Migranten fuer PDF - Burkhard Hergesell
Migranten fuer PDF - Burkhard Hergesell
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lacht etwas verlegen. Er kannte seine Frau vorher nur vom<br />
Sehen. Sie waren weder zusammen im Kindergarten noch auf<br />
der selben Schule gewesen. Auch aus der Disko kannten sie<br />
sich nicht. „Tanzschule gibt’s nicht, Disko sowieso nicht. Die<br />
Mädchen, die gehen ja nicht in die Disko. Ich meine, heutzutage<br />
ja, aber damals, zu meiner Zeit gab’s das nicht.“<br />
Frage: „Aber ich stelle mir das schwierig vor, wie soll man<br />
denn überhaupt eine Frau kennen lernen?“<br />
S. B.: „Ja, später, wenn man verheiratet ist, soll man sich kennen<br />
lernen.“ (Er lacht.)<br />
Kulturelle Identität<br />
So wie die deutschen Kinder mit ihren Eltern umgingen, das<br />
hatte er nicht aus der Türkei gekannt. Widerworte gegen die<br />
eigenen Eltern, das gab’s für Serdar auch nicht. Und Alkohol<br />
würde er auch heute nicht in Anwesenheit des Vaters trinken.<br />
Das ist einfach eine Frage des Respekts. „Nein. Also dürfte ich<br />
vielleicht jetzt schon, aber ich mach das nicht aus Respekt.<br />
Das macht man nicht. Und bei den Deutschen war das halt<br />
anders. Die haben anders mit ihren Eltern gesprochen. Die<br />
haben sie angeschrien. Ich kann meinen Eltern jetzt immer<br />
noch nicht widersprechen. [...] Und das war mir da fremd. Und<br />
das war auch viel lockerer, die Beziehung zwischen deutschen<br />
Eltern zu den Kindern. Unsere Eltern, die waren ja viel strenger.<br />
Das war irgendwie jetzt fremd für mich.“<br />
„Also solche Sprüche findet man immer wieder. Aber man<br />
kann machen, was man will. Ich bin hier groß geworden, sag<br />
ich mal, o. k., ich bin mit zwölf Jahren hergekommen, aber ich<br />
bin jetzt seit 25 Jahren hier. Ich bin hier groß geworden. Ich<br />
bin hier zur Schule gegangen. Ich hab hier gelernt. Ich arbeite<br />
hier. Ich habe den deutschen Pass. Alles! Aber ich bin immer<br />
noch Ausländer! Ich bin immer noch Türke! Und so werde ich<br />
auch angesehen! Und ich kann machen, was ich will, das wird<br />
sich nicht ändern. Früher haben unsere Eltern diese VW-Busse<br />
gefahren, meistens. Die meisten Türken, die haben VW-Busse<br />
gefahren. [Ford Transit!] Und Ford Transit. Da haben sie uns<br />
ausgelacht. Ja, die Türken, die fahren immer Ford, die fahren<br />
immer Ford und dies und jenes. Da wurden immer so dumme<br />
Sprüche gelassen. Und guckt man sich heute um, 90 % der<br />
Türken, die fahren Mercedes oder BMW. Und da wird man<br />
immer noch angemacht! Ah, die Türken, die fahren sowieso<br />
immer Mercedes oder BMW. Man kann machen, was man<br />
will, man wird blöd angemacht. Und das wird auch so bleiben.<br />
Und ich glaub, ich hab mich damit abgefunden. [Er lacht.]<br />
Das ist so. Und man kann das nicht ändern. Entweder muss<br />
man sich ein bisschen besser kennen lernen ...<br />
Das war ja damals bei meiner Freundin auch so. Ich hab ne<br />
Freundin gehabt mit 18, wir waren mehrere Jahre zusammen,<br />
ihre Eltern waren nicht einverstanden, obwohl sie mich nicht<br />
kannten.“<br />
Frage: „Eine deutsche Freundin?“<br />
S. B.: „Eine deutsche Freundin. O. k., meine Eltern haben<br />
nichts dagegen gehabt, aber ich durfte sie nicht mit nach<br />
Hause nehmen. Das war so bei uns. Das hat man nicht gerne<br />
gesehen. Die wussten, dass ich ne deutsche Freundin habe,<br />
o. k., aber draußen! Aber ihre Eltern, die wollten das nicht.<br />
Und da sie ja schon auch 18 war, haben sie auch gesagt, o. k.,<br />
du bist 18, mach, was du willst, aber er kommt hier nicht<br />
hoch! Ich durfte sechs oder sieben Monate nicht zu ihr nach<br />
Hause in die Wohnung. Da haben wir uns immer draußen<br />
getroffen. Und da haben sie irgendwann einmal gesagt: ‚Du,<br />
bevor ihr euch da irgendwo rumtreibt, bring ihn hoch.’ Und da<br />
haben sie mich kennen gelernt. Und da waren wir die besten<br />
Freunde! Wir haben jetzt immer noch guten Kontakt zueinander.<br />
Man muss sich nur besser kennen lernen, das ist wichtig!<br />
Man kann nicht von Anfang an sagen, das ist ein Türke, den<br />
will ich gar nicht haben, oder umgekehrt auch. [...] Und um<br />
das zu schaffen, das sagte ich ja eben, diese Gettos, die muss<br />
man abschaffen. Wenn die Leute immer untereinander sind,<br />
dann werden sie auch untereinander bleiben. Da kommen die<br />
da nämlich gar nicht raus. [...]“<br />
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