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Kurz gefasste Chronik der Deutschen Schule in ... - Tsingtau.org

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<strong>Kurz</strong>e <strong>Chronik</strong> <strong>der</strong> dt. <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau - von Dr. Wilhelm Matzat - 2001 - www.ts<strong>in</strong>gtau.<strong>org</strong> - Creative Commons-Lizenz<br />

Möbeln zu helfen. Das Deutsche Heim wurde e<strong>in</strong> Klubgebäude für U.S. Soldaten.<br />

Se<strong>in</strong>e Bücher <strong>der</strong> deutschen Leihbibliothek mußten wir <strong>in</strong> den Turm <strong>der</strong> Christuskirche<br />

schleppen, wo sie <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Etagen auf den Boden gekippt wurden.<br />

Dort lagen sie „herrenlos“, und da <strong>der</strong> Turm frei zugängig war, hat so mancher<br />

se<strong>in</strong>e eigene Bibliothek mit Exemplaren daraus bestückt. E<strong>in</strong>es Tages mußten wir<br />

helfen, das Gebäude des ehemaligen deutschen Konsulates zu räumen, <strong>in</strong> dessen<br />

oberster Etage die Familie des Konsulatssekretärs Illenberger wohnte. Hans Aßmy<br />

und Friedrich Kiesow waren damit beschäftigt, aus dem Keller kle<strong>in</strong>e, aber schwere<br />

Holzkisten nach draußen auf den Lastwagen zu tragen. Da fiel e<strong>in</strong>e Kiste h<strong>in</strong>,<br />

sie brach auf, man hörte es metallen klirren. Die ch<strong>in</strong>esischen Wachtposten riefen:<br />

„Was ist das?“ So kam lei<strong>der</strong> ans Tageslicht, daß sich <strong>in</strong> den Kisten silberne<br />

Münzen und Barren befanden, die natürlich jetzt beschlagnahmt wurden. Wegen<br />

<strong>der</strong> starken Inflation <strong>in</strong> den Kriegsjahren hatte das Konsulat die von <strong>der</strong> deutschen<br />

Reichsregierung überwiesenen Unterhaltszahlungen für die Rückwan<strong>der</strong>er<br />

aus Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien zum Teil <strong>in</strong> Edelmetall angelegt, um so <strong>der</strong> ständigen<br />

Geldentwertung etwas entgegen zu wirken. Wegen dieser, den Unterricht ständig<br />

störenden, Aktivitäten ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, daß sich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Halbjahreszeugnis<br />

vom 31.1.1946 <strong>der</strong> E<strong>in</strong>trag f<strong>in</strong>det: „Infolge starker Bee<strong>in</strong>trächtigungen des<br />

Unterrichtes im vergangenen Halbjahr können die Noten nur mit Vorbehalt erteilt<br />

werden.“<br />

Im Laufe des Frühjahrs 1946 klärte sich immer mehr die Frage, welches Schicksal<br />

den Ch<strong>in</strong>adeutschen zugedacht war: die Zwangsausweisung, o<strong>der</strong> etwas mil<strong>der</strong><br />

ausgedrückt, die Repatriierung <strong>in</strong> die Heimat. Am 5. Juni 1946 schloß die Deutsche<br />

<strong>Schule</strong> Ts<strong>in</strong>gtau für immer ihre Pforten. Für die Schüler <strong>der</strong> 5. Oberschulklasse<br />

gab es ke<strong>in</strong>e Abschlußprüfung mehr. Neben <strong>der</strong> E<strong>in</strong>tragung vom 5.6.1946<br />

im Zeugnisheft erhielten alle Schüler e<strong>in</strong>e Zweitausfertigung auf e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zelblatt<br />

mit <strong>der</strong> Überschrift: Abgangszeugnis. Es enthielt wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Stempel, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>facher<br />

nicht hätte ausfallen können:<br />

Deutsche <strong>Schule</strong><br />

TSINGTAU<br />

Am Abend des 25.6.1946 traf dann das U.S. Schiff „Mar<strong>in</strong>e Rob<strong>in</strong>“ im Großen<br />

Hafen e<strong>in</strong>, und am nächsten M<strong>org</strong>en verließen auf ihm 136 Deutsche die Stadt<br />

Ts<strong>in</strong>gtau, darunter fast alle Frauen und K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus dem ehemaligen Nie<strong>der</strong>ländisch-Indien.<br />

Auch Dr. Sieber mit Familie und Dr. Wiemer waren dabei. Herr<br />

Reichel setzte sich nach Changsha ab, Frl. Elisabeth von Meier nach Pek<strong>in</strong>g. Frl.<br />

Dr. Grzywacz kam erst im nächsten Jahr mit <strong>der</strong> zweiten Repatriierungsgruppe<br />

(„General Black“) nach Deutschland.<br />

In die ehemalige deutsche <strong>Schule</strong> zog im September 1946 die American Highschool<br />

Ts<strong>in</strong>gtao (TAS) e<strong>in</strong>. Da auch nach dem 25.6.46. noch deutsche Familien<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau wohnten, besuchten diese nun die amerikanische <strong>Schule</strong>,<br />

ohne daß sie das Gebäude wechseln mußten. Nur 3 Jahre später schloß auch diese<br />

Institution, denn am 2.6.1949 besetzten die ch<strong>in</strong>esischen Kommunisten die Stadt.<br />

Die Amerikaner, die 1946-47 so eifrig die Ausweisung <strong>der</strong> Ch<strong>in</strong>adeutschen betrieben<br />

hatten, wurden nur an<strong>der</strong>thalb Jahre später selber aus Ch<strong>in</strong>a „repatriiert“.<br />

Deswegen sei zum Schluß e<strong>in</strong>e Beobachtung, die <strong>der</strong> römische Philosoph Seneca<br />

vor 2000 Jahren machte, hier zitiert:<br />

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