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Die politische Arbeit und Probleme der ... - aggi-info.de

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Wissenschaftsgebiete, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Philosophie <strong>und</strong> Ökonomie bis zur Militärgeschichte<strong>und</strong> Militärpsychologie.Hohe theoretische Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen kollidierten jedoch häufig mit abstrakten <strong>und</strong>realitätsfrem<strong>de</strong>n Verbalisierungen. Dadurch hat die formal hohe theoretische Bildungin <strong><strong>de</strong>r</strong> Konfrontation mit <strong>de</strong>n realen Bedingungen <strong>de</strong>s Truppen- <strong>und</strong> Flottendienstesihre Bewährungsprobe oftmals nicht bestan<strong>de</strong>n <strong>und</strong> die jungen Offiziere vor großeSchwierigkeiten gestellt. Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüche ergaben sich jedoch nicht nur aus <strong><strong>de</strong>r</strong>Dogmatisierung <strong>de</strong>s Wissens. Veraltetes militärischen Denken <strong>und</strong> Praktizismus in<strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenpraxis erschwerten es beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ab Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre, die an <strong>de</strong>nLehranstalten vermittelten neuen theoretischen Kenntnisse z.B. über Krieg <strong>und</strong>Frie<strong>de</strong>n im Nuklearzeitalter in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>Arbeit</strong> anzuwen<strong>de</strong>n. Es ist in diesemZusammenhang be<strong>de</strong>utsam, daß es vor allem die für die GWA zuständigenGesellschaftswissenschaftler einiger militärischer Lehreinrichtungen waren, die seitAnfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre neue Erkenntnisse <strong>und</strong> neues Denken zu <strong>de</strong>n Fragen vonKrieg <strong>und</strong> Frie<strong>de</strong>n erforscht <strong>und</strong> vermittelt haben. Allein die Einsicht, daß es im Kriegzwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Militärblöcken keinen Sieger geben kann, führte zu Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungenim militärischen Denken. <strong>Die</strong>ser Umbruch gestaltete sich zu einer tiefenweltanschaulichen <strong>und</strong> <strong>politische</strong>n Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung, die bis zum Untergang <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR andauerte.Nachweislich hat jedoch die GWA bei aller Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlichkeit dazu beigetragen,daß bestimmte Überzeugungen <strong>und</strong> Haltungen langfristig das Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong>Berufska<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA dominierten. Dazu gehörten die I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>n Zielenvon Staat <strong>und</strong> SED (etwa zu 90 %,) <strong>und</strong> die Bereitschaft, <strong>de</strong>n Sozialismus in <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR gegen je<strong>de</strong>n Angriff zu verteidigen (etwa 95 %.)Als Parteischulung <strong>und</strong> Hauptausbildungszweig wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Truppen- <strong>und</strong>Flotteneinheiten sowie in <strong>de</strong>n Stäben die Gesellschaftswissenschaftliche Weiterbildung(GWW) <strong><strong>de</strong>r</strong> Offiziere <strong>und</strong> Fähnriche durchgeführt. In <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nststellungen alsZugführer <strong>und</strong> Kompaniechef haben die Offiziere in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel nicht an <strong><strong>de</strong>r</strong> GWWteilgenommen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie wur<strong>de</strong>n in einem System <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vorschulung“ alsSchulungsgruppenleiter für die Politschulung <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten bzw. Unteroffiziere erfaßt.Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gr<strong>und</strong>lage eines zentralen Programms sowie von <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Hauptverwaltungherausgegebener einheitlicher Studienanleitungen <strong>und</strong> Vortragsmaterialienwar die GWW das vergleichsweise am besten organisierte Weiterbildungssystemin <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe. Noch heute bewerten 81 % <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten ehemaligen Berufssoldatendie GWW als immer o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch häufig (51 %) gut organisiert. Wesentlichdifferenzierter muß man jedoch Inhalt <strong>und</strong> Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> GWW bewerten.Monatlich waren 14 St<strong>und</strong>en, davon ca. 50 % als organisiertes Selbststudium, in <strong><strong>de</strong>r</strong>Ausbildungszeit festgelegt. <strong>Die</strong> <strong>Probleme</strong> ergaben sich bereits aus <strong><strong>de</strong>r</strong> nahezupermanenten Überlastung <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten, <strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem das Studium <strong>und</strong> dieVorbereitung auf die Lehrveranstaltungen zum Opfer fielen. Gravieren<strong><strong>de</strong>r</strong> warenjedoch inhaltliche Defizite. Es war vor allem die Diskrepanz zwischen Theorie <strong>und</strong>Praxis. <strong>Die</strong> theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Lehren <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft wur<strong>de</strong>n zunehmendkonterkariert durch einen weitgehen<strong>de</strong>n Unfehlbarkeitsanspruch <strong><strong>de</strong>r</strong> SED, <strong><strong>de</strong>r</strong>immer mehr in Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen geriet. Dereigene theoretische Anspruch wur<strong>de</strong> zunehmend in ein Denkmo<strong>de</strong>ll <strong>und</strong> Argumentationsmusterverkehrt, das beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n 80er Jahren in verhängnisvoller Weisezur Begründung willkürlicher Einschätzungen, zur Verdrängung unliebsamerTatsachen <strong>und</strong> zur Beschönigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Realität diente. Das führte letztendlich dazu,daß auch bei <strong>de</strong>n Berufssoldaten die Lust <strong>und</strong> die Bereitschaft zum Studium in <strong><strong>de</strong>r</strong>GWW gedämpft wur<strong>de</strong>n.5


Studienmaterial für Soldaten die Lesehefte „Wissen <strong>und</strong> Kämpfen“ bzw. die „Leseheftefür die <strong>politische</strong> Schulung <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere“.1983 <strong>und</strong> 1988 durchgeführte soziologische Untersuchungen weisen aus, daßSoldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere die <strong>politische</strong> Schulung durchaus für notwendig, diepraktizierte Form jedoch nicht für zweckmäßig hielten.(12) Qualität <strong>und</strong> Wirksamkeit<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Schulung unterlagen in allen Jahren sowohl aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong>Zentrale wie auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Reflexion <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer, wenn auch aus unterschiedlichenBeweggrün<strong>de</strong>n, einer kritischen Bewertung.So bewertete <strong><strong>de</strong>r</strong> Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Hauptverwaltung an die XIII. Delegiertenkonferenz<strong><strong>de</strong>r</strong> SED in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Grenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR im Februar 1984,„daß es vornehmlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Schulung noch beträchtliche Qualitätsunterschie<strong>de</strong>gibt, die beruflichen <strong>und</strong> Lebenserfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten mitunter ungenügendberücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Nach wie vor erleben wir Lehrveranstaltungen, in <strong>de</strong>nenabstraktes <strong>und</strong> schematisches Herangehen dominiert <strong>und</strong> enger Praktizismus zumAbsinken <strong>de</strong>s theoretischen Niveaus führt.“ (13)<strong>Die</strong> Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere erlebten die <strong>politische</strong> Schulung in unterschiedlicherWeise. Unteroffiziere gelangten zu <strong>de</strong>utlich günstigeren Urteilen als Soldaten. Dashat sicher mit <strong>de</strong>n erfahreneren Schulungsgruppenleitern zu tun, aber ebenso auchmit <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulungsteilnehmer. Gemeinsam war ihnen, daß sieentsprechend ihrer <strong>politische</strong>n Interessiertheit vor allem Antworten auf Fragen aus<strong>de</strong>m Alltag suchten, handhabbar für das Leben. Alltag umfaßte dabei für sie sowohlaktuelles <strong>politische</strong>s Geschehen als auch die Ereignisse in ihrer ganz persönlichenErlebniswelt, <strong>de</strong>m <strong>Die</strong>nst, <strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen <strong>und</strong> sozialen Entwicklung u.a.Nach unseren aktuellen Befragungen meinen aus heutiger Sicht jedoch weniger alsein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> nur 38 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere, daß sie häufig die Fragen<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit behan<strong>de</strong>lt habe, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rest erfuhr eher das Gegenteil. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> zweite Unteroffizier,aber nur je<strong><strong>de</strong>r</strong> vierte Soldat erklärte schließlich, die <strong>politische</strong> Schulung habeseinen geistigen Ansprüchen zumin<strong>de</strong>st häufig genügt. Zweifellos spiegeln sich indiesen Aussagen von 1998 bereits auch neue Erkenntnisse <strong>und</strong> verän<strong><strong>de</strong>r</strong>teAnsichten wi<strong><strong>de</strong>r</strong>. Immerhin hatten bei Untersuchungen im Jahr 1984 in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA 69 %<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> 78 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere angegeben, daß die <strong>politische</strong> Schulungihnen „ hilft, Antwort auf aktuelle Fragen zu fin<strong>de</strong>n“. Erklärbar wird diese unterschiedlicheBewertung, wenn man die Aussagen in die gesellschaftlichen Bedingungen <strong><strong>de</strong>r</strong>jeweiligen Zeitabschnitte einordnet. In <strong>de</strong>n 70er Jahren hatte die internationale Politik<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR weltweit Anerkennung erfahren. <strong>Die</strong> Zustimmungswerte waren auch bei <strong>de</strong>nArmeeangehörigen mit fast 90 % sehr hoch. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> in außen- <strong>und</strong> militär<strong>politische</strong>nThemen vermittelte Lehrstoff hat zweifellos wesentlich zur I<strong>de</strong>ntifikationmit <strong>de</strong>m Auftrag <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA beigetragen. Nicht zuletzt, weil zwischen <strong>de</strong>m, was manüber die Frie<strong>de</strong>ns- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei- <strong>und</strong> Staatsführung hörte, <strong>und</strong><strong>de</strong>n eigenen Interessen <strong>und</strong> Empfindungen weitgehen<strong>de</strong> Übereinstimmung bestand.Was sollte daher u.a. auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Schulung falsch sein an <strong>de</strong>n ehrlichenBek<strong>und</strong>ungen zur Völkerverständigung, zum Antifaschismus <strong>und</strong> zum Frie<strong>de</strong>n?Ein nicht unwesentlicher Faktor war die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> inhaltlichen Struktur <strong>und</strong>Zielstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Bildung <strong>und</strong> Erziehung. Während anfänglich eineergebnisorientierte Argumentation im Disput zur Meinungsbildung führte, wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Unterricht in <strong>de</strong>n 70er Jahren mehr <strong>und</strong> mehr durch vorgegebene Lehrinhaltegeprägt. Damit wur<strong>de</strong>n nicht mehr Meinungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Wissen bewertet. Letztlichwur<strong>de</strong> das Wissen über Parteibeschlüsse als Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Zuverlässigkeitgenommen.7


Neben inhaltlichen gab es jedoch auch eine Reihe an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Grün<strong>de</strong> die zu einerdifferenzierten sowie mitunter auch ambivalenten Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>nSchulung führten. Dazu gehörten sowohl formale Grün<strong>de</strong>, wie die Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong>Schulung an zwei aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n Tagen, die etwa ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten<strong>und</strong> Unteroffiziere als „zu anstrengend“ empfan<strong>de</strong>n. Mehr noch war es dieThemenauswahl. Sowohl ihre Gestaltungsmöglichkeiten als auch die verschie<strong>de</strong>neInteressenlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulungsteilnehmer unterschie<strong>de</strong>n sich bei solchen Themen wie„Mensch <strong>und</strong> Technik im mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Krieg“ erheblich von solchen wie „<strong>Die</strong> führen<strong>de</strong>Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei“. Oft beschäftigten sich die Soldaten während ihres Wehrdiensteszweimal mit <strong>de</strong>mselben Thema, da sich die Themenzyklen jährlich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holten.Ähnliches passierte bei <strong>de</strong>n Unteroffizieren. Hinzu kam, daß durch ein kompliziertesAuffüllungssystem <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheiten große Unterschie<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong>Schulungsgruppen bestan<strong>de</strong>n. So gab es Truppenteile, in <strong>de</strong>nen Soldaten aus drei<strong>Die</strong>nsthalbjahren, in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um nur Soldaten <strong>de</strong>s gleichen <strong>Die</strong>nsthalbjahrsdie zentral vorgegebenen Themen gemeinsam in <strong>de</strong>n festgelegten Zeiträumenbehan<strong>de</strong>lten. Gleichzeitig wur<strong>de</strong>n in kürzeren Zeiträumen die zum Wehrdiensteinberufenen Reservisten in die Politschulung einbezogen. Es ist daher nur logisch,wenn Einstellungen zur <strong>politische</strong>n Schulung sich bei vielen Armeeangehörigen mitzunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Die</strong>nstdauer wan<strong>de</strong>lten. Zwei Fünftel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten gaben an, anfangszwar gern, später aber ungern teilgenommen zu haben. Ein Fünftel hat immer gernteilgenommen.Eine wesentliche Bedingung für die Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Schulung,die Qualität <strong>und</strong> die Wirkung auf die Teilnehmer waren die Fähigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong>Schulungsgruppenleiter (SGL). Ihre Vorbereitung auf die Themen erfolgte in einerVorschulung, die auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenteile organisiert wur<strong>de</strong>. Sie gehörte zur<strong>Die</strong>nstvorbereitung <strong>und</strong> umfaßte monatlich 14 St<strong>und</strong>en. Darüber hinaus wur<strong>de</strong>n zur<strong>politische</strong>n <strong>und</strong> pädagogischen Qualifizierung halbjährlich 28 St<strong>und</strong>en Unterrichtdurchgeführt.Obwohl Qualifikation <strong>und</strong> methodische Fähigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> SGL immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> einerkritischen Bewertung durch alle Führungsebenen unterlagen, konnte das Probleminsgesamt nicht zufrie<strong>de</strong>nstellend gelöst wer<strong>de</strong>n. Bereits in <strong><strong>de</strong>r</strong> Generationsfragezeigten sich die unterschiedlichen Auswirkungen auf die <strong>politische</strong> Bildung <strong>und</strong>Erziehung. <strong>Die</strong> Generation <strong><strong>de</strong>r</strong> Offiziere, die geprägt war durch Kriegs- <strong>und</strong> Nachkriegserfahrungen,besaß trotz geringerer theoretischer Bildung größere Überzeugungskraft<strong>und</strong> konnte ihre I<strong>de</strong>ale anschaulicher vermitteln. <strong>Die</strong> Offiziersgeneration<strong><strong>de</strong>r</strong> 70er <strong>und</strong> 80er Jahre hat zwar an <strong>de</strong>n Offiziershochschulen höhereBildung erworben, hatte jedoch oftmals Schwierigkeiten, <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>sTruppenlebens gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Aus heutiger Sicht ist das wohl auch Ausdruck<strong>de</strong>ssen, daß die zunehmen<strong>de</strong>n <strong>Probleme</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR nicht mehr überzeugend zuvermitteln waren. Zugespitzt wur<strong>de</strong> die Situation noch durch die Konsequenzen, diesich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>mografischen Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR für die Auffüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> NVAergaben. <strong>Die</strong> Folge war, daß die jungen Offiziere, fast nur mit Schulerfahrungen, -zu<strong>de</strong>m ohne eine f<strong>und</strong>ierte pädagogische Ausbildung <strong>und</strong> Befähigung - mit 22Jahren ihre erste <strong>Die</strong>nststellung als Zugführer im Truppendienst übernahmen, ihreUnterstellten jedoch erst im Alter von 24 bis 26 Jahren ihren Gr<strong>und</strong>wehrdienst bzw.Reservistenwehrdienst ableisteten. Damit besaßen Letztere nicht nur eine größereBerufs- <strong>und</strong> Lebenserfahrung als ihre Vorgesetzten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>eKenntnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruchsvollen <strong>Probleme</strong> im Berufs- <strong>und</strong> Familienleben, die sichmit <strong>de</strong>n offiziellen Sprachformeln nur schwer erklären ließen. Eine permanenteKonfliktsituation ergab sich für die Schulungsgruppenleiter, wenn ihre Soldaten aus8


<strong>de</strong>m Urlaub kamen, <strong>und</strong> sich <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erfahrungen mit <strong>de</strong>n zu vermitteln<strong>de</strong>n Thesennicht in Übereinstimmung bringen ließen. Ohne das ehrliche Bemühen <strong>und</strong> dieaufrichtige Gesinnung <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Offiziere abzuwerten o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar in Frage zu stellen,war aus <strong>de</strong>n genannten objektiven <strong>und</strong> subjektiven Grün<strong>de</strong>n ihre Wirksamkeitbegrenzt. So bewerten 1986 bei einer Befragung nur 58 % <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Vorgesetztenihre Fähigkeit zur Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>Arbeit</strong> als <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen entsprechend.Vergleicht man dies mit unseren jüngsten Umfragen, so zeigt sich, daß<strong>de</strong>n Zugführern als SGL nachträglich nur von einem Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten die allgemeineFähigkeit attestiert wird, überzeugend politisch zu argumentiert zu haben, einweiteres Drittel begrenzt das auf „einige Themen“. Das Selbsturteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldatenist zwar günstiger, bestätigt jedoch gleichfalls das differenzierte Bild, vorallem zu <strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Realität wurzeln<strong>de</strong>n <strong>Probleme</strong>n. 47 % vonihnen gestehen <strong>Probleme</strong> ein - 26 % weil Argumente <strong>und</strong> Realität nicht übereinstimmen,19 % weil Informationen/Argumente (von oben) fehlen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rest aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>enGrün<strong>de</strong>n.Es wür<strong>de</strong> jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> vielschichtigen <strong>und</strong> kontrastreichen Struktur <strong>de</strong>s <strong>politische</strong>nDenkens <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen, reduzierte man <strong>de</strong>nEinfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Schulung auf ihr Fühlen <strong>und</strong> Han<strong>de</strong>ln nur auf negative Faktoren<strong>und</strong> Versäumnisse. Vielmehr ist <strong>de</strong>n Autoren in <strong>de</strong>m Buch „NVA – EinRückblick in die Zukunft“ zuzustimmen, die zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschätzung gekommen sind:„Unter <strong>de</strong>m Einfluß <strong>politische</strong>r Bildung <strong>und</strong> Erziehung während <strong>de</strong>s Militärdienstes,aber auch unter <strong>de</strong>m Eindruck bestimmter Ereignisse in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt hatten sich <strong>politische</strong>Ansichten herausgebil<strong>de</strong>t <strong>und</strong> verfestigt, die zu einer positiven Bewertung <strong>de</strong>s<strong>Die</strong>nstes in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA führten.“ (14)Nach <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> militärischen Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA bestan<strong>de</strong>in Hauptkettenglied zur Erreichung einer hohen Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Bildung<strong>und</strong> Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen darin, „die i<strong>de</strong>ologische <strong>Arbeit</strong> komplex zuführen <strong>und</strong> zu gestalten“ <strong>und</strong> dabei „das breite Spektrum <strong><strong>de</strong>r</strong> Formen, Mittel <strong>und</strong>Metho<strong>de</strong>n optimal zu nutzen.“ (15)Neben <strong>de</strong>n bereits dargestellten Hauptformen <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen <strong>Arbeit</strong> bezog sichdies vor allem auf die tägliche <strong>politische</strong> Massenarbeit, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Agitation<strong>und</strong> die kultur-<strong>politische</strong> <strong>Arbeit</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA.Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Agitation war es, unter allen Bedingungen <strong>de</strong>s militärischen Lebenspolitisch zu <strong>info</strong>rmieren, zu motivieren <strong>und</strong> zu mobilisieren. Geleistet wer<strong>de</strong>n solltedas von allen Vorgesetzten, Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Funktionären <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ, <strong><strong>de</strong>r</strong>Gewerkschaft <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeesportvereinigung „Vorwärts“ (ASV) sowie speziellen, in<strong>de</strong>n militärischen <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n <strong>Arbeit</strong>skollektiven eingesetzten Agitatoren. Zu <strong>de</strong>nFormen <strong>und</strong> Metho<strong>de</strong>n gehörten u.a. das persönliche <strong>politische</strong> Gespräch, die<strong>politische</strong> Tages<strong>info</strong>rmation (täglich je 15 Minuten mit Soldaten <strong>und</strong> Unteroffizierenauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gr<strong>und</strong>lage von R<strong>und</strong>funk-, Fernseh- <strong>und</strong> Pressemeldungen), die aktuell<strong>politische</strong>Wochen<strong>info</strong>rmation (je 45 Minuten zu spezifischen, vom Politorgan festgelegtenThemen, durchgeführt von Politoffizieren sowie Offizieren <strong><strong>de</strong>r</strong> Führungsorgane).Weiterhin gehörten dazu <strong>politische</strong> Veranstaltungen wie Meetings, Appelle,Foren, Filmveranstaltungen, Diskussionsr<strong>und</strong>en zu <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> militärischenHöhepunkten. Dafür verfügte u.a. je<strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenteil über eine auf einem Kraftfahrzeugaufgebaute R<strong>und</strong>funk-Kino-Einrichtung mit <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschallung,<strong>de</strong>s Fotografierens, <strong>de</strong>s Fernsehens <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmvorführung sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>Druckvervielfältigung u. ä. Aufwendig <strong>und</strong> umfangreich waren auch die zum größtenTeil zentral herausgegebenen Materialien für die schriftliche Agitation. Von <strong>de</strong>n9


Kompaniewandzeitungen bis zu <strong>de</strong>n „Argumentationen <strong><strong>de</strong>r</strong> PHV“ umfaßte die Paletteauch Fotoserien, Grafiken, Plakate, Bildtafelserien sowie Broschüren u.a.Trotz <strong>de</strong>s hohen materiellen Aufwan<strong>de</strong>s <strong>und</strong> einer sehr straff organisierten zentralenLenkung <strong>und</strong> „komplexen Führung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen <strong>Arbeit</strong> wur<strong>de</strong> sie im Soldatenalltagsehr unterschiedlich reflektiert <strong>und</strong> war in ihrer Wirkung wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich.Dogmatische Sichten <strong>und</strong> schönfärben<strong><strong>de</strong>r</strong> Eifer auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Führungsebenenhaben die Wirksamkeit eingeschränkt, das zweifellos vorhan<strong>de</strong>ne <strong>politische</strong>Interesse vielfach blockiert <strong>und</strong> die ehrliche Bereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigenzur aktiven Mitarbeit letztendlich enttäuscht. Hinzu kam das Bestreben,für zentral angewiesene Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>Arbeit</strong> auch zusätzliche Zeitenzu beanspruchen, was häufig das ohnehin enge Zeitpolster im Tagesdienstablaufzusätzlich belastete <strong>und</strong> vielfach auf Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten ausgeglichenwur<strong>de</strong>.Eine differenzierte Bewertung, wie die <strong>politische</strong> Massenarbeit im Soldatenalltag„ankam“ <strong>und</strong> welche Wirkungen die angewiesenen Maßnahmen hatten, erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, dieBewußtseinsentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Soldatengenerationen in <strong>de</strong>n unterschiedlichenEtappen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA-Geschichte zu berücksichtigen. In <strong>de</strong>n 60er <strong>und</strong> 70erJahren herrschte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Wehrpflichtigen (1962 wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR die allgemeine Wehrpflicht eingeführt) eine positive Einstellung zu <strong>de</strong>n sozialistischenZielen <strong>und</strong> Werten vor. Charakteristisch war eine hohe I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR <strong>und</strong> solchen Seiten ihrer Politik wie Bildung, berufliche Ausbildung, Jugend- <strong>und</strong>Sportför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, Sicherung <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns. Damit gab es einen günstigen Bo<strong>de</strong>n fürdie Aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> propagierten <strong>politische</strong>n Thesen. Selbst die verbreitete Schwarz –Weiß –Malerei fand noch relativ hohe Akzeptanz. In dieser Zeit wur<strong>de</strong>n z.B. von <strong>de</strong>nJugendlichen auch noch die DDR-Medien <strong>de</strong>utlich häufiger für die <strong>politische</strong>Information genutzt als Westmedien. En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre stagniertedie Zustimmung in vielen Bereichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewußtseinsentwicklung. <strong>Die</strong> wachsen<strong>de</strong>ngesellschaftlichen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüche in ihrem zivilen Umfeld wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n jungenWehrpflichtigen auch im Soldatenalltag <strong>de</strong>utlicher reflektiert. <strong>Die</strong> Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong>gezielten Beeinflussung durch die <strong>politische</strong> Massenarbeit wur<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA, wieauch in <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Gesellschaft, stark überschätzt. Rituale Sprachformelnverloren ihre Wirkung, im Soldatenjargon gab es <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> "Rotlichtbestrahlung".Mit <strong>de</strong>m Abflachen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Argumentation wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVAzugleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch unternommen, mit administrativen Verboten <strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong>Westmedien zu unterdrücken, obwohl in <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten DDR bereits <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong>Jugendlichen stark angewachsen war, die sich auf bei<strong>de</strong>n „Kanälen“ <strong>info</strong>rmierten <strong>und</strong>sich das Verhältnis weiter zu Gunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD-Medien verschob. Ab Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80erJahre traten die regressiven Ten<strong>de</strong>nzen, vor allem durch einen Glaubwürdigkeitsverlust,<strong>de</strong>utlich hervor <strong>und</strong> gingen 1988/89 gera<strong>de</strong>zu in einen Verfall <strong><strong>de</strong>r</strong>I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> SED propagierten sozialistischen Werten über.Verb<strong>und</strong>en mit <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits seit Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre vorhan<strong>de</strong>nen Sinnkrise in <strong><strong>de</strong>r</strong>Wehrmotivation, die sich auf die Nichtführbarkeit eines Krieges bezog, war bei <strong>de</strong>nArmeeangehörigen die Einflußmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Argumentation letztendlichnur noch auf die stabile Wertorientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frie<strong>de</strong>nssicherung begrenzt. <strong>Die</strong>sehatte für das Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong>zeit dann allerdings eineherausragen<strong>de</strong>, ja geschichtliche Be<strong>de</strong>utung.Unter <strong>de</strong>n genannten Gesichtspunkten ist es heute nur schwer nachvollziehbar,warum die durchaus vorhan<strong>de</strong>nen Erkenntnisse über die reale Situation <strong>de</strong>sSoldatenalltags sowie die wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruchsvolle Bewußtseinslage - so z.B. aussoziologischen Untersuchungen <strong>de</strong>s Zentralinstituts für Jugendforschung sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>10


armeeinternen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen - zu keinen entsprechen<strong>de</strong>nKonsequenzen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Massenarbeit geführt <strong>und</strong> sich völligunzureichend in <strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen <strong>Arbeit</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenteile <strong>und</strong> Einheiten nie<strong><strong>de</strong>r</strong>geschlagenhaben.Zur Charakterisierung <strong>de</strong>s Problems seien nur einige Aspekte hervorgehoben.Das Dilemma zwischen <strong>de</strong>m Anspruch auf Realismus <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Vorgehen bei seinerEinlösung bestand darin, daß Erscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirklichkeit, die nicht <strong>de</strong>n gesellschaftlichen<strong>und</strong> i<strong>de</strong>ologischen Zielvorstellungen entsprachen, lediglich auf Nachwirkungen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit <strong>und</strong> Einwirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> „an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite“ zurückgeführt,dagegen die vom Sozialismus selbstgesetzten Bedingungen als immer günstigerwer<strong>de</strong>nd angesehen wur<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> unkritische Sicht auf die eigene Gesellschaftverfälschte nicht nur die erlebte Wirklichkeit <strong>und</strong> verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>te je<strong>de</strong>n konstruktivenDisput, sie trug letztlich mit zum Scheitern <strong>de</strong>s Systems bei.<strong>Die</strong> einseitige Bindung an die marxistisch-leninistische Weltanschauung als einMerkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Bildung <strong>und</strong> Erziehung wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Soldatengenerationenunterschiedlich reflektiert. Für die Soldatengeneration <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong><strong>de</strong>r</strong><strong>und</strong>Aufbaujahre <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte bil<strong>de</strong>ten das Erleben <strong>de</strong>s Krieges <strong>und</strong> die aktiveTeilnahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> Beseitigung seiner Folgen <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n für die Aufnahme wesentlicherElemente <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen I<strong>de</strong>ologie. Kämpfer <strong>de</strong>s antifaschistischen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stan<strong>de</strong>swaren die überzeugendsten Lehrmeister. <strong>Die</strong>se Prägung war nachhaltig <strong>und</strong>wirkt bei ihnen noch bis in die Gegenwart. Später entwickelten sich daraus imTruppenleben oftmals Rituale, die trotz ehrlichen Bemühens vieler Komman<strong>de</strong>ure<strong>und</strong> Funktionäre, <strong>de</strong>n humanistischen Inhalt zu bewahren, nur noch formal gehandhabtwur<strong>de</strong>n. Ein Problem bestand darin, daß sich einerseits aufrichtige Antifaschistenmühten, in vielfältigen Begegnungen mit <strong>de</strong>n Soldaten die I<strong>de</strong>ale zubewahren <strong>und</strong> wirken zu lassen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber aus einigen ehemaligen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standskämpfernselbstgefällige Machthaber gewor<strong>de</strong>n waren, <strong>de</strong>nen ihre antifaschistischeAura jetzt zur eigenen Legitimation <strong>und</strong> zur Disziplinierung <strong>de</strong>s Volkesdiente. Das daraus erwachsene dogmatische Denken hin<strong><strong>de</strong>r</strong>t übrigens auch heuteoft noch „Ehemalige“, Fragen ihrer Geschichte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenwart realistisch zubewertenBereits En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre ergaben soziologische Untersuchungen, daß die marxistisch-leninistischeWeltanschauung zunehmend weniger als Lebensorientierunganerkannt wur<strong>de</strong>. 1989 gehörten dazu immerhin auch 44 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten. <strong>Die</strong>seSituation blieb in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Bildung <strong>und</strong> Erziehung weitgehend unbeachtet,genauso wie die Tatsache, daß etwa 15 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten religiös geb<strong>und</strong>en waren,weitere sich an<strong><strong>de</strong>r</strong>en weltanschaulichen Richtungen verb<strong>und</strong>en fühlten <strong>und</strong> durchschnittlich1 500 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Blockparteien in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA dienten.<strong>Die</strong> Kluft zwischen <strong>de</strong>m Soldatenalltag, <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen Realität <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Propagandaverbreiterte sich in <strong>de</strong>m Maße, in <strong>de</strong>m die zunehmen<strong>de</strong> praktische Unfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong>Partei- <strong>und</strong> Staatsführung, die selbst gestellten Ziele zu verwirklichen, durch Phraseno<strong><strong>de</strong>r</strong> Sprachlosigkeit konterkariert wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se Entwicklung fand ihren Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlagim Stimmungs- <strong>und</strong> Meinungsbild in <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe. 1889 wur<strong>de</strong> die Zeit nach <strong>de</strong>m XI.Parteitag <strong><strong>de</strong>r</strong> SED (1986) nur noch von 45 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, 68 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere<strong>und</strong> 78 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Offiziere als erfolgreich eingeschätzt. (16) Von 1986 bis 1988 sank, wieErgebnisse soziologischen Befragungen bei <strong>de</strong>n Landstreitkräften zeigten, die Zahl<strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Soldaten von 83 % auf 33 %, die meinten, es lohne sich, für <strong>de</strong>n Sozialismuszu arbeiten <strong>und</strong> zu leben. (17) <strong>Die</strong>se kritische Haltung kann jedoch nicht alsAusdruck dafür gewertet wer<strong>de</strong>n, daß sie die DDR mit ihrem Gesellschaftssystem11


abschaffen wollten. Vielmehr ging es auch für die Soldaten - zumin<strong>de</strong>st bis Anfang1990 - darum, die Zustän<strong>de</strong> innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zu verbessern <strong>und</strong> lebenswert zumachen. <strong>Die</strong> Urteile über Partei <strong>und</strong> Staat wur<strong>de</strong>n in dieser Zeit nicht mehr vorrangigvon <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Sicherheit bestimmt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Fragen zu Freiheit, Demokratie<strong>und</strong> Reisefreiheit.Es ist nicht Gegenstand dieses Beitrages, in diesen Fragen <strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> westlichenPolitik, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Massenmedien, zu untersuchen. Bemerkenswert istallerdings, wenn im Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Enquete-Kommission <strong>de</strong>s Deutschen B<strong>und</strong>estageszum Alltagsleben in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR eingeschätzt wird, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wertewan<strong>de</strong>l in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR„verstärkt (wur<strong>de</strong>) durch die Einflüsse aus <strong>de</strong>n westlichen Gesellschaften, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<strong>de</strong>n Medien“, <strong>und</strong> außer<strong>de</strong>m festgestellt wird: „Nach weitgehend einhelligerMeinung bestand <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigste Einfluß <strong>de</strong>s Westens im ‚Bedürfnisimport’, in <strong><strong>de</strong>r</strong>Erzeugung von Begehrlichkeiten im konsumtiven Bereich. <strong>Die</strong> problematischen Seiten<strong><strong>de</strong>r</strong> westlichen Gesellschaft aber (<strong>Arbeit</strong>slosigkeit, hohe Mieten, sozialeUngerechtigkeiten, Kriminalität etc.) sind weniger zur Kenntnis genommen wor<strong>de</strong>nals <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vorzüge, was zum Teil die verbreiteten Enttäuschungen nach 1989 erklärt.Der Westen wirkte weniger durch Argumente o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch Aufklärung über die DDRals vielmehr durch sein Vorbild, durch die Ausstrahlung seiner Überlegenheit, durch<strong>de</strong>n Überfluß.“ (18)Gera<strong>de</strong> in diesem Zusammenhang zeigte sich jedoch das unrealistische Denken in<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Massenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA. <strong>Die</strong> <strong>politische</strong> <strong>und</strong> militärische Führungbegegnete dieser Situation konzeptions- <strong>und</strong> teilweise auch hilflos. Allein das Verbot,Westmedien in <strong>de</strong>n Kasernen zu hören bzw. zu sehen, <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> technische Eingriff indie entsprechen<strong>de</strong>n Geräte erwiesen sich letztendlich als untauglich <strong>und</strong> wirktensogar negativ.Es gehörte zu <strong>de</strong>n Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Lebens in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDReinschließlich ihrer Streitkräfte, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> inoffizielle Kommunikationsbereich einegroße Be<strong>de</strong>utung besaß. Der Gedankenaustausch zu <strong>politische</strong>n Fragen im <strong>Die</strong>nst<strong>und</strong><strong>Arbeit</strong>skollektiv (69 %), in <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie (60 %), im Fre<strong>und</strong>eskreis (41 %) gehörtezum Alltag.Hier hätten die Agitatoren die größten Einflußmöglichkeiten gehabt, was von vielenunmittelbaren Vorgesetzten <strong>und</strong> Funktionären auch genutzt wur<strong>de</strong>. Aber dazu hätte,wie insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Endphase <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ver<strong>de</strong>utlicht, die <strong>politische</strong> Agitation inÜbereinstimmung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> erlebten gesellschaftlichen Realität stehen müssen.Eine weitere Hauptrichtung <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ologischen Wirkens war die kultur<strong>politische</strong> <strong>Arbeit</strong>in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA. Ihre erziehen<strong>de</strong>, bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>und</strong> mobilisieren<strong>de</strong> Funktion sollte über diespezifischen Wirkungsmöglichkeiten von Kultur <strong>und</strong> Kunst realisiert wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> 1981durchgeführte Kulturkonferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA for<strong><strong>de</strong>r</strong>te daher die Ausprägung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur imSoldatenalltag „im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Weite <strong>de</strong>s marxistisch-leninistischen Kulturbegriffes“.Dazu zählten, das Streben nach Vervollkommnung <strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichenBildung, die Herstellung eines produktiven Verhältnisses zur Kunst <strong>und</strong> Literatursowie zum künstlerischen Volksschaffen, eine lebendige Beziehung zum kulturellenErbe <strong>und</strong> zu <strong>de</strong>n militärischen Traditionen, aber auch die vielen kleinen Dinge <strong>de</strong>sLebens, wie Umgangston, gegenseitige Hilfe <strong>und</strong> Achtung bis zur Essenkultur.In <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> kultur<strong>politische</strong>n <strong>Arbeit</strong> wur<strong>de</strong>n vielfältige Formen <strong>und</strong> Metho<strong>de</strong>nangewandt. Zur Unterstützung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n, kulturellen, militärtechnischen <strong>und</strong>naturwissenschaftlichen Weiterbildung gab es Vorträge, Zirkel <strong>und</strong> vielfältigeBegegnungen mit Wissenschaftlern, Künstlern <strong>und</strong> Kulturschaffen<strong>de</strong>n. Hinzu kamenLiteraturveranstaltungen, Bibliotheksarbeit, Film- <strong>und</strong> Fernsehveranstaltungen,12


Kulturwettstreite, Ausstellungen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizeitsport, die Tätigkeit von Kulturgruppen<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sgemeinschaften <strong>und</strong> vieles an<strong><strong>de</strong>r</strong>e. In <strong><strong>de</strong>r</strong> 1.MSD gab es z.B. im Ausbildungsjahr1980/81 insgesamt 20 Singegruppen, 7 Combos, 6 Zirkel „BildnerischesSchaffen“ 2 Zirkel „Schreiben<strong>de</strong> Soldaten“,16 Fotozirkel, 6 Diskotheken <strong>und</strong> 4Kabaretts sowie 6.968 ständige Nutzer <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibliotheken. (19)Einen großen Einfluß auf das geistig-kulturelle Leben in <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Flotteübte die enge Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA mit Künstlern <strong>und</strong> Schriftstellern sowiekünstlerischen Institutionen <strong>und</strong> Einrichtungen aus. Kunstwerke, Musikstücke <strong>und</strong>Bücher wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten gewidmet. Theaterensembles, Chöre,Orchester <strong>und</strong> Solisten sind vor Soldaten aufgetreten.<strong>Die</strong> kultur<strong>politische</strong> <strong>Arbeit</strong> war jener Bereich, in <strong>de</strong>m trotz i<strong>de</strong>ologischer Auflagen dieÜbereinstimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Bedürfnisse <strong>und</strong> die Freiräume für dieSelbstbetätigung am größten waren.In <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA existierte eine gute materielle <strong>und</strong> i<strong>de</strong>elle Basis, um <strong>de</strong>n Armeeangehörigenvielfältige kulturelle Angebote zugänglich zu machen. Es gab einekulturelle Gr<strong>und</strong>versorgung, die kostenlos o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu niedrigen Preisen je<strong>de</strong>m Soldaten,Unteroffizier <strong>und</strong> Offizier <strong>de</strong>n regelmäßigen Kauf von Büchern <strong>und</strong> Zeitungen, <strong>de</strong>nEmpfang von Hör- <strong>und</strong> Fernsehfunk, <strong>de</strong>n Besuch von Kino, Theater, Konzerten <strong>und</strong>Museen sowie eine künstlerische Selbstbetätigung ermöglichte. Obwohl dieUnterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n zivilen Lebensgewohnheiten eines Jugendlichen <strong>und</strong>seinen Entscheidungsmöglichkeiten gegenüber <strong>de</strong>nen eines Soldaten mit <strong>de</strong>nEinschränkungen <strong>de</strong>s Kasernenlebens unbestreitbar sind, waren - trotz alleri<strong>de</strong>ologischen Einengungen - ein differenziertes Kulturangebot <strong>und</strong> künstlerischeBetätigung im Soldatenalltag erlebbar, <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n bildungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>nAspekten <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> humanistischen Aussage von vielen Armeeangehörigen akzeptiert.<strong>Die</strong> wichtigsten kulturellen Einrichtungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA waren die Kompanie- <strong>und</strong>Regimentsklubs sowie die Häuser <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA. In allen größeren Objekten gab es Regimentsklubsmit Veranstaltungs- bzw. Kinosaal, Bibliothek, Spiel- <strong>und</strong> Lesezimmern,Räumen für <strong>Arbeit</strong>sgemeinschaften <strong>und</strong> eine Gaststätte. <strong>Die</strong> Klubs stan<strong>de</strong>n allenArmeeangehörigen, bei größeren Veranstaltungen auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Familienangehörigen,offen. <strong>Die</strong> Gaststätte war in <strong>de</strong>n neueren Klubhäusern in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel öffentlich.<strong>Die</strong> Nutzungsfrequenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Klubs lag relativ hoch, bei allerdings <strong>de</strong>utlichen Unterschie<strong>de</strong>nzwischen <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nstgradgruppen <strong>und</strong> differenzierter Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong>verschie<strong>de</strong>nen Angebote. Nach eigenen Angaben haben von <strong>de</strong>n Möglichkeitenihres Regimentsklubs „häufig“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch „gelegentlich“ 73 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten <strong>und</strong>56 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere Gebrauch gemacht. Nur 2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten <strong>und</strong> 4 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere haben <strong>de</strong>n Klub nie benutzt.Von <strong>de</strong>n Soldaten haben drei Fünftel gelegentlich, vereinzelt auch häufig, <strong>de</strong>n Klubaufgesucht, ein Drittel gibt „selten“ an. Während Berufssoldaten beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gernkulturelle Veranstaltungen besuchten (85 %), lag das Hauptinteresse vonUnteroffizieren <strong>und</strong> Soldaten ein<strong>de</strong>utig bei <strong>de</strong>n Filmveranstaltungen (89 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere <strong>und</strong> vier Fünftel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten). An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bildungsmaßnahmen wieVorträge u.ä. hat je<strong><strong>de</strong>r</strong> zweite Berufssoldat, aber nur je<strong><strong>de</strong>r</strong> vierte Unteroffizier <strong>und</strong>je<strong><strong>de</strong>r</strong> fünfte Soldat gern besucht. Künstlerische <strong>Arbeit</strong>sgemeinschaften rangieren amEn<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Beliebtheitsskala, setzten allerdings auch spezifische Neigungen <strong>und</strong>Talente voraus. Dort wo sie bestan<strong>de</strong>n, haben sie oftmals zur Talentför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungbeigetragen. So wur<strong>de</strong>n z.B. von <strong><strong>de</strong>r</strong> Zentralen <strong>Arbeit</strong>sgemeinschaft Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst<strong>de</strong>s Leipziger Militärbezirkes in 10 Jahren 30 Soldaten nach ihrem Wehrdienst zueinem Kunststudium <strong>de</strong>legiert.13


Wenn relativ viele Armeeangehörige angeben, daß es in ihrem Klub keine Bildungsmaßnahmen(ein Fünftel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, 13 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere, 10 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Berufssoldaten) <strong>und</strong> keine <strong>Arbeit</strong>sgemeinschaften (mehr als 25 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, 24% <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere, 17 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten) gab, läßt dies nicht nur auf geringesInteresse, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf Informationsmängel schließen. Es sind jedoch auch dieörtlichen Bedingungen zu berücksichtigen. So unterschied sich die Basis eines funktechnischenPostens <strong><strong>de</strong>r</strong> Luftstreitkräfte/ Luftverteidigung o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer abgelegenenGrenzkompanie <strong>de</strong>utlich von einem zentral gelegenem Regiment <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräftein einer neuen Kaserne.Allgemein beliebt waren die 250 Truppenbibliotheken, die es in <strong>de</strong>n Truppenteilen<strong>und</strong> Stäben <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> gab <strong>und</strong> die im Durchschnitt 12000 bis 15000 Bücher imBestand hatten. Hinzu kamen in <strong>de</strong>n Stäben <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilstreitkräfte <strong>und</strong> in <strong>de</strong>nLehreinrichtungen noch 30 militärische Fachbibliotheken, die auf spezielle Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungenausgerichtet waren. 69 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten, 63 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong>drei Fünftel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten haben die Bibliotheken gern genutzt. <strong>Die</strong>se relativ hohenNutzerquoten sind einerseits zweifellos einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit imKasernenleben geschul<strong>de</strong>t, sie wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegeln zugleich aber auch Gewohnheiten <strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten, ihre eng bemessenen Freizeit sinnvoll zu nutzen. Lesen geben auch heutenoch Soldaten wie Unteroffiziere als ihre wichtigste Freizeitbeschäftigung währendihrer <strong>Die</strong>nstzeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA an. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizeit haben 45,2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten „häufig“<strong>und</strong> 42,9 % „gelegentlich“ gelesen. Bei <strong>de</strong>n Unteroffizieren waren es 33 bzw. 54,6 %.Sporttreiben <strong>und</strong> Hobbys hatten einen geringeren Stellenwert. Ihre Freizeit„vergammelt“ haben lediglich 8,2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 16,7 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten.Den Armeeangehörigen stand in fast allen Kompaniebereichen darüber hinaus <strong><strong>de</strong>r</strong>Kompanieklub zur Verfügung - meist ein größerer Raum mit Sesseln <strong>und</strong> Klubtischen.Wenn es keinen geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Fernsehraum gab (ein knappes Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten gab dies an), stand hier auch ein Fernsehgerät. ZurAusstattung gehörten ferner Bücher (die zum Bestand <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppenbibliothekgehörten <strong>und</strong> von dieser in größeren Abstän<strong>de</strong>n ausgetauscht wur<strong>de</strong>n) <strong>und</strong> Spiele.74 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> drei Fünftel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten haben sich dort häufig o<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegentlich aufgehalten. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> zehnte Unteroffizier <strong>und</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> sechste Soldat gaballerdings an, es habe bei ihnen keinen Kompanieklub gegeben.Geselligkeit war Soldaten (mehr als drei Fünftel) <strong>und</strong> Unteroffizieren (77 %)Hauptgr<strong>und</strong>, <strong>de</strong>n Kompanieklub aufzusuchen. Nahezu je<strong><strong>de</strong>r</strong> Dritte nutzte <strong>de</strong>n Klub,„um mal aus <strong><strong>de</strong>r</strong> engen Stube raus zukommen“, je<strong><strong>de</strong>r</strong> fünfte Unteroffizier <strong>und</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong>zehnte Soldat auch, um „mal an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Gesichter zu sehen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> weil man dort auchetwas essen o<strong><strong>de</strong>r</strong> trinken konnte. <strong>Die</strong>se Möglichkeit, auf Kommissionsbasis zwischeneinem damit beauftragten Soldaten <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkaufsstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> MHO im Objektrealisiert, bestand nicht in allen Kasernen. Neben <strong>de</strong>n örtlichen Bedingungen wardafür auch das Einverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten ausschlaggebend. Im Soldatenalltagbestätigte sich eine für die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendlichen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR typischeVerhaltensweise, <strong><strong>de</strong>r</strong>en kulturelle Freizeitgestaltung überwiegend in <strong>info</strong>rmellenGruppen stattfand. <strong>Die</strong> Klubs <strong>und</strong> Kulturräume wur<strong>de</strong>n daher von <strong>de</strong>n Soldaten vorallem auch als Möglichkeit zur zwanglosen Geselligkeit <strong>und</strong> Kommunikation geschätzt.Viele Soldaten haben jedoch während ihres Wehrdienstes die Möglichkeitvermißt, öfter mal „ungestört mit sich allein zu sein“. Das war aber weniger einer„<strong>politische</strong>n R<strong>und</strong>umbetreuung“ als vielmehr <strong>de</strong>n allgemeinen militärischenBedingungen je<strong>de</strong>s Kasernenlebens geschul<strong>de</strong>t.14


2. Parteiorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED <strong>und</strong> ParteiloseWie in allen gesellschaftlichen Bereichen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR beanspruchte die SED auch in<strong>de</strong>n Streitkräften ihren absoluten Führungsanspruch. <strong>Die</strong> führen<strong>de</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> SED in<strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Grenztruppen wur<strong>de</strong> vorrangig über zwei Führungssträngeverwirklicht. Zum einen geschah das über die staatliche Führung, die durch dasPrinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelleitung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit von <strong>politische</strong>r <strong>und</strong> militärischer Führunggewährleistet wur<strong>de</strong>. Mit ihren Befehlen <strong>und</strong> Weisungen han<strong>de</strong>lten die Komman<strong>de</strong>ureals staatliche Vorgesetzte in <strong>de</strong>m Bewußtsein, <strong>de</strong>n Willen <strong>und</strong> die Beschlüsse<strong><strong>de</strong>r</strong> SED, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Richtigkeit sie generell nicht in Frage stellten, durchzusetzen.Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wur<strong>de</strong> die führen<strong>de</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> SED über die <strong>politische</strong> <strong>und</strong>organisatorische Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Politorgane verwirklicht.Dementsprechend wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> für die Parteiarbeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA verbindlichen„Parteiinstruktion“ von 1976 festgelegt, daß die Gr<strong>und</strong>organisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED „durchihre Tätigkeit <strong>de</strong>n lenken<strong>de</strong>n <strong>und</strong> organisieren<strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei auf alle Seiten<strong>de</strong>s <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> militärischen Lebens“ (20) verwirklichen.In <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Grenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gab es ca. 3000 Basisorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong>SED. Ihr Aufbau entsprach <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Struktur. Gr<strong>und</strong>organisationen bestan<strong>de</strong>nin Stäben, Bataillonen <strong>und</strong> selbständigen Einheiten, Parteigruppen in Kompanien<strong>und</strong> selbständigen Zügen.Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stand die politisch-i<strong>de</strong>ologische <strong>Arbeit</strong> zur Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong>Kampfkraft <strong>und</strong> Gefechtsbereitschaft. <strong>Die</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> sollten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Lösung allerAufgaben vorangehen <strong>und</strong> alle militärischen Pflichten vorbildlich erfüllen. Vorbildlichkeitwur<strong>de</strong> auch im persönlichen Leben <strong>und</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Haltung verlangt.<strong>Die</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> besaßen keine Privilegien, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es wur<strong>de</strong>n an sie in <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel erhöhte Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen im Vergleich zu Parteilosen gestellt.Fast je<strong><strong>de</strong>r</strong> Offizier, je<strong><strong>de</strong>r</strong> dritte Unteroffizier <strong>und</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> zehnte Soldat war Mitglied o<strong><strong>de</strong>r</strong>Kandidat <strong><strong>de</strong>r</strong> SED. In einer Division <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte gehörten etwa ein Viertel bisein Drittel <strong>de</strong>s Personals <strong><strong>de</strong>r</strong> SED an, in einer Division <strong><strong>de</strong>r</strong> Luftstreitkräfte/Luftverteidigung <strong>und</strong> einer Flottille <strong><strong>de</strong>r</strong> Volksmarine etwa die Hälfte. Wie in <strong><strong>de</strong>r</strong>Gesellschaft insgesamt bil<strong>de</strong>te auch in <strong>de</strong>n Streitkräften die Mitgliedschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> SEDzu keinem Zeitpunkt jene Einheit <strong>und</strong> Geschlossenheit, die so oft proklamiert wur<strong>de</strong>.Sie war in ihrer sozialen Struktur, ihrer <strong>politische</strong>n Sozialisation <strong>und</strong> Motivation nachsowie auch in ihren i<strong>de</strong>ologischen Gr<strong>und</strong>haltungen äußerst vielschichtig. Charakteristischwar jedoch eine mehrheitlich sozial ausgeprägte Motivation unter <strong>de</strong>n SED-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ihre I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatspolitik <strong>und</strong> Systemakzeptanz war größerals bei <strong>de</strong>n Parteilosen. So hat das Leipziger Zentralinstitut für Jugendforschung inseinen empirischen Studien nachgewiesen, daß z.B. die stärkere I<strong>de</strong>ntifikation <strong><strong>de</strong>r</strong>Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> SED <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zugleich im höherem Maße die Bereitschaftzur Verteidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR auch unter Einsatz <strong>de</strong>s Lebens bestimmte. Sie war1975 bei 70 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> SED „vollkommen“ <strong>und</strong> bei 26 % „mit Einschränkungen“gegeben. Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> äußerten diese Bereitschaft zu 47 % mit „vollkommen“<strong>und</strong> 38 % „mit Einschränkungen“. (21)<strong>Die</strong> überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wirkte im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteipolitik nichtin erster Linie auf Gr<strong>und</strong> i<strong>de</strong>ologischer Indoktrination, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus ehrlicher Überzeugung.Sie haben sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel auch freiwillig <strong>de</strong>n Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteidisziplinunterworfen.Das war Ergebnis von sozialer Herkunft, geschichtlicher <strong>und</strong> persönlicher Erfahrungsowie <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Lebensi<strong>de</strong>ale. Für sie verkörperte <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialismus eine15


friedliche, sozial gerechte <strong>und</strong> wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu Faschismus <strong>und</strong>Imperialismus. Zu beachten ist aber auch, daß Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> SED nachungeschriebenem Gesetz Voraussetzung für <strong>de</strong>n Aufstieg in höhere <strong>Die</strong>nststellungenwar. Daraus ergab sich, allerdings vorrangig in <strong>de</strong>n Führungsfunktionen, ein gewisserAnpassungszwang, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis zur Unaufrichtigkeit gehen konnte. Es wäre jedoch indiesem Zusammenhang falsch <strong>und</strong> ist durch nichts belegbar, z.B. die Austrittswelleaus <strong><strong>de</strong>r</strong> SED auch in <strong>de</strong>n Streitkräften 1989/90 vorrangig auf Karriereverhaltenzurückzuführen. Es war vielmehr – wie es 1999 auch <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Komman<strong>de</strong>ur<strong>de</strong>s Küstenraketenregiment 18 in seinen Erinnerungen beschrieben hat – die tiefeEnttäuschung über die <strong>politische</strong> <strong>und</strong> militärische Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR: „ Plötzlichzeigten sich unsere großen ‚Lehrmeister´ nicht mehr als Herren ihrer Sache.“ (22)Unbestreitbar ist jedoch auch, daß es in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA ein größeres Bemühen als imzivilen Bereich gab, die hohen Quoten im Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>bestand nicht nur zu halten,son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ständig zu erhöhen. <strong>Die</strong> zu gesellschaftlichen Höhepunkten durchgeführtenWerbekampagnen, mit Vorgaben durch die übergeordneten Politorgane, hattenjedoch auch negative Effekte, weil die quantitativen Ergebnisse über die tatsächlichenÜberzeugungen hinwegtäuschten.Ungeachtet <strong>de</strong>ssen ist insgesamt jedoch die Einschätzung berechtigt, daß bisAnfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre bei <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegen<strong>de</strong>n Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auch in<strong><strong>de</strong>r</strong> Armee eine optimistische Gr<strong>und</strong>haltung bestand. In <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80erJahre begann dann die Entwicklung einer tiefen Vertrauenskrise. Jedoch bis 1989/90gab es nur verborgenes Grollen, keine Handlungen. Das Ergebnis war eine gewisseSchizophrenie. Bei offiziellen Anlässen wur<strong>de</strong> die erwartete Meinung geäußert, diewahre Auffassung wur<strong>de</strong> nur in einem bestimmtem Personenkreis mitgeteilt. Es wareine charakteristische Denkweise <strong>de</strong>s überwiegen<strong>de</strong>n Teils <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>,Zweifel immer <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlossenheit <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache unterzuordnen <strong>und</strong> nicht öffentlichk<strong>und</strong>zutun. So kannte die SED auch in <strong>de</strong>n Streitkräften bis 1989 keinen offenenWi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand. Erst 1988 <strong>und</strong> 1989 fan<strong>de</strong>n auch Organisationen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong>de</strong>n Mut,offen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteipolitik Kritik zu üben.<strong>Die</strong> starke soziale Motivation <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelte sich imSoldatenalltag in vielfältiger Weise. Nicht nur wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungsgewalt vonoben <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zentralen For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor allem aus I<strong>de</strong>alismus <strong>und</strong>Einsatzbereitschaft engagierten sich Tausen<strong>de</strong> im <strong>politische</strong>n, militärischen <strong>und</strong>kulturellen Soldatenalltag, wodurch erst vieles gemeinsam mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Armeeangehörigenim Truppendienst möglich wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Beziehungen zwischen SED-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>und</strong> parteilosen Soldaten <strong>und</strong> Unteroffizieren waren im Alltag weitestgehendunauffällig. <strong>Die</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wirkten in ihren Kollektiven <strong>und</strong> wur<strong>de</strong>n inihrer Vorbildwirkung durchaus respektiert. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>und</strong>Kandidaten im Unteroffiziers- <strong>und</strong> Soldatenrang, aber auch viele Offiziere hatten guteVerbindungen zu <strong>de</strong>n parteilosen Armeeangehörigen <strong>und</strong> besaßen ihr Vertrauen.In unserer Befragung von 1998 wur<strong>de</strong> ehemaligen Soldaten <strong>und</strong> Unteroffizieren dieFrage gestellt: „Wenn es in ihrer Stube jeman<strong>de</strong>n gab, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> SED war –welche Merkmale trafen auf ihn zu?“ Sie waren „Soldaten wie je<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e“, <strong>de</strong>mstimmten ca. 90 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten „voll zu“. Als „Kumpel“ wur<strong>de</strong>n sie von ca. 60 % im„vollem Umfang“ sowie von einem weiteren Drittel mit „Teil-Teils“ eingeschätzt.Bemerkenswert ist, daß entgegen heute vielfach verbreiteten Darstellungen dieParteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> lediglich von 2 % ihrer ehemaligen Zimmergenossen als „Zuträger“bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Als Vorbil<strong><strong>de</strong>r</strong> galten sie für 27,2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 20 %<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten „im vollen Umfang“. Des weiteren bewerten 51,2 % bzw. 48 % dieVorbildwirkung mit „Teils-Teils“. Für diese aus <strong>de</strong>n Alltagserfahrungen getroffenen16


Einschätzungen gab <strong>und</strong> gibt es unterschiedliche Erklärungen. Weniger zutreffenddürfte hierfür u. E. die Einschätzung einer Kontrollgruppe <strong>de</strong>s ZK <strong><strong>de</strong>r</strong> SED über einenEinsatz in <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Luftverteidigungsdivision im Juni 1965 gewesen sein: „Infolge <strong><strong>de</strong>r</strong>Tatsache, daß es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee ein einheitliches System <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>nSchulung gibt, in <strong>de</strong>m Parteilose wie Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gleichermaßen geschultwer<strong>de</strong>n, haben wir zu verzeichnen, daß die Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel nicht mehrwissen als die Parteilosen.“ (23)Für <strong>de</strong>n Soldatenalltag trifft dagegen jene Reflexion eher <strong>de</strong>n Kern, die Günter Gaus1996 im Bezug auf die gesellschaftliche Realität <strong>und</strong> Sicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR getroffen hat:„<strong>Die</strong> Leute haben zu viele Nachbarn <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>skollegen, die sich Kommunistennannten, im praktischen Leben kennengelernt. Manche sind ihnen sympathisch <strong>und</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>e nicht; genauso wie Parteilose, Sozis o<strong><strong>de</strong>r</strong> Christ<strong>de</strong>mokraten. In mancherHinsicht nehmen Ost<strong>de</strong>utsche die Parteibindung eines ihnen bekannten Menschenweit weniger wichtig, als so manche bürgerliche West<strong>de</strong>utsche es tun, für die schonein Sozial<strong>de</strong>mokrat im Gr<strong>und</strong>e doch <strong>de</strong>n Umsturz im Sinn hat.“ (24)<strong>Die</strong> strukturelle Gr<strong>und</strong>lage für das Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> SED in <strong>de</strong>n Stäben,Einheiten <strong>und</strong> Truppenteilen waren die Parteiorganisationen (Gr<strong>und</strong>organisationen<strong>und</strong> Parteigruppen).<strong>Die</strong> Parteiorganisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA hatten zweifellos einen prägen<strong>de</strong>n, politischorientieren<strong>de</strong>n <strong>und</strong> disziplinieren<strong>de</strong>n Einfluß auf die Armeeangehörigen. IhremEinfluß verdankt die Armee wesentlich ihre innere Stabilität bis 1989. <strong>Die</strong> Parteiorganisationenwaren einerseits Mittel zur Durchsetzung <strong>de</strong>s Führungsmonopols <strong><strong>de</strong>r</strong>SED. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits war ihre basisorientierte <strong>Arbeit</strong> weitgehend geprägt durch dievielfältigen Stimmungen, Meinungen <strong>und</strong> Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen. Sieverschafften in vielen Fällen <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anliegen Gehör <strong>und</strong> setzten diese durch. Nichtselten waren sie <strong>de</strong>mokratisches Gegengewicht zu Erscheinungen <strong>de</strong>s Mißbrauchs<strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Einzelleitung. Aber ihren <strong>de</strong>mokratischen Möglichkeiten fürInteressenvertretung <strong>und</strong> Mitbestimmung waren enge Grenzen gesetzt. Initiativenwur<strong>de</strong>n weitgehend auf <strong>de</strong>n eigenen Wirkungsbereich eingeschränkt. Zugleichwur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Jahren zunehmend Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> innerparteilichen Demokratieabgebaut, es gab eine wachsen<strong>de</strong> Reglementierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiarbeit durch dieübergeordneten Politorgane. Deren Stellung als „leiten<strong>de</strong> Parteiorgane“, die jedochkein Wahlmandat besaßen, ermöglichte es, bestimmen<strong>de</strong>n Einfluß auf die Parteiorganisationenzu nehmen <strong>und</strong> diese praktisch in allen Zeiten zu geführten Objektenzu machen. Damit waren <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einflußmöglichkeiten nach „oben“ äußerst gering.Hinzu kam, daß die von ihnen gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Partei<strong>info</strong>rmationen über das Leben in<strong>de</strong>n Parteiorganisationen häufig ein Gemisch aus Wahrheit <strong>und</strong> Schönfärbereiwaren, <strong><strong>de</strong>r</strong>en kritische Substanz sich zu<strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>m Weg nach „oben“ verringerte.Letzteres erweist sich gegenwärtig bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auswertung <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Berichte<strong>und</strong> Analysen, die im BA-MA lagern, als ein großes Handikap für die realistischenBewertung <strong>de</strong>s Soldatenalltags in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA.Laut <strong>de</strong>n Gr<strong>und</strong>satzbeschlüssen <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiführung zur Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> SED in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVAhatten die Parteiorganisationen das Recht, in Parteiversammlungen kritisch dieErgebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung, <strong>de</strong>n Zustand <strong><strong>de</strong>r</strong> Einsatzbereitschaft <strong>und</strong>die dienstliche Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Offiziere zu beurteilen sowie Vorschläge zur Verbesserung<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong> zu unterbreiten. Sie sollten Einfluß auf die Entwicklung, För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<strong>und</strong> Verteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong> nehmen. <strong>Die</strong> Komman<strong>de</strong>ure sollten die Einzelleitung durchkollektive Beratung aller wichtigen <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> militärischen Maßnahmen mit <strong>de</strong>nParteileitungen verwirklichen. (<strong>Die</strong> Komman<strong>de</strong>ure waren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel selbst Mitglied<strong><strong>de</strong>r</strong> Parteileitung in ihrem Bereich.) Sie sollten die Meinung <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei bei Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>-17


entscheidungen einholen <strong>und</strong> berücksichtigen. <strong>Die</strong> Autorität <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationenberuhte größtenteils darauf, daß sie nahezu die einzige Stelle waren, wo das SED-Mitglied seine Meinung äußern <strong>und</strong> zumin<strong>de</strong>st auf Geschehnisse in seinem WirkungsbereichEinfluß nehmen konnte. Formell war die Parteiorganisation die <strong>politische</strong>Heimat je<strong>de</strong>s Genossen. <strong>Die</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> hatten natürlich das Bedürfnis,sich nicht nur zu <strong>Probleme</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch zu Fragen zu äußern, welchedie Partei, <strong>de</strong>n Staat, die Armee als Ganzes betrafen. Aber durch das Defizit aninnerparteilicher Demokratie <strong>und</strong> eine diktatorische Disziplin war eine freimütigeDiskussion solcher Fragen stark eingeschränkt. <strong>Die</strong> Beschlüsse <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Führungwaren sakrosankt. Eigenständige o<strong><strong>de</strong>r</strong> abweichen<strong>de</strong> Meinungen waren verdächtig.Natürlich spielten dabei die Haltungen <strong>und</strong> Eigenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten <strong>und</strong>Parteifunktionäre in <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Parteiorganisationen eine Rolle, aber in <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel wur<strong>de</strong> auf kritische Meinungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar „Abweichungen in <strong>politische</strong>nGr<strong>und</strong>fragen“ mit parteilichen Restriktionen geantwortet, die nicht ohne Einfluß aufdie dienstliche Entwicklung blieben <strong>und</strong> bis zur Entlassung aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee führenkonnten.In <strong>de</strong>n Parteiorganisationen <strong>und</strong> ihren Versammlungen waren Offiziere, Unteroffiziere<strong>und</strong> Soldaten gleichberechtigt vereint. <strong>Die</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppenberatungenwaren meist Forum für die offene Erörterung von Fragen <strong>de</strong>s militärischen<strong>Die</strong>nstes <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit. Sie waren <strong><strong>de</strong>r</strong> Ort, wo auchKomman<strong>de</strong>ure kritisiert wer<strong>de</strong>n konnten. Jedoch war auch das abhängig vompersönlichen Format <strong>und</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffenen. Oftmals gab es falschverstan<strong>de</strong>nes Autoritäts<strong>de</strong>nken, das zu Ablehnung <strong>und</strong> Unterdrückung von Kritikführte. Auch in diesen Fragen führte die Gefahr von dienstlichen Retourkutschenoftmals zur Zurückhaltung. Je höher die Stäbe, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeit kritikwürdig war, <strong>de</strong>stogeringer waren die Möglichkeiten zur Kritik an dieser Tätigkeit. <strong>Die</strong> Erörterungpraktischer Fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiarbeit <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Tätigkeit im eigenemBereich prägten daher <strong>de</strong>n Hauptinhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlungen <strong>und</strong> Beratungen in <strong>de</strong>nParteikollektiven. <strong>Die</strong> größte Diskussionsfreudigkeit gab es in <strong>de</strong>n Parteigruppen.Hier kannte man sich am besten <strong>und</strong> war im engen Kontakt, man wußte, was manvon <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>en zu halten hatte, <strong>und</strong> es war Einfühlungsvermögen vorhan<strong>de</strong>n.Natürlich gab es Unterschie<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> thematischen Gestaltung <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Art <strong><strong>de</strong>r</strong>Diskussion, abhängig davon, ob es sich um eine Kompanie o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Parteigruppeeines Stabes bzw. einer wissenschaftlichen Einrichtung han<strong>de</strong>lte. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s fürletztere traf zu, daß sie bereits seit Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre eine wichtige Basis füreine kritische Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit <strong>politische</strong>n Gr<strong>und</strong>fragen wur<strong>de</strong>n. Von ihnengingen z.B. wichtige Impulse für eine Neueinschätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage Krieg <strong>und</strong> Frie<strong>de</strong>n<strong>und</strong> für die Militärdoktrin <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR aus.Da bis auf wenige Ausnahmen alle Offiziere Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> SED waren, ist ihreAussage zum Klima in <strong>de</strong>n Parteiorganisationen in unserer Befragung am repräsentativsten.Ihre eigenen Meinungen, I<strong>de</strong>en <strong>und</strong> Kritiken konnten, im Rückblick, zu<strong>Probleme</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit 58,3 % uneingeschränkt <strong>und</strong> 30,1 % mit Einschränkungenäußern. Zur Führungstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten behaupten dies insgesamt 71,4 %(davon jedoch nur 22,3 % uneingeschränkt). An<strong><strong>de</strong>r</strong>s sehen sie jedoch ihreMöglichkeiten, in <strong>de</strong>n Parteiorganisationen Gr<strong>und</strong>fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> SED offen<strong>und</strong> freimütig zu behan<strong>de</strong>ln. Nur 22,3 % bejahen das uneingeschränkt <strong>und</strong> 33,5 %mit Einschränkungen. <strong>Die</strong>se Bewertung <strong>de</strong>ckt sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits im Abschnitt 1getroffenen Einschätzung über <strong>de</strong>n freimütigen Gedankenaustausch in <strong>de</strong>n Lehrveranstaltungen<strong><strong>de</strong>r</strong> GWW.18


<strong>Die</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationen <strong>und</strong> ihre Wirkung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>nSoldaten <strong>und</strong> Unteroffizieren unterschiedlich wahrgenommen. Während 80 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteigruppe o<strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisation „häufig“o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch „gelegentlich“ etwas gemerkt haben, war es bei <strong>de</strong>n Soldaten nur je<strong><strong>de</strong>r</strong>Zweite. Wenn man in diesem Zusammenhang die Antwort <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten vertieft, daßnur 7,1 % von dieser Tätigkeit „häufig“ etwas bemerkt haben, so relativiert sich z.B.die These von <strong><strong>de</strong>r</strong> „permanenten Indoktrination <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten durch die Parteiorganisationenin <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA“.<strong>Die</strong> Ambivalenz <strong>de</strong>s innerparteilichen Lebens brachte es jedoch mit sich, daß dieGr<strong>und</strong>organisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED oftmals auch ein Schauplatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Disziplinierung <strong><strong>de</strong>r</strong>Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren. Regelmäßige Aussprachen, Kritik <strong>und</strong> Selbstkritik, „parteierzieherischeMaßnahmen“ sowie Parteistrafen gehörten zum Ritual, um die „Einheit<strong>und</strong> Reinheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei“ zu sichern. Erwartet wur<strong>de</strong>, selbstkritisch zu <strong>de</strong>n eigenenFehlern Position zu beziehen <strong>und</strong> nach <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ologischen Ursachen zu suchen. Innicht wenigen Fällen vollzogen sich Kritik <strong>und</strong> Selbstkritik als ein inquisitorischesRitual, das manchem ehrlichen Parteimitglied das Rückgrat brach o<strong><strong>de</strong>r</strong> zurScheinheiligkeit zwang, weil man insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e um die i<strong>de</strong>ologischen, aber auch umdie dienstlichen Folgen wußte. Damit war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Toleranz in politisch-moralischenFragen eine enge Grenze gesetzt.Bei Verstößen gegen die „Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei“, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> „einheitlichen Parteidisziplin“wur<strong>de</strong>n die betreffen<strong>de</strong>n Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> „parteierzieherischen Maßnahmen“unterzogen. <strong>Die</strong>se beinhalteten die Kritik, die Mißbilligung o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Verwarnungdurch die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlung. Bei schwerwiegen<strong>de</strong>n Vergehen wur<strong>de</strong>n Parteiverfahreneingeleitet, in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Ergebnis eine Parteistrafe in Form einer Rüge o<strong><strong>de</strong>r</strong>strengen Rüge ausgesprochen wur<strong>de</strong>. Sie konnte aber auch zum Parteiausschlußführen, was für <strong>de</strong>n Offizier in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel auch das En<strong>de</strong> seiner militärischen Laufbahnbe<strong>de</strong>utete. In <strong>de</strong>n Parteiorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA wur<strong>de</strong>n 1988 z. B. 2983Parteiverfahren durchgeführt <strong>und</strong> 2670 Parteistrafen ausgesprochen. (25) Dazugehören jedoch auch jene, die wegen krimineller Delikte verhängt wur<strong>de</strong>n.Beispielsweise wur<strong>de</strong>n 1980 insgesamt 277 Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA gerichtlichverurteilt.(26) In diesen Fällen unterlagen Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel immer einerMehrfachbestrafung (dienstlich <strong>und</strong> parteilich).Der Alltag in <strong>de</strong>n Parteiorganisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich im Herbst 1989gravierend. <strong>Die</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> war angesichts <strong>de</strong>s offensichtlichenWi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruchs zwischen Anspruch <strong>und</strong> Realität sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprachlosigkeit <strong>und</strong>Abgehobenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Spitze nicht mehr bereit, ihnen Gefolge zu leisten. Ausdruckdafür war u.a. die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiaktivtagung <strong>de</strong>s Ministeriums für NationaleVerteidigung erhobene For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung zum Rücktritt <strong>de</strong>s Ministers sowie weiterer ZK-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA. En<strong>de</strong> 1989 wur<strong>de</strong>n die Parteiorganisationeninnerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Streitkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR aufgelöst <strong>und</strong> die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Politorgane biszum 15. Februar 1990 been<strong>de</strong>t.Bei aller Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlichkeit, die es im Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED in<strong><strong>de</strong>r</strong> NVA gab, existierte hier <strong>de</strong>nnoch eine Basis, die für <strong>de</strong>n unblutigen Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong>Wen<strong>de</strong> 1989/90 nicht ohne Be<strong>de</strong>utung war.3. FDJ-Organisationen / MitwirkungsrahmenAls einziger <strong>und</strong> einheitlicher Jugendverband in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR prägte die FDJ auch <strong>de</strong>nSoldatenalltag, war letztlich selbst Alltag in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA im doppelten Sinne. Erstens19


waren durch <strong>de</strong>n hohen Organisationsgrad <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen (ca. 80 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten <strong>und</strong> 95 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere) die FDJ-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht nur in allen Bereichen<strong>de</strong>s militärischen Lebens präsent, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugleich auch ihre aktiven Gestalter.Zweitens wur<strong>de</strong> das Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in ihren Basisorganisationen vomSoldatenalltag bestimmt.Der hohe Grad <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n Organisiertheit integrierte <strong>de</strong>n größten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigenin das <strong>politische</strong> System. Dennoch gab es zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>nSphären – <strong>politische</strong>s System <strong>und</strong> Soldatenalltag – keine völlige Verschmelzung.Unabhängig von notwendigen Differenzierungen, die in <strong>de</strong>n jeweiligen Entwicklungsetappen<strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong>de</strong>s Jugendverban<strong>de</strong>s sowie in <strong>de</strong>n Wirkungen auf die FDJ-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beachten sind, befan<strong>de</strong>n sich die FDJ-Organisationen in einem permanentenSpagat zwischen <strong>de</strong>n zentralen Zielstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen Erziehung<strong>und</strong> einer Freizeitgestaltung, die <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Soldaten entsprach.Der Platz <strong>und</strong> die Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Organisationen in <strong>de</strong>n Streitkräften wur<strong>de</strong>n ineiner „Instruktion für die FDJ-Organisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Grenzgruppen<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“ (Januar 1977) festgelegt. Darin heißt es: „...die FDJ-Organisationen(richten) ihre Tätigkeit als untrennbarer Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>Arbeit</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> <strong>de</strong>nGrenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR vor allem darauf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei zu helfen, allseitig entwickelteSoldatenpersönlichkeiten herauszubil<strong>de</strong>n, die als klassenbewußte <strong>und</strong> standhafteSoldaten <strong>de</strong>s Volkes, als sozialistische Patrioten <strong>und</strong> proletarische Internationalistenalle Kraft <strong>und</strong>, wenn notwendig, ihr Leben für <strong>de</strong>n zuverlässigen Schutz <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Sozialismus einsetzen.“ (27)Dem Organisationsgrad <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen entsprechend sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabenstellung<strong>de</strong>s Jugendverban<strong>de</strong>s angepaßt, folgte die Organisationsstruktur <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ in<strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Struktur. Es wur<strong>de</strong>n- FDJ-Gr<strong>und</strong>organisationen in Stäben <strong>und</strong> Kommandos, in Bataillonen <strong>und</strong> selbständigenKompanien sowie auf Schiffen <strong>und</strong> Booten gebil<strong>de</strong>t;- innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Gr<strong>und</strong>organisationen wur<strong>de</strong>n FDJ-Organisationen <strong>und</strong> FDJ-Gruppen in <strong>de</strong>n Kompanien/Gleichgestellte gebil<strong>de</strong>t.So gab es beispielsweise in einem Verband <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte (1. MSD) 85 FDJ-Gr<strong>und</strong>organisationen, 138 FDJ-Organisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanien/Gleichgestellte <strong>und</strong>254 FDJ-Gruppen. (28)Basierend auf <strong>de</strong>n bereits 1946 vom 1. Parlament <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ beschlossenen „Gr<strong>und</strong>rechten<strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend“ (diese beinhalteten die <strong>politische</strong>n Rechte, das Recht auf <strong>Arbeit</strong><strong>und</strong> Erholung, das Recht auf Bildung, das Recht auf Freu<strong>de</strong> <strong>und</strong> Frohsinn) gab es imgesellschaftlichen Leben eine objektive Gr<strong>und</strong>lage für eine vielschichtige Interessenvertretung<strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendlichen auch in <strong>de</strong>n Streitkräften. Mehr als in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bereichenwur<strong>de</strong> jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Alltag durch eine zunehmen<strong>de</strong> Doktrinierung <strong>de</strong>s Jugendverban<strong>de</strong>sdurch die SED bis in die Basis hinein verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Damit waren ihr Kurs <strong>und</strong>die Begrenzung ihrer Wirksamkeit vorgegeben. Sie sollten eigenverantwortlich Aufgabenbei <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunistischen Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen <strong>und</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong>Erhöhung von Kampfkraft <strong>und</strong> Gefechtsbereitschaft erfüllen. Schwerpunkte warendabei die politisch-i<strong>de</strong>ologische <strong>Arbeit</strong> (z.B. Zirkel junger Sozialisten), Initiativen zurErfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Aufgaben, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestenbewegung <strong>und</strong> im sozialistischenWettbewerb sowie beim Sport, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizeit <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen Betätigung. <strong>Die</strong>FDJ-Organisation konnte auf Gr<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> militärischen Bedingungen in<strong><strong>de</strong>r</strong> NVA die Funktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Interessenvertretung für die jungen Armeeangehörigen nurstark eingeschränkt erfüllen. Auch die Möglichkeiten zur <strong>de</strong>mokratischen Mitbestim-20


mung waren begrenzt bzw. eine Ermessensfrage. <strong>Die</strong> FDJ sollte sich auf die initiativreicheErfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Befehle konzentrieren. Aktivität entwickelte sich stets dann,wenn sinnvolle Vorhaben auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagesordnung stan<strong>de</strong>n. (Da diese Thematik imAbschnitt 4 ausführlicher behan<strong>de</strong>lt wird, kann hier auf eine <strong>de</strong>taillierte Darstellungverzichtet wer<strong>de</strong>n.)<strong>Die</strong> politisch-i<strong>de</strong>ologische <strong>Arbeit</strong> wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei- <strong>und</strong> Armeeführung als einewesentliche Säule im Verbandsleben in <strong>de</strong>n Streitkräften favorisiert. Dazu legte die„FDJ-Instruktion“ fest: „<strong>Die</strong> FDJ-Organisationen konzentrieren ihre <strong>Arbeit</strong> auf diekommunistische Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, ...“ Dazu leisten sie „...eine vielfältigepropagandistische <strong>und</strong> massen<strong>politische</strong> <strong>Arbeit</strong>, die je<strong>de</strong>n jungen Armeeangehörigen,Grenzsoldaten, Zivilbeschäftigten <strong>und</strong> Beschäftigten anspricht, seineInteressen berücksichtigt, ihn zu Parteinahme <strong>und</strong> <strong>politische</strong>m Kämpfertum erzieht<strong>und</strong> seine Siegeszuversicht festigt.“ (29)<strong>Die</strong> wichtigsten Organisationsformen in <strong>de</strong>n FDJ-Organisationen, die das <strong>politische</strong>Interesse wecken <strong>und</strong> befriedigen sollten, waren die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen <strong>und</strong>die „Zirkel junger Sozialisten“. So gab es z.B. im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. MSD im Ausbildungsjahr1987/88 insgesamt 272 Zirkel junger Sozialisten. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits imAbschnitt 1 charakterisierten hohen <strong>politische</strong>n Interessiertheit waren Diskussionenzu aktuell-<strong>politische</strong>n Fragen durchaus gefragt. Es darf in diesem Zusammenhangnicht übersehen wer<strong>de</strong>n, daß es vor allem in <strong>de</strong>n 60er <strong>und</strong> 70er Jahren bei <strong>de</strong>njungen Soldaten eine positive Einstellungen zu <strong>de</strong>n propagierten sozialistischenZielen <strong>und</strong> Werten gab. Mit interessanten Gesprächspartnern auch aus <strong>de</strong>m zivilenBereich, darunter vor allem mit antifaschistischen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standskämpfern <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>erveteranen,mit Spitzensportlern <strong>und</strong> Künstlern gab es nicht nur lebhafte Diskussionen.<strong>Die</strong>se Begegnungen wirkten auch nachhaltig auf die Überzeugungen <strong>und</strong>Einstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Armeeangehörigen. Weniger beliebt waren dagegen Veranstaltungenzur systematischen <strong>politische</strong>n Kenntnisvermittlung. Zunehmend littendiese daran, daß die vorgegebenen Themen in <strong>de</strong>n meisten Fällen nicht die Fragenberührten, die junge Armeeangehörige bewegten <strong>und</strong> auch die Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermittlungnicht ihren Vorstellungen von lebendiger Diskussion entsprach. Problematisch warenvor allem die nach zentralen Vorgaben durchzuführen<strong>de</strong>n „thematischen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen“.Meistens ging es dabei um die Auswertung von Parteitagen o<strong><strong>de</strong>r</strong>ZK-Tagungen bzw. von zentralen FDJ-Initiativen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Delegiertenkonferenzen in <strong><strong>de</strong>r</strong>NVA. Generell erwies sich als problematisch, daß das jugendgemäße Han<strong>de</strong>ln in <strong>de</strong>nFDJ-Organisationen von Ritualen, Zeremonien <strong>und</strong> Strukturformen beherrscht wur<strong>de</strong>,die <strong>de</strong>n Gebaren <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationen entlehnt waren.Hinzu kam, daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen <strong>Arbeit</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sich in <strong>de</strong>n 80er Jahren vollziehen<strong>de</strong>Wan<strong>de</strong>l in <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Armeeangehörigen ungenügend beachtetwur<strong>de</strong>.Bereits mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herbsteinberufung 1980 wur<strong>de</strong> diese Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung sichtbar:- 50 % <strong><strong>de</strong>r</strong> neu einberufenen Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst waren älter als 22Jahre (bei <strong>de</strong>n Landstreitkräften waren es zwei Drittel)- 86 % hatten <strong>de</strong>n Abschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> 10. bzw. 12 Klasse <strong>und</strong> eine abgeschlosseneBerufsausbildung einschließlich einer mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger langen Berufspraxis- 22 % waren bereits verheiratet.<strong>Die</strong>se Soldatengeneration war von <strong>de</strong>n bisher bekannten „jugendgemäßen Formen“in <strong>de</strong>n FDJ-Organisationen nur schwer zu begeistern. Ihren Interessen konntenwe<strong><strong>de</strong>r</strong> die althergebrachten Rituale noch die <strong>politische</strong>n Vorgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> zentralen21


Organe gerecht wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Mehrheit dieser jungen Armeeangehörigen in <strong>de</strong>n FDJ-Organisationen war vor allem an einer sinnvollen Freizeitgestaltung interessiert.Umfang <strong>und</strong> Intensität <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktivitäten auf diesem Gebiet differierten zwischen <strong>de</strong>nFDJ-Organisationen sehr stark. Sie hingen wesentlich von <strong>de</strong>n Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong>Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, vor allem aber vom Engagement <strong><strong>de</strong>r</strong> gewählten Leitungen sowie von <strong>de</strong>nVorgesetzten <strong>und</strong> <strong>de</strong>n übrigen FDJ-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n ab.Welche Rolle die FDJ im Soldatenalltag gespielt hat, wur<strong>de</strong> in unserer Befragungzumin<strong>de</strong>st in einigen wesentlichen Aspekten sichtbar. So erhielten die höchstenBewertungen jene Aktivitäten <strong>de</strong>s Jugendverban<strong>de</strong>s, die die kulturelle <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> dieFreizeitgestaltung beinhalteten. 72,2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 61,9 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldatenbewerten die FDJ-Organisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturarbeit als aktiv, 40,2 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere meinen sogar, sie sei „sehr aktiv“ gewesen. Aktivitäten für dieFreizeitgestaltung wer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ von zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hälfte<strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten attestiert. Weniger günstig <strong>und</strong> zu<strong>de</strong>m auch noch sehr differenziertzwischen <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nstgradgruppen wur<strong>de</strong> das Engagement <strong>de</strong>s Jugendverban<strong>de</strong>s inBezug auf die <strong>politische</strong>n Maßnahmen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Wettbewerb eingeschätzt. Problematischerscheint, daß über die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten kaum Aktivitäten wahrgenommenhat, wenn es um die Durchsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen ging.Nicht zuletzt hierin wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt sich, daß die <strong>politische</strong> Einflußnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Organisationen auf die Gestaltung <strong>de</strong>s Truppenlebens geringer war, als in <strong>de</strong>noffiziellen Dokumenten gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>und</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehrend propagiert wur<strong>de</strong>.Im Soldatenalltag, <strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem geprägt war von <strong>de</strong>n Anstrengungen um hoheKampfkraft <strong>und</strong> Gefechtsbereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheiten <strong>und</strong> Truppenteile, waren auch dieentsprechen<strong>de</strong>n Aktivitäten <strong>und</strong> Initiativen <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Organisationen eingeb<strong>und</strong>en. In<strong><strong>de</strong>r</strong> Ambivalenz von Instrumentalisierung <strong>und</strong> ehrlicher Einsatzbereitschaft war <strong><strong>de</strong>r</strong>Jugendverban<strong>de</strong>s überall da präsent, wo es um die Mobilisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigenging. Generell vermittelt auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldatenalltag <strong>de</strong>n Eindruck, daßeinerseits das FDJ-Leben durch Gängelei <strong>und</strong> <strong>und</strong>emokratische Strukturen sowieviele formale Rahmenbedingungen gekennzeichnet war, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber die FDJ-Organisationen <strong>de</strong>n jungen Armeeangehörigen durch vielfältige Möglichkeiten für dieFreizeitgestaltung, die Bewährung im persönlichen Leistungs- <strong>und</strong> Bildungsstrebenboten. Dafür erhielten sie großzügige materielle <strong>und</strong> finanzielle För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, an <strong><strong>de</strong>r</strong>alle teilhaben konnten. Nicht zuletzt waren die FDJ-Organisationen für die Mehrheit<strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Armeeangehörigen eine Stätte <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Kommunikation, sie för<strong><strong>de</strong>r</strong>tendas Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> Verantwortung für einan<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>und</strong> die Zusammengehörigkeit. Wo dasLeben in <strong>de</strong>n FDJ-Organisationen aktiv <strong>und</strong> gut organisiert war, bot es <strong>de</strong>m Soldatendas Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgestaltung in seiner unmittelbaren Lebenswelt. Zweifellos trug diesauch zu einer Gr<strong>und</strong>erfahrung vieler ehemaliger Angehöriger <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA bei, <strong><strong>de</strong>r</strong>Geborgenheit im Kollektiv.4. Zur <strong>de</strong>mokratischen Mitbestimmung<strong>Die</strong> gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbestimmung liegt im Wehrdienstgesetz. Das Wehrdienstgesetz<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR vom 25. März 1982 <strong>de</strong>finiert im § 24 Umfang <strong>und</strong> Hauptformen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>mokratischen Mitbestimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen. „<strong>Die</strong> Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong>Nationalen Volksarmee sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben berechtigt <strong>und</strong> verpflichtet,<strong>de</strong>n Wehrdienst initiativreich mitzugestalten. Das erfolgt vor allem durch die exakte<strong>und</strong> schöpferische Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Befehle <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten. Außer<strong>de</strong>m geschieht dasdurch die Teilnahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Organisationen, am22


sozialistischen Wettbewerb <strong>und</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerer sowie durch die Verwirklichung<strong>de</strong>s Rechtes auf Eingaben <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n.“ (30)Genauer ausgearbeitet <strong>und</strong> formuliert wur<strong>de</strong>n dieses Recht <strong>und</strong> diese Pflicht in Vorschriften<strong>und</strong> Direktiven <strong>de</strong>s Ministers für Nationale Verteidigung <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Chefs <strong><strong>de</strong>r</strong>Politischen Hauptverwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA.Allerdings wird schon im Gesetz <strong>und</strong> noch stärker in <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Vorschriften<strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptakzent auf die Pflicht zur Befehlserfüllung gelegt, wodurch Initiativengebremst <strong>und</strong> restriktiver Behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Mitgestaltungsrechte“ Tür <strong>und</strong> Tor geöffnetwur<strong>de</strong>n. Das zeigte sich nebenbei bemerkt auch an <strong>de</strong>m in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA gängigenSlogan: „Demokratie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Armee? Das ist initiativreiche Erfüllung aller Befehle <strong>und</strong>nichts weiter!“.Aus Aktenanalysen <strong>und</strong> Befragungen von Armeeangehörigen läßt sich aber auchschließen, daß generell <strong><strong>de</strong>r</strong> Wille <strong>und</strong>, vornehmlich für Berufssoldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere,auch die Möglichkeiten zur Mitgestaltung gegeben waren. Aus <strong>de</strong>n von unsdurchgeführten Befragungen geht hervor: Nur knapp 5 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten <strong>und</strong>etwa 3 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere gaben an, Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgestaltung im allgemeinennicht gehabt zu haben <strong>und</strong> nur 0,5 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten sowie 1 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere bekannten, nicht daran interessiert gewesen zu sein.Wesentlich problematischer war das für die Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst. Hiererklärte nur je<strong><strong>de</strong>r</strong> fünfte, die Möglichkeit generell gehabt zu haben; zu bestimmtenFragen konnten sich knapp 36 % einbringen. Aber ca. 38 % erlebten dieseMöglichkeit nicht <strong>und</strong> ca. 7 % waren daran auch nicht interessiert. Aber auch dieBereiche, in <strong>de</strong>nen die Mitgestaltung möglich war, zeigten sich sehr differenziert nachThemen wie auch nach Einheiten <strong>und</strong> Truppenteilen.Generell zeigt die Auswertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung über alle Teilnehmergruppen, daß dasThema Führungstätigkeit <strong>und</strong> Verhalten von Vorgesetzten am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeitsskalastand: Selbst bei <strong>de</strong>n Berufssoldaten, die immerhin noch zu knapp 60% die Möglichkeit bejahten, liegt dieser Bereich mit fast 40 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussagen über dieUnmöglichkeit, Meinungen zur Führungstätigkeit zu äußern, weit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong><strong>de</strong>r</strong>negativen Bewertungen. Bei <strong>de</strong>n Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Unteroffizierenäußerten ca. 60 % diese Meinung.Daß diese Aussagen für Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> anunserer Befragung Beteiligten durchaus repräsentativ sind, wird durch einesoziologische Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Hauptverwaltung aus <strong>de</strong>m Jahre 1989zur Menschenführung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee gestützt: Hier betonten 42 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst <strong>und</strong> 30 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere, daß ihre Initiativen wenigo<strong><strong>de</strong>r</strong> gar nicht gefragt waren. (31) Dementsprechend mangelte es auch über <strong><strong>de</strong>r</strong>Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst <strong>und</strong> fast 40 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere an Vertrauenzum Vorgesetzten. (32)Während in <strong>de</strong>n Vorschriften Aktivitäten <strong>und</strong> Initiativen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>und</strong>Gefechtsausbildung sowie im sozialistischen Wettbewerb als Hauptfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Mitbestimmung postuliert wer<strong>de</strong>n, erscheinen diese Bereiche im Erleben <strong><strong>de</strong>r</strong>Armeeangehörigen eher zweitrangig. An <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze stehen bei allen Befragten dieBeziehungen im Kollektiv, die Freizeitgestaltung, Kultur- <strong>und</strong> Sportarbeit; danacherschien – allerdings schon <strong>de</strong>utlich abgesetzt – <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb. <strong>Die</strong> <strong>politische</strong> <strong>und</strong>Gefechtsausbildung rangieren – wenn auch nicht als <strong><strong>de</strong>r</strong>art gering eingeschätzt – vor<strong><strong>de</strong>r</strong> Führungstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten. Selbst bei <strong>de</strong>n Berufssoldaten, wo die23


Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme generell höher eingeschätzt wird, ist die Reihenfolge<strong><strong>de</strong>r</strong> Bereiche, in <strong>de</strong>nen Initiative <strong>und</strong> Mitgestaltung möglich sind, die gleiche.Schlußfolgernd könnte man zunächst festhalten: Es gab in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmeedurchaus Möglichkeiten für <strong>de</strong>mokratische Mitbestimmung <strong>und</strong> Initiativen. Siewaren aber dort am größten, wo es um Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen im eigenen Kollektiv ging,was übrigens auch die Einschätzungen von Versammlungen <strong>und</strong> Aktivitäten <strong><strong>de</strong>r</strong>SED- <strong>und</strong> FDJ-Organisationen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegeln. Je stärker <strong>Probleme</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verantwortungvon höheren Vorgesetzten <strong>und</strong> Stäben lagen, <strong>de</strong>sto geringer wur<strong>de</strong>n dieMöglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis, darauf Einfluß zu nehmen.<strong>Die</strong> exakte <strong>und</strong> schöpferische Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Befehle – in diesem Zusammenhang alsInitiativen zur Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> Effektivität <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung <strong>und</strong> zur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong><strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong> Lebensbedingungen zu verstehen – verwirklichte sich zumeist imdirekten Gespräch mit <strong>de</strong>m Vorgesetzten, zu einem geringen Teil über das Auftretenin <strong>Die</strong>nstversammlungen bzw. –beratungen, zu einem großen Teil jedoch auch überdie Mitarbeit in gesellschaftlichen Organisationen. Hier spielten – wie bereits anan<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stelle betont – vor allem die Parteiorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED, aber zum Teilauch die FDJ-Organisationen eine positive Rolle.Für die Berufssoldaten, aber auch für einen großen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere waren die Parteiorganisationen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Versammlungen dieHauptmöglichkeit für Meinungsäußerungen, Adressat für Kritiken <strong>und</strong> für Hinweise.Durch sie konnten auch vielfach Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen erreicht wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Organisationen wird mehrheitlich als nicht so be<strong>de</strong>utend für Mitwirkungs- <strong>und</strong>Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsmöglichkeiten eingeschätzt.Das war sicher auch abhängig von <strong>de</strong>n Fähigkeiten <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Engagement <strong><strong>de</strong>r</strong>Funktionäre, ergab sich aber auch daraus, daß im Unterschied zu <strong>de</strong>n zentralenEinschätzungen über die FDJ als „Kampfreserve <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei“ <strong><strong>de</strong>r</strong>en Möglichkeiten zuaktiver Mitbestimmung nicht unbedingt für die Hauptfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s militärischen Lebensgegeben waren.Insgesamt zeigt auch die Befragung zu <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>und</strong> Wegen, Meinungen,I<strong>de</strong>en <strong>und</strong> Kritiken zum Geschehen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit zu äußern, die oben dargestellteStruktur. (33) Ein differenziertes Bild ergibt sich hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Akzeptanz <strong><strong>de</strong>r</strong>Meinungen <strong>und</strong> Hinweise. So meinten nur etwa ein Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten<strong>und</strong> knapp die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> Berufssoldaten, daß ihre Hinweise <strong>und</strong>Kritiken im allgemeinen akzeptiert wur<strong>de</strong>n; 70 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> etwas mehr alsdie Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> Offiziere erklärten, daß das vom Gegenstandabhängig gewesen sei, nur 4,3 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten erlebten, daß ihre Meinung in <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel nicht akzeptiert wur<strong>de</strong>.Bei aller Differenziertheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung von Mitwirkungsmöglichkeiten muß manalso einräumen, daß ein beträchtlicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen Ernsthaftigkeit imUmgang mit seinen Meinungen erlebte, <strong>und</strong> fast alle übrigen hatten abhängig vomGegenstand sowohl positive als auch negative Erfahrungen.Hier liegt übrigens ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Problem: Fragen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wennsie die Beziehungen im Kollektiv sowie die Kultur- <strong>und</strong> Sportarbeit betrafen, konnten– wie schon betont – zumeist offen <strong>und</strong> auch erfolgsorientiert erörtert wer<strong>de</strong>n.Problematischer wur<strong>de</strong> es, sobald es um die Führungstätigkeit von Vorgesetzten, dieLage in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR sowie um Gr<strong>und</strong>fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> SED ging. In diesen Fällenwaren die Möglichkeiten für Diskussionen <strong>und</strong> Meinungsäußerungen selbst in <strong>de</strong>nParteiorganisationen äußerst gering. Nur knapp 20 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten gaben an,24


daß zu <strong>de</strong>n letztgenannten Fragen in <strong>de</strong>n Versammlungen offen <strong>und</strong> uneingeschränktdie Meinung geäußert wer<strong>de</strong>n konnte. In einer Frage jedoch gab es keineno<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st kaum Zweifel bei <strong>de</strong>n Armeeangehörigen: zur Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>sAuftrages von Partei <strong>und</strong> Staat, <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> das friedliche Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger zuschützen. Noch 1989 erklärten bei einer soziologischen Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> PolitischenHauptverwaltung 73 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, 89 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 95 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Fähnriche, bereit zu sein, bei einer Aggression gegen die DDR entschlossen zukämpfen. (34)Für <strong>de</strong>n gesamten Komplex muß allerdings auch vermerkt wer<strong>de</strong>n, daß viel von <strong><strong>de</strong>r</strong>Persönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgesetzten <strong>und</strong> Funktionäre sowie von <strong><strong>de</strong>r</strong> durch sie geschaffenenAtmosphäre in <strong>de</strong>n Einheiten <strong>und</strong> Kollektiven abhing. So ist es u. E. auchinteressant, daß ca. 15 bis 20 % aller Befragten angaben, ihre Vorgesetzten hättendie I<strong>de</strong>en <strong>und</strong> Vorschläge <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterstellten geachtet <strong>und</strong> das vertrauensvolle Gesprächmit ihnen gesucht. Ca. 20 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, über ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere<strong>und</strong> ca. 30 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten konstatierten ein ausgeprägtes Vertrauensverhältniszueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Kollektiven bzw. zwischen <strong>de</strong>n Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligenGruppe von Befragten. Zur Gesamtbeurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zwischen <strong>de</strong>nArmeeangehörigen muß jedoch hinzu gefügt wer<strong>de</strong>n, daß, wenn auch mit gewissenEinschränkungen, auch noch bei unseren Befragungen 1998 über zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten, über die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> ca. 60 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten einevertrauensvolle Atmosphäre in ihren Kollektiven erlebten. (35) <strong>Die</strong>se Angabenscheinen uns auch mit jenen Aussagen zu korrespondieren, die die Möglichkeit eineroffenen Diskussion in <strong>de</strong>n Kollektiven angaben.Bestandteil <strong>de</strong>s Rechtes auf <strong>de</strong>mokratische Mitbestimmung war zweifellos das Rechtauf Eingaben <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>ses Recht war <strong>de</strong>m Armeeangehörigenentsprechend <strong>de</strong>s Wehrdienstgesetzes <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DV 10/0/003 (Innendienstvorschrift)gegeben. Beschwer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Eingaben waren im allgemeinen an <strong>de</strong>n unmittelbarenVorgesetzten heranzutragen, Beschwer<strong>de</strong>n über einen Vorgesetzten an die nächsthöhere Instanz. <strong>Die</strong> Bearbeitung hatte laut Vorschrift innerhalb von drei Wochen zuerfolgen; zumin<strong>de</strong>st war innerhalb dieser Frist <strong>de</strong>m Beschwer<strong>de</strong>führen<strong>de</strong>n einZwischenbescheid zu erteilen. <strong>Die</strong>se Bestimmungen entsprachen im wesentlichen<strong><strong>de</strong>r</strong> gesamtgesellschaftlichen Gesetzeslage über <strong>de</strong>n Umgang mit Eingaben <strong>und</strong>Beschwer<strong>de</strong>n.Das Recht auf Eingaben <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> laut unserer Umfrage, aber auchentsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktenlage über alle Jahre hinweg von einem beträchtlichen Teil<strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen wahrgenommen. Dabei muß allerdings – auch im Sinne<strong>de</strong>mokratischer Mitwirkung – beachtet wer<strong>de</strong>n, daß Eingaben nicht einfach mit Kritiko<strong><strong>de</strong>r</strong> Beschwer<strong>de</strong>führung gleichgesetzt wer<strong>de</strong>n dürfen. Eingaben waren zumin<strong>de</strong>stbis 1980 auch Vorschläge <strong>und</strong> Initiativen zur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong> . 1980 verweisteine Jahresanalyse <strong>de</strong>s Kommandos <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte darauf, daß z.B. Initiativenaus <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>enwettbewerb <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ nicht mehr als Eingaben gewertet wer<strong>de</strong>n. (36)Von <strong>de</strong>n durch uns befragten Armeeangehörigen gaben ca. 20 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, 36 %<strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 58 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten an, ihr Recht auf Eingaben <strong>und</strong>Beschwer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit ihres <strong>Die</strong>nstes einmal bzw. mehrmals wahrgenommen zuhaben. Das korrespondiert mit <strong>de</strong>n Analysen von Stäben <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee.So zeigen Analysen <strong>de</strong>s Kommandos Landstreitkräfte über <strong>de</strong>n Zeitraum von1982 bis 1988 jährlich <strong>de</strong>utlich über 1 000 Beschwer<strong>de</strong>n von Soldaten, eine ähnlichhohe Zahl bei Unteroffizieren <strong>und</strong> Berufssoldaten, was angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichenPersonalstärken in diesen Gruppen zu ähnlichen Anteilen führen kann.(37)25


Inhaltlich waren alle Eingaben <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n entsprechend <strong>de</strong>n jeweiligenRahmenbedingungen in <strong>de</strong>n Einheiten <strong>und</strong> Truppenteilen unterschiedlich. Als Hauptbereichekristallisierten sich dabei jedoch heraus:1. Fragen zur Versorgung, <strong>und</strong> das nicht nur mit Industriewaren <strong>und</strong> Lebensmittelnin <strong>de</strong>n Verkaufsstellen <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärhan<strong>de</strong>lsorganisation, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch mitnotwendigen Ausrüstungs- <strong>und</strong> Verbrauchsmitteln für die Truppen. In dieserHinsicht war die Nationale Volksarmee – abgesehen von einigen wenigenPrivilegierten – durchaus ein Spiegelbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnisse im zivilen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR.2. Fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichteinhaltung von militärischen Bestimmungen3. Versetzungen <strong>und</strong> Versorgung mit Wohnraum am <strong>Die</strong>nstort bei Berufssoldaten4. Verletzungen von Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong> mit <strong>de</strong>m Menschen.<strong>Die</strong> Praxis <strong>de</strong>s Umgangs mit Eingaben <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n durch die Vorgesetztenwar teilweise recht restriktiv. So berichteten Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Kameradschaften Ehemaligeu.a. an unsere <strong>Arbeit</strong>sgruppe, daß auf Eingaben von Familienangehörigendurchaus auch mit unmotivierten Versetzungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zurückstellung von Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungenreagiert wur<strong>de</strong>. Es gab bis 1989 auch keine einklagbaren Rechte o<strong><strong>de</strong>r</strong> direkte<strong>de</strong>mokratische Vertretungskörperschaften für die Armeeangehörigen. Dennoch erklärtenfast zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Unteroffiziere <strong>und</strong> Berufssoldaten, daß ihreBeschwer<strong>de</strong>n zu Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen geführt hätten. Nur etwas über 10 % erklärten, daßBeschwer<strong>de</strong>n als unberechtigt zurückgewiesen o<strong><strong>de</strong>r</strong> überhaupt nicht beachtetwor<strong>de</strong>n seien. Auch hier wird <strong>de</strong>utlich, daß viele, die Anlaß zur Beschwer<strong>de</strong> hatten,<strong>de</strong>n Weg über das direkte Gespräch mit einem vertrauenswürdigen Vorgesetzten,Polit- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Parteifunktionär suchten. So erklärten 56,3 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten <strong>und</strong>15 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere, sich an einen Vorgesetzten gewandt zu haben, <strong>und</strong> je12,5 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten an <strong>de</strong>n Politstellvertreter o<strong><strong>de</strong>r</strong> einen Parteifunktionär.Vertrauen in <strong>de</strong>n FDJ-Sekretär o<strong><strong>de</strong>r</strong> einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en FDJ-Funktionär setzten lediglicheinige <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten, jedoch keiner <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere o<strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten.<strong>Die</strong> Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten gab an, daß ihre Beschwer<strong>de</strong>n nicht beachtetwur<strong>de</strong>n; ein Viertel erlebte, daß sie als unberechtigt zurückgewiesen wur<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> nurdas restliche Viertel konnte auf positive Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>info</strong>lge ihrer Eingaben verweisen.Da auch aus <strong>de</strong>m Aktenstudium hervorgeht, daß sich Beschwer<strong>de</strong>n vonSoldaten häufig um <strong>de</strong>n Umgang mit Unterstellten drehten – Vorenthaltung vonRechten z.B. auf Ausgang <strong>und</strong> Urlaub, Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Soldaten o.ä. –scheint uns dieses Verhältnis symptomatisch.Das wird auch dadurch bestärkt, daß in Analysen von Führungsorganen <strong><strong>de</strong>r</strong> NationalenVolksarmee <strong>und</strong> Kontrollorganen <strong>de</strong>s ZK <strong><strong>de</strong>r</strong> SED in <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong>Existenz <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA als Wehrpflichtarmee wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt kritisiert wird, (38)- daß die <strong>Arbeit</strong> mit <strong>de</strong>m Menschen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanie das schwächste Glied sei, alsalleiniges Ressort <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Politorgane betrachtet wird;- daß Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten verletzt wer<strong>de</strong>n, sie mit <strong>de</strong>m Familiennamen ohne<strong>Die</strong>nstgrad angesprochen <strong>und</strong> geduzt wer<strong>de</strong>n, Hygienemängel zugelassen wer<strong>de</strong>n;- daß das Verhältnis Vorgesetzte – Unterstellte von letzteren überwiegend negativgesehen wird. Auch in unserer Befragung erklärten immerhin fast 15 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten, daß sich die Vorgesetzten ihnen gegenüber selten o<strong><strong>de</strong>r</strong> nie dienstlichkorrekt verhielten;26


- daß die Vorgesetzten in einer Reihe von Fällen sogenannte Vorrechte älterer<strong>Die</strong>nsthalbjahre nicht nur dul<strong>de</strong>ten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sogar als „Mittel zur Disziplinierung<strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen“ tolerierten.Insgesamt lassen die Untersuchungsergebnisse zum einen <strong>de</strong>n Schluß zu, daß dasin <strong><strong>de</strong>r</strong> Innendienstvorschrift verbürgte Recht auf Eingaben <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n dochauch häufig als „letztmögliches Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgestaltung“ von <strong>de</strong>n Armeeangehörigenbetrachtet <strong>und</strong> wahrgenommen wur<strong>de</strong>, wenngleich sie durchaus auch mit Ablehnungo<strong><strong>de</strong>r</strong> gar persönlichen Nachteilen rechnen mußten. Letzteres war durchaus nichtunwahrscheinlich. Immerhin unterließen nach ihren Angaben bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung etwaein Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst, 13 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> noch 5 %<strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten trotz vorhan<strong>de</strong>ner Veranlassung eine Beschwer<strong>de</strong>, da sie persönlicheNachteile befürchteten.Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erweist sich, daß Erfolg im Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zumin<strong>de</strong>st zu einem nichtunerheblichen Teil vom Status <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führers abhängig war. Je geringer<strong>und</strong> untergeordneter die Stellung <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>führen<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>sto geringer warauch die Aussicht auf Erfolg. (Das soll übrigens in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Armeen auch nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>ssein <strong>und</strong> ist wohl auch ein Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> streng hierarchischen Ordnung in <strong>de</strong>nStreitkräften.)Bemerkenswert scheint uns auch die von ehemaligen NVA-Angehörigen geäußerteErfahrung, daß gera<strong>de</strong> die Bausoldaten in hohem Maße von ihrem Recht aufBeschwer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Eingaben Gebrauch gemacht hätten, bis hin zu Beschwer<strong>de</strong>nbeim Minister o<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsrat. Ohnehin häufig stigmatisiert, zeigten sie wahrscheinlichweniger Skrupel beim Gebrauch ihres Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echtes. <strong>Die</strong>se Eingaben betrafenzumeist die Einhaltung von <strong>Die</strong>nstvorschriften, die <strong>Arbeit</strong> mit <strong>de</strong>n Menschen <strong>und</strong>Versorgungsfragen. In einem Artikel von Fischer/Wendt wird anhand von Akten z.B.konstatiert, daß es im Baupionierbataillon 44 im Ausbildungsjahr 1986/87 insgesamt71 Eingaben gegeben hat. Daran waren die Bausoldaten mit 83 % beteiligt. 1987/88waren es im gleichem Bataillon 179 Eingaben, 122 davon kamen von Bausoldaten.(39)Schließlich zeigte sich auch beim Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt, daß die wirkungsvollsteMöglichkeit, sich mit Kritiken <strong>und</strong> Beschwer<strong>de</strong>n durchzusetzen, die Einschaltung <strong><strong>de</strong>r</strong>jeweiligen Parteileitung <strong><strong>de</strong>r</strong> SED bzw. – bei SED-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n – die Nutzung <strong><strong>de</strong>r</strong>Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei war.Als wesentlicher Bereich <strong>de</strong>mokratischer Mitwirkung galt in <strong><strong>de</strong>r</strong> NationalenVolksarmee <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistische Wettbewerb. Er wur<strong>de</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n 80er Jahren,als Diskussionen über mehr Demokratie in <strong>de</strong>n Streitkräften Raum griffen, sogar zumInbegriff <strong>de</strong>mokratischer Mitwirkung hochstilisiert. Gr<strong>und</strong>lage für <strong>de</strong>n sozialistischenWettbewerb war die Wettbewerbsdirektive <strong>de</strong>s Ministers für Nationale Verteidigung.(40)Als Ziele <strong>de</strong>s Wettbewerbs bezeichnete sie die erfolgreiche Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischenHauptaufgabe, die Entwicklung schöpferischer Initiativen, die weitereHerausbildung sozialistischen Bewußtseins, Durchsetzung militärischer Disziplin <strong>und</strong>Ordnung, Entwicklung sozialistischer Beziehungen in <strong>de</strong>n Streitkräften, die weitereEntfaltung <strong>de</strong>s geistigen, kulturellen <strong>und</strong> sportlichen Lebens sowie die Verbesserung<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebens-, Umwelt- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sbedingungen.Als wesentliche Bestandteile <strong>de</strong>s sozialistischen Wettbewerbs wur<strong>de</strong>n die Besten<strong>und</strong>die Neuererbewegung betrachtet. Der Titel „Bester“ für Soldaten, Unteroffiziere<strong>und</strong> Berufssoldaten war durch persönliche beste Leistungen entsprechend gegebe-27


nen Normativen zu erreichen. Unteroffiziere in Komman<strong>de</strong>ursfunktionen hattendarüber hinaus mit ihren Einheiten gute <strong>und</strong> sehr gute Leistungen zu erzielen. DerTitel „Beste Einheit“ (für Gruppen <strong>und</strong> Gleichgestellte) war mit guten Leistungen in<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung erreichbar, wobei min<strong>de</strong>stens 50 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen <strong>de</strong>n Titel„Bester“ erreicht haben sollten.Für <strong>de</strong>n Zug, die Kompanie, <strong>de</strong>n Truppenteil waren zusätzliche Aufgaben zur Erfüllung<strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsausbildung unter allen Lagebedingungen zu bewältigen, gute <strong>und</strong>sehr gute Leistungen bei taktischen Übungen sowie eine aktive Neuerertätigkeitnachzuweisen. Geführt wer<strong>de</strong>n sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb durch die Chefs, Leiter <strong>und</strong>Komman<strong>de</strong>ure in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Politorganen sowie <strong>de</strong>n Partei- <strong>und</strong> FDJ-Organisationen.<strong>Die</strong> Auswertung <strong>de</strong>s Wettbewerbs sollte differenziert nach Kommandohöhen wie folgtvorgenommen wer<strong>de</strong>n:- im Ministerium für Nationale Verteidigung <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Teilstreitkräften einmaljährlich;- in Verbän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Gleichgestellten zweimal jährlich;- in Hochschuleinrichtungen nach Abschluß <strong>de</strong>s Lehrjahres;- in Truppenteilen zweimal jährlich <strong>und</strong> zu <strong>politische</strong>n <strong>und</strong> militärischen Höhepunkten;- im Bataillon <strong>und</strong> Gleichgestellten zweimal im Ausbildungsjahr;- in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanie monatlich;- im Zug alle zwei Wochen <strong>und</strong>- in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe wöchentlich.Im Rahmen <strong>de</strong>s Wettbewerbs spielten die Selbstverpflichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen,die <strong>Arbeit</strong> nach einem sogenannten persönlichen Kompaß (beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s fürSoldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere) eine große Rolle. Im „Kompaß“ sollten die Verpflichtungenfestgehalten <strong>und</strong> nach ihm sollte auch abgerechnet wer<strong>de</strong>n.Der Kampf um die Erringung <strong><strong>de</strong>r</strong> sogenannten fünf Soldatenauszeichnungen (41),die Verwirklichung von Jugendobjekten <strong>und</strong> Initiativen <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ, die Neuerertätigkeit,die auch auf <strong>de</strong>n „Messen <strong><strong>de</strong>r</strong> Meister von morgen“ mit ihren Ergebnissen vorgestelltwur<strong>de</strong>, sowie bestimmte Wettbewerbskampagnen (42) bestimmten <strong>de</strong>n Inhalt vielerKampfprogramme von Armeeangehörigen <strong>und</strong> Kollektiven.Für einen gewissen materiellen Anreiz sorgten Prämien, die für beson<strong><strong>de</strong>r</strong>eLeistungen ausgeschrieben waren. (43) <strong>Die</strong> Erreichung von Klassifizierungen fürvorbildliche militär-technische Leistungen in <strong>de</strong>n Klassen I bis III wur<strong>de</strong>n mit einmaligenPrämien von 200,- Mark (Klasse III) bis 400,- Mark (Klasse I) belohnt; für<strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>s Titels „Bester“ bzw. „Bester Gruppenführer“, „Bester Hauptfeldwebel“,„Bester Zugführer“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Bester Kompaniechef“ wur<strong>de</strong>n in Stufen von100,- Mark zwischen 100,- Mark („Bester“) <strong>und</strong> 500,- Mark (“Bester Kompaniechef“)gezahlt; beste Einheiten <strong>und</strong> Truppenteile wur<strong>de</strong>n außer mit Urk<strong>und</strong>en auch mitKollektivprämien bzw. durch Bereitstellung von zusätzlichen Prämienmitteln geehrt.Allerdings war <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb <strong>info</strong>lge von Überorganisation, Schematismus <strong>und</strong>auch Orientierung auf Nebensächlichkeiten nicht so wirksam, wie es die <strong>politische</strong><strong>und</strong> militärische Führung erwarteten. Teilweise nahm er direkt kontraproduktive Zügean. Zahlenhascherei, formales Streben nach guten Noten waren nicht selten <strong>und</strong>28


manchmal gab es auch Betrug. Über ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Berufssoldaten <strong>und</strong>Unteroffiziere sowie mehr als die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten nannten bei unserenBefragungen solche Erfahrungen. Fast 10 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> sogar mehr als einProzent <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten – die ja <strong>de</strong>n Wettbewerb eigentlich mit führen sollten –erklärten, von diesem nichts gemerkt zu haben. <strong>Die</strong>se Mängel gehen übrigens auchaus <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktenlage hervor. So bemängelten Inspektionen in <strong><strong>de</strong>r</strong> 11. mot. Schützendivisionim Jahre 1982 <strong>und</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Luftverteidigungsdivision im Jahre 1984 Formalismus<strong>und</strong> fehlen<strong>de</strong> Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse <strong>de</strong>s Wettbewerbs. (44) Kontrollen <strong><strong>de</strong>r</strong>Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> 7. Panzerdivision ergaben, daß Bestentitel verliehen wur<strong>de</strong>n, obwohllaut Leistungsnachweis die dazu notwendigen Kriterien nicht erfüllt wur<strong>de</strong>n. (45) Und– um ein letztes Beispiel zu nennen – in einer sozialogischen Untersuchung aus <strong>de</strong>mJahre 1984 beklagten 6 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> über 10 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere, daß eskeine systematische Auswertung <strong>de</strong>s sozialistischen Wettbewerbs gäbe, <strong>und</strong> rd. 15% <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere bemängelten, daß keine klare Aufgabenstellungerfolge. (46)Es wäre allerdings falsch zu glauben, daß die Wettbewerbsbewegung in <strong><strong>de</strong>r</strong>Nationalen Volksarmee nur von solchen negativen Erscheinungen bestimmt gewesenwäre. Sie war formal von <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmerzahl her sogar eine Massenbewegung.In einer Militärratsvorlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte von 1981 wird festgestellt, daß 85 %<strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Landstreitkräften am Wettbewerb teilnahmen. (47) Und 61% <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten, 54 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere sowie noch fast ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten meinten laut unserer Befragung, daß mit <strong>de</strong>m Wettbewerb bessereAusbildungsergebnisse erreicht wur<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits erwähnten soziologischenBefragung von ca. 5000 Armeeangehörigen im Oktober 1984 sahen sogar etwa 80% <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere positive Auswirkungen für die Gefechtsausbildung<strong>und</strong> ca. 80 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten sowie über 90 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere schätzten auch ein,daß ihre Leistungen anerkannt wur<strong>de</strong>n. Etwa 60 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> 70 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere meinten sogar, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb mache ihr Leben interessanter. (48)Obwohl es zu Formalismus <strong>und</strong> Betrug im Wettbewerb kam, be<strong>de</strong>utet das nicht, daßdiese Erscheinungen dominierten. So berichtet <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Komman<strong>de</strong>ur <strong>de</strong>sKRR-18 noch 1999 in seinen Erinnerungsbuch, daß <strong>und</strong> wie sein Truppenteil <strong>und</strong> erselbst um <strong>de</strong>n Titel „Bester Truppenteil“ im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes gekämpfthaben. Zwar beklagt er ermü<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s, formalisiertes Vokabular <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbsdokumente,das eher abstoßend als motivierend wirkte. Aber es gab eben auch diean<strong><strong>de</strong>r</strong>e Seite, die mit Mühe <strong>und</strong> enormen Einsatz erzielten Ergebnisse für die Erhöhung<strong><strong>de</strong>r</strong> Gefechtsbereitschaft <strong>und</strong> die Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong> Lebensbedingungen<strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen. Er führt z.B. einerseits <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>s Nahausbildungsgelän<strong>de</strong>s<strong>und</strong> die Schaffung von Anschauungsmitteln über Schießverfahren<strong>und</strong> die möglichen Operationszonen <strong>de</strong>s Regiments an, an<strong><strong>de</strong>r</strong>seits aber auch <strong>de</strong>nBau von Kleinsportanlagen <strong>und</strong> einer neuen Unterkunft für das Wachpersonal <strong><strong>de</strong>r</strong>technischen Zone. Und das alles aus eigener Kraft ohne finanzielle o<strong><strong>de</strong>r</strong> materielleUnterstützung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft. (49)Durch <strong>de</strong>n Wettbewerb wur<strong>de</strong>n überhaupt auch erhebliche materielle Ergebnisseerzielt, Das unterstreicht z.B. die bereits genannte Militärratsvorlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräftevom Oktober 1981. Hier wird festgestellt, daß durch 1.200 Fahrer vonPanzern, Schützenpanzern <strong>und</strong> Kraftfahrzeugen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative „Ich fahre <strong>de</strong>nrationellsten Kilometer“ 699 000 Liter Vergaserkraftstoff <strong>und</strong> 632 000 Liter <strong>Die</strong>selkraftstoffeingespart wer<strong>de</strong>n konnten. (50)Allerdings waren auch hier, trotz allen Wettbewerbseifers z.T. negative Begleitumstän<strong>de</strong>nicht zu übersehen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> sogenannten Rompe-Bewegung – benannt29


nach ihrem Initiator, <strong>de</strong>m Feldwebel Rompe – ging es neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Einsparung vonKraftstoff auch um die Verlängerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nutzungszeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik. Das führte, da dieTechnik z.T. nur gepflegt, aber notwendige Reparaturen „eingespart“ wur<strong>de</strong>n,manchmal in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konsequenz zum früheren Verschleiß statt zur längeren Nutzung<strong><strong>de</strong>r</strong> Technik.Der individuelle Bestentitel ließ sich jedoch für die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigenkeineswegs mit einem kleinen Spaziergang o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch reinen „Papierkrieg“erreichen. Fast zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere erklärten bei unsererBefragung, daß es große Anstrengungen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te, diesen Titel zu erreichen. Undauch die Analysen in <strong>de</strong>n Truppenteilen, Verbän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Teilstreitkräften zeigten,daß durchaus nicht alle eingegangenen Verpflichtungen erfüllt wer<strong>de</strong>n konnten. Daslag neben schlechten Rahmenbedingungen auch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einzelnerArmeeangehöriger. So erklärten bis zu einem Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten, 16,5 %<strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> knapp 5 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten, vergeblich versucht zu haben,eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldatenauszeichnungen zu erringen. <strong>Die</strong> meisten erfolglosen Versuchegab es übrigens beim Kampf um die Schützenschnur.Eine Analyse <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. mot. Schützendivision für das Ausbildungsjahr 1980/81 konstatiertbei 21006 eingegangenen Einzel- <strong>und</strong> Kollektivverpflichtungen einen Erfüllungsstandvon 71 % (14.851 Verpflichtungen). (51) Im mot. Schützenregiment 1 wur<strong>de</strong> imAusbildungsjahr 1983/84 bei <strong>de</strong>n FDJ-Initiativen ein durchschnittlicher Erfüllungsstandvon rd. 45 % erreicht. (52)Großen Raum im sozialistischen Wettbewerb – wenn auch von <strong>de</strong>n Soldaten nichtimmer als Wettbewerbsbestandteil erkannt – nahm <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampf um die fünf Soldatenauszeichnungenein. Er hatte auch einen nicht zu unterschätzen<strong>de</strong>n Einfluß auf dieQualität <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung.<strong>Die</strong> Soldatenauszeichnungen waren bei <strong>de</strong>n Armeeangehörigen sehr begehrt <strong>und</strong> alsKennzeichen militärischer Qualifikation geachtet. Ihr Erwerb erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te nach Meinung<strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen große Anstrengungen <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> auch kaum manipuliert.Den höchsten Stellenwert unter <strong>de</strong>n Soldatenauszeichnungen besaß die Schützenschnur,für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erwerb es nicht nur durchgängig sehr guter Schießergebnisse bei<strong>de</strong>n planmäßigen Übungsschießen bedurfte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gute Ergebnisse auch beispeziell dafür zu absolvieren<strong>de</strong>m schwierigeren Schießen voraussetzte. Wenn je<strong><strong>de</strong>r</strong>zweite <strong><strong>de</strong>r</strong> befragen Soldaten die Schützenschnur errungen haben will <strong>und</strong> zweisogar mehrfach, erscheint das <strong>de</strong>shalb viel. Ein Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten gibt an, erfolglosversucht zu haben, die Schützenschnur zu erringen. Von <strong>de</strong>n Unteroffizieren gabensogar 75 % an, im Besitz <strong><strong>de</strong>r</strong> Schützenschnur gewesen zu sein, weitere 17 % habensich erfolglos darum bemüht. Auch 34 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten haben <strong>de</strong>n Kampf umdie Schützenschnur aufgenommen, 30 % mit Erfolg.Um eine Qualifizierungsspange haben sich fast drei Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten,83 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 74 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten bemüht, <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegen<strong>de</strong> Teilhatte dabei Erfolg. Das Militärsportabzeichen – in <strong>de</strong>n 70er Jahren mit höheren <strong>und</strong>zum Teil militärspezifischen Normen anstelle <strong>de</strong>s allgemeinen Sportabzeichens <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR eingeführt – wollten ebenso viele Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere sowie 84 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Berufssoldaten erwerben. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> zweite von uns befragte Soldat, drei von vierUnteroffizieren <strong>und</strong> vier von fünf Berufssoldaten trugen das Abzeichen. Einzige nichtmit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfüllung militärischer Normen verb<strong>und</strong>ene Auszeichnung im Wettbewerb wardas von <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ nach Teilnahme am FDJ-Studienjahr <strong>und</strong> bestan<strong>de</strong>ner Prüfungvergebene „Abzeichen für gutes Wissen“. Der Erwerb dieses Abzeichens warVoraussetzung für <strong>de</strong>n Bestentitel. Auch hier waren es drei Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten30


Soldaten, 86 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong> 82 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten, die sich um <strong>de</strong>nErwerb dieses Abzeichens bemühten, <strong>und</strong> drei Fünftel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, 81 % <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere sowie 80 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten trugen das Abzeichen. Insgesamt läßtsich einschätzen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampf um die Soldatenauszeichnungen als interessanterBereich im Alltagsleben <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen <strong>und</strong> als echte Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungangenommen <strong>und</strong> durchaus eine Massenbewegung wur<strong>de</strong>. Wenn beispielsweise in<strong>de</strong>n Landstreitkräften je<strong>de</strong>s fünfte FDJ-Mitglied das Militärsportabzeichen, je<strong><strong>de</strong>r</strong> Drittedie Schützenschnur, 40 % ein militärisches Qualifizierungsabzeichen sowie je<strong><strong>de</strong>r</strong>Zweite das „Abzeichen für gutes Wissen“ erworben haben, so wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt diesesErgebnis sowohl jugendliches Leistungsstreben als auch <strong>de</strong>ssen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durchsinnvolle Verbandsarbeit.Insgesamt legen die Befragungen <strong>und</strong> auch die Aktenlage <strong>de</strong>n Schluß nahe, daßsich die meisten Armeeangehörigen trotz Erscheinungen von Bürokratismus,Schematismus <strong>und</strong> manchmal auch von Betrug vielfach mit hoher Motivation <strong>und</strong>großem Einsatz <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Wettbewerbs stellten, ihn als Bestandteilihres militärischen Lebens akzeptierten <strong>und</strong> Stolz auf die erworbenen Auszeichnungenbzw. Titel zeigten.Ähnlich wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb sind auch das Neuererwesen, die Rationalisatoren- <strong>und</strong>Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA zu charakterisieren. Sie waren teilweise – z.B. über dieFDJ-Initiativen – Bestandteil <strong>de</strong>s Wettbewerbs <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtungsbewegung. Siewur<strong>de</strong>n aber auch über gezielte Neuerervereinbarungen, in die über die Gewerkschaftsorganisationen<strong><strong>de</strong>r</strong> NVA auch die Zivilbeschäftigten einbezogen waren,realisiert. Auch hier gab es echte Neuerungen – einige Erfindungen führten sogar zuPatenten – im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong>und</strong> Effektivierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung, <strong>de</strong>ssparsamen Umgangs mit Ressourcen sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong>Lebensbedingungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen.So konstatiert eine Analyse <strong>de</strong>s Ministeriums für Nationale Verteidigung über <strong>de</strong>nWettbewerb zum 35. Jahrestag <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA (Ausbildungsjahr 1983/84) dieBeteiligung von 40100 Armeeangehörigen <strong>und</strong> Zivilbeschäftigten mit 17160 Vorschlägenan I<strong>de</strong>enwettbewerben, von <strong>de</strong>nen 2288 als Neuerervorschläge registriertwer<strong>de</strong>n konnten. 31 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschläge dienten <strong><strong>de</strong>r</strong> Intensivierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung, 49% <strong><strong>de</strong>r</strong> Rationalisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wartung <strong>und</strong> Instandsetzung von Kampftechnik <strong>und</strong>Bewaffnung; 8 % <strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> 27. Messe <strong><strong>de</strong>r</strong> Meister von Morgen – einer jährlichenLeistungsschau <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerertätigkeit – gezeigten Exponate konnten als Patenteangemel<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. (53) <strong>Die</strong>se Initiativen waren nicht nur zu solchen <strong>politische</strong>nHöhepunkten zu verzeichnen. 1981 berichten die Landstreitkräfte von 9100 einzelnenNeuerern <strong>und</strong> 2850 Neuererkollektiven in ihrem Bereich, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vorschläge zu 90% realisiert wer<strong>de</strong>n konnten <strong>und</strong> einen ökonomischen Nutzen von ca. 5 MillionenMark erbrachten, was einer Steigerung von 25 % zum Vorjahr entsprach. (54)Ähnliche Aussagen fin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>n Akten auch von Verbän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Truppenteilenaller Teilstreitkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA. <strong>Die</strong> mit dieser Bewegung verb<strong>und</strong>ene sinnvolle, meistFreizeittätigkeit sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anerkennung motivierten viele Armeeangehörige, sichdieser Bewegung anzuschließen. Sie trug wahrscheinlich auch dazu bei, daß heutefast zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> von uns befragten Soldaten <strong>und</strong> über 80 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere dieFrage, ob ihnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrdienst etwas für ihre eigene Entwicklung gegeben habe,positiv beantworteten. Allerdings muß man auch hier feststellen, daß mangelhafteFührung, Schematismus, nur auf <strong>de</strong>m Papier existieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb <strong>und</strong>geschönte Berichte <strong>de</strong>n Effekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengungen min<strong><strong>de</strong>r</strong>ten <strong>und</strong> <strong>de</strong>n durchausvorhan<strong>de</strong>nen Willen zur Mitwirkung sowie die Initiativen <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen <strong>und</strong>Zivilbeschäftigten negativ beeinflußten.31


Kritische Anmerkungen in Analysen <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuererarbeit richten sich auf unkonkreteAufgabenstellungen für die Neuererinitiativen, Planlosigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong>, fehlen<strong>de</strong>Neuerervereinbarungen sowie nur auf Höhepunkte gerichtete Aktivitäten. (55)Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine im Jahre 1989 durchgeführteUmfrage <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Hauptverwaltung über die Bereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen,persönliche Initiativen zur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong> Lebensbedingungenin <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe zu entwickeln. (56) Nur 30 bis 40 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten erklärten,beteiligt zu sein bzw. beteiligt gewesen zu sein. Über die Hälfte äußerte, ihre Bereitschaftsei nicht abgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wor<strong>de</strong>n bzw. im Truppenteil habe es keine Möglichkeitenzu solchen Initiativen gegeben.Zusammenfassend kann u. E. zur <strong>de</strong>mokratischen Mitwirkung in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA festgestelltwer<strong>de</strong>n: Zu dieser Problematik gab es in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA stets einen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch.Einerseits war die <strong>de</strong>mokratische Mitgestaltung per Gesetz zugesichert, ja gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t,an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits stieß sie stets an die Grenze <strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten strikten Befehlserfüllung.Obwohl damit scheinbar wenig Spielraum für eigenes Denken <strong>und</strong> <strong>de</strong>mokratischesMitwirken blieb, gab es – wie die von uns durchgeführte Befragung sowie auch dieAussagen in aktenk<strong>und</strong>igen Berichten, Analysen <strong>und</strong> Befragungen auf verschie<strong>de</strong>nenKommandoebenen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA belegen, dafür durchaus individuelle <strong>und</strong>kollektive Spielräume, die von <strong>de</strong>n Armeeangehörigen auch genutzt wur<strong>de</strong>n. Zweifelloswaren Spielräume wie auch Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse wesentlich abhängig von Vorgesetzten,vom Klima in <strong>de</strong>n Kollektiven, auch von Themen <strong>und</strong> Bereichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgestaltungsowie nicht zuletzt vom positiven o<strong><strong>de</strong>r</strong> negativen Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong>SED.Es kann aber festgestellt wer<strong>de</strong>n, daß – wie<strong><strong>de</strong>r</strong> generell abhängig von <strong>de</strong>njeweiligen <strong>Die</strong>nstgradgruppen, aber doch durchgängig durch alle Armeeangehörigen– Initiativen, Kritiken <strong>und</strong> Hinweise erbracht wur<strong>de</strong>n, die durchaus <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung sowie auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong> Lebensbedingungen gedient haben.5. Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsbeziehungen<strong>Die</strong> sozialistische Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft hatte im gesamten Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung <strong>und</strong>Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei-, Staats- <strong>und</strong> Armeeführungeinen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Stellenwert. <strong>Die</strong> Armeeangehörigen sollten entsprechend <strong>de</strong>mFahneneid die DDR „... auf Befehl <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong>er-<strong>und</strong>-Bauern-Regierung gegen je<strong>de</strong>nFeind ... schützen“, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>armeen „...<strong>de</strong>n Sozialismus gegen alle Fein<strong>de</strong> ... verteidigen <strong>und</strong> (ihr) ... Leben zur Erringung<strong>de</strong>s Sieges“ einsetzen. (57) Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s hervorgehoben wur<strong>de</strong> dabei die Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftmit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee als stärkster <strong>und</strong> erfahrenster Armee <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischenMilitärkoalition. Herausragen<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft warenlaut sowjetischer Militärenzyklopädie wie auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsordnung <strong>de</strong>sMinisters für Nationale Verteidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR von 1983 die „breite, allseitige Zusammenarbeit<strong>und</strong> enge Beziehungen ..., die alle Bereiche <strong>de</strong>s Lebens <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit<strong><strong>de</strong>r</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>armeen umfassen.“ (58)Im Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR- <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeführung sollte die Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftmit <strong>de</strong>n Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>armeen – vor allem aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee – fester Bestandteil <strong>de</strong>sAlltagslebens <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA sein. <strong>Die</strong> Hervorhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee ergabsich neben ihrer postulierten Führungsrolle im Warschauer Vertrag auch aus <strong><strong>de</strong>r</strong>Tatsache, daß <strong>info</strong>lge <strong><strong>de</strong>r</strong> Stationierung sowjetischer Streitkräfte – <strong><strong>de</strong>r</strong> GSSD – auf<strong>de</strong>m Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s günstige Rahmenbedingungen für dieBeziehungen zu ihr existierten. Lediglich zu grenznahen Einheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> tschechoslowakischenVolksarmee <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> polnischen Armee gab es annähernd gleich32


günstige Bedingungen. Dennoch waren die Beziehungen zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong>selbst diesen drei Armeen trotz einzelner Beispiele kontinuierlicher Zusammenarbeitweit davon entfernt, Bestandteil <strong>de</strong>s Alltagslebens <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe zu sein. So verdoppeltesich zwar <strong>info</strong>lge <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengungen z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Komman<strong>de</strong>ure <strong>und</strong> Stäbe <strong><strong>de</strong>r</strong>Landstreitkräfte (LaSK) <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA die Anzahl durchgeführter Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsmaßnahmenvon 1976 bis 1983, die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> NVAstieg jedoch nur um 50 Prozent, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetsoldaten um weniger als 20 Prozent<strong>und</strong> die an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Armeen – vornehmlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Tschechoslowakei <strong>und</strong> Polens – bliebselbst 1982/83 mit knapp 21 000 ziemlich marginal. (59)Dennoch könnte man sagen, daß bis 1982/83 bei rd. 300 000 NVA- <strong>und</strong> 165 000Sowjetsoldaten als Teilnehmer an Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsmaßnahmen im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong>Landstreitkräfte je<strong><strong>de</strong>r</strong> Angehörige dieser Teilstreitkraft mehrmals eine Begegnung mit<strong>de</strong>m Waffenbru<strong><strong>de</strong>r</strong> gehabt hätte. Und immerhin erklärten auch bei unserer Befragungnur ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst (SGWD), reichlich zehn Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong>Unteroffiziere <strong>und</strong> eineinhalb Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufssoldaten (BS), in ihrer <strong>Die</strong>nstzeitkeine Begegnung mit <strong>de</strong>m Waffenbru<strong><strong>de</strong>r</strong> gehabt zu haben. (60) Dabei ist jedochbemerkenswert, daß jene, die in erster Linie erreicht wer<strong>de</strong>n sollten – nämlich dieSoldaten im Gr<strong>und</strong>wehrdienst – am wenigsten das „Alltagserlebnis“ Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft hatten.Dazu kommt als weiteres Problem die Qualität <strong><strong>de</strong>r</strong> Begegnungen. <strong>Die</strong> meistenBegegnungen gab es – wie auch die Befragung ergab – bei kulturellen, sportlichen<strong>und</strong> <strong>politische</strong>n Anlässen (also vor allem feierliche Appelle, Vereidigungen usw.) (61)Hier ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbru<strong><strong>de</strong>r</strong> häufig in Gestalt eines Kulturensembles, einer Sportmannschafto<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Delegation gegenüber einer Einheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem Truppenteilvertreten. Persönliche Begegnungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Gespräche sind dabei eher dieAusnahme. <strong>Die</strong> propagandistische, meinungsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wirkung solcher Maßnahmenist zwar durchaus nicht zu unterschätzen, aber gemeinsame Ausbildung – wie in <strong><strong>de</strong>r</strong>Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsordnung gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t -, gemeinsamer „Alltag“ ist damit dochgeringer vertreten. Man muß allerdings auch konstatieren, daß <strong>info</strong>lge <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengungen<strong><strong>de</strong>r</strong> Komman<strong>de</strong>ure <strong>und</strong> Stäbe <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil gemeinsamer Ausbildungsmaßnahmenin <strong>de</strong>n 80er Jahren gewachsen war. So stiegen <strong>politische</strong> Ausbildung,militärische <strong>und</strong> Gefechtsausbildung, Erfahrungsaustausch, Leistungsvergleiche,Neuererarbeit z.B. im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte von 1977 bis 1983 um etwa einFünftel auf 30 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Maßnahmen. (62)Das proklamierte Ziel, die <strong>politische</strong> <strong>und</strong> Gefechtsausbildung zum Hauptbestandteil<strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsarbeit wer<strong>de</strong>n zu lassen, wur<strong>de</strong> damit allerdings bei weitemnicht überall erreicht. Dabei spielte das oft vorgebrachte Argument, daß dieEntfernung zum zugeteilten „Regiment nebenan“ zu groß <strong>und</strong> daher gemeinsameAusbildung kaum zu organisieren sei, sicher auch eine Rolle, jedoch nicht immer dieentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>. Infolge ungenügen<strong><strong>de</strong>r</strong> Abstimmung <strong>und</strong> Führung konnte es dazukommen <strong>und</strong> kam es auch dazu, daß unmittelbar benachbarte Truppenteile kaumAusbildungsbeziehungen entwickelten, während konsequent organisierte Zusammenarbeitregelmäßige gemeinsame Ausbildung auch mit weit entfernten Partnerngewährleistete.Ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen fre<strong>und</strong>schaftlichen Beziehungen zwischen<strong>de</strong>n Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>n ergab sich für die Berufssoldaten, speziell für die Offiziere, die inaller Regel am häufigsten Begegnungen vor allem mit <strong>de</strong>n sowjetischen Partnernhatten. Natürlich gab es – wenn auch sehr unterschiedlich entwickelt – gemeinsameVorhaben <strong>und</strong> Tätigkeiten im alltäglichen militärischen Leben. Das ging sogar bis zugemeinsamen Vorhaben <strong>und</strong> Leistungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerertätigkeit <strong>und</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong>33


militärtechnischen Zusammenarbeit. So vervierfachte sich von 1978 bis 1983 imBereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte die Anzahl gemeinsamer Maßnahmen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerer-,Rationalisatoren- <strong>und</strong> Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung. Sie machten allerdings auch 1983 nuretwas mehr als fünf Prozent aller gemeinsamen Maßnahmen aus. (63) GemeinsameBeratungen <strong>und</strong> auch Festlichkeiten führten die Partner zusammen.Aber die Orientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- <strong>und</strong> Armeeführung, die Beziehungen zu <strong>de</strong>nsowjetischen Partnern bis hin zu persönlichen Fre<strong>und</strong>schaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar familiärenBeziehungen zu führen, wur<strong>de</strong> nur in einzelnen Fällen Wirklichkeit. Sicher spieltenhier auch die Sprachbarriere o<strong><strong>de</strong>r</strong> häufige Versetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Partner eine Rolle. DasHaupthin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis war jedoch, daß von sowjetischer Seite solche Beziehungen nichtgern gesehen <strong>und</strong> die sowjetischen Offiziere angehalten wur<strong>de</strong>n, sie zu vermei<strong>de</strong>n.Bei sich trotz<strong>de</strong>m entwickeln<strong>de</strong>n fre<strong>und</strong>schaftlichen Beziehungen konnte es passieren- so berichtete einer <strong><strong>de</strong>r</strong> von uns befragten Offiziere -, daß bei normalerRückversetzung in die UdSSR <strong><strong>de</strong>r</strong> befre<strong>und</strong>ete Offizier die Bitte äußerte, ja nichtdorthin zu schreiben. Er wollte nicht in <strong>de</strong>n Verdacht geraten, enge Beziehungenzum „westlichen Ausland“ - als solches wur<strong>de</strong> sogar die DDR betrachtet - zu unterhalten.So sind die Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsbeziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA zur Sowjetarmee <strong>und</strong> <strong>de</strong>nan<strong><strong>de</strong>r</strong>en Armeen <strong><strong>de</strong>r</strong> Warschauer Koalition aus heutiger Sicht, befreit von i<strong>de</strong>ologischgeprägter Beschönigung, doch recht ambivalent zu bewerten:Es gab sie <strong>und</strong> z. T. gab es sie massenhaft, vereinzelt auch als Bestandteil <strong>de</strong>sAlltagslebens. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s durch die <strong>politische</strong> Bildung <strong>und</strong> Erziehung auch ohnedirekten Kontakt zu <strong>de</strong>n Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> auch ein relativ breites Einverständnismit <strong>de</strong>m formulierten gemeinsamen Auftrag erzeugt, die DDR <strong>und</strong> die Partnerstaaten<strong>de</strong>s Warschauer Vertrages gegen je<strong>de</strong> militärische Aggression zu schützen. Beieinem großen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen war auch das Vertrauen in dieBündnistreue <strong>und</strong> militärische Fähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong> entwickelt. Selbst 1989waren noch fast drei Viertel <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> ca. 90 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffiziere <strong>und</strong>Fähnriche bereit, im Falle einer Aggression entschlossen zu kämpfen. (64) Über 80Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere bejahten bei einer soziologischenUntersuchung im Jahre 1984 die Frage, ob man sich auf die Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong> im Kampfverlassen könne, vollständig o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit nur geringen Einschränkungen positiv. (65)Dem entsprach auch die Meinung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> damals befragten Soldaten <strong>und</strong>Unteroffiziere, daß die Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>armeen gut ausgebil<strong>de</strong>t seien <strong>und</strong> von erfahrenenKomman<strong>de</strong>uren geführt wür<strong>de</strong>n. (66)Dennoch muß man resümierend feststellen: Das von <strong><strong>de</strong>r</strong> Führung angestrebte Ziel,Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft für je<strong>de</strong>n Armeeangehörigen zum persönlichen Erlebnis, zumBestandteil <strong>de</strong>s alltäglichen Lebens zu machen, wur<strong>de</strong> nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch nur partiellerreicht.Anmerkungen1. Quellenmäßig beruht diese Studie vor allen auf in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA entstan<strong>de</strong>nenDokumenten, die heute im B<strong>und</strong>esarchiv-Militärarchiv (im folgen<strong>de</strong>n BA-MA)lagern, auf einer Meinungsumfrage <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong>sgruppe Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong>Integration ehemaliger NVA-Angehöriger in Gesellschaft <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eswehr beimLan<strong>de</strong>svorstand Ost <strong>de</strong>s Deutschen B<strong>und</strong>eswehrverban<strong>de</strong>s <strong>und</strong> auf Berichtenvon Zeitzeugen. <strong>Die</strong> ersten Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsumfrage veröffentlichte Dr.Klaus-Peter Hartmann in :Informatinen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Arbeit</strong>sgruppe Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA34


<strong>und</strong> Integration ehemaliger NVA-Angehöriger in Gesellschaft <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eswehrbeim Lan<strong>de</strong>svorstand Ost <strong>de</strong>s Deutschen B<strong>und</strong>eswehrverban<strong>de</strong>s, Nr. 4, Berlin1998. <strong>Die</strong> Zahlenangaben in dieser Studie, die als „Befragung“ angegebenwer<strong>de</strong>n, sind Ergebnisse dieser Meinungsumfrage.2. „NVA-Informativ“ Informationsmaterial <strong>de</strong>s Ministeriums für Nationale Verteidigung1985, Abschnitt VI, im Besitz <strong>de</strong>s Autors.3. Im Handbuch für die <strong>politische</strong> <strong>Arbeit</strong> in <strong>de</strong>n Truppenteilen <strong>und</strong> Einheiten, Berlin1988, Seite 331/32 wur<strong>de</strong> als Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>politische</strong>n <strong>Arbeit</strong> bezeichnet: „<strong>Die</strong> Politik<strong><strong>de</strong>r</strong> SED überzeugend zu erläutern <strong>und</strong> uneingeschränktes Vertrauen in dieRichtigkeit <strong>und</strong> Sieghaftigkeit dieser Politik auszuprägen. <strong>Die</strong> Armeeangehörigenim Geist <strong>de</strong>s Marxismus-Leninismus <strong>und</strong> Proletarischen Internationalismuskommunistisch zu erziehen. Den Sinn <strong>de</strong>s Soldatseins zur Leitlinie <strong>de</strong>s Denkens<strong>und</strong> Han<strong>de</strong>lns zu machen. Einen hohen politisch-moralischen Zustand <strong>und</strong>psychologische Standhaftigkeit herauszubil<strong>de</strong>n. Eine hohe Kampfkraft <strong>und</strong>Gefechtsbereitschaft zu erreichen.4. Theodor Hoffmann, Das letzte Kommando, Berlin,/Bonn/Herford1993, S. 165.5. <strong>Die</strong> genaue Bezeichnung lautet: „Instruktion für die leiten<strong>de</strong>n Parteiorgane(Politorgane) <strong>und</strong> für die Parteiorganisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> in <strong>de</strong>nGrenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR – Parteiinstruktion -. Bestätigt vom Politbüro <strong>de</strong>sZentralkomitees <strong><strong>de</strong>r</strong> SED, Dez. 1976.6. Kurt Starke: Für <strong>de</strong>n Krieg gibt es keine guten Grün<strong>de</strong>. In: „Neues Deutschland“vom 29./30.05.1999, S.24.7. Übersicht aus soziologischen Untersuchungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA, im Besitz <strong>de</strong>s Autors.8. Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966-1990, hrsg. von WalterFriedrich u. a., Berlin 1999, S. 158.9. Prof. Dr. Jürgen Hofmann. In: Forschungsfeld DDR-Geschichte, PankowerVorträge, Berlin 1999, Heft 15, S. 15.10. En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre hatten 82 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Offiziere <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA eine militärische Hochbzw.Fachschule absolviert <strong>und</strong> 6.400 einen militäraka<strong>de</strong>mischen Abschlußerworben.11. Klaus-Peter Göd<strong>de</strong>: „Eine Elite-Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA rüstet ab“, Berlin 1999, S. 27.12. Siehe BA-MA, AZN D-2983, Bl. 149f.13. Protokoll <strong><strong>de</strong>r</strong> XIII. Delegiertenkonferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteiorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED in <strong><strong>de</strong>r</strong>NVA <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Grenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, in: „Parteiarbeiter“ Son<strong><strong>de</strong>r</strong>heft, März 1984,S. 41.14. Kurt Held u.a. in: NVA – Ein Rückblick in die Zukunft, hrsg. von ManfredBackerra, Köln 1992, S. 221.15. Siehe Protokoll <strong><strong>de</strong>r</strong> XIII Delegiertenkonferenz, wie Anm. 13 S. 39.16. Siehe BA-MA,AZN P-2672, S. 21f.17. Siehe Theodor Hoffmann, <strong>Die</strong> Militärreform <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, in : Rührt euch! ZurGeschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA, hrsg. von Wolfgang Wünsche, Berlin 1998, S. 550.18. Enquete-Kommission Deutscher B<strong>und</strong>estag, 13. Wahlperio<strong>de</strong>, Drucksache13/11000.35


19. Siehe BA-MA, VA 10-22681, S. 16 f.20. Siehe Parteiinstruktion, wie Anm. 5, S. 7221. Zitiert nach: Ansichten zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, Band V, Bonn/Berlin 1994, S.143.22. Klaus-Peter Göd<strong>de</strong>, wie Anm. 11, S.32ff23. BA-MA, DVW 1/43708, Bl. 221.24. Günter Gaus: „Kein einig Vaterland.“, Berlin 1998, S. 149.25. Siehe BA-MA, AZN P 2655.26. Siehe ebd., AZN P 1942, S. 99/100.27. Instruktion für die FDJ-Organisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Grenztruppen <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR, 1977, S. 1028. Siehe BA-MA, VA-10-2266682, S. 23 f.29. FDJ-Instruktion, wie Anm. 27, S. 17.30. Gesetzblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 1982, Berlin, Teil 1, Nr. 12, S. 22631. Siehe Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> PHV vom 26.9.89, in: BA-MA, AZW-P-2672, Bl. 3932. Siehe ebd.33. Wege <strong>de</strong>s Einbringens von Meinungen, I<strong>de</strong>en <strong>und</strong> Kritiken zum Geschehen in<strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit(in % <strong><strong>de</strong>r</strong> Antworten – siehe Tabelle zu Beginn <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Seite)Gespräche mitVorgesetztenSoldaten imGr<strong>und</strong>wehrdienstUnteroffiziereBerufssoldatenParteiversammlungenSoldaten imGr<strong>und</strong>wehrdienstUnteroffiziereBerufssoldatenFDJ-VersammlungenSoldaten imGr<strong>und</strong>wehrdienstUnteroffiziereBerufssoldatenmeistens34,839,752,913,033,371,330,433,336,4gelegentlich43,547,438,98,721,821,139,135,926,2selten13,010,35,84,37,74,613,020,515,0nie8,70,00,574,021,81,217,57,78,236


34. Siehe Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> PHV vom 26.9.89 in: BA-MA, AZN-P-2672, Bl. 21f.35. Befragung 1998: Über die Beziehungen im jeweiligem militärischen Kollektiv <strong>und</strong>untereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nstgradgruppen: (Angaben in % )a.) Kameradschaft <strong>und</strong> gegenseitige Hilfe:Merkmale Offiziere Unteroffiziere SoldatenSehr ausgeprägt 53,0 56,7 33,3Teilweise ausgeprägt 37,8 39,2 61,9Kaum ausgeprägt 0,6 4,1 2,4Nicht vorhan<strong>de</strong>n 0,0 0,0 2,4b.) Vertrauen zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong>Merkmale Offiziere Unteroffiziere SoldatenSehr ausgeprägt 29,3 36,1 21,4Teilweise ausgeprägt 59,5 55,7 66,7Kaum ausgeprägt 1,9 5,2 9,5Nicht ausgeprägt 0,2 0,0 2,436. Siehe BA-MA, DVH 7/44841, Bl. 192 ff.37. Siehe Jahresberichte <strong>de</strong>s Kommandos <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte zu Eingaben <strong>und</strong>Beschwer<strong>de</strong>n. 1980/81 in: BA-MA, DVH 7/444941; 1982/83 in: DVH 7/44938;1983/84 bis 1985/86 in: DVH 7/44939; 1986/87 <strong>und</strong> 1978/88 in: DVH 7/44940.38. Siehe u.a. Bericht einer Briga<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Abt. für Sicherheitsfragen <strong>de</strong>s ZK <strong><strong>de</strong>r</strong> SEDüber <strong>de</strong>n Einsatz in <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. MSD, März/April 1963 in: DVW 1/43704, Bl. 220 ff;DVW 1/43708, Bl. 219; Ergebnisse einer soziologischen Untersuchung 1973 in<strong>de</strong>n Landstreitkräften in: DVH 7/44939 <strong>und</strong> DVH 7/44940; Chroniken vonTruppenteilen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA.39. Siehe Prof. Dr. Egbert Fischer/Horst Wendt, Der <strong>Die</strong>nst <strong><strong>de</strong>r</strong> Bausoldaten – echteAlternative zum Wehrdienst in <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA , im vorliegen<strong>de</strong>n Band S. 162 ff.40. Siehe Direktive <strong>de</strong>s Ministers für Nationale Verteidigung über die Führung <strong>de</strong>ssozialistischen Wettbewerbs in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalen Volksarmee vom 1. Dezember1982, in: „NVA-Informativ“, a.a.O., Abschnitt XII sozialistischer Wettbewerb.41. Es gab fünf Soldatenauszeichnungen: Bestenabzeichen, Schützenschnur,Militärsportabzeichen, Qualifizierungsspangen für bestimmte Funktionen,Abzeichen für gutes Wissen.42. Dazu zählten die Bewegungen „Treffen mit <strong>de</strong>m 1. Schuß´“, “Ich fahre <strong>de</strong>nbilligsten Kilometer“, „Technik <strong><strong>de</strong>r</strong> ausgezeichneten Qualität“ u.a.43. Siehe „NVA-Informativ“, wie Anm. 2.44. Siehe BA-MA, VA – 01/30462, Bl. 23ff <strong>und</strong> VA-01/30466, Bl. 42.45. Siehe ebd. VA-10/180 401, Bl. 66.46. Siehe ebd., AZN D-2983, Bl. 149f.37


47. Siehe Militärratsvorlage 17/81 vom 1.10.1981 zur Qualität <strong>de</strong>s sozialistischenWettbewerbs in <strong>de</strong>n Landstreitkräften, in: BA-MA, DHV 7/44 841, Bl. 117ff.48. Siehe Auswertung von soziologischen Untersuchungen, in: BA-MA, AZN D-2983,Bl. 149f.49. Siehe Klaus-Peter Göd<strong>de</strong>, wie Anm. 11, S.29ff.50. Siehe BA-MA, VA-10/15 686, Nl. 13ff51. Siehe NVA - <strong>info</strong>rmativ, wie Anm. 2.52. Errechnet nach BA-MA, VA-10/21 164, Bl. 1ff. <strong>Die</strong> einzelnen Positionen waren:VerpflichtungenErreichtTreffen mit <strong>de</strong>m ersten Schuß 681 238Technik <strong><strong>de</strong>r</strong> ausgezeichneten Qualität 195 58Fahren <strong>de</strong>s rationellsten Kilometers 286 31Meister <strong><strong>de</strong>r</strong> Norm 343 214Kraft <strong>und</strong> Ausdauer 112 9853. Siehe BA-MA, DVH 7/44 841, Bl. 117ff.54. Siehe Militärratsvorlage 17/81 vom 1.10.1981, wie Anm. 47.55. Siehe BA-MA, VA-02/28 410/1 <strong>und</strong> VA-10/21 254, Bl. 34.56. Siehe ebd. AZN-P-2672, Bl. 42 Bereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Armeeangehörigen, persönlichzur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong> Lebensbedingungen beizutragen (in % - sieheTabelle zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n Seite):Soldaten Unteroffiziere OffiziereWaren/sind beteiligt 30 37 39Bereit, aber nicht gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t 35 35 34Nicht bereit 9 9 5Im Truppenteil keine Möglichkeit 23 18 2257. Wehrdienstgesetz <strong>und</strong> angrenzen<strong>de</strong> Bestimmungen. Textausgabe mitAnmerkungen <strong>und</strong> Sachregister. Berlin 1983, S. 32.58. Sowjetische Militärenzyklopädie. Auswahl. Heft 7, Berlin 1979, S. 103. Sieheauch: Ordnung Nr. 030/9/007 <strong>de</strong>s Ministers für Nationale Verteidigung über dieFestigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR <strong>und</strong> <strong>de</strong>nBru<strong><strong>de</strong>r</strong>armeen <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Gemeinschaft – Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsordnung –vom 20. September 1983. In: Anordnungs- <strong>und</strong> Mitteilungsblatt Nr. 72/83, S. 2 f.38


59. Anzahl von Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsmaßnahmen <strong>und</strong> Teilnehmern im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong>Landstreitkräfte (ohne Woche <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft):Ausbildungsjahr Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong>MaßnahmenNVA-TeilnehmerGSSD-TeilnehmerAn<strong><strong>de</strong>r</strong>eArmeen1976/77 Ca. 4 300 Ca. 200 000 Ca. 140 000 -1977/78 6 822 205 535 162 877 -1978/79 6 757 261 679 159 591 -1979/80 8 543 304 683 181 94 8 9091980/81 8 102 285 507 176 330 103241981/82 9 044 284 472 163 101 18 5681982/83 9 344 287 627 165 078 20 934Angaben nach Archivakten P 1258/lfd. DNr. 02; P 1262/lfd. Nr. 03; P 1521/lfd.Nr. 11; P 1525/lfd. Nr. 15 <strong>und</strong> nach Sekretariatsvorlagen VVS-Nr. B 580055 <strong>und</strong>B 580 361 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> NV53.)60. Ergebnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung zu Begegnungen mit <strong>de</strong>m Waffenbru<strong><strong>de</strong>r</strong>Soldaten GWD (%) Unteroffiziere % Berufssoldaten(%)Einmal31,0 13,4 3,1BegegnungMehrmals 35,7 73,2 95,2Keine 33,3 12,4 1,461. Anlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> erfolgten Begegnungen (lt. Befragung)Soldaten GWD (%) Unteroffiziere (%) Berufssoldaten (%)TruppenübungenEinmal 53,6 60,7 76,5Mehrmals 39,3 35,7 17,7Keine 7,1 3,6 5,7An<strong><strong>de</strong>r</strong>e AusbildungEinmal 28,6 67,1 70,2Mehrmals 60,7 39,3 22,1Keine 10,7 3,6 7,7Politische AnlässeEinmal 42,9 51,2 81,7Mehrmals 57,1 39,3 12.5Keine - 3,6 5,7Kultur/SportEinmal 60,7 73,8 80,8Mehrmals 28,6 22,6 12,8Keine 10,7 3,6 6,539


62. Anteil gemeinsamer Ausbildungsmaßnahmen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsarbeit<strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte (%)1977/78 1978/79 1979/80 1981/82 1982/8324 26 25 30 28*(* ohne gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Kommando Landstreitkräftedirekt unterstellten Truppenteile <strong>und</strong> Einrichtungen)Zusammengestellt nach Archivakten BA-MA, P 1258/lfd. Nr. 02; P 1262/lfd. Nr. 03;P 1521/lfd. Nr. 11; P 1525/lfd. Nr. 15 <strong>und</strong> nach <strong>de</strong>n Sekretariatsvorlagen VVS-Nr.-B 580055 <strong>und</strong> B 580361 <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Landstreitkräfte63. Errechnet nach Archivangaben bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Politischen Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong>Landstreitkräfte: VVS/GVS-Nr. B 618218, Akten-Nr. P 1262/lfd. Nr. o3; P 1521/lfd.DNr. 03; P 1525/lfd. Nr. 04 <strong>und</strong> nach Berichten über die Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>schaftsarbeitVVS-Nr. B 580055 <strong>und</strong> B 58036164. Meinungsumfragen zum Verteidigungswillen 1985 <strong>und</strong> 1989(Sekretariatsvorlage <strong><strong>de</strong>r</strong> PHV <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA vom 26.9.89, AZN P-2672, Bl. 21f)Soldaten GWD Unteroffiziere Fähnriche(%)1985 1989 1985 1989 19851 1989Bereit, entschlossen zu83 73 93 89 98 95kämpfenLieber auf Verteidigung4 7 1 3 1 2verzichtenUnklar 13 20 6 8 1 365. Soziologische Untersuchung vom Februar 1984 (BA/MA, AZN D-2983, Bl. 55)Frage: Auf die Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong> können wir uns im Kampf verlassen?Das ist meine Meinung Soldaten GWD (%) Unteroffiziere (%)Vollkommen 62 75Mit geringen20 16EinschränkungenMit größeren5 3EinschränkungenKaum 2 1Überhaupt nicht 1 -Unklar 8 266. Ausbildung <strong>und</strong> Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>armeen (ebenda, Bl. 56f)Soldaten GWD (%) Unteroffiziere (%)Sie sind gut ausgebil<strong>de</strong>t- vollkommen richtig- teilweise richtigSie wer<strong>de</strong>n von erfahrenenGeneralen <strong>und</strong> Offizierengeführt- vollkommen richtig- teilweise richtig573742476533532340

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