Entwicklungsperspektive: Die Bandengesellschaft - Christian Reder
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eine <strong>Bandengesellschaft</strong> lassen sich in Tofflers aktuellstem Zukunftsszenario<br />
trotzdem noch genügend Hinweise finden. Wegen der Wertschöpfung im<br />
Wissensbereich werde es zum Beispiel demnächst „zu einer so hochgradigen<br />
Verschmelzung der Spionage von Regierung und Privatwirtschaft kommen, daß<br />
davor alles verblaßt, was es in der kapitalistischen Wirtschaft je gab," mit<br />
entsprechenden Verbindungen zur Computerkriminalität und allen möglichen<br />
Formen von Datenmanipulation. Machtausübung wird noch enger mit informeller<br />
Mitwisserschaft und der Ausschaltung der Apparate verbunden sein müssen; je<br />
wichtiger ein Problem, desto weniger befaßte Leute und höchstens rudimentäre<br />
schriftliche Unterlagen. Vom FBI stammt die Prognose, daß „in den USA<br />
Haßgruppen nur so aus dem Boden schießen" werden. Mit Kriegen zwischen<br />
rivalisierenden Minderheitengruppen ist in Permanenz zu rechnen. Eine<br />
„hochbeladene, schnell zickzackende Mosaik-Demokratie" wird nach ganz<br />
eigenen Regeln funktionieren. Dafür nehme in der Arbeitswelt die<br />
Organisationsvielfalt zu, steht doch einer zu erwartenden Springflut<br />
zwangsläufiger Restrukturierungen ein breites Repertoire erprobter Formen zur<br />
Verfügung, „von der Jazz-Combo bis zum Spionagenetz, vom Stamm und Clan<br />
und Ältestenrat bis hin zu Klöstern und Fußballmannschaften". 18<br />
In solchen - offenbar pragmatisch-handlungsorientiert angelegten -<br />
Gedankenspielen über eine weiter zunehmende Ungleichzeitigkeit<br />
gesellschaftlicher Strukturen, spiegelt sich die demokratische Grundproblematik<br />
nichteinmal mehr wider, nach der schon die Frage nach herrschenden Gruppen<br />
und nach Gruppen von Beherrschten streng genommen ein Widerspruch zur<br />
grundlegenden Absicht ist. Denn ihr zufolge habe, was als essentielles<br />
Selbstverständnis angesichts der Tatsachen so utopisch wie eh und je klingt,<br />
„unparteiisch und von allen Bürgern gleichermaßen legitimiert," die Verfassung<br />
zu herrschen, nicht ein Konglomerat privilegierter Machtgruppen. 19 In der<br />
Gewöhnung an die Existenz dessen, was überwunden werden sollte und an ein<br />
pluralistisches Ausbalancieren dieses Zwischenstadiums, werden strukturell<br />
tiefgreifendere Weiterentwicklungen seit langem nichteinmal mehr zum Thema.<br />
Sie können es offensichtlich nicht werden, „seit sich gesellschaftliche Macht in<br />
technischen Standards, Frequenzen, Reichweiten und Schaltplänen organisiert.<br />
<strong>Die</strong> virtuelle Medienwirklichkeit der telematischen Netzwerke läßt sich nicht<br />
mehr im Sinne bürgerlicher Öffentlichkeit als Forum oder politischer Schauplatz<br />
begreifen" (Norbert Bolz). 20 Was, um nochmals die eigentliche Mafia, inklusive<br />
„niedrigerer" Aktionsebenen, ins Spiel zu bringen, ein weiterer ihrer Analytiker<br />
auf diese gemünzt hat, läßt sich de facto generalisieren: „Ökonomie und Politik<br />
sind derart unauflöslich ineinander verflochten, daß man nie weiß, wo das<br />
private Interesse aufhört und das öffentliche anfängt, und umgekehrt." Selbst<br />
„die (immer noch stark moralisch konnotierte) Kategorie der Korruption" greife<br />
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