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Zu den Dienst- und Lebensbedingungen in der NVA - aggi-info.de

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unverschlossen, teilweise sogar ohne Türen. Zeit für sich selbst, Raum zum Ungestörtse<strong>in</strong>,Unkontrolliertse<strong>in</strong> waren kaum <strong><strong>de</strong>n</strong>kbar, das Spektrum möglicher Abwechslungen imVerbr<strong>in</strong>gen freier Zeit, möglicher Kontakte zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ger<strong>in</strong>g, über lange Jahre gab es <strong>in</strong><strong><strong>de</strong>n</strong> Objekten nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige öffentliche Telefonzelle.Das alles unterlag zu<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>n</strong> Bed<strong>in</strong>gungen strenger militärischer Hierarchie <strong>und</strong> e<strong>in</strong>erMännergeme<strong>in</strong>schaft r<strong>und</strong> um die Uhr, mit ihren bekanntermaßen rauhen <strong>und</strong> oft rigi<strong><strong>de</strong>n</strong>Formen <strong>de</strong>s Umgangs <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterordnung. Für bei<strong>de</strong>s blieb dieses Kasernenlebenoffenbar nicht ohne Folgen. Länger als <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Armeen erhielten sich z. B. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>NVA</strong>e<strong>in</strong>e Reihe von formalen Diszipl<strong>in</strong>normen, die an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo, wenn nicht abgeschafft, so dochgelockert waren. Die Grußpflicht gegenüber je<strong>de</strong>m höheren <strong>Dienst</strong>grad (nicht nur <strong>de</strong>mVorgesetzten), die Abmel<strong>de</strong>pflicht gegenüber <strong>de</strong>m UvD selbst <strong>in</strong>nerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne, dasMarschieren zum Essen unter Führung durch <strong><strong>de</strong>n</strong> UvD, die nur zögern<strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>und</strong> verspätetenÄn<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Uniformen <strong>und</strong> Lockerungen ihrer Trageweise, das auch nach30 Jahren unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t penible Herumhacken auf je<strong>de</strong>m losen o<strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Uniformknopf,auf Stubenordnung <strong>und</strong> Schrankbau s<strong>in</strong>d nur wenige Beispiele dafür. Zwar gibt es füre<strong>in</strong>en <strong>Zu</strong>sammenhang zum dargestellten Kasernenleben ke<strong>in</strong>en direkten Beleg. Stelltman sich jedoch die Umkehrung vor (selbst Soldaten kämen morgens zum <strong>Dienst</strong> <strong>und</strong>verließen abends im Normalfall die Kaserne wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, also e<strong>in</strong>e mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger offeneKaserne), wären formale Diszipl<strong>in</strong>normen wohl ohne Zweifel stärker h<strong>in</strong>ter funktionalenzurückgetreten.An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wur<strong><strong>de</strong>n</strong> manche Rechte <strong>de</strong>s Soldaten, Ausgang zum Beispiel, weil knapp<strong>und</strong> oft nicht ohne Auswahl zuteilbar, nicht eben selten von Wohlverhalten abhängiggemacht <strong>und</strong> zu Gunsterweisungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zum „Erziehungsmittel“ umfunktioniert. Nichtohne Gr<strong>und</strong> nennt e<strong>in</strong> erheblicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Soldaten Ungerechtigkeiten noch vor<strong><strong>de</strong>r</strong> 85-Prozentklausel als Hauptgr<strong>und</strong> für die Seltenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgangsgewährung (13).Auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>es, was <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Vorschriften zwar als möglich, aber genehmigungspflichtigfixiert war (beispielsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrieb von Radiogeräten), unterlag solcher Handhabung.Die militärische Hierarchie wur<strong>de</strong> jedoch allmählich durch e<strong>in</strong>e vor allem von Soldatengetragene Gegenhierarchie untersetzt <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihren unteren Ebenen teilweise unterlaufen.Unter <strong>de</strong>m Namen „EK-Bewegung“ (EK für „Entlassungskandidat“) etwa seit <strong><strong>de</strong>r</strong> zweitenHälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre bekannt, entwickelte sich e<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>n</strong> drei <strong>Dienst</strong>halbjahren folgen<strong>de</strong>Alters-Rangordnung, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> die jeweils dienstältesten Soldaten „Führungsfunktionen“ <strong>und</strong>Privilegien <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> <strong>in</strong>formellen Gruppenstrukturen beanspruchten <strong>und</strong> mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erZwischen- <strong>und</strong> Wartestellung fungieren<strong><strong>de</strong>n</strong> Angehörigen <strong>de</strong>s zweiten <strong>Dienst</strong>halbjahresdie Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngsten Soldaten beschnitten. Diesen wur<strong><strong>de</strong>n</strong> nicht nur Revierdienste <strong>und</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>Dienst</strong>leistungen zugeordnet <strong>und</strong> Ausgangsrechte entzogen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilweiseauch Verstöße gegen die militärische Diszipl<strong>in</strong> (z. B. Alkoholbeschaffung) o<strong><strong>de</strong>r</strong> entwürdigen<strong>de</strong>Handlungen aufgezwungen. Eventueller Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand wur<strong>de</strong> durch Drangsalierungen,im E<strong>in</strong>zelfall bis zur körperlichen Gewaltanwendung, gebrochen. Für die Übergängevon <strong>Dienst</strong>halbjahr zu <strong>Dienst</strong>halbjahr entstan<strong><strong>de</strong>n</strong> Rituale, ebenso für die letztenTage vor <strong><strong>de</strong>n</strong> Versetzungen <strong>in</strong> die Reserve. In extremen Fällen unterlief <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>fluße<strong>in</strong>zelner Soldaten im dritten <strong>Dienst</strong>halbjahr die formelle Führung, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bei jungen<strong>und</strong> unerfahrenen Gruppen- <strong>und</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auch <strong>Zu</strong>gführern, so z. B. bei Entscheidungenüber die E<strong>in</strong>teilung zu <strong>Dienst</strong>en o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Gewährung von Ausgang. Auch bei <strong><strong>de</strong>n</strong>Unteroffizieren auf Zeit gab es im übrigen Ten<strong><strong>de</strong>n</strong>zen e<strong>in</strong>er „EK-Bewegung“, allerd<strong>in</strong>gs<strong>de</strong>utlich ger<strong>in</strong>ger ausgeprägt.Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgeprägte Formen nahm dies alles <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>n</strong> Mot. Schützen-Regimentern an.Das waren nicht nur die personell bei weitem stärksten Truppenteile; sie waren <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Regel auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Objekt stationiert, mit allen ungünstigen Folgen für <strong><strong>de</strong>n</strong><strong>in</strong>neren <strong>Zu</strong>sammenhalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vor allem für Soldaten <strong>und</strong> Unteroffiziere auf Zeit kaumüberschaubaren Truppenkörper. In ihnen konzentrierten sich überwiegend diejenigenGr<strong>und</strong>wehrdienstleisten<strong><strong>de</strong>n</strong>, die nach erfolgter Auslese für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Teilstreitkräfte o<strong><strong>de</strong>r</strong> für

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