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Kurz gefasste Chronik der Deutschen Schule in ... - Tsingtau.org

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<strong>Kurz</strong>e <strong>Chronik</strong> <strong>der</strong> dt. <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau - von Dr. Wilhelm Matzat - 2001 - www.ts<strong>in</strong>gtau.<strong>org</strong> - Creative Commons-Lizenz<br />

Schuljahr 1938/39<br />

Das Schuljahr verlief bedeutend ruhiger als das vorherige. Es begann mit 22 Schülern<br />

und endete mit 36, da e<strong>in</strong>e ganze Reihe von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n von e<strong>in</strong>em jeweiligen<br />

Deutschlandbesuch zurückkamen: Hellmut und Willi Matzat, Hermann Schlichtiger,<br />

Ilse und Gerda Weitz, Christa Schnock, Hertha Block. In die erste Grundschulklasse<br />

traten e<strong>in</strong>: Thies Nauert, Karl (gen. Sonny) Dold, Tania Balabuh<strong>in</strong>.<br />

Was die sog. Rassenideologie betrifft, so konnten Schüler aller Nationen die<br />

deutsche <strong>Schule</strong> besuchen, mit Ausnahme <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> jüdischen Emigranten<br />

aus Deutschland. Dort hatte das Pogrom gegen die Juden nach dem 9.11.1938 zu<br />

e<strong>in</strong>er starken Auswan<strong>der</strong>ungswelle geführt. Hauptziel war das International Settlement<br />

<strong>in</strong> Shanghai, da dort für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>reise ke<strong>in</strong> Visum nötig war. Auf diese Weise<br />

verweilten von 1939-45 über 16000 jüdische Emigranten <strong>in</strong> Shanghai als temporärem<br />

Zufluchtsort. E<strong>in</strong>ige wenige erhielten von <strong>der</strong> japanischen Besatzungsmacht <strong>in</strong><br />

Ts<strong>in</strong>gtau, Tients<strong>in</strong>, Pek<strong>in</strong>g u.a. die Genehmigung, dorth<strong>in</strong> zu ziehen. So wohnten<br />

1940 ca. 65 deutschsprachige Juden <strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau. Von ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n hätten, theoretisch,<br />

rund neun (im Alter von 6 – 15 Jahren) <strong>in</strong> die deutsche <strong>Schule</strong> gehen können.<br />

Diese besuchten entwe<strong>der</strong> die britische o<strong>der</strong> amerikanische <strong>Schule</strong>, und nach<br />

<strong>der</strong>en Schließung am 8.12.1941 wohl nur noch die <strong>Schule</strong> des Heilig-Geist-Klosters<br />

(FMM), <strong>in</strong> <strong>der</strong> von den Nonnen hauptsächlich Mädchen unterrichtet wurden.<br />

Für das Lehrerehepaar Voigt war es das letzte Jahr <strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau, obwohl es gerne<br />

geblieben wäre. Über Frau Voigt war bereits oben berichtet worden, daß sie <strong>in</strong> den<br />

letzten 4 Jahren aus politischen Gründen nur mit Hilfe e<strong>in</strong>es „Privatvertrages“ hatte<br />

unterrichten dürfen. Dummerweise ließ sie gerade jetzt, <strong>in</strong> Anwesenheit e<strong>in</strong>iger<br />

Frauen, e<strong>in</strong>e etwas kritische Bemerkung fallen, die dem Ortsgruppenleiter Ohlwe<strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>terbracht wurde. Er stufte daraufh<strong>in</strong> Frau Voigt endgültig als „politisch unzuverlässig“<br />

e<strong>in</strong>, und <strong>der</strong> auslaufende Anstellungsvertrag ihres Mannes wurde nicht<br />

erneuert, obwohl <strong>der</strong> Schulausschuß e<strong>in</strong>er Verlängerung bereits zugestimmt hatte.<br />

Die Proteste<strong>in</strong>gaben des Ehepaares Voigt und des Obmanns Dr. Seufert sowie<br />

des Kassenwarts O. von Alemann stießen <strong>in</strong>s Leere und konnten die von Ohlwe<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>gefädelte Intrige nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Da <strong>der</strong> Schulausschuß h<strong>in</strong>tergangen worden<br />

war, kündigte Seufert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schreiben an das Konsulat an, daß er daraufh<strong>in</strong><br />

aus Protest se<strong>in</strong>en Vorsitz nie<strong>der</strong>gelegt haben würde. Da er aber gerade dabei war,<br />

e<strong>in</strong>en Jahresurlaub <strong>in</strong> Deutschland anzutreten, lohnte sich die symbolische Handlung<br />

nicht mehr. Für Frau Voigt war das Jahr 1938/39 physisch und nervlich e<strong>in</strong>e<br />

überaus kritische Phase. Sie war zum zweiten Male schwanger und litt gerade zur<br />

Zeit <strong>der</strong> Geburt ihrer Tochter im Mai 1939 an e<strong>in</strong>em schweren Keuchhusten, h<strong>in</strong>zu<br />

kamen die Aufregungen wegen <strong>der</strong> unvorhergesehenen Kündigung. Die Voigts<br />

versuchten, nun an <strong>der</strong> Kaiser-Wilhelm-<strong>Schule</strong> <strong>in</strong> Shanghai unterzukommen, was<br />

aber auch nicht gelang. In Deutschland wartete e<strong>in</strong> weiterer Schicksalsschlag auf<br />

Herrn Voigt. Er wurde zum Kriegsdienst e<strong>in</strong>gezogen, schwer verwundet, und e<strong>in</strong><br />

Be<strong>in</strong> mußte amputiert werden.<br />

Mit dem Ende des vorigen Schuljahrs im Juli 1938 wurde die Deutsche <strong>Schule</strong><br />

Ts<strong>in</strong>gtau, die 1924 als Realschule <strong>in</strong>s Leben gerufen worden war, als solche<br />

abgeschlossen. Im Zuge <strong>der</strong> Angleichung an die höheren <strong>Schule</strong>n Deutschlands<br />

begann ab September 1938 die Umwandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Schule</strong>, die an den Lehrplan<br />

e<strong>in</strong>er Oberschule für Jungen anschloß. Dies führte auch zu e<strong>in</strong>er neuen Term<strong>in</strong>ologie<br />

für die Klassenstufen. Die 4 Grundschuljahre behielten ihre Bezeichnung, die<br />

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