Zu den Dienst- und Lebensbedingungen in der NVA - aggi-info.de

Die Analyse ergab keinerlei Beleg für primär in politischen Haltungen liegende Gründe(das mußte damals und das muß auch heute klar herausgestellt werden), sondernvielmehr einen hohen Identifikationsgrad mit wesentlichen Inhalten der militärischenTätigkeit und des militärischen Berufs. In einer solchen Berufsunzufriedenheit äußertesich demnach nicht in erster Linie Einstellung zum Beruf an sich, sondern vor allem zuden Bedingungen seiner Ausübung. Ein bei etwa einem Viertel liegender Prozentsatzberufsunzufriedener Offiziere war seit Jahren bekannt. Es war ebenso bekannt, daß inden meisten Fällen etwa nach 10 Dienstjahren entweder Gewöhnung oder Entlastungdurch Dienststellungsveränderung eintrat. Nun wurde erstmals nachgewiesen, daß dieseBerufsunzufriedenheit zwar eher ein latenter Zustand war, bei den betroffenen Berufssoldatenjedoch soziale Aktivität und Integration minderte, also verhaltenswirksam wurde.Einer der aus dieser Untersuchung folgenden Vorschläge lautete, „bereits existierendeElemente der sozialen Planung in den Streitkräften zusammenzufassen, sie auf weitereGebiete auszudehnen und eine komplexe Sozialplanung als Bestandteil der militärischenPlanung bis 1990 und darüber hinaus zu sichern. Kern eines solchen langfristigenProgramms muß die Entwicklung der Lebenslage der Berufskader sein“.1986 wurde dieser Vorschlag in die Pläne zur Auswertung des XI. SED-Parteitagesaufgenommen, 1987 ein solches Programm entwickelt, Anfang 1988 endete der Vorgangin der Direktive 02/88 des Ministers für Nationale Verteidigung. Diese gab zwar dieHauptrichtungen für die Weiterentwicklung der Dienst-, Arbeits- und Lebensbedingungen(23) vor, listete an konkreten Maßnahmen aber vor allem die schon bis 1990 geplantenauf. Sofortige Zusatzmaßnahmen scheiterten am Planungssystem – für das laufendePlanjahrfünft waren alle Mittel vergeben, zusätzliche angesichts der ökonomischen Lagein der DDR undenkbar. Die perspektivischen Vorgaben blendeten trotz des Wissens umdie Rolle der Normen der Gefechtsbereitschaft diese Frage weitgehend aus, obwohl zudiesem Zeitpunkt die neue Militärdoktrin des Warschauer Vertrages bereits beschlossenwar (Mai 1987) und die der DDR sich schon abzeichnete. Nationale Entscheidungen übereine Lockerung der Normen waren aber nicht möglich, solange das Vereinte Oberkommandodes Warschauer Vertrages und demnach der Sowjetische Generalstab dasnicht für opportun hielten. Davon aber waren beide noch weit entfernt. Erst die Anfängeder Militärreform in der NVA 1989/90 führten zu Veränderungen; allerdings wären diebisherigen Normen durch den Austritt aus dem Warschauer Vertrag und denFunktionsverlust der Armee auch kaum noch militärisch begründbar gewesen.Ungeachtet dessen zeichneten sich mit der Direktive 02/88 Anfänge einer komplexensozialen Planung in der NVA ab, die sich natürlich keineswegs auf die Lebenslage derBerufssoldaten beschränkte. In den großen territorialen und wirtschaftlichen Strukturelementensowie in vielen Kommunen der DDR gab es zu diesem Zeitpunkt solcheSozialpläne längst, für ihre Ausarbeitung existierten sogar staatliche Richtlinien. Insofernzog die Armee hier nach. Darüber hinaus hatten die Vorarbeiten wie auch die Direktiveselbst durchaus auch konkrete Ergebnisse: erstens wurden die Dienst- undLebensbedingungen von nun an fester Bestandteil der militärischen Planung auf allenEbenen. Indem Problemlagen und Lösungswege nachdrücklich in das Gesichtsfeld derVerantwortlichen auf allen Ebenen gerückt wurden, erhielten die Dienst- und Lebensbedingungenzweitens zugleich einen höheren Stellenwert in der Führungstätigkeit; daslöste eine Vielzahl örtlicher Aktivitäten aus, die auf Teilgebieten durchaus zu kurzfristigenVerbesserungen führten.Die Darstellungen wären unvollständig, wenn nicht zumindest abschließend auf ökonomischeZusammenhänge in der Streitkräfteentwicklung in der DDR hingewiesen würde.Wie 1988 im Fall der Direktive 02 wirkten sie von der Entstehung bis zur Auflösung derNVA stets als begrenzende Größen, ob es um Personalstärke, Strukturen, Bewaffnungund Ausrüstung der Armee ging oder um die Dienst- und Lebensbedingungen ihrerAngehörigen. Fehlten im Frühjahr 1950 für rund 50.000 VP-Angehörige der HVA „19.000