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Migranten fuer PDF - Burkhard Hergesell

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eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim eingetauscht<br />

wurde, hieß das nicht, dass sich die Wohnsituation entscheidend<br />

gebessert hätte. In der Forschung kommt man in den<br />

1980er Jahren zu dem Fazit, dass die Ausländer im Durchschnitt<br />

in „schlechter ausgestatteten Wohnungen [leben],<br />

häufiger in alten Häusern mit schlechter Bausubstanz, häufiger<br />

in infrastrukturell unterdurchschnittlich versorgten Gebieten,<br />

häufiger auf zu kleinem Raum. Und dafür mußten sie<br />

auch noch relativ mehr Miete zahlen als die deutschen Bewohner<br />

bei gleicher Wohnqualität.“ 98<br />

Bezüglich der Belegungsdichte<br />

der Wohnungen steht ihnen 1978 auch nur halb so viel<br />

Platz zur Verfügung wie den Deutschen. 99 Bereits der Zugang<br />

zum privaten Wohnungsmarkt ist für <strong>Migranten</strong> viel schwieriger<br />

als für Deutsche. Der „Sachstandsbericht über die Situation<br />

ausländischer Mitbürger in Bremerhaven“ resümiert dazu:<br />

„Große Sorge bereitet die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt.<br />

Ausländer haben viele Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche,<br />

da ihnen auf privatem Sektor kaum eine zur Verfügung<br />

gestellt wird.“ 100 Nicht nur der Zugang ist verstellt. „[...]<br />

die Wohnsituation der ausländischen Familien ist in Bremerhaven<br />

teilweise ebenfalls schlechter als die der deutschen<br />

Bevölkerung“. 101<br />

Claudia Koch-Arzberger kommt in ihrer Untersuchung zu dem<br />

Schluss, dass, wenn auf der Seite der Arbeitsmigranten eine<br />

relativ hohe Bereitschaft besteht, in eine bessere Wohnung zu<br />

ziehen und dafür mehr Miete zu zahlen, die Wohnsituation<br />

dennoch auf dem untersten Niveau stagniert, es andere Gründe<br />

als das Einkommen der <strong>Migranten</strong>familien geben muss, die<br />

den Zugang zu besseren Wohnungen beeinflussen. Sie sieht<br />

diese Gründe im mit dem Beruf verbundenen sozialen Status,<br />

in der sozialen Kompetenz, den deutschen Sprachkenntnissen,<br />

dem mit einem Beruf verbundenen Prestige und der Diskriminierung<br />

durch deutsche Vermieter, wenn diese Faktoren<br />

als zu niedrig und ungenügend bewertet werden.<br />

Ein weiterer Faktor für die beschriebene Situation wird in der<br />

genannten Untersuchung darin gesehen, dass eine kommunale<br />

Wohnungspolitik mancherorts darauf hinausläuft, dass<br />

sanierungsbedürftige Siedlungen durch Ausländer „profitabel<br />

heruntergewohnt“ werden. Das Fazit von Koch-Arzberger fällt<br />

für diese Wohnpolitik entsprechend vernichtend aus, dass<br />

nämlich damit keine integrationsfördernde Politik in Richtung<br />

einer gerechten Verteilung von Wohnraum zwischen Deutschen<br />

und <strong>Migranten</strong> stattfindet. 102 Ein solches Herunterwohnen<br />

wurde auch in Bremerhaven festgestellt, jedoch beschränkte<br />

sich dieses Phänomen nicht auf <strong>Migranten</strong>, sondern<br />

auch Asylbewerber, Flüchtlinge und Deutsche waren davon<br />

betroffen.<br />

Alltagsrassismus 103 in Bremerhaven<br />

Gibt es Formen von Alltagsrassismus in Bremerhaven, und<br />

wie äußern sie sich? Wie drückt sich Feindlichkeit gegen<br />

Migrantinnen und <strong>Migranten</strong> aus? Welche Formen von Diskriminierungen<br />

im städtischen Lebensalltag gibt es? Wie können<br />

diese Phänomene erklärt werden? Gibt es Akteurinnen und<br />

Akteure der Gegenwehr und solidarische Politiken auf der<br />

lokalen und der betrieblichen Ebene? Durch die Recherche im<br />

Archiv der „Nordsee-Zeitung“ sollten Erkenntnisse zu diesen<br />

Fragen gewonnen werden, denn, wie schon Mark Terkessidis<br />

in seinen Interviews erfuhr und für diese Forschung zu bestätigen<br />

ist, antworten viele <strong>Migranten</strong> auf die Frage nach persönlich<br />

erlebtem Rassismus oder erlebter Diskriminierung: „‚Habe<br />

ich noch nie erlebt.’ Damit meinen sie, dass sie noch nie von<br />

einem Neonazi verprügelt oder von einem NPD-Mitglied<br />

beschimpft worden sind. [...] In Interviews, die ich mit <strong>Migranten</strong><br />

zweiter Generation über Rassismus geführt habe, zeigte<br />

sich, dass die Probleme eher in einer Abfolge von kleinen Vorkommnissen<br />

im Alltag liegen, in welchen den hier aufgewachsenen<br />

Personen klar gemacht wird, dass sie nicht dazugehören.<br />

Oder in den Klischees, mit denen sie penetrant konfrontiert<br />

werden.“ 104<br />

Es sollen an dieser Stelle nur summarisch einige Überschriften<br />

von Berichten genannt werden, die als erste Indizien für Rassismus,<br />

aber auch Hinweise auf antirassistische Politik und<br />

Pädagogik geben, an die zukünftige stadthistorische Forschungen<br />

anknüpfen sollten: „Jusos fordern klare Absage an<br />

Neonazis“ (NZ vom 2. April 1982). „Bei Ausländerdiskussionen<br />

werden Vorurteile laut“ (NZ vom 9. März 1982). „Den Vorurteilen<br />

durch mehr Information entgegenwirken“ (NZ vom 6.<br />

Oktober 1982). „Die SPD lehnt ‚Abschiebeprämie‘ ab“ (NZ<br />

vom 10. Dezember 1982). „Ausländer und Deutsche feiern gemeinsam.<br />

Zu einer gemeinsamen Silvesterfeier lädt der Solidaritätsverein<br />

der Arbeiter aus der Türkei Ausländer und<br />

Deutsche ein“ (NZ vom 24./25. Dezember 1982). „Zum Folkloreabend<br />

Ausländer eingeladen.“ Unter diesem Titel wird<br />

über eine Weihnachtsfeier der Gewerkschaft Nahrung, Genuss,<br />

Gaststätten (NGG) berichtet, die damit gegen Ausländerfeindlichkeit<br />

wirken will (NZ vom 23. Dezember 1982).<br />

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