zur Alltagskultur<strong>in</strong> Ost- <strong>und</strong> West<strong>de</strong>utschland; Tüb<strong>in</strong>gen 1992, S. 330. Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „totalenInstitution“ wird auf E. Goffman zurückgeführt, <strong><strong>de</strong>r</strong> diesen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie über diesoziale Situation psychiatrischer Patienten <strong>und</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Insassen (sic !) wie folgt<strong>de</strong>f<strong>in</strong>iert : „E<strong>in</strong>e totale Institution läßt sich als Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsstätte e<strong>in</strong>er Vielzahlähnlich gestellter Individuen <strong>de</strong>f<strong>in</strong>ieren, die für längere Zeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigenGesellschaft abgeschnitten s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> abgeschlossenes, formalreglementiertes Leben führen.“ (Goffman, E., Asyl. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1973, zitiertnach Gehler)(15)R. Gehler: EK, EK, EK – bald bist Du nicht mehr da. Soldatenkultur <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> NationalenVolksarmee. In: Schriftenreihe <strong>de</strong>s Museums <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Hagenow, Heft 5 (ohne Jahres<strong>und</strong>Seitenangaben)(16)Allenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff „reduzierte Kontakte“ trifft <strong><strong>de</strong>n</strong> Sachverhalt für <strong><strong>de</strong>n</strong> Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong><strong>NVA</strong>; von „abgeschnitten se<strong>in</strong>“ kann angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> zahlreich fortbestehen<strong><strong>de</strong>n</strong> medialen,postalischen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zwar seltenen, aber stets gegebenen persönlichen Kontaktezur bisherigen Lebenswelt <strong>und</strong> zum Leben am Standort nicht die Re<strong>de</strong> se<strong>in</strong>.(17)Nach <strong><strong>de</strong>n</strong> Angaben von 40 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffizieren <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> schon erwähntenBefragung 1998 (siehe Fußnote 11, S.17) stan<strong><strong>de</strong>n</strong> ihre E<strong>in</strong>heiten maximal e<strong>in</strong>malmonatlich Wache, knapp 20 Prozent stan<strong><strong>de</strong>n</strong> mehrmals im Monat, je<strong><strong>de</strong>r</strong> vierte etwae<strong>in</strong>mal wöchentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch häufiger Wache. Nach M. Kunze / K. Schirmer / W.Wünsche (siehe Fußnote 6, S.22) hatten Soldaten aus Verbän<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfteim Monat durchschnittlich sogar sechs- bis siebenmal Wachdienst.(18)Bis auf Ausnahmen haben alle Soldaten, die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung 1998 erfaßt wur<strong><strong>de</strong>n</strong>,Kameradschaft <strong>und</strong> gegenseitige Hilfe während ihres Wehrdienstes als ausgeprägterfahren; gleichzeitig haben vier Fünftel Vorrechte dienstälterer Soldaten kennengelernt(siehe Fußnote 11, S. 36); Nach e<strong>in</strong>em werten<strong><strong>de</strong>n</strong> Rückblick auf <strong><strong>de</strong>n</strong> Wehrdienst<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> gefragt, geben etwa zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten an, daß dieser ihnenetwas Bleiben<strong>de</strong>s, Positives gegeben habe <strong>und</strong> stellen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die gewachsenen


Fähigkeiten zu guten zwischenmenschlichen Beziehungen heraus – Kameradschaft,Kollektivgeist <strong>und</strong> <strong>Zu</strong>verlässigkeit, aber auch Ordnung <strong>und</strong> Diszipl<strong>in</strong> seien durch <strong><strong>de</strong>n</strong>Wehrdienst entwickelt wor<strong><strong>de</strong>n</strong> (ebenda, S.44).(19)Dazu <strong>und</strong> zur Nutzung <strong>de</strong>s kulturellen Angebots <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Truppenteilen siehe auch K.-P.Hartmann: Auskünfte zum Soldatenleben, wie Fußnote 11, S. 25f(20)Vgl. Th. Hoffmann: Das letzte Kommando – e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>ister er<strong>in</strong>nert sich. Berl<strong>in</strong>-Bonn-Herford 1993, S. 165(21)R. Gehler: EK, EK, EK – bald bist Du nicht mehr da. Soldatenkultur <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> NationalenVolksarmee; wie Fußnote 15(22)Diese <strong>und</strong> die folgen<strong><strong>de</strong>n</strong> Ausführungen greifen auf Ergebnisse soziologischerUntersuchungen <strong>in</strong> allen Teilstreitkräften <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Grenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR imJahre 1985 zurück, <strong>in</strong> die u.a. 762 Offiziere <strong>und</strong> 216 Fähnriche aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe, vomHauptfeldwebel <strong>und</strong> <strong>Zu</strong>gführer bis zu Offizieren von Regimentsstäben, e<strong>in</strong>bezogenwaren. Nach Aufzeichnungen <strong>de</strong>s Autors.(23)Der E<strong>in</strong>schub <strong>de</strong>s Begriffs „Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen“ bezog sich auf die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> <strong>in</strong>großer Zahl tätigen Zivil-beschäftigten.(24)Vgl. dazu J. Schunke: Die Weichenstellung für zwei <strong>de</strong>utsche Armeen im KaltenKrieg; <strong>in</strong>: Rührt Euch! <strong>Zu</strong>r Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>; wie Fußnote 4, S. 23(25) Darstellungen von E. Fischer <strong>und</strong> W. Knoll zu <strong><strong>de</strong>n</strong> allgeme<strong>in</strong>en <strong>Dienst</strong>-, Arbeits- <strong>und</strong><strong>Lebensbed<strong>in</strong>gungen</strong> im Soldatenalltag <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong> entnommen; siehe dazu auch FN 1

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